Siri Hustvedt Liebe auf dem Prüfstand - boersenblatt.net
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Heft 2 • 2011 ISSN 0178-7241<br />
Schmökerzeit<br />
Die besten<br />
historischen Romane<br />
des Frühjahrs<br />
Vor 30 000 Jahren<br />
Jean M. Auels<br />
Eiszeitsaga<br />
Ab in den Garten<br />
Ratgeber für den<br />
Start in die neue<br />
Pflanzsaison<br />
Glanz und Elend<br />
Das rätselhafte Leben<br />
Ludwigs II.<br />
SchwErpunkt<br />
^ Reise und<br />
Sprachen<br />
Die Journalistin Andrea<br />
Böhm über ihre Reisen<br />
durch den Kongo;<br />
verführerische Länderküchen<br />
und Tipps für<br />
Radtouren-Führer<br />
Gewinnspiel<br />
buchjournal.de<br />
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Weil Lesen Spaß macht<br />
t<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong><br />
<strong>Liebe</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Prüfstand</strong>
AUSGEZEICHNET MIT<br />
2 GOLDEN GLOBES ®<br />
BESTER FILM & BESTE SCHAUSPIELERIN (Komödie/Musical) – ANNETTE BENING, 2011<br />
„... TOLL GESPIELTER FAMILIENFILM,<br />
DER DIE SEELE WÄRMT!“<br />
(GRAZIA)<br />
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Golden Globe ® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Hollywood Foreign Press Association. Universal Pictures International Entertainment ist unabhängig von der Hollywood Foreign Press Association.<br />
Film © 2010 TKA Alright, LLC. Alle Rechte vorbehalten. Artwork © 2011 Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.
© Denis Stanisic<br />
Eckart Baier, Redaktionsleiter<br />
e.baier@buchjournal.de<br />
<strong>Liebe</strong> Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
D ass<br />
Editorial<br />
ein Sieger laut jubelt<br />
oder seine Freude auch mal<br />
herausschreit, hat das Publikum in<br />
Leipzig schon erlebt. Der Oberton gesang<br />
von Clemens J. Setz, <strong>dem</strong> Gewinner<br />
des Belletristikpreises der diesjährigen<br />
Leipziger Buchmesse, gehört aber<br />
zweifellos zu den ungewöhnlichsten Klängen, die man in der riesigen<br />
Glashalle je vernommen hat. Wie es dazu kam, lesen Sie in unserem<br />
Porträt des jungen Mannes, der die Jury mit einem Roman überzeugte,<br />
der lesenswert, aber alles andere als leichte Lesekost ist (Seite 18).<br />
Für den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse, bei <strong>dem</strong> das<br />
Buchjournal Medienpartner ist, war auch Andrea Böhm mit ihrem<br />
Kongo-Band „Gott und die Krokodile“ in der Kategorie Sachbuch nominiert.<br />
Buchjournal-Redakteurin Sabine Schmidt hat mit der mutigen<br />
Reporterin für unseren Schwerpunkt Reise und Sprachen über<br />
ihre gefahrvollen und faszinierenden Reisen ins Herz von Afrika gesprochen<br />
(Seite 74).<br />
New York, eines der beliebtesten Reiseziele für Touristen aus Europa,<br />
ist die Heimat der Schriftstellerin <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong>. Zusammen mit ihrem<br />
Mann, <strong>dem</strong> Schriftsteller Paul Auster, lebt sie in Park Slope, <strong>dem</strong> grünen<br />
Künstlerviertel im Stadtteil Brooklyn. Im Gespräch mit <strong>dem</strong> Buchjournal<br />
berichtet sie über ihr Leben in der Millionenstadt, über ihre Leidenschaft<br />
für die Hirnforschung und über ihren neuen Roman „Der Sommer<br />
ohne Männer“ (Seite 12).<br />
Neue Bücher, spannende Autoren, Gewinnspiele und aktuelle<br />
Nachrichten aus der Literaturszene: Klicken Sie rein in unser frisch<br />
renoviertes Inter<strong>net</strong>angebot unter www.buchjournal.de. Wir sind<br />
gespannt <strong>auf</strong> Ihre Meinung!<br />
buchjournal 2/2011<br />
3<br />
Die wertvollsten<br />
und erhabensten<br />
Geschichten<br />
schreibt das Leben.<br />
Zehn Jahre brauchte der junge<br />
Enaiat, um sich von Quetta in<br />
Pakistan nach Italien durchzuschlagen.<br />
Wer seiner Geschichte lauscht,<br />
bekommt eine Ahnung vom schieren<br />
Glück, am Leben zu sein.<br />
© Gestaltung: bürosüd°, München<br />
Auch als Hörbuch bei<br />
Random House Audio.<br />
Gelesen von Robert Stadlober.<br />
www.knaus-verlag.de<br />
Roman, 192 Seiten, gebunden, h 16,99 [D]
Bücher<br />
für eine bessere Welt<br />
Eine ebenso verblüffende wie auch beeindruckende<br />
Erzählung, die Sie <strong>auf</strong> unerwartete<br />
Weise berühren wird: Sie begegnen<br />
Cora, einer energischen und quicklebendigen<br />
alten Dame, die doch tatsächlich eine<br />
Rebellion im Seniorenheim anzettelt. Und<br />
Sie lernen einen engagierten, jungen Anwalt<br />
kennen, der sich von Coras Charme umgarnen<br />
lässt und durch sie einen völlig neuen<br />
Blickwinkel <strong>auf</strong> unsere älteren Mitmenschen<br />
gewinnt. Nicht nur lesenswert, sondern<br />
unvergesslich!<br />
96 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-922028-16-1 12,50 €/20,- sFr<br />
Mitreißend und faszinierend erzählt der<br />
Autor die ungewöhnliche Geschichte eines<br />
wortkargen und etwas eigenbrötlerischen<br />
Maurers, der allein in einer Hütte am Meer<br />
lebt und abends wundervolle Musik <strong>auf</strong><br />
seinem geliebten, alten Klavier spielt. Tamaratou,<br />
chaotisch, rätselhaft – süchtig und <strong>auf</strong><br />
der Suche –, hört ihm zu und schöpft durch<br />
seine Musik und ihn endlich wieder Hoffnung.<br />
Eine außergewöhnliche Beziehung<br />
beginnt: Ist Zuneigung wirklich stärker als<br />
Sucht?<br />
96 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-922028-27-7 12,50 €/20,- sFr<br />
Postfach 11 06 · 70701 Fellbach<br />
lucy körner verlag<br />
Inhalt<br />
Titel<br />
12 <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> _ Seit 30 Jahren ist sie mit <strong>dem</strong> Schriftsteller Paul Auster<br />
verheiratet – glücklich, wie es heißt. Im neuen Roman der New Yorker Autorin<br />
geht es anders zu: Hier wird die Hauptfigur Mia nach 30 Jahren verlassen.<br />
Literatur / Hörbücher<br />
17 Künstlerszene _ Provozierend und ausgezeich<strong>net</strong>: Michel Houellebecqs neuer Roman<br />
18 Leipziger Buchmesse _ Die Sieger beim Preis der Leipziger Buchmesse 2011<br />
22 Lesestoff Romane _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
24 Historische Romane _ Spannender Schmökerstoff über vergangene Zeiten<br />
26 Steinzeitsaga _ Jean M. Auel beendet ihre Serie über die Cromagnon-Heldin Ayla<br />
28 Interview _ Richard Dübell ist fasziniert vom Mittelalter<br />
30 Lyrik _ Immer wieder totgesagt – und doch ist die Poesie sehr lebendig<br />
32 Fantasy_ Die Romane von Terry Pratchett werden neu übersetzt<br />
34 Buchjournal-Tipp _ „Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger<br />
42 Neue Hörbücher _ Eine Auswahl für die Ohren<br />
Krimis und Thriller<br />
35 Lesestoff Krimis _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
37 Dunkelkammer _ Die Krimikolumne von Tobias Gohlis<br />
38 Deutsch-deutsche Geschichte _ Elisabeth Herrmann über Stasi und BND<br />
Sachbücher / Ratgeber<br />
44 Garten _ Gesund und praktisch: Neue Bücher geben Tipps für Obst und Gemüse<br />
48 Deutscher Gartenbuchpreis _ Die schönsten Gartenbücher des Jahres<br />
50 Landlust _ Großstadtjournalisten sehnen sich nach Natur- und Dorfleben<br />
54 Lesestoff Sachbücher _ Neuerscheinungen kurz und knapp<br />
56 Erotik _ Bild- und Fotobände mit unverhüllten Schönheiten<br />
58 Biografie _ Erinnerungen an den bayerischen Träumer Ludwig II.<br />
60 Religion _ Plädoyers für Reformen der christlichen Kirchen<br />
66 Buchmarkt _ BücherScheck und neuebuecher.de<br />
Kinder- und Jugendbuch<br />
70 Thriller _ Bestsellerautorin Kathy Reichs schreibt nun auch für Kids<br />
72 Lesestoff _ Neuerscheinungen zum Lesen und Vorlesen<br />
12<br />
4<br />
© Beowulf Sheehan<br />
50<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Igor Plotnikov
© Cordula Giese<br />
© Boris Breuer<br />
Schwerpunkt Reise und Sprachen<br />
74 Andrea Böhm _ Seit 2002 ist die „Zeit“-Redakteurin immer wieder im Kongo<br />
unterwegs. Im Buchjournal-Gespräch erklärt sie, warum sie das durch Diktaturen<br />
und Kriege verwüstete, verstörende Land trotz allem auch faszinierend findet.<br />
78 Nachgefragt _ Welche Erfahrungen macht Manuel Andrack beim Wandern?<br />
80 Kulinarische Reiseführer _ Genussideen aus aller Welt<br />
83 Übersetzungscomputer _ Drei Geräte im Buchjournal-Test<br />
84 Lars und Niels Hoffmann _ Mit <strong>dem</strong> Kanu 2 848 Kilometer über die Donau<br />
86 Fahrradbücher _ Tipps für lange Touren und für Ausflüge in die Nachbarschaft<br />
Service<br />
62 BuchTipps _ Neuerscheinungen im Überblick<br />
Rubriken<br />
3 Editorial<br />
6 Leselust<br />
10 Schön & Gut<br />
buchjournal 2/2011 5<br />
16 Stratmanns Welt _ Die Komikerin<br />
über ihre Lesereisen<br />
40 Mediathek<br />
68 Wir lesen<br />
69 Leselotse<br />
88 Bücherköpfe<br />
89 Impressum<br />
89 Ganz oder gar nicht _ Dieter Nuhr<br />
90 Ratelust _ Das Buchjournal-Gewinnspiel<br />
74 80<br />
Titelbild: © Ulf Andersen / Getty Images<br />
© Elena Abramova<br />
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<br />
Jared Diamond, Pulitzer-Preisträger<br />
und Autor von »Kollaps«<br />
und »Arm und Reich«<br />
www.campus.de<br />
656 Seiten, Gebunden, € 24,90
Leselust_Auf und davon<br />
Magische Orte<br />
Man muss kein Buddhist sein, um beim Anblick der bunten Gebetsfahnen in Lumbini, <strong>dem</strong> Geburtsort<br />
des Buddhas Siddharta in Nepal, ergriffen zu sein. Und die Wanderung hin<strong>auf</strong> zum 2 285 Meter<br />
hohen Berg Sinai, <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> einst Moses um göttlichen Rat fl ehte, ist auch für Nichtchristen ein<br />
grandioses Erlebnis. Es gibt Plätze <strong>auf</strong> dieser Erde, die unsere Seele berühren, ganz gleich, ob wir<br />
uns mit der jeweiligen Tradition kulturell und spirituell verbunden fühlen oder nicht. Zu den 400<br />
magischen, inspirierenden Orten, die uns in diesem Band begegnen, gehören der heilige Adam’s<br />
Peak <strong>auf</strong> Sri Lanka ebenso wie die rätselhaften Skulpturen <strong>auf</strong> den Osterinseln, der Aachener Dom<br />
oder das Hindufest Kumbha Mela in Indien, wo sich alle drei Jahre Millionen Menschen treffen. bai<br />
^ „400 inspirierende Reisen, die Sie nie vergessen werden. Von Angkor bis zu den Zedern Gottes“.<br />
National Geographic, 300 S., 39,95 € (D) • 41,20 € (A) • 69,90 sFr.<br />
Faszination Grube Messel<br />
Die Grube Messel bei Darmstadt ist eine der bedeutendsten<br />
Fossilienfundstätten der Erde – die<br />
1990 beinahe zur Mülldeponie wurde. Ein Formfehler<br />
der Planungsbehörde und der Einsatz des<br />
damaligen hessischen Umweltministers Joschka<br />
Fischer verhinderten die Katastrophe. Wer<br />
Deutschland erkundet, darf an Messel nicht vorbeifahren.<br />
Den Besucher erwartet eine faszinierende<br />
Reise in eine Zeit, als hier noch tropischer<br />
Urwald wucherte und Tiere lebten, deren versteinerte<br />
Überreste Zeugnis ablegen von jener<br />
Welt vor 47 Millionen Jahren. Das Begleitbuch zum<br />
neu eröff<strong>net</strong>en Besucherzentrum macht Lust <strong>auf</strong><br />
diese spannende Entdeckungsreise.<br />
bai<br />
^ Gerd Mangel: „Faszination<br />
Welterbe Grube Messel“.<br />
Schweizerbart, 160 S.,<br />
14,80 € (D) • 15,30 € (A) •<br />
24,90 sFr.<br />
© National Geographic<br />
»Das Wesen des<br />
Reisens liegt<br />
nicht darin,<br />
wohin man<br />
reist, sondern in<br />
<strong>dem</strong>, was man<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Weg<br />
dahin sieht«<br />
Lord Byron (1788 – 1824),<br />
englischer Dichter<br />
Der Heilige Garten<br />
in Lumbini,<br />
<strong>dem</strong> Geburtsort<br />
Buddhas<br />
Wildnis in Deutschland<br />
„Emotional die stärkste Unternehmung“ war<br />
für den Dokumentarfi lmer Andreas Kieling<br />
seine 1 400 Kilometer lange Wanderung entlang<br />
der ehemaligen innerdeutschen Grenze.<br />
Für Kieling war die Reise, bei der ihn Hündin<br />
Cleo begleitete, so besonders, weil ihn dabei<br />
die Vergangenheit einholte: Mit 16 fl oh er aus<br />
der DDR in den Westen. Seine Gefühle in der<br />
Kindheit und bei der Flucht holten ihn während<br />
seines Wandersommers ein. Auf ergreifende<br />
Weise schildert Kieling die persönlichen Erlebnisse,<br />
doch zeigt er auch, wie viel man zu Fuß<br />
entdecken kann: Biber, Luchse, Wildpferde, Seeadler<br />
und Orchideen beispielsweise.<br />
Ein Wandertagebuch,<br />
das den Leser<br />
emotional packt – und<br />
Lust macht <strong>auf</strong> die Wildnis<br />
mitten in Deutschland. bök<br />
^ Andreas Kieling: „Ein<br />
deutscher Wandersommer“.<br />
Malik, 404 S., 22,95 € (D) •<br />
23,60 € (A) • 34,90 sFr.<br />
Literarisches Wandern<br />
Auf den Spuren Heinrich Heines wanderten Achill<br />
Moser und sein 18-jähriger Sohn Aaron 1 500 Kilometer<br />
von München über die Alpen nach Florenz.<br />
75 Tage dauerte ihr Fußmarsch, der für sie<br />
eine Spurensuche war: eine literarische zuallererst.<br />
