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Lesekompetenz Impulse: Grundschule - Landesinstitut für ...

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Behörde <strong>für</strong><br />

Bildung und Sport<br />

<strong>Impulse</strong>: <strong>Grundschule</strong><br />

<strong>Lesekompetenz</strong>


Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

der Begriff der <strong>Lesekompetenz</strong> ist nach den<br />

internationalen Untersuchungen PISA, IGLU,<br />

den Hamburg weiten Untersuchungen zur<br />

Lernausgangslage (LAU, KESS) und der noch<br />

stattfindenden Untersuchung DESI immer<br />

noch in aller Munde. Wegen Überfrachtung<br />

mit Wunschvorstellungen über das, was sich<br />

alles in Schule ändern muss, um eine gezielte<br />

För derung vorzunehmen, bedarf es einer<br />

Klarstellung und deutlichen Unterstützung<br />

darin, welche Inhalte und Methoden vorrangig<br />

gelten sollen.<br />

Im Zentrum dieser Broschüre stehen<br />

neben den theoretischen Klärungen konkrete<br />

Unterrichtsanregungen zur gezielten Förderung<br />

der <strong>Lesekompetenz</strong> im Grundschulunterricht<br />

verschiedener Fächer. Zu diesem<br />

Zweck wurde die vorliegende Handreichung<br />

<strong>für</strong> die <strong>Grundschule</strong> unter der redaktionellen<br />

Leitung von Dr. Gabriele Rabkin<br />

(<strong>Landesinstitut</strong>, Primarstufe Deutsch) erstellt.<br />

Zunächst möchten wir die viel zitierte<br />

Definition von <strong>Lesekompetenz</strong> aus der PISA-<br />

Studie n och einmal ins Gedächtnis rufen, da<br />

von dort ausgehend alle Beiträge der Handreichung<br />

konzipiert worden sind:<br />

„<strong>Lesekompetenz</strong> (Reading Literacy)<br />

umfasst die Fähigkeit, geschriebene Texte<br />

unterschiedlicher Art (kontinuierliche und<br />

diskontinuierliche Texte) in ihren Aussagen,<br />

ihren Absichten und ihrer formalen<br />

Struktur zu verstehen und in einen<br />

größeren Zusammenhang einordnen zu<br />

können, sowie in der Lage zu sein, Texte<br />

<strong>für</strong> verschiedene Zwecke sachgerecht zu<br />

nutzen.“ (C. Artelt u.a. <strong>Lesekompetenz</strong>:<br />

Testkonzeption und Ergebnisse; in:<br />

Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), 2001).<br />

Wichtig ist, dass die PISA-Definition <strong>für</strong><br />

die 15-Jährigen gilt und in der Handreichung<br />

<strong>für</strong> die Arbeit in der <strong>Grundschule</strong> „übersetzt“<br />

wurde. Daraus folgt, das Leseverständnis<br />

altersgerecht und entsprechend den Erkenntnissen<br />

der Didaktik des Lesenlernens und<br />

–förderns sowie der Schriftspracherwerbsforschung<br />

im Grundschulbereich im Unterricht<br />

systematisch zu fördern und den<br />

Schritt zum Deuten und Diskutieren von<br />

Texten erst auf der Basis des Leseverständnisses<br />

zu vollziehen. Oftmals wurde dieser<br />

zweite Deutungsschritt vor dem ersten Verstehensschritt<br />

gemacht und so der eigentliche<br />

Textinhalt aus dem Auge verloren.<br />

Der Pippi-Langstrumpf-Text des Experten <strong>für</strong><br />

Analphabetismus, Jürgen Genuneit (Redakteur<br />

bei Ernst Klett Sprachen) eröffnet die<br />

Reihe der Beiträge. Hierin w ird in anre g e n-<br />

der Weise der en ge Zu sammenhang vo n<br />

L e s e n l e rnen u nd Schulerfolg b zw. das<br />

Ent stehen v on funkt ionalem Analp habetismus<br />

d eu t lich. Die unt erhaltsame To u r<br />

d’ho rizon durch d ie Kinder- und Jugendb<br />

ü c h e r, d ie in Erzählzusammenhängen die<br />

hohe Bedeutun g d es Lesens (von Bü chern )<br />

u nd Schreiben s <strong>für</strong> die Lern e n t w i c k l u n g<br />

vo n Kindern themat isieren, eröffnet gleichzeitig<br />

Perspektiv en <strong>für</strong> die Arbeit in d er<br />

G rundschule. Es ist erstaunlich , wie ähnlich<br />

d ie Ansätze zur Alphab etisieru n g<br />

E rwachsener und zu m Lesenlernen in der<br />

G rundschule sind.<br />

Als wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> eine gezielte<br />

Förderung der Lesefähigkeit wird die<br />

genaue Lernbeobachtung im Bereich Lesen<br />

aufgegriffen und auf die Möglichkeiten<br />

hingewiesen, wie von den Beobachtungserkenntnissen<br />

ausgehend individuelle<br />

Förderung folgen kann. Das Diagnosei<br />

n s t rument „Hamburger Lesepro be“ wird<br />

von Helga Arntzen (Mitautorin d er Leseprobe)<br />

in seiner Konzeption und Anwendung<br />

v o rg e s t e l l t .<br />

In der Bro s c h ü re findet sich eine Reihe<br />

u n t e richtspraktischer Anregun gen, d ie Sie<br />

in Ihrem Unterricht um setzen können. D en<br />

Schluss des ersten Teils bildet eine ausführliche<br />

u nd mit vielen konkreten Umsetzu ngsh<br />

inweisen versehene D arst ellun g m öglich er<br />

Zu gänge zur <strong>Lesekompetenz</strong> im Fach<br />

Deutsch. Petra Dalldorf und Renate Frank-<br />

Flies (Fach seminarleit erinnen am <strong>Landesinstitut</strong>)<br />

geht es daru m, Kinder b eim Aufbau<br />

von Lesestrategien zu unterstützen , sie mit<br />

Hilfe u nterschiedlicher Zugangsweisen und<br />

Te x t a n re g u n g en <strong>für</strong> das Lesen zu gewinnen<br />

und damit Grund zu legen <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />

Schullaufbahn.<br />

Die Broschüre ist eng mit den neuen<br />

Rahmenplänen Deutsch, Mathematik und<br />

Sachunterricht <strong>für</strong> die <strong>Grundschule</strong> verknüpft,<br />

die den Schulen inzwischen <strong>für</strong><br />

einen Erprobungszeitraum von drei Jahren<br />

vorliegen.<br />

Die Bedeutung von Leseförderung in allen<br />

Fächern der <strong>Grundschule</strong> sowie der Aspekt<br />

Deutsch als Zweitsprache sind Schwerpunkte<br />

des zweiten Teils.<br />

Monika Grell (<strong>Landesinstitut</strong>, Referat<br />

Sprachen) erläutert den Aspekt Deutsch als<br />

Zweitsprache fächerübergreifend.<br />

Die Beiträge zum Sachunterricht<br />

(Verfasserin: Anne Kolbe, Fachreferentin in<br />

der Behörde <strong>für</strong> Bildung und Sport sowie im<br />

<strong>Landesinstitut</strong>, Primarstufe Sachunterricht)<br />

und zum Mathematikunterricht


(Verfasserinnen: Brigitta Hering,<br />

<strong>Landesinstitut</strong>, Primarstufe Mathematik und<br />

Eva Rhein, Mathematikmoderatorin) enthalten<br />

fachbezogene Aussagen und Anregungen<br />

zur bewussten Wahrnehmung und<br />

Verstärkung des Lesens in diesen Fächern.<br />

Häufig wird die <strong>Lesekompetenz</strong> allzu selbstverständlich<br />

vorausgesetzt, ohne dass sie -<br />

wie eigentlich notwendig – auch in diesen<br />

Fächern systematisch vertieft, geübt und<br />

angewendet wird.<br />

Ziel ist es, das Lernen in diesen Fächern<br />

durch eine Verstärkung der <strong>Lesekompetenz</strong><br />

zu sichern.<br />

Zum Schluss wird durch den Beitrag von<br />

Sven Nickel (Universität Bremen) ein weitere r<br />

wichtiger – nur scheinbar außenstehender –<br />

Aspekt über die Programme zur Literalitätsförderung<br />

in den Familien (Family Literacy)<br />

aufgegriffen. Hierin wird die Bedeutung von<br />

Leseförderung in der Familie deutlich und<br />

daraus ersichtlich, wie Schule ihre Rolle<br />

sehen muss, wenn die elterliche Aufgabe<br />

nicht oder nur unzureichend wahrgenommen<br />

wird. Das Gespräch mit Eltern über das<br />

Lesen und Angebote <strong>für</strong> die Literalisierung<br />

interessierter Eltern und Erzieher werden in<br />

Zukunft eine wichtige Rolle spielen müssen.<br />

Alle Studien haben gezeigt, dass der<br />

Bildungshintergrund des Elternhauses (z.B.<br />

Bestand an Büchern zu Hause) einen<br />

wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung<br />

der <strong>Lesekompetenz</strong> und des Schulerfolgs hat.<br />

Wir wünschen Ihnen <strong>für</strong> die Arbeit mit<br />

diesem Heft ein vergnügliches Leseerlebnis<br />

und vor allem die Aufnahme einiger <strong>für</strong> Sie<br />

wichtiger Anregungen <strong>für</strong> Ihren Unterricht<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. Viel wird erreicht, wenn<br />

es gelingt, die <strong>Lesekompetenz</strong> jedes einzelnen<br />

Kindes zu fördern, indem die<br />

Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer der<br />

<strong>Grundschule</strong> den Kindern präzise Hinweise<br />

geben, wie sie - anknüpfend an ihrem Lese-<br />

Können - weiter lernen können.<br />

Für die Erstellung der Broschüre möchten<br />

wir allen Verfasserinnen und Verfassern herzlich<br />

danken und dem Vorhaben Förderung<br />

der <strong>Lesekompetenz</strong> an den Hamburger<br />

<strong>Grundschule</strong>n viel Erfolg wünschen.<br />

Die Frage des Vaters in Roald Dahls<br />

„Matilda“, warum seine Tochter denn ein<br />

„verdammtes Buch“ benötige, wird dann<br />

nicht mehr gestellt werden müssen, weil die<br />

Antwort aller frisch Alphabetisierten lauten<br />

könnte: „Weil wir gern lesen und uns die<br />

Welt ohne das Lesen gar nicht mehr<br />

vorstellen können!“ Gegen so eine Art Harry-<br />

Potter-Effekt wäre nichts einzuwenden.<br />

Bernd-Axel Widmann<br />

Referatsleiter Deutsch und Künste<br />

Behörde <strong>für</strong> Bildung und Sport<br />

Peter Daschner<br />

Direktor des <strong>Landesinstitut</strong>s <strong>für</strong><br />

Lehrerbildung und Schulentwicklung


Als die Mutter entdeckt, dass ihr vierjähriger Sohn<br />

lesen kann, ist sie entsetzt und rennt aufgeregt<br />

mit ihm zum Arzt.<br />

Doktor Santens kontrollierte, ob ich tatsäch -<br />

lich lesen konnte. Dann untersuchte er mich von<br />

Kopf bis Fuß.<br />

... Als er damit fertig war, lehnte er sich<br />

bedächtig in seinem Stuhl zurück. ... Tiefe Falten<br />

erschienen auf seiner Stirn. Schließlich blickte er<br />

meine Mutter ernst an.<br />

„Sonja“, sagte er, „ich habe eine schlechte<br />

Nachricht und eine gute. Die schlechte ist, daß<br />

Lesenkönnen unheilbar ist. Die gute ist, daß man<br />

nicht daran stirbt“ (Doorselaer, S. 8f.).<br />

Doch Kaspars Mutter bleibt beunruhigt und<br />

fragt verwirrt:<br />

„Aber das plötzliche Lesenkönnen, woher um<br />

Himmels willen kommt das? Das einzige, was wir<br />

lesen , ist die Fern sehzeitu ng. Wie ist das<br />

eigentlich, Doktor? Kann das Lesenkönnen plötz -<br />

lich auf einen ru n t e rfallen? Wie Sch walben -<br />

scheiße?“ (ebda, S. 13)<br />

Diese Szene stam mt aus d em niederländischen<br />

Kind erbu ch „Ich heiß e Kasp ar“ von<br />

W illy van Doorselaer, in dem „Alphabetismus“<br />

eine Krankheit in einer von audiovisuellen<br />

Medien beh errscht en Welt ist, in der allenfalls<br />

noch d ie Fernseh zeitung gelesen wird .<br />

Kaspar ist ein w ürdiger Brud er von Roald<br />

D ahls „Matilda“, die sich eb enfalls das Lesen<br />

g egenü ber den medienfix iert en Eltern<br />

e r k ä m p f t :<br />

Im Alter von drei Jahren hatte sich Matilda das<br />

Lesen beigebracht. (...) Im Alter von vier Jahren<br />

konnte sie rasch und fließend lesen und fing an,<br />

sich sehnsüchtig nach Büchern umzuschauen.<br />

Das einz ige Buch in diesem erleucht eten<br />

Haushalt war etwas namens „Kochen ist leicht“<br />

und gehörte ihrer Mutter. Nachdem Matilda es<br />

von vorn n ach hinten d urchgelesen h atte,<br />

beschloss sie, sich nach etwas Interessanterem<br />

umzusehen.<br />

„Vati“, sagte sie, „meinst du, dass du mir ein<br />

Buch kaufen könntest?“ „Ein Buch?“, fragte er.<br />

„Wozu brauchst du denn ein verdammtes Buch?“<br />

„Zum Lesen, Vati.“<br />

„Und was hast du gegen das Fernsehen, um<br />

Himmels willen? Wir haben einen fabelhaften<br />

Fernsehapparat mit einem Riesenbildschirm, und<br />

jetzt kommst du und willst ein Buch haben? Du<br />

bist ... verwöhnt, mein Mädchen!“<br />

(Dahl 1997, S. 11)<br />

Matilda versorgt sich vo n n un an mit<br />

B ü c h e rn aus der Bibliothek. Doch immer<br />

wied er ko mm t es wegen des Lesens zu<br />

Konflikten mit ihrem Va t e r, in den en sie sich<br />

schließ lich mit Bravo ur durc h s e t z t .<br />

Besonders Kaspar m it seiner beso rg t e n<br />

M u t t e r, aber au ch Mat ilda mit ihre m<br />

Selb stb ewu sstsein und D u rc h s e t z u n g s v e -r<br />

mö gen gegenüber ihrer leseunwilligen Fam ilie<br />

st ellen zum Teil Gegenwelten zur Kindheit<br />

mancher fu nktio naler An alp hab et en d ar,<br />

lassen aber au ch Ähnlichkeiten erkennen, die<br />

unter ungünst igeren Bed ingungen bei ihnen<br />

zu einem fu nktion alen Analphabet ism us<br />

g e f ü h t rhätten.<br />

Die Zeiten, in denen sich Eltern – wie die<br />

von Kaspar u nd Matilda – über ihre lesew ütigen<br />

Kinder Sorgen m achen, sind inzwischen<br />

v o r ü b e r. Im mer mehr Kinder – aber auch<br />

Jug end liche – sind Lesem uffel. Im mer<br />

m ehr Kinder haben so gar Probleme b eim<br />

Lesen- und Schre i b e n l e rn en. Die Klagen<br />

d er Lehrerinnen und Lehrer so wi e der<br />

E l t e rn sind u nüb erh ö r b a r. Di e Fol ge:<br />

Im mer mehr Jug end liche verl assen die<br />

Schu le o hne au sreichende Lese- und<br />

S c h reibkenntnis se, w as d ie PISA-Stud ie<br />

s c h m e rzhaft b est ät igt . Vermehrt beschwert<br />

sich die Wirtschaft, dass diese Jugendlichen<br />

nicht ausbildungsreif sind und deshalb keine<br />

Lehrstelle erhalt en können. Inzwischen<br />

spricht man vo n vier Million en (fu nktionalen)<br />

Analphabeten in Deutschland (vgl.<br />

Döbert/Hubertus, S. 25-40).<br />

Die Ursachen d a<strong>für</strong> sind vielfältig. Eine<br />

wicht ige Ursache ist das Fehlen von Vo rb<br />

i l d e rn. Viele Kinder sehen ihre Elt ern kaum<br />

noch schreiben oder lesen. In vielen Familien<br />

w i rd – äh nlich wie in denen von Kaspar und<br />

Mat ilda – allenfalls noch die Fern s e h z e i t u n g<br />

gelesen. Deshalb wissen auch im mer weniger<br />

K i n d e r, w arum und wozu sie eigent lich lesen<br />

und schreiben lern en sollen . Das muss ihnen<br />

erst mü hsam in der Schule beigebracht werden<br />

. D enn nur, wenn man das Warum und<br />

Wozu weiß, lernt man gern. Das gilt besonders<br />

<strong>für</strong> das Lesen und Schreiben.<br />

Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist Mäusefriederike in<br />

Willi Fährmanns Kinderbuch „Der überaus<br />

starke Willibald“:<br />

Ihre Freundin Lillimaus hat sich das Lesen,<br />

als sie in der Biblio thek ein gesperrt war,<br />

s e l bst beigebracht. Stolz teilt sie dies Mäusefriederike<br />

mit, als diese sie besucht: „Ich will


dir ein großes Geheimnis anvertrauen. Denk<br />

dir, ich kann lesen.“ Doch Mäusefriederike<br />

kann mit diesem Geheimnis nichts anfangen.<br />

„Was ist das, lesen?“, fragt sie ratlos. „Ist das<br />

etwas, was du fressen kannst?“ „Nein , nein“,<br />

a n t w o rtete Lillimaus u nd lachte. „Lesen, das<br />

ist wie fliegen, fliegen aus unserer Küchentür<br />

hinaus hoch über die Bäume im Garten hin<br />

und weiter, immer weiter in fremde Länder<br />

und ferne Welten“ (Fährmann, S. 35 f.).<br />

Doch Mäusefriederike kann damit nichts<br />

anfangen. Deshalb versucht Lillimaus, ihrer<br />

Freundin mit immer neuen Bildern zu erklären,<br />

was das ist, lesen. Bis Mäusefriederike<br />

endlich begreift – und dann will sie es auch<br />

können: „Lesen müßte man können, seufzte<br />

Mäusefried erike. Ihr Blick schweifte sehnsüchtig<br />

über die tausend Bücher, die sich da<br />

Rücken an Rücken drängten ...“<br />

(Fährmann, S. 40).<br />

„Und wie sollen wir unsere Kinder zum<br />

Lesen und Schreiben bringen?“, fragen viele<br />

Eltern, Lehrerinnen und Lehrer verzweifelt.<br />

Ein Weg, der hier vorgeschlagen werden<br />

soll, ist es, mit schriftsprachfernen Kindern<br />

und Jugendlichen Bücher zu lesen, die das<br />

Lesen und Schreiben thematisieren. Bücher,<br />

die deut lich m achen , w as Lesen- un d<br />

Schreibenkönnen bedeutet und die dadurch<br />

zum Lesen und Schreiben motivieren. Bücher,<br />

die auf Schwierigkeiten hinweisen, die man<br />

mit dem Lesen und Schreiben haben kann.<br />

Bücher, die zeigen, dass Kinder und Jugendliche<br />

mit ihren Lese- und Schreibproblemen<br />

nicht allein stehen, die zeigen, dass es auch<br />

andere Menschen gibt, die diese Probleme<br />

haben. Das macht Mut, trotz Schwierigkeiten<br />

weiterzulernen oder immer wieder neu mit<br />

dem Lernen zu beginnen. Das macht auch<br />

Mut, über die eigenen Lese- und Schreibprobleme<br />

zu sprechen, mit den Eltern, den<br />

Freunden, den Lehrern (vgl. Genuneit 2001).<br />

Das Thema Lesen- und Schreibenlernen<br />

wird in Büchern <strong>für</strong> Kinder aufgegriffen, seit<br />

es diese gibt. So spielt in dem ersten englischen<br />

Kinderb uch „The History of Little<br />

Goody Two-Shoes“ (1765) dieses Thema bereits<br />

eine wichtige Rolle (vgl. Goetsch, S. 250<br />

f.). Es wird auch in der deutschen Schwankund<br />

Märchenliteratur behandelt, z.B. bei Tyl<br />

Ulensp iegel, der versucht , einem Esel das<br />

Lesen beizubringen (29. Histori, S. 48 ff.). In<br />

anderen Schwänken macht man sich über<br />

„Analphabetentölpel“ lustig (vgl. Moser-Rath,<br />

Sp. 482-484), und auch in frühen deutschen<br />

ABC-Büchern hat Lesen- und Schreibenlernen<br />

als Thema einen wichtigen Platz. So heißt es<br />

zum Beispiel in dem gerade neu aufgelegten<br />

und von Erlbruch neu illustrierten „Neuen<br />

ABC-Buch“ vo n Karl Ph ilipp Moritz<br />

(1790/1794):<br />

Das Buch macht junge Kinder klug.<br />

Ich will in diesem kleinen Buche fleißig<br />

lesen lernen, damit ich noch mehr Bücher<br />

lesen kann, wodurch ich klüger werde.<br />

Ich muß beim lesen nicht zu dichte auf<br />

das Buch sehen, weil man sich die Augen<br />

damit verdirbet.<br />

Und zum Lesen sind gute Augen nöthig<br />

(Moritz 1794, S. 7 f.; vgl. auch<br />

Moritz/Erlbruch, o.p.).<br />

An anderer Stelle zeigt das Buch einen an<br />

einem Tisch sitzenden Mann, der in einem<br />

Buch gelesen hat und jetzt über das Gelesene<br />

nachdenkt: das Buch als Anlass zum Denken<br />

und Nachdenken.<br />

Hier klingen bereits einige Aspekte zum<br />

Lesen und Schreiben an, die von nun an<br />

imm er w ied er in der Kinderlit eratur auftauchen<br />

u nd die <strong>für</strong> Kinder mit Lese-/<br />

Schreibproblemen Anstoß zur Reflexion und<br />

Veränderung ihrer Situation sein können –<br />

selbst wenn sie etwas moralisierend klingen:<br />

• Lesenlernen ist wichtig, denn Lesenkönnen<br />

und Lesen bedeutet gesellschaftlichen<br />

Aufstieg: Nur wer fleißig liest , ko mmt<br />

voran.<br />

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass, wer<br />

nicht lesen und schreiben kann, später als<br />

Erwachsener Probleme hat, nicht vorankomm<br />

t und d em Spott der Alphabetisierten<br />

ausgeliefert ist. Ein Beispiel da<strong>für</strong><br />

aus dem 18. Jahrhundert ist das „Schuldiktat<br />

Nr. 5“ von Christian Friedrich Daniel<br />

Schubart, das er zwischen 1766 und 1769<br />

seinen Schülern diktierte und in dem er<br />

einen armen Jungen schildert, der nicht<br />

lesen und schreiben kann<br />

(Schubart, S. 240 f.):<br />

Der Reiche kommt durch sein Geld fort, aber<br />

durch was sollen die Armen fortkommen? Ist<br />

es nicht ein Jammer, wenn man einen armen<br />

Knaben sieht, der weder lesen noch schreiben<br />

kann und dem der Hunger und die Dummheit<br />

zugleich aus den Augen heraussieht? Verachtet<br />

von jedermann, verschmäht und verworfen<br />

muß er sein Brot vor der Tür suchen, und wenn<br />

ihn Krankheit und Alter drückt, noch froh sein,<br />

wenn er als ein Scheusal mit Bettelfuhren im<br />

Lande herumgefahren wird und wie ein armer<br />

Sünder sein Leben auf einem Karren endigen<br />

kann. O meine lieben Kinder, Gott bewahre<br />

euch vor Armut, aber noch weit mehr vor<br />

Dummheit.<br />

Das „Schuldiktat“ von Schubart zeigt aber<br />

auch, dass Lesen- und Schreibenlernen schei-


tern bzw. mit Schwierigkeiten verbunden sein<br />

kann. Die Gründe <strong>für</strong> das Scheitern sowie die<br />

Schwierigkeiten und ihre Überwindung sind<br />

ebenfalls von Anfang an ein wichtiges Thema<br />

der Kinderliteratur.<br />

• Lesen- u nd Schre i b e n l e rnen fü hrt zu<br />

Humanisierung und Zivilisierung. (vgl. u.a.<br />

Goetsch, S. 253 ff.; Genuneit 1998). Nicht<br />

umsonst vermittelt Karl Phillipp Moritz<br />

dem lesen und schreiben lernenden Kind,<br />

dass das Buch nicht nur klug macht, sondern<br />

auch das Denken und Nachdenken<br />

fördert. Das Denken ist es aber, was den<br />

Menschen vom Tier unterscheidet. So stellt<br />

auch Joachim Heinrich Campe in seinem<br />

„Abeze- und Lesebuch“ (1806) in einem<br />

Gespräch zwischen Großvater und seinem<br />

Enkel Karl herau s, dass Schreiben un d<br />

Lesen dazu dienen, Gedanken zu vermitteln,<br />

und nennt ihm d amit Grü nde,<br />

warum es sich lohnt, lesen und schreiben<br />

zu lernen:<br />

Großvater: (…) Durch das Schreiben können<br />

wir alles, was wir denken, vermittelst gewisser<br />

Zeichen sichtbar machen, und es auf Papier<br />

heften, dass es gar nicht wieder verschwinden<br />

kann; durch das Lesen lern en wir jene Zeichen<br />

verstehen, und werden dadurch in den Stand<br />

gesetzt, die Gedanken Anderer gleichsam vor<br />

Augen zu sehen. ... Hatte ich nicht Recht, lieber<br />

Karl, dieses Mittel ein herrliches zu nennen?<br />

Karl: Ja! Lehre es mir, lieber Gro ß v a t e , rwenn’s<br />

nicht zu schwer ist (Campe, S. 40f.).<br />

• Lesen- und Schre i b e n l e rnen fü hrt zur<br />

Disziplinierung – und zwar sowohl zur<br />

Körper- als auch zur Sozialdisziplinierung<br />

(vgl. u.a. Genuneit 1998, S. 29). So führt<br />

Karl Phillipp Moritz in seinem ABC-Buch<br />

zur Körperhaltung des lesenden Knaben<br />

aus: Er „hält den rechten Zeigefinger auf<br />

das Buch, damit er in der rechten Zeile<br />

bleibe“ und er sieht „nicht zu dichte“ auf<br />

das Buch „weil man sich die Augen damit<br />

v e rd irbet“ (Moritz 179 4, S. 7 f.). Die<br />

Vorschriften, die sich Pädagogen <strong>für</strong> die<br />

Körperhaltung beim Schreiben ausgedacht<br />

haben, sind allerdings noch wesentlich<br />

umfangreicher und rigider (vgl. Rude, S.<br />

499 f., zit . bei Karweick, S. 8 8). Zum<br />

S o z i a l v e rhalten des lesen lern e n d e n<br />

Knaben weist Karl Phillipp Moritz darauf<br />

hin, dass der Knabe „sehr aufmerksam“ ist<br />

und „nicht umher gaft“ und dass er mit<br />

Fleiß lesen will (Moritz 1794, S. 7 f.).<br />

Diese Humanisierungs-, Zivilisierungs- und<br />

Disziplinierungsfunktionen des Lesen- und<br />

Schreibenlernens gelten bis heute, auch wenn<br />

Philosophen sie <strong>für</strong> gescheitert halten wie<br />

Peter Sloterdijk in seinem umstrittenen Essay<br />

„Regeln <strong>für</strong> den Menschenpark“. Sie sind ein<br />

wichtiges Argument, um Kritikern des Lesenund<br />

Schre i b e n l e rnens breiter Massen, die<br />

darin die Gefahr der Aufsässigkeit sehen, den<br />

Wind au s den Seg eln zu nehmen (v gl.<br />

Goetsch, S. 242).<br />

Diese historische Diskussion wird auch in<br />

der h eutigen Kinderlit eratur au fgegriff e n ,<br />

zeigt sie doch,<br />

• dass das Lesen- und Schreibenlernen lange<br />

Zeit keine Selbstverständlichkeit <strong>für</strong> alle<br />

Kinder in Europa war,<br />

• dass das Recht auf Lesen- und Schreibenler<br />

nen <strong>für</strong> alle nur mit Mühe durchzusetzen<br />

war,<br />

• dass mit diesem Recht nicht nur Ängste,<br />

sondern auch politische und wirtschaftliche<br />

Ziele verbunden waren und<br />

• dass Lesen- und Schreibenkönnen Macht<br />

bedeuten kann.<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> diese Diskussion in der<br />

