bewältigung reduzie- ren, doch die Vergan - eBook.de
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Schwerpunkt<br />
Der Tod und<br />
<strong>die</strong> Frauen<br />
Krimiautorinnen haben sich rund um <strong>de</strong>n Globus einen festen platz im Genre<br />
erkämpft. Zunächst schrieben sie klassische rätselkrimis, eine zweite Generation<br />
interessierte sich beson<strong>de</strong>rs für <strong>die</strong> psychologischen Aspekte von Verbrechen.<br />
Heute schreiben Frauen immer häufiger auch Thriller.<br />
Text: Benjamin Gygax<br />
12 – books – September 2010<br />
Die alte Dame auf <strong>de</strong>r vergilbten Fotografie<br />
blickt mit melancholischen Augen auf ein<br />
Buch. Sie hat <strong>die</strong> weissen Haare hochgesteckt<br />
und sieht so aus, wie man sich sein<br />
Grosi wünscht. Doch <strong>die</strong> Frau hat’s in sich<br />
– <strong>de</strong>nn sie ist sozusagen <strong>die</strong> Mutter aller<br />
Mor<strong>de</strong>. Auguste Groner wur<strong>de</strong> 1850 in<br />
Wien gebo<strong>ren</strong>, war mit <strong>de</strong>m Journalisten<br />
Richard Groner verheiratet, arbeitete als<br />
Lehrerin und lebte bis 1929 im Wien <strong>de</strong>r<br />
k.u.k.-Monarchie. Die Österreicherin schuf<br />
mit Joseph Müller <strong>de</strong>n ersten Polizei<strong>de</strong>tektiv<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachigen Literatur. Er<br />
zog seine Leserschaft in einer Serie von 13<br />
kürze<strong>ren</strong> und länge<strong>ren</strong> Geschichten in <strong>de</strong>n<br />
Bann. Diese Geschichten machten Auguste<br />
Groner zur bekannten Krimiautorin; ihre<br />
Geschichten wur<strong>de</strong>n ins Englische übersetzt,<br />
erschienen in Skandinavien und sollen<br />
in <strong>de</strong>n Anfängen von Hollywoods Filmindustrie<br />
sogar verfilmt wor<strong>de</strong>n sein. Heute<br />
ist Auguste Groner wie<strong>de</strong>r weitgehend unbekannt.<br />
Ihr bleibt aber <strong>die</strong> Ehre, als Ahnmutter<br />
aller Krimiautorinnen zu gelten.<br />
Sherlock Holmes’ Kollege<br />
Die Abenteuer <strong>de</strong>s Detektivs Joseph Müller<br />
heissen «Die gol<strong>de</strong>ne Kugel», «Der Brief<br />
aus <strong>de</strong>m Jenseits» o<strong>de</strong>r «Der Mann mit<br />
<strong>de</strong>n vielen Namen». Wer bei <strong>die</strong>sen Titeln<br />
an Arthur Conan Doyle <strong>de</strong>nkt, liegt nicht<br />
falsch. Auguste Groner veröffentlichte ihre<br />
erste Kriminalgeschichte 1889 – noch bevor<br />
Conan Doyles Werke auf Deutsch übersetzt<br />
wa<strong>ren</strong>. Doch sie teilte mit <strong>de</strong>m etwas jünge<strong>ren</strong>,<br />
aber viel bekannte<strong>ren</strong> Doyle das Interesse<br />
für rätselhafte Fälle, in <strong>de</strong>nen zunächst<br />
übersinnliche Kräfte am Werk scheinen,<br />
<strong>die</strong> sich unter <strong>de</strong>n wachen Augen <strong>de</strong>s Detektivs<br />
aber bald rational erklä<strong>ren</strong> lassen.<br />
Sherlock Holmes und Joseph Müller verbin<strong>de</strong>n<br />
das methodische Vorgehen mit <strong>de</strong>m<br />
Scharfsinn. Und bei<strong>de</strong> haben ihr dunkles<br />
Geheimnis: Sherlock Holmes füllt <strong>die</strong> Zeit<br />
zwischen seinen Fällen mit Morphium, Kokain<br />
und Geigenspiel, Müller sass schon<br />
einmal selbst im Gefängnis. Vielleicht ist es<br />
<strong>die</strong>se <strong>Vergan</strong>genheit, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n unauffälligen<br />
Mann empfänglich macht für <strong>die</strong> Schicksale<br />
von Opfern und Tätern. Auf je<strong>de</strong>n Fall<br />
interessiert sich Müller im Gegensatz zum<br />
intellektuellen Dandy Holmes mehr für <strong>die</strong><br />
Die mutter aller mor<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schriftstellerinnen:<br />
Die Österreicherin Auguste Groner.