Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ein ernst zu nehmender Faktor, dem mit geeigneten Maßnahmen entgegengewirkt werden<br />
muss. Insbesondere ist dabei die allgemeine Medienerziehung gefordert, die Distanz zu<br />
gezeigten Medienbildern erzeugen kann. Zugleich ist aber der Vorgang einer<br />
Raucherkarriere zu komplex, als dass er durch die Verbannung oder reflexive Brechung der<br />
Werbung allein gestoppt werden könnte.<br />
Das Modell (1) „Mangelnde Selbstsicherheit“ ist als Thema in Fokusgruppen nur sehr schwer<br />
behandelbar. Es würde entweder ein anderes, eher psychotherapeutisches oder<br />
gruppendynamisches Setting voraussetzen oder aber ein sehr hohes Reflexionswissen der<br />
Teilnehmer/innen über ihre tiefer liegenden Beweggründe. Es war daher nicht zu erwarten,<br />
dass die interviewten Jugendlichen von sich aus sagen würden: ja, wir rauchen, weil wir ein<br />
schwaches Ich und ein noch nicht voll zur Entfaltung gebrachtes Selbstbewusstsein haben.<br />
Schon eher konnte man annehmen, dass sie Meinungen darüber haben werden, inwieweit<br />
andere aus Mangel an Selbstsicherheit rauchen. Diesbezüglich hat sich aber eher so etwas<br />
wie eine Raucher-Solidarität gezeigt, nämlich die Haltung, über andere Raucher/innen nichts<br />
wirklich Abwertendes zu sagen.<br />
Wohl aber waren etliche Jugendliche in unseren Fokusgruppen bereit, <strong>für</strong> sich selbst und<br />
andere gelten zu lassen, dass sie auch deshalb rauchen, weil sie dadurch ein Stückchen<br />
Erwachsenheit erfahren. Wie immer man das psychodiagnostisch deuten mag, als Mangel<br />
oder nicht, es zeigt jedenfalls, dass das Rauchen von Zigaretten, da es in bestimmten, sehr<br />
genau strukturierten sozialen Situationen erfolgt, Erfahrungen vermitteln kann, die die<br />
Jugendlichen ansonsten entbehren müssen, nämlich sich ein bisschen erwachsen fühlen zu<br />
können und von anderen Signale zu empfangen, dass sie von diesen als ein bisschen<br />
erwachsen angenommen werden. Weniger als ein Mangel an Selbstsicherheit und<br />
Selbstbewusstsein ist das Rauchen daher sicherlich eine Folge des Mangels an Signalen der<br />
Erwachsenen, die zeigen würden, dass sie die Jugendlichen als vollwertige,<br />
vertrauenswürdige, respektable Personen zu nehmen bereit sind.<br />
Das Modell, das unseren Ergebnissen zufolge indessen den wesentlichsten<br />
Erklärungsbeitrag liefern kann, ist das Modell (5) „Problembewältigung“. Es ist in allen<br />
Raucherkarrieren das zentrale Erfahrungsmoment, an dem sich zwar nicht das primäre<br />
Interesse an der Zigarette, aber die Fähigkeit, ihre psychoaktiven Wirkungen zu empfinden,<br />
entwickelt.<br />
Das von uns in Anlehnung an Howard Becker (1966) entwickelte Karrieremodell sieht sechs<br />
Stufen vor, über die der Jugendliche sich vom absolut unbeleckten Anfänger zum geübten<br />
Raucher entwickelt, was durchaus als Lernprozess zu verstehen ist. Es wird damit eine<br />
Differenzierung des sozialen Prozesses des Rauchereinstiegs präsentiert und somit die<br />
8