Kinderliteratur ist Susanne Ellensohns Buch<br />

„Der lange Hans oder Die heimliche Flucht“.<br />

Die österreichische Autorin schildert hier, wie<br />

schwer es im 19. Jahrhundert war, die allgem<br />

eine Sch ulp flicht – besonders auf dem<br />

Lande – <strong>für</strong> alle verbindlich durchzusetzen.<br />

Dabei sp ielt en nicht nur w irt s c h a f t l i c h e<br />

Gründe eine Rolle – die Kinder (auch der Held<br />

des Buches Hans) w erd en als b illige<br />

Arbeitskräfte gebraucht –, sondern auch politische,<br />

wie die Auseinandersetzung zwischen<br />

P f a rrer und Bürg e rm eist er zeigt, als eine<br />

amtliche Mitteilung über die Einführung der<br />

Schulpflicht im Dorf eintrifft.<br />

Der Bürgermeister steckte den Brief wieder in<br />

die Jackentasche zurück.<br />

„Ich bin empört, Herr Pfarrer. Empört darüber,<br />

dass unser Kaiser persönlich dieses Gesetz gut -<br />

geheißen hat.“<br />

„Nun, es ist ja nicht so schlimm, wenn alle<br />

Kin der lesen und sch reiben lern en, Herr<br />

B ü rg e rm e i s t e r. Dann können sie den<br />

Katechismus lesen und all die wunderbaren<br />

Heiligengeschichten. Das schafft eine gewisse<br />

religiöse Bildung im Volk. Und dies hat das<br />

Volk dringend nötig, ganz besonders in der<br />

h eutigen Zeit , deren Sitten losigkeit zu m<br />

Himmel schreit. Meinen Sie nicht auch?“<br />

Aber der Bürg e rm eister ist andere r<br />

Meinung:<br />

„Ganz was anderes werden sie lesen“,<br />

b rum mt e er schlecht gelaunt, „ganz was<br />

anderes!“ Er blieb abrupt vor dem Pfarrer ste -<br />

hen. „Sie wissen doch, daß sich in Wien der


Pöbel zusammenrottet? (...) Es sind die Sozial -<br />

demokraten, die Proletarier! Sie geben seit<br />

neuestem sogar eine eigene Zeitung heraus, die<br />

‚Volksstimme’. Die werden sie lesen! Und was<br />

wird das Ergebnis sein? Unruhe, Aufstand und<br />

Revolu tion gegen die von Gott gegeben e<br />

Monarchie, gegen unseren Kaiser! (...)<br />

Je gebild eter die Untersch icht ist, desto<br />

gefährlicher ist sie auch. Ich verstehe n i c h t ,<br />

daß u nser Kaiser das nicht erken nt!“<br />

(Ellensohn, S. 21-23).<br />

Doch diese Kritiker setzten sich nicht<br />

durch, machtpolitische und wirtschaftliche<br />

Gründ e <strong>für</strong> eine breit e Alphabetisieru n g<br />

waren stärker als ihre Ängste: Denn ohne<br />

Lese- und Schreibkenntnisse größerer Teile<br />

der Bevölkerung waren weder eine funktionierende<br />

Bürokratie als Instrument der Kontr<br />

olle und der Herrschaftssicherung noch die<br />

Entwicklung einer funktionierenden, wachsenden<br />

(kapitalistischen) Wirtschaft möglich<br />

(vgl. u.a. Genuneit 1998). Das ist meines<br />

Erachtens auch ein Hauptgrund da<strong>für</strong>, dass<br />

Lesen- und Schre i b e n l e rnen seit dem 18.<br />

J a h rh u n d e rt b is heut e als Thema in der<br />

Kinder- und Jugendliteratur auftritt.<br />

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass<br />

Kinder über Bücher und auch andere Medien<br />

bereits im Vorschulalter oder in den ersten<br />

Schuljahren <strong>für</strong> das Lesen- und Schreibenlernen<br />

und das Lesen und Schreiben selbst<br />

motiviert werden sollen.<br />

Dazu ein kleiner Überblick vom 19. bis ins<br />

21. Jahrhundert.<br />

Viele Bilder- und Kinderbücher versuchen,<br />

durch einen Vorgriff auf die Schulsituation,<br />

Kinder neu gierig auf d as Lesen- und<br />

Schreibenlernen zu machen. Ein typisches<br />

Beispiel hier<strong>für</strong> ist das Buch „Wie der Tiger<br />

lesen lernt“ von Janosch.<br />

Hier funkt ioniert d as Lesenlernen des<br />

kleinen Tigers offenbar problemlos, obwohl<br />

die Wörter, die der Lehrer Fuchs ihm in der<br />

Waldschule zum Erlesen präsentiert, aus lesedidaktischer<br />

Sicht nicht u npro b l e m a t i s c h<br />

sind.<br />

Losgelöst von der Schulsituation versuchen<br />

die reich und sehr schön illustrierten Bücher<br />

„Bertram und Kasimir. Vom Abenteuer Lesen“<br />

(Jonas) u nd „Ein Bu ch <strong>für</strong> Bru n o “<br />

(Heidelbach), Lust auf Lesen und Bücher zu<br />

wecken. In „Bertram und Kasimir“ macht die<br />

kleine Maus Bertram einen verbotenen<br />

Ausflug in die Bibliothek und stößt dabei ein<br />

Buch aus dem Regal. Das Buch beschwert sich<br />

bei ihr darüber. Doch Bertram kann mit dem<br />

Buch nichts anfangen, weil er nicht weiß,<br />

„wozu dieses sonderbare Ding gut sein sollte“.<br />

Deshalb „w ollte er seine kleinen, sp itzen<br />

Zähne in den Buchdeckel schlagen“, um es zu<br />

fressen. Das Buch hindert ihn daran, indem es<br />

ihm eine Geschicht e erzählt , ein e ganz<br />

andere, als er bisher von den Mäuseeltern<br />

gehört hatte. „So“, endete das Buch seine<br />

Erzählung „Ich habe die Geschichte meiner<br />

Seiten erzählt. Hättest du mich gefressen,<br />

hättest du sie niemals gehört, hättest nichts<br />

Neues erf a h ren und nicht s dazugelern t . “<br />

Bertram ist „überwältigt“, kennt er doch jetzt<br />

zwei wichtige Funktionen eines Buches: etwas<br />

Neues erfahren und etwas dazulernen. Zur<br />

B e u n ruhigung seiner Eltern verändert ihn<br />

diese H orizonterw e i t e rung: „Sein Zuhause<br />

erschien ihm plö tzlich zu klein, u nd er<br />

beschloss wegzugehen. Schnell lief er los und<br />

befand sich bald an einem Ort, wo er noch<br />

nie zuvor gewesen war.“ Bertram will seine<br />

Verwandten auf dem Speicher besuchen, wird<br />

aber kurz vor deren Mäuseloch von dem Kater<br />

Kasimir erwischt, der ihn fressen will. „Als<br />

Bertram sah, wie sich die Pfote auf ihn herabsenkte,<br />

nahm er all seinen Mut zusammen.<br />

Laut u nd entschlo ssen sagte er: ‚Wa rt e ,<br />

Kasimir! Ich w erde dir eine Geschicht e<br />

erzählen!’“ Und Bertram erzählt Kasimir die<br />

Geschichte vom grünen Drachen, die er von<br />

dem Buch aus der Bibliothek gehört hatte.<br />

Während der Erzählung, die er mit immer<br />

neuen Episoden ausschmückt, spürt er, dass<br />

der Kater immer friedlicher wird. Die anderen<br />

Mäuse kommen hinzu und erblicken etwas,<br />

was sie – so weit sie zurückdenken können –<br />

n och nie gesehen haben: „Ein winziges<br />

Mäuschen mit gekrümmten Schnurrhaaren<br />

erzählte einem riesigen Kater von grünen<br />

Drach en, während d er m it geschlo ssenen<br />

Au gen leise schnurrte.“ Bertram u nd die<br />

a n d e ren Mäu se lernen hier eine weitere<br />

Funktion von Büchern kennen: Bücher zähmen,<br />

Bücher disziplinieren – selb st<br />

gefährliche Kater. Die Mäuse ziehen ihre<br />

Schlüsse daraus: „Sie sind alle umgezogen, in<br />

die Bibliothek, und verschlingen dort den<br />

ganzen Tag lang ... Bücher“ (Jonas, o.p.).<br />

In der Tat ein Buch, das neugierig auf<br />

Bücher macht u nd zum Lesenlernen motiviert ,<br />

wenngleich es hier eigentlich nicht vordringlich<br />

um das Lesen, sondern um das Erzählen<br />

von Geschichten geht. Aber auch das ist eine<br />

wichtige Vo r b e reitung auf das Lesen, was<br />

viele Eltern und Großeltern allerdings inzwischen<br />

vergessen haben, sonst würden sie<br />

i h ren Kind ern viel mehr Geschicht en<br />

erzählen.<br />

Auch Nikolaus Heidelbach versucht, mit<br />

„Ein Buch <strong>für</strong> Bruno“ Lust auf Bücher zu<br />

wecken, und es gelingt ihm dabei, ebenfalls<br />

eine wichtige Funktion von Büchern deutlich<br />

zu machen: Sie regen die Fantasie an und<br />

erlauben das Eindringen in neue unentdeckte<br />

Welten. Ulla, eine ausgesprochene Leseratte,<br />

w i rd t äglich von Bru no besu cht, der ihr<br />

immer etwas Neues zeigt, einen Aufkleber, ein


T-Shir t, ein Rollbrett ..., um sich von ihr<br />

bewundern und bestätigen zu lassen. Dann<br />

haut er wieder ab. Ulla wollte aber, dass er<br />

länger bliebe, und zeigte ihm deshalb ihre<br />

eigenen Bücher: „Aber Bruno hatte nur ein<br />

wenig geblättert und sie dann liegen lassen.<br />

‚Ph, Kinderbücher’, hatte er gesagt und schon<br />

war er draußen gewesen.“<br />

Ulla probierte es erneut, diesmal mit den<br />

„gefährlichen“ Büchern, denn d ie haben<br />

Abbildungen, vor denen sie sich <strong>für</strong>chtete.<br />

„Aber Bruno hatte sich nicht ge<strong>für</strong>c h t e t .<br />

‚Langweilig’, hatte er gesagt, und wieder war<br />

er draußen gewesen.“<br />

Jetzt versucht Ulla es mit einem Trick: Sie<br />

täuscht mit einem Pflaster einen Schlangenbiss<br />

vor und behauptet, die Schlange komme<br />

aus einem Buch: „‘Da oben, das blaue. Ich<br />

glaube, es ist ein Zauberbuch. Alles drin kann<br />

lebendig werden, nicht nur die Schlangen.<br />

Man muss sehr vorsichtig lesen (...).’ ‚Glaub<br />

ich nicht’, sagt Bruno. ‚Zeig!’“ Ulla holt das<br />

Buch und beginnt daraus vorzulesen. Von<br />

nun an gibt es keinen Text mehr, sondern nur<br />

noch Bilder, die deutlich machen, dass Ulla<br />

und Bruno in eine Fantasiewelt eintauchen<br />

(Heidelbach, o.p.). Ein origineller Einfall, dem<br />

sich kaum ein Kind, wenn seine Fantasie<br />

durch die neue Medienwelt noch nicht völlig<br />

abgetöt et ist, entziehen k ann. Auch Erwachsene<br />

werden sich diesem Einfall kaum<br />

entziehen können, schon wegen der vortr efflichen<br />

Illustrationen nicht.<br />

Nicht unproblematisch ist die Geschichte<br />

„ Wie d er Franz lesen lernt e“, m it d er<br />

Christine Nöstlinger in ihrem Buch „Neues<br />

vom Franz“ Neugier auf das Lesen macht<br />

(Nöstlinger, S. 5-34). Um seiner Freundin zu<br />

imponieren und ihr zu zeigen, dass er lesen<br />

kann, lernt Franz Bilderbü cher auswen dig<br />

und seine Freundin glaubt ihm. Von nun an<br />

muss er Gabi immer wieder etwas vorlesen.<br />

„Der Franz tut das gern. Sehr schwer ist das ja<br />

auch nicht, wenn niemand daneben steht,<br />

der wirklich lesen kann.“ Auch das Lesebuch<br />

<strong>für</strong> die erste Klasse liest er Gabi vor. Aber er i s t<br />

„sich nicht ganz sicher, o b die Geschichten, die<br />

er zu den Buchstabenzeilen erfunden hat,<br />

auch wirklich die Geschichten sind, die im<br />

Lesebuch stehen“. Deshalb hat er ein bisschen<br />

Angst vor dem Schulanfang (Nöstlinger,<br />

S. 34).<br />

Sicherlich eine liebensw erte Geschichte,<br />

aber es fragt sich, ob die Fantasie, die durch<br />

u nverstand ene Buchstaben zeilen herv o rg e -<br />

rufen wird, wirklich <strong>für</strong> das Lesen hilfreich ist<br />

o der ob n icht die „falschen Bilder“ das<br />

Verstehen der richtigen Inhalte zumindest<br />

behindern.<br />

Eine ähnliche Situation findet sich auch in<br />

Frauke Nahrgangs Kinderbuch „Katja und die<br />

Buchstaben“.<br />

Katjas Leselern p rozess wird gerad e dadurc h<br />

empfindlich gestört, dass sie sich auf Grund d er<br />

Bilder in der Fibel fant astische Geschichten ausdenkt<br />

und diese ihrer Mutter vorliest. Da ihre<br />

Mutter sie nicht korr i g i e t r–<br />

sie kann es nicht,<br />

weil sie Analph abetin ist, was Katja nicht weiß<br />

– d en kt Katja, sie könne lesen u nd bekommt<br />

deshalb in der Sch ule Probleme. Währen d sich<br />

die Mutter d ie aufregenden Abent euer von Uli<br />

a n h ö te r und dazu zustimmend nickte, nickte<br />

Frau Brau n, die Lehrerin , nicht:<br />

Sie wollte von diesem Abenteuer nichts wissen.<br />

„Du sollst nicht raten, Katja, du sollst lesen!“<br />

„Aber meine Mama“, wollte sich Katja vertei -<br />

digen. Doch Frau Braun winkte ab. „Schieb es<br />

nicht auf deine Mutter. Du hast einfach nicht<br />

genug geübt!“ Dann kam Jürgen an die Reihe,<br />

und er las:<br />

Uli sei leise<br />

So nun los<br />

Nadine las dasselbe. Alle Kinder lasen:<br />

Uli sei leise<br />

So nun los<br />

Und Frau Braun war einverstanden.<br />

Solche selt sam en Dinge passierten immer<br />

wieder. Katja las der Mutter von Uli, dem<br />

Schatzsucher, vor. Aber in der Schule wollte<br />

Frau Braun hören:<br />

Uli und Waldi<br />

wollen in den Wald<br />

wau wau.<br />

Und von der aufregenden Geschichte von Uli<br />

un d dem Geisterbahn m onster blieb n ichts<br />

übrig als:<br />

Uli und Susi sausen<br />

Hei das ist fein<br />

Tut tut<br />

Katja war sehr verw i rrt. Zu Hau se kon nte sie<br />

die spannendsten Geschichten aus der Fibel<br />

vorlesen. Aber in der Schule standen dort nur<br />

noch erbärmlich langweilige Geschichten, und<br />

Katja konnte gar nichts mehr davon lesen.<br />

( N a h rgang 1991, S. 19 f.)<br />

„Katja u nd die Buchstaben“ ist nicht nur<br />

eine gelungene Fibelkritik (vgl. G enuneit 1 995,<br />

S. 180), so nd ern auch eine vehem ente Krit ik<br />

an einer Schule, die mit fantasiebegab ten<br />

K i n d e rn wie Katja nichts anfangen kann.<br />

So erläutert die Autorin Frauke Nahrgang<br />

in einem Interview zu ihrem Buch:<br />

„Die Lehrerin in der Geschichte schad et<br />

Kat ja gar nicht so sehr mit der Qu alität der<br />

Fibeltext e ... Auch das Lernen im Gleichschritt<br />

hätte Katja vielleicht verkraftet. Was sie aber<br />

wirklich erst arren läßt, ist d ie Intere s s elosigkeit<br />

der Lehrerin . Ich w ünsche nicht nur<br />

K i n d e rn mit Schu lproblemen Lehre r, d ie<br />

n eu gierig auf Kinder sind und jedes einzelne<br />

sp annend finden“<br />

( H u b e rt u s / N a h g ra<br />

n g / S c h ö b , e S. r 16 f.).


„Katja und die Buchstaben“ ist m.E. auch<br />

deshalb interessant, weil hier eine analphabetische<br />

Mutter und deren Beziehung zu ihrer<br />

Tochter mit aller emotionalen Dramatik, aber<br />

auch voller Feingefühl dargestellt wird. „Katja<br />

und die Buchstaben“ ist in diesem Punkt vergleichbar<br />

mit den Jugendbüchern von Jochen<br />

Ziem „Bo ris, Kre u z b e rg, 12 Jahre“, Kare n<br />

Hesse „Nennt mich einfach Jule“ und Carolin<br />

Philipps „Wer lacht, hat keine Ahnung“, in<br />

denen ebenfalls die Beziehungen zwischen<br />

Kindern bzw. Jugendlichen und ihren analphabetischen<br />

Elternteilen dargestellt werden.<br />

Das ist eine Thematik, die in der Schule bei<br />

betroffenen Kindern häufig aus Scham und<br />

aus Angst, von anderen wegen ihrer Eltern<br />

ausgelacht zu werden, tabuisiert ist. Das ist<br />

aber auch <strong>für</strong> Lehrerinnen und Lehrer ein<br />

sehr wichtiges Thema, um sie im Umgang mit<br />

analphabetischen Eltern zu sensibilisieren.<br />

Die heile Lesewelt hat Risse. Das zumindest<br />

machen diese Bücher deutlich. Und es<br />

scheint so, dass die Bücher, die sich mit<br />

diesen Rissen b eschäftigen, seit kurz e m<br />

immer mehr zunehmen.<br />

Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist das Kinderbu ch „Benni<br />

und d ie Wört e r. Eine Geschicht e zum<br />

L e s e n l e rnen“ von Biessels und Erlbruch. Benni<br />

g e h ö rt wie Katja zu den fantasieb egabten<br />

K i n d e rn, die deshalb Probleme in d er Sch ule<br />

beim Lesen- und Schre i b e n l e nen r b ekommen ,<br />

weil die Lehrerinnen und Lehrer sie nicht verstehen.<br />

Zuerst läuft alles problemlo s, aber als<br />

Benni das Wo rt „Schaf“ lesen so ll, geht es<br />

nicht, weil d as geschriebene Wo rt „eigentlich<br />

nicht zu dem lieben Gesicht und weißen<br />

Locken eines Schafes passte. (...) ‚Da gehören<br />

Locken dran’, sagte Benni. Seine Lehrerin erklärte,<br />

wieso das nicht nötig sei. ‚Es sind doch<br />

nur Buchstaben, Benni’, sagte sie (...). Alle<br />

sind sich darüber einig, dass Schaf so aussieht,<br />

wenn man es schreibt“<br />

(Biessels/Erlbruch, S. 5 f.).<br />

Aber Benni kann sich mit dieser Erklärung<br />

nicht zufrieden geben, denn er hat noch<br />

nicht verstanden, dass Lesen und Schreiben<br />

auf einer Abstraktionsebene stattfinden, deren<br />

äußere Form nichts mit der Realität zu tun<br />

hat. Von nun an verbindet Benni jede Person<br />

mit einem Tier: Der Arzt sieht aus wie ein<br />

Schaf, Onkel Willi wie ein Hund, und er malt<br />

ihre Gesichter neben die Wor te. Die Lehrerin<br />

reagiert eher hilflos. „‚Benni ist zwar sehr<br />

eifrig, was das Lesen und Schreiben betrifft’,<br />

sagte Bennis Lehrerin (zu seiner Mutt er), ‚aber<br />

i rgend wie will es bei ihm nicht so gehen wie<br />

bei den anderen Kind ern ’ “(Biessels/Erlbruch,<br />

S. 24). Und damit trifft Carli Biessels den<br />

Nagel auf den Kopf: Unsere Schulen können<br />

mit abweichenden individuellen Lernprozessen<br />

nicht angemessen umgehen. Wenigstens<br />

schick t die Lehrerin Benni zu H errn<br />

Rosenbaum, der so eine Art Schulpsychologe<br />

zu sein scheint und Verständnis <strong>für</strong> Benni<br />

hat. Bei ihm darf Benni die Wor te schreiben,<br />

die er will und auch die Zeichnungen dazu<br />

anfertigen, die er will. Heimlich steckt Benni<br />

seine Ergebnisse in einen Umschlag, der ohn e<br />

sein Wissen an den Sch ulm inister geht. Der ist<br />

b e g e i s t e rt u nd will daraus ein „neu es<br />

L e s e p rojekt <strong>für</strong> die Gru ndschule“ machen<br />

( B i e s s e l s / E r l b urch, S. 30). Das kann zwar<br />

vordergründig Benni (und den Leserinnen<br />

und Lesern) Mut machen, ob es ihnen aber<br />

hilft, die nächste Stu fe im Pro zess des<br />

S c h r i f t s p r a c h e rwerb s zu erreichen, bleib t<br />

offen, denn das Buch endet etwas abrupt.<br />

Es fällt auf, dass die meisten neuere n<br />

Kinderbücher sich nur mit dem Lesenlernen<br />

und seinen Problemen beschäft igen . D as<br />

S c h re i b e n l e rnen u nd das Schreib en selbst<br />

wird viel weniger thematisiert. Hier folgen die<br />

Kinderbücher einem bildungspolitischen, ja<br />

sogar allgemeinen politischen Trend, nach<br />

dem offenbar das Lesen als gesellschaftlich<br />

relevanter angesehen wird als das Schreiben.<br />

Wie ist es sonst zu erklären, dass sowohl<br />

die OECD -Stud ie „Literacy, Econo my and<br />

Societ y“ (1995) als au ch die PISA-Stu die (2001)<br />

led iglich die Lesefähigkeit vo n Kin dern ,<br />

Jugendlichen und Erwachsenen ab getestet<br />

hat, aber nicht deren Schreibfähigkeit? Ob das<br />

dam it zusamm en hängt, dass ein e Unt ersuchung<br />

zur Schreibfähigkeit noch wesentlich<br />

katastrophaler ausfallen wird als die bisherigen<br />

zur Lesefähigkeit? Oder spielen da<br />

ganz andere Gründe eine Rolle: Lesen ist eine<br />

rezeptive Tätigkeit – man liest, was andere<br />

geschrieben haben. Schreiben hingegen ist<br />

eine produktive Tätigkeit, die m.E. ein viel<br />

g r ö ß e res Entfaltungs- und Ve r ä n d e ru n g spotenzial<br />

enthält als d as Lesen. Ve r ä nd erungspotenziale<br />

sind aber selten erw ü n s c h t .<br />

Wie dem auch sei, ich möchte diesem<br />

Trend mit zwei Bü chern gegensteuern , die<br />

au ch auf die Wichtigkeit des Schre i b e n l e n re<br />

n s<br />

und -könnens eingehen. In Dietlof Reiches<br />

Kinderb uch „Fre d d y. Ein wildes H amsterleben“<br />

bringt sich der Hamster Freddy selbst<br />

das Lesen bei. Um aber an ausreichend Lesestoff<br />

heranzukommen, muss er sich mit den<br />

Menschen, deren Sprache er zwar beherrscht,<br />

aber nicht sprechen kann, schriftlich auseinander<br />

setzen. Unter großen Mühen lernt er<br />

Schreiben, was ihm allerdings erst gelingt, als<br />

ihm da<strong>für</strong> ein Computer zur Verfügung steht.<br />

Er erkennt nicht nur, d ass Schreiben ein<br />

wichtiges Komm unikatio nsmittel ist, u m<br />

seine Ziele zu erreichen, sondern auch Spaß<br />

macht und sich zur literarischen Produktion<br />

eignet. So beginnt er, sein eigenes Lesen<br />

aufzuschreiben. Ein Buch, das schreibunlustigen<br />

Kin dern und Erw achsenen d eu t lich<br />

macht, dass Schriftsprache immer aus zwei


Komponenten besteht: dem Lesen und dem<br />

S c h reib en, u nd das gleichzeitig wichtige<br />

Funkt ionen des Schreib ens aufzeigt (vgl.<br />

Genuneit 2002).<br />

Martin Baltscheit hingegen macht auf den<br />

individu ellen kommu nikativ en Sinn des<br />

Schreibens, zum Beispiel beim Liebesbrief,<br />

aufmerksam in seinem liebenswerten Bilderu<br />

nd Kind erbuch „Die Geschichte vom<br />

Löwen, der nicht schreiben konnte“.<br />

Der Löwe konnte nicht schreiben. Aber das<br />

störte den Löwen nicht, denn der Löwe konnte<br />

brüllen und Zähne zeigen und mehr brauchte<br />

der Löwe nicht. Doch eines Tages verliebte er<br />

sich in eine lesende Löwin, die er sogleich<br />

küssen wollte. Doch dann fiel ihm ein: „Eine<br />

Löwin, die liest, ist eine Dame. Und einer<br />

Dame schreibt man Briefe. Bevor man sie<br />

küsst. Das hatte er von einem Missionar ge -<br />

lernt, den er gefressen hatte.<br />

Da der Löwe nicht schreiben konnte, ging er zu<br />

dem Affen und beauftragte ihn, statt seiner<br />

einen Brief an die Löwin zu schreiben. Und der<br />

Affe schrieb:<br />

„Liebste Freundin, wollen Sie mit mir auf die<br />

Bäume klettern? Ich hab auch Bananen. Total<br />

lecker! Gruß Löwe.“ Doch der Löwe war nicht<br />

damit zufrieden. „Aber neiiiiiin!“, brüllte der<br />

Löwe, „so et was hätt e ich doch nie<br />

geschrieben!“ Auch das Nilpferd, der<br />

Mistkäfer, die Giraffe, das Krokodil und der<br />

Geier, die er nacheinander mit dem Schreiben<br />

eines Briefes an die Löwin beauftragt,<br />

s c h reiben d iesen im mer n ur aus ihre r<br />

Perspektive. Dem Löwen reichte es.<br />

„Nein !“, brüllte der Löwe. „Neiiiiiiin! Nein!<br />

und nochmals Nein!“ „Ich würde schre i b e n ,<br />

wie sch ön sie ist. Ich würde ihr schreiben, wie<br />

g e rne ich sie sehen würde. Einfach zusammen<br />

sein. Einfach faul unter einem Baum liegen.<br />

Einfach in den Abendhimmel gucken! … Und<br />

dann brüllte der Löwe los. Brüllte all die wun -<br />

d e r b a ren Dinge, die er schreiben würde, wenn er<br />

könnte. Das hörte seine angebetete Löwin und<br />

sie fragte ihn erstaunt: „Wa rum haben Sie<br />

denn nicht selbst geschrieben ?“ Und<br />

zerknirsch t muss der Löwe antworten: „Ich<br />

habe nicht geschrieben, weil ich n icht schre i b e n<br />

kann.“ Da lächelte die Löwin , stupste den<br />

Löwen mit der Nase und n ahm ih n mit.<br />

Das letzte Bild zeigt die beiden unter einem<br />

Baum liegend, vor einem aufgeschlagenen<br />

leeren Buch, in das der Löwe mit Hilfe der<br />

Löwin ein großes A schreibt, A wie Anfang.<br />

Ein liebenswertes Buch, dem sich weder<br />

Kinder noch Erwachsene entziehen können.<br />

Doch nicht nur Kinder- und Jugendbücher,<br />

die trotz bestehender Schwierigkeiten Mut<br />

zum Lesen- und Schreibenlernen machen,<br />

sind wichtig, sondern auch solche, in denen<br />

das Lesen- und Schre i b e n l e rnen scheitert ,<br />

wenn sie gleichzeitig zeigen, dass die gescheiterten<br />

Kinder andere Fähigkeiten haben, mit<br />

denen sie das Leben meistern.<br />

Zu solchen Büchern gehören z.B. „Pippi<br />

L a n g s t rum pf“ vo n Astrid Lindgren und<br />

„Hilfe, die Herdmanns kommen“ von Barbara<br />

Robinson. Pippi kann nur rudimentär lesen<br />

und schreiben, ihr ist noch nicht einmal die<br />

Funktio n d er Komm unikat ion durc h<br />

Schriftsprache bekannt, denn sonst würde sie<br />

sich nicht selbst einen Brief schreiben. Sie will<br />

aber nicht lernen und meistert trotzdem ihr<br />

Leben.<br />

Ähnlich geht es den Herdmann-Kindern,<br />

über die Barbara Robinson schreibt.<br />

„Die Hermann-Kinder waren die schlimmsten<br />

Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten,<br />

rauchten Zigarren (sogar die Mädchen)<br />

und erzählten schmutzige Witze. Sie schlugen<br />

kleine Kinder, fluchten auf ihre Lehre r,<br />

mißbrauchten den Namen des Herrn und<br />

setzten den alten verfallenen Geräteschuppen<br />

von Fred Schumacher in Brand“ (Robinson, S.<br />

5) – so charakterisiert die Autorin ihre kleinen<br />

Helden gleich zu Beginn der Geschichte. Klar,<br />

dass sie in der Schule Probleme mit dem<br />

Lesen- und Schreibenlernen haben. Aber das<br />

Merkwürdige ist, dass nie einer von ihnen<br />

sitzen bleibt: „Am Ende der ersten Klasse<br />

konnte Klaus Herdmann weder das Abc noch<br />

die Zahlen, er kannte keine Farben und konnte<br />

ein Viereck nicht von einem Kreis unterscheiden,<br />

er hatte weder gelernt, ‚Hänschen<br />

klein’ zu singen, noch mit anderen Kindern<br />

auszukommen.<br />

Aber Fräulein Brendel versetzte ihn trotzdem<br />

in die zweite Klasse:<br />

Denn eines wußte sie: Im näch sten Jahr<br />

w ü rde sie Olli Herdmann in der Klasse hab en.<br />

Das war eben die Sache mit den Herdmanns: Es<br />

kam im mer einer nach. Und kein Lehrer war so<br />

v e rrückt, sich mit zweien von ihnen auf einmal<br />

ein zulassen“ (Robinson, S. 11 f.). Hier gibt<br />

die Auto rin einen wichtigen Hinw eis zur<br />

Ursachenfo rschung <strong>für</strong> funkt io nalen Analphabet<br />

ismu s: Vielfach werden Kinder aus Bequ emlichkeit<br />

einfach durch die Schulzeit „d urc h g ezogen“,<br />

um Schwierigkeiten zu vermeid en, in<br />

die nächste Klasse – m eist aus Altersgrü nd en –<br />

versetzt o der auf d ie Sonderschule „abgeschoben“<br />

(vgl. Döbert 1997).<br />

Pip pi Langstrumpf und die Herd m a n n s<br />

sind alles irgendwo liebenswerte Kinder, die<br />

deutlich machen, dass es noch and ere<br />

Qualitäten gibt, als lesen und schreiben zu<br />

können. Aber haben sie eine Chance, in einer<br />

von Schriftsprache geprägten Welt zu überleben?<br />

Kaum. Von den Herdmanns können<br />

wir nur ahnen, was aus ihnen wird. Pippi<br />

kann nur überleben, glücklich und fröhlich<br />

bleiben, weil sie die Krummuluspille schluckt


und so nie älter als neun Jahre wird. I n s o f e nr<br />

ist sie die einzige glückliche Analphabetin der<br />

Weltliteratur.<br />

Hier stellt sich die Frage, ob die Lektüre<br />

dieser Bücher Kindern mit Lese- und Schreibproblemen<br />

hilft. Bei der Überwindung dieser<br />

Probleme direkt wohl nicht, aber sie können<br />

ihnen Selbstbewusstsein vermitteln, das <strong>für</strong><br />

den weiteren Lernprozess hilfreich sein kann.<br />

Und das ist doch auch schon etwas!<br />

In die Kategorie der Bücher, die Selbstbew<br />

usstsein vermit teln , um trotz Lese- un d<br />

Schreibproblemen das Leben zu meistern, fällt<br />

auch das Buch „Der Pastor von Nibbleswick“,<br />

das Roald Dahl im Auftrag des Londoner<br />

D yslex ie-Inst itu ts <strong>für</strong> lese- und schre i bschwache<br />

Kinder geschrieben hat und mit<br />

d em d er Ü berblick b eend et werd en so ll.<br />

Hochwürden Lee hat als Kind unter Lese-/<br />

Rechtschreibschwäche gelitten, ist aber d u rc h<br />

die Bem ühungen des Lond oner Dyslexie-<br />

Institut s weitgehend davon „geheilt“ worden.<br />

Nur wenn er unter Stress steht, sucht sie ihn<br />

noch heim, allerdings in einer merkwürdigen<br />

For m: Er spricht dann die wichtigsten Wörter<br />

rückwärts. So wird „dog“ zu „god“ – und<br />

u m g e k e h rt – und eine Zeile au s d em<br />

Va t e ru nser lau tet „Und vergib u ns unsere<br />

D luhcs, wie auch wir vergeb en unsere n<br />

Nregidluhcs“ (Dahl 2000, S. 18). Kein Wund<br />

e r, dass dies in seiner neuen Kirc h e ngemeind<br />

e zu nächst Ve rw i rung st iftet. Die<br />

erreicht dann ihren Höhepunkt, als er nach<br />

einer Sonntagspredigt verkündet: „Die Straße<br />

vor unserer kleinen Kirche ist ausgesprochen<br />

schmal, und wie Sie wissen, ist kaum Platz<br />

genug, um mit zwei Fahrzeugen aneinander<br />

vorbeizukommen. Deshalb erscheint es mir<br />

richtig, wenn ich die Mit glieder unsere r<br />

Gemeinde bitte ...“ – und dann folgte wieder<br />

eine dieser Wo rt v e r k e h rungen. Er w ollte<br />

sagen: „... nicht vor dem Gottesdienst entlang<br />

der Vorderseite unserer Kirche zu parken.“<br />

Parken heißt aber im Englischen park, und<br />

rückwärts liest sich das Wort krap. Aber krap<br />

bedeutet scheißen. Also verstanden die Leute,<br />

sie sollten nicht vor dem Gottesdienst entlang<br />

der Vorderseite ihrer Kirche scheißen. Und<br />

weiter hörten sie den Pastor sagen: „Es ist<br />

nicht nur ein unschöner Anblick, sondern<br />

auch gefährlich. Wenn ihr alle auf einmal am<br />

Straßenrand scheißt, könnt ihr leicht von<br />

ein em v orb eifahrend en Wagen überf a h re n<br />

werden. Es gibt doch genügend Platz an der<br />

Südseite der Kirche.“ (Dahl 1992, S. 19 f.)<br />

Mit Hilfe des Dorfarztes gelingt es Pastor<br />

Lee, mit seinem Problem fertig zu werden: Er<br />

geht bei der Predigt immer rückwärts, dann<br />

kommen nämlich alle Wörter vorwärts raus,<br />

und um sehen zu können, wohin er geht,<br />

bringt er einen kleinen Rückspiegel mit einem<br />

Elastikb and an der Stirn an. „Schließ lich<br />

wurde Hochwürden Robert Lee so gut im<br />

Rückwärtsgehen, daß er gar nicht mehr vorwärts<br />

lief, und <strong>für</strong> den Rest seines Lebens galt<br />

er als ein liebenswerter Exzentriker und eine<br />

echte Stütze der Gemeinde.“<br />

(Dahl 1992, S. 22)<br />

Das Ermutigende an dieser Geschichte ist<br />

nicht nur, dass Pastor Lee eine Lösung <strong>für</strong> sein<br />

Problem findet, sondern dass seine Gemeinde<br />

ihn trotz seiner Schwäche ak zeptiert . Die<br />

Realität sieht bei uns heutzutage noch anders<br />

aus: Bei uns werden Menschen mit Lese/<br />

S c h re i b p roblemen immer no ch versp ot tet<br />

und an den sozialen Rand gedrängt. Ihre<br />

Existenz w ird geleu gnet, tab uisiert oder<br />

heruntergespielt, sodass oft eine gezielte Hilfe<br />

<strong>für</strong> sie nicht möglich ist.<br />

An dieser Stelle soll der Streifzug durch die<br />

Kinder- und Jugendliteratur abgebrochen werden,<br />

obwohl es noch viele interessante Titel<br />

u nd Aspek te gibt, d ie vorgest ellt werd e n<br />

könnten.<br />

Der Streifzug hat gezeigt, dass Lesen- und<br />

Schreibenlernen seit mehr als zweihundertfünfzig<br />

Jahren ein Thema der Kinderliteratur<br />

ist. Dabei stehen Motivation zum Lesen- und<br />

Schreibenlernen sowie die Überwindung der<br />

dabei auftret enden Schwierigkeiten im<br />

Mittelpunkt.<br />

Deshalb sind diese Bücher in der heutigen<br />

Zeit <strong>für</strong> Kinder wichtig. Sie erf a h ren, wozu man<br />

Lesen und Schreiben braucht und werd en so<br />

m o t i v i e t, r es zu lernen und anzu wenden.<br />

Sie erfahren aber auch, dass Lesen- und<br />

Schreibenlernen mit Schwierigkeiten verbund<br />

en sein kann. Wenn sie selb st so lche<br />

Schwierigkeiten haben, zeigen diese Bücher<br />

ihnen, dass sie nicht die Einzigen sind, und<br />

das macht Mut. Wenn sie keine Schwierigkeiten<br />

haben, erfahren sie, dass es Kinder gibt,<br />

die solche Probleme haben und dass man<br />

diese Kinder nicht auslacht, sondern ihnen<br />

hilft und Rücksicht auf sie nimmt.


Baltscheit, Martin. 2002. Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben ko nnte. Zürich: Bajazzo.<br />

Biessels, Carli / Erlbruch, Wolf. 2000. Benni und die Wörter. Eine Geschichte zum<br />

Lesenlernen. Weinheim: Beltz & Gelberg.<br />

Campe, Joachim Heinrich. 1830. Abeze- und Lesebuch. Braunschweig (Sämtliche Kinder- und<br />

Jugendschriften, Bd. 1, Faks. Nachdruck, Die bibliophilen Taschenbücher, Dortmund 1979).<br />

Dahl, Roald. 1997. Matilda. Reinbek: rororo r otfuchs.<br />

Dahl, Roald. 1992. Der Pastor von Nibbleswick. Ravensburg: Otto Maier.<br />

Doorselaer, Willy van. 1995. Ich heiße Kaspar. München: Carl Hanser.<br />

Ellensohn, Susanne. 1999. Der lange Hans oder Die heimliche Flucht. Hamburg: Oetinger.<br />

Fährmann, Willi. 61997. Der überaus starke Willibald. Würzburg: Arena.<br />

Goldsmith, Oliver [?]. 1765: The History of Little Goody Two-Shoes.<br />

Heidelbach, Nikolaus. 21997. Ein Buch <strong>für</strong> Bruno. Weinheim: Beltz&Gelberg.<br />

Hesse, Karen. 2000. Nennt mich einfach Jule. München: dtv.<br />

Janosch. 1994. Wie der Tiger lesen lernt. München: Mosaik.<br />

Jonas, Anne. 1999. Bertram und Kasimir. Vom Abenteuer Lesen. Esslingen: Esslinger Verlag.<br />

Lindgren, Astrid. 1987. Pippi Langstrumpf. Hamburg: Oetinger.<br />

Moritz, Karl Philipp. 1794. Neues ABC-Buch. Berlin, Faks., München: Insel 1980.<br />

Moritz, Karl Philipp / Erlbruch, Wolf. 2000. Neues ABC-Buch. München: Kunstmann.<br />

Nahrgang, Frauke. 1991. Katja und die Buchstaben. Kevelaer: anrich.<br />

Nöstlinger, Christine. 1985. Neues vom Franz. Hamburg: Oetinger.<br />

Philipps, Carolin. 1997. Wer lacht hat keine Ahnung. Wien: Uebereuter.<br />

Reiche, Dietlof: Freddy. 1998. Ein wildes Hamsterleben. Weinheim: anrich.<br />

Robinson, Barbara. 1974. Hilfe, die Herdmanns kommen. Hamburg: Oetinger.<br />

Schubart, Christian Friedrich Daniel. „Schuldiktat Nr. 5“. In: Schubarts Werke.<br />

Berlin/Weimar 1988, S. 258f.<br />

Tyl Ulenspiegel. In: Deutsche Volksbücher. Berlin/Weimar: Aufbau 1968, Bd. 2, S.5-155.<br />

Ziem, Jochen.1992. Boris, Kreuzberg, 12 Jahre. Berlin/München: Erika Klöpp.<br />

Döbert, Marion. 1997. „Schriftsprachunkundigkeit bei deutschsprachigen Erwachsenen.“<br />

In: Eicher, Thomas: Zwischen Leseanimation und literarischer Sozialisation. Oberhausen:<br />

Athena, S. 117-139.<br />

Döbert, Marion / Hubertus, Peter. 2000. Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und<br />

Alphabetisierung in Deutschland. Stuttgart: Klett / Bundesverband Alphabetisierung e.V.<br />

(Bezug: www.alphabetisierung.de)<br />

Genuneit, Jürgen. 1995. „Lesen- und Schreibenlernen in der schönen Literatur.“ In: Stark,<br />

Werner u. a. (Hrsg.): Schulische und außerschulische Prävention von Analphabetismus.<br />

Stuttgart: Klett, S. 171-191.<br />

Genuneit, Jürgen. 1998. „Die Macht des Schreibens – die Ohnmacht der Analphabeten.“<br />

In: Stark, Werner u. a. (Hrsg.): Wer schreibt, der bleibt! – Und wer nicht schreibt?<br />

Stuttgart: Klett, S. 22-41.<br />

Genuneit, Jürgen. 2001. „Lesen- und Schreibenlernen im Kinderbuch. Vorschläge zur Umsetzung<br />

eines Kinder- u nd Menschenrecht es in Deutschland.“ In: Grundschu le Sprach en, 4, S. 22-25.<br />

Genuneit, Jürgen. 2002. „Schreiben auf Leben und Tod oder ist Alphabetisierung nur<br />

Lesenlernen?“ In: Alfa-Forum 51, S. 36f.<br />

Goetsch, Paul. 1990. „Der Analphabet in der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts.“ In:<br />

Müllenbrock, Heinz Joachim/Klein, Alfons (Hrsg.): Motive und Themen englischsprachiger<br />

Literatur als Indikatoren literaturgeschichtlicher Prozesse. Tübingen, S. 241-265.<br />

Hubertus, Peter/Nahrgang, Frauke/Schöber, Gerald. 1996. „Was sie aber wirklich erstarren<br />

lässt, ist die Interessenlosigkeit der Lehrerin.“ In: Alfa-Rundbrief 33, S. 16f.<br />

Moser-Rath, Elfriede. 1977. „Analphabetenschwänke.“ In: Enzyklopädie des Märchens Bd. 1.<br />

Berlin 1977, Sp. 482-484.<br />

Sloterdijk, Peter. 1999. Regeln <strong>für</strong> den Menschenpark. Frankfurt/M.: Suhrkamp.