Mit den Aufzeichnungen Heines in der Hand<br />
zogen sie los, entdeckten die Orte der Reisestationen<br />
des Dichters, der vor 200 Jahren die gleiche<br />
Route mit der Postkutsche fuhr. Für beide ist<br />
es ebenso eine Suche nach <strong>dem</strong> Sinn des Lebens<br />
gewesen. Ihre Erlebnisse erzählen sie abwechselnd<br />
und jeder <strong>auf</strong> seine Weise. bök<br />
^ Achill und Aaron Moser: „Über die Alpen nach<br />
Italien. Zu Fuß 1 500 Kilometer <strong>auf</strong> den Spuren<br />
Heinrich Heines “. Hoffmann und Campe, 280 S.,<br />
20,– € (D) • 20,60 € (A) • 32,90 sFr.<br />
6<br />
buchjournal 2/2011
uchjournal 2/2011 7<br />
Auf den Spuren von 1001 Nacht<br />
Gerade in Zeiten des politischen Umbruchs in der arabischen Welt<br />
richtet sich heute unser Blicke <strong>auf</strong> diese Region. Doch der Orient<br />
hat uns Europäer nicht zuletzt durch die Geschichten aus Tausendundeiner<br />
Nacht auch literarisch stets fasziniert. Gern lassen wir<br />
uns also betören von den Eindrücken Pier Paolo Pasolinis, die er<br />
bei der Reise zu seinem Film „Erotische Geschichten aus 1001<br />
Nacht“ gesammelt hat. Seine Texte und Recherchen eröffnen uns<br />
den Blick <strong>auf</strong> außergewöhnlich begeisterungsfähige Menschen,<br />
aber auch <strong>auf</strong> widersprüchliche Kulturen – eingefangen in den<br />
faszinierenden Schwarz-Weiß-Fotos von Roberto Villa. bök<br />
^ Pier Paolo Pasolini: „Reisen in 1001 Nacht“. Groothuis Lohfert,<br />
128 S., 24,90 € (D) • 25,70 € (A) • 37,90 sFr.<br />
Es sind atemberaubende Gipfel, die vor knapp zwei Jahren<br />
zum Weltnaturerbe ausgerufen wurden: die Dolomiten.<br />
„Die schönsten Bauwerke“<br />
Die Dolomiten –<br />
grandioses Bergpanorama<br />
Was haben Wattenmeer und Dolomiten gemeinsam?<br />
Beide sind im September 2009 von<br />
der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt worden. Das<br />
italienische Gebirge mit seinen bizarren, teilweise<br />
über 3 000 Meter hohen Kalksteingipfeln erhielt den<br />
Titel als „eine der schönsten Berglandschaften“ der<br />
Welt. Ihren Namen verdankt die Region übrigens<br />
<strong>dem</strong> französischen Geologen Déodat de Dolomieu<br />
^ Reinhold Messner, Ursula<br />
Demeter, Georg Tappeiner:<br />
„Dolomiten. Weltnaturerbe“.<br />
BLV, 288 S., 49,95 € (D) •<br />
51,30 € (A) • 77,90 sFr.<br />
(1750 – 1801). Dessen „abenteuerlichem Leben“, wie es im sehenswerten, großformatigen<br />
Bildband heißt, ist auch gleich ein ganzes Kapitel gewidmet. Überhaupt ist viel<br />
Information verpackt: über die frühen, mutigen Eroberer der schroffen Felswände,<br />
die erdgeschichtliche Herkunft dieser einzigartigen Berge oder – man höre und staune<br />
– über die Literaten und Künstler in den Dolomiten, die sich, wie etwa Gustav<br />
Mahler, Robert Musil oder Franz Marc, in der großartigen Landschaft Kraft und Inspiration<br />
holten. Doch im Mittelpunkt steht das Gebirge selbst – atemberaubende<br />
Fotos einer Landschaft, über die der Architekt Le Corbusier einst sagte: „Die Dolomiten<br />
sind die schönsten Bauwerke der Welt.“ bai<br />
© H. Eisendle, O. Oelz, G. Tappeiner / BLV<br />
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LESELUST_MODEWELT<br />
Japanische Designer prägen seit 30 Jahren die internationale Modeszene. Issey Miyake, Yohi Yamamoto<br />
und Rei Kawakubo heißen die ersten bekannten Designer aus Fernost. Sie brachten<br />
Anfang der 1980er Jahre einen neuen Stil in den Westen. „Kleidung fürs Ende der Welt, die so<br />
aussieht, als ob sie von Bomben zerfetzt worden wäre“, kommentierte damals die Zeitung „Le<br />
Figaro“. Die Designer ließen Kleidungsstücke fl attern und hoben Löcher und Schlitze hervor. Heute<br />
lässt sich die junge, einfallsreiche<br />
Generation von Mo<strong>dem</strong>achern von<br />
der Straßenkultur und Manga-Figuren<br />
beeinfl ussen. Insgesamt gilt die japanische<br />
Modeszene als äußerst innovativ.<br />
Die Kreationen der Designer<br />
brillieren mit einem Rausch an Farben<br />
und <strong>dem</strong> ausgefallenen, fl ippigen<br />
Stil modischer Avantgarde. Jedes<br />
Kleidungsstück wird so zu einem<br />
eigenen Kunstwerk, was den Bildband<br />
zu einer Augenweide werden<br />
lässt. Hilfreich sind außer<strong>dem</strong> die Begleittexte,<br />
die viele Informationen<br />
liefern. „Future Beauty. 30 Jahre Mode<br />
aus Japan“ ist der Katalog zur gleichnamigen<br />
Ausstellung, die noch bis<br />
zum 19. Juni im Münchner Haus der<br />
Kunst zu sehen ist. bö<br />
^ Akiko Fukai, Barbara Vinken,<br />
Susannah Frankel, Hirofumi Kurion:<br />
„Future Beauty. 30 Jahre Mode aus Japan“.<br />
Prestel, 256 S., 39,95 € (D) • 41,10 € (A) •<br />
58,90 sFr.<br />
© 2007 Gustavo Germano.Aus: „Verschwunden Kleidung als Kunstwerk<br />
Fashion und Wissen<br />
Wozu Mode? Wer sind die bestgekleideten Frauen<br />
unserer Zeit? Hat der Papst einen eigenen Modedesigner?<br />
Einen umfassenden Fragekatalog beantwortet<br />
Modejournalistin Stefanie Schütte in<br />
„Mode, Fashion, Haute Couture. Die 101 wichtigsten<br />
Fragen“. Leicht und locker verfasst sie ihre<br />
Antworten. Man erfährt, dass Nylonstrümpfe kein<br />
Muss mehr zum kurzen Rock sind, Öko-Kleidung<br />
<strong>auf</strong> jeden Fall auch fashionable sein kann und<br />
Frauen genau fünf Handtaschen benötigen. Das<br />
Taschenbuch ist Stilberater und Informationsheft<br />
rund um die Mode zugleich.<br />
Für einen ersten Einstieg<br />
in die glitzernde Modewelt<br />
ist es besonders<br />
geeig<strong>net</strong>. bö<br />
^ Stefanie Schütte: „Mode,<br />
Fashion, Haute Couture.<br />
Die 101 wichtigsten Fragen“.<br />
C. H. Beck, 151 S., 9,95 € (D) •<br />
10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
Duftig<br />
Der lebende Grenouille,<br />
das ist Frank J. Schnitzler.<br />
Schon seit Kindertagen<br />
liebte der heute 70-Jährige<br />
die duftende Welt,<br />
später wurde er Parfümerist.<br />
Jetzt hat er ein Lexikon<br />
der Parfüme herausgegeben.<br />
Eine wahre<br />
Fundgrube. Denn die Beschreibungen<br />
der nahezu 1 000 Parfüms geben<br />
genaue Auskunft über den Kreationisten, die Duftnote<br />
und die Entstehung. So lernt man beim Blättern,<br />
dass der „pulsierende, sexy Duft“ des Damenparfüms<br />
Christian Dior Addict von Vanille, der Königin<br />
der Nacht und einer seltenen Kakteensorte<br />
stammt. „Das große Buch vom Parfum“ versprüht<br />
selbst einen ausgefallenen Geruch. bö<br />
^ Frank J. Schnitzler: „Das große Buch vom Parfum“.<br />
Collection Rolf Heyne, 399 S., 29,90 €(D) •<br />
30,80 € (A) • 43,50 sFr.<br />
8<br />
buchjournal 2/2011
© picture-alliance / dpa<br />
Schicke<br />
Fransen: eine<br />
Kreation des<br />
deutschen Designers<br />
Bernard Willhelm<br />
Marilyn im Bikini<br />
K leidung<br />
buchjournal 2/2011 9<br />
Lifestyleberaterin Charlotte Seeling blickt<br />
in ihrem Prachtband „Mode“ zurück <strong>auf</strong> die<br />
150 Jahre alte Geschichte der stilvollen Kleidung.<br />
Von wegen Jacke<br />
wie Hose<br />
TEXT: ELISABETH BÖKER<br />
trägt der Mensch zwar schon seit<br />
Jahrtausenden, doch Mode, wie wir sie heute<br />
kennen, kam erst 1860 <strong>auf</strong>: Der in Paris arbeitende<br />
Engländer Charles Frederick Woth hatte die Idee,<br />
in die von ihm kreierten Roben seine Signatur in<br />
einem Schild einzuarbeiten. Fortan wollten die<br />
noblen Damen nur noch Kleidung mit Namen tragen,<br />
alles andere erschien ihnen nicht edel genug.<br />
Die französische Haute Couture war geboren.<br />
50 Jahre später prägte die französische Designerin<br />
Coco Chanel mit <strong>dem</strong> kleinen Schwarzen und<br />
ihrem Chanelkostüm die Szene. Später in den<br />
Swinging Sixties eroberte die Straßenmode die<br />
L<strong>auf</strong>stege. Heute entwerfen Designer ihre Mode<br />
dagegen für den Massenmarkt, die in den Billigketten<br />
an der Stange hängt.<br />
Die Geschichte der Mode zeigt die Lifestyleberaterin<br />
Charlotte Seeling in einem Prachtband anhand<br />
erstklassiger Modebilder. In kurzweiligen<br />
Texten beleuchtet sie die Veränderungen in einem<br />
umfassenden Kontext. Zu<strong>dem</strong> porträtiert sie die<br />
größten Modeschöpfer. <br />
Lesezeichen<br />
Charlotte Seeling: Mode. 150 Jahre<br />
Couturiers, Designer, Marken.<br />
h. f. ullmann, 512 S.,<br />
49,99 € (D / A) • 79,90 sFr.<br />
Audrey Hepburn im kleinen Schwarzen, Coco Chanel im Kostüm, Marilyn<br />
Monroe im Bikini: Diese Fotos sind Klassiker. Die „Fashion:Box“<br />
vereint 400 solcher legendären Mode<strong>auf</strong>nahmen originell gegliedert<br />
nach Kleidungsstücken. So fi ndet in diesem handlichen Buch die Korsage<br />
ebenso einen Platz wie das Abendkleid und die Hotpants. bö<br />
^ Antonio Mancinelli: „Fashion:Box. Modeklassiker und ihre Stars.<br />
Von der Jeans bis zum Kleinen Schwarzen“. DuMont, 480 S.,<br />
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Schön&Gut<br />
Gärtnern mit Plan<br />
Wenn sich die ersten grünen Blättchen und<br />
Halme zeigen, juckt es jeden Gärtner in den Fingern:<br />
Spaten und Hacke müssen her und die Samentütchen<br />
werden ausgebreitet. Wie schön,<br />
wenn ein Blick in die Aufzeichnungen vom Vorjahr<br />
dann noch einmal in Erinnerung ruft,<br />
welches Pfl änzchen an welcher Stelle am besten<br />
gedeiht, wie die Schattenstaude heißt und wann<br />
die rosa Hortensie zurückgeschnitten werden<br />
sollte. Das Einschreibbuch für individuelle Gartenideen,<br />
Beobachtungen und Rezepte macht<br />
sich besonders hübsch mit gepressten Blüten<br />
und Blättern, Fotos und eigenen Zeichnungen.<br />
^ Einschreibbuch „Mein Garten ”. Flexobroschur,<br />
liniert, Registerstanzung mit Alphabet, drei Cover-<br />
Etiketten, 9,95 €.<br />
www.hoelker-verlag.de<br />
Kühles Nass an heißen Tagen<br />
Im Liegestuhl relaxen, den Sonnenschein genießen<br />
und ein kühles Getränk in Reichweite – das ist<br />
für viele der perfekte Sommertag. Vogelgezwitscher<br />
rundet das Erlebnis <strong>auf</strong>s Schönste ab, nicht<br />
umsonst sind so viele Entspannungsmelodien mit<br />
ihrem Gesang unterlegt. Aber auch Amsel, Drossel,<br />
Fink und Star müssen hin und wieder ihre<br />
Kehle ölen – ganz besonders in der heißen Jahreszeit.<br />
Eine dekorative, stets mit frischem Wasser<br />
gefüllte Tränke sorgt dafür, dass die Vogelschar in<br />
Sangeslaune bleibt – und sogar hin und wieder<br />
ein sehenswertes Badespektakel bietet.<br />
^ Vogeltränke „Blue Blossom Collection“ aus Steingut<br />
mit Dekovogel, ca. 26 x 26 cm, 19,90 €.<br />
www.secretsdupotager.com<br />
© Esschert Design<br />
Abenteuerraum<br />
Spielen unterm Blätterdach, barfuß l<strong>auf</strong>en im Gras, <strong>auf</strong> Bäume klettern: Der Garten ist ein Paradies<br />
für Kinder. Hier entstehen Fantasiewelten, an die sich auch Erwachsene oft noch gern erinnern.<br />
Der Garten lädt ein zum Toben und Spielen, zum Träumen, Beobachten und Entdecken –<br />
und Jungen und Mädchen lieben es, sich in einem versteckten Winkel ihr eigenes kleines Universum<br />
zu schaffen, wo sie unbeobachtet sind. Eine besonders schöne Höhle bietet ihnen das<br />
„Blüteniglu“, eine zeltartige, robuste Konstruktion, die vor Sonne und Wind schützt und vom<br />
Sommer bis zum Winter zum Einsatz kommt: Das Spielzelt kann im Garten ebenso <strong>auf</strong>gebaut<br />
werden wie im Kinderzimmer und bietet Raum für die besten Abenteuer.<br />
^ Spielzelt „Blüteniglu“ aus Nylon mit Fiberglasgestänge. 155 x 120 x 125 / 250 cm, 120 €.<br />
www.haba.de<br />
Zuschauen, wie es wächst<br />
Im Frühling gibt es für Kinder jede Menge zu entdecken.<br />
Und vom Samenkorn bis zur blühenden<br />
Pfl anze das werdende Grün zu beobachten<br />
macht ihnen großen Spaß. Auch <strong>auf</strong> der Fensterbank<br />
oder <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Balkon können kleine Hobbygärtner<br />
mit einem Mini-Gewächshaus selbst aktiv<br />
werden: Schnell wachsende Bohnenkerne<br />
und Kressesamen werden unter durchsichtigen<br />
Kuppeln zum Keimen gebracht. Das Anleitungsheft<br />
gibt Tipps zur richtigen Aufzucht und regt<br />
junge Forscher zum Experimentieren an.<br />
^ Experimentier-Set „Mein erstes Gewächshaus“,<br />
u. a. mit Samentütchen, Erdsubstrat, Pfl anzentöpfchen,<br />
Thermometer, Pipette, 19,90 €. www.kosmos.de<br />
Ein Haus für kleine Vögel<br />
Mitzuverfolgen, wie Vogeleltern ihre Jungen<br />
<strong>auf</strong>ziehen, ist total spannend. Und wer seinen<br />
gefi ederten Freunden eine geeig<strong>net</strong>e Behausung<br />
zur Verfügung stellt, kann sie mit etwas<br />
Glück bald in der Nachbarschaft begrüßen. Der<br />
Bausatz für einen Nistkasten kann kinderleicht<br />
zusammengesteckt werden – ganz ohne Sägen<br />
und Hämmern. So können sich Spatzen, Meisen<br />
und andere höhlenbrütende<br />
Vögel häuslich einrichten,<br />
und kleine und große<br />
Naturfreunde haben<br />
Spaß daran, ihr eifriges<br />
