Jakob Kindinger
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erstellte die Lagerführung eine Liste mit 47 Häftlinge, die als Kern der Widerstandsorganisation<br />
vermutet wurden. Sie alle wurden versteckt. 163 Der Terror der SS ging weiter, worauf die Organisation<br />
nur mit passivem Widerstand antworten konnte. Sie hatten die Hoffnung der Rettung durch die US-<br />
Armee aufgegeben.<br />
In den folgenden Tagen gelang es dem Lagerältesten Hans Eiden (1901-1950) durch eine äußerst<br />
geschickte Verhandlungsführung immer wieder die SS hinzuhalten.<br />
Hans Eiden 164<br />
Diese Verzögerungstaktik sollte eine bevorstehende Evakuierung (mit einer großen Anzahl von Toten)<br />
vermeiden und dazu beitragen, die Gefährdeten bis zum Eintreffen der Amerikaner verbergen zu<br />
können. Am späten Vormittag des 11. April passierten amerikanische Panzer das Tal am Ettersberg.<br />
Sie hielten nicht. Beate Dorfey fasst die Endphase wie folgt zusammen:<br />
„Gegen 12 Uhr ertönte die Sirene, und über Lautsprecher wurden alle SS-Angehörigen aus dem Lager<br />
befohlen. Über dem Lager kreisten pausenlos alliierte Flugzeuge. Um 14 Uhr waren erste<br />
Artilleriekämpfe in der Nähe zu hören. Kurz darauf erschien der erste Panzer am Horizont. Erst jetzt gab<br />
das Internationale Lagerkomitee den Befehl zum Sturm auf die Wachtürme und den Lagerzaun. Hans<br />
Eiden besetzte mit einer Gruppe Häftlinge das Lagertor. Die wenigen verbliebenen SS-Angehörigen<br />
leisteten kaum Gegenwahr. Um 15.15 Uhr wehte vom Lagertor die weiße Fahne, und über den<br />
Laufsprecher ertönte die Stimme Hans Eidens: `Kameraden! Die Faschisten sind beflohen. Ein<br />
internationales Lagerkomitee hat die Macht übernommen. Wir fordern Euch auf, Ruhe und Ordnung zu<br />
bewahren. Das Lager wird gesichert. Bleibt, soweit Ihr nicht eingeteilt seid, in den Blocks!<br />
Buchenwald war nun frei. Die Amerikaner hatten kurz vor Erreichen des Lagers wieder abgedreht.<br />
Diese Tatsache hat dazu geführt, dass in der Tradition der DDR-Geschichtsschreibung und bei<br />
zahlreichen kommunistischen Häftlingen selbst immer wieder von der Selbstbefreiung des Lagers<br />
gesprochen wurde, eine Version, die angesichts der Ereignisse genausowenig aufrechtzuerhalten ist,<br />
wie die Aussage, die Amerikaner hätten Buchenwald befreit. Die Häftlingstruppen setzten erst zum<br />
163 Die Differenz zu den in der Literatur immer wieder genannten „46 Häftlingen“ ergibt sich aus der Tatsache, dass die Nr.<br />
47, der französische Industrielle Pièrre Bloch, tatsächlich als Einziger am Tor erschien. Vgl.: Dorfey, Beate: Zur Problematik<br />
des kommunistischen Widerstandes im Konzentrationslager Buchenwald. Der Fall des Trierer Kommunisten Hans Eiden. In:<br />
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43, 1995, H. 6, S. 528.<br />
164 Christoffel, Edgar: Der Weg durch die Nacht. Verfolgung und Widerstand im Trierer Land während der Zeit des<br />
Nationalsozialismus. Verfolgte aus Trier und dem Trierer Land durchleben die Konzentrationslager und Zuchthäuser des<br />
„Dritten Reiches“. Trier 1983, S. 130.<br />
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