Wie kann im komplex en Arbeitsfeld des<br />

Lesens das einzelne Kind in seiner <strong>Lesekompetenz</strong>-<br />

und Lesestrategieentwicklung gezielt<br />

gefördert werden?<br />

Dieser Frage widmet sich der folgende<br />

Beitrag –<br />

• im ersten Teil durch eine kurze theoretische<br />

Bestimmung, was Lesen sei, welche<br />

Strategien es zu erwerben gilt und warum<br />

lit erarische Texte zur Aneignu ng dieser<br />

Strategien besonders geeignet sind,<br />

• im zweit en Teil durch eine Reih e vo n<br />

Prax isbeispielen, in denen w esent liche<br />

Lesestrategien fokussiert sind und geübt<br />

werden können.<br />

Lesen ist ein komplizierter kognitiver Prozess,<br />

b ei dem die gesamten sp rachlichen und<br />

außersprachlichen Kenntnisse und Erfahrungen<br />

des Lesers oder der Leserin einbezogen<br />

werden müssen:<br />

• Der Leser od er d ie Leserin m uss d ie<br />

S t ruktur eines Wo rtes, eines Tex tes erf<br />

a s s e n .<br />

• Der Leser oder d ie Leserin muss d ie im<br />

Text vorhandenen Begriffe m it ihren od er<br />

seiner Vorstellu ng verb inden b zw. d iese<br />

aus dem Textzusammenhang erschließen<br />

k ö n n e n .<br />

• Es müssen vielfältige Ve r k n ü p f u n g s l e i -s<br />

tu ng en vo llzo gen w erden, z.B. Ve rknüpfu<br />

ngen vo n Wö rt e rn, vo n Ab schnit -<br />

ten, Bezu g v on Üb erschrift und Te x t ,<br />

Verbind ung von Text anfang un d -ende.<br />

We rden genü gend Verknüpfungs- u nd<br />

Vorst ellu ngsleist ungen erbracht, so kan n die<br />

Aussage des Text es, der Sinn, gefu nden werd<br />

en. Eine so lche anstrengend e geist ige<br />

Tätigkeit bedarf der Mot ivatio n, d.h., die<br />

Lesenden wenden sich dem Text zu, weil sie<br />

Sinngebu ng u nd Information erw a rt en, weil<br />

sie auf das Ergebnis ihrer Lesebemühun gen<br />

gespannt sind .<br />

Der Deutschunterricht in der <strong>Grundschule</strong><br />

hat die Aufgabe, eine anhaltende Lesemotivation<br />

aufzubauen (vgl. Rahmenplan der BBS).<br />

Da<strong>für</strong> sind die folgenden Aspekte konstitutiv:<br />

a) die Bedeutsamkeit der Inhalte (Wozu lese<br />

ich diesen Text? Geht der Text mich etwas<br />

an? Was habe ich von ihm?),<br />

b) die Möglichkeit der Rückkoppelung von<br />

Leseerfahrungen im Gespräch mit anderen<br />

und in Lernzusammenhängen (Wie habe<br />

ich den Text verstanden und was sagen die<br />

anderen dazu? Da gibt es ja ganz viele<br />

unterschiedliche Gedanken! Auf die wäre<br />

ich allein nicht gekommen!) sowie<br />

c) die Förderung der Erfolgszuversicht (Ich<br />

erwarte Antworten auf meine Fragen. Ich<br />

kriege das heraus!).<br />

Lesen ereignet sich immer auf zwei Ebenen:<br />

Auf der inhaltlichen (z.B. Informationsentnahme)<br />

und auf der methodischen (z.B. Lesetechnik).<br />

Unverzichtbar <strong>für</strong> die didaktische<br />

Konzeption sinnvoller Au fgab en st ellu ngen<br />

ist es daher, dass die Sinnentnahme immer<br />

mit Maßnahmen zur Förd e rung d er<br />

Lesestrategien verbunden wird. Wenn Kinder<br />

in dem komplexen Arbeitsfeld Lesen hierzu<br />

systematisch angeregt un d angeleitet werd e n ,<br />

lernen sie, Wörter und Sätze in Teileinheiten<br />

zu gliedern und d ie Bezieh ungen zwischen<br />

diesen Einheiten zu erkennen, Info rm a t i onen<br />

in einem Text au szu machen u nd diese<br />

zu b ewerten, Begriffe u nd Sinnzusam menhän<br />

ge zu klären, die Au fmerk sam keit auf<br />

wesent liche G edan ken in einem Tex t zu<br />

lenk en u sw. Sie lernen so, üb er genau jene<br />

Strategien des Text verst ehens zu verf ü g e n ,<br />

d.h. automatisch die Strat eg ie anzuwen den,<br />

die <strong>für</strong> das Verstehen notwendig sind (v gl.<br />

dazu Aebli. In: Gru n d f o rmen des Lernens. S.<br />

117 ff. und Baurmann / Müller in PD, S. 44).<br />

Das Interesse am Lesen und d ie Fähigkeit<br />

zur Anwendung v on Lesestrategien <strong>für</strong> das<br />

Textv erstehen bed ingen einand er.<br />

Nur w enn bei d es erk ennbar <strong>für</strong> d i e<br />

Kinder mit einand er verbun den ist, kö nnen<br />

sie d en We rt des Lesens <strong>für</strong> sich persönlich<br />

entdecken, die <strong>für</strong> die Entwicklung der Strat egien<br />

not wen dige Anstre n g u n g s b e re i t s c h a f t<br />

a u f - und ausbauen un d Freude am Lesen<br />

g e w i n n e n .


Für die Ausbildung und Förderung einer wie<br />

oben verstandenen <strong>Lesekompetenz</strong> werden<br />

sowo hl Sacht ext e als auch v erantw ortungsvoll<br />

ausgewählte literarische Texte empfohlen.<br />

Reime, Rätsel, Ged ichte und<br />

Geschichten bieten auf Grund ihrer sprachlichen<br />

Gestaltung vielerlei Ansätze da<strong>für</strong>, die<br />

<strong>für</strong> d as Text verstehen erf o rd e r l i c h e n<br />

Strategien bewusst zu üben:<br />

• Bildhaftigkeit, Klang, Reim und Sprachrhythmus<br />

sprechen die Kinder emotional<br />

an und machen sie neugierig.<br />

• Besondere Gestaltungsweisen steuern die<br />

Aufmerksamkeit und fördern die Fähigkeit<br />

zur bewusst en Sinn- und Inform a t i o n sentnahme.<br />

• Reim und Rhythmus legen es nahe, Wörter<br />

und Sätze beim Lesen in Teileinheiten zu<br />

gliedern.<br />

• Die Kinder gewinnen au f G ru nd der<br />

Bildhaftigkeit und der besonderen Sprachgestaltung<br />

von literarischen Texten relativ<br />

schnell Zugang zu Inhalten, die sie z u m<br />

Nachdenken u nd Miterleb en anre g e n .<br />

• Sprachliche Prägnanz und Ve r k n a p p u n g<br />

wirken wie St o lpersteine u nd fo rd e rn<br />

zum N achdenk en u nd Fragen herau s.<br />

• Die Überschaub arkeit der Texte wi rk t<br />

e rm ut igend un d ermö glicht unterschied -<br />

liche unt errichtliche Arrangem ent s <strong>für</strong><br />

die Förd e rung d es Textverstehens.<br />

• Die Kinder begegnen Tex ten, die auf ihr<br />

Welt wissen u nd ihre Vorstellu ngen und<br />

E rf a h rungen t re ffen und dieses erw e i t e rn .<br />

• Reim e, Rätsel, G edicht e und Geschichten<br />

m o t i v i e ren zum Aust au sch sowi e zur<br />

D i ff e re n z i e ru ng u nd zum Üb erd e n k e n<br />

von ind ividuellen Leseerf a h run gen und<br />

Vo rstellu ngen im Gespräch u nd im<br />

gem einsam en Tu n .<br />

• Reime, Rätsel, G ed ichte und Geschichten<br />

i n i t i i e ren, leit en b zw. ergänzen Lern -<br />

z u s a m m e n h ä n g e .<br />

• St rat egien <strong>für</strong> das Textv erstehen erh a l t e n<br />

im inhalt lichen Kont ext u nd in Lern -<br />

zu sam menhän gen ihre Bed eu tung; das<br />

Lesen m uss <strong>für</strong> die Kind er zu einem<br />

e r k e n n b a ren un d erstre b e n s w e rten Ziel<br />

f ü h ren.<br />

• Die Begegnung mit d en Tex ten, die gelesen<br />

werden so llen, seien es Sachtexte<br />

oder literarische Texte, mu ss spannungsvoll<br />

sein, sie mu ss z.B. Erw a rtungen wecken<br />

und erfü llen , Vorstellun gen eröffnen u nd<br />

d i ff e re n z i e ren.<br />

• Im Hinblick au f die Ausb ildu ng von<br />

Strategien zur Förd e ru ng des Te x t v e rst<br />

ehens sind die Unt erschiede in der<br />

Rezeptio n no n-fikt ion aler und fiktio naler<br />

Texte nachrangig.<br />

(v gl. Hurrelmann , Bett ina.<br />

In: PD 176/02, S. 1 2).<br />

• Es ist sinn voll, auch literarische Text e so<br />

au szuwählen u nd den Unt erricht so zu<br />

gest alten, dass die Kind er m it einer<br />

gericht et en Aufmerksamkeit lesen und<br />

sich über d en Text verständigen können.<br />

Ein Leseauftrag wie „Schlagt das Buch<br />

au f Seit e ... auf. Wer beginnt mit dem Vo rlesen?“<br />

ist nicht m ot ivierend und<br />

s c h reckt Kinder ab, die noch nicht ü ber<br />

ein au sgebildetes Leseint eresse u nd -vermögen<br />

verf ü g e n .<br />

• Vor d em lauten Vorlesen soll ten die<br />

Kind er d ie Mö glichkeit haben, d en jeweiligen<br />

Text <strong>für</strong> sich zu lesen. Wenn wir<br />

d ie Kinder unb ekannte Texte o hne ausre ichende<br />

Vo r b e reitung vorlesen lassen,<br />

b esteht d ie Gefahr, d ass sie Lesen vorn<br />

ehmlich als ein Lautw erdenlassen von<br />

Schrift zeichen auffassen. Da sie Mü he<br />

genug haben, die Schrift in Laute u mzuset<br />

zen, vernach lässigen sie angesicht s<br />

d er Erw a rtung, m öglichst fehlerf rei vorlesen<br />

zu so llen, das Eigent liche und auch<br />

d as eigent lich Motivierend e: Die d urc h<br />

d ie Laute bezeichnete Sinnsuche u nterb<br />

leibt oder wird zum indest vern a c h l ä s s i g t .<br />

• Gleiches gilt au ch <strong>für</strong> m it lesende Kinder,<br />

d a diese auf d as Lesetempo d er Vo r l e s e r i n<br />

od er d es Vorlesers festg elegt werd e n .<br />

D u rch b lo ßes Vo r- und Mitlesen lassen,<br />

d.h. ohne vorheriges individuelles Lesen,<br />

w i rd d en Kindern d ie Sinnentnahme<br />

e r s c h w e rt oder gar verstellt .<br />

• Das sinngestaltende Vorlesen d er Lehrkraft<br />

erleichtert b zw. ermöglicht d en<br />

K i n d e rn jed och das Zuh ören und d as<br />

Te x t v e r s t e h . Ein e n solches gestaltendes<br />

Vorlesen trägt zur Lesem otivation beträchtlich<br />

bei.<br />

• Individu elles Lesen allein bietet allerd i n g s<br />

nicht die Gewähr <strong>für</strong> ein sinnerschließendes<br />

Lesen, sondern die gem einsame Besinnu<br />

ng ist notwendiger Bestand t ei l d es<br />

L e s e u n t e r i c h t e s .


• Das Gespräch dient dem Klären des<br />

Gelesenen sowie dem tieferen Eindringen<br />

in dessen Gehalt: Indem die Kinder das<br />

jeweils von ihnen Erfasste benennen, es zu<br />

verstehen und zu deuten versuchen und<br />

indem durch Nachlesen Aussagen geprüft,<br />

Inhalte zusam mengefasst und Schlü sse<br />

gezogen werden, indem Bezüge zur eigenen<br />

Vorstellungs- und Erfahrungswelt und<br />

schließlich Lernzusamm en hänge herg e -<br />

st ellt w erden, gelangen d ie Kind er zu<br />

einem Textverständnis, das ihnen au s<br />

eigener Kraft und allein nicht erreichbar<br />

wäre.<br />

• Handlungs- un d pro d u k t i o n s o r i e n t i e t re<br />

Verfahren dienen dem vertiefenden Textverstehen.<br />

Damit dies gefördert werden<br />

kann, muss der Text selbst im Mittelpunkt<br />

stehen. Die handlungs- und produktionso<br />

r i e n t i e tren Aufgabenstellungen müssen<br />

die Kinder zu nächst zur vert i e f e n d e n<br />

Auseinanderset zung mit dem jeweiligen<br />

Text herausfordern. Für das vertiefte Verstehen<br />

reicht es nicht, die vorgegebenen<br />

Inhalte nach eigenem Ermessen umgestalten<br />

oder weiterentwickeln zu lassen, diese<br />

szenisch darstellen oder sie mit Musikinstrumenten<br />

„vertonen“ zu lassen, vielmehr<br />

sollten die Kinder während solcher<br />

Prozesse zur kritischen Beobachtung ihrer<br />

Aktivitäten angeregt werden, und ihnen<br />

sollte dabei zunehmend klar werden, dass<br />

i h re Gestaltungsversuche Werkzeu ge <strong>für</strong><br />

das Textverstehen sind.<br />

Erst dann sind Ausgestaltungen, die über<br />

den Text hinau sg ehen oder ihn auch<br />

abwandeln, sinnvoll.<br />

• Klang gestaltendes Lesen ist dem Kind eine<br />

Hilfe, den Gehalt eines Textes zu erfassen<br />

und zu behalten. Es sollte jedoch nicht am<br />

Anfang der Lesebemühungen stehen, sondern<br />

das Textverstehen begleiten und vorläufig<br />

abschließen.<br />

• Vorbereitetes Vorlesen sollte einen festen<br />

Platz im Unterricht erhalten. Es ist eine<br />

wichtige Übungsmöglichkeit , und die<br />

Lehrerin oder der Lehrer erhält darüber<br />

hinaus durch die Art des Vortrags wichtige<br />

Hinweise, inwieweit der Text verstanden<br />

worden ist<br />

• Für das individuelle Stöbern in Büchern<br />

und zum Austausch ihrer Leseerfahrungen<br />

mit anderen müssen die Kinder freie Lesezeiten<br />

erhalten.<br />

In den folgenden Praxisvorschlägen wird<br />

jeweils eine wesentliche Strategie des Textverstehens<br />

beispielhaft in den Vordergrund<br />

gestellt:<br />

1. Sinnentnahme durch Antizipation<br />

(„Es klopft bei Wanja in der Nacht“)<br />

2. Sinnentnahme vorbereiten durch<br />

Nachdenken über Wörter<br />

(„Fingel“, „Ich wünsch’ gute Nacht“)<br />

3. Sinnentnahme durch Retrospektive<br />

(„Der süße Brei“)<br />

4. Sinnentnahme durch Rekonstruktion<br />

(„Droben auf grüner Waldheid“, „Weiß<br />

wie Kreide“, Bodenbilder, Lesespur)<br />

5. Sinnentnahme durch Gestaltung<br />

(„anege, hanege“, „Der Flügelflagel“, „De<br />

Dag de graut“, „Geschichten von Franz“)<br />

Eine äu ßerliche Bedrohu ng (ein nächt licher<br />

S c h n e e s t u m) r ist stärker als die Angst voreinander<br />

und der Unfried en untere i n a n d e r<br />

(von Mensch, Hase, Fu ch s u nd Bär). Erst der<br />

neue Morgen lässt alle die Gefahr, die vo m<br />

a n d e ren au sgeht, erkennen, u nd jeder geht<br />

wieder seinen eigenen Weg. Nur die Spuren im<br />

Schnee zeigen, dass sie die Nacht friedlich<br />

miteinander verb racht haben.<br />

G rundschulkinder kennen Gefühle w ie<br />

Angst in d er N acht, Angst vor N aturp<br />

h ä nomenen oder vor anderen, die stärker<br />

sind als sie. Dass es aus der Angst bzw. Not<br />

heraus Lösungen gibt, die anders sind als<br />

u n s e re Erw a rtu ngen, erf a h ren sie im<br />

Bilderb u ch „Es klopft b ei Wanja in der<br />

Nacht“. Diese „ungewöhnliche“ Lösung<br />

macht Mut und schafft Ve rtrauen in d as<br />

Leben.<br />

Das einfache Reimschema des Textes und<br />

der wiederkehrende Refrain gliedern d en<br />

Text, unterstützen das Verständnis und sorgen<br />

<strong>für</strong> eine große emotionale Nähe zu den<br />

Figuren.


D ie Geschicht e wird vor allem von den<br />

Illustrat ionen her erschlossen . D ie Sinnentnahme<br />

erfolgt durch:<br />

• Antizipation der Handlung,<br />

• Vorlesen und Mitsprechen,<br />

• Schreiben und<br />

• szenisches Spiel.<br />

H au pt tätigkeiten beim gem einsamen Kenn<br />

e n l e rnen eines Bilderbuches sind: das<br />

Betrachten und Verweilen, das Reden, Vor -<br />

lesen und Zuhören.<br />

Gemeinsam nachgedacht werden kann<br />

üb er Ab bild ungen, Überschriften und<br />

Textteile (z.B. Einleitungssätze, Kernstellen,<br />

Schlusssätze etc.).<br />

Für den Unterricht bedeutet das, dass<br />

besonders viel Zeit <strong>für</strong> das Gespräch eingeplant<br />

werden muss.<br />

Die Lehrkraft klebt Titel und Titelbild des<br />

Bilderbuches zunächst zu. Die gemeinsame<br />

Erarbeitung findet im Stuhlkreis statt:<br />

• Die Lehrkraft betrachtet mit den Kindern<br />

die Spuren im Schnee auf der Innenseite<br />

des Einbandes. Die Kinder st ellen Ve rmutungen<br />

an, um was <strong>für</strong> Spuren es sich<br />

handelt.<br />

• Die Lehrkraft li est d en Text v om<br />

E i n t re ffen d es Hasen bis zum Refrain<br />

„Bald w ird es still im k leinen Haus ...“<br />

v o r. D ie Kin der beschreib en das Bild<br />

(Hase im Lehnstuhl neben d em O fen)<br />

und st ellen Ve rmutungen an, wie sich d er<br />

Hase fühlt .<br />

• Die Lehrkraft liest bis zum Eintreffen des<br />

Fuchses und der Bitte des Hasen, ihn nicht<br />

einzu lassen, vor. Die Kind er äuß ern<br />

Vermutungen dazu, wie Wanja sich entscheidet.<br />

• Die Lehrkraft liest die Entscheidu ng<br />

Wanjas bis zum Refrain vor. Sie spricht und<br />

übt mit den Kindern den Refrain.<br />

• Das Eintreffen des Bären wird bis zur Zeile<br />

„Was mach ich bloß? O Mann, o Mann.”<br />

v o rgelesen. Die Kinder b etracht en und<br />

b e s c h reiben das Bild und stellen<br />

Vermutungen an, was Wanja machen wird.<br />

Die Lehrkraft liest bis zur Entscheidung,<br />

den Bären aufzunehmen. Die Kind er<br />

sprechen den abschließenden Refrain mit.<br />

• Die Lehrkraft zeigt das Bild vom tobenden<br />

S c h n e e s t u rm und liest dan n bis zum<br />

Ve rweis auf den nächsten Morgen vor.<br />

Danach erst wird das Bild von Wanja und<br />

den friedlich schlafenden Tier en gezeigt.<br />

• Die anschließende Schreibaufgabe zum<br />

Bild der friedlich schlafenden Tier e sollte<br />

möglichst offen formuliert sein bzw. die<br />

Aufgab enstellungen könnten d iff e re nzierend<br />

eingesetzt werden (z.B.: Schreibe<br />

etwas zum Bild! oder: Am Morgen ist der<br />

S t u rm vo rbei … od er: Wie könnt e es<br />

weitergehen?).<br />

• Nach der Präsent at io n d er Schü lert e x t e<br />

kann der Schluss des Textes mit den eigenen<br />

Lösungen verglichen werden.<br />

Der Kinderbuchklassiker „Es klopft bei Wanja<br />

in der Nacht“ eignet sich besonders zum<br />

szenischen Spiel.<br />

FINGEL<br />

(nach Klinger)<br />

1.<br />

Fingel war ein Riese in Irland.<br />

In Schottland lebte ein anderer Riese.<br />

Der hörte von Fingel und wurde darüber<br />

unruhig.<br />

„ Wer ist dieser Fingel?“ fragt e er sich<br />

immer wieder.<br />

„Ich will zu ihm hinübergehen und ihn<br />

sehen.“<br />

So machte er sich auf den Weg und ging<br />

über den Irischen Kanal.<br />

Fingel hörte davon und erschrak, denn<br />

man hatte ihm erzählt,<br />

d ass der schottische Riese ihn u m<br />

Haupteslänge überrage.<br />

2.<br />

Als er d en Riesen nu n auf sein Hau s<br />

zukommen sah,<br />

rannte er so schnell er konnte in die Küche.<br />

„Weib!“ rief er, „schnell, schnell. Der große<br />

Schotte kommt!<br />

Ich lege mich rasch ins Bett,<br />

und wenn er fragt, wer da schläft, so sage,<br />

es sei dein Kind!“<br />

Fingel sprang ins Bett und seine Frau hatte<br />

gerade noch Zeit,<br />

ihm die Decke überzuwerfen, als der Riese<br />

hereinkam.<br />

„Wo steckt dieser Fingel!“ schrie er.


„Schaff ihn mir herbei, ich will ihn verprügeln!“<br />

„Pst! Pst!“ wisperte die Frau. Du weckst mir<br />

das Kind auf!“<br />

„Was <strong>für</strong> ein Kind?“<br />

„Fingels Kind“, flüsterte die Frau<br />

und neigte sich über den großen Körper<br />

unter der Decke.<br />

„O heiliger Andreas!“ schrie der Riese auf.<br />

„Wenn das sein Kind ist, wie groß muss<br />

Fingel dann erst sein!“<br />

Damit stürzte er aus dem Haus und rannte<br />

ohne Pause,<br />

bis er wieder sicher in seiner Heimat war.<br />

3.<br />

Fingel aber stand auf und lachte so laut,<br />

dass es von den Wänden widerhallte.<br />

Jemand ist kleiner als ein anderer und hat<br />

Angst. Diese Situation ist Kindern eines zweiten<br />

und dritten Schuljahres nicht fremd. Zu<br />

erleben, wie in der Geschichte von Fingel der<br />

Kleinere zugibt, Angst zu haben, sich aber zu<br />

helfen weiß, bereitet Vergnügen und entlastet<br />

von eigenen Ängsten.<br />

Die Verlagerung des Geschehens in die<br />

F e rne u nd in u nrealistische G rößenverhältnisse<br />

schafft den nötigen Abstand, um<br />

beim Lesen über eigenes Erleben nachdenken<br />

zu können.<br />

N ach Sch affen anschaulicher sprachlicher<br />

Gr undlagen durch Klärung von Begriffen und<br />

Wörtern erfolgt die Sinnentnahme durch:<br />

• Antizipation,<br />

• Zusammenfassen des Inhalts,<br />

• szenische Gestaltung und<br />

• eine Schreibphase.<br />

Schon beim ersten Satz „Fingel war ein Riese<br />

in Irland“ entwickelt der kompetente Leser<br />

von sich aus eine Vorstellung vom Ort und<br />

der Außerordentlichkeit des Geschehens und<br />

weckt Erwartungen, die ihn zum Weiterlesen<br />

veranlassen. Eine solche selbstständige Vorst<br />

ellungsb ildung, durch die Leseintere s s e<br />

erzeugt wird, kann bei Kindern eines zweiten<br />

bzw. dritten Schuljahres nicht vorausgesetzt<br />

werden. Es müssen im Vorfeld der Lesearbeit<br />

anschauliche u nd sprachliche Gru n d l a g e n<br />

geschaffen werden.<br />

• Die Kinder betrachten das Bild und finden<br />

gemeinsam heraus, was es ihnen erzählt.<br />

Dies kann auch in Gruppen geschehen.<br />

• W ä h rend d er gemeinsamen Au ssp rache<br />

wird auf folgende Begriffe eingegangen:<br />

Irland – Ire<br />

Schottland – Schotte<br />

Irischer Kanal (Irische See – die geographisch<br />

gebräuchliche Bezeichnung)<br />

• Wenn die Kinder von sich aus Vermutungen<br />

anstellen, was es mit den Riesen auf<br />

sich haben könnte, werden sie zum stillen<br />

Lesen des ersten Teils der Geschichte aufgefordert,<br />

um genau das herauszufinden:<br />

• Tafelarbeit: Was erfahren wir über die<br />

Riesen?<br />

• Ein Gespräch schließt sich an. Ziel ist, dass<br />

die Kinder herausfinden: „Fingel sitzt in<br />

der Klemme.“<br />

Die weiterführende Frage stellt sich von<br />

selbst: Was kann er tun?<br />

Die Kinder machen Vorschläge.<br />

• Sie lesen nun den vollständigen Text und<br />

unterstreichen Stellen, die sie im Hinblick<br />

auf die Fragestellung besonders aufschlussreich<br />

oder „spannend“ finden.<br />

• Die Kinder lesen dann die entsprechenden<br />

Zeilen vor. Das Erschrecken Fingels, sein<br />

listiges Vorgehen und die Pfiffigkeit der<br />

Frau lassen sich gut sinngestaltend lesen<br />

und verdeutlichen.<br />

• Das szenische Sp ielen einzelner Dialogstellen<br />

kann der Vertiefung des Textverständnisses<br />

dienen, wenn es durch das<br />

U n t e rrichtsgespräch, das auf den Te x t<br />

Bezug nimmt, ergänzt wird. Das bedeutet:<br />

Spiel- und Reflexionsphasen wechseln kontinuierlich.<br />

• Möglicher Schreibim puls: „Jemand ist<br />

kleiner als ein anderer und hat Angst. Aber<br />

er weiß sich zu helfen“.<br />

Die Kinder können bei dieser Schre i baufgabe<br />

entweder die Geschichte noch einmal<br />

oder aber abgewandelt erzählen. Sie können<br />

auch eine neue Geschichte erfinden bzw.<br />

eine Geschichte von sich erzählen.


A n d e re Texte, die das Them a Angst zum<br />

Inhalt haben, kö nnen mit der Geschichte von<br />

Fingel in Beziehung gesetzt werden. Die Kinder<br />

ü b e rdenken dann no ch einmal ihr bisheriges<br />

Verständnis und haben Gelegenheit, es zu<br />

e rw e i t e rn oder zu mo difizieren . Als Beispiel<br />

seien die unten st ehenden Verse genannt. Sie<br />

heben jeweils einen Aspekt von Angst herv o r,<br />

der in d er Fingel-Geschichte zwar mitschwingt,<br />

jedoch nicht ausdrücklich Thema ist : Der erste<br />

Text st ellt humorvoll d ar, auf welche We i s e<br />

Angstgefüh le entsteh en, d er zweite Vers erm<br />

utigt zur Überw i ndung von Angst.<br />

• Vorschlag <strong>für</strong> die Weiterarbeit:<br />

Welcher der beiden Verse passt deiner<br />

Meinung nach zur Fingel-Geschichte?<br />

Begründe deine Entscheidung.<br />

Mother Goose<br />

Mariechen auf der Mauer stund, sie<br />

hatte Angst vor einem Hund.Der<br />

Hund hatte Angst vor der Marie,<br />

weil sie immer so laut schrie.<br />

Die Nacht<br />

Die Nacht ist ein großes schwarzes Loch.<br />

Glühwürmchen aber wagt es doch, zögert<br />

nicht, zündet an sein Licht.<br />

(aus Japan)<br />

Ich wünsch’ gute Nacht,<br />

von Rosen ein Dach,<br />

von Zimt eine Tür,<br />

von Rosmarin einen Riegel da<strong>für</strong>.<br />

Ich dank‘ <strong>für</strong> diesen Reim,<br />

die Rosen wachsen groß und klein,<br />

sie wachsen auf und nieder,<br />

eine geruhsame Nacht wünsch’ ich wieder.<br />

(mündlich überliefert)<br />

K i n d e rn im Grundschulalter ist es ein Anliegen,<br />

d ie Welt in der Vorst ellung <strong>für</strong> sich so<br />

h e rzustellen, wie sie sein soll. Es ist ihnen ein<br />

B e d ü rfnis, Gefü hle des Ungesich erten, des<br />

Unbehaust- und Ausgeliefertseins durch Bilder<br />

d er Geborgenheit un d der Harm onie au szugleichen.<br />

Diese werden in d er ersten Strophe des<br />

Gedichtes – als Wu nsch an ein Gegenüber<br />

gerichtet – au sgesprochen. Der Wunsch als eine<br />

leb en dige u nd wirksam e Vorstellu ng wird in<br />

d er zweiten Strophe als Dank zurückgegeben.<br />

Das Gedicht ist jedoch in seiner Aussage<br />

nicht ohne gewisse Vorkenntnisse zu entschlüsseln.<br />

Die Kinder müssen erleben, nach<br />

Möglichkeit auch ausdrücken, welch angenehmes<br />

Empfinden der Duft der Rosen in<br />

ihnen weckt, und sie müssen über die Bedeutung<br />

von Zimt und besonders von Rosmarin<br />

als Heilpflanze informiert werden oder sich<br />

informieren können. Vor diesem Hintergrund<br />

sind die Kinder auch motiviert, über das<br />

Gedicht nachzudenken.<br />

Nach Schaffen anschaulicher und sprachlicher<br />

Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme<br />

durch:<br />

• Assoziation,<br />

• Markieren von Sinn tragenden Wörtern,<br />

• Erschließen von Wortbedeutungen aus<br />

dem Kontext,<br />

• Gespräch,<br />

• dialogisches Lesen und Sprechen,<br />

• Textvergleich und<br />

• gegebenenfalls Einbettung in andere<br />

Lernzusammenhänge (z.B.: unsere Sinne,<br />

Gewürze).<br />

• Die Kinder erhalten die Gelegenheit, den<br />

spezifischen Duft der Rose, von Rosmarin<br />

und Zimt zu spüren und in Worte zu<br />

fassen.<br />

Die Lehrkraft hebt die Bedeutung der Rose<br />

als Inbegriff der Schönheit und des Wohlgeruches<br />

hervor und informiert über die<br />

Bedeutung von Zimt und besonders von<br />

Rosmarin als Heilpflanze.<br />

Die Lehrkraft zeigt und erklärt gemeinsam<br />

m it d en Kindern die Funktio n eines<br />

Riegels. (Die Bedeutu ng des Wo rt e s<br />

„Rieg el“ kö nnt e spät er mö glicherw e i s e<br />

auch aus dem Kontext ermittelt werden.)<br />

• Die Kinder lesen jedes <strong>für</strong> sich die erste<br />

Str ophe mit dem Auftrag: Lest und überlegt<br />

(evtl. zu zweit), was das, was wir eben<br />

herausgefunden und besprochen haben,<br />

mit diesem Reim zu tun hat. Unterstreicht<br />

die Zeile, die ihr besonders schön findet.<br />

• Die Kinder tauschen im Klassengespräch<br />

ihre Leseerfahrungen aus.<br />

• Die Kinder lesen die erste Strophe oder<br />

sprechen sie auswendig.<br />

• Die Lehrkraft wendet sich einem Kind zu<br />

und spricht die zweite Strophe so, dass der<br />

Dank, der darin enthalten ist, deutlich zum<br />

Ausdruck kommt.<br />

• D ie Kinder find en im Gespräch d en<br />

Zusammenhang zwischen erster und zwei-


ter Strop he heraus (z.B. „Der ist dan kbar<br />

<strong>für</strong> d ie Wo rte, dass er ih m was G ut es<br />

w ü n s c h t ! “ ) .<br />

• Die Kinder lesen bzw. sprechen d ie beiden<br />

S t ro phen im Dialog.<br />

Auß er der ursprünglichen ersten Stro p h e<br />

w e rden den Kind ern noch zwei Va r i a n t e n<br />

gegeb en mit dem Auftrag: Lest die beiden<br />

neuen Strophen genau u nd vergleicht sie mit<br />

d e r, die ihr zuerst zum Lesen bek om men<br />

habt . Welche Strophe vo n den dreien gefällt<br />

euch am besten? Begründ et eure Wa h l .<br />

Variante 1<br />

Ich wünsch’ gute Nacht,<br />

von Zimt ein Dach,<br />

von Rosen eine Tür,<br />

von Rosmarin einen Riegel da<strong>für</strong>.<br />

Variante 2<br />

Ich wünsch’ gute Nacht,<br />

von Rosmarin ein Dach,<br />

von Zimt eine Tür,<br />

von Rosen einen Riegel da<strong>für</strong>.<br />

DER SÜSSE BREI<br />

1 .<br />

Es war einmal ein armes, fro m m e s<br />

Mädchen,<br />

das lebte mit seiner Mutter allein<br />

und sie hatten nichts mehr zu essen.<br />

Da ging das Mädchen hinaus in den Wald<br />

2.<br />

und es begegnete ihm eine alte Frau,<br />

die wusste seinen Jammer schon<br />

und schenkte ihm ein Töpfchen,<br />

zu dem sollte es sagen: „Töpfchen koche“,<br />

so kochte es guten, süßen Hirsebrei,<br />

und wenn es sagte: „Töpfchen steh“,<br />

so hörte es auf zu kochen.<br />

Das Mädchen b r a c h t e d en Topf seiner<br />

Mutter heim,<br />

3.<br />

und nun waren sie ihrer Armut und ihres<br />

Hungers ledig<br />

und aßen süßen Brei, so oft sie wollten.<br />

Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen,<br />

da sprach die Mutter: „Töpfchen koche.“<br />

4.<br />

Da kocht es und sie isst sich satt.<br />

Nun will sie, dass das Töpfchen wieder<br />

aufhören soll,<br />

aber weiß das Wor t nicht. Also kocht es<br />

fort,<br />

und der Brei steigt über den Rand und<br />

kocht immerzu ,<br />

die Küche und das ganze Haus voll<br />

und das zweite Haus und die Straße,<br />

als wollt’s die ganze Welt satt machen,<br />

und ist die größte Not und kein Mensch<br />

weiß sich zu helfen.<br />

5.<br />

Endlich, wie nur noch ein Haus übrig ist,<br />

d a kommt das Kind u nd spricht nur:<br />

„Töpfchen steh“,<br />

da steht es und hört auf zu kochen.<br />

Und wer in die Stadt wollte, der musste<br />

sich durchessen.<br />

Die m aßvolle Han dhabu ng d esjenig en<br />

Mittels, das die Existenz sichert, ist an die<br />

Kenntnis zweier Regelungen gebunden, die<br />

richt ig angewandt werden m üssen. Im<br />

Märchen ist es das Mädchen, das über diese<br />

I n f o rmat ionen u nd auch über dere n<br />

Handhabung verfügt.<br />

Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

• Hören und Zuhören,<br />

• Formulieren von Erwartungen und<br />

• Markieren und Identifizieren von Sinn<br />

tragenden Wörtern, um<br />

• einen Text szenisch darzustellen.<br />

• Die Lehrkraft künd igt an, nur den erst en<br />

Satz des Märchens vorzu st ellen und d en<br />

F o rtgang der Hand lung ohne Wo rte und<br />

nur m it Hilfe von Klängen zu erz ä h l e n .<br />

Vo rher stellt sie die Perso nen und Dinge<br />

v o r, die <strong>für</strong> dieses Märchen konstitutiv sind .<br />

An der Tafel stehen folgende Wörter, <strong>für</strong><br />

die die Kinder in ihren Ti s c h g ru p p e n<br />

entsprechende Bildsymbolen erhalten:<br />

Die Tochter<br />

Die Mutter<br />

Ein Dorf<br />

Der Wald<br />

Eine alte Frau<br />

Ein Töpfchen mit Hirse


• Die Lehrkraft spricht den ersten Satz des<br />

Märchens. Dieser erste Satz steht auch an<br />

der Tafel. Sie stellt das Märchen dann mit<br />

ausgewählten Orff-Instrumenten dar.<br />

• Parallel dazu entwickeln die Kinder ihre<br />

Geschichte(n). Sie orientieren sich dabei<br />

an den Personen und Bildern an der Tafel<br />

und an den Klängen, die die Lehrkraft mit<br />

den Orff-Instrumenten erzeugt.<br />

• Die Kinder legen mit den Bildsymbolen<br />

noch einmal allein, zu zweit o der in<br />

Gruppen ihre Geschichte.<br />

• Die Kinder erhalten d en Text ohn e U nters<br />

t re i c h u n g e n .<br />

Aufgabe: „Lest nun d as Märchen un d<br />

u n t e r s t reicht d ie Stellen im Tex t, von<br />

denen ihr meint, dass sie zu den Klängen<br />

besonders gut passen. Wie würd et ihr jetzt<br />

die Bild er legen ? Hat sich etwas geänd<br />

e rt ? “<br />

• Es schließt sich ein Gespräch an, in d em<br />

das im Märchen d argestellte Geschehen<br />

zu nehmend in d en Vo rd e rg rund tritt.<br />

• Zum vertiefend en Verstehen des Märc h e n s<br />

w i rd d ieses szenisch d arg est ellt. Als<br />

Vo r b e reitun g <strong>für</strong> d iese Aufgabe erh a l t e n<br />

die Kinder d en Au ftrag: „Unterstreicht die<br />

W ö rt er und Stellen im Tex t, die euch<br />

besonders gut d aran erinnern, was in der<br />

Geschichte geschieht.“ D iese Arbeit sollte<br />

in den G ruppen vorgeno mm en werd e n .<br />

• Die Arb eitsergebnisse sind Gru ndlage <strong>für</strong><br />

m e h re re Spielversu che, die jeweils am Te x t<br />

üb erprüft werden. Um möglichst vielen<br />

K i n d e rn Gelegenheit zum Spielen zu<br />

geb en, wird das Märchen in Ab sch nitte<br />

(s.o .) untert e i l t .<br />

DROBEN AUF GRÜNER WALDHEID<br />

(überliefert)<br />

Droben auf grüner Waldheid,<br />

da steht ein schöner Birnbaum.<br />

Schöner Birnbaum trägt Laub.<br />

Was ist an demselbigen Baum?<br />

Ein wunderschöner Ast.<br />

Ast an dem Baum,<br />

Baum in der Erd.<br />

Was ist an demselbigen Ast?<br />

Ein wunderschöner Zweig.<br />

Zweig an dem Ast,<br />

Ast an dem Baum,<br />

Baum in der Erd.<br />

Droben auf grüner Waldheid<br />

steht ein schöner Birnbaum,<br />

schöner Birnbaum trägt Laub.<br />

Was ist an demselbigen Zweig?<br />

Ein wunderschönes Nest.<br />

Nest auf dem Zweig,<br />

Zweig an dem Ast,<br />

Ast an dem Baum,<br />

Baum in der Erd.<br />

Dr oben auf grüner Waldheid<br />

steht ein schöner Birnbaum,<br />

schöner Birnbaum trägt Laub.<br />

Was ist in demselbigen Nest?<br />

Ein wunderschönes Ei.<br />

Ei in dem Nest,<br />

Nest auf dem Zweig,<br />

Zweig an dem Ast,<br />

Ast an dem Baum,<br />

Baum in der Erd.<br />

Dr oben auf grüner Waldheid<br />

steht ein schöner Birnbaum,<br />

schöner Birnbaum trägt Laub.<br />

Was ist in demselbigen Ei?<br />

Ein wunderschöner Vogel.<br />

Vogel im Ei,<br />

Ei in dem Nest,<br />

Nest auf dem Zweig,<br />

Zweig auf dem Ast,<br />

Ast an dem Baum,<br />

Baum in der Erd.<br />

Droben auf grüner Waldheid<br />

steht ein schöner Birnbaum,<br />

Birnbaum trägt Laub.<br />

Das durch seine b ildh afte Sprache, sein e<br />

liedhaft e Rhythmik und seinen klaren Au fbau<br />

ein gängige Kettengedicht kann in<br />

Inhalt u nd Stru ktur als Anleitung <strong>für</strong> sinnerschließendes<br />

Lesen b etracht et w erd e n .<br />

„Schö n“ ist der Birnbaum. Er zieht d ie<br />

Blicke auf sich und weckt Erw a rtungen. Die<br />

ersten d rei Zeilen der ersten Stro phe k önnen<br />

als Ant wort au f eine Frag e angesehen<br />

w e rden, d ie (no ch) nicht gestellt word e n<br />

ist, die ab er nu n, da sie da ist, zum weitere n<br />

Fragen anregt . In einem sich stet ig wied erho<br />

lend en Frag e- u nd Antw ortsp i el erschließt<br />

sich sukzessive d as „G eheimnis“<br />

d es Baumes, d er G rund <strong>für</strong> seine An -<br />

z i e h u n g s k r a f t .<br />

K i n d e rn in d er G rund schule b ereitet d as<br />

Lesen eines s olchen Text es Ve r g n ü g e n .<br />

Sch nell lesende Kinder erkennen nach kurzer<br />

Zeit d en „Trick“ u nd ent wick eln das<br />

Gedicht d ann v on sich aus weiter. Kinder<br />

mit Leseschwierigkeiten ermutigt der Te x t<br />

auf Grund d er vielen Wo rt w i e d e rh o l u n g e n<br />

und wenigen neuen W örter (in jed er<br />

S t rophe lediglich ein neu es, Sinn tragend es<br />

Wo rt) zum selb stst ändigen Lesen.