Tun beim Nestbau<br />
mitzuerleben.<br />
^ Nistkasten-Box<br />
„Vogelkinder in deinem<br />
Garten“. Nistkasten<br />
aus Holz zum Zusammenbauen<br />
mit Buch<br />
(32 S., ab 6 Jahren),<br />
24,95 €.<br />
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10<br />
buchjournal 2/2011<br />
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Leser*<br />
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Titel<br />
Sie schreibt kluge Romane, die sich noch dazu gut verk<strong>auf</strong>en: <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong><br />
wird von ihren Leserinnen geliebt – auch weil sie sich in ihren Geschichten<br />
wiederfinden. Das zeigt auch ihr neues Buch „Der Sommer ohne Männer“.<br />
Intellektuelle<br />
mit Glamourfaktor<br />
TEXT: ECKART BAIER • FOTOS: BEOWULF SHEEHAN<br />
es sind Geschichten wie diese, für die<br />
Leserinnen <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> lieben: 30 Jahre<br />
lang sind die New Yorker Dichterin Mia<br />
und der Neurowissenschaftler Boris glücklich<br />
verheiratet. Und dann, so lesen wir in<br />
<strong>Hustvedt</strong>s neuem Roman „Der Sommer<br />
ohne Männer“, ist plötzlich alles anders: Er<br />
wolle eine „Pause“ von der Ehe einlegen, erklärt<br />
Boris der perplexen Gattin. „Die Pause<br />
war eine Französin mit schlaffem, aber<br />
glänzen<strong>dem</strong> braunen Haar. Sie hatte einen<br />
signifikanten Busen, der echt, nicht künstlich<br />
war, eine schmale Rechteckbrille und<br />
einen exzellenten Verstand. Natürlich war<br />
sie jung, zwanzig Jahre jünger als ich, und<br />
ich vermute, dass Boris schon länger scharf<br />
<strong>auf</strong> seine Kollegin gewesen war, ehe er sich<br />
<strong>auf</strong> ihre signifikanten Bereiche stürzte.“<br />
Dieser Plot hätte ebenso gut Stoff für eine<br />
Schmonzette oder ein Rachestück abgeben<br />
können. <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> macht daraus aber<br />
etwas völlig anderes: ein Buch über die Unterschiede<br />
von Mann und Frau, über weibliche<br />
Selbstfindung und -behauptung, über<br />
Treue und Verlässlichkeit und über die Frage,<br />
warum Menschen, mit denen man sein<br />
Leben teilt, einem plötzlich fremd werden.<br />
Fremd wird sich zuallererst aber die Ich-Erzählerin<br />
Mia selbst: „Nach dreißig Jahren<br />
Ehe reichte ‚Pause‘, um aus mir eine Geisteskranke<br />
zu machen, in deren Hirn die Ge-<br />
danken platzten, wild herumfuhrwerkten<br />
und voneinander abprallten wie Popcorn in<br />
einer Mikrowellentüte“. Mia wird in die Psychiatrie<br />
eingeliefert – ein Seitensprung des<br />
Partners hat ausgereicht, um aus einer<br />
selbstbewussten Frau ein nervliches Wrack<br />
zu machen.<br />
Halbwegs wiederhergestellt, ergreift Mia<br />
die Initiative, reist in das Provinznest im<br />
Mittleren Westen, wo sie <strong>auf</strong>gewachsen ist<br />
und wo ihre Mutter in einem Altenheim<br />
lebt. Sie verbringt dort den Sommer, unterrichtet<br />
sieben pubertierende Mädchen in<br />
Lyrik, besucht ihre Mutter und deren hochbetagte<br />
Freundinnen. Mia hat viel Zeit für<br />
sich und ihre Wut <strong>auf</strong> den untreuen Gatten,<br />
sie schreibt ihre „erotischen Memoiren“,<br />
denkt über ihr Leben nach – und entdeckt<br />
im Zurückgeworfensein <strong>auf</strong> sich<br />
selbst völlig neue Seiten an sich.<br />
„Die Ereignisse in meinem Roman sind<br />
im Grunde banal“, sagt <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> <strong>dem</strong><br />
Buchjournal. Ein Mann geht fremd, seine<br />
Frau dreht durch, doch die neue Beziehung<br />
»Im Leben gibt es<br />
keine absolute<br />
Sicherheit – wie<br />
könnte es auch?«<br />
scheitert und der reuige Ehemann versucht,<br />
seinen Fehler wiedergutzumachen<br />
– doch seine Frau hat in der Zwischenzeit<br />
das Leben für sich neu entdeckt.<br />
„So ist das Leben. Leben ist Bewegung,<br />
wir sind ständig im Fluss“, meint die Autorin.<br />
Selbst eine jahrzehntelange Ehe sei keine<br />
Garantie, dass alles so bleibt, wie es ist.<br />
„Es gibt keine absolute Sicherheit im Leben<br />
– wie könnte es auch?“ Es sei ein Fehler, in<br />
einer Beziehung <strong>auf</strong> Ritualen und Gewohnheiten<br />
zu beharren. „Jeder Mensch entwickelt<br />
sich weiter.“ Man könne sich im Leben<br />
und in der Partnerschaft nicht gegen Veränderungen<br />
wehren. „Für mein Leben und<br />
meine Ehe habe ich herausgefunden, dass<br />
Dialog das Allerwichtigste ist“, sagt <strong>Hustvedt</strong>.<br />
„Dies bedeutet auch zwangsläufig,<br />
Konflikte zu tolerieren, mit Unterschieden<br />
umzugehen, um sich in den anderen hineinversetzen<br />
zu können.“<br />
Im Fall von Mia aus „Der Sommer ohne<br />
Männer“ stellt sich die Frage, „ob zwei<br />
Menschen, die einen solchen Bruch erlitten<br />
haben, sich wiederfinden können – und<br />
wenn ja, ob und wie ihre Beziehung danach<br />
aussieht“. Wie <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> die Gefühlswelt<br />
von Mia beschreibt, ihre Wut und ihr<br />
Aufbegehren, Verzweiflung und Neuorientierung,<br />
ist ebenso berührend und einfühlsam<br />
wie einleuchtend – und erklärt, weshalb<br />
ihre Bücher so erfolgreich sind: Viele<br />
Menschen erkennen sich in ihren Ge- 0<br />
12<br />
buchjournal 2/2011
Heimat New York<br />
Seit Anfang der 90er<br />
Jahre wohnt <strong>Siri</strong><br />
<strong>Hustvedt</strong> mit ihrem<br />
Mann, <strong>dem</strong> Schriftsteller<br />
Paul Auster, in Park<br />
Slope, einem quirligen<br />
Viertel von Brooklyn<br />
buchjournal 2/2011 13
Edition Nautilus<br />
Beweglich im Büchermeer!<br />
Abbas Khider<br />
Die Orangen des<br />
Präsidenten<br />
Zwei Jahre verbringt<br />
der junge Mahdi in<br />
Saddam Husseins<br />
Gefängnis – nur sein<br />
Talent als Geschichtenerzähler<br />
und seine<br />
<strong>Liebe</strong> zur Taubenzucht<br />
lassen ihn diese Hölle<br />
überleben.<br />
»Ein bewegender Text,<br />
ein Augen öffnendes<br />
Buch.« Denis Scheck<br />
Gebunden, € 16,00<br />
A. A. Waberi<br />
Tor der Tränen<br />
Ein dramatischer<br />
Konflikt zwischen zwei<br />
Brüdern in Dschibuti,<br />
am Horn von Afrika,<br />
der tödlich endet.<br />
»Ein Buch von seltener<br />
Kraft, geradezu<br />
fieberhaft, das noch<br />
lange nach der<br />
Lektüre nachklingt.«<br />
Le Figaro Littéraire<br />
Gebunden, € 16,00<br />
In jeder guten Buchhandlung<br />
Mehr Infos: www.edition-nautilus.de<br />
Milena Magnani<br />
Der gerettete Zirkus<br />
»Der Roman gleicht<br />
einem Prosagedicht,<br />
in <strong>dem</strong> Verzauberung<br />
und Alltag zu Freude<br />
undKummerdesLesers<br />
ständig abwechseln.«<br />
La Repubblica<br />
»Wenn die Welt<br />
grausam ist, kann ein<br />
Zirkus die Rettung bringen.«<br />
Erri De Luca<br />
Gebunden, € 18,90<br />
Patrick Pécherot<br />
Belleville–Barcelona<br />
Paris, 1938: In<br />
Spanien tobt der<br />
Bürgerkrieg, und in<br />
Belleville langweilt<br />
sich ein Detektiv.<br />
»Die Atmosphäre!<br />
Sie ist es, die an<br />
Pécherot so begeistert,<br />
diese Fähigkeit,<br />
eine Epoche in ihrer<br />
fühlbaren Realität<br />
<strong>auf</strong>erstehen zu<br />
lassen ...« Le Monde<br />
Broschiert, € 14,90<br />
TITEL<br />
0 schichten wieder. So war es im Bezie- <strong>dem</strong>nächst ihre zweite CD als Sängerin hehungs-<br />
und Künstlerdrama „Was ich raus. Schon beim Debütalbum 2006 der da-<br />
liebte“ – der Roman, der die heute 56-Jähmals 19-Jährigen überschlugen sich die Kririge<br />
2003 berühmt machte –, und so war es tiker angesichts ihrer eigenen Chansons zu<br />
zuletzt in „Die Leiden eines Amerikaners“<br />
(2008), in <strong>dem</strong> sie Briefe ihres 2003 gestor-<br />
Texten französischer Surrealisten.<br />
benen Vaters Lloyd <strong>Hustvedt</strong> verarbeitet Seit Anfang der 90er Jahre leben <strong>Siri</strong><br />
hat und wo sie mehr als in einem anderen Hust vedt und Paul Auster im New Yorker<br />
Roman von ihrer eigenen Familienge- Stadtteil Brooklyn. Ihr Haus im viktoriaschichte<br />
preisgibt.<br />
nischen Stil steht in Park Slope, einem der<br />
<strong>Hustvedt</strong>s Mutter wurde, ebenso wie die<br />
Groß eltern ihres Vaters, in Norwegen<br />
geboren. Erst vorigen<br />
Sommer reiste <strong>Siri</strong> Hust vedt,<br />
die im Städtchen Northfield,<br />
Minnesota, geboren und <strong>auf</strong>gewachsen<br />
ist, wieder einmal ins<br />
südnorwegische Mandal, um in<br />
der Heimatstadt ihrer Mutter<br />
begehrtesten, schönsten und grünsten<br />
an einem Familientreffen teil-<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> ist<br />
zunehmen. „Ich habe viele<br />
Expertin in Sachen<br />
Cousinen in Norwegen und Hirnforschung – nicht<br />
fühle mich <strong>dem</strong> Land sehr ver-<br />
zuletzt durch ihre<br />
bunden.“ Als Kind, erzählt sie,<br />
habe sie dreimal für längere<br />
Zeit in Bergen gelebt – Sprachprobleme<br />
kennt sie also nicht:<br />
„Ich spreche Norwegisch mit<br />
einem Bergen-Akzent.“<br />
eigene Krankheit<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> gilt als die Bestsellerautorin<br />
für Gebildete – und sie ist eine jener Autorinnen,<br />
die niemals ganz hinter ihren Werken<br />
verschwinden. Nicht nur, weil die<br />
hochgewachsene, schlanke Frau mit ihrem<br />
hellen, nordischen Teint und den blonden<br />
Haaren ungewöhnlich gut aussieht, sie elegant<br />
und klug ist. Niemals fehlt in einer<br />
Rezension ihrer Bücher der Hinweis <strong>auf</strong><br />
den Mann an ihrer Seite, den amerikanischen<br />
Kultautor Paul Auster. Längst ist<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> jedoch aus <strong>dem</strong> Schatten<br />
ihres acht Jahre älteren Ehemanns herausgetreten<br />
und wird nicht nur vom Publikum,<br />
sondern auch von Kritikern als eine<br />
der wichtigsten amerikanischen Autorinnen<br />
gefeiert.<br />
Seit 1983 sind die beiden verheiratet und<br />
gelten als das Traumpaar der New Yorker<br />
Intellektuellenszene – für die sich das normale<br />
Publikum freilich nicht besonders interessiert.<br />
„Dichter werden in den USA<br />
längst nicht so hoch geschätzt wie etwa in<br />
Europa“, sagt <strong>Hustvedt</strong>. Und es gibt noch<br />
eine Prominente in der Familie – die es in<br />
Sachen Glamourfaktor locker mit den Eltern<br />
<strong>auf</strong>nimmt: Die 23 Jahre alte Tochter Sophie<br />
ist Schauspielerin, Model und bringt<br />
»Es ist für mich eine<br />
große Ehre, an<br />
Freuds Geburtstag<br />
sprechen zu dürfen«<br />
Viertel der Millionenstadt – nur 20 U-Bahn-<br />
Minuten von Manhattan entfernt. Es locken<br />
gute Restaurants, Bars, Szenekneipen<br />
und Galerien, und gleich nebenan befindet<br />
sich der große Prospect Park, die grüne<br />
Lunge Brooklyns.<br />
In <strong>dem</strong> Viertel, in <strong>dem</strong> einst Gangsterboss<br />
Al Capone lebte, wohnen heute Schauspieler,<br />
Musiker und Künstler, und hier soll<br />
die höchste Schriftsteller-Dichte pro Quadratkilometer<br />
in den USA herrschen. Unter<br />
anderen haben sich hier das Ehepaar Jonathan<br />
Safran Foer und Nicole Krauss, Douglas<br />
Rushkoff und Jonathan Lethem niedergelassen.<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong>s Lieblingsort in New York<br />
sind jedoch nicht die Cafés und Märkte von<br />
Brooklyn, sondern die Frick Collection in<br />
Manhattan. „Die Kunstsammlung ist klein,<br />
aber hervorragend“, sagt sie. Immerhin<br />
14<br />
buchjournal 2/2011
mehr als 1 000 Gemälde beherbergt das Gebäude<br />
am östlichen Rand des Central Parks,<br />
das Stahlmagnat Henry Clay Frick vor<br />
knapp 100 Jahren hat bauen lassen. Zwischen<br />
Werken von Rembrandt und Vermeer,<br />
Goya und Tizian, Watteau, Ingres und Degas<br />
fi ndet die Autorin die Ruhe, die man in der<br />
Zehn-Millionen-Metropole sonst selten fi ndet.<br />
Doch nicht nur die zauberhafte, etwas<br />
plüschige Atmosphäre lockt sie immer wieder<br />
ins Frick – Malerei ist <strong>Hustvedt</strong>s zweite<br />
große Leidenschaft, die sie auch gut zum<br />
Beruf hätte machen können. Wie viel sie von<br />
Kunst versteht – auch ihr Haus hängt voll<br />
mit Bildern – weiß der Leser spätestens seit<br />
der Lektüre ihres Romans „Was ich liebte“,<br />
der in der Künstlerszene spielt und in <strong>dem</strong><br />
Kunst und Kunstbetrachtungen von zentraler<br />
Bedeutung sind.<br />
Diese, nennen wir es: Bildungshaltigkeit<br />
ihrer Bücher ist ein Einwand, der gegen<br />
<strong>Hustvedt</strong>s Werk regelmäßig laut wird: Die<br />
Autorin überfrachte ihre Romane mit Themen,<br />
schweife gern mal ab. Wer von einem<br />
Roman eine geradeaus erzählte Story erwartet,<br />
die ohne Umschweife <strong>auf</strong> das Finale<br />
zusteuert, könnte sich tatsächlich schwertun<br />
mit ihren Büchern.<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong>, die Englische Literatur<br />