N ach Sch affen anschaulicher Gru n d l a g e n<br />

erfolgt die Sinnentnahme durch:<br />

• schrittweises Erlesen des Inhaltes,<br />

• Antizipation,<br />

• Ergänzen von Textstellen,<br />

• bildhaftes Umsetzen des Gelesenen und<br />

• Sprechen des Gedichtes.<br />

• Das Gedicht wird den Kindern in seiner<br />

ganzen Läng e visuell präsent iert . Die<br />

Kinder betrachten es „von außen“. („Das<br />

ist aber lang!“ „Da sind immer Wörter<br />

gleich!“ „Da ist ganz viel gleich!“)<br />

• Die Kinder lesen die erste Strophe still.<br />

• Sie gestalten in gemeinsamer Arbeit einen<br />

großen Baum mit vielen Blättern.<br />

• Eine Partnerarbeit schließt sich an. Leseauftrag:<br />

„Wie müssen wir unseren Baum<br />

verändern, damit er zum Gedicht passt?<br />

Unterstreicht die Stellen im Gedicht, die<br />

da<strong>für</strong> wichtig sind.“ Dieser Arbeitsauftrag<br />

ist in sich diff e re n z i e rend. Langsam ere<br />

Leserinnen und Leser werden über die erste<br />

oder zweite Strophe kaum hinauskommen,<br />

w ä h rend die schnellen Leserinnen und<br />

Leser in der gleichen Zeit bis zum Ende des<br />

Gedichtes vordringen können. Alle Kinder<br />

aber werden einen Beitrag zur Gestaltung<br />

des Baumes leisten.<br />

• Dadurch, dass die Kinder versuchen, das<br />

Ged icht auswendig zu sprechen – d ies<br />

kann sehr gut auch durch ein Reihumsprechen<br />

geschehen – , werden sie auch <strong>für</strong><br />

seinen Aufbau sensibilisiert.<br />

Rätsel:<br />

Weiß wie Kreide,<br />

leicht wie Flaum,<br />

weich wie Seide,<br />

feucht wie Schaum.<br />

Literarische Rätsel könn en zu m sinnerschließenden<br />

Lesen anregen, sie erfordern<br />

jedoch geistige Aktivität und verlangen verstärkt<br />

Konzentration auf das Medium Sprache;<br />

jede Art von optischer Unterstützung<br />

entfällt. Durch einfach strukturierte Rätselsätze,<br />

die das Sach- und Weltwissen der Kinder<br />

treffen (z.B.: „Ich klettere auf Bäume und<br />

esse gern Bananen.“) besonders auch durch<br />

g e reimte Rätsel, bei denen das Reimwort ,<br />

welches das Rätsel abschließt, zugleich das<br />

L ö s u n g s w o rt ist o der bei denen mehre re<br />

Lösungen möglich sind, können die Kinder<br />

an diese besondere Art des Textverstehens<br />

herangeführt werden.<br />

z.B. Vom Himmel fällt’s,<br />

tut sich nicht weh,<br />

ist weiß und kalt,<br />

das ist _______.<br />

Wickele wackele – was ist das:<br />

Hinterm Schrank, da krabbelt was -<br />

ist kein Fuchs und ist kein Has’ -<br />

wickele wackele – was ist das?<br />

Das individuelle Lesen kann Vorbereitung<br />

<strong>für</strong> Rätselrunden sein. Hier üben sich die<br />

Kinder in der Gemeinschaft im Rätselgeben<br />

und Rätsellösen – gerade auch von selbst<br />

geschriebenen Rätseln.<br />

Das Rätsel vom Schnee ist typischerweise<br />

so aufgebaut, dass es den Leser zunächst verwirrt.<br />

Es geschieht deshalb auch häufig, dass<br />

die Kinder in der ersten Zeile das Wo rt<br />

„Kreide“ schnell als endgültige Antwort auf<br />

das Rätsel ansehen. Wenn sie aber Zeile <strong>für</strong><br />

Zeile weit erlesen, bemerken sie die Vo rläufig<br />

keit ihrer Lö su ngen und erk ennen<br />

schließlich in der Situation, dass erst in der<br />

Verknüpfung aller sprachlich verm i t t e l t e n<br />

Informationen des Rätsels Lösung liegt.<br />

Nach Sch affen anschaulicher und sp rachl<br />

i c her Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme<br />

durch<br />

• Aktivieren von Sachwissen,<br />

• Erkennen von Sinn tragenden Wörtern,<br />

• Prüfen von Informationen,<br />

• Einordnen von Erfahrungen und<br />

• Verknüpfen von Informationen.<br />

• Die Lehrkraft gibt den Kindern Gelegenheit,<br />

Kreide, weiche Federn und ein Stück<br />

Seide anzusehen, zu befühlen und sich<br />

über ihre Wahrnehmungen auszutauschen.<br />

Sie schreibt „Schaum“ an die Tafel und<br />

lässt die Kinder erzählen, an was sie das<br />

Wo rt erinnert (z.B. Seifenschau m,<br />

Meeresschaum, er ist feucht).<br />

• Jedes Kind erhält d as Rätsel mit dem<br />

Auftrag, es still zu lesen und die Wörter zu<br />

u n t e r s t reichen, an d enen es beso nders<br />

deutlich erkennen kann, wie das verr ä tselte<br />

Ding beschaffen ist.


• Die Kinder nennen die Wörter, die sie<br />

unterstrichen haben, und diskutieren ihre<br />

Auswahl.<br />

• Die Lehrkraft klappt die Tafel auf, lässt das<br />

Rätsel noch einmal lesen und die „wichtigen<br />

Wörter“ unterstreichen.<br />

• Lösungsvorschläge der Kinder werden an<br />

der Tafel notiert.<br />

• Die Kinder prüfen, auf welches Lösungswort<br />

alle vier Eigenschaften zutreffen. Die<br />

Lehrkraft unterstützt Formulierungen wie:<br />

Es ist weiß wie Kreide, ist aber keine Kreide;<br />

denn Kreide ist nicht feucht.<br />

• Im Verlauf einer Rätseleinheit sammeln<br />

od er schreiben die Kinder Rätsel und<br />

gestalten z.B. kleine Rätselhefte oder eine<br />

Rätselecke <strong>für</strong> die Klassenzeitung.<br />

D as Bo denbild eignet sich besonders <strong>für</strong><br />

Vorschulkinder bzw. Erstklässer. Es unterstützt<br />

d as t eilnehm ende Zuhören, erleichtert<br />

K i n d e rn, die die Vorlesesituation von zu<br />

Hause nicht kennen, die Sinnentnahme und<br />

fördert die gemeinsame Erfahrung der Sinnkonstruktion.<br />

Während des Vorlesens oder des freien<br />

Erzählens eines Prosatextes (Erzählung, Märchen,<br />

kurze Geschichte) durch die Lehrkraft<br />

wird der Sinn des Vorgetragenen durch den<br />

parallelen Aufbau eines Bodenbildes unterstützt.<br />

Das Bodenbild wird auf einem schwarzen,<br />

dunkelblauen oder weißen Tuch aufgebaut. Es<br />

kann aus zum Text passenden<br />

• naturalistischen Gegenständen,<br />

• symbolischen Gegenständen<br />

• oder auch aus farbigen Tüchern bestehen.<br />

Die Gegenstände markieren die <strong>für</strong> das<br />

Verständnis notwendigen Schlüsselstellen.<br />

Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

• visuelle Konstruktion,<br />

• Zuhören und Schauen und<br />

• Hervorhebung der Schlüsselstellen.<br />

• Die Lehrkraft bereit et geeignete Gegenstände<br />

vor und bringt sie <strong>für</strong> die Kinder<br />

nicht sichtbar (z.B. in einer besonderen<br />

Kiste) mit in die Erzählrunde. Die Kinder<br />

setzen sich im Halbkreis um das in der<br />

Mitte ausgebreitete Tuch.<br />

• Die Lehrkraft liest (noch besser: erzählt) die<br />

Geschichte und legt an geeigneter Stelle<br />

den passenden Gegenstand auf das Tuch.<br />

• Unterschiedliche Formen der Weiterarbeit<br />

sind möglich:<br />

Jeder G egenstand kann Ausgangspu nkt<br />

eines den Inhalt vertiefenden Gesprächs<br />

sein oder: Die Lehrkraft will den Erzählfluss<br />

und Spannungsaufbau nicht bzw. nur<br />

an wenigen Stellen unterbrechen, dann<br />

sind nur einzelne Gegenstände Ausgangspunkte<br />

eines Gesprächs.<br />

• Das gestaltete Bod enb ild b leibt <strong>für</strong> die<br />

anschließenden Aktivitäten aufgebaut. Es<br />

kann <strong>für</strong> das freie mündliche Erzählen der<br />

Kinder eingesetzt werden, oder es kann<br />

sich eine Schreibaufgabe an das Vortragen<br />

der Geschichte und den Bau des Bodenbildes<br />

anschließen.<br />

Im Verlaufe d er G rund schule sollten d ie<br />

Kinder erste Erfahrungen mit einer Lektüre<br />

machen. Das stille Lesen zu Hause oder auch<br />

in der Klasse sollte während der Arbeit an<br />

einem Buch die wichtigste Leseform sein.<br />

Sicherlich werden zentrale Stellen der Lektüre<br />

auch einmal vo n der Lehrkraft o der d en<br />

Schülerinnen und Schülern, die sich darauf<br />

vorbereitet haben, vorgelesen. Den größten<br />

Teil der Lektüre sollten die Kinder aber allein<br />

in ihrem individuellen Lesetempo bewält igen.<br />

Damit die Lehrkraft und die Kinder einen<br />

Überblick darü ber hab en, an welch er Stelle des<br />

Buches jed es Kind gerade liest, kann eine<br />

Lesestraß e im Klassenraum hängen.<br />

Auf der Lesestraße sind die Kapitel (oder<br />

Seitenzahlen) des Buches mit Bildern oder<br />

deutlichen Zeichen markiert. Oft lässt sich<br />

eine Lektüre auch u nt er inhalt lichen Gesicht<br />

spunkt en gliedern u nd visu alisiere n .<br />

Jedes Kind heftet eine Wäscheklammer mit<br />

seinem Namen an die Stelle, an der es gerade<br />

in der Lektüre liest.<br />

Die Lehrkraft sollte im Verlaufe der Lektüre<br />

nach größeren Sinnabschnitten besonders<br />

<strong>für</strong> schwächere Leserinnen und Leser<br />

Phasen der gemeinsamen inhaltlichen Verständigung<br />

schaffen. Dazu eignet sich die<br />

L e s e s p u r, d ie wie d as Bo denbild zent rale<br />

Inhalte des Textes visualisiert.


Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

• visuell unterstützte Rekonstruktion,<br />

• mündliches Erzählen und Stellung<br />

nehmen und<br />

• Arbeit an Schlüsselstellen.<br />

• Die Lesespur w ird von der Lehrkraft vorb<br />

e reit et : Sie sammelt wichtige Gegenst<br />

änd e, die in den Ab schnitten d es Te x t e s ,<br />

die re k a p i t u l i e rt werden sollen, eine<br />

wicht ige Rolle spielen. Die Gegenstände<br />

w e rd en in d er Mitt e d es Stu hlkreises auf<br />

einem Tuch au sgebreitet, d ab ei wird keine<br />

Reihenfolge vorgegeben. Die Kin der erh a lten<br />

genügend Zeit, um die Gegenstände<br />

zu b etrachten.<br />

• D u rch einen stummen Impuls ford e rt die<br />

Lehrkraft d ie Schülerinnen un d Schüler<br />

auf, etwas zu sagen. Ein Kind nim mt einen<br />

Gegenst and in die Hand und erzäh lt, w a s<br />

im Lektüreabschnitt , in d em d er G egen -<br />

st and eine Rolle spielt, passiert. Das Kind<br />

legt dann d en Gegenstand zurück, und<br />

ein anderes Kind nimm t sich einen Gegen -<br />

stand und setzt die Erzählung fort. Gemein<br />

sam re k o n s t ru i e ren die Kinder so<br />

den Inhalt des Textabsch nitt es. Die<br />

Lehrkraft sollte si ch in dieser Phase<br />

zurückhalten u nd nur den äu ßeren Ablau f<br />

unt erstützen.<br />

• Die Kinder werd en sich im Nacherz ä h l e n<br />

des Gelesenen gegenseitig ergänzen, korr ig<br />

i e ren, den Au fbau finden et c. Die Lehrkraft<br />

bricht, wenn der Inh alt des Lek türeab<br />

schnittes erfasst ist, die Erzählp hase ab.<br />

Wenn es nötig erscheint, kö nnen einzeln e<br />

Kinder nachfragen. D ie Gegenst änd e so llten<br />

d anach noch eine Weile im Raum<br />

sein, dam it sich einzelne Kinder noch<br />

üb er d ie gemeinsame Phase hinaus orien -<br />

t i e ren kö nnen.<br />

Ist die Methode der Lesespur den Kindern<br />

b ek annt, k ann d ie Vo r b e reitu ng einer solchen<br />

Phase au ch einmal vo n Kin dern, die<br />

d ie Lek türe u .U. schon gan z bew ält igt<br />

haben, gelei stet w e rden. D ie Lehrkraft<br />

k ann d iesen Kind ern einen b e g re n z t e n<br />

Text ausschnitt nennen, d en sie noch einmal<br />

genau lesen mü ssen, um geeignete<br />

G egenstände zu find en. D ie Lehrkraft so llte<br />

die Kinder bei der Au swahl der Gegenstände<br />

gegebenenfalls beraten.<br />

anege hanege<br />

serige sirige<br />

ripeti, pipeti<br />

knoll<br />

Markanter Rhythmus und kräftiger Sprachklang<br />

sind Merkmale von Unsinnsversen. Es<br />

gibt davon viele und es entstehen immer<br />

wieder neue; d en n au ch Kinder w erd e n<br />

begeisterte Reimeschmiede, sind sie erst einmal<br />

mit der Machart solcher Verse vertraut<br />

geworden. Unsinnsverse, in denen Sprache<br />

zum Spielmaterial wird, verlangen genaues<br />

Lesen und deutliches Sprechen, und Kinder in<br />

der <strong>Grundschule</strong> lassen sich gerne auf diese<br />

Sprachexperimente ein.<br />

Auch in dem hier vorgestellten Reim verä<br />

n d e rn sich die Wörter durch kleine Abwan dlungen<br />

des jeweils vorhergehenden Wortes<br />

und kreiseln so um ein rhythmisches Zentrum,<br />

das jäh durch das aus dem Rahmen fallende<br />

letzte einsilbige Wort beendet wird –<br />

„knoll“.<br />

• Hören und zuhören,<br />

• Silben markieren und silbengliedernd<br />

lesen,<br />

• gleiche Buchstabengruppen erkennen und<br />

markieren,<br />

• gemeinsam rhythmisch sprechen,<br />

• die eigene Stimme erproben und<br />

• selbst erdachte Unsinnsverse schreiben<br />

und vorlesen.<br />

• Die Kinder sitzen mit der Lehrkraft im<br />

Halbkreis vor der Tafel.<br />

• Die Lehrkraft spricht den Text ein- oder<br />

zweimal vor. Die Kinder beginnen, den<br />

Vers nachzusprechen.<br />

• Einzelne Kinder versuchen jetzt, den Vers<br />

genau nachzusprechen. Zur Unterstützung<br />

steht der Vers an der Tafel. Die zuhöre n d e n<br />

Kinder kontrollieren. Das sprechende Kind<br />

wird nicht unterbrochen. Erst wenn es seinen<br />

Vortrag beendet hat, werden eventuelle<br />

Abweichungen genannt.<br />

• Die Kinder sprechen d en Vers in der<br />

„Ro bo tersprache“ und zeichnen Silb en -<br />

bögen ein.


• Die Kinder sprechen d en Vers und schwingen<br />

dab ei die Arme im Kreis. Immer die<br />

erste Silbe in den Wo rtbild ungen wird<br />

betont.<br />

• Der Vers kann laut, leise oder auch nur<br />

lautlos gesprochen werden. Das lautlose<br />

Lippensprechen bietet sich besonders dann<br />

an, wenn die Kinder schon mehre re<br />

Unsinnsverse kennen. Der jeweilige Vers<br />

kann dann an den Mundb ew egun gen<br />

abgelesen werden.<br />

• Viele Kinder denken sich nach einer Eingew<br />

öhnung szeit ohne beso nd ere Au fforderung<br />

eigene Unsinnsverse aus, die sie<br />

der Klasse vo rtragen oder zum Lesen anbieten.<br />

Die Lehrkraft kann diese Kinder dazu<br />

a n regen, kleine Reimhefte zu erstellen.<br />

Diese können unter den Kindern zu m Lesen<br />

und Lernen ausgetauscht werd e n .<br />

Christian Morgenstern<br />

GRUSELETT<br />

Der Flügelflagel gaustert<br />

durchs Wiruwaruwolz.<br />

Die rote Fingur plaustert<br />

und grausig gutzt der Golz.<br />

Dieser Vers von Christian Morg e n s t e n r leb t<br />

und erhält seinen Sinn durch den Klang der<br />

Sprache. Ind em der Vers gesp rochen wird, entfaltet<br />

sich seine „Bot schaft“. Diese kann sehr<br />

u nterschied lich ausfallen, je nachdem , welche<br />

Assoziationen die oder der Lesende mit d en<br />

Wo rtbildungen im Zusam menhang mit den<br />

w enigen unmittelbar verst ändlichen Wö rt e rn<br />

im Mo ment des Sprechens ent wickelt.<br />

K i n d e rn, deren Mutt ersprache nicht Deutsch<br />

ist, bereitet das Lesen so lcher Texte g ro ß e s<br />

Ve rgnügen, weil sie sich in ihrer gru n dl e g e n d e n<br />

Fähigkeit , au s dem Klang der Sprac h e<br />

Bedeutungen abzu leiten, den deutschsprachigen<br />

Kindern ebenbürtig fühlen können.<br />

Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

„Ermitteln der Textstimmung“ (vgl.<br />

Menzel. In: PD Sonderheft. Texte Lesen und<br />

Verstehen. S. 8),<br />

• vergleichendes Lesen,<br />

• Austausch von Leseerfahrungen,<br />

• Erkennen von Wor tbedeutungen aus dem<br />

Kontext und aus dem Wortklang,<br />

• gestaltendes Lesen,<br />

• Auswendigsprechen und<br />

• Gestaltung des Textes in Schrift und Bild.<br />

• Die Kinder erhalten den Text und lesen<br />

ihn still.<br />

• Sie tauschen ihre ersten Leseeindrücke aus.<br />

Da<strong>für</strong> ist es nicht unbedingt notwendig,<br />

dass alle Kinder den Text bis zum Ende<br />

gelesen haben („Das klingt unheimlich“,<br />

„Das ist ko misch “, „Das versteh’ ich<br />

nicht“ ...).<br />

• Das Gedicht steht an der Tafel. Die Kinder<br />

erhalten den Auftrag, die Wörter zu nennen<br />

b zw. zu unt erstreichen , die ihnen<br />

unbekannt sind.<br />

• Die Lehrkraft unterstüt zt während des<br />

Gesprächs die spontanen Versuche der<br />

K i n d e r, die unbekannten Wörter mit<br />

Bedeutung zu füllen.<br />

• Auftrag: „Lies das Gedicht einmal so, dass<br />

wir hören können, was du dir vorstellst.“<br />

• Gespräch<br />

• Die Lehrkraft bittet die Kinder, die unbekannten<br />

Wörter zu „übersetzen“. Da<strong>für</strong><br />

muss das Tafelbild so gestaltet sein, dass<br />

zwischen den Zeilen genügend Platz <strong>für</strong><br />

Übertragungen ist. Es empfiehlt sich, diese<br />

Arbeit mit der gesamten Lerngruppe vorzunehmen,<br />

weil dadurch unterschiedliche<br />

Ü b e rtragungen gesammelt werd en können.<br />

z.B: Der Flügelflagel gaustert<br />

Das Gespenst geistert<br />

fliegt<br />

...<br />

durchs Wiruwaruwolz.<br />

den Wald<br />

das Dickicht<br />

...<br />

Die rote Fingur plaustert<br />

Figur plustert sich auf<br />

Hexe plaudert<br />

...<br />

und grausig gutzt der Golz.<br />

guckt der Gnom<br />

gluckst der Schlamm<br />

...<br />

• Der Vers wird noch einmal von fre i w i l l i g e n<br />

Leserinnen o der Lesern gesprochen. Der<br />

Text an der Tafel dient zur Unt erst ützu ng.<br />

Im G espräch wird erläutert, eventuell au ch<br />

an der Tafel festgehalten, welch e Stimm<br />

ung das jeweils lesende Kind erzeugt hat.<br />

• Jedes Kind schreibt den Vers auf ein großes<br />

Blatt u nd gestalt et es nach seinen<br />

Vorstellungen.<br />

• Die Kinder stellen ihre Gedichtblätter vor<br />

und kommentieren ihre Illustrationen.


Klaus Groth<br />

DE DAG, DE GRAUT<br />

De Dag de graut,<br />

de Katt de maut,<br />

de Klock de sleit,<br />

de Hahn de kreit,<br />

de Hund de bellt,<br />

de Köksch de schellt,<br />

de Höhner de kakelt<br />

un all de Vageln in’n Boom spektakelt.<br />

Plattdeutsch ist heut e in der Regel auch<br />

Kindern mit guten Kenntnissen der deutschen<br />

Sprache weitgehend u nbekannt. Ab -<br />

gesehen davon, dass das Plattd eu tsche in<br />

seinem ihm eigenen Charme, in seiner besond<br />

e ren Ausdrucksmöglichkeit und in seinen<br />

b ild haften Form u l i e ru ngen einen Plat z im<br />

L i t e r a t u rn<br />

t e richt gerade auch der Gru n dschule<br />

haben sollte, bieten solche Texte in<br />

b e s o n d e er r Weise Gelegenheit <strong>für</strong> genau es<br />

Lesen, <strong>für</strong> d ie Mö glichkeit des Sprachvergleiches<br />

u nd d amit <strong>für</strong> die Förd e rung d er<br />

Sprachaufmerksamkeit.<br />

In dem plattdeutschen Gedicht von Klaus<br />

Groth wird der Tagesanbruch in formelhafter<br />

Einfachheit dargestellt. Es zieht Kinder them<br />

atisch u nd in seinem Sprachdu ktu s und<br />

-klang an und macht sie n eu gierig. We n n<br />

K i n d e r, deren Muttersprache nicht Deutsch<br />

ist, m erken, d ass ihre deutschsprachigen Klassenkamerad<br />

innen u nd -kam erad en genauso<br />

wie sie Schwierigkeit en haben , die W ört e r<br />

a u s z u s p echen r und zu verstehen, gibt ihnen<br />

d ies Mut u nd steigert ihre Anstre n g u n g s b e ri<br />

tschaft.<br />

Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

• Verarbeiten von Hinterg ru n d i n f o rm a t i o n e n ,<br />

• Nutzen des Wortklanges <strong>für</strong> die<br />

Ermittlung der Wortbedeutung,<br />

• Kontextarbeit,<br />

• Textvergleich,<br />

• genaues Hören,<br />

• genaues Lesen und Sprechen,<br />

• sinngestaltendes Lesen und Sprechen,<br />

• szenisches Spiel und bildnerisches<br />

Gestalten.<br />

• Die Lehrkraft macht die Kinder durch eine<br />

Erzählu ng m it der Person Klau s Groth bekannt.<br />

Das Gedicht steht an der Tafel. Nach<br />

erst en Leseversuchen erkennen die Kinder<br />

and eutungsweise die Ve rwandtschaft der<br />

W ö rter mit dem Hochdeutschen.<br />

• B i l d k a rt en, auf denen jeweils die im<br />

Gedicht genannten Tiere und die Köchin<br />

dargestellt sind, werden in ungeordneter<br />

Reihenfolge neben den Text geheftet.<br />

• Die Kinder w erd en au fgeford e rt, d ie<br />

Bildkarten den entsprechenden Wörtern<br />

zuzuordnen.<br />

• Sie vermuten, um was es in dem Text geht<br />

und<br />

• übersetzen ihn in gem einsam er m ündl<br />

i c her Arbeit – in Gruppen oder im Klassengespräch.<br />

• Der übersetzte Text wird neben den Text an<br />

die Tafel geschrieben.<br />

• Beide Texte werden gelesen. Die Kinder<br />

nennen Auffälligkeiten und Unterschiede,<br />

die sie während des Sprechens und Lesens<br />

wahrnehmen.<br />

• Der plattdeutsche Text wird gemeinsam<br />

g e s p rochen . Möglich keiten: Wir fangen<br />

ganz leise an u nd werd en allmählich<br />

lauter; jeweils ein Kind ahmt eines der im<br />

Gedicht genannten Geräusche nach; Das<br />

Spektakel der Vögel wird von mehreren<br />

Kindern produziert; Begleitung durch Orff-<br />

Instrumente.<br />

• Ein Gedichtblatt wird gestaltet.<br />

• Die Kinder gestalten ein Leporello.<br />

• Die Kinder üben in Gruppen das Vorlesen<br />

des Gedichtes und präsentieren es dann<br />

vor der Klasse.<br />

• Die Kind er sprechen das Gedicht u nd<br />

stellen es szenisch dar.<br />

• Die Kinder erarbeiten mit Unterstützung<br />

der Lehrkraft ein Hörspiel und nehmen es<br />

mit dem Kassettenrekorder auf.<br />

• Einige Kind er kö nnen sich üb er das<br />

I n t e rnet od er au s Bü chern über den Dichter<br />

Klau s Groth inform i e ren und die Erg e bnisse<br />

ihrer Recherche der Klasse vortragen.


Christine Nöstlinger<br />

„FRANZ UND DIE EIFERSUCHT“<br />

Die „Geschichten vom Franz“ von Christine<br />

Nöstlinger thematisieren allgemein gültige,<br />

Kinder (wie Erwach sene) beschäftigende<br />

Themen wie Einsamkeit, Freundschaft, Angst,<br />

Eifersucht, Zorn, Sehnsucht, Liebe u.a., sodass<br />

hier ein Stoffangebot vorliegt, durch d as<br />

latente Befindlichkeiten der Kinder aktiviert<br />

und somit als Teil des eigenen Selbst erfasst<br />

werden können.<br />

In „Franz u nd die Eifersucht “ werd en d ie<br />

t ypischen Pro bleme, die eine Dre i e c k s k o n s lt<br />

e<br />

lation mit sich bringen kann, geschildert. Alle<br />

G eschicht en sind aus d er Persp ektive d es<br />

Franz geschrieben, sodass die Gefühle der<br />

anderen Personen erahnt bzw. vermutet werden<br />

müssen. Durch diese Aussparungen lässt<br />

sich der Text besonders gut handelnd erschließen<br />

u nd eröffnet Kindern im Gru n dschulalter<br />

Möglichkeit en, sich in die Gefü hlswelt<br />

eines anderen hineinzuversetzen und<br />

diese differenziert mündlich und schriftlich<br />

auszudrücken.<br />

D u rch den Einsat z der Metho de des<br />

Standbildes mit anschließender Schreibphase<br />

kommt es zu einer verzögerten Textbegegnung<br />

und einer intensiven gem ein samen<br />

Leseerfahrung.<br />

Die Sinnentnahme erfolgt durch:<br />

• den lebensweltlichen Bezug,<br />

• die Rollenübernahme und<br />

• den Perspektivwechsel.<br />

• Die Lehrkraft (oder ein darauf vorbereitetes<br />

Kind) liest den Text „Franz und die<br />

Eifersucht“ vor. Während des Vorlesens<br />

erfolgt eine Visualisierung des Erzählten<br />

anhand von Symbolkarten, die prägnante<br />

Stellen der Geschichte widerspiegeln (z.B.<br />

Königskronen, Zipfelmütze).<br />

• Das Stand bild verf a h ren mit anschließend er<br />

Verbalisierungsphase soll die Auseinandersetzung<br />

mit dem Text verzögern, zeitlich<br />

verlängern, intensivieren und dazu herausfordern,<br />

mehr zu verstehen, als äußerlich<br />

dargestellt wird.<br />

Das Standbildverfahren:<br />

Die Lehrkraft wählt drei Kinder der Klasse<br />

au s u nd lässt sie sich der Szene ents<br />

p rechend zu einander au fstellen (Franz<br />

allein, die Mädchen in Freundschaft vereint).<br />

Anschließend bittet die Lehrkraft die<br />

Kinder, eine Haltung einzunehmen, welche<br />

ihrer Meinung nach <strong>für</strong> sie in dieser<br />

Situation charakteristisch ist.<br />

(Zur Orientierung der Darstellerinnen und<br />

Darsteller können Bilder der handelnden<br />

Personen an die Tafel gehängt werden.)<br />

Um die Situation zu verdeutlichen, bekommt<br />

jede Darstellerin und jeder Darsteller<br />

als Requisit ein charakteristisches<br />

Attribut ihrer oder seiner Figur: Franz eine<br />

Pudelmüt ze, Gabi u nd Sandra jeweils<br />

Königskronen.<br />

• Die Verbalisierungsphase:<br />

Die Lehrkraft ford e rt jetzt d ie Kinder nacheinander<br />

auf, nach vorne zu kommen, die<br />

Hand auf eine Figur ihrer Wahl zu legen<br />

und die möglichen Gedanken, die die jew<br />

eilige Figur sich in dieser Situ at ion<br />

m a c h e nkönnte, auszusprechen.<br />

Indem die Kin der den Figuren ihre Sprache<br />

leihen, geht es zugleich um ihre subjektiven<br />

P rojektio nen, wie auch u m den Nachvollzug<br />

der unterschiedlich en Perspektiven.<br />

• Die mündlich geleisteten Beiträge werden<br />

im nächsten Arbeitsschritt als Anregung<br />

genutzt, jetzt auch auf schriftlicher Ebene<br />

die Gedanken der Figuren zu fixiere n .<br />

Arbeitsblätter mit Denkblasen über der<br />

jeweiligen Figur werden angeboten. (Differenzierende<br />

Schreibaufgabe <strong>für</strong> leistungss<br />

t ä r k e re Kinder: Wie findest du d as<br />

Verhalten von Gabi und Sandra?)<br />

• Die Ergebnisse der Schreibphase werd e n<br />

abschließend am St andbild präsentiert: Die<br />

Kinder kommen nacheinander m it ihre n<br />

A r b e i t s b l ä t n t e nach r vorne, legen die Han d<br />

auf die Figur ihrer Wahl und lesen ihre verschriftlichten<br />

Gedanken vor.<br />

• Ein „Stimmenorchester“ zur Person des<br />

Franz kann die Stand bildp hase abschließen:<br />

Im Unterschied zum vo rherigen Standbildv<br />

e rf a h ren bleiben die Kinder hintere i n a n d e r<br />

hinter Franz stehen. Sind genü gen d<br />

„Stimmen“ vorhand en, ruft d ie Lehrkraft die<br />

Gedanken in wechselnd er Reihenfolge und<br />

Lautstärke ab, indem sie z.B. auf d ie betre ffende<br />

Schülerin od er den b etre ff e n d e n<br />

Schüler zeigt .<br />

D u rch dieses Ve rf a h ren wird den Kindern die<br />

Möglichkeit gegeben, die M u l t i p e r s p e k - t i<br />

vit ät einer einzelnen Figur nachzuvo llziehen<br />

u nd mitzuerleben.<br />

Praxis Deutsch 127/1994.<br />

Leseförderung.<br />

Praxis Deutsch 176/2002.<br />

Leseleistung –<br />

<strong>Lesekompetenz</strong>.<br />

Praxis Deutsch. Sonderheft<br />

Leseförderung in einer<br />

Medienkultur.<br />

Lesen und Schreiben.<br />

Jahresheft Schüler 2003.<br />

Friedrich.<br />

Wedel-Wolf, A. v. 2001.<br />

Üben im Leseunterricht.<br />

Braunschweig.<br />

Rahmenplan Deutsch<br />

<strong>Grundschule</strong>. 15. Sept.2003.<br />

BBS.


PISA und IGLU haben das Thema <strong>Lesekompetenz</strong><br />

neu in den Vo rd e rg rund der Diskussion<br />

u m Erfassung der Schulleistungen gebracht.<br />

Kann man Leseleistu ng „messen“? Da wäre einmal<br />

das Feststellen der „Lesetech nik“ – zum<br />

a n d e ren das Abfragen der „Sinn entnahme“.<br />

Die gängigen Lesetests der letzten dreißig<br />

Jahre haben den einen oder anderen Aspekt<br />

in den Mittelpunkt gestellt, wobei die älteren<br />

Tests überwiegend Zeit und Lesefehler zählen<br />

( B rem er Lesehilfen, Zürcher Lesetest), währe n d<br />

die bekannteren neuen Tests (ab Klasse 3)<br />

ausschließlich das Leseverständnis und die<br />

Sinn entnahme zu m Schwerpu nkt haben<br />

(Würzburger Lesetest, HAMLET).<br />

Zunehmend wird auch die möglichst frühzeitige<br />

Diagnostik und Förderung angestrebt,<br />

um günstige Voraussetzungen <strong>für</strong> alle Kinder<br />

<strong>für</strong> den Schrift spracherwerb anzubahnen.<br />

Bereits im Vorschulalter wird anhand des<br />

„Bielefelder Screenings” (BISC) die phonematische<br />

Bewusstheit beobachtet und gegebenenfalls<br />

werden mit dem Würzburger Lernp<br />

rogramm „Hö ren, lauschen, lern e n “<br />

(Küspers, Schneider) auffällige Kinder vor der<br />

Einschu lu ng gezielt geförd e rt. Au ch der<br />

HAVAS, der bei Vorschulkindern (vor allem<br />

bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) die<br />

sprachlichen Voraussetzungen erheben soll,<br />

zielt in dieselbe Richtung.<br />

Hier so ll au sführlicher die H a m b u rg e r<br />

Leseprobe (Peter May / Helga Arntzen) vorgestellt<br />

werden, die sowohl das sinnentnehm ende<br />

Lesen abfragt als auch im quantitativen<br />

Bereich anhand von Lesepunkten und Lesezeit<br />

Vergleichswerte <strong>für</strong> die gesamte Grundschulzeit<br />

bietet (und zwar ab Ende Klasse 1).<br />

Bei der Hamburger Leseprobe handelt es sich<br />

um ein Beobachtungsverfahren, das gleichzeit<br />

ig eine Fördersituation beinhalt et.<br />

Beo bachtet wird d as Pro b l e m l ö s e v e h ra<br />

l t e n<br />

des lesenden Kindes, das Prognosen zulässt<br />

<strong>für</strong> seine weitere Leseentwicklung.<br />

Neben der Beschreibung des Te s t v e f ra<br />

h re n s<br />

soll hier ausführlicher auf eine Schü lerin und<br />

einen Schüler eingegangen werden, deren Lesel<br />

e rnentwicklung ü ber einen langen Zeitraum<br />

begleitet, beob achtet u nd analysiert wurd e .<br />

Diese beiden Lernenden verdeutlichen exemplarisch<br />

zwei unterschiedliche Lern a u s g a n -g<br />

s<br />

lagen und somit bereits frühzeitig erkennbare<br />

Entwicklungen und Förd e r p r ä f enzen. e r Es soll<br />

versucht werden, individ uelle Förderpläne <strong>für</strong><br />

diese beiden Kinder vorz u s t e l l e n .<br />

Die Hamburger Leseprobe ist ein Verfahren<br />

zur Erfassung der Lesefertigkeit und zur Analyse<br />

von Leseprozessen vom ersten bis zum<br />

vierten Schuljahr, bei Kindern mit gravierenden<br />

Leseschwierigkeiten auch darüber hinaus.<br />

Die HLP w ird seit 19 92 in H amb urg e r<br />

<strong>Grundschule</strong>n – insbesondere im Rahmen der<br />

Arbeit von Schriftsprach-Beraterinnen (PLUS)<br />

– eingesetzt.<br />

Seit 2003 ist die HLP erweitert um jeweils vier<br />

Fragen pro Geschichte zum Textverständnis,<br />

die beim Kind Stu fen der Leseko mp eten z<br />

erkennbar machen sollen.<br />

Die HLP ermöglicht das Beobachten von<br />

Leseprozessen unter alltagsnahen Bedingungen<br />

u nd das Gewinnen von Ve rg l e i c h smaß<br />

stäb en zur Beurteilu ng der Förd e rb<br />

e d ü rft igkeit b esonders schwach er Leselernerinnen<br />

und -lerner.<br />

1. Die HLP enthält Geschichten, deren Inhalt<br />

und Wortschatz den Erfahrungen der<br />

Kinder entsprechen. Die Kinder mögen die<br />

Geschichten, diese enthalten immer auch<br />

einen kleinen Gesprächsanlass.<br />

2. Neben den Geschichten werden auch Listen<br />

mit E i n z e l w ö t e rrn<br />

angeboten, die ausschließ<br />

lich Nom en enthalten, die den Kind<br />

e rn von der Bedeutu ng her vertraut sind.<br />

3. Die HLP bietet zu allen Geschichten und<br />

Wörterlisten jeweils drei Parallelformen<br />

an, die in Länge und Aufgabenschwierigkeit<br />

v e rgleichbar sind. Lern f o rt schritte d er<br />

Kinder lassen sich so über Jahre dokumentieren.<br />

4. Das Hauptanliegen der HLP ist die A n a l y s e<br />

von Leseprozessen jener Kind er, dere n<br />

Leseentwicklu ng sich kritisch gest alt et.<br />

B e reits eine leichte Geschichte u n d / o d e r<br />

eine Wö rterliste reichen au s, um Ve rgleichswerte<br />

zu den verschiedenen Zeitpunkten<br />

zu erheb en. Die HLP u mfasst<br />

Geschichten mit vier und Wörterlisten mit<br />

zwei Schwierigkeitsstufen.<br />

5. Die HLP ist ein Verfahren <strong>für</strong> die Einzelbeobachtung,<br />

mit dem der Prozess des<br />

Erlesens und Sinnerfassens diff e re n z i e rt<br />

analysiert werden kann. Er wird optimal<br />

mit einem Tonband dokumentiert.


6. Die Auswertung der HLP umfasst neben<br />

P u n k t w e rt en zur Kennzeichnung d er<br />

Leseleistung und der Lesegeschwindigkeit<br />

auch eine qualitative Analyse des Lesep<br />

rozesses m it Hilfe eines vorg e g e b e n e n<br />

Auswertungsbogens.<br />

In diese qualitative Analyse geht die Erfahrung<br />

ein, dass das Erlesen eines unbekannten<br />

und <strong>für</strong> das Kind noch schwierigen<br />

Textes als Problemlöseprozess aufzufassen<br />

ist, der verschiedenartige Teilprozesse<br />

umfasst. Außerdem werden nicht die<br />

Fehler, die das Kind beim Lesen macht,<br />

gezählt, sondern die einzelnen Wörter werden<br />

mit Hilfe einer Punktskala bewertet,<br />

sodass auch Teillösungen des Kindes in die<br />

Beurteilung eingehen.<br />

7. Ein beso nd eres Kennzeichen der HLP ist d ie<br />

gewollte I n t e r a k t i o nzwischen Lehrkraft<br />

und Kind beim Erlesen. Das Kind wird beim<br />

Lesen nicht sich selbst überlassen und d ie<br />

Lehrk raft ist nicht nur dist anziert e<br />

Test leit ung, so ndern als H elferin od er<br />

Helfer soll sie oder er gezielt in den Pro z e s s<br />

der Lösungssuche eingreifen und dem Kind<br />

Hin weise <strong>für</strong> das weit ere Vo rgehen geben.<br />

D a d u rch wird einerseits die Lesesituation<br />

psycholo gisch gü nstig gestaltet un d<br />

Leistungsblockaden bei prüfu ngsängst -<br />

lichen Kindern vorgebeugt ; andere r s e i t s<br />

erlaub t diese gezielt e Interak tion die<br />

Analyse der Lesesitu atio n als Teil eines<br />

beginnend en Förd e r p rozesses. Au ßerd e m<br />

e rf ä h rt die Lehrkraft, inwieweit d as Kind in<br />

der Lage ist, steuernde u nd korr i g i e re n d e<br />

Hinweise in den eigenen Lösungsprozess zu<br />

i n t e g r i e rn<br />

.<br />

Es gibt zwö lf G eschichten in vier<br />

Schwierigkeitsstufen (G1a bis G4c) u nd 6<br />

W ö rt erlisten in zwei Schw ierigkeitsstufen<br />

(W1a bis W2c).<br />

Bei der Lesestufe 1 (14 bis 16 Wörter, in<br />

Sinnschritte gegliedert) gibt die Ab bildung<br />

schon Hinweise auf den Inhalt der Geschichte.<br />

Selbst schwächere Leser der Klassen 1 und 2<br />

b ewältigen diese Texte mit Hilfe der Lehrkraft.<br />

Die Geschichten der Lesestufe 2 sind zwar<br />

auch noch bebildert, der Inhalt muss aber<br />

selbstständig erlesen werden. Die Schrift ist<br />

schon etwas kleiner und stellt auch in Satzbau<br />

und Wortwahl schon höhere Anforderungen<br />

an die Lesefähigkeit.<br />

Die umfangre i c h e ren G eschichten d er<br />

Lesestufe 3 (65 bis 71 Wörter) sind nicht mehr<br />

i l l u s t r i t, e rdie<br />

Sätze sind erheblich länger und<br />

aufw endiger stru k t u r i e t. r Entsprech end d en<br />

h ö h e ren Anford e rungen an die Lesefert i g k e i t<br />

ist auch d ie Schrift kleiner gedru c k t .<br />

Bei der Lesestufe 4 (90 bis 99 Wörter) sind die<br />

Texte komplexer stru k t u r i e t rund<br />

eng gedru c k t<br />

un d sin d somit geeignet, die Lesefertigkeit vo n<br />

S c h ü l e n r der Klasse 4 und auch darüber hin au s<br />

zu überprüfen und zu messen.<br />

Alle Geschichten werden von den Kindern<br />

gern gelesen. Die Texte bieten alle einen<br />

Gesprächsanlass, der nach der Vorlesephase<br />

im Gespräch Aufschluss geben kann über das<br />

Textverständnis des Kindes.<br />

Beim Erlesen der Einzelwörter (W1a bis<br />

W2c) kann das Kind sich bei der Bildung von<br />

Sinnhyp othesen nicht auf d en Kontext<br />

stützen, sondern es muss die lautsprachlichen<br />

E n t w ü rfe einzeln au f seine Sinnhaft igkeit<br />

überprüfen. Das ist eine d eutliche Ers<br />

c h w e rung der Aufgabe. Der Einsat z der<br />

W ö rterlisten kann ab er sinnvo ll sein bei<br />

Kindern, die sich überwiegend am semantischen<br />

Kontext orientieren und raten.<br />

Die Hamburger Leseprobe ist ein Einzelbeobachtungsverfahren,<br />

das nicht mit allen Kindern<br />

einer Klasse durchgeführt werden muss,<br />

s o n d e rn nur mit solchen Kindern, dere n<br />

Leselernentwicklung sich als kritisch erwiesen<br />

hat od er w o dement sprechend Unsicherheiten<br />

vorliegen.<br />

Benötigte Ut ensilien <strong>für</strong> die Te s t d u rc hführung:<br />

I. Bögen mit Geschichten (und evtl.<br />

Wörterlisten)<br />

II. Kassettenrecorder<br />

Für die Testauswertung zusätzlich:<br />

III. Ankreuzbögen<br />

IV. Auswertungsbogen<br />

V. Stoppuhr<br />

Es ist au s verschied enen G ründ en zu<br />

emp fehlen, die Lesu ng d es Kind es auf<br />

Tonband aufzuzeichnen:<br />

VI. Die Lehrkraft kann sich ganz dem Kind<br />

widmen, kann Hilfestellungen geben<br />

und muss nicht nebenbei Notizen<br />

machen. Es kann keine belastende<br />

Testatmosphäre entstehen.<br />

VII. Die Lesezeit kann vom Tonband<br />

gestoppt werden.<br />

VIII. Die Lehrkraft hat die Möglichkeit, den<br />

Leseprozess mehrfach abzuhören.<br />

Gleichzeitig bekommt sie ein Dokument,<br />

mit dem sie Leseentwicklung langfristig<br />

dokumentieren kann.<br />

IX. Sie kann mit dem Kind zusammen das<br />

Gelesene abhören und z.B. dem Kind<br />

seine Fortschritte aufzeigen.<br />

Jedes Kind kann entscheiden, ob es erst leise<br />

oder gleich lau t lesen will. Beim geübt en Leser


ist sinnentnehmendes Lesen no rm a l e rw e i s e<br />

leises Lesen. Kinder in d er Lernphase mü ssen<br />

die einzelnen Segment e der zu lesend en Wört e r<br />

erst laut sprachlich art i k u l i en, e r um den Sin n zu<br />

entdecken; d.h. das Au ssprechen d er Laute,<br />

Wo rt teile od er Wo rt v o rf o rmen geht dem<br />

Wo rtverstehen in der Regel voraus. So kann es<br />

geschehen, dass Kinder der 3. oder 4. Klasse<br />

beim leisen Lesen d en Inh alt d er Geschichte<br />

noch nicht verst anden haben, weil sie längere<br />

u nd schwierigere W örter erst über die Art i k u l at<br />

ion verstehen.<br />

Als Besond erheiten der H a m b u rger Lesepro b e<br />

sind die Interaktion und die Hilfen durch die<br />

Lehrkraft herv o rzuheben. Die Lehrkraft ist<br />

nicht – wie bei herkö mmlichen Tests üb lich –<br />

passive Testleiterin oder passiver Te s t l e i t e , son- r<br />

d e rn sie greift aktiv in d en Leseprozess ein,<br />

indem sie d em Kind Hilfestellun gen gibt,<br />

wenn es d ie Leseau fgabe nicht selbstst ändig<br />

b ewältigen kann. Diese Hilfen werden später<br />

bei der quantitat iven Punktbewertung mit einb<br />

ezogen. Allerdings soll das Eingreifen der<br />

Lehrkraft mö glichst Hilfe zur Selb sthilfe sein.<br />

Kann ein Kind nach mehr als zwei Lehre rh i l f e n<br />

ein schwieriges Wo rt nicht entschlüsseln, ist es<br />

sinnvo ll, d as Wo rt zu sagen, dam it d er<br />

L e s e p rozess weitergehen kann.<br />

In der Version von 2003 werden zu jeder<br />

Geschichte nach dem Vorlesen vier Fragen<br />

zum Leseverständnis gestellt, deren Beantwortung<br />

durch die Kinder vier Stufen der<br />

<strong>Lesekompetenz</strong> zugeordnet werden kann.<br />

Die Auswertung der HLP ermöglicht sowohl<br />

eine qu antit ative Bestim mu ng der Leseleistung<br />

(Richtigkeit d er W i e d e rgabe und<br />

Lesetempo) als auch eine qualitative Analyse<br />

der Lesefähigkeit.<br />

Die qu alitative Beob achtung des<br />

Leseprozesses dient der Beurteilung der individ<br />

uellen Lesesch wierigk eiten u nd gib t<br />

Hinweise auf Besonderheiten des einzelnen<br />

Kindes, die in der Förderung berücksichtigt<br />

werden sollten.<br />

Die Ergebnisse der qu antitativen u nd<br />

qualitativen Analysen werden in den Auswertungsbogen<br />

eingetragen.<br />

Für die Auswertung des Leseergebnisses werden<br />

nicht – wie bei herkömmlichen Tests –<br />

die Fehler gezählt, son dern anhand eines<br />

Punktesystems werden auch Teilschritte beim<br />

Erlesen und Selbstkorrekturen mitbewertet,<br />

auch die Zahl der benötigten Hilfen wird mit<br />

berücksichtigt . Für die Auswertu ng vo m<br />

Ton band g ibt es <strong>für</strong> jed e Geschichte/<br />

Wörterliste einen Ankreuzbogen.<br />

Die Lesezeit wird von der To n b a n daufzeichnung<br />

gestoppt und auch auf dem<br />

Ankreuzbogen eingetragen.<br />

Anhand der Vergleichswerttabellen (im<br />

Anhang der Hamburger Leseprobe) wird dann<br />

<strong>für</strong> Lesepunkte und Lesezeit der Pro z e n tr<br />

a n g b e reich abgelesen u nd somit die<br />

Leseleistung einer der Leistungsgruppen zugeordnet.


Die qualitative Auswertung soll vor allem<br />

Hinweise <strong>für</strong> eine gezielte Förderung liefern.<br />

Bei wiederholter Anwendung der Hamburger<br />

L e s e p robe k ann die Leselern e n t w i c k l u n g<br />

eines Kindes nach einheitlichen Gesichtsp<br />

unkt en doku mentiert werden, wo durc h<br />

auch wertvolle Einsichten <strong>für</strong> die Anfert i g u n g<br />

von Zeugnisberichten und <strong>für</strong> die Erfolgskontrolle<br />

des Förderunterrichts gewonnen werden<br />

können.<br />

Nachdem die Ergebnisse der quantitativen<br />

Analyse auf dem Ausw ertu ngsbogen eingetragen<br />

worden sind, bietet die HLP diverse<br />

Merkmalsfragen zur Lernstandsanalyse.<br />

Die sechs Bereiche, die der qualitativen<br />

Analyse zugeordnet sind:<br />

I. Vorkenntnisse – Fertigkeiten –<br />

Teilfertigkeiten,<br />

II. Zu m Leseergebn is (dazu neu: Antw ort e n<br />

zum Textverständnis, gegliedert in vier<br />

Kompetenzstufen),<br />

III. Zum Vor gehen beim Erlesen,<br />

IV. Zum Lesefluss und zum überschauenden<br />

Lesen,<br />

V. Weitere Beobachtungen zum Leseverhalten,<br />

VI. Bemerkungen zur Sprachkompetenz,<br />

e rm öglichen die genaue Zustandsbeschre ib<br />

ung ein es Leseproto ko lls zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt und geben Hinweise auf<br />

die Schwachstellen, deren Behebung gezielt<br />

gefördert werden sollte. Besonders wertvoll<br />

w e rden d iese Kategorien ab er durch die<br />

Wi e d e rholu ng der HLP in bestimm ten<br />

Zeitabständen, da sie dann konkret und dezid<br />

i e rt d ie Leselern entw icklung des Kindes<br />

aufzeigen.<br />

Während der Entwicklung der Hamburger<br />

L e s e p ro b e w u rden 560 Hamburger Gru n dschulkinder<br />

in ihrer Leselern e n t w i c k l u n g<br />

durch die gesamte Grundschulzeit begleitet<br />

und dokumentiert. Die Tonbandaufzeichnungen<br />

der 28 schwächsten Leserinnen und Leser<br />

w u rden verschriftet und ausgewert et ü ber<br />

einen Zeitraum von drei Jahren. Dabei wurden<br />

wertvolle Erkenntnisse gewonnen über<br />

die Besonderheiten der Kinder beim Lesen. So<br />

sind auf Grund der Ergebnisse der qualitativen<br />

Analyse bereits in Klasse zwei Prognosen<br />

möglich über die weitere Leselernentwicklung<br />

eines Kindes. Dazu ist besonders aufschlussreich<br />

der Punkt drei der qualitativen Analyse.<br />

• Das Kind versucht bei schwierigen Wörtern<br />

verschiedene Zugriffsweisen. (Zum Beispiel<br />

Lautfolge, Wo rtteil, Wi e d e rholung des Gele-<br />

senen, Wortvorgestalt; es nutzt ggf. den<br />

Bild- und Satzkontext; nicht nur sukzessive<br />

Synthese der Laute!)<br />

• Das Kind erkennt Fehler und/oder falsche<br />

Entwürfe selbst und versucht selbst, sie zu<br />

korrigieren.<br />

• Das Kind kann Hilfen weiterführend in<br />

seine Worterarbeitung einbeziehen.<br />

Diese Kriterien geben Aufschluss über das<br />

Problemlöseverhalten des lesenden Kindes,<br />

das dann auch Hinweise gibt auf die weitere<br />

Lernentwicklung.<br />

Anhand von zwei Schülerbeschreibungen<br />

soll diese These verdeutlicht und untermauert<br />

werden.<br />

Isa und Jens<br />

Bereits im zweiten Schuljahr werden auf<br />

Gr und der Beobachtungen der Leseprozesse<br />

unterschiedliche Prognosen hinsichtlich der<br />

w e i t e ren Lernent wick lung nahe gelegt .<br />

Während bei Jens auf Grund seiner vielfältigen,<br />

aktiven Zugriffsweisen in absehbarer Zeit<br />

eine St eigerung der Leseleistung zu erw a rten ist,<br />

lässt Isas eher passives Ve rhalten beim Erlesen<br />

l ä n g e fristige r Leseschwierigkeiten v e rm u t e n .<br />

Beide Kinder erzielen im Februar der Klasse<br />

2 vergleichbare Er gebnisse in der quantitativen<br />

Auswertung (Lesepunkte und Lesezeit).<br />

Beide werden der Kategorie „sehr schwach”<br />

z u g e o rd net. In der q ualit ativen Analyse<br />

zeigen sich allerdings gerade beim „Vorgehen<br />

beim Erlesen” signifikante Unterschiede, was<br />

anhand einiger Verschriftungen darg e s t e l l t<br />

werden soll.<br />

Isa kann man im Herbst der Klasse 2 fast<br />

als Nichtleserin bezeichnen. Sie braucht mit<br />

sehr viel Hilfe und Geduld <strong>für</strong> die ganz leichte<br />

Geschichte G1a fast acht Minuten. Einige<br />

Wörter liest (rät) sie spontan richtig mit Hilfe<br />

des Bild- und Satzkontextes (Maus, ruft, Tisch,


Käse, Mäuse). Bei allen anderen Wört e rn<br />

schweigt sie und muss jedes Mal aufgefordert<br />

werden, sich auf das ihr unbekannte Wort<br />

einzulassen.<br />

Mit dem Wort haben (Sie haben<br />

auch Hunger) ist Isa schon überfordert.<br />

Zum einen kennt sie die Buchstaben noch<br />

nicht sicher (h und b). Darüber hinaus kann<br />

sie nicht mehr als zwei Laute synthetisieren<br />

und kommt so nicht zu einer Wortvorgestalt,<br />

die ein sinnvolles Wort nahe legt. Deshalb<br />

assoziiert sie schließlich zu dem Wort „sie”,<br />

das die Lehrerin ihr als semantische Hilfe<br />

anbietet, das Wort „sind”, was zwar semantisch<br />

und syntaktisch passen könnte, aber<br />

nichts mehr mit der Wortvorlage zu tun hat.<br />

D rei Monate später steht sie noch ähnlich<br />

hilflos vor der Leseaufgabe. „Uta u nd ru f t “<br />

(G1b) liest sie spont an. Aber bereits bei Opa<br />

schweigt sie erst mal, so, wie sie viele Wört e r<br />

mit Schweigen und Seufzen b eginnt. Nach wie<br />

vor erschweren Buch stabenu nsicherheit und<br />

d as Bu chstabieren (pe, es, ka) die Synthese.<br />

Ab er sie versucht inzwischen häu figer, die<br />

Hilfen in ihre Wo rterarbeitung einzubeziehen.<br />

Beispiel: sagt<br />

In der dritten Klasse hat Isa mit den sprachlich<br />

anspruchsvolleren Texten noch große<br />

Schwierigkeiten. Ihre schwach entwickelt e<br />

Sprachkompetenz lässt sie bei unbekannten<br />

und weniger leicht vorhersehbaren Wörtern<br />

versagen: Sie schaut nicht genau hin, rät<br />

herum und bietet Pseudowörter an, sie achtet<br />

auch nicht auf semantische oder syntaktische<br />

Zusammenhänge.<br />

Ein Schuljahr spät er geht sie selbstb ewusst<br />

er an d ie Leseaufgabe heran. Die Te x t e<br />

der Lesestufe vier überf o rd e rn sie, eine G3-<br />

Geschichte schafft sie zwar mühsam, brau cht<br />

ab er nur w enige Hilfen. Tro tz sp ürbare r<br />

L e rn f o rtschritte b leibt Isa eine schwache<br />

Leserin, weil ihr Pro b l e m l ö s e v halten e r eher<br />

gering ist und sie nur wenige Strat egien zur<br />

Ve rfügung hat.<br />

Jens s c h a ft beim ersten Durchgang nur 28<br />

P rozent der erre i c h b a ren Pu nkt e und w ird d e r<br />

Kategorie „sehr schwach” zugeordnet. Seine<br />

Vo rgehensweise unterscheidet sich aber von<br />

Anfang an stark von Isas Lesebemühungen.<br />

Es fällt auf, d ass seine Zugriff s w e i s e n<br />

vielfältiger sind als bei Isa. Auch Jens buchstabiert<br />

(pe, es, ka, ha). Er kann sich gut semantisch<br />

orientieren (auch mit Hilfe des Bildes).<br />

Seine Vorgehensweise ist dennoch oft schwer<br />

zu analysieren, da er manchmal die Reihenfolge<br />

der Laute durcheinander bringt, oft rät<br />

(sehr starke Ratetendenz), oft Fehler selbst<br />

bem erkt und wieder neu ansetzt, manchmal<br />

Scheinlösu ngen anb ietet , d ie mit der<br />

Wortvorlage kaum noch etwas zu tun haben.<br />

A u ffallend ist seine In itiat ive, sich immer<br />

wieder neu auf den Versuch einzulassen. Man<br />

gewinnt den Eindru ck, er jongliert mit d en<br />

Buchst aben (Reihenfolge ist zweit rangig), b is<br />

er eine akzep table Lösung gefunden h at.<br />

Im zweiten Durchgang, im April der Klasse<br />

2, hat Jens schon gute Fortschritte gemacht.<br />

Die Geschichte G1a schafft er mit nur drei


Hilfen, zehn der sechzehn Wörter liest er<br />

spontan richtig. Bei der Wörterliste hat er<br />

noch größere Schwierigkeiten, weil er sich<br />

nicht am semantischen Kontext orientie re n<br />

kann, sondern sich auf jede Wo rt s t ruktur neu<br />

einlassen mu ss. Dabei zeigen sich sehr gut<br />

seine vielfältigen Zugriff s w e i s e n .<br />

Zur Ve rd eutlichung fo lgen hier zw ei<br />

Verschriftungsbeispiele:<br />

Geschichte G1a:


Jens‘ Lesen erlaubt einen guten Einblick in<br />

seine Strategien, da er alle Zwischenüberlegungen<br />

und -schritte laut äußert. Mit dem<br />

langen Wort „Bilderbuch” kann er spontan<br />

nichts anfangen. Auf den Impuls der Lehrerin<br />

fängt er klein an und erarbeitet sich den<br />

Wo rtt eil „bilder”. Den geratenen Wo rt t e i l<br />

„b är” verw i rft er selbst w ied er. Die D -b-<br />

Vertauschung wird von der Lehrerin korrigiert.<br />

Nun experimentiert er wieder: bil, bul,<br />

buch – und kommt zum richtigen Ergebnis.<br />

Bereits im Februar Klasse 3 kommt Jens<br />

allein zurecht und braucht keine zusätzliche<br />

Förderung mehr. Seine „Verlesungen” sind


fast immer semantisch akzeptabel. Inhaltlich<br />

nicht stimmige Falschlesungen bemerkt er<br />

meistens selbst und korrigiert sich selbst.<br />

In Klasse 4 ist Jens ein so sicherer Leser,<br />

dass er selbst mit schwierigen Wörtern, die<br />

n icht seinem aktiven Wo rtschatz ent sp rechen,<br />

problemlos zurechtkommt (Beispiele:<br />

Zylinder – Kopfbedeckung).<br />

Die beiden Beispiele von Isa und Jens stehen<br />

<strong>für</strong> zwei u nterschied lich v erlaufende<br />

L e rnentw icklungen. Bei der Längsschnitt -<br />

untersuchung der Leselern e n t w i c k l u n g<br />

Hamburger Grundschulkinder hat sich die<br />

These v ielfach bestätigt, dass Kinder m it<br />

einem aktiven Problemlöseverhalten wie Jens<br />

eine günstige Prognose haben in Bezug auf<br />

ihre weitere schulische Entwicklung, während<br />

Kinder wie Isa, die beim Leselernprozess über<br />

nur wenige Strat egien v erfügen (Laute<br />

gedehnt zusamm en ziehen u nd Ganzwo rtraten),<br />

voraussichtlich langsam Lern e n d e<br />

b leiben und längerfrist ig pro f e s s i o n e l l e<br />

Unterstützung benötigen.<br />

Zu Jens’ Förd e rung nach seinem sehr<br />

schwachen Leseergebnis in Klasse 2 seien<br />

einige Förderhinweise genannt, die auch in<br />

der Handreichung der HLP nachzulesen sind:<br />

Jens sollte sich aus einem Angebot von<br />

Büchern solche Texte heraussuchen können,<br />

die <strong>für</strong> ihn persönlich besonders interessant<br />

sind (Jens hat z.B. eine Vorliebe <strong>für</strong> Autos).<br />

Die Texte sollten kurz, einfach geschrieben<br />

u nd klar gegliedert sein sow ie m öglichst<br />

Bilder enthalten, um die Sinnentnahme zu<br />

erleichtern.<br />

Die Leseförd e rung sollte in mö glichst<br />

ruhiger Atmosphäre in einer Kleinstgruppe<br />

oder allein mit der Lehrerin, aber vorläufig<br />

nicht im Klassenverband stattfinden. So hätte<br />

Jens die Möglichkeit, bei schwierigen<br />

Textpassagen Hilfe anzufordern. Jeder Konkurrenzdruck<br />

beim Lesen ist zu vermeiden,<br />

damit Jens nicht in Hektik gerät.<br />

Zur Überwindung rein assoziativer Hypothesenbildungen<br />

sollte Jens bei schwierig zu<br />

erlesenden Wörtern den Inhalt des bisher<br />

G elesenen wied ergeben u nd Ve rm u t u n g e n<br />

über den Fortgang des Satzes bzw. der Geschichte<br />

äußern. Um die Aufstellung angem<br />

essener H ypo thesen zu ü ben, k ön nen<br />

Kinder in einer Kleingruppe auch regelmäßig<br />

beim Vorlesen einer Textpassage innehalten<br />

und von den Partnern Vermutungen über die<br />

F o rtsetzu ng anstellen lassen. Reizvoll sind<br />

au ch Texte m it t eilweise abgedeckten<br />

Wörtern, bei denen zuerst die Sinnerwartung<br />

geäußert und anschließend anhand der aufgeklappten<br />

Textstelle überprüft wird. Zum<br />

v o r l a g e g e t reuen Erlesen könn en eb enso<br />

schrift liche Hand lungsanw eisu ngen oder<br />

Rätsel motivieren, die allerdings ohne Zeitdruck<br />

bearbeitet werden sollten.<br />

Jens so llte üb en, bei längeren u nd<br />

schwierigen Wörtern, die er noch in mehreren<br />

Teilschritten erlesen muss, selbstständig<br />

kleinere Einheiten zu bilden.<br />

Lesen und Schreiben sollten auch im Förd<br />

e ru n t e richt stets m iteinander verbund en<br />

w e rden, au ch um d ie G eläufigkeit beim<br />

Zusam menschmelzen mehre rer Laute u nd<br />

beim Erfassen häu figer Buchstabenverbindungen<br />

zu erhöhen. So sollte Jens eigene kleine<br />

Sätze mit Bu chstaben- und/ oder Wo rt k a rt e n<br />

legen, seinen Entwurf lesend überp rüfen und<br />

anschließ end abschreiben. Dies wirkt auch<br />

gegen seinen impulsiven Arbeitsstil.<br />

Bei Kindern wie Isa muss von längerfristigen<br />

Problemen beim Lesenlernen ausgegangen<br />

werden. Der signifikante Unterschied zu<br />

Jens ist ihre mangelnde Anstre n g u n g sbereitschaft<br />

und somit vermutlich auch ihr<br />

mangelndes Selbstwertgefühl. Sie muss vor<br />

allem motiviert w erden, dass erst ens d as<br />

Lesen etwas <strong>für</strong> sie Bedeutsames sein kann<br />

und dass sie zweitens Hilfe anfordern kann<br />

und dass d er Erfo lg ganz sicher ist. Dazu kö nnten<br />

u.a. folgend e Angebot e h ilfreich sein:<br />

Das Ziel der Förderung ist es, Isa die Erfahrung<br />

zu vermitteln, dass sie selbst in der<br />

Lage ist, Phonem-Graphem-Beziehungen zu<br />

entschlüsseln und Bedeutung aus Schrift zu<br />

rekonstruieren. Da sie sich bisher noch vollständig<br />

auf andere verlässt, müssen die Übungen<br />

stets <strong>für</strong> Isa lösbar sein, damit sie selbstständig<br />

zum Erfolg kommen kann.<br />

Isa sollte zu folgenden schriftsprachlichen<br />

Übungen angeregt werden:<br />

• In ihrer Alltagsumgebung Schrift als<br />

Bedeutungsträger erforschen (z.B. Logographeme<br />

sammeln und entschlüsseln, einfache<br />

Wörter finden und lesen: Taxi, Post,<br />

Toto ...).<br />

• Wörter mit sehr einfacher Struktur, mit nur<br />

wenigen verschiedenen Buchstaben u n d<br />

möglichst eindeutiger Kontext bindung erlesen.<br />

(Beisp iele: Einfachste Heft e der<br />

„Regenbogen-Kiste“ mit Bild und nur einem<br />

Wort pro Seite, Spiele wie „Gezinktes<br />

Memory“ – auf eine Bildrückseite wird der<br />

Anfangsbuchstabe geschrieben - ,in denen<br />

der Sinnbezug eindeutig ist.<br />

• Su bstit utionsüb ungen m achen, u m die<br />

P h o n e m-G r a p h e m- Beziehungen zu klären<br />

(z.B. Mama – Lama, Maus – Laus, Hose<br />

– Dose – Rose).<br />

• Mit wenigen bekannten Buchstaben neue<br />

Wörter legen und lesen.<br />

• Kleinst e schriftliche Bot schaften o der<br />

Briefchen mit Klassenkameradinnen und<br />

-kameraden oder der Lehrerin tauschen.<br />

In Einzelsituatio nen sollte Isa viele<br />

(lustvolle) Leseerfahrungen machen:<br />

• Die Lehrerin liest vor, wobei Isa bei der


Bu chauswahl mit einb ezogen werd e n<br />

sollte.<br />

• Die Lehrerin liest sehr langsam vor, wobei<br />

Isa die Wörter mit den Augen verfolgen<br />

soll.<br />

• Die Lehrerin liest sehr leise und synchron<br />

mit Lisa – sie unterstützt nur und verstummt<br />

bei leichteren Wörtern.<br />

• Isa wird ermuntert, leichte und schon einmal<br />

geübte Textstellen auf Tonband zu<br />

lesen . Das anschließende Ab hören des<br />

Gelesenen soll Isa vom Wert des Übens<br />

überzeugen.<br />

• Sie sollte ein eigenes Tonband (mit ihrem<br />

Namen) erhalt en und so ihre Lesefortschritte<br />

selbst überprüfen und dokumentieren<br />

können.<br />

Empfehlenswert <strong>für</strong> Isa wäre auch das<br />

Material von Bernd Ganser (Hrsg.): „Damit<br />

hab ich es gelernt!” (Auer Verlag 2001). Das<br />

Buch enthält viele Kopiervorlagen und Anregungen<br />

zu den sich nach und nach aufbauenden<br />

Stufen des Schriftspracherwerbs und<br />

m o t i v i e rende Anregu ngen (oft in sp ielerischer<br />

Form) zu selbstständigem Handeln und<br />

zu P a rt n e r- und Gruppenspielen. Unter<br />

A n l e i t u n gder Lehrerin – aber auch selbstständig<br />

in einer Kleingruppe könnte Isa nach<br />

u nd nach zu den angebotenen Them enschwerpunkten<br />

arbeiten:<br />

• Lesen/Rechtschreiben: alphabetische Stufe<br />

• Rechtschreiben: orthografische Stufe<br />

• Rechtschreiben: morphematische Stufe<br />

• Lesen: orthografisch-morphematische<br />

Stufe<br />

• Rechtschreiben: wortübergr eifende Stufe<br />

• Lesen: Stufe der Sinnentnahme.<br />

Gerade <strong>für</strong> Kinder wie Isa mit Lese- und<br />

S c h reib schw ierigkeiten w urde das Pro j e k t<br />

„Wege zu Schrift und Kultur” entwickelt, bei<br />

dem über das Gestalten von Bildvorlagen<br />

( S c h re i b a n re g u n g e n ) hin zum schrift lichen<br />

Ve rfassen eigener Gedanken Schre i b b l o c k a d e n<br />

überwunden werden können. In den Anfängen<br />

könnte man bei Isa ältere Schülerinnen<br />

(oder die Lehrerin) als „Schreibhilfe” einsetzen,<br />

die Isas Gedanken zu Papier bringen.<br />

Nach und nach wird Isa in der Lage sein, selbst<br />

kleine Geschichten zu ihren Bildern zu<br />

schreiben und sie ihren Klassenkameraden<br />

vorzulesen. Dies ist ein vielfach erprobter<br />

Weg, emotionale Hemmschwellen zu überwinden<br />

und das Lesen und Schreiben als<br />

etwas <strong>für</strong> sich selbst emotional Wichtiges zu<br />

empfinden und zu erleben.<br />

(Hierzu: G. Rabkin: „Schreiben – Malen –<br />

Lesen”, „Der Engel fliegt zu einem Kind”,<br />

„D ie schö ne Hexe”, erschienen im Klett<br />

Verlag.)<br />

Die Hamburger Leseprobe erscheint im Eigenverlag und ist über die Autoren erhältlich:<br />

Dr. Peter May, Fax: 040 / 43 27 15 43, peter.may@li-hamburg.de, Internet: www.peter-may.de<br />

Helga Arntzen, Fax: 040 / 279 45 95, E-Mail: helga.arntzen@gmx.de


In den Beiträgen zum Sachunterricht und<br />

zum Mathematikunterricht wird übereinstimmend<br />

gefordert, dass die Kinder so früh wie<br />

möglich an das Lesen als Möglichkeit, Informationen<br />

kennen zu lernen und zu entnehmen,<br />

herangeführt werden.<br />

Die Kinder erhalten einen <strong>für</strong> sie interessanten<br />

Auftrag mit Aufforderungscharakter,<br />

dessen Lösung sie finden können, wenn sie<br />

einen dazu vorhandenen Text entschlüsseln<br />

und die darin „versteckten“ Angaben aufspüren.<br />

Dabei werden sie je nach der Aufgabenstellung<br />

und je nach Alter mit unterschiedlichen<br />

Formen des Decodierens konfrontiert.<br />

Von anfänglichen Bildsymbolen und deren<br />

Sinn geht es über das Deuten von Plänen und<br />

Skizzen weiter zu Lesekarteien und Bastelanleitungen<br />

b is hin zu fachgebu ndenen<br />

Texten mit Fachwört e rn, die m it unterschied<br />

lichen Lesestrategien (z.B. orientiere nd<br />

es Lesen, selektives Lesen) erschlossen werden.<br />

Hierbei gilt von Anfang an der Gru n dsat<br />

z, d ass Kin der selbst tätig w erd en, d ass<br />

s ie ihre Aufgabe al lein erlesen. Sich<br />

Lesehil fen bei Mit schülern o der der<br />

Lehrk raft zu ho len so ll nur eine nachrangige<br />

Möglichkeit sein.<br />

Die Anb ahnung der notwend igen Lesek<br />

o mpetenz der Kinder wird zusätzlich gestärkt<br />

durch eine l eseförd erliche Ausst<br />

attu ng der Schule, die zugleich Int ere s s e n<br />

der Kinder b erücksichtigt und weckt, sod ass<br />

die Erschließu ng unterschied licher Te x t e<br />

den Kindern zu m Bedürfnis w ird .<br />

Anschließ end lernen sie systematisch<br />

v ielfältige Te x t s o rt en kennen und bekom -<br />

men gezielte Strategien zur Ent sch lüsselung<br />

d er einzelnen Te x t f o rmen an d ie Hand .<br />

Wenn wir uns wegen der Pisa-Ergebnisse<br />

neu orientieren und die Leseförderung viel<br />

stärker und auch viel strukturierter auch im<br />

Unterricht dieser Fächer als unsere zentrale<br />

Aufgabe annehmen, so kann die Bedeutung<br />

d es Lesens und des Leseverst ehens sehr<br />

aufgewertet werden.<br />

Aber ist der oben aufgezeigte Weg wirklich<br />

so <strong>für</strong> alle Kinder gangbar?<br />

Überlegen wir uns do ch einmal, w elches<br />

Bild vom Kind diesem Konzept d er Leseförd<br />

e rung zugrunde liegt:<br />

• Es handelt sich um Kind er, die Tex te lesend<br />

e n t z i f e rn und sinnerfassend lesen können,<br />

eventu ell no ch nicht immer ohne<br />

•<br />

Schwierigkeiten.<br />

Es handelt sich um Kind er, die üb er eine<br />

gut ausgebildete Sprachfähigkeit in der<br />

Alltagsko mm un ikatio n u nd spät er in der<br />

Schriftsprache verfü gen, sod ass sie sich in<br />

Sacht ext e in d er Mathem at ik und im<br />

S a c h u n t e richt selbst st än dig einlesen kön -<br />

n e n .<br />

• Es handelt sich um Kinder, denen die<br />

Inhalt e der Texte entweder vertraut sind<br />

o d e r, falls sie neu sind, <strong>für</strong> die Kinder doch<br />

sinnvo ll in das bei ihnen vorh a n d e n e<br />

Wissen einzuordnen sind.<br />

• Es handelt sich u m Kind er, d ie zur Te x t e -r<br />

schließung hau ptsächlich in die in Te x t e n<br />

enthaltenen Fachbegriffe eingeführt werd e n<br />

und nur die sachgerechte Ve rwendu ng der<br />

F a c h w ö ter r einüben müssen.<br />

• Es handelt sich schließ lich u m Kinder, d ie<br />

I n t e resse <strong>für</strong> d ie Menschen und die Dinge<br />

in ihrer Umwelt und ihre Zusamm<br />

enhänge untereinander zeigen u nd sich<br />

w e i t e re Inform ation en dazu lesend ero<br />

b e rn m öcht en.<br />

K u rzum: Es han delt sich um Kind er, dere n<br />

Muttersprache Deutsch ist und die im<br />

N o rmalfall die notwen dige altersgemäße<br />

Sprach- und Sachkom pet enz in dieser Sprache<br />

b e s i t z e n .<br />

Deshalb bezieht sich die Aufgabe der<br />

Lehrkräfte hauptsächlich auf die Ve rm i t t l u n g<br />

der fach lichen Inhalte und nur in dem M a ß e<br />

auf die sp rachlichen Inhalte, d ie ü ber die<br />

altersangemessene Sprache hinausgehen, wie<br />

dies eben meistens <strong>für</strong> den Fachw ort s c h a t z<br />

od er d ie Fach sprache (mit ungewohnt en Satzs<br />

t ru k t u ren, wie z.B. kompliziert en Passivk<br />

o n s t ruktionen) gilt.<br />

In u nseren Schulen hat jedo ch jedes<br />

drit te Kind ein en Migratio nshinterg ru n d .<br />

Das bedeutet, es wächst eventuell nicht o der<br />

nicht nur m it der d eutschen Sprache auf.<br />

Wenn es das d och tu t, so kann das tro t z d e m<br />

bedeuten, d ass es die deutsche Sprache in<br />

einer and eren Weise b eherrscht als die einsprachig<br />

d eut sch aufwachsenden deutsch en<br />

K i n d e r.