studiert hat und schon als junges Mädchen<br />
Schriftstellerin werden wollte, ist extrem<br />
belesen und von einem fast schon manischen<br />
Wissensdurst getrieben. Die Ergebnisse<br />
ihrer Studien fl ießen – <strong>auf</strong> völlig<br />
unaka<strong>dem</strong>ische Art und Weise – in ihre Romane<br />
ein. So erfährt der Leser in „Der Sommer<br />
ohne Männer“ viel über die Geschichte<br />
des Feminismus, über Poetik, Philosophie<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong>: Der Sommer ohne Männer.<br />
Übersetzt von Uli Aumüller. Rowohlt, 304 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong>: Der Sommer ohne Männer.<br />
Gelesen von Eva Mattes. Argon, 24,95 € (D) •<br />
25,20 € (A) • 39,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 15<br />
Zur Person<br />
<strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> wurde 1955 in Northfi eld,<br />
Minnesota, geboren. Sie studierte Englische<br />
Literatur und promovierte mit einer Arbeit über<br />
Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit<br />
<strong>dem</strong> Schriftsteller Paul Auster verheiratet, mit<br />
<strong>dem</strong> sie eine Tochter hat. Bekannt wurde sie mit<br />
den Romanen „Die unsichtbare Frau“ (1992),<br />
„Die Verzauberung der Lily Dahl“ (1996) und vor<br />
allem mit den internationalen Bestsellern „Was<br />
ich liebte“ (2003), „Die Leiden eines Amerikaners“<br />
(2008) und „Die zitternde Frau“ (2010).<br />
und natürlich über <strong>Hustvedt</strong>s Steckenpferd:<br />
die Geheimnisse des menschlichen<br />
Gehirns.<br />
Seit Jahren beschäftigt sie sich intensiv<br />
mit Psychoanalyse, Neurologie und Hirnforschung,<br />
sie hat Berge von Literatur verschlungen,<br />
sich in Bibliotheken vergraben,<br />
Kongresse besucht, um den Zusammenhang<br />
zwischen Gehirn, Körper und Geist besser zu<br />
verstehen – und um zu begreifen, wie ein<br />
Mensch zu <strong>dem</strong> wird, der er ist. Ihr Expertenwissen<br />
hat sogar dahin geführt, dass sie<br />
immer wieder zu Vorträgen eingeladen wird.<br />
So hält <strong>Hustvedt</strong> in diesem Jahr die traditionelle<br />
Sigmund Freud Vorlesung am 6. Mai in<br />
Wien. „Es ist für mich eine große Ehre, an<br />
Freuds Geburtstag sprechen zu dürfen.“ Ihr<br />
Thema: „Freuds Spielplatz: Einige Gedanken<br />
über die Kunst und Wissenschaft der Subjektivität<br />
und Intersubjektivität“.<br />
Dass <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> <strong>auf</strong> diesem Gebiet ihr<br />
eigenes Forschungsobjekt werden sollte,<br />
hätte sie sich allerdings nie träumen lassen:<br />
Als sie 2006, drei Jahre nach <strong>dem</strong> Tod ihres<br />
Vaters, eine Gedenkrede <strong>auf</strong> den Sprach-<br />
und Literaturwissenschaftler halten soll,<br />
wird sie von Krämpfen geschüttelt. Ihre<br />
Stimme bleibt fest, Beine und Arme zucken<br />
aber völlig unkontrolliert. Über dieses Ereignis,<br />
das sich später wiederholen sollte,<br />
hat sie ein Buch geschrieben: „Die zitternde<br />
Frau. Eine Geschichte meiner Nerven“ heißt<br />
das Ergebnis ihrer Selbsterkundung, das<br />
tief einsteigt in die Phänomene menschlicher<br />
Psyche, in Wissenschaft und Medizingeschichte.<br />
„Etwa zehn Prozent handeln<br />
von mir, der Rest ist Auslegung“, sagt <strong>Siri</strong><br />
<strong>Hustvedt</strong>. Um Anfälle zu verhindern,<br />
nehme sie zwar ein Medikament, doch<br />
blieb sie seit Erscheinen des Buchs 2010 von<br />
weiteren Zitter-Attacken verschont. „Das<br />
ist für mich ein Segen.“ <br />
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»Gewandt, bissig,<br />
ungemein klug – und<br />
spannend wie ein<br />
Thriller« Annabelle<br />
Lauren Grodstein<br />
Die Freundin meines Sohnes<br />
Aus <strong>dem</strong> Amerikanischen von Silvia Morawetz<br />
351 Seiten, € 21,95 (D)<br />
Jeder Vater will für seine<br />
Kinder nur das Beste – auch<br />
Pete Dizinoff. Und so<br />
ver sucht er, einige Ent scheidungen<br />
seines Sohnes zu<br />
korrigieren. Bis plötzlich die<br />
Existenz seiner Familie,<br />
seiner Freunde und nicht<br />
zuletzt seine eigene <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
Spiel stehen.
Stratmanns Welt<br />
Heute erzähle ich Ihnen mal die Wahrheit über Lesereisen,<br />
die die Verfasser von gedruckten Werken nach deren<br />
Erscheinen ja zu absolvieren haben.<br />
Bühne frei!<br />
TEXT: CORDULA STRATMANN<br />
D em<br />
ein oder anderen von Ihnen werden manchmal so Gedanken<br />
rausrutschen wie: Ach, was für ein schönes, <strong>auf</strong>regendes<br />
Leben! So <strong>auf</strong> Reisen sein! Jeder Tag ist anders! Immer neue Leute!<br />
Raus aus der Routine!<br />
Und hier, liebe Leser und -innen, grätsche ich nun in Ihre Fantasien<br />
und verderbe Ihnen den Spaß mit schonungsloser Aufklärung:<br />
<strong>auf</strong> Reisen sein heißt <strong>auf</strong> den Zug warten, im Zug sitzen, aus<br />
<strong>dem</strong> Zug aussteigen; wahlweise <strong>auf</strong> das Flugzeug warten, im Flugzeug<br />
sitzen, aus <strong>dem</strong> Flugzeug aussteigen – im Flugzeug ist es im<br />
Unterschied zum Zug auch noch übel laut und eng. Außer<strong>dem</strong> hat<br />
man, wenn man sich sehr beeilen musste, immer noch nicht den<br />
Gürtel wieder in der Hose nach <strong>dem</strong> enervierenden Sicherheitscheck<br />
am Flughafen. Unerwähnt bleiben hier Komplikationen wie<br />
gestrichene oder überbuchte Flüge oder Laub <strong>auf</strong> den Schienen.<br />
Ist man am Zielort angekommen, geht’s mit Sack und Pack und<br />
einem an diesem Tag übellaunigen Taxifahrer erst mal ins Hotel,<br />
wo man AUSNAHMSLOS ÜBERALL mit der Frage begrüßt wird,<br />
ob man eine gute Anreise hatte. Ich werde davon stets im selben<br />
Moment bleiern müde und möchte augenblicklich vor <strong>dem</strong> Frager<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Empfangstresen mit <strong>dem</strong> Kopf <strong>auf</strong>schlagen.<br />
Dann geht’s weiter zum Veranstaltungsort. Soundcheck wird der<br />
nun folgende Tagesordnungspunkt genannt, damit der Autor<br />
ernsthaft glaubt, das sei alles irgendwie Rock ’n’ Roll. Wie Sie sich<br />
unschwer vorstellen können, dauert so ein Mikrofon-Ausprobieren<br />
für die Abteilung Technik rund zehn Minuten, wenn es nicht<br />
ganz glattläuft, sonst vier Minuten, danach verschwindet der Vorleser<br />
in der Garderobe, nicht selten ein improvisiertes Stück<br />
„Raum“, gern ohne Tageslicht.<br />
Wer das Glück eines zur Lesereisezeit intakten Familienlebens<br />
genießt, pfl egt natürlich regelmäßigen Kontakt mit daheim, was<br />
den Autor gefährlich der Zerrüttung nahe bringt, wenn er, in der<br />
Ferne weilend, Fotomaterial erhält von lustigen Runden im heimischen<br />
Garten mit Eis schleckenden Kindern und Eiskaffee<br />
schlürfenden befreundeten Eltern anderer Eis schleckender Kinder.<br />
Und jetzt verrate ich Ihnen, was den Autor beinahe täglich dann<br />
wieder entschädigt für dieses vollkommen unromantische, triste<br />
in einem zutiefst tiefen Sinne langweilige Kofferschleppen von A<br />
nach B: Das sind Sie, liebe Leser, die pünktlich und erwartungsvoll<br />
den Gastgeber <strong>auf</strong> der Bühne empfangen und ihm Ihre Aufmerksamkeit<br />
schenken.<br />
»Auf Reisen sein heißt<br />
<strong>auf</strong> den Zug warten«<br />
Und das sind zum anderen einzelne Veranstalter, die liebevoll in die<br />
Garderobe alles anschleppen, wovon sie sich vorstellen, dass es des<br />
Autors Wohlbefi nden steigert. Obacht! Diese unterscheiden sich vom<br />
anderen Veranstaltertypus, der eher Unwohlbefi nden bedient.<br />
Herausgehoben sei hier ein Vertreter dieser Gattung, der mich<br />
zur Begrüßung mit einer Devotheit anstrengte, die man sonst nur<br />
für Diktatoren an den Tag legt, von denen man denkt, sie würfen<br />
einen in den Kerker, wenn man sie nicht günstig stimmt. Dieser<br />
Herr wollte mich günstig stimmen mit lang anhaltenden überbordenden<br />
Komplimenten, was ich wiederum ungünstig fand.<br />
Noch ungünstiger dann die Diskrepanz zwischen <strong>dem</strong> Nichtvorhandensein<br />
einer vereinbarten Mahlzeit und <strong>dem</strong> Fortsetzen<br />
überbordender Komplimente.<br />
Am ungünstigsten erwies sich nach der Veranstaltung seine Abwesenheit,<br />
als ich langsam gewahr wurde, dass ich nun selbst für<br />
mein Fortkommen und Türeschließen sorgen muss. Aber er hatte<br />
mir ja vorher schon ausreichend gesagt, wie toll er mich fi ndet.<br />
Dass ich den Abend dennoch in guter Erinnerung habe, verdanke<br />
ich wiederum Ihnen, die sich im Zuschauerraum alle tipptopp<br />
benommen haben!<br />
Und falls Sie mal ein Buch schreiben und damit <strong>auf</strong> Reisen gehen:<br />
Freuen Sie sich schon mal <strong>auf</strong> Kiel und das Metro-Kino. So<br />
wie von Andre sind Sie noch von nieman<strong>dem</strong> versorgt worden! <br />
^ Cordula Stratmann, geboren 1963, zählt zu den<br />
erfolgreichsten deutschen Komikerinnen. Sie ist<br />
vielfach preis gekrönt: vom Deutschen Comedypreis<br />
über die Goldene Kamera bis zum Bayrischen Fernsehpreis.<br />
„Sie da oben, er da unten“ ist ihr erster Roman.<br />
http://cordula-stratmann.de<br />
Cordula Stratmann: Sie da oben, er da unten.<br />
Kiepenheuer & Witsch, 256 S.,<br />
13,95 € (D) • 14,40 € (A) • 21,90 sFr.<br />
16<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Boris Breuer
© Philippe Matsas / Opale<br />
Sein neuer Roman „Karte und Gebiet“ kommt weniger zynisch daher,<br />
doch Michel Houellebecq hält der Gesellschaft erneut den Spiegel vor.<br />
Mitten ins Herz<br />
unserer Zeit<br />
TEXT: CHRISTOPH SCHRÖDER<br />
Liebt die Provokation: Michel Houellebecq<br />
M an<br />
hat sich wirklich Mühe gegeben,<br />
einen Skandal zu konstruieren, aber<br />
vergeblich: „Karte und Gebiet“, der neue<br />
Roman von Michel Houellebecq, strotzt<br />
selbstverständlich nur so von kleinen und<br />
großen Provokationen. Er setzt Spitzen,<br />
teilt Seitenhiebe aus. Aber ein Skandal?<br />
Nein, der lässt sich beim besten Willen darin<br />
nicht erkennen. Endlich, endlich hat<br />
Houellebecq für seinen fünften Roman<br />
nun auch erstmals den begehrten Prix Goncourt<br />
erhalten.<br />
Böse Zungen behaupten, nur dar<strong>auf</strong> sei<br />
„Karte und Gebiet“ in seiner vermeintlichen<br />
Domestizierung hingeschrieben. Aber da<br />
kennt man Houellebecq schlecht. Denn dieser<br />
Mann, dieser traurige, dauerrauchende,<br />
autistische, unverschämte und möglicherweise<br />
geniale Mann, der den Islam beschimpft<br />
hat und der frauenfeindliches Vokabular<br />
so auswendig kennt wie kein anderer,<br />
kommt einfach nicht aus sich selbst<br />
heraus, weder als Person noch als Romanautor.<br />
Und so ist „Karte und Gebiet“ nur <strong>auf</strong><br />
den ersten Blick ein sanfteres Buch als „Ausweitung<br />
der Kampfzone“, „Elementarteilchen“<br />
oder auch „Plattform“; Bücher, die<br />
den Menschen als waidwundes, vom rasenden<br />
Kapitalismus angeschossenes Tier<br />
zeigen, der seine Einsamkeit in tristen Einzimmerwohnungen<br />
der Banlieues hinter<br />
Fast-Food-Müllbergen oder hinter Sex-<br />
buchjournal 2/2011 17<br />
ROMANE_KÜNSTLERSZENE<br />
orgien in Urlaubsparadiesen nur unzulänglich<br />
verbergen kann. Der neue Roman, den<br />
viele als seinen besten bezeichnen, ist ein<br />
Künstlerroman und eine Parodie <strong>auf</strong> den<br />
Künstlerroman zugleich. Eine Attacke gegen<br />
die französische Fernseh- und Medienwelt,<br />
deren Protagonisten ebenso unter ihren<br />
realen Namen Auftritte haben wie der<br />
Autor Houellebecq selbst.<br />
Die Hauptfi gur von „Karte und Gebiet“ ist<br />
Jed Martin, ein Künstler, der, so erklärt sich<br />
auch der Titel, aus Landkarten Kunstwerke<br />
anfertigt, zu echtem Ruhm allerdings erst<br />
durch die Porträts gelangt, die er von berühmten<br />
Wirtschaftsbossen malt. Der berühmte<br />
Autor Houellebecq soll für einen<br />
Ausstellungskatalog einen Text schreiben;<br />
als die beiden sich begegnen, öff<strong>net</strong> Houellebecq<br />
die Tür in Cordhosen und ausgelatschten<br />
Pantoffeln – ein Bildnis des Künstlers<br />
als kauziger Mann mit Bauchansatz.<br />
Es muss Michel Houellebecq großen Spaß<br />
gemacht haben, dieses Buch zu schreiben,<br />
das in seiner satirischen Bösartigkeit das Geplauder<br />
einer Möchtegern-Boheme aus- und<br />
bloßstellt, eben darin eine ästhetische Theorie<br />
mitliefert und ganz nebenbei wieder einmal<br />
mitten ins Herz unserer Zeit trifft. Für<br />
sich selbst hat der Autor im Übrigen ein besonders<br />
makabres Ende in einer nicht allzu<br />
fernen Zukunft ersonnen. Aber das wird hier<br />
selbstverständlich nicht verraten. <br />
^ Michel Houellebecq wurde 1958 <strong>auf</strong> La Réunion geboren.<br />
Bereits mit seinem ersten Roman „Ausweitung<br />
der Kampfzone“ (1994) gelang<br />
ihm der Durchbruch.<br />
Houellebecq lebt heute in der<br />