• Es handelt sich um Kinder, die Texte lesend<br />

entziffern und gut, teilweise oder gar nicht<br />

sinnerfassend lesen können.<br />

• Es handelt sich um Kinder, die über eine<br />

sehr unterschiedlich ausgeprägte Sprachfähigkeit<br />

in der Alltagskommunikation verfügen.<br />

Ihr Verhältnis zur Schriftsprache ist<br />

eventuell noch gar nicht angelegt worden<br />

oder ist gering, sodass sie sich in Sachtexte<br />

in der Mathematik und im Sachunterricht<br />

nicht unb ed ingt selbstständig einlesen<br />

können, selb st w enn sie daran gro ß e s<br />

Interesse haben.<br />

• Es hand elt sich u m Kinder, d enen die<br />

Inhalte der Texte nicht vertraut sind oder<br />

die sie nur mit Zusatzinformationen sinnvoll<br />

in das bei ihnen vorhandene Wissen<br />

einordnen können.<br />

• Es handelt sich um Kinder, die zur Texterschließung<br />

zusätzlich in die in Texten<br />

enthaltenen Fachbegriffe eingeführt werden<br />

und außerdem die sachgerechte Verwendung<br />

der Fachwörter einüben müssen.<br />

• Es handelt sich um Kinder, die Interesse <strong>für</strong><br />

die Menschen und die Dinge in ihre r<br />

Umwelt und ihre Zusammenhänge zeigen<br />

und sich weitere Informationen dazu lesend<br />

erobern möchten. Das Verhalten der<br />

Menschen in ihrer persönlichen Umwelt<br />

kann sich jedoch erheblich unterscheiden<br />

von dem der Menschen, die in deutschsprachigen<br />

Texten präsentiert werd e n .<br />

Au ch kö nnen D inge vork ommen, mit<br />

denen diese Kinder noch wenig in Kontakt<br />

gekommen sind. Um die richtigen Zusammenhänge<br />

herausfinden zu k önnen,<br />

brauchen sie die informierende Begleitung<br />

durch die Lehrkraft.<br />

Kurzum: Es handelt sich um Kinder, deren<br />

Lesefähigkeit genauso ausgebildet ist wie die<br />

i h rer deutschen Mitschüler, d eren Sprach -<br />

kom petenz aber in unterschied licher We i s e<br />

and ers au sgebildet sein kann u nd dere n<br />

Sachkompetenz gleichfalls anders ausgerichtet<br />

sein kann und nicht unbedingt geprägt ist vo n<br />

der d eutschsprachigen Umwelt.<br />

Bei diesen Kindern sind Lesenkö nnen<br />

u nd Leseverstehen zwei unt erschiedliche<br />

B e reiche. Lesenkö nnen ist erst einmal d er<br />

L e s e p rozess u nd schließt nicht automatisch<br />

d en Ve r s t e h e n s p ro zess m it ein. Die<br />

Annah me d er Lehrkräfte, dass ein Kind nach<br />

ab geschlo ssenem Leselern p rozess und<br />

etlicher Übu ng auch gu t verstehen kann,<br />

was es gut lesen od er vo rlesen kann, hat <strong>für</strong><br />

zweisprachig au fw achsende Kind er keine<br />

allgem eine Gü lt igkeit und ist ind ividuell zu<br />

überprüfen.<br />

Die Aufgab e der Lehrkraft, die Kinder mit<br />

einer anderen Erstsprache als Deutsch<br />

u n t e rricht et , ist also zwingend viel kom -<br />

pl ex er als bei einsprachig d eu t sch Aufwachsenden.<br />

Sie besteht immer in einer<br />

sprachli chen, fachsprachl ichen und<br />

inhalt lich-sachlichen Hinführung zum<br />

Lesethema als Vorausset zung <strong>für</strong> di e<br />

Ent wi ck lung v on Leseko m petenz in der<br />

Zweitsp rache Deutsch.<br />

W ä h rend im D eutschu nterricht d ie<br />

s p r a c h liche u nd die inhalt liche Ebene im<br />

Mitt elpun kt der Auseinanderset zu ng mit<br />

dem Text <strong>für</strong> alle Kind er gleichermaßen als<br />

Arbeitsauftrag steh en, auch wenn dabei die<br />

a n d e r s a rt igen Vorbedingu ngen der Kind er<br />

mit einer anderen Erstsprache als Deutsch<br />

n icht vorrangig gesehen werden, so ist bis<br />

jet zt der U nterricht in d en an deren Fäch ern<br />

hauptsächlich abgest imm t au f die Sache<br />

und auf n eu e fachg eprägte sprachli che<br />

A u s d rucksweisen . Er m üsste in zunehmendem<br />

Maße die gesam te verwendete Sprache<br />

der Texte in den Blick nehmen u nd dere n<br />

k u l t u relle Sachinform at io nen deut lich<br />

mach en, d amit Kinder, deren Erstsprache<br />

nicht D eutsch ist , nicht nur lesen , sond ern<br />

auch zum Leseverstehen komm en könn en.<br />

Die von der Lehrkraft ausgeh end e Sprachs<br />

t ru k t u r i e rungs- und Informatio nsarb eit wird<br />

ab er nur auf d as eingeh en können, von dem<br />

sie auf Grund ihres eigen en Wissens annimm<br />

t, dass Kinder mit einer and eren Erstsprache<br />

als Deutsch Hilfe brauchen. D a diese<br />

Kinder in ihren Sprach- und Sacherf a h ru ngen<br />

als ein e sehr heterogene Gru pp e anzu sehen<br />

sind, wird es der Lehrkraft schwerlich<br />

gelingen, alle Bedürfnisse der Kinder zu<br />

erkennen und auf sie einzugehen.<br />

Deshalb ist es besonders <strong>für</strong> diese Kinder<br />

wichtig, Strategien zu erlernen und zu benutzen,<br />

mit denen sie sich selbst und der Lehrkraft<br />

gezielt signalisieren kö nnen, wo ihr Leseverstehen<br />

eine Hürde nicht nehmen kann. Der<br />

Umgang mit so lchen Erschließungsstrategien<br />

ergibt sich nicht einfach durch das Tun, sondern<br />

muss sorgfältig eingeführt und eingeübt<br />

werden, damit er <strong>für</strong> die Kinder zur Selbstverständlichkeit<br />

wird. Sie lernen, ihre eigenen<br />

Leseverstehensprobleme zu erkennen, wählen<br />

passende Lesestrategien aus und wenden sie<br />

sinngemäß an. Schon bevor der Leselernprozess<br />

einsetzt, kann die Lehrkraft durch<br />

Vorlesen vo n Tex ten gemeinsam mit d en<br />

K i n d e rn Texterschließ ung mit Strateg ien<br />

betreiben.


So planvoll an einen Text heranzu gehen,<br />

e rgibt jed och nur einen Sinn, wenn d ie<br />

Kinder gleichzeitig lernen, Fragen zu stellen,<br />

dort nachzufragen, wo sie bei der Arbeit feststellen<br />

müssen, dass sie etwas nicht oder<br />

nicht sicher wissen. Fragen will auch gelernt<br />

und geübt werden und kann nicht als selbstverständlich<br />

vorausgesetzt werden. Es fällt<br />

vielen Kindern schwer, Unsicherheiten oder<br />

Nichtwissen zu artikulieren.<br />

• Das Fragen kann am meisten fru chten, wenn<br />

die Lehrkraft d en Kindern zu verstehen gibt,<br />

dass sie d en We rt des Fragens sehr h och einschätzt.<br />

• Auf alle Fragen der Kinder zum Text wird<br />

s o rgfältig eingegangen.<br />

• Der Lehrkraft ist bewu sst , dass die Kinder<br />

nicht immer genau wissen, was sie sicher wissen<br />

und was sie nicht wissen, wo sie also fragen<br />

sollten.<br />

• Bei schwer zu verstehenden Fragen versucht<br />

die Lehrkraft herauszufinden, worum es geht,<br />

um eine passende Antwort geben zu können.<br />

• Alle Fragen zum Text werden als berechtigt<br />

angesehen, auch wenn sie schon in anderer<br />

sprachlicher Form gestellt und beantwortet<br />

wurden.<br />

• Sprachliche Entdeckungen mit Nachfragen<br />

w e rden von der Lehrkraft b ewusst zur<br />

Kenntnis genommen und kommentiert.<br />

• Fragen zu Wort- und Satzbedeutungen werden<br />

ausführlich besprochen und eventuell<br />

mit Beispielen und Übungen verdeutlicht.<br />

Das Prinzip des selbst entdeckenden und<br />

selbstst än digen Arbeiten s w ird durch das<br />

Prinzip des Nachfragens nicht aufgehoben,<br />

denn gezielte Fragestellungen erf o rd e rn<br />

selbstständiges Durchdenken eines Problems<br />

und zeigen das eigenständige Arbeiten einer<br />

Zweitsprachlerin oder eines Zweitsprachlers<br />

an ihrem oder seinem Leseverstehensprozess.<br />

Schon durch die Art der Textpräsentation<br />

kann die Lehrkraft viel zur Textentlastung<br />

beitragen. Einige solcher Strategien seien hier<br />

genannt:<br />

• Klein geschriebene Text e kön nen verg r ö ß e tr<br />

und in deutlich gegliederte Abschnitt e<br />

eingeteilt werden.<br />

• Die einzelnen Textreihen werden beziffert.<br />

• Schlüsselwörter aus dem Text werden, als<br />

Poster gestaltet, zum Text hinzugefügt.<br />

• Das Fachvokabular wird durch Fettdruck<br />

oder Unterstreichung herausgehoben.<br />

• Fragen, die die Textproblematik erhellen,<br />

werden mit dem Text ausgegeben.<br />

• Texte werden zuerst in einer vereinfachten<br />

F o rm gelesen und anschließend in der<br />

Originalform bearbeitet.<br />

• Texte werden mit Bildmaterialien versehen,<br />

sofern sie keines enthalten.<br />

• Texte werden vorgelesen, bevor die Kinder<br />

selbst lesen.<br />

• Texte werden von den Kindern gelesen und<br />

dann den Kindern vorgelesen.<br />

Kind er m it einer anderen Erstsprache als<br />

Deut sch lesen genauso gu t und gern wie<br />

i h re deut schen Mits chül erinnen u nd -<br />

s c h ü l e r, wenn ihre Sprach- und Sachkomp<br />

et enz ihnen das sinnerfassende Lesen<br />

e rmöglicht. Lesen o hne die anschließende<br />

Möglichkeit der Sinnentnahme aber demot<br />

i v i e rt nachhalt ig. Wenn zw eisprachige<br />

Kind er m erken, d ass sie v erstehen, woru m<br />

es geht, u nt ernehmen sie auch bere i t w i l l i g<br />

A n s t reng ungen. Di e Leseau fgab e kann<br />

a n s p ruchsvoll sein. Die Kinder st ellen sich<br />

i h r, solange sie das Gefühl haben , dass sie<br />

e r l e rnen kö nnen, was sie <strong>für</strong> d ie Aufgabe<br />

brauchen. Wenn Kinder ab er zu d er<br />

Ü b e rzeugun g ko mm en, d ass es an ihnen<br />

liegt , dass sie zu dumm sind, dann hab en<br />

wir sie als Leser verlore n !<br />

Inge Büchner / Heiko<br />

Balhorn. 2003.<br />

„Textverständnis ist schwer<br />

zu haben.“ In: <strong>Grundschule</strong><br />

Sprachen 09, „Sache und<br />

Sprache“, Kallmeyer.<br />

Richard Meier. 2003. „Die<br />

Sache (auch) durch die<br />

Texte erschließen.“ Ebenda.<br />

Helga Meier / Michaela<br />

Hein. 2003. „Sachtexte<br />

gezielt nutzen.“ Ebenda.


(DaZ = Deutsch als<br />

Zweitsprache):<br />

Die Inhalte, <strong>für</strong> die man das<br />

Interesse der Kinder<br />

erwartet, müssen <strong>für</strong> Kinder<br />

mit einer anderen<br />

Erstsprache als Deutsch ver -<br />

ständlich sein, sonst können<br />

sie ihr Interesse gar nicht<br />

zeigen. Es kann aber auch<br />

wegen der unterschiedlichen<br />

kulturellen Lebensumstände<br />

vorkommen, dass DaZ-<br />

Kinder an anderen Dingen<br />

interessiert sind, als die<br />

deutsche Schule es von ihnen<br />

erwartet (s. Kap. 1.2).<br />

Es ist das Anliegen dieses Beitrages, auf<br />

Unterrichtsbeispiele hinzuweisen, die gleichzeitig<br />

zum informativen Lesen anregen, die<br />

Schülerinnen und Schüler über einen relativ<br />

langen Zeitraum so konsequent und kontinuierlich<br />

im Gespräch über Gelesenes fesseln<br />

und die zur Auseinandersetzung mit<br />

einer Problemstellung aus der Mathematik<br />

anregen.<br />

Eingefügt sind kritische Anmerkungen<br />

von M. Grell, die aus der Sicht der Expertin<br />

<strong>für</strong> Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Lernh<br />

ü rden im Prozess der Entw icklun g d er<br />

Leseko mp etenz im Mathematiku nt err i c h t<br />

exemplarisch aufdeckt.<br />

Die d ort angegebenen Ziff e rn verw e i s e n<br />

au f die angesprochene Them atik in den<br />

Kapit eln d ieses Beitrags, sodass ein schn elles<br />

N achlesen m öglich ist.<br />

I n f o rmatives Lesen lernen Schü lerinnen<br />

und Schüler am besten durch Übungsformen<br />

zum<br />

• „orientierenden“ Lesen, um sich über den<br />

S a c h v e rhalt einen Überblick zu versch aff e n ,<br />

• genauen Lesen, um Beziehungen zwischen<br />

Textaussagen herzustellen,<br />

• selektiven Lesen, um <strong>für</strong> die Pro b l e mlösung<br />

die wesentlichen Inform a t i o n e n<br />

herauszupicken,<br />

• krit ischen Lesen, u m t ext immanente<br />

Widersprüche, aber auch solche zwischen<br />

Textaussage und eigener Erfahrung zu entdecken,<br />

• p roduktiven Lesen, u m mit den Informationen<br />

zu operieren,<br />

• „ w o rterschließ enden“ Lesen (Kleinschmidt),<br />

um z.B. die Bedeutung von Fachbegriffen<br />

zu entschlüsseln,<br />

• rückversichernden Lesen, um sich eines<br />

neu en Sachverhalt s zu verg e w i s s e rn<br />

(Erichson 1993, S. 18, Schipper 2000,<br />

S. 195).<br />

L e h rerinnen u nd Lehrer sollten auch<br />

ungewöhnliche Wege nutzen, um Kommunikat<br />

ion und Interakt ion im Mathem at iku<br />

n t e richt anzuregen. Es muss nicht eine<br />

umfassende Erzählung oder eine Ganzschrift<br />

sein, die zur Auseinandersetzung mit mathem<br />

atischen Prob lemen einlädt. Au ch eine<br />

k u rze Episode aus einer G eschichte, eine<br />

Lesekartei, eine Bastel- oder Bauanleitung o.Ä.<br />

können Sinn stiftende Leseanregungen sein,<br />

die zum Mathematisieren auffordern.<br />

Im Rahmenplan Mathematik ist gefordert,<br />

die Lesekom petenz der Schülerinnen u nd<br />

Schüler zu fö rd e rn u nd zu ford e rn u nd<br />

Leseanlässe zu gestalten.<br />

In der Einbindung von Au fgabenstellung<br />

en zur Lesekom petenz im Mathem<br />

a t i k u n t e richt verbirgt sich jedo ch d ie<br />

G e f a h r, m athematische Inhalt e zu vers<br />

c h l e i e rn. N eben der Thematisierun g von<br />

bewusstem Textumgang ist unbedingt darauf<br />

zu achten, dass der eigentliche mathematische<br />

Gehalt nicht verloren geht. Lehrerinnen<br />

und Lehrer sollten Möglichkeiten im Umgang<br />

mit Texten im Mathematikunterricht erkunden,<br />

sie m it Bedacht nutzen und ihre n<br />

Einfluss auf die Pro zesse innerhalb d es<br />

Unterrichts geltend machen.<br />

In vielen Mathematik-Lernbüchern <strong>für</strong> die<br />

<strong>Grundschule</strong> gibt es eine Fülle von substanzlosen<br />

Aufgaben, bei denen sich Kinder nach<br />

dem Erlesen des Textes fragen: „Was gibt es<br />

hier zu rechnen? Verstehe ich nicht!“ Eine<br />

Aufforderung zum erneuten, genauen Lesen<br />

hilft hier nicht. Die Kinder reagieren mit<br />

Orientierungslosigkeit. Will man Kinder anregen,<br />

etwas zu durchschauen, zu begreifen,<br />

muss man ihnen Inhalte anbieten, die ihr<br />

Interesse wecken.<br />

Es mü ssen Schülerinnen und Schü lern<br />

Aufgaben angeboten werden, in denen es<br />

nach dem Erlesen <strong>für</strong> sie (nicht <strong>für</strong> d en<br />

Mathematikunterricht) etwas zu berechnen<br />

gibt.<br />

Aufgaben zum Entdecken, Argumentieren<br />

und Begründen sind in vielen Unterrichtswerk<br />

en bisher in deutlich g eringer Zahl<br />

vertreten. Häufig handelt es sich bei den<br />

Sachaufgaben überwiegend um eingekleidete<br />

Aufgaben. Die Aufgabeninformationen sind<br />

in Bild- o der Te x t f o rm dargest ellt, sodass<br />

g e n e rell eine mathematische Mo dellieru n g<br />

auf der Basis einer textlich und/oder bildlich<br />

d a rgestellt en Situ ation zu leist en ist . Das<br />

Bearbeiten erfor dert von Schülerinnen und<br />

S c h ü l e rn bestimm te Kom petenzen: Einsatz<br />

von Faktenwissen, einfache mathematische<br />

B e g r i ffe, Fertigkeiten, St andard v e rf a h re n ,<br />

Zu sammenfügen m ehre rer bekannt er re c h-


nerischer oder begrifflicher Lösungsschritte<br />

o der Lösungselement e zu einer Gesamt -<br />

lösung; schöpferisches Denken zur Überwindu<br />

ng v on Barr i e ren b ei pro b l e m h a f t e n<br />

Aufgaben.<br />

Das „Anwen den“ von Mathematik au f<br />

a u ß e rmathematische Situationen so ll n icht<br />

auf das Lösen einfacher Rechenaufgaben<br />

b eschränkt werden. Ein allgemein bildender<br />

M a t h e m a t i k u n t e richt r mu ss au f die Entw<br />

icklu ng d er Mod ellierungsfähigkeit von<br />

Sch ülerin nen und Schülern ausgericht et sein.<br />

Zu verfolgen ist ein Bünd el kom plexer ko gnit<br />

iver Pro zesse, in dem etwa aus der gegebenen<br />

textlichen Präsentation d er Situ ation zunächst<br />

ein Verständnis der Sachsituation gew onn en<br />

u nd die zu grunde liegend e Sachstruktur b zw.<br />

ein Realmodell herausgeschält werden kann<br />

( W inter 1 995). In der Phase des Mathem<br />

a t i s i e ens r wird d ie Sachstruktur dann in die<br />

Sprache der Mathemat ik üb ersetzt.<br />

H i e r<strong>für</strong> erweisen sich Aufgaben mit authent<br />

ischen Informationen als besonders geeignet,<br />

die Inform ationen kritisch zu hinterf r a g e n<br />

u nd die Daten rechnerisch zu überprüfen:<br />

Zeitu ngsausschnitte, Quittungen , Kalen derb<br />

l ä t t e r, Tabellen, Au sschnitte au s d em<br />

G uiness-Buch der Rekorde, Sachtexte u .v. m .<br />

D ie Geschicht e der HEXE ZENTIMO SIA<br />

(Simone Reinhold), ein Leseanlass in einem<br />

zweiten Schuljahr als fächerverbindender<br />

Beitrag zur Au seinand ersetzung m it dem<br />

mathematischen Thema „Längen und<br />

Längenmessung“, lädt ein zu einer handlungsorientierten<br />

Unterrichtseinheit mit dem<br />

Ziel d er gemeinsamen Entdeckung der<br />

normierten Maßeinheiten. Die mathematischen<br />

Aufgabenstellungen (Lesen – Problem –<br />

Handeln – Reflexion), die sich im Leseprozess<br />

stellten, sind hier beispielhaft vorgestellt:<br />

Abb. 1: Zwei Messergebnisse der Kinder.<br />

Wer hat richtig gemessen?<br />

Authentische Inhalte sind nur<br />

gut zu verwenden, wenn sie<br />

sich <strong>für</strong> alle Kinder als<br />

„authentisch“ erweisen und<br />

auch von allen verstanden wer -<br />

den können (s. Kap. 1.2).<br />

Lehrerinnen und Lehrer sind<br />

aufgefor dert, „sinnleere“<br />

Sachaufgaben aus Schul -<br />

büchern so zu verändern, dass<br />

daraus „sinnvolle“ Aufgaben<br />

entstehen, die Kinder zum<br />

Lesen anregen und über deren<br />

Sachverhalt Kinder sprechen<br />

möchten.


Schon die Überschrift des Te x t e s<br />

weist auf seine „Schwierigkeit“<br />

hin. Das Verb „brodeln“ hat<br />

eine Wo rtbedeutung, die auch<br />

<strong>für</strong> einsprachig aufwachsende<br />

Kinder nicht bekannt sein m uss.<br />

Die Geschichte ist dann auch in<br />

einer gehobenen Schriftsprache<br />

v e rfasst, die mit dem Gebrauch<br />

des Präteritum s, der Ve rw e ndung<br />

von Satzgefügen mit wech -<br />

selnden Konjunktionen, mit<br />

Adjektiven, die gleichz eitig auch<br />

adverbial benutzt werden, und<br />

m it Fragewört e rn und Frage -<br />

sätzen einen sehr hohen sprach -<br />

lichen Schw ierigk eitsgrad<br />

a u f w e i s Hinzu t . kommt der<br />

Inhalt, der eindeutig kulture l l<br />

gebunden ist mit seiner<br />

positiven Darstellung des<br />

Z a u b e rwesens „Hexe“<br />

(s. Kap. 2, 3, 4).<br />

Gerade Witze und Cart o o n s<br />

haben eine hohe Bindung an<br />

den Kulturkreis, in dem sie ver -<br />

b reitet werden. Figuren, die in<br />

der deutschsprachigen<br />

Lebenswelt wie selbstver -<br />

ständlich in Äußerungen einbe -<br />

zogen werden, haben keine<br />

Bedeutung <strong>für</strong> Menschen in<br />

a n d e ren kulturellen Umfeldern .<br />

Daher sind <strong>für</strong> sie Texte mit<br />

diesen Figuren „nur an der<br />

O b e rfläche“ decodierbar. Die<br />

Funktion der Figuren muss ein -<br />

deutig verständlich gemacht<br />

w e rden, weil sonst kein Lesever -<br />

stehen einsetzen kann, das aber<br />

<strong>für</strong> die Lösung der mathematischen<br />

Aufgabe von Bedeutung<br />

sein könnte. Auch beim<br />

Janosch-Rechenbuch sind „die<br />

v e rtrauten Figuren“ gar nicht<br />

allen Kindern bekannt,<br />

geschweige denn vertraut<br />

(s. Kap. 1.2).<br />

Aus: Reinhold, Simone: „Geschichten als<br />

Ko mmunikationsanlass im Mathem at iku<br />

n t e richt.“ In: Praxis Grun dschu le,<br />

Heft 2/ 2002, S. 26-30.<br />

Ein unerschöpfliches Repertoire an authentischen<br />

Schnappschüssen (Wa h r- N e h m u n g<br />

vo n Informat ionen m it m athem at ischem<br />

Geh alt aus allen Intere s s e n s b e reichen d er<br />

Kinder) findet sich in d er Sachlit eratur.<br />

Besonders geeignet zur St eigerung der<br />

Lesemotivation sind u.a. Witze und Cartoons.<br />

„Oh, wie schön ist Panam a“, von Janosch<br />

umgewandelt in eine Rechengeschichte, regt zu<br />

L e s e b e eit r schaft und zu Rechenleistung durc h<br />

die Handlungen vertrauter Figuren (Ti g e re n t e ,<br />

Tiger und Bär) an. Die Einbeziehung bekannter<br />

und lieb gewordener Figuren u nd die veränd<br />

e rte Te x t s t urktur (wörtliche Rede, Erzählstil ...)<br />

regen zum Lesen an . Durch die Einbindung<br />

mathemat ischer Probleme und durch Bilder<br />

zum Text wird das Textverständnis erleichtert ,<br />

und d ie Kinder werden zu m Lösen der mathematisch<br />

en Probleme m otiviert .<br />

Franke, M.: „Mit Janosch besser rechnen.“<br />

In: G ru n d s c h u l u n t e richt H eft 10/ 2002 ,<br />

Material 1-6.


Am Ende der Grundschulzeit sollten die<br />

Textaufgaben, die sich in einem Rechenschritt<br />

lö sen lassen, werden von den meisten<br />

K i n d e rn bewältigt . Zusam mengeset zte Te x t-<br />

Schülerinn en und Schüler in der Lage sein, in au fgaben erf o rd e rn jedoch mehre re vern e t z t e<br />

Alltagssituationen mathematische Asp ekte und und aufeinand er aufb au end e Rechnungen.<br />

Beziehungen zu erken nen und d urch Zahlen Viele Kinder fühlen sich von d er Komplexit ät<br />

und Maße auszudrücken . Ihre Sachre c h e n- solcher Aufgaben überf o rd e rt. Sie haben die<br />

fähigkeiten und ihre <strong>Lesekompetenz</strong> beziehen E rf a h run g gemacht , dass sich jede Au fgabe<br />

sich d abei nicht nur auf reine Te x t a u f g a b e n , lösen lässt. Zahlen werte werden manchmal<br />

sondern auch auf die Interpretation von gemäß dem Unterrichtsschwerpu nkt zusam-<br />

Diagrammen, Schaubildern u nd Ta b e l l e n . menhanglos mit einand er verrechnet, ohne<br />

Verschiedene Bearbeitun gshilfen, z.B. Fragen i h ren Bedeutungsgehalt zu prüfen.<br />

stellen, Textstellen unterstreichen, Skizzen Folgende Beobachtungskriterien sollten die<br />

a n f e tigen r sowie geeign et e Dars t e l l u n g s m f o e rn<br />

L e h rerinnen und Lehrer berü cksicht igen,<br />

zur Präsentation von Lösungswegen sollt en bevor sie diff e re n z i e rende Maß nahm en<br />

bekannt sein.<br />

ergreifen:<br />

(in Anlehnung an Radatz u.a. Handbuch <strong>für</strong><br />

den Mathematikunterricht 3. und 4. Schuljahr,<br />

Kapitel 4: „Sachrechnen und Größen“,<br />

Schroedel 1999)<br />

D ie folgenden Bearbeitungshilfen wurd e n<br />

favorisiert, weil sie die Phase des Verstehens<br />

von Sachsituat ionen o der Sacht ext en in<br />

b e s o n d e rem Maße u nterstü tzen. D ie Anforderungen<br />

bei der Arbeit mit Sachaufgaben<br />

steigen im Laufe der Grundschulzeit.<br />

Der Schwierigkeitsgrad im Erfassen des zu<br />

lösenden Problems erhöht sich zum einen<br />

durch ein erhöhtes Niveau der sprachlichen<br />

Mittel in den Formulierungen (Steigerung des<br />

Schwierigkeit sgrad es d urch sprachliche<br />

Gestaltung), zum anderen durch die <strong>für</strong> das<br />

Lösen des Problems komplexer werdenden<br />

mathematischen Mittel bzw. Rechenschritte<br />

(Steigerung des Schwierigkeitsgrades in der<br />

mathematischen Struktur).<br />

„ E rzähle den Inhalt m it eigenen Wo rt e n .<br />

Begleit e die Erzählun g m it Handlung oder fertige<br />

eine Skizze oder Tabelle zur Handlung an.“<br />

Es ist sinnvoll, den Kindern Gelegenheit zu<br />

biet en, einen Sachverhalt aus ihre m<br />

Verst ändnis heraus neu zu form u l i e re n .<br />

Mögliche fehlgedeut ete oder nicht verstand<br />

ene Begriffe/ Sprachelement e werd e n<br />

d eutlich und kö nnen <strong>für</strong> den sich anschließ<br />

end en Mathematisieru n g s p rozess erl<br />

ä u t e rt werden. H inzu kommt , dass verschiedene<br />

Lernstände der Schülerinnen und<br />

Schüler fordern, Lerninhalte auf verschiedenen<br />

Repräsentationsebenen zu durchdringen.<br />

Die Verknü pfung von Text , Sprache und<br />

Handlu ng veranschaulicht besond ers <strong>für</strong><br />

schwache Schüler den Sachverhalt.<br />

Diese Übungsform dient dazu, sich einen<br />

Überblick über die dargestellte Situation zu<br />

verschaffen. Es gilt, Textstellen als Belege zu<br />

Die angegebenen<br />

Bearbeitungshilfen müssten die<br />

Kinder, insbesondere die DaZ-<br />

Kinder, durch die<br />

Mathematiklehrkraft im han -<br />

delnden Umgang, also auf dem<br />

Weg zur Lösung der Aufgabe<br />

kennen lernen und einüben.<br />

Nur die Fachkraft kann<br />

entscheiden, was ein Kind an<br />

Strategien <strong>für</strong> die fachliche<br />

Lösung braucht. Die Fachkraft<br />

muss aber zusätzlich die<br />

notwendigen sprachlich orien -<br />

tierten Strategien in den<br />

Unterricht einbringen, denn nur<br />

ein Zusammenwirken von<br />

Sache und Sprache kann die<br />

erforderliche <strong>Lesekompetenz</strong><br />

aufbauen (s. Kap. 3, 4, 5).<br />

Bei Kindern mit einer anderen<br />

Erstsprache als Deutsch sollte<br />

das Kriterium: „Versteht er/sie<br />

den Text nicht?“ ausgeweitet<br />

werden um die Aspekte: wegen<br />

noch fehlender Sprach -<br />

kompetenz im<br />

Wortschatzbereich / im<br />

Strukturbereich, wegen anderer<br />

kultureller Sichtweise, damit<br />

gezielt ausgeschlossen werden<br />

kann, dass hier eventuelle<br />

Störungen <strong>für</strong> mathematisches<br />

Nichtkönnen vorliegen<br />

(s. Kap. 4, 6).


Wie sehr „unscheinbare<br />

Wörter“: „bereits“, „schon“,<br />

„noch“, „gerade“ einen<br />

Bedeutungswechsel in<br />

Aussagen hervorrufen, ist<br />

besonders in Fachtexten<br />

gravierend. Wenn nun mehr<br />

Sprache in den Mathematik -<br />

unterricht einbezogen wird,<br />

muss die Sprache von den<br />

Fachkräften auch mehr<br />

beachtet werden.<br />

Spracharbeit kann geleistet<br />

werden, indem die Klärung<br />

von Wort- und<br />

Satzbedeutungen eine zen -<br />

trale Rolle neben den mathe -<br />

matischen Lösungswegen<br />

erhält (s. Kap. 3, 4, 5).<br />

finden, um die Fakten in den Mittelpunkt zu<br />

rü-cken. Textstellen, bei denen es um die <strong>für</strong><br />

die rechnerische Lösung relevanten Aspekte<br />

geht, werden hier nicht behandelt<br />

D u rch das b ewusste Ve r ä n d e rn vo n<br />

Sachaufgaben wird verdeut licht, welche<br />

Angaben wesentlich sind <strong>für</strong> die Problemstellung.<br />

Variation der Sachaufgaben nach<br />

Gesichtspunkten:<br />

• Zahlen, Maßzahlen ändern;<br />

• Personen, Gegenstände ändern;<br />

• G r ö ß e n a rten ändern, Sachsituation belassen;<br />

• S a c h v e rhalt änd ern, ab er d ie form a l e<br />

Struktur beibehalten;<br />

• Operative Umkehrung durchführen;<br />

• „Ausschmückung der Sach aufgabe und<br />

umgekehrt Verkürzen“ des Aufgabentextes<br />

(Wagemann 1991, S. 203).<br />

Karten mit Elementen einer Sachaufgabe:<br />

Obwohl viele Komponenten ausgetauscht<br />

werden könnten, bleibt die Rechenart erhalten.<br />

Es soll deutlich werd en, d ass einige<br />

Angaben <strong>für</strong> den Lösungsweg unbedeutend<br />

sind. Wesentlich ist, dass bei allen Angaben<br />

zu einer v orhand enen Menge etw as<br />

hinzukommt.<br />

Den Schülerinnen und Schülern werden<br />

bereits fertige Lösungswege vorgegeben. Diese<br />

sollen sie miteinander vergleichen und in<br />

einer „Strategiekonferenz“ besondere Merkmale<br />

herausstellen.<br />

• Ähnliche Lösungswege<br />

• Fehleranfällige Lösungswege<br />

• Vorteilhafte Lösungswege<br />

• Kurze/lange Lösungswege<br />

• Richtige/falsche Lösungswege


Es sollen Textstellen als Belege gefunden und<br />

auf das Wesentliche reduziert werden, um die<br />

rechnerische Lösung anzubahnen.<br />

Lies die beiden Sachau fgaben genau.<br />

Vergleiche anhand der Unterstreichungen die<br />

Interessen der beiden Jungen. Durch welche<br />

U n t e r s t reichungen w ird eine re c h n e r i s c h e<br />

Lösung vorbereitet?<br />

Die Schülerinnen und Schüler erfahren,<br />

dass die Selektion von wichtigen Textteilen<br />

abhängig ist von der damit verbunden en<br />

Intention: Wenn eine rechnerische Lösung<br />

des Prob lems an gestreb t ist, sind andere<br />

Komponenten wichtiger als wenn die Ferienerlebnisse<br />

zusammengetragen werden sollen.


Das Beziehungsgeflecht von Daten kann<br />

b eso nders gut in Form von Lück ent exten<br />

angebot en werden. Es m uss durch genau es<br />

Lesen herausgefu nden werden, wie die Lücken<br />

sinnvo ll ausgefü llt werden können. Es m uss<br />

vom Kontex t auf die Daten geschlo ssen werd<br />

en . Erst eine „Lesekontrolle“ d urch die Sch ülerinnen<br />

und Schü ler schließt die Übung ab.<br />

Te x t u n t e r s t reichungen und „Schlüsselwort -<br />

findu ngen“ dienen d azu, d ie <strong>für</strong> die<br />

Problemstellung wesentlichen Komponenten<br />

hervorzuheben.<br />

Zu welchen Fragen findest du wesentliche<br />

I n f o rmationen im Text ? Unt erstreiche die<br />

Stelle im Text farbig und kreise die dazugehörige<br />

Frage in der gleichen Farbe ein.<br />

Beispiel:<br />

Mögliche Fragen:<br />

• Wer kauft neue Geräte?<br />

• Wie viele Geräte werden gekauft?<br />

• Warum werden neue Geräte gekauft?<br />

• Wo<strong>für</strong> werden die Geräte gekauft?<br />

• Welche Geräte werden gekauft?<br />

• Welche Person bezahlt die Geräte?<br />

• Wie teuer sind die Geräte zusammen?<br />

• Bleibt Geld übrig?<br />

Arithm etische Sachverhalt e kö nnen geometrisch<br />

veranschaulicht werden. Umgekehrt<br />

werden geometrische Sachverhalte mit arithmetischen<br />

Mitteln tiefer durchdrungen.<br />

Ein wichtiges Ziel der Grundschularbeit ist es,<br />

Reflexionsfähigkeit vo n Kin dern zu entw<br />

ickeln. Deshalb sollen sie angehalten werden,<br />

sowohl ihre Lösungen als auch ihre<br />

Antworten zu überprüfen.<br />

• Passt die Antwort zum Text?<br />

• Passt meine Antwort zu der Frage?<br />

• Zu welchen Fragen findest du Antworten<br />

im Text? Unterstreiche die Stelle im Text<br />

farbig und kreise die dazugehörige Frage in<br />

der gleichen Farbe ein.<br />

Beispiel:<br />

Mögliche Fragen:<br />

• Wie lange dauern die Osterferien?<br />

• Wer verbringt zwei Wochen auf dem<br />

Reiterhof?<br />

• Wo sind Nadja und ihre Freundin?<br />

• Wie alt ist Nadja?<br />

• Hat Nadja noch andere Freundinnen?<br />

• Hat Nadja ein Pferd?<br />

• Wie lange verbringen die Freundinnen auf<br />

dem Reiterhof?<br />

• Wie viele Tage sind Osterferien?<br />

• Wie lange bleibt Nadja zu Hause?


Kinder suchen in Sachkontexten nach dem<br />

„rationalen Kern“ und schießen dabei auch<br />

manchmal über das Ziel hinaus. Sie konstrui<br />

e ren recht un erw a rtet e Rechnungen. Es<br />

b e d a rf hier sicherlich einer v erändert e n<br />

Unterrichtssituation: den Kindern nicht einfach<br />

eine Aufgabe vorlegen und re c h n e n<br />

lassen, sondern die Kinder darauf hinweisen,<br />

dass einige Aufgaben lösbar sind, andere<br />

nicht zum Rechnen auffordern.<br />

Woran liegt es, dass folgende Aufgaben<br />

nicht lösbar sind?<br />

Kannst du die Aufgaben verändern, um sie<br />

lö sen zu k önnen, in dem du eventuell<br />

fehlende Angaben hinzufügst oder überflüssige<br />

weglässt?<br />

Ein weiterer Aspekt ist das Lesen, Deuten und<br />

I n t e r p re t i e ren vo n Tab ellen und Diagramm<br />

en. Die „Informatio nsentnahm e“ bei<br />

Tabellen und Diagrammen muss zunehmend<br />

ein Bestandteil des Math em at ikunt err i c h t s<br />

sein. Daten, Zahlen, Größenangaben lassen<br />

sich leichter interpretieren, wenn man sie in<br />

übersichtlicher Form darstellt.<br />

Ein mö gliches Beispiel: Die folgend e<br />

Tabelle zeigt, wie viele Jungen und Mädchen<br />

aus den drei 3. Klassen bereits schwimmen<br />

können:<br />

Tom hat angefangen, zu dieser Tabelle ein<br />

Säulenbild zu malen. Vervollständige es.<br />

Daten, Zahlen, Größenangaben usw. lassen<br />

sich leichter interpretieren, wenn man sie in<br />

übersichtlicher Form darstellt. In der <strong>Grundschule</strong><br />

bieten sich Darstellungen in Form von<br />

Säulendiagrammen oder Tabellen an.<br />

Weitere Beispiele:<br />

• Proportionale Zuordnungen in Tabellenform<br />

(z.B. Preise/Gewicht)<br />

• Befragungen durchführen<br />

• Säulendiagramm erstellen<br />

• Schau bilder lesen, interpre t i e ren und<br />

zeichnen


Dröge, Rotraut. 19 94. „Kann es Sach aufgab en geb en , bei d enen sich so gar das Rechnen<br />

lohnt ?“ In: Praxis Grundsch ule; Heft 2, S. 2 0-22.<br />

Erichson, C. 200 3. Ideen zum Rechn en. Geschichten, m it denen m an rechnen m uss,<br />

Bd. 1. vpm.<br />

Erichso n, C. 2003. „Tu nnelbau er im Samtanzug.“ In: Grundschu le Sp rach en, Heft 9, 2003,<br />

S. 22-25 .<br />

Franke, M .: „Mit Jano sch b esser rechnen.“ In: Gru n d s c h u l u n t e richt, r Heft 10/2002,<br />

Mat erial 1 -6.<br />

Franke, M. 2 003. Didaktik des Sachrechnens in der Gru ndschule. Heidelb erg: Spektru m .<br />

Krauthau sen, G. 199 8. Lern e n - L e h re n - L e h re n - L e rnen. Zur m athemat ik-didakt ischen<br />

L e h rerb ild u ng am Beispiel der Primarstufe. Leipzig: Klet t, S.149.<br />

M ü l l e r, G .N. / Wit tmann,E.C. (H rsg.) 1 995. Mit Kindern rechnen. Arbeitskreis Gru n d s c h u l e -<br />

Der Grundschulverband e.V. Hannover, S. 6 3.<br />

Radatz, F. / Schipper, W. / Dröge, R. / Ebeling, A. 1998-1999. Handbuch <strong>für</strong> den<br />

M a t h e m a t i k u n t e richt, r Bd . 1., 4 . Schu ljahr. H anno ver: Schroedel, Kapitel 4 Sachre c h n e n<br />

und Größ en.<br />

Rasch, R. 2 003. „... immer d er Dritt e war’s“. In: <strong>Grundschule</strong> Sprachen, Heft 9 , 2003,<br />

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Reinho ld, S. 2002. „Gesch ichten als Ko mmu nikatio nsanlass im Mathem at ikunterricht.“<br />

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S c h i p p e , rW.<br />

/ Drö ge, R: / Ebeling, A. 20 00. Handbu ch <strong>für</strong> den Mathem atikunterricht .<br />

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Bos, W. / Lankes, E.M. / u.a. 2003. Erste Ergeb nisse aus IGLU. Mü nst er: Wa x m a n n .


Morteza nimmt sich eine Aufgabenkarte aus<br />

d er Löwenzahn-Werkstat t. Ein e Karte mit<br />

einem dicken rot en Klebepu nkt – eine<br />

„Mussaufgabe“. Er kommt zu mir an den<br />

Beratertisch. „Was muss ich da machen?“ Ich<br />

schüt tele d en Kop f und erinnere ihn an<br />

unsere Regeln: „Versuche erst, selber zu lesen.<br />

Wenn es zu schwierig ist, bitte ein anderes<br />

Kind, dir zu helfen. Wenn ihr beide es nicht<br />

schafft, dann darfst du zu mir kommen.“*<br />

Er geht wieder und macht sich an die <strong>für</strong><br />

ihn noch mühevolle Arbeit, die Buchstaben<br />

zu Wörtern zusammenzufügen. Er kann es<br />

schaffen. Das weiß ich. Deshalb muss er es<br />

zuerst alleine versuchen. Nach einiger Zeit<br />

steht er auf und lacht mich an. „Ich weiß<br />

jetzt“, sagt er, hängt sich den Fotoapparat aus<br />

der Forscherecke um den Hals und geht aufs<br />

Schulgelände.<br />

F o t o g r a f i e r den schönsten Lö wenzahn,<br />

den du finden kannst.<br />

Täglich gibt es solche Situationen. Und wie<br />

oft sind wir versucht, den Kindern die kleine<br />

Aufgabenstellung schnell mal vorzulesen!<br />

Eine Stärkung der <strong>Lesekompetenz</strong> in der<br />

Gr undschule bedeutet aber auch, möglichst<br />

v iele dieser sich t äglich erg e b e n d e n<br />

Gelegenheiten zum Üben zu nutzen.<br />

Die in der Pisa-Stu die getestete Lesek<br />

om petenz zielt au f d ie Fähigkeit, im<br />

Alltagsleben mit Texten unterschiedlicher Art<br />

– und dazu gehören Fließtexte, aber auch<br />

Symbole, Tabellen, Verzeichnisse usw. – praktisch<br />

umzugehen. Eine so beschriebene <strong>Lesekompetenz</strong><br />

wird besonders im Sachunterricht<br />

gebraucht und muss deshalb in diesem Fach<br />

auch besonders gefördert werden.<br />

Es ist das Ziel des Sachunterrichts, den<br />

Kindern zu ermöglichen, sich ihre Lebenswelt<br />

zu nehm end selb stständig zu erschließen<br />

(Bild ung splan <strong>Grundschule</strong>, Rahmenplan<br />

Sachunterricht).<br />

Dieser Anspruch ist sehr komplex und<br />

fordert eine große fachliche und methodische<br />

Kompetenz bei der Auseinandersetzung mit<br />

natürlichen, gesellschaftlichen und technischen<br />

Gegebenh eiten . Dement spre c h e n d<br />

vielfältig sind die Darstellungsformen schriftlicher<br />

Informationen, die <strong>für</strong> die Kinder dabei<br />

von Bedeutung sind. Sie müssen lernen,<br />

• diese Informationen zu dekodieren,<br />

• sie aufgabenbezogen zu bewerten und<br />

• sie <strong>für</strong> den Erwerb und <strong>für</strong> die Anwendung<br />

ihres Wissens zu nutzen.<br />

Genauso vielfältig sind die Möglichkeiten<br />

und die Notwendigkeiten im Sachunterricht,<br />

eigene Text e in ganz u nterschied lichen<br />

Formen selbstständig zu verfassen. Auch dies<br />

trägt bedeutend zur St ärkung der <strong>Lesekompetenz</strong><br />

bei.<br />

Zunächst ein mal sind hier<strong>für</strong> einige<br />

Grundsätze im Schulalltag zu beachten:<br />

• Die Kinder so oft wie m öglich anre g e n ,<br />

sich mit schrift lichen Informat ionen –<br />

un d seien sie no ch so klein – auseinander<br />

zu set zen: d ies aber nicht nur neb enb ei<br />

und u nverbindlich, so nd ern im<br />

Zusammenhang mit einem Au ftrag, der<br />

zum Entschlüsseln mo t iviert ; so lche<br />

I n f o rm ationen kö nnen Hinw eisschilder<br />

auf dem Schulgelände sein, Merkzet tel,<br />

Aufgab enst ellungen im Ta g e s p l a n .<br />

• Dab ei und b ei allem G eschriebenen gilt<br />

<strong>für</strong> d ie Kind er die Regel: Ich mu ss zu erst<br />

allein e versuchen, d en Text zu lesen, erst<br />

d ann darf ich mir Hilfe holen.<br />

• Mit Arbeitsergebnissen , d ie im Sachunterricht<br />

entst ehen, eine leseförd e r l i c h e<br />

Umgebung in der Schule gest alten: So<br />

kö nnen z.B. ein Po st er m it einem Rätsel<br />

zum Sachu nt errichtsthem a (m it Gewinnchance!),<br />

Infos zu Freizeitangebo ten im<br />

Stadtt eil, eine Tau schbö rse am schwarz e n<br />

B ret t „Su che – b iete“ u.Ä. im Klassen-<br />

Bei „Musa“ oder „Emel“ hätte<br />

dieser Arbeitsauftrag aber auch<br />

ein anderes Szenario auslösen<br />

können: Ein hilfloses Kind, das<br />

nicht weiß, was es tun soll, und<br />

lustlos und untätig herumsitzt.<br />

Denn der vorgegebene Arbeits -<br />

auftrag ist nicht so einfach zu<br />

bewältigen, wie es scheint. Das<br />

Erlesen der Aufforderung<br />

bedeutet noch nicht, die<br />

Aufgabe zu verstehen. Und das<br />

Verständnis kann an unbekann -<br />

ten Wortbedeutungen und an<br />

Sprachstrukturen scheitern. Der<br />

Fachbegriff „Löwenzahn“ wird<br />

durch die Zeichnung verdeut -<br />

licht, aber die Satzstruktur des<br />

Imperativs mit einem<br />

anschließenden Relativsatz ist<br />

nicht der all-tagskommunika -<br />

tiven Sprache der Kinder ent -<br />

nommen. Auch das Adjektiv im<br />

Superlativ ist in seiner<br />

Bedeutung eventuell noch<br />

sprachlich genau zu definieren.<br />

Die Lehrkraft muss bei<br />

K i n d e rn, deren Erst sprach e<br />

nicht Deu tsch ist , einen<br />

Balan ceakt vollz ieh en zwi -<br />

schen dem aufmun tern d e n<br />

„D as kann st du schon allein !“<br />

und einem ebenso bestärken -<br />

den „Da brauch st du noch<br />

meine Hilf e, das kannst du<br />

noch nicht allein können!“<br />

Das Kind, <strong>für</strong> das der z weit e<br />

Satz gilt, darf n ich t zu lang<br />

das Gef ühl haben, rat - und<br />

hilflos zu sein, weil son st sein<br />

I n t e resse an der Aufgabe spür -<br />

bar nach lässt. S. Kap. 1, 2, 4.


Für Kinder mit einer an dere n<br />

Erstsprache als Deutsch stellt<br />

sich die Erschließung der<br />

Lebenswelt nicht nur als eine<br />

fachlich und methodisch<br />

komplexe Aufgabe dar, sondern<br />

oft auch als eine ebenso<br />

komplexe sprachliche Aufgabe.<br />

Verstärkt sollten sie m it der<br />

Strategie der selbstständigen<br />

Nachfrage vertraut gemacht<br />

w e rden, damit sie sprachliche<br />

Hilfen rechtzeitig bekommen .<br />

Für sie sollte eher der<br />

G rundsatz gelten: Ich m uss mir<br />

Hilfe holen, anstatt wie <strong>für</strong> ein -<br />

sprachig aufwachsende: Erst<br />

dann darf ich mir Hilfe h olen.<br />

Das gilt besonders <strong>für</strong> das<br />

Ve rfassen eigener Texte. Ohne<br />

h i n reichende sprach liche Mittel<br />

ist das Schreiben von eigenen<br />

Texten nur eine große – zu<br />

g roße ? – Last <strong>für</strong> Kinder und<br />

w i rd wenig zur Stärkun g ihre r<br />

<strong>Lesekompetenz</strong> beitragen<br />

(s. Kap. 4 ).<br />

Förderung der<br />

<strong>Lesekompetenz</strong> sollte <strong>für</strong><br />

DaZ-Kinder immer auch<br />

Förderung der<br />

Sprachkompetenz beinhal -<br />

ten, und zwar auch so früh<br />

wie möglich<br />

(s. Kap. 1.2, 2).<br />

rau m, au f d en Fluren, in d er Pausenhalle<br />

a t t r a k t i v, also Int eresse weckend präsent<br />

i e rt w erden. Diese Präsent at ionen mü ssen<br />

aber gepflegt, das heißt re g e l m ä ß i g<br />

au sgewechselt bzw. akt ualisiert w erd e n ,<br />

so nst guckt kein Mensch mehr hin!<br />

• Zu jedem Thema einen Büchertisch einrichten.<br />

So lch e u nd ähn liche Grund sätze sind<br />

wichtig, um immer wieder zum selbstständigen<br />

U mgang m it Geschriebenem aufzufordern.<br />

Sie allein sichern aber noch nicht<br />

d en Erwerb d er Lesekom petenz, die im<br />

Sachunterricht gebraucht wird. Deshalb ist es<br />

notwendig, darüber hinaus die Begegnung<br />

mit ganz unterschiedlichen Textformen und<br />

die Schulu ng der Methoden <strong>für</strong> ihre<br />

Erschließung systematisch zu organisieren.<br />

„Es gehören auch anscheinend einfache<br />

methodische Schulungen wie die Benutzung<br />

eines Inhaltsverzeichnisses oder die Prüfung<br />

der Hinweise im Index eines Buches dazu. (...)<br />

Wenn solche Werkzeuge fehlen, bleibt es bei<br />

der Beschwö rung des Zieles >Selbstständigkeit


aum auskenn en, w ird es ein e Liste m it verschied<br />

enen Aufgab en fü r die Klassengemeinschaft<br />

geben, auch hier Symb ole <strong>für</strong><br />

die verschiedenen Dienste, d azu Fotos von<br />

den Kin dern mit ihrem Namen d aru n t e r. All<br />

dies – die Namensschilder mit d em<br />

G rup pensym bol, d ie Beschriftung d er<br />

Klassenecken , der Tagesplan , d ie Aufgabenl<br />

iste – sollte jed och nicht nur schöne<br />

D ekoration sein, sond ern immer w ieder mit<br />

A u ff o rd e ru ngen und Au fgab enstellu ngen<br />

v erbunden werd en w ie:<br />

• Wer hat in dieser Woche Milchdienst?<br />

• Die Schilder der Ecken sind durcheinander<br />

geraten!<br />

• Mit welcher Aufgabe v om Ta g e s p l a n<br />

möchtest du heute anfangen?<br />

So lernen d ie Kinder, d ie Symb ole zu<br />

deuten und <strong>für</strong> die eigene Orientierung zu<br />

nutzen.<br />

Die Eigenständigkeit, mit d er sich die<br />

Kinder, die ja „noch nicht lesen können“, mit<br />

H ilfe dieser Sym b ole im Klassenraum<br />

zurechtfinden und so ihre Arbeit und ihr Spiel<br />

schon ein Stück selbstständig organisieren<br />

kö nnen, ist auch eine Entlastung <strong>für</strong> die<br />

Lehrkraft. Bei der fünften Frage „Wann haben<br />

wir heute Turnen?“ ist sie sicherlich gelassener,<br />

wenn sie auf den an der Tafel dargestellten<br />

Tagesplan zeigen kann, als wenn sie zum<br />

fünften Mal antworten m uss: „Nach der<br />

zweiten Pause!“<br />

Für d ie Ordnung ihrer eigen en Schulsachen<br />

finden die Kinder selber Zeichen oder<br />

Bildsymbole. Das stärkt ihre Kompetenz im<br />

U mgang m it Sy mb olen und das Sichzurechtfinden<br />

mit ihren Heften, Stiften und<br />

Büchern. Damit wird auch das Sammeln und<br />

O rd nen , eine weitere Methode des Sachunterrichts<br />

(vgl. Meier 2003), von Anfang an<br />

geübt und mit in die Verantwortung der<br />

Kinder gelegt. Anders als durch eine vorgegebene,<br />

evtl. von ihnen nicht nachzuvollziehende<br />

Ordnung ist durch das selbstständige<br />

Stru k t u r i e en r u nd selb st ständ ige Kennzeichnen<br />

ihrer Sachen die Chance vielleicht<br />

größer, das übliche Chaos im Ranzen und in<br />

Ablagekörben zu verringern.<br />

Nach der Orientierung im Klassenraum und<br />

der Strukturierung der eigenen Schulsachen<br />

ist die Orientierung auf dem Schulgelände an<br />

der Reihe. Die Kinder erforschen die Gebäude,<br />

was man in ihnen tun kann und wo gearbeitet<br />

wird. Sie lernen die Menschen kennen, die<br />

<strong>für</strong> sie wichtig sind und sie erkunden das<br />

Gelände: Wo kann man spielen und welche<br />

Regeln gibt es da? Wo darf man nicht sein?<br />

Welche Besonderheiten gibt es an unserer<br />

Schule?<br />

Alles Erforschte soll festgehalten werden,<br />

soll zueinander in Beziehung gesetzt werden,<br />

damit das Ganze sichtbar wird und damit es<br />

zur vertiefenden Orientierung genutzt werden<br />

kann. Ein Plan oder ein Modell wird also<br />

mit den Kindern, vielleicht im Sandkasten in<br />

der Klasse, gebaut. Probleme tauchen auf:<br />

„Wie können wir zeigen, dass dieses Haus die<br />

Pausenhalle ist? Wie können wir darstellen,<br />

dass im Gebüsch hinter der Tur nhalle nicht<br />

gespielt werden darf?“ Sie werden diskutiert,<br />

und die Kinder finden Lösungen, die ihrem<br />

eigenen Darstellungsvermögen entsprechen:<br />

ein Bild, ein Symbo l, ein Anlau t (P wie<br />

Pausenhalle) oder schon das ganze Wort.<br />

Sehr motiviert stehen sie in der nächsten<br />

Zeit vor ihrem Schulplan und „lesen“ die<br />

Informationen, die sie dort gemeinsam festgehalten<br />

haben.<br />

Ein nächster Schritt zur Erweiterung der<br />

Lesek omp etenz kann im Sachunterr i c h t<br />

durch die Orientierung im Wohngebiet erreicht<br />

werden.<br />

„Hier wohnen wir“ heißt das Thema. Die<br />

Häuser aller Kinder werden besucht, die Wege<br />

dorthin erkundet, um sich bald nachmittags<br />

alleine besuchen zu können. Dabei üben sie<br />

die Orientierung an markanten Gebäuden, an<br />

Parks, an Brücken, an Straßenschildern. Das<br />

alles w ird auf ein em verg r ö ß e rten St adtteilp<br />

lan wied ererkannt , gelesen also. Die<br />

Kinder entdecken dabei Kartenzeichen: ein<br />

Kreuz <strong>für</strong> die Kirche, der Park ist grün, der<br />

kleine See blau gezeichnet.<br />

Erste „Einführung ins Kartenverständnis“<br />

also – und nicht erst in der 3. Klasse!


Den Fachwortschatz des<br />

Sachunterrichts einzuführen,<br />

zu erläutern und Bedeu -<br />

tungen zu klären, sodass er<br />

von den Kindern sachgerecht<br />

verstanden und benutzt wer -<br />

den kann, ist ein zentrales<br />

Anliegen des Unterrichts mit<br />

Kindern anderer Erst -<br />

sprachen, denn das Fach -<br />

vokabular ist eine Domäne<br />

der Schule und kann haupt -<br />

sächlich nur dort von ihnen<br />

erworben werden.<br />

Es macht aber einen großen<br />

Unterschied, ob<br />

Fachausdrücke auf der Basis<br />

intuitiv beherrschter deutscher<br />

Strukturen oder aber auf<br />

noch nicht abgesicherten<br />

Sprachkenntnissen einer<br />

Zweitsprache eingeführt<br />

werden. Hier sollten Übungs -<br />

formen und Überprü -<br />

fungsmöglichkeiten bereit -<br />

gestellt werden, ob jedes<br />

Kind die notwendigen<br />

Begriffsklär ungen auch tat -<br />

sächlich verstanden hat<br />

(s. Kap. 2, 3, 4).<br />

Alle Kinder haben Freude an<br />

so ungewöhnlichen Dingen<br />

wie „Hosentaschenwörtern“.<br />

Trotzdem ist zu überlegen,<br />

ob die hier vorgestellten<br />

Arbeitsformen <strong>für</strong> DaZ-<br />

Kinder nicht eher eine<br />

Erschwernis beim Lernen<br />

darstellen. Wenn es in ihrer<br />

Familie niemanden gibt, der<br />

über das notwendige<br />

Fachwortwissen verfügt, kön -<br />

nen die Kinder ihre Aufgabe<br />

nicht oder eventuell nur<br />

falsch lösen. Beides ist<br />

gleichermaßen misslich. Bei<br />

solcher Aufgabenstellung<br />

sollten <strong>für</strong> alle Kinder<br />

Möglichkeiten gefunden wer -<br />

den, sich zu informieren,<br />

sodass kein Kind sich wegen<br />

seiner familiären Lebens -<br />

umstände zurückgesetzt<br />

fühlen muss<br />

(s. Kap. 1, 2, 3).<br />

In allen Sachgesprächen mü ssen wir auf<br />

B e g r i f s k l ä ru ng, au f d ie Einführung neu er<br />

F a c h b e g r i ffe u nd au f ihre sachgemäße<br />

Ve rwen du ng acht en . Au ch dies von Anfang<br />

an. Es d ient der Erw e i t e rung d es Wo rtschatzes<br />

u nd st ärkt somit die Lesekom -<br />

petenz, denn Fach wörterkenntnis ist eine<br />

wicht ige Vorausset zu ng zu m Ve r s t ä n d n i s<br />

von Sachtexten.*<br />

Eine gute Möglichkeit <strong>für</strong> die Kinder, ihren<br />

Wortschatz zu erweitern, ist dabei die Arbeit<br />

mit „Hosentaschenwörtern“.<br />

Kümmere dich um dein Wort und erzähl uns<br />

mor gen, was du darüber herausgefunden hast.<br />

Thema Bäume. Die Kinder haben scho n<br />

viel über ihren Klassenbaum herau sgefund<br />

en. Sie w issen, wie die Teile des Baum es<br />

heißen: Stamm, Rinde, Äste, Zweige, Knospen,<br />

Blätter, Blüten. Nun sollen sie weitere<br />

W ö rt e r, die alle etw as mit Bäum en zu tu n<br />

haben, kennen lernen.<br />

Jeden Tag bekommen immer drei Kinder<br />

ein Kärtchen mit einem „Baumwort“ – so,<br />

dass die anderen Kinder es nicht sehen können.<br />

Sie nehmen es – am besten in der Hosentasche<br />

– mit nach Hause mit der Auff o rd<br />

e ru ng, sich d arum zu küm mern. N icht<br />

imm er können sie es schon selber lesen. Dann<br />

m üssen sie jemanden bitten, es ihnen vorz u l esen.<br />

Sich darum kümmern heißt, herausf i n d e n ,<br />

was das Wort bedeutet, was es mit dem Baum<br />

zu tun hat und es anderen erklären können.<br />

Häufig wird so ein Begriff zum Gesprächsthema<br />

<strong>für</strong> die ganze Familie.<br />

Am nächsten Tag stellen die drei Kinder<br />

ihre Wörter den anderen im Morgenkreis vor.<br />

Die Erklärungen, die sie dazu geben, schreibt<br />

die Lehrerin od er der Lehrer mit und<br />

anschließ end in Schönschrift auf eine<br />

Karteikarte. Das Wortkärtchen wird mit auf<br />

die Kart e gek lebt, u nd zu r weitere n<br />

Auseinandersetzung mit seinem Wort malt<br />

das Kind noch ein Bild dazu. Alle so gestalteten<br />

Kart e i k a rt en w erden an die Wa n d<br />

gehängt und ergeben im Laufe der Zeit, wenn<br />

alle Kind er nach und nach ein Wo rt<br />

v o rgestellt und erklärt haben, ein gro ß e s<br />

„Wandlexikon“. Wie oft stehen die Kinder<br />

davor, suchen ihr Wort und die Wörter ihrer<br />

Freunde und unterhalten sich als „Experten“<br />

mit Wörtern aus der „Baumfachsprache“!<br />

Immer wieder zum Lesen, zur Au seinandersetzung<br />

mit Geschriebenem anregen – das<br />

ist ein täglicher Grundsatz im Schulalltag.<br />

Da<strong>für</strong> sind Dokumentationen von gemeinsamen<br />

Erlebnissen und Aktivitäten in der<br />

ersten Klasse besonders geeignet:<br />

• „ R e g e n s p a z i e rgang“, do kum entiert m it<br />

den Bildern und den kleinen Texten der<br />

Kinder auf einem Poster<br />

• „ A u f regend e Geschicht en au s u nsere r<br />

Klasse“ – festgehalten in einem Klassentagebuch<br />

• „Unser Laternenfest“ – Fotos, dazu von den<br />

Kindern geschriebene Bildunterschriften<br />

All das würdigt die Mühe und Arbeit der<br />

Kinder. Sie sind stolz darauf, ihre Beiträge so<br />

schön präsentiert wiederzufinden u nd<br />

deshalb motiviert, sie immer wieder zu lesen.


. . . und auch schreiben. Deshalb bekommen<br />

d ie Kind er m öglichst viele Aufgabenst<br />

ellungen und Arbeitsanw eisu ngen im<br />

Sachunterricht in schriftlicher Form, und sie<br />

werden möglichst häufig aufgefordert, auch<br />

ihre Arbeitsergebnisse schriftlich darzustellen.<br />

Eine Unterr i c h t s f o rm, die dies besonders<br />

begünstigt, ist die Werkstattarbeit.* Hier werden<br />

zu einem Thema vielfältige Materialien,<br />

Anregungen und Arbeitsaufträge in unterschiedlichen<br />

Te x t f o rm en angeb ot en. Das<br />

e rf o rd e rt von den Kin dern gro ße Leseanstrengungen,<br />

bietet ihnen viel Lesetraining<br />

und fördert das selbstständige Lernen.<br />

Der Umgang mit Sachtexten im 2. Schuljahr<br />

k ann d ie Lesek ompet enz der Kinder<br />

wesentlich steigern, aber nur dann,<br />

• wenn sie eine Chance haben, die Texte<br />

auch entschlüsseln und nutzen zu können,<br />

d.h. wenn diese ihrem jeweiligen Lesevermögen<br />

entsprechen,<br />

• und wenn sie „Texte und Bilder nutzen“ als<br />

eine Metho de im Sachu nterricht (vgl.<br />

Meier 2003) durch verschiedene Übungen<br />

immer wieder trainieren können.<br />

„Auch die Prüfung eines Textes mit der<br />

Frage nach seiner Ergiebigkeit <strong>für</strong> ein bestimmtes<br />

Thema oder eine spezifische Frage<br />

ist eine dieser vorbereit en den Arbeit en.<br />

Diesen Text dann zu lesen, im Sinne des<br />

Wortes zu erschließen und <strong>für</strong> die gefragte<br />

Sache auszuwerten, ist eine nicht gerade einfache<br />

Aufgabe. Sie muss bewusst und über<br />

lange Zeit b earbeitet und als Fähigkeit<br />

entwickelt werden.“ (Meier 2002, S. 305)<br />

Deshalb sollte mit dieser Aufgabe auch<br />

mö glichst früh b ego nnen werd en. Das<br />

Angebot an Sachtexten <strong>für</strong> Kinder ist <strong>für</strong> fast<br />

alle Themen sehr groß. Es gibt viele schön<br />

gestaltete Sachbücher mit informativen Fotos<br />

und Texten. Häufig sind diese Texte aber <strong>für</strong><br />

Leseanfänger zu schwierig und zu umfangreich.<br />

Viele Bücher haben zud em kein<br />

I n h a l t s v e rzeichnis, mit dessen Hilfe die<br />

Kinder sich im Buch orient ieren kö nnt en.<br />

Wir m üssen d ie Bü cher also, wenn die<br />

Kinder sie als Arb eit sm aterial nutzen so llen,<br />

p r ä p a r i e ren. Ein zu umfangreicher Te x t<br />

k ann zum Beispiel durch einen vere i n f a c ht<br />

en und gekürzten ersetzt werden, der ab er<br />

imm er no ch d ie wichtigsten Inform a t i o n e n<br />

enthält . Dieser gekürzte Text wird auf eine<br />

K a r t e i k a rt e geschrieben u nd mit<br />

e n t s p rechender Seitenkennzeichnu ng zum<br />

Buch gelegt . Der Origin alt ex t ist dann ein<br />

Angebo t <strong>für</strong> „lesestarke“ Schü lerinnen u nd<br />

S c h ü l e r.<br />

D ie Su che nach einer bestimm ten<br />

I n f o rmat io n in ein em Bu ch kann du rch ein<br />

I n h a l t s v e rzeichnis, das in Form eines<br />

Fragenkat alo gs form u l i e rt ist , sehr erl<br />

e i c h t e rt werden. So kö nnen d ie Kind er ganz<br />

gezielt nach Ant wort en au f ihre Fragen<br />

suchen.<br />

Dazu ein Beispiel zum kleinen Buch über<br />

Meerschweinchen von J. Reichen:<br />

Man braucht eine Sammlung ausgesuchter<br />

kleiner Sachtexte z.B. aus Kinderzeitschriften.<br />

Die Kinder wählen sich daraus einen Text aus,<br />

der sie besonders interessiert. Sie lesen ihn,<br />

überlegen: „Was habe ich Neues, Wichtiges,<br />

I n t e ressantes erf a h ren?“, entwerfen Fragen<br />

dazu, üben das deutliche Vorlesen des Textes<br />

und lesen ihn bei Gelegenheit, vielleicht im<br />

Abschlusskreis am Ende des Schulvormittags,<br />

den anderen Kindern vor. Diese müssen so<br />

gut zuhören,** dass sie die anschließend<br />

gestellten Fragen zum Text beantworten können.<br />

Gut eignen sich da<strong>für</strong> auch eigene Texte<br />

der Kinder, die bei der Bearbeitung eines<br />

Themas entstanden sind. Sie erfahren so noch<br />

einmal eine besondere Würdigung.<br />

Diese Übung fördert:<br />

• den Erwerb von Sachkenntnissen,<br />

• die Fähigkeit, sachbezogene Fragen zu formulieren,<br />

• die Vorlesekompetenz und<br />

• bei den Zuhörern das Hörverstehen.<br />

Wenn die Kinder, deren<br />

Erstsprache nicht Deutsch ist,<br />

bei der Werkstattarbeit gezielt<br />

die Möglichkeit bekommen, in<br />

Partner- und Gruppenarbeit <strong>für</strong><br />

ihre Lese- und Schreibaufgaben<br />

Anregungen, Verbesserungs -<br />

vorschläge und sprachliche<br />

Hilfe zu erhalten, werden sie<br />

die <strong>für</strong> sie schwierigen<br />

Aufgaben auch bewältigen<br />

können.<br />

Für die höheren Klassenstufen<br />

gilt das in verstärktem Maße<br />

(s. Kap. 2, 5).<br />

Mit dem guten Zuhören ist es<br />

nur dann getan, wenn man<br />

alles verstehen kann , was<br />

gesagt wird. Genau das ist aber<br />

das eventuelle Problem bei<br />

K i n d e rn mit einer andere n<br />

Erstsprache als Deutsch, dass<br />

wir als Lehrkräfte und die<br />

Kinder selbst nicht sicher wis -<br />

sen, ob und was sie alles ver -<br />

standen haben. Hier muss die<br />

Lehrkraft außero rd e n t l i c h<br />

b e h a rlich und auch erf i n -<br />

d u n g s reich nach We g e n<br />

suchen, die das Te x t v e r s t e h e n<br />

e rmöglichen (s. 1 , 2).