irischen Grafschaft Cork.<br />
Michel Houellebecq: Karte und<br />
Gebiet. Übersetzt von Uli Wittmann.<br />
DuMont, 416 S., 22,99 €<br />
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Psst – schon<br />
gehört?<br />
Der will nur<br />
spielen<br />
Wer will schon einen<br />
impotenten Mann fürs Leben?<br />
Carmen jedenfalls nicht.<br />
Und lässt sich spontan <strong>auf</strong> ein<br />
Abenteuer ein ...<br />
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„Literatur ist<br />
eine Sache der<br />
Ehrlichkeit“<br />
TEXT: ULRICH RÜDENAUER<br />
O bertonsänger<br />
LEIPZIGER BUCHMESSE<br />
Überraschend hat der<br />
28-jährige Clemens J. Setz<br />
den Preis der Leipziger<br />
Buchmesse in der Kategorie<br />
Belletristik erhalten – für die<br />
Kühnheit seiner sprachlichen<br />
Konstruktionen.<br />
stimmen zunächst einen<br />
weichen Grundton an. Darüber<br />
leiten sie durch eine filigrane Zungentechnik<br />
und in einem bestimmten Abstand zu<br />
diesem Grundton eigenständige Töne ab.<br />
Das erzeugt den Eindruck von Mehrstimmigkeit,<br />
anfangs bei Avantgardisten wie<br />
Karlheinz Stockhausen eingesetzt, später<br />
in den artifiziellen New-Age-Strömungen<br />
vor allem der New Yorker Szene. Mehrstimmigkeit,<br />
Artifizialität und Avantgarde sind<br />
gute Stichwörter, wenn man von Autor<br />
und Obertonsänger Clemens J. Setz spricht.<br />
Er stammt aus Graz, lebt in Graz, und<br />
wer sich in der jüngeren Literaturgeschichte<br />
ein wenig auskennt, ahnt, dass dort die<br />
Grazer Schule um Alfred Kolleritsch und<br />
Peter Handke bis heute nachwirkt, gleichsam<br />
in der Luft liegt. Auch Clemens J. Setz<br />
muss davon einiges inhaliert haben. Tatsächlich<br />
kommt einem der frühe, stilistisch<br />
und ästhetisch Grenzen auslotende<br />
Handke in den Sinn, wenn man an die Zielstrebigkeit<br />
und Radikalität des 28-jährigen<br />
Autors denkt.<br />
Setz hat mit „Die <strong>Liebe</strong> zur Zeit des<br />
Mahlstädter Kindes“ (siehe Seite 20) gerade<br />
sein drittes Buch veröffentlicht und wurde<br />
dafür mit <strong>dem</strong> Preis der Leipziger Buch-<br />
messe in der Kategorie Belletristik ausgezeich<strong>net</strong>.<br />
Eine souveräne Entscheidung der<br />
Jury, die damit wenig Rücksicht <strong>auf</strong> die sogenannte<br />
Marktgängigkeit des Titels genommen<br />
hat. Die „Kühnheit der Konstruktion“<br />
und „die Eigenwilligkeit der Sprache“<br />
wurden in der Begründung der Jury ebenso<br />
hervorgehoben wie die „Konsequenz des<br />
Konzepts, das zu originellen wie unheimlichen<br />
Geschichten führte“.<br />
Das Auftreten des Preisträgers bei der<br />
Buchmesse scheint <strong>auf</strong> den ersten Blick im<br />
Widerspruch zu dieser schillernden Laudatio-Lyrik<br />
zu stehen: Eher unprätentiös,<br />
sympathisch zurückhaltend wirkt er, sogar<br />
ein bisschen wie ein Fremdkörper in diesem<br />
von Eitelkeiten nicht unbedingt freien<br />
Literaturbetrieb. Er ist leger gekleidet,<br />
schlaksig, vielleicht sogar eigen genug, um<br />
sich nicht um Äußerlichkeiten zu scheren.<br />
Sein Lebensl<strong>auf</strong> weist auch nicht gerade<br />
die üblichen Stationen <strong>auf</strong>, er hat nicht in<br />
Rom und auch nicht in New York gelebt, war<br />
kein Teller- oder Leichenwäscher und nicht<br />
einmal Student an einem der üblichen Literaturinstitute.<br />
„Mein Mathematikstudium<br />
ist noch das einzig Nicht-Langweilige an<br />
mir, zumindest aus Sicht des Literaturbe-<br />
© Tobias Bohm<br />
18<br />
© Tobias Bohm<br />
© Peter Peitsch<br />
Clemens J. Setz:<br />
Seine Romane<br />
polarisieren – und<br />
überzeugten die<br />
Jury in Leipzig<br />
triebs“, sagt er, und darin klingt Selbstironie<br />
wie auch Stolz und Koketterie mit.<br />
Er hat früh begonnen mit <strong>dem</strong> Lesen und<br />
früh mit <strong>dem</strong> Schreiben. Sein erstes Buch<br />
„Söhne und Pla<strong>net</strong>en“ erschien 2007. Und<br />
schon mit <strong>dem</strong> voluminösen Roman „Die<br />
Frequenzen“ war er 2009 in aller Munde,<br />
sogar für den Deutschen Buchpreis nominiert.<br />
Damals handelte man den hochreflektierten<br />
Autor als Wunderkind, als genialisches<br />
Schreibtalent aus <strong>dem</strong> Geiste der<br />
österreichischen Avantgarde-Literatur.<br />
Auch wenn er solche Begriffe nicht ausstehen<br />
kann, sie als intellektuell völlig unzureichend<br />
und zur Beschreibung seiner<br />
Schreibarbeit als unzulässig empfindet, erfüllt<br />
er doch die damit verbundenen, hochgesteckten<br />
Erwartungen.<br />
Setz’ Literatur polarisiert. Gewaltfantasien,<br />
moralische Abgründe, verwirrend ab-<br />
buchjournal 2/2011
seitige Sexualität – all das scheint auch<br />
heute noch Schockmomente auslösen zu<br />
können. Mit den Möglichkeiten der Literatur<br />
wird bei Clemens Setz Ernst gemacht.<br />
Er fällt damit aus <strong>dem</strong> eher brav-realistischen<br />
Erzählgestus seiner Alters- und<br />
Zeitgenossen heraus; Setz treibt die Moderne<br />
noch einmal da hin, wo ihr Doppelcharakter<br />
kenntlich wird: Der <strong>auf</strong>klärerische<br />
Grundimpuls vermag jederzeit ins<br />
Gegenteil zu kippen.<br />
Auf den Podien der Leipziger Buchmesse,<br />
wo Setz schon vor seinem Triumph begehrt<br />
war, hört man ihn eindrücklich und souverän<br />
über die Grundlagen seines Schreibens<br />
sprechen: ein belesener, sich seiner Mittel<br />
äußerst bewusster Autor. Aber man sieht<br />
eben auch jenen jungen Nerd, <strong>dem</strong> der Literaturbetrieb<br />
<strong>auf</strong>grund seiner eigenen Ernsthaftigkeit<br />
ein wenig fremd und albern vorkommen<br />
muss. Die feine Mischung bringt<br />
immer wieder großartige Gedanken und<br />
Aperçus hervor. Als Setz von den Wunderlichkeiten<br />
erzählt, die ihm als Mathematikstudent<br />
in den Formeln begeg<strong>net</strong> sind, gelangt<br />
man zum Urkern seines Schreibens:<br />
„Menschen sind schon aus geringeren<br />
Gründen religiös geworden“, sagt Setz<br />
durchaus ironisch und lacht. Als Mathematiker<br />
und Schriftsteller ist er nah an der<br />
Theologie, „so nah es eben geht“.<br />
Die Ideen für seine Geschichten kommen<br />
„vom wahren Leben, von meinen Ängsten,<br />
grausamen Fantasien und Begierden“. In<br />
der Literatur werden sie transzendiert.<br />
„Die fantastischen, übersinnlichen Sachen<br />
entstehen, weil ich das Gefühl habe, Literatur<br />
sei eine Sache der Ehrlichkeit – es ist<br />
<strong>auf</strong>richtiger, wenn man in eine surreale,<br />
groteske Welt überwechselt.“ Die Frage sei<br />
immer, was einer Figur und einem Vorgang<br />
entspreche. Dafür müssten Form und<br />
Zur Person<br />
Clemens Johann Setz, geboren am 15. November<br />
1982 in Graz, begann 2001 Mathematik und<br />
Germanistik im Lehramt zu studieren. Sein Debütroman<br />
„Söhne und Pla<strong>net</strong>en“ kam 2007 <strong>auf</strong><br />
die Shortlist des „Aspekte“-Literaturpreises,<br />
2008 wurde er zum Ingeborg-Bachmann-Preis<br />
eingeladen. 2009 wurde sein zweiter Roman<br />
„Die Frequenzen“ für die Shortlist des Deutschen<br />
Buchpreises nominiert. Setz arbeitet auch als<br />
Übersetzer und lebt in Graz.<br />
buchjournal 2/2011 19<br />
»Clemens J. Setz<br />
macht mit den<br />
Möglichkeiten der<br />
Literatur ernst«<br />
Sprache gefunden werden. „Literatur ist<br />
Energieübertragung“, lautet einer dieser<br />
Sätze, die Setz mit Understatement am<br />
Fließband produziert und die doch stets<br />
Ergebnis eines langen Denkprozesses sind.<br />
Setz wirkt <strong>auf</strong> den Beobachter dieser Leipziger<br />
Tage wie jemand, der einen weiteren<br />
folgerichtigen Schritt gegangen ist. Der<br />
Preis irritiert ihn nicht sonderlich; für diesen<br />
jungen Autor ist er vielleicht sogar etwas<br />
wie eine selbstverständliche Konsequenz<br />
seines Tuns.<br />
Auch für seine Arbeit dürften die Messe,<br />
der Preis und die Folgen durchaus erkenntnisreich<br />
sein. Was Setz nämlich am meisten<br />
zu interessieren scheint, ist die „Komödie<br />
der Interaktion“ und wie diese Kom munikation<br />
scheitert, wie zwischenmenschliche<br />
Beziehungen umschlagen können in<br />
Aggression, in die verschiedensten, subtilsten<br />
bis brutalsten Formen der Gewalt. So<br />
ein Interview sei ja bereits eine merkwürdige<br />
Veranstaltung, sagt er. Die Wahrscheinlichkeit<br />
sei zwar groß, dass man <strong>auf</strong><br />
einem Podium nicht übereinander herfalle.<br />
Aber ganz sicher könne man eben doch<br />
nicht sein.<br />
Dass Setz auch humorvoll ist, darf hier<br />
nicht unterschlagen werden. Auf <strong>dem</strong> Blauen<br />
Sofa erwähnt Moderator Wolfgang Herles<br />
zu Beginn des Gesprächs, dass ihm ein anderer<br />
Clemens – Clemens Meyer – vor ein paar<br />
Jahren alkoholbeseelt Prügel angedroht<br />
habe. Diesmal kommt es nicht so weit; die<br />
Unterhaltung verläuft ohne Zwischenfälle.<br />
Am Ende wünscht sich der Moderator von<br />
Clemens J. Setz eine Kostprobe seines Obertongesangs.<br />
„Sehen Sie“, sagt dar<strong>auf</strong>hin<br />
Setz, „Clemens Meyer droht Ihnen Schläge<br />
an, ich singe für Sie. Nun sollten Sie mit Clemens<br />
wieder versöhnt sein.“<br />
Der Gesang stößt übrigens beim Publikum<br />
<strong>auf</strong> große Begeisterung. Die wünschte<br />
man sich auch für seine Bücher. Denn mit<br />
Clemens J. Setz ist eine neue, polyphone<br />
Stimme in der zeitgenössischen Literatur<br />
zu vernehmen. <br />
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großem<br />
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Charly mit <strong>dem</strong> ›Kleinen<br />
Prinzen‹ zumindest gleich.«<br />
kulturspiegel<br />
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© Leipziger Messe GmbH / Norman Rembarz<br />
Clemens J. Setz<br />
Belletristik<br />
LEIPZIGER BUCHMESSE<br />
Fast 500 Titel mussten die sieben Juroren lesen und prüfen, dann standen<br />
die drei Sieger des Preises der Leipziger Buchmesse 2011 fest.<br />
Nach Ingo Schulzes Buch „Handy. Dreizehn Geschichten<br />
in alter Manier“ (2007) hat die Buchpreis-Jury<br />
mit „Die <strong>Liebe</strong> zur Zeit des Mahlstädter<br />
Kindes“ erneut einen Band mit Erzählungen <strong>auf</strong><br />
den Schild gehoben. Eine mutige Entscheidung,<br />
denn das Buch des 28-jährigen Österreichers provoziert<br />
stellenweise mit sexuellen Exzessen und<br />
kindlichen Gewaltfantasien. Er möge Bücher, die<br />
<strong>dem</strong> Leser Arbeit abverlangen, sagte Clemens J.<br />
Setz in einem Interview. Mit seinem neuen Buch<br />
hat er seinen Lesern einen ordentlichen Brocken<br />
vorgesetzt. „Täuschende Nachbarn, Prügelorgien<br />
der Kunst, verrückende Maschinen – diese Erzählungen<br />
locken den Leser in ein Labyrinth aus Zärtlichkeit,<br />
Gewalt, <strong>Liebe</strong> und Gemeinheit“, so lobte<br />
die Jury in ihrer Begründung Setz’ Buch.<br />
Die Preisträger 2011 (von links): Clemens J. Setz, Barbara Conrad, Henning Ritter<br />
^ Clemens J. Setz:<br />
„Die <strong>Liebe</strong> zur Zeit des<br />
Mahlstädter Kindes“.<br />
Erzählungen. Suhrkamp,<br />
350 S., 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) • 32,90 sFr.<br />
Barbara Conrad<br />
Übersetzung<br />
Dreieinhalb Jahre hat Barbara Conrad an der Übersetzung<br />
der mehr als 2 200 Seiten von „Krieg und<br />
Frieden“ gearbeitet. Detailreich, wild wuchernd<br />
und melodisch kommt ihre Übertragung von Tolstois<br />
Riesenwerk im Vergleich zu früheren Übersetzungen<br />
daher. Barbara Conrad habe „Tolstois<br />
eigenwilligen erzählerischen Duktus herausgearbeitet<br />
und in lebendige deutsche Prosa übertragen“,<br />
meinte die Jury. Experten haben ihre Version<br />
als maßstabsetzend und kaum zu übertreffend<br />
gepriesen. Was die Geehrte nach der Preisverleihung<br />
so nicht stehen lassen wollte: „Jede Zeit verdient<br />
ihre Übersetzung. Mein Buch soll niemanden<br />
daran hindern, es später auch einmal zu probieren“,<br />
gab die 73-jährige Übersetzerin und Slawistin<br />
mit einem Augenzwinkern zu Protokoll.<br />
^ Aus <strong>dem</strong> Russischen<br />
von Barbara Conrad:<br />
Lew Tolstoi: „Krieg und<br />
Frieden“. Hanser,<br />
2 288 S., 58,– € (D) •<br />
59,70 € (A) • 81,90 sFr.<br />
20<br />
Info<br />
Seit <strong>dem</strong> Jahr 2005 wird der Preis der<br />
Leipziger Buchmesse verliehen. Die<br />
Auszeichnung ist mit insgesamt<br />
45 000 Euro dotiert und wird von einer<br />
siebenköpfi gen Jury in den Kategorien<br />
Belletristik, Sachbuch und Essayistik<br />
sowie Übersetzung vergeben. Das<br />
Buchjournal ist Medienpartner der<br />
Preises. Die kompletten Jury-Begründungen<br />
zu den ausgezeich<strong>net</strong>en Büchern<br />
können Sie unter buchjournal.<br />
de/leipzigerbuchmesse nachlesen.<br />
Henning Ritter<br />
Sachbuch<br />
Dass sein Buch ausgezeich<strong>net</strong> würde, damit hatte<br />
der Autor selbst wohl am wenigsten gerech<strong>net</strong>,<br />
denn seine „Notizhefte“ waren zunächst nur für<br />
den privaten Gebrauch gedacht. Die Jury sprach<br />
<strong>dem</strong> originellen Buch von Henning Ritter den<br />
Preis zu, „nicht nur weil es Gelehrsamkeit <strong>auf</strong> eine<br />
leichte Art präsentiert, anmutig, freundlich, nie<br />
grimmig, sondern in der Form des Aphorismus,<br />
der Refl exion, des Kurzessays, der kritischen Bemerkung“.<br />
Ritters Buch sei ein intellektuelles Vergnügen<br />
und führe die Leser „<strong>auf</strong> ideengeschichtliche<br />
Trampelpfade“. Der Autor – viele Jahre als<br />
Feuilleton-Redakteur bei der „FAZ“ tätig – führt mit<br />
leichter Hand Zwiegespräche mit Nietzsche und<br />
Montesquieu, Darwin und Kleist, Benn und Blumenberg<br />
– ein Abenteuer des Geistes.<br />
^ Henning Ritter:<br />
„Notizhefte“.<br />
Bloomsbury, 400 S.,<br />
32,– € (D) • 32,90 € (A) •<br />
44,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011
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© Jeffrey Coolidge / Corbis<br />
Lesestoff Romane<br />
NOVELLE<br />
Arno Schmidt, hautnah<br />
Zwei Männer treffen sich<br />
nach 40 Jahren mehr oder<br />
weniger zufällig wieder:<br />
Der eine, Ich-Erzähler der<br />
Novelle, ist pensionierter<br />
Lehrer im vorpommerschen<br />
Anklam und betreibt dort<br />
ein Antiquariat, der andere<br />
reist als Unternehmer aus<br />
<strong>dem</strong> Westen durchs Land,<br />
um eine geeig<strong>net</strong>e Stelle für eine Mülldeponie zu<br />
suchen. Für Jahrzehnte hatten sie sich aus den<br />
Augen verloren, doch nun sitzen sie zusammen<br />
in einem Anklamer Café, feiern ihr Wiedersehen<br />
und lassen die Studentenzeiten lebendig werden.<br />
Damals in München speisten sie gemeinsam am<br />
Freitisch, einem kostenlosen Mittagstisch einer<br />
Versicherung für mittellose Studenten, und redeten<br />
sich über Arno Schmidt die Köpfe heiß. Vor<br />
allem der heutige Industrielle war ein glühender<br />
Verehrer des Schriftstellers, der seinem Idol<br />
gleich zweimal <strong>auf</strong> die Pelle rückte. Die erste<br />
Fahrt im VW Käfer zum misanthropen Dichter endete<br />
kläglich am Gartenzaun, die zweite hatte –<br />
mithilfe einer Finte – dann doch noch Erfolg. Ein<br />
heiteres, köstliches kleines Buch. bai<br />
^ Uwe Timm: „Freitisch“. Kiepenheuer & Witsch,<br />
160 S., 16,95 € (D) • 17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
22<br />
Weißt du<br />
noch?<br />
TIEFE GEFÜHLE<br />
<strong>Liebe</strong> im Krieg<br />
Der Schweizer Schriftsteller Alex Capus gilt<br />
als ein Meister der dokumentarischen Fiktion.<br />
In seinen Romanen verwebt er reale<br />
Ereignisse und Erfundenes so geschickt,<br />
dass beides nicht mehr trennbar erscheint.<br />
In den Archiven fi ndet er seine Stoffe; angestaubt<br />
sind seine Bücher nie. Sei es die Geschichte<br />
dreier Werftarbeiter, die im deutschen<br />
Kaiserreich ein Dampfschiff nach<br />
Afrika transportieren („Eine Frage der Zeit“)<br />
oder die literarische Spekulation um die<br />
Schatzinsel Robert Louis Stevensons („Reisen<br />
im Licht der Sterne“) – Capus erzählt<br />
stets unterhaltsam und mitreißend zugleich.<br />
Sein neuer Roman „Léon und Louise“<br />
ist eine <strong>Liebe</strong>sgeschichte: Zwei junge Menschen<br />
verlieben sich während des Ersten<br />
Weltkriegs an der französischen Atlantikküste<br />
ineinander und werden in den Kriegswirren<br />
getrennt. Mehr als zehn Jahre später<br />
begegnen die beiden sich in der Pariser<br />
Métro wieder. Der Roman beginnt mit einer<br />
Beerdigung im Jahr 1986. Was in der Zwischenzeit<br />
geschah, erzählt<br />
Capus in allen<br />
schicksalhaften Wendungen<br />
einfühlsam<br />
und ohne Kitsch. cs<br />
^ Alex Capus: „Léon<br />
und Louise“. Hanser,<br />
320 S., 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) •<br />
29,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011
LEINWAND-ZAUBER<br />
<strong>Liebe</strong>serklärung ans Kino<br />
„Warum sollte man Glühwürmchen<br />
sein, wenn man<br />
Stern sein kann?“, hatte sich<br />
Marías Mutter gefragt. Warum<br />
sollte sie als Frau eines<br />
invaliden Minenarbeiters<br />
mit fünf Kindern in der chilenischen<br />
Salpeterwüste leben?<br />
So hatte sie ihre Familie<br />
verlassen, und Marías<br />
Vater war nur seine Leidenschaft für Rotwein und<br />
Kino geblieben. Eintrittskarten sind teuer, aber<br />
seine Tochter hat das Talent, ganze Filme nachzuerzählen.<br />
Bald drängen sich auch die Nachbarn in<br />
der armseligen Hütte, wo María mal Marilyn Monroe<br />
mal John Wayne oder den Gestalten eines<br />
mexikanischen Melodramas Gestalt und Stimme<br />
verleiht. Autor Hernán Rivera Letelier beschwört<br />
den Zauber der Leinwandträume, doch er kennt<br />
Chiles Wüste aus seiner Kindheit und zeigt, dass<br />
man deren Grausamkeit nicht so einfach entkommt.<br />
ub<br />
^ Hernán Rivera Letelier: „Die Filmerzählerin“.<br />
Übersetzt von Svenja Becker. Insel Verlag, 104 S.,<br />
14,90 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
ZWISCHEN FANTASIE UND ÜBERLIEFERUNG<br />
Lebensbild eines Genies<br />
Leonardo da Vinci war ein<br />
Universalgelehrter, fasziniert<br />
von Technik, Anatomie,<br />
Philosophie, und ein<br />
herausragender Maler. Und<br />
er war ein uneheliches<br />
Kind, ein Freigeist und<br />
wahrscheinlich homosexuell.<br />
John Vermeulen nimmt<br />
gleichsam die „sfumato“-<br />
Technik seines Protagonisten als Vorbild, das<br />
Weichzeichnen der Übergänge: Er reichert Fakten<br />
mit Gefühlen und Gesprächen an, verwischt Fantasie<br />
und Überlieferung zu einem lebendigen<br />
Bild. Mit viel Farbe schildert er das begabte Kind,<br />
das vis-à-vis einem Milan <strong>dem</strong> Wunsch vom Fliegen<br />
anheimfällt, den <strong>auf</strong>müpfi gen, schönen jungen<br />
Mann, der Religion und Kirche infrage stellt,<br />
und den alten Maler, der mit seiner eigenen Attraktivität<br />
hadert. Eine spannend erzählte Lebensgeschichte<br />
voller Visionen und Träume im Zentrum<br />
einer bewegten Epoche. dan<br />
^ John Vermeulen: „Der Maler des Verborgenen.<br />
Roman über Leonardo da Vinci“. Diogenes, 592 S.,<br />
24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 42,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 23<br />
PACKENDES DEBÜT<br />
Showdown in den Bergen<br />
Will Sheppard ist dreizehn, als er nach Colorado<br />
geschickt wird. Zusammen mit anderen Jungen<br />
soll er <strong>auf</strong> einer einsamen Ranch in den Bergen<br />
wilde Pferde zähmen. Doch was nach Erfüllung<br />
eines Jungentraums klingt, ist in Wirklichkeit eine<br />
Strafmaßnahme. In Chicago hat Will seinen gewalttätigen<br />
Vater niedergestochen und soll nun<br />
durch harte Arbeit erzogen werden. Doch auch in<br />
den Bergen regiert die nackte Gewalt. Zwar fi ndet<br />
Will hier bald treue Freunde, doch die „Könige von<br />
Colorado“ müssen sich nicht nur gegen skrupellose<br />
und perverse Aufseher, sondern auch gegen den<br />
psychopathischen Sadisten Silas behaupten. Bei<br />
der Jagd nach ausgebrochenen Mustangs kommt<br />
es zum tödlichen Showdown. Der 1974 geborene<br />
David E. Hilton lässt den Helden seines packenden<br />
Debütromans als gealterten Mann <strong>auf</strong> seine zugleich<br />
schönste und schrecklichste Zeit zurückblicken<br />
– und <strong>auf</strong> zwei unvergessliche<br />
Freunde, in denen<br />
die Träume seiner Kindheit<br />
fortleben, weil sie nie erwachsen<br />
wurden. ub<br />
^ David E.Hilton: „Wir sind<br />
die Könige von Colorado“. Übersetzt<br />
von Bettina Abarbanell.<br />
Arche, 400 S., 19,90 € (D) •<br />
20,50 € (A) • 30,50 sFr.<br />
UNABHÄNGIGKEITSKAMPF<br />
Zwischen allen Fronten<br />
Zypern 1955: Die Tage als Kronkolonie Großbritanniens<br />
scheinen gezählt. Griechische Zyprioten<br />
fordern die britische Regierung <strong>auf</strong>, das Land abzutreten.<br />
Unter ihnen ist der 15-jährige Loukis,<br />
der sich der Untergrundorganisation EOKA anschließt,<br />
um den Tod seines Bruders zu rächen.<br />
Doch die Unabhängigkeitsbewegung wird im<br />
Keim erstickt: Als Royal-Air-Force-Stützpunkt hat<br />
Zypern für die britischen Besatzer große Bedeutung,<br />
London unterstützt folglich die türkischzypriotische<br />
Gegenorganisation. Die britische<br />
Journalistin Andrea Busfi eld erzählt <strong>auf</strong> der politischen<br />
Folie der Zypernkriege<br />
authentisch und ergreifend<br />
von einer Familie<br />
zwischen allen Fronten. aw<br />
^ Andrea Busfi eld: „Schattenträumer“.<br />
Übersetzt von Carina<br />
Tessari und Yasemin Dinçer.<br />
Rütten & Loening, 432 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
Die große<br />
literarische<br />
Entdeckung<br />
Roman, gebunden, 512 Seiten<br />
ISBN 978-3-0369-5514-8, 22.90, SFr. 32.90<br />
»Karen Russells Werk<br />
zieht einem den Boden<br />
unter den Füßen<br />
weg. Ein souveränes,<br />
vielversprechendes<br />
Debüt.« Gary Shteyngart<br />
KEIN & ABER
© Mike Kiev Starke<br />
HISTORISCHE ROMANE_FRAUENSCHICKSALE<br />
Mit fesselnden Themen und beeindruckenden Persönlichkeiten lassen auch in diesem<br />
Bücherfrühling Autoren die Vergangenheit lebendig werden: mit Geschichten über<br />
die wahre Geschichte – und über das, was hätte sein können.<br />
Weiber, mächtige Männer<br />
TEXT: ALICE WERNER<br />
S ie<br />
selbst nannte sich „kleine Pflanze des<br />
heiligen Franziskus“: Klara von Assisi –<br />
als eine der wichtigsten Frauengestalten<br />
ihres Zeitalters ist sie in die Geschichte der<br />
Kirche eingegangen. Wer aber war die Frau<br />
hinter der Legende? Die Historikerin und<br />
Romanautorin Brigitte Riebe hat sich <strong>auf</strong><br />
Spurensuche vor Ort begeben. In Umbrien<br />
hoffte sie den Mythos um Franz und Klara<br />
von Assisi zu lüften. Auf historische Belege<br />
für eine <strong>Liebe</strong>sverbindung zwischen <strong>dem</strong><br />
Heiligen und seiner Schülerin stieß sie allerdings<br />
nicht: „Glauben Sie, das hätte die Kirche<br />
zugelassen? Wie alle Heiligenviten wurden<br />
auch ihre Lebensläufe nachträglich frisiert.<br />
Aber jetzt gibt es ja meinen Roman …“<br />
Darin nimmt sich Riebe die Freiheit, von<br />
der Historie abzuweichen: In „Die Braut von<br />
Assisi“ erschüttern unerklärliche Todesfälle<br />
das Nonnenkloster San Damiano, <strong>dem</strong> Klara<br />
als Äbtissin vorsteht. Für Aufklärung soll<br />
Bruder Leo sorgen – ein skeptischer Kopf,<br />
der Mord und Verschwörung wittert. Als<br />
Gerüchte laut werden, Franziskus und Klara<br />
verbinde mehr als die <strong>Liebe</strong> zu Gott, sieht<br />
sich der Mönch in eine ketzerische Affäre<br />
verstrickt. Brigitte Riebe würzt die überlieferte<br />
Heiligenhistorie mit einer guten Prise<br />
Spannung – authentisch und glaubwürdig<br />
bleibt ihre Geschichte trotz<strong>dem</strong>.<br />
Hinter Klostermauern siedelt auch Katie<br />
Hickman ihren historischen Roman an.<br />
„Das Mädchen von San Marco“ erzählt vom<br />
Schicksal der jungen An<strong>net</strong>ta, der die Flucht<br />
aus den Fängen von Sklavenhändlern gelingt.<br />
In einem vornehmen Frauenkonvent<br />
in Venedig gewährt man ihr Unterschlupf.<br />
Das Los der besten Freundin dagegen bleibt<br />
24<br />
<strong>Liebe</strong>, Intrigen, Abenteuer –<br />
historische Romane<br />
erzählen spannend von<br />
anderen Zeiten<br />
ungewiss – An<strong>net</strong>ta betet, dass auch sie <strong>dem</strong><br />
Zugriff ihrer Peiniger entkommen konnte.<br />
Aufklärung verspricht der attraktive K<strong>auf</strong>mann<br />
John, der in den Gassen der Lagunenstadt<br />
nach <strong>dem</strong> verschwundenen Mädchen<br />
fahndet.<br />
Das Venedig des 17. Jahrhunderts – hier<br />
die prächtigen Paläste der Nobili, dort die<br />
Stadt der Tagelöhner, Seeleute und Bettler<br />
– entfaltet sich bei Hickman wie ein 3-D-<br />
Bilderbogen. Ein buntes Gewirr von Völkern<br />
und Sprachen beherrscht die Plätze;<br />
Händler und Reisende aus aller Welt betreten<br />
hier erstmals europäischen Boden. Vor<br />
dieser faszinierenden Kulisse spinnt die<br />
Autorin eine herzerwärmende <strong>Liebe</strong>sgeschichte<br />
über Kulturen und religiöse Gelübde<br />
hinweg.<br />
buchjournal 2/2011
»Brigitte Riebe will<br />
den Mythos um<br />
Franz und Klara<br />
von Assisi lüften«<br />
Aus <strong>dem</strong> vertrauten Blickwinkel der Heimat<br />
beleuchtet Helga Glaesener das 17. Jahrhundert:<br />
Braunschweig ist damals eine <strong>auf</strong>blühende<br />
Handelsstadt und bekannt für die<br />
hervorragenden Werke ihrer Goldschmie<strong>dem</strong>eister.<br />
Das schöne Handwerk ist fest in<br />
Männerhand, Gold und Silber kann man<br />
Frauen nicht anvertrauen, so die Begründung<br />
der Zunft. Elisabeth, handwerklich<br />
begabt und fi nanziell <strong>auf</strong> sich allein gestellt,<br />