D as Erarbeiten eig ener Te x t d a r s t e l l u n g e n<br />

trägt, wie schon erwähnt, viel zur Stärkung<br />

der <strong>Lesekompetenz</strong> bei. Hier<strong>für</strong> eignen sich ab<br />

Klasse 2 kurze Textformen wie:<br />

• B e o b a c h t u n g s p oto r kolle, z.B. vom Ent -<br />

wicklungsprozess einer Blume, von jahreszeitlichen<br />

Ve r ä n d e rungen des Lieb lingsbaums,<br />

• eigene Begriff s e r k l ä rungen (z.B. <strong>für</strong> ein<br />

Pferdelexikon),<br />

• E r k u n d u n g s e gebnisse r (z.B. Fre i z e i t m ö glichkeiten<br />

im Stadtteil),<br />

• Kartei-Seiten nach gemeinsam aufgestellten<br />

Kriterien („Kleine Tiere auf unserem<br />

Schulgelände“).<br />

Der Umgang mit allen bisher eingeführten<br />

Te x t f o rmen wird in beiden Klassenstufen<br />

weiter vertiefend geübt und neue Textformen<br />

werden eingeführt.<br />

„Bei der Arbeit an einem Thema empfiehlt<br />

es sich, die Arbeit mit Texten und Bildern<br />

imm er wieder einzup lanen. D ie unterschiedlich<br />

ent wickelt e Lesefähigkeit der<br />

Kinder und der sachliche Anspruch der Texte<br />

erfordern Zeit und Mühe. Es empfiehlt sich,<br />

immer wieder Phasen einzuplanen, in denen<br />

ind ivid uell und g emeinsam an der Erschließung<br />

von Texten gearbeitet wird. Dazu<br />

sind Arbeitstechniken wie Unt erstre i c h e n ,<br />

H e r a u s s c h reib en, Not izen machen (z.B.<br />

Fragen notieren), Nachschlagen einzuüben<br />

und gezielt zu nutzen.“ (Meier 2003, S. 23)<br />

Ebenso wie im Deutschu nterricht d er<br />

Umgang mit dem Wörterbuch systematisch<br />

eingeübt werden muss, müssen die Kinder<br />

auch im Sachunterricht lernen, mit Nachschlagew<br />

erken umzugehen: mit Bestim -<br />

m u n g s b ü c h e rn, Schü lerlexika, Kinder-<br />

Suchmaschinen u.Ä. Dabei werden grundlegende<br />

Fähigkeit en wie alp habetisch e<br />

Reihenfolge beachten, Schlagwörterverzeichnisse<br />

nutzen u nd gezielt es, aufgabenb ezo -<br />

genes Recherchieren trainiert. Entscheidend<br />

<strong>für</strong> erf o l g reiches Arbeiten und <strong>für</strong> eine<br />

Stärkun g dieser Method en kompetenzen ist<br />

auch hier wiederum die Kompatibilität von<br />

Lesefähigkeit und Text.<br />

„Kinder brauchen in ALLEN Schuljahren<br />

L e h rerInnen, (...) d ie sich um dre i e r l e i<br />

bemühen:<br />

• sich zu verg e w i s s e rn, welche Lesefähigkeiten<br />

sie voraussetzen können,<br />

• die Leseanforderungen den Fähigkeiten der<br />

Kinder anzupassen,<br />

• sich nicht abzufinden mit Rückständen,<br />

s o n d e rn <strong>für</strong> die Entwicklu ng d er Lesefähigkeiten<br />

zu sorgen.“<br />

(Andresen 2002, S. 141)<br />

Den sehr unt erschiedlichen Lesefähigkeiten<br />

in diesen beiden Klassenstufen muss<br />

also Rechnung getragen werden. Manche<br />

Kinder brau chen Unterstü tzung, andere<br />

brau chen Herausford e rungen zur weit ere n<br />

Entwicklung ihrer Lesefähigkeit.<br />

Deshalb müssen wir bei der Arbeit mit<br />

Nachschlagewerken die Aufgaben diff e re nziert<br />

stellen und Hilfe anbieten. Solche Hilfe<br />

kön nen et wa geleitet e Aufgabenstellungen<br />

sein, die besonders bei der selbstständigen<br />

I n f o rm a t i o n s b e s c h a fung der Kind er aus<br />

umfangreicheren Büchern, aus dem Internet<br />

oder auf CD-ROMs sinnvoll sind. Die Kinder<br />

w e rd en dabei durch gezielte Fragen oder<br />

Anweisungen unterstützt. So wird besonders<br />

beim Umgang mit den neuen Medien ein<br />

q u a l i f i z i e rtes Erlernen dieser Te c h n i k<br />

g e f ö rd e rt und eine Zeit raubend e,<br />

abschweifende Suche verhindert.


Bei vielen Sachunterricht-Themen ergibt es<br />

sich, dass die Kinder über längere Zeit Daten<br />

sammeln, diese vergleichen, mit den Daten<br />

a n d e rer in Beziehu ng set zen und sie<br />

auswerten. Da<strong>für</strong> sind Tabellen nützlich. Der<br />

Weg zum Tabellenlesen geht ü ber das<br />

m o t i v i e rende eigene Tab ellenanlegen. Ein<br />

Beispiel:<br />

Übersichtlich dargestellte Daten erleichtern<br />

den Vergleich. So macht es Sinn, die Kinder<br />

im Zusammenhang mit solchen Aufgaben<br />

auch in die gru nd legend en Ta b e l l e nfunktionen<br />

d es Wo rd - P ro gramm s einzuführen.<br />

Wann immer sich eine Gelegenheit ergibt –<br />

und es sind im Laufe von vier Schuljahren<br />

viele – sollten diese Fähigkeiten geübt werden.<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> ein kontinuierliches<br />

Training dieser und aller anderen Textformen,<br />

die im Sachunterricht vorkommen, ist allerdings<br />

eine Grundausstattung in jeder Klasse.<br />

Wenn die Kinder mit brennenden Fragen<br />

etwa zu Beobachtungen auf ihrem Schulweg,<br />

zu aktuellen Ereignissen (Erdbeben, Vulkanausbruch,<br />

Sonnenfinsternis…) in die Schule<br />

kommen, dann sollten sie auch möglichst<br />

zeitnah nach Antworten suchen können. Das<br />

Vertrösten auf spätere Gelegenheiten lässt das<br />

Interesse verblassen und eine motivationsreiche<br />

Situation ungenutzt verstreichen. Die<br />

Kinder brauchen also neben d en Mö glichkeit<br />

en hand elnd zu forschen, z.B. an<br />

Experimentiertischen in den Klassen oder in<br />

einer Sachu nterricht werkst att der Schule,<br />

auch eine „Handbibliothek“ bestehend aus<br />

S a c h b ü c h e rn <strong>für</strong> Kinder, Lexika und Bestimmungsbüchern.<br />

Und sie brauchen die<br />

Mö glichkeit , sich jederzeit auf einem Stadt -<br />

teilplan, auf dem Stadtplan von Hamburg, auf<br />

einer Deut schlandkart e, Euro p a k a rte u nd<br />

Weltkarte orientieren zu können. Eine solche<br />

Grundausstattung <strong>für</strong> die Klassen ist leider<br />

noch nicht in allen Schulen vorhanden. Der<br />

Sachunterricht sollte aber wenigstens bei der<br />

Lehr- und Lernmittelverteilung im gleichen<br />

Maße b edacht w erden wie d ie andere n<br />

Fächer.<br />

Vielfält ige Te x t f o rmen sind d am it im<br />

Sachunterricht eingeführt und der Umgang<br />

mit ihnen ist geübt worden. Nun gilt es, die<br />

erworbenen Kompetenzen der Kinder auch zu<br />

nutzen, d.h. ihnen die Anwendu ng ihre s<br />

Wissens in authentisch en Situationen zu<br />

ermöglichen, z.B.:<br />

• die Bahnverbindungen <strong>für</strong> den Ausflug ins<br />

Museum aus dem Streckenplan des HVV<br />

heraussuchen<br />

• „Wie kommen wir vom Bahnhof Blankenese<br />

ins Treppenviertel?“ – den Weg im<br />

Stadtplan finden<br />

• „ Welche Informat ionen b iet et uns<br />

www.sachunterricht-online.de zum Thema<br />

Feuerwehr?“<br />

• Tabellen zum Strom- oder Wasserverbrauch<br />

der Schule anlegen<br />

Solche Aufträge geben dem Erwerb der<br />

Lesefähigkeiten erst einen Sinn und fördern<br />

den praktischen und selbstständigen Umgang


mit unterschiedlichen Textformen in realen<br />

Alltagssituationen. Genau diese <strong>Lesekompetenz</strong><br />

hat PISA getestet.<br />

„ Z u rech t wird in der angelaufen en<br />

Diskussion nach PISA… die kritische Frage an<br />

unsere Schule gestellt, ob unsere Kinder und<br />

Jugendlichen im Unterricht wirklich lernen,<br />

Bildungsplan <strong>Grundschule</strong>, Rahmenplan Sachunterricht, Hamburg.<br />

selbstständig und problemorientiert schriftliche<br />

Texte zu nutzen.“ (Spinner 2002, S. 93)<br />

Eine Schule, die sich in der dargestellten<br />

Weise oder ähnlich im Sachunterricht um die<br />

Förderung der <strong>Lesekompetenz</strong> bemüht, würde<br />

dazu wohl ein Stück beitragen können.<br />

Andresen, U. „Wenn Kinder nicht „rechtzeitig“ lesen gelernt haben“, in: Sprachliches Handeln<br />

in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Meier, Richard. 2002. Freie Arbeit im Sachunterricht. In: Drews, U., Wallrabenstein, W. (Hrsg.).<br />

Freiarbeit in der <strong>Grundschule</strong>, Frankfurt a.M.<br />

Meier, Richard. 2003. „Methoden im Sachunterricht“. In: <strong>Grundschule</strong> Sachunterricht, Heft 18.<br />

Reichen, J. „Meerschweinchentext.“ In: Heimtiere.<br />

Spinner, Kaspar H. 2002. „Kann man Leseleistung messen?“ In: Sprachliches Handeln in der<br />

<strong>Grundschule</strong>.


D ie kind liche Lese-Schre i b s o z i a l i s a t i o n<br />

(»early literacy«) b eginnt in der Familie.<br />

E l t e rn schauen mit ihren Kin dern Bild erb<br />

ücher an und führen vorlesebegleitende<br />

D ialoge, die eine spezifische Interaktionsstruktur<br />

aufweisen. So gilt Vorlesen als komp<br />

r i m i e rteste Spracherw erbssituat ion ü berhaupt.<br />

Entsprechend bezeichnet Hurrelmann<br />

(1994) den Umgang mit Kinderbüchern als<br />

„Schaukelstuhl“ zwischen Mündlichkeit und<br />

Schriftlichkeit. Kinder entdecken beim<br />

Betrachten von Bilderbüchern Bezüge zwischen<br />

Erlebtem und Abgebildetem (»Dekontextualisierung«).<br />

Und in (oftmals ritualisiert<br />

en) Sing- und Sprachspielen lernen sie<br />

zudem, Sprache unter formalen Kriterien zu<br />

b etrachten, w ob ei sie beim Vorlesen auf<br />

G emeinsamkeit en und Unt erschiede zwisc<br />

h e n mündlicher und schriftlicher Sprache<br />

aufmerksam werden. Eine alltägliche Schriftverwendung<br />

in der Familie hilft den Kindern<br />

also, die Funktion und den Gebrauchswert<br />

v on Schrift zu erkennen u nd so mit<br />

Schriftnutzung als Sinn stiftend zu erleben.<br />

Das Ausmaß der frühen literalen Erlebnisse,<br />

in denen Bücher dem einzelnen Kind<br />

p ersö nlich bedeut sam werd en , bestimm t<br />

daher die Einstellung des Kindes zur Schrift<br />

maßgeblich. Aus zahlreichen Untersuchungen<br />

mit Kindern, Jugendlichen sowie leseund<br />

schreibunk und igen Erwach senen ist<br />

bekannt, d ass Menschen mit gro ß e n<br />

P rob lemen im Schriftspracherw erb d iese<br />

frühen literalen Erfahrungen nicht gemacht<br />

haben und sie auf Grund ihrer nur sehr gering<br />

ausgeprägten Lese- und Schreibkompetenzen<br />

die Funktion von Schrift <strong>für</strong> sich nicht nutzen<br />

k onnt en (daher auch der Begriff »funkt<br />

io naler« Analp habet ism us) 1 . Mangeln de<br />

Erfahrungen mit Sprache und Schrift sowie –<br />

infolgedessen – eine gering ausgebildete phonologische<br />

Bewusstheit gelten nach heutigem<br />

Erkenntnisst and als b edeutend st e Risikof<br />

a k t o ren innerhalb des komp lexen Bedingungsgefüges<br />

des Schriftspracherwerbs.<br />

Nun ist Schrift nicht gegen die Alltagswelt<br />

der Kinder durchsetzbar (Dehn 1996). Daraus<br />

lassen sich prinzipiell mehrere pädagogischdidaktische<br />

Schlüsse ziehen:<br />

1. Es gilt, d ie schulische Allt agsw elt der<br />

Kinder literal zu gestalten (Bambach 1989)<br />

u nd so d ie Teilhabe an »element are r<br />

Schriftkultur« (D eh n 1 996 ) in d en<br />

Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen, um<br />

den Kindern literale Erf a h run gen zu<br />

ermöglichen, denen sie in ihrer vorschulischen<br />

Sozialisation verschlossen blieben2 .<br />

Bewährt hat sich ferner eine enge Zusamm<br />

enarb eit von Schule und Bib liothek<br />

(Milhoffer 1991).<br />

Im weiterführenden Lese- und Literaturunterricht<br />

hat sich eine handlungs- und<br />

p ro d u k t i o n s o r i e n t i e te r Maxime (Haas/<br />

Menzel/Spinner 1994) durchgesetzt, die es<br />

ermöglicht, Kinder auch mit ihren persönlichen<br />

Gefühlen u nd Erf a h rungen an<br />

Literatur Anteil haben zu lassen und Texte<br />

somit persönlich sinnvo ll w erd en zu<br />

lassen.<br />

2. Diese schulischen Bestrebungen können<br />

ihre Wirkung am besten dann entfalten,<br />

wenn ihre Inhalte bei den Kindern auf<br />

» f ru c h t b a ren Boden« fallen, sodass die<br />

Kinder an bisherige Erfahrungen anknüpfen<br />

können. Insofern wäre es wichtig, bereits<br />

vor der Schule Wert auf literale Erfahrungen<br />

zu legen. Umgang mit Büchern<br />

war schon immer Bestandteil von elementarp<br />

äd ago gischer Arb eit (St iftu ng Lesen<br />

u.a. 1998), ebenso wie ritualisierte Sprachund<br />

Singspiele, die eine wichtige Funktion<br />

<strong>für</strong> d ie metasprachliche Ent wick lung<br />

haben. Der gezielte Einbezug von Schrift<br />

hing egen w ird häufig als »Schu lvorbereitung«<br />

verdammt, während insbesondere<br />

sozial-emotionale Ziele betont werden<br />

(Kretschmann 2003). Dabei könnte Schrift<br />

als Visualisierung der ansonsten flüchtigen<br />

Laut sprach e Kindern helfen, ihre Au fmerksam<br />

keit zu nehm end vo n der<br />

1 In Abgrenzung zum natürlichen, primären An-Alphabetismus, der wörtlich übersetzt bedeutet, dass jemand<br />

nicht des Alphabetes kundig sei. Davon kann bei den betr offenen Menschen, die jahrelang eine Schule<br />

besucht haben, nicht die Rede sein (vgl. zum Thema: Döbert/Hubertus 2000, Hubertus/Nickel 2003,<br />

Egtoff 1997).<br />

2 Das Prinzip der Selektion von Kindern mit geringen literalen Erf a h rungen u nd d eren S eparierung au f So nderschulen<br />

muss angesichts der erwiesenen Ineffizienz von Sonderschulmaßnahmen (Wocken 2000) - <strong>für</strong> die es<br />

eine Reihe systemischer Gründe gibt - als nicht angemessen und kontraproduktiv angesehen werden.


Bedeutungsebene der Sprache auf die lautliche<br />

Ebene zu richten1 (Osburg 1997) und<br />

zudem ein Schriftbewusstsein auszubilden.<br />

Erste Ansätze hierzu sind mittlerweile zu<br />

erkennen (Ulich 2003, Tenta 2002).<br />

3. Da Kinder nur eine begrenzte Zeit in institutionellen<br />

Lernarrangements verbringen,<br />

w ä re es angebracht, den Interv e n t i o n shorizont<br />

weiter zu ziehen und das familiäre<br />

Wirkumfeld von Kindern stärker in den<br />

Blick zu nehmen. Eine frühe Intervention<br />

ist angezeigt, w eil au s diversen Untersuchungen<br />

hinlänglich bekannt ist, dass<br />

die Gruppe der bei Schuleintritt schwächsten<br />

Schülerinn en und Schüler ihre re l a t i v e<br />

Position beibehalten bzw. der Unterschied<br />

zu d er Grupp e der durc h s c h n i t t l i c h e n<br />

Schülerinnen und Schüler oft noch größer<br />

wird (Helmke 1997). Dieser Effekt wird oft<br />

als »Matthäus-Effekt« (»Wer hat, dem wird<br />

gegeben«) bezeichnet: Alle Schülerinnen<br />

und Schüler verbessern ihre Fähigkeiten,<br />

aber die Schülerinnen und Schü ler mit re l ativ<br />

hohen Komp etenzen pro f i t i e en r wesentlich<br />

stärker vom schulischen Angebot als<br />

a n d e re: Die Leistungsschere öffnet sich. Aus<br />

einer Reihe von Unt ersuchungen ist fern e r<br />

bekannt , dass präventive bzw. interv e-<br />

n i e rende Maßnahmen dann am eff e k t i v s t e n<br />

sind, wenn sie (a) möglichst früh einsetzen<br />

und (b) möglichst lange, also bis in die<br />

Schulzeit hinein, durc h g e f ü h t rwerd<br />

e n .<br />

Dieser Zusammenhang ist in den angelsächsischen<br />

Ländern schon längst erkannt word<br />

en. Auch hier zu Land e w urden erste<br />

Programme aufgelegt, die gezielt soziokulturell<br />

benachteiligte Familien in den Blick<br />

nehmen. »Mama lernt Deutsch (Papa auch)«<br />

ist an Eltern mit Migratio nshinterg ru n d<br />

gerichtet und soll ihnen helfen, ihre Kinder<br />

b esser bei der schulisch en Integration zu<br />

unterstützen. Solche reinen Elternbildungsmaßnahmen<br />

wurden in letzter Zeit erweitert<br />

um Programme, die sowohl Eltern als auch<br />

ihre Kinder einbeziehen.<br />

»HIPPY« richtet sich ebenfalls an Eltern<br />

mit Migrationshintergrund. In einem zweijährigen<br />

Hausb esu ch spro gramm w erd e n<br />

Müt ter d urch geschult e Laienhelferinnen<br />

angeleitet , tägliche Aktivitäten m it Bilderbüchern<br />

oder Arbeitsblättern durchzuführen.<br />

Die m ittlerweile recht gro ße Ve r b re i t u n g<br />

dieses Programms spricht <strong>für</strong> seinen Erfolg.<br />

»Opstap je« wird zurzeit evalu iert , do ch<br />

zeichnet sich auch hier ein ähnlicher Erfolg<br />

ab. Dieses Programm richtet sich an Eltern<br />

und ihre 2-4jährigen Kinder aus Familien in<br />

belasteten Lebenslagen. Dies schließt explizit<br />

sozial benachteiligte Familien ohne Migrat<br />

i o n s h i n t e g rru<br />

nd ein. Au ch hier w ird ein<br />

zweijähriges Hausbesuchsprogramm durchgef<br />

ü h rt. G eschulte Laienhelferinnen (Mütter<br />

au s der Zielgrup pe) stellen altersgere c h t e ,<br />

a n regende Materialien bereit und zeig en<br />

modellhaft entwicklungsfördernde elterliche<br />

Verhaltensweisen auf. Die Ziele richten sich<br />

auf eine Stärkung d er elt erlichen Erziehun<br />

gsko mp et enz, die Ve r b e s s e ru ng d er<br />

E l t e rn-Kind-Interaktion und auf die Förderung<br />

der kognitiven, motorischen, sozialen<br />

und emotionalen Entwicklung der Kinder.<br />

Keines der Programme jedoch legt seinen<br />

Schwerpu nkt au f Sprach- un d Literal<br />

i t ä t s f ö rd e ru ng. Solche familienzentriert e n<br />

Literalitätsprogramme sind hingegen unter<br />

dem Oberbegriff »Family Literacy« in den<br />

USA und Großbritannien weit verbreitet. Die<br />

Vielzahl von Variationen solcher Programme<br />

ist schier unüberb lickb ar, die Eff i z i e n z<br />

vielfach beschrieben. Entsprechend der vielen<br />

Variant en unterscheid en sich auch d er<br />

k o n k rete Aufb au u nd die Zielsetzung der<br />

einzelnen Projekte zum Teil beträchtlich. Der<br />

t h e o retische Hint erg rund so wie die wissenschaftlichen<br />

Forschungsergebnisse dieser<br />

Programme in den angelsächsischen Ländern<br />

1 In jüngster Zeit werden Trainings der phonologischen Bewusstheit populär (Küspert/Schneider<br />

2000). Trotz der erwiesenen Erfolge im statistisch-psychologischen Sinne (Schneider et al. 1998;<br />

2000) wird vor allem aus (sprachheil-)pädagogischer Sicht (Schmid-Barkow 1999) Kritik geübt.<br />

Trainings zur phonologischen Bewusstheit reduzieren metasprachliche Entwicklung auf den metaphonologischen<br />

Aspekt. Andere Aspekte bleiben unberücksichtigt,<br />

• bleiben als Handlungen, in denen metaphonologische Operationen gefördert werden ohne subjektive<br />

Bedeutung <strong>für</strong> die schriftsprachliche Tätigkeit. Der einzige Sinn, Phoneme aus dem kontinuierlichen Strom<br />

der Lautsprache zu isolieren, ist, den alphabetischen Aufbau der Schriftsprache zu erfassen, Sprache somit zu<br />

verschriften und die eigenen Handlungskompetenzen erweitern zu können,<br />

• bewerten die Lese- und Schreibtätigkeit als technische Angelegenheit (-Kulturtechnik-) und blenden die Rolle<br />

der Teilhabe an Schriftkultur aus. Dass die technische Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht automatisch<br />

zur kompetenten Nutzung dieser Fähigkeit führt, belegt u.a. ein Detail der PISA-Studie (Baumert et al. 2000),<br />

nach der 42 Prozent der befragten Jugendlichen nie zum Ver gnügen lesen. Einen derart hohen Anteil von<br />

Leseunlust konnten die PISA-Forscher in keinem anderen Land finden.<br />

Zudem kann die diesbezügliche Forschung leider keine Daten zum Einfluss literaler Erfahrung anbieten. Es ist zu<br />

vermuten, dass Kinder aus literal geprägten Familien stärker von einem Training der phonologischen<br />

Bewusstheit profitieren können als Kinder ohne Schrifterfahrungen.


sind stärker entfaltet in Nickel (2004 i.V.). An<br />

dieser Stelle soll der Fokus auf die praktischen<br />

Inhalte derartiger Programme begrenzt werden.<br />

Mit »Family Literacy« kann prinzipiell der<br />

G eb rau ch lit eraler Praktiken, d ie Zu sammenarbeit<br />

von Schule und Familien, oder es<br />

kö nnen generat ionsüberg r eifende Interv e ntionsprogramme<br />

gemeint sein. Die folgenden<br />

A u s f ü h ru ngen w erden sich auf letztere s<br />

beziehen, also auf die übergreifende Arbeit.<br />

Z i e l g ru ppe des Ansatzes sind Elt ern mit<br />

geringer formaler Bildung und/oder negativen<br />

Schulerfahrungen samt ihrer Kinder im<br />

Vorschulalter. Für diese Familien – so die<br />

Erfahrung – wirkt Family Literacy häufig als<br />

„bridge to literacy« »from generation to generation«.<br />

Das Charakteristische an Family-Literacy-<br />

Programmen ist ihr Aufbau in drei Teilen:<br />

• In den Sitzungen mit Eltern verbessern die<br />

E l t e rn ihre eigenen Gru n d b i l d u n g skompetenzen.<br />

Zudem erhalten sie Informationen<br />

darüber, wie ihr Kind in sprachlicher<br />

und literaler Hinsicht lernt und wie<br />

sie dieses Lernen unterstützen können. In<br />

den Elternsitzungen bereiten die Eltern das<br />

wöchentliche gemeinsame Treffen vor.<br />

• In den Sitzungen mit Kindern wird der<br />

Schwerpunkt auf sprachliche, kreative und<br />

literale Aktivitäten gelegt.<br />

• In den gemeinsamen Sitzungen führen die<br />

Eltern lern- und entwicklungsförderliche<br />

Aktivitäten mit ihren Kindern durch. Die<br />

Kursleiterinnen sind dabei supervisorisch<br />

tätig. In den kommenden Sitzungen mit<br />

Eltern werden die gemachten Erfahrungen<br />

reflektiert.<br />

Im Wesentlichen basiert Family Literacy<br />

auf drei Säulen <strong>für</strong> zwei Generationen, die<br />

k oo perativ miteinand er u nd am gemeinsamen<br />

Gegenstand tätig werden. Dabei bringt<br />

f a m i l i e n o r i e n t i te e r Literalisierung Elem ente<br />

aus Vorschulpädagogik, Erwachsenenbildung<br />

u nd Elternb ildu ng zusam men, entfalt et<br />

jedoch durch seinen generationsübergreifend<br />

en, systemischen Charakter eine höhere<br />

Qualität als jede dieser einzelnen Komponenten<br />

<strong>für</strong> sich getrennt. Die konkrete Praxis von<br />

Family Literacy könnte beispielhaft wie folgt<br />

aussehen, wobei eine Reihe weiterer Bereiche<br />

denkbar ist: 1<br />

• In der »Elternsitzung« erfahren die Eltern<br />

die Bedeutung von kreativen Aktivitäten<br />

<strong>für</strong> die kindliche Entwicklung. Dabei werden<br />

sie mit einer Reihe kre a t i v e r<br />

Arbeitsweisen vertraut gemacht wie z.B.<br />

Malen, Modellieren, Anfertigen von<br />

Collagen etc. Es wird besprochen, wie diese<br />

Aktivitäten einfach und kostengünstig zu<br />

Hause durchgeführt werden können.<br />

• In der »Kindersitzung« werden die Kinder<br />

ermutigt zu experimentieren. Ihnen wird<br />

die Möglichkeit gegeben, möglichst viele<br />

G eräte, Werk zeuge und Mat erialen<br />

auszuprobieren.<br />

• In der »gemeinsamen Sitzung« probieren<br />

Eltern etc. kreative Aktivitäten zusammen<br />

mit den Kindern aus.<br />

• D ie »Elternsitzung « dient dazu, die<br />

gesellschaftliche Bedeutung der Schrift im<br />

persönlichen Umfeld zu erkennen. Es wird<br />

gemeinsam erarbeitet, an welchen Stellen<br />

im persönlichen Alltag Lesen und<br />

Schreiben eine Rolle spielt oder spielen<br />

könnte.<br />

• D ie »Kind ersitzung« soll den Kind ern<br />

helfen, sich der Sprache und der Schrift in<br />

i h rer Umwelt bewu sst(er) zu werd e n .<br />

Beispielsweise werden mit Hilfe einer<br />

Einkaufsliste die Namen der Lebensmittel<br />

erarbeitet. Dabei können Geschmack und<br />

die Beschaffenheit der Lebensmittel verbal<br />

beschrieben werden.<br />

• Die »gemein sam e Sitzung« kö nnte au s<br />

einem Einkaufsgang best ehen, bei dem<br />

Eltern zusammen mit ihren Kindern verschiedene<br />

Lebensmittel auf der Grundlage<br />

einer gem einsam erstellt en Einkaufsliste<br />

besorgen und probieren. Auf dem Weg<br />

zum Su permarkt k önnten Sch ild er,<br />

Symbole und Straßennamen aufmerksam<br />

1 Die folgende Übersicht geht partiell zurück auf die Zuarbeit von Yvonne Zirra und Markus Rahde, beide<br />

Studierende an der Universität Bremen. Vgl. auch: Brooks et al. 1996, NCFL 2000 sovle: The Basic Skills<br />

Agency (o.J.). Developing Family Literacy. Four 30minute Training Programmes for Teachers (Video),<br />

London. Weiter e Bereiche könnten sich beispielsweise auf die sprachlich-kommunikative Entwicklung (z.B.<br />

durch den Einsatz von Handpuppen), die Entwicklung des Wortschatzes, die Entwicklung von Weltwissen<br />

oder die indviduelle Entscheidungsfähigkeit richten.


etrachtet werden. Alternativ bietet sich<br />

die Erkundung der Schriftvielfalt in der<br />

Nähe der häuslichen Wohnung oder/und<br />

auf dem Weg zum Kindergarten an.<br />

• In der »Elt ernsitzung« erf a h ren Elt ern ,<br />

welch e Sp iele w elche speziellen Fert i gkeiten<br />

fördern können und wie diese Spiele<br />

sowohl im Kindergar ten bzw. in der Schule<br />

als auch zu Hause durchgeführt werden<br />

können.<br />

• In der »Kindersitzung« liegt der Fokus auf<br />

sozialen Fertigkeit en, die zum Spielen<br />

benötigt werden. Dazu zählen beispielsweise:<br />

teilen können, gewinnen und verl<br />

i e ren kö nnen, mit einer möglichen<br />

Wendung der Spielsituation umgehen können<br />

usw.<br />

• In der »gemeinsamen Sitzung« betrachten<br />

Eltern und Kinder eine Reihe von Spielen<br />

<strong>für</strong> zu Hause oder <strong>für</strong> den Schulgebrauch,<br />

um später einige dieser Spiele gemeinsam<br />

auszuprobieren.<br />

• Die »Elternsitzung« soll den Eltern zu einer<br />

Bewusstseinsbild ung bezüglich der Bedeutu<br />

ng regelm äßigen Vo rlesens b zw.<br />

Betrachtens von Bilder- und Kinderbüchern<br />

dienen. Sie können somit einen<br />

Überblick über das Angebot an Kinderb<br />

ü c h e rn und -kassett en erhalten u nd<br />

dadurch die Möglichkeiten erkennen, die<br />

sich ihnen und ihren Kindern bieten.<br />

• Die »Kindersitzung« macht die Kinder mit<br />

einer Bibliothek vertraut; sie können sich<br />

d o rt Bücher anschau en oder mit nach<br />

Hause nehmen. Ziel ist es, einer Geschichte<br />

zuhören zu können, sie nacherzählen zu<br />

können oder einen möglichen weiteren<br />

Verlauf antizipieren zu können.<br />

• Die »gemeinsam e Sitzung« können die<br />

Eltern nutzen, um mit ihren Kindern eine<br />

Bücherei zu besuchen. Dort können sie<br />

eine Reihe von Büchern und Kassetten<br />

betrachten und einer Geschichte zuhören,<br />

die von der Bibliothekarin vorgelesen wird.<br />

Vorlesebegleitende Dialoge werden modellhaft<br />

erlebt. Natürlich können die Eltern<br />

auch selbst vorlesen oder sich Bücher zum<br />

Vorlesen mit nach Hause nehmen.<br />

• In der »Elternsitzung« erfahren die Eltern<br />

die Wicht igkeit der einzelnen Entwick-<br />

lungsstufen des Schriftspracherwerbs. Die<br />

Eltern lernen Mittel und Wege kennen, wie<br />

sie ihre Kind er auf ihrem jew eilig en<br />

Entwicklungsniveau unterstützen können.<br />

F e rner gewinnen die Eltern einen<br />

Überblick über eine Reihe von Materialien<br />

und Akt ivität en, w elch e die Schre i bfertigkeit<br />

ermutigen und unterstützen, wie<br />

beisp ielsw eise: Um gang mit Schere n ,<br />

Kreide, Farben, Filz, Zeichenstiften jeder<br />

A rt , G emälden, Bildern, Gesch icht en,<br />

Reimen, Liedern etc.<br />

• In der »Kindersitzung« verfassen Kinder<br />

erste »Briefe« und können m it allen<br />

möglichen Materialien ihre gestalterischen<br />

Qualität en ent wick eln; durch Bast eln,<br />

Schneiden, Malen usw. entwickelt sich<br />

zudem ihre Fingerfertigkeit.<br />

• In der »gemeinsamen Sitzung« können die<br />

Eltern mit Kindern verschiedene Aktivitäten<br />

aus dem Bereich des Malens und des<br />

frü hen Schreibens auspro b i e ren. Dab ei<br />

erkennen sie die jeweiligen Entwicklungsniveaus<br />

ihres Kinder.<br />

Auch d ie Stiftun g Lesen re s ü m i e rt: „»Die<br />

Eltern unterrichten und die Kinder erreichen«<br />

ist ...p d er zurzeit Erfolg verspre c h e n d s t e<br />

Ansatz zur Ve r b e s s e ru ng d er Lese- u nd<br />

Schreibkompetenz in breiten, sozial benachteiligten<br />

Bevölkerungsschichten“ (Franzmann<br />

u.a. 2002, 186).<br />

Die angelsächsischen Erf a h rungen mit<br />

dem familienzentrierten Ansatz zeigen, dass<br />

Familienprogramme sinnvoll an bestehende<br />

Bildungsinstitutionen (Kindergarten, Schule,<br />

E rwachsenenbildu ng) angebu nden werd e n<br />

können. Die Ergebnisse ermutigen, diesen<br />

Bereich systematischer und auf eine mögliche<br />

Adaptation hin zu untersuchen. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass diese Aktivitäten in ein größeres<br />

Forschungs- und Modellprogramm münden.<br />

Daneben wäre es wün sch ensw ert, dass<br />

schu lische Einrichtu ngen die Bedeutu ng<br />

dieses Ansatzes <strong>für</strong> sich erkennen und ihn im<br />

Rahmen ihrer Möglichkeiten, also auf lokaler<br />

Basis, praktizieren. Erste eigene Ansätze lassen<br />

sich in Hamburg sowie in Graz vernehmen.<br />

Auf wissenschaft licher bzw. bildungspolitischer<br />

Eb ene fin den diese Aktivitäten ihre<br />

E n t s p rechungen in Auffassu ngen der<br />

Universität Bremen und des Bundesverbandes<br />

Alphabetisierung.<br />

I n s b e s o n d e re <strong>für</strong> Schulen in sozialen<br />

Brennpunkten bietet sich eine Einbindung<br />

familienorientierter Bildungsarbeit in das jeweilige<br />

Schulprogramm an. Wenn es möglich<br />

ist, die Chancen auf Bildungst eilh ab e<br />

soziokulturell benachteiligter Kinder durch


eine Veränderung ihrer Alltagswelt zu verg<br />

r ö ß e rn, dann sollte ü berlegt werden , in<br />

welcher Form Schule zur Bildungsinstitution<br />

eines Stadtteils werden kann. Dabei soll nicht<br />

verschwiegen werden, dass die Erfahrungen<br />

mit ähnlichen Ansät zen auch Gre n z e n<br />

aufzeigen, z.B. wenn ökonomische, psychische<br />

und soziale Probleme der Familien so<br />

sehr kum ulieren, dass an dieser Stelle<br />

Maßnahmen der Sozialarbeit und der psychotherapeutischen<br />

Unterstützung notwend<br />

ig wären. Gleichzeitig gilt es, d iese<br />

sozialp ädago gische u nd -therapeut ische<br />

Arbeit stärker mit schulischer Bildungsarbeit<br />

zu verknüpfen.<br />

Es kö nnte sinnvo ll sein, Elternbildu ng hier zu<br />

Land e als originäre Aufgab e staat licher<br />

Bild ungsinstitutionen zu sehen. Generell bedarf<br />

es dazu meiner Ansicht nach einer gru n d l e g e -n<br />

den Änderung in Richt ung einer „familienzent<br />

r i e rten Bildun gspolitik“ (Achenbach 20 03)<br />

und damit einer Änderung der gesamtgesellschaftlichen<br />

Auffassung von Schule. In<br />

einer solchen Auffassung könnte sich Schule –<br />

mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet –<br />

<strong>für</strong> alle Menschen in ihrem Einzugsgebiet<br />

zuständig fühlen und sich als Lern- wie auch<br />

als Lebensmittelpunkt eines Stadtteils oder<br />

einer Kommune begreifen.<br />

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