geht ein großes Wagnis ein, als sie sich als<br />
Vergolderin selbstständig macht. Spiegel,<br />
Rahmen, Bronzebecher – unter ihren Fingern<br />
verwandeln sich selbst Alltagsgegenstände<br />
in kleine Kunsthandwerke. Die junge<br />
Frau arbeitet im Verborgenen und nur <strong>auf</strong><br />
Empfehlung, doch die Gilde ist ihr hartnäckig<br />
<strong>auf</strong> der Spur. „Die Vergolderin“ zeich<strong>net</strong><br />
sich aus durch historiografi sche Genauigkeit,<br />
eine spannende Dramaturgie und<br />
nicht zuletzt durch die überzeugende Charakterisierung<br />
der ebenso lebensnahen wie<br />
energischen Heldin.<br />
Couragiert zeigt sich auch eine andere Romanheldin:<br />
Adelia, die als Totenleserin arbeitet,<br />
obwohl Frauen im England des<br />
12. Jahrhunderts die Ausübung medizi-<br />
Lesezeichen<br />
buchjournal 2/2011 25<br />
nischer Berufe untersagt ist. Die Gerüchte<br />
um ihre Begabung dringen bis zu Heinrich<br />
II., König von England. Er be<strong>auf</strong>tragt Adelia,<br />
zwei Skelette zu identifi zieren, bei denen es<br />
sich um die Gebeine der walisischen Nationalhelden<br />
König Artus und seiner Frau Guinevere<br />
handeln soll. „Der König und die Totenleserin“<br />
ist eine sattelfeste Mischung aus<br />
Historiendrama und Kriminalfall, facettenreich<br />
und mit viel psychologischem Geschick<br />
von Ariana Franklin erzählt.<br />
Auf eine mörderische Spur stößt auch<br />
Adia, die mysteriöse Heilkundlerin aus<br />
Arabien, um die sich Alfredo Colittos historischer<br />
Kriminalroman „Das Geheimnis<br />
der Alchimistin“ dreht. Handlungsort ist<br />
Bologna im 14. Jahrhundert: Zusammen<br />
mit <strong>dem</strong> Universitätsarzt und Anatomen<br />
Mondino versucht Adia das Rätsel eines<br />
grausam entstellten Männertorsos zu lösen.<br />
Ein gefährliches Unterfangen, denn<br />
der Tote entpuppt sich als ein von der Inquisition<br />
verfolgter Tempelritter.<br />
Colitto ist der Faszination dieses mächtigsten<br />
Ordens des Mittelalters, um den<br />
sich zahlreiche Legenden über Geheimgesellschaften,<br />
Verschwörungen und verborgene<br />
Schätze ranken, spürbar erlegen. Und<br />
doch gelingt es ihm, aller Fabulierfreude<br />
zum Trotz, Geschichte und Fantasie zu<br />
trennen. Das Ergebnis: eine plausible Geschichte,<br />
die einen eigenen, <strong>auf</strong> Stimmigkeit<br />
und Authentizität gründenden Sog<br />
entwickelt. Das italienische Original wurde<br />
2009 mit <strong>dem</strong> Literaturpreis Premio Salgari<br />
ausgezeich<strong>net</strong>. <br />
1. Brigitte Riebe: Die Braut von Assisi. Diana, 496 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
2. Katie Hickman: Das Mädchen von San Marco. Übersetzt von Maja Ueberle-Pfaff. Marion von Schröder, 384 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
3. Helga Glaesener: Die Vergolderin. List, 448 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
4. Alfredo Colitto: Das Geheimnis der Alchimistin. Historischer Kriminalroman. Übersetzt von Katharina Schmidt<br />
und Barbara Neeb. Page & Turner, 448 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
5. Ariana Franklin: Der König und die Totenleserin. Historischer Kriminalroman. Übersetzt von Klaus Timmermann<br />
und Ulrike Wasel. Droemer Knaur, 432 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Purer Lesegenuss<br />
Die Roman-Highlights 2011<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
GMEINER Original<br />
LESEN IST wunderbar weiblich<br />
KERSTIN HOHLFELD<br />
Glückskeks-<br />
sommer<br />
BETTINA BRÖMME<br />
Weißwurst<br />
Roman<br />
für Elfen<br />
REBECCA ABE<br />
Im Labyrinth<br />
der Fugger<br />
Historischer Roman<br />
AXEL GORA<br />
Roman<br />
LESEN IST historisch gut<br />
Das Duell<br />
der Astronomen<br />
Historischer Roman<br />
DAGMAR FOHL<br />
Der Duft<br />
von Bittermandel<br />
Historischer Roman<br />
Kerstin Hohlfeld<br />
Glückskekssommer<br />
..............................................<br />
420 S. · 978-3-8392-1147-2 · € 11,90<br />
MACHT DES SCHICKSALS<br />
Eigentlich glaubt die angehende<br />
Schneiderin Rosa Redlich aus<br />
Berlin kein bisschen an das Schicksal<br />
und schon gar nicht an die<br />
Prophezeiungen aus Discounter-<br />
Glückskeksen. Aber diesmal ist<br />
alles anders!<br />
Bettina Brömme<br />
Weißwurst für Elfen<br />
..............................................<br />
326 S. · 978-3-8392-1151-9 · € 11,90<br />
VOM BLITZ GETROFFEN<br />
Natascha, Ende 20 und ziemlich<br />
dick, fristet ihr Dasein in einer<br />
schicken Eventagentur. Doch dann<br />
erfüllt sich für die Münchnerin ein<br />
Traum: Ein Blitzschlag verhilft ihr<br />
zu einem neuen Körper …<br />
Rebecca Abe<br />
Im Labyrinth der Fugger<br />
..............................................<br />
466 S. · 978-3-8392-1144-1 · € 12,90<br />
IM SPIEGEL DES TEUFELS<br />
Augsburg, Ende des 16. Jahrhunderts.<br />
Nach <strong>dem</strong> Tod des mächtigen<br />
Anton Fugger entbrennt ein mörderischer<br />
Kampf um dessen Millionenvermögen.<br />
Beste Unterhaltung!<br />
Axel Gora<br />
Das Duell der Astronomen<br />
..............................................<br />
321 S. · 978-3-8392-1138-0 · € 12,90<br />
WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT<br />
1618 bewirbt sich Darius Degenhardt<br />
als Hofastronom beim Kurfürst<br />
von Brandenburg. Im Schloss<br />
zu Cölln-Berlin trifft Darius <strong>auf</strong><br />
einen gefährlichen Konkurrenten …<br />
Dagmar Fohl<br />
Der Duft von Bittermandel<br />
..............................................<br />
375 S. · 978-3-8392-1140-3 · € 12,90<br />
DER KOCH DES KÖNIGS<br />
Frankreich im 16. Jahrhundert.<br />
Oberküchenmeister Bertrand de<br />
Baladoux legt sein Geständnis ab.<br />
Er hat Kanzler Duprat und König<br />
Franz den Ersten vergiftet. Aber<br />
warum?<br />
Wir machen’s spannend
HISTORISCHE ROMANE_STEINZEITSAGA<br />
Sie ist fasziniert von der Welt vor<br />
30 000 Jahren und schrieb über die<br />
Urgeschichte eine Romanserie. Den<br />
sechsten und letzten Band hat Jean<br />
M. Auel jetzt an einem passenden<br />
Ort vorgestellt: im Natural History<br />
Museum in London.<br />
„Sie waren<br />
uns sehr<br />
ähnlich“<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
Wie hat sich die Erde entwickelt und<br />
wie der Mensch? Wer Fragen dieser<br />
Art stellt, findet im Natural History Museum,<br />
<strong>dem</strong> naturkundlichen Museum Londons,<br />
viele Antworten – anschaulich präsentiert.<br />
Die vielen Kinder, die hier sind,<br />
die meisten im Vor- und Grundschulalter,<br />
sind hörbar begeistert, vor allem von den<br />
Dinosauriern, die vor Millionen von Jahren<br />
lebten. Ganz besonders von <strong>dem</strong> animierten,<br />
im Schummerlicht bedrohlich<br />
fauchenden T-rex.<br />
Wenn man aber in die Bibliothek des Museums<br />
kommt, ist es schlagartig still. Jean<br />
M. Auel stellt hier europäischen Journalisten<br />
ihr neues Buch vor: „Ayla und das<br />
Lied der Höhlen“. Sie sieht<br />
deutlich jünger aus als 75,<br />
„aber heute fühle ich mein<br />
Alter“, sagt die US-Amerikanerin.<br />
Doch auch Jüngere<br />
würden sich wohl müde fühlen<br />
bei ihrem Programm: Sie<br />
spricht nicht nur seit Stunden<br />
über ihr Buch, für das<br />
BBC-Fernsehen musste sie<br />
auch eine gute Performance<br />
abgeben. Aber<br />
kaum kommt die<br />
Sprache <strong>auf</strong><br />
© Denis Stanisic<br />
Jean M. Auel in der Lascaux-Höhle mit den berühmten Malereien aus frühgeschichtlicher Zeit<br />
die Bibliothek und das Museum, das sie<br />
liebt – die mehrfache Groß- und Urgroßmutter<br />
ist auch begeistert von den Kindern,<br />
die da draußen herumtoben und<br />
staunen über Dinosaurier und Mammuts –,<br />
blüht sie sichtlich <strong>auf</strong>. Und sobald sie über<br />
„ihr“ Thema, die Welt vor 30 000 Jahren,<br />
redet, scheint ihre Müdigkeit wie weggeblasen.<br />
Dass sie sich erstmals für diese Zeit interessierte,<br />
liegt schon über 30 Jahre zurück.<br />
Es war 1977, sie hatte gerade ihren Job gekündigt,<br />
viel Zeit und die Idee zu einer Geschichte.<br />
„Ich wollte über eine junge Frau<br />
schreiben, die mit anderen zusammenlebt,<br />
die nicht einfach nur oberflächlich anders<br />
sind als sie, sondern tief greifend anders.“<br />
Es war gegen elf Uhr abends, und sie fing<br />
an, sich Notizen zu machen, so, wie sie<br />
auch später immer nachts schreiben sollte.<br />
„Ich hatte irgendwie im Kopf, dass vor langer<br />
Zeit einmal Cromagnons und Neandertaler<br />
gleichzeitig lebten, schlug in Lexika<br />
nach, die wir zu Hause hatten, und so<br />
zeich<strong>net</strong>e sich schließlich Aylas Geschichte<br />
ab. In sieben Monaten obsessiven Schreibens<br />
arbeitete ich dann die Buchidee aus,<br />
Zur Person<br />
Jean M. Auel, geboren 1936 in Chicago, hat 1954<br />
geheiratet und hatte im Alter von 25 schon fünf<br />
Kinder. Sie war berufstätig, studierte gleichzeitig<br />
und schloss ihr Studium 1976 mit einem MBA ab.<br />
1977 kündigte sie ihren Job und begann an ihrem<br />
ersten Eiszeitroman „Ayla und der Clan der Bären“<br />
zu arbeiten. Jean M. Auel lebt mit ihrem<br />
Mann in Oregon.<br />
was viele ganz merkwürdig fanden, eben<br />
weil ich mich in dieser Zeit um nichts und<br />
niemanden gekümmert habe.“<br />
Es wurde die Geschichte des Cromagnon-Mädchens<br />
Ayla, das mit fünf Jahren<br />
seine Familie bei einem Erdbeben verliert,<br />
schließlich, fast verhungert, von Neandertalern<br />
<strong>auf</strong>genommen wird, halb Euro pa<br />
durchquert, und nun, im sechsten und<br />
letzten Band, erwachsen geworden ist und<br />
im Gebiet des heutigen Südfrankreichs bei<br />
Cromagnons lebt, mit ihrem Gefährten<br />
und ihrer kleinen Tochter. Dass Auel ein<br />
bisschen verrückt ist mit ihren Geschichten<br />
und ihrem zum Teil obsessiven Schreiben,<br />
sagt ihr längst niemand mehr – nach welt-<br />
26<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Stéphane Compoint
© Denis Stanisic<br />
weit bisher 45 Millionen verk<strong>auf</strong>ten Exemplaren.<br />
In den sechs Bänden, die <strong>auf</strong>einander<br />
<strong>auf</strong>bauen, aber unabhängig voneinander<br />
gelesen werden können, schildert sie detailreich<br />
das Leben der Steinzeitmenschen,<br />
wie sie es, davon ist die Autorin überzeugt,<br />
tatsächlich geführt haben: wie sie jagten<br />
und was sie aßen; welchen Tee sie tranken<br />
und wie sie ihn zubereiteten; wie sie ihre<br />
Kinder erzogen und Krankheiten behandelten;<br />
wie sie fühlten und miteinander<br />
sprachen.<br />
Jean M. Auel hat sich akribisch in ihre<br />
Thematik eingelesen. Sie weiß genau, welche<br />
Funde es aus dieser frühen Zeit gibt<br />
buchjournal 2/2011 27<br />
und welche Schlüsse Forscher aus ihnen<br />
ziehen. Zu vielen steht sie in engem Kontakt,<br />
und sie bekommt Anerkennung aus<br />
diesen Kreisen. „Viele Wissenschaftler sind<br />
wie ich davon überzeugt, dass die Menschen<br />
damals ganz ähnlich waren wie wir.“<br />
Und genau das ist es, was sie in ihren Romanen<br />
vermitteln will.<br />
Woran macht sie ihre Überzeugung fest?<br />
„Zum Beispiel am Skelett eines alten<br />
Mannes, dessen einer Arm früh amputiert<br />
wurde. Dieser Mann hat überlebt, und das<br />
doch wohl nur, weil andere für ihn sorgten.<br />
Weil sie ihn liebten. Oder, natürlich, die<br />
Lesezeichen<br />
Jean M. Auel: Ayla und das Lied<br />
der Höhlen. Übersetzt von<br />
Susanne Aeckerle, Marion<br />
Balkenhol und Ursula Wulfekamp.<br />
Heyne, 1120 S., 27,99 €<br />
(D) • 28,80 € (A) • 41,50 sFr.<br />
<br />
<br />
<br />
Höhlenmalereien: Diese fantastischen<br />
Zeichnungen sprechen ganz deutlich von<br />
einer Intelligenz, die unserer sehr ähnlich<br />
ist. Wir können vieles schließen aus <strong>dem</strong>,<br />
was wir wissen – und der Rest ist Fiktion. Ich<br />
schreibe ja Romane und keine Sachbücher.“<br />
So hat sie wieder voller Enthusiasmus<br />
mehr als 1 000 Seiten über eine weit zurückliegende,<br />
fremde Welt geschrieben, die aber<br />
in mancher Hinsicht vielleicht gar nicht so<br />
anders war als unsere. Acht Jahre hat sie an<br />
diesem Buch gearbeitet. „Das Leben braucht<br />
eben auch seine Zeit“, nicht zuletzt, wenn es<br />
in diesem Leben einen Mann, fünf Kinder,<br />
15 Enkel und acht Urenkel gibt.<br />
Jetzt ist sie fertig mit ihrem Stoff und<br />
überzeugt, dass sie mit <strong>dem</strong> sechsten Band<br />
ihr reichhaltiges Material zu einem guten<br />
Ende geführt hat. Und was kommt nach<br />
Ayla? „Ich werde sicherlich schreiben, solange<br />
ich das noch kann. Aber ich habe bisher<br />
keine konkreten Ideen für ein neues<br />
Buch.“ Wenn man ihr zuhört, ist es allerdings<br />
kaum vorstellbar, dass sie das Thema<br />
wechselt: zu begeistert ist Jean M. Auel von<br />
unseren Vorfahren und davon, sich mit ihnen<br />
und ihrer Welt zu befassen.
HISTORISCHE ROMANE_INTERVIEW<br />
Ken Follett und Ildefonso Falcones standen bei<br />
seinem Roman „Die Pforten der Ewigkeit“ Pate.<br />
Richard Dübell über seinen Autorenberuf, über<br />
Recherche vor Ort und sein Faible für Geschichte.<br />
„Die Leser wollen<br />
Mittelalterromane“<br />
INTERVIEW: ECKART BAIER<br />
„Die Pforten der Ewigkeit“ ist Ihr vierzehnter<br />
historischer Roman. Am Mittelalter verlieren<br />
Sie offenbar nie das Interesse?<br />
Richard Dübell: Nein, die Beschäftigung<br />
mit dieser Epoche macht mir immer wieder<br />
großen Spaß. Mich interessiert und fasziniert<br />
einfach, wie die Leute damals gelebt<br />
und wie sie sich unter schwierigsten Umständen<br />
durchgeschlagen haben. Dabei fi nde<br />
ich es immer wieder erstaunlich, wie nahe<br />
uns die Menschen des Mittelalters mit ihren<br />
Träumen und Wünschen doch sind.<br />
Sind Sie denn von Haus aus Historiker?<br />
Nein, ich komme ursprünglich aus <strong>dem</strong><br />
k<strong>auf</strong>männischen Bereich und habe zuletzt<br />
bei der Firma HochTief als Eink<strong>auf</strong>sleiter<br />
gearbeitet. Inzwischen ist aber das Schreiben<br />
mein Hauptberuf.<br />
Wie fi nden Sie Ihre Stoffe?<br />
Das kann ganz zufällig passieren, etwa<br />
wenn ich bei der Recherche für ein Buch<br />
<strong>auf</strong> interessante Details stoße, die mich zu<br />
einem neuen Roman inspirieren. Es gibt<br />
aber auch die gezielte Suche wie etwa jetzt<br />
bei den „Pforten der Ewigkeit“. Das Buch<br />
ist letztlich aus der Frage entstanden, wieso<br />
es von einem deutschen Autor keinen<br />
großen historischen Roman über die Kirchenbauten<br />
des Mittelalters gibt.<br />
Nach den Vorbildern der großen Romane von<br />
Ken Follett und Ildefonso Falcones?<br />
Genau. Ich habe gezielt recherchiert, in<br />
welcher Epoche mein Buch spielen könnte<br />
und in welche historische Rahmenhandlung<br />
ich eine Geschichte hineinweben<br />
könnte. Mir war dann schnell klar, dass die<br />
Periode des Interregnums nach <strong>dem</strong> Tod des<br />
St<strong>auf</strong>erkaisers Friedrich II. dafür ideal ist.<br />
Damals haben die meisten Klöster und Orden<br />
ihre Bautätigkeit weitgehend eingestellt<br />
– mit Ausnahme der Zisterzienser. Warum<br />
das so war, ist eine spannende Frage.<br />
Recherchieren Sie denn auch vor Ort und lassen<br />
sich von der Atmosphäre in Klöstern, Kirchen<br />
und Burgen inspirieren?<br />
Das ist für mich ganz wichtig und ich investiere<br />
viel Zeit und Geld, um die Orte der<br />
Handlung zu besuchen. Ein Großteil<br />
meines neuen Romans spielt in Bamberg<br />
und im Steigerwald, es gibt aber auch eine<br />
wichtige, nicht allzu lange Szene, die in<br />
Bruck in der Schweiz spielt, eine weitere in<br />
Mailand. Da bin ich überall gewesen.<br />
Wie lange haben Sie an <strong>dem</strong> Buch gearbeitet?<br />
Etwa ein halbes Jahr. Zwei Monate habe<br />
ich für die Recherche und das Exposé gebraucht,<br />
vier Monate fürs Schreiben.<br />
Lassen Sie die Fakten Ihrer Bücher von Fachleuten<br />
überprüfen?<br />
Während des Schreibens befrage ich<br />
Lesezeichen<br />
Richard Dübell: Die Pforten der<br />
Ewigkeit. Lübbe, 864 S., 19,99 €<br />
(D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
Vom K<strong>auf</strong>mann zum Schriftsteller: Richard Dübell<br />
Zur Person<br />
Richard Dübell (49) lebt mit seiner Frau und zwei<br />
Söhnen bei Landshut. Nach seinen ersten Romanen,<br />
den Historienkrimis „Der Tuchhändler“ (1999) und<br />
„Der Jahrtausendkaiser“ (2000), gelang ihm mit<br />
„Eine Messe für die Medici“ (2002) zum ersten<br />
Mal der Sprung <strong>auf</strong> die Bestsellerliste. Den<br />
größten Erfolg feierte Richard Dübell bislang mit<br />
seiner „Teufelsbibel“-Trilogie, die weltweit in<br />
14 Sprachen übersetzt wurde.<br />
schon immer wieder Archivare und Historiker.<br />
Das fertige Manuskript bekommen<br />
aber dann nur meine Probeleser zu sehen,<br />
bevor es dann an den Verlag geht.<br />
Und warum immer Mittelalter? Interessiert<br />
Sie das 18. oder 19. Jahrhundert denn nicht?<br />
Wenn ich eine tolle Geschichte fände, die<br />
1830 spielt, könnte ich auch darüber schreiben.<br />
Aus Marktbeobachtungen weiß man<br />
aber, dass Geschichten aus späteren Epochen<br />
<strong>auf</strong> geringes Interesse stoßen.<br />
Das Mittelalter ist für Sie also auch unter Verk<strong>auf</strong>saspekten<br />
günstig?<br />
Warum sollte ich meine Leser mit Geschichten<br />
langweilen, die ihnen nichts bedeuten?<br />
Aber die Verkäufl ichkeit ist nicht die<br />
wichtigste Motivation, sondern die Story.<br />
Wenn es mir nur ums Geldverdienen gehen<br />
würde, schriebe ich x-beliebige Romane, die<br />
nur deshalb im Mittelalter spielen, weil es gerade<br />
in ist. Da hätte ich das Gefühl, ich würde<br />
meine Leser nicht ernst nehmen. Meine Bücher<br />
sind komplexer und anspruchsvoller. <br />
28<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Olivier Favre
© FinePic®, München<br />
AUFGEWÜHLT.<br />
<strong>Liebe</strong>, Leid und Leidenschaft.<br />
Sabine Eberts mitreißender<br />
Bestseller um die Nach-<br />
fahrin der Hebamme<br />
Marthe.<br />
752 Seiten / € (D) 9,99<br />
Die Totenleserin Adelia<br />
gerät zu Zeiten Heinrichs II.<br />
in tödliche Gefahr.<br />
432 Seiten / € (D) 19,99<br />
Troubadoure, Ritter und<br />
eine dramatische Intrige<br />
im mittelalterlichen<br />
Südfrankreich.<br />
560 Seiten / € (D) 19,99<br />
Auf Hiddensee wird für<br />
die junge Künstlerin Ida<br />
ein Traum wahr.<br />
576 Seiten / € (D) 9,99
Der Titel besagt es schon; dieses Buch ist<br />
nichts für Bürger, die obrigkeitshörig und der<br />
Lethargie verfallen sind und das<br />
kritische Denken scheuen.<br />
Die einzelnen Themen wurden in den letzten<br />
Jahren bearbeitet, meistens <strong>auf</strong>grund<br />
eines aktuellen Anlasses.<br />
Es galt aber auch, <strong>auf</strong> unsere Geschichte<br />
hinzuweisen und das Bewußtsein dafür<br />
wachzurufen, daß die Freiheit wieder<br />
verlorengehen kann, wenn sich nicht<br />
Persönlichkeiten entwickeln, die wachsam<br />
sind und für die Freiheit einstehen.<br />
Wenn sich ein Anlaß ergab, wurden die<br />
Themen sogleich in den Lyrikband<br />
<strong>auf</strong>genommen, der gerade im Entstehen war.<br />
Insofern schien die Zusammenfassung<br />
einiger Themen sinnvoll zu sein, um <strong>auf</strong> diese<br />
Weise ein bestimmtes Zeitgeschehen<br />
in einem Buch vermitteln zu können.<br />
Hubertus Scheurer<br />
Der Gedichtband ist in jeder<br />
Buchhandlung<br />
erhältlich.<br />
ISBN 978-3-8423-0466-6<br />
Preis: € 12,-<br />
www.hubertus-scheurer.de<br />
LYRIK<br />
Deutschland – das Land der Dichter und Denker? Das ist wohl<br />
eher Vergangenheit. Dennoch: Das Jahr 2011 hat gut für die<br />
Poesie und mit ihr begonnen.<br />
Dichter sehen anders<br />
TEXT: NILS KAHLEFENDT<br />
O h<br />
je. Eigentlich wollte der Dichter<br />
Thomas Kunst keine So<strong>net</strong>te mehr<br />
schreiben. Doch als Instrument der „Ermüdung,<br />
Polemik und Ernüchterung“ konnte<br />
er nicht von ihnen lassen. Zum Glück für<br />
uns Leser, sein neuer Band „Legende vom<br />
Abholen“ (Edition Rugerup) besitzt Suchtpotenzial.<br />
„Diskurse nur von denen, die<br />
sehr schwache / Gedichte schreiben, ohne<br />
sich zu schonen, / Ich würde gerne gute<br />
Texte lesen.“<br />
Offenbar wurde Kunst erhört, das Lyrikjahr<br />
2011 begann hoffnungsvoll. Im Januar<br />
schaffte es der Band „Ein weltgewandtes<br />
Land“ von John Ashbery (Luxbooks) <strong>auf</strong><br />
Platz 1 der renommierten SWR-Bestenliste;<br />
auch Jan Wagners „Australien“ (Berlin Verlag)<br />
und die von Michael Braun und Hans<br />
Thill herausgegebene Anthologie „Lied aus<br />
reinem Nichts. Deutschsprachige Lyrik des<br />
21. Jahrhunderts“ (Das Wunderhorn) kamen<br />
<strong>auf</strong>s Treppchen. Ein kleines Wunder<br />
in unseren romanfixierten Breiten.<br />
Im März konnte man an prominenter<br />
Stelle im schwer seriösen Politikteil der<br />
„Zeit“ plötzlich diese Verse von Monika<br />
Rinck lesen: „Selig sind die Lyrikerinnen,<br />
denn sie werden die Streitkräfte übernehmen.<br />
/ Sie werden die Befehle verklausulieren,<br />
bis sie einschlagen wie Bomben. / Sie<br />
werden in Frankreich einmarschieren.“<br />
Hallo? War <strong>dem</strong> Land der Dichter und Denker<br />
kollektiv eine geheimnisvolle Droge<br />
eingeflößt worden, <strong>auf</strong> dass nicht mehr<br />
Xetra-Dax, RTL II und Baron zu Guttenberg<br />
die Deutschen umtreibe, sondern Hölderlin,<br />
Rilke und Durs Grünbein? Die Ham-<br />
30<br />
Wortkunst wird nicht großgeschrieben – und<br />
doch gibt es Beeindruckendes zu entdecken<br />
© Yvonne Kuschel<br />
buchjournal 2/2011
urger Wochenzeitung hat elf Autoren<br />
eingeladen, der politischen Lyrik ein Jahr<br />
lang neues Leben einzuhauchen, sich quasi<br />
einen Reim <strong>auf</strong> Merkel & Co. zu machen.<br />
Sehen Dichter mehr als Journalisten? Für<br />
die „Zeit“, der zu diesem mutigen Experiment<br />
nur zu gratulieren ist, liegt der Fall<br />
klar: „Sie sehen anderes. Und anders.“<br />
Und noch eine gute Nachricht für die<br />
Gattung, der in schöner Regelmäßigkeit<br />
das Totenglöckchen geläutet wird: Das<br />
„Jahrbuch der Lyrik“, das seit 1979 von<br />
Christoph Buchwald mit wechselnden Koherausgebern<br />
betreut wird und dessen<br />
Ende 2009 besiegelt schien, wird weitergeführt!<br />
Mit <strong>dem</strong> zur Leipziger Buchmesse<br />
erschienenen Band 28 hat C. H. Beck den<br />
Staffelstab übernommen. Eine eminent<br />
wichtige Rettungstat, sind es doch gerade<br />
Lyrikanthologien, denen es in schöner Regelmäßigkeit<br />
gelingt, Leserinteresse über<br />
die einschlägigen Kreise des Literaturbetriebs<br />
hinaus zu mobilisieren.<br />
Für ihre Übersicht haben sich Buchwald<br />
und seine Mitherausgeberin Kathrin<br />
Schmidt mächtig ins Zeug gelegt; die Umstellung<br />
der Gedichteinsendung ausschließlich<br />
per E-Mail führte zu deutlich<br />
mehr Post. Am Ende wurden aus fast 1 000<br />
Einreichungen 140 Autoren ausgewählt,<br />
bekannte Namen wie Marcel Beyer, Ulla<br />
Hahn oder Friederike Mayröcker, aber<br />
auch neu zu entdeckende Stimmen. Der<br />
von sechs poetologischen „Anmerkungen<br />
Lesezeichen<br />
1. Michael Braun, Hans Thill: Lied aus reinem Nichts.<br />
Deutschsprachige Lyrik des 21. Jahrhunderts. Das<br />
Wunderhorn, 250 S., 26,– € (D) • 26,30 € (A) •<br />
41,90 sFr.<br />
2. Kurt Drawert: Idylle, rückwärts. Gedichte aus drei<br />
Jahrzehnten. C. H. Beck, 272 S., 19,95 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
3. Daniela Seel: ich kann diese stelle nicht<br />
wiederfi nden. Gedichte. Kookbooks, 64 S.,<br />
17,90 € (D) • 18,40 € (A) • 27,50 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 31<br />
zum Gedicht“ komplettierte Band bietet so<br />
einen idealen Einstieg ins lyrische Schaffen<br />
der Gegenwart.<br />
Die Zahl derer, die im „Jahrbuch“ erste<br />
Proben ihres Könnens abgeliefert und sich<br />
später einen Namen gemacht haben, ist Legion.<br />
Auch Daniela Seel gehört dazu. Seel,<br />
die ihren 2003 gegründeten Verlag Kookbooks<br />
binnen weniger Jahre zur ersten<br />
Adresse für junge deutschsprachige Lyrik<br />
gemacht hat, ist nun endlich auch selbst<br />
als Dichterin zu entdecken: Ihre fi ligranen,<br />
sich kühn an die Grenzen des Sagbaren vorantastenden<br />
Sprachgebilde konstruieren<br />
Wirklichkeit mit der Präzision mikrochirurgischer<br />
Apparaturen; das Gedicht ist<br />
„nur bewegung / im körper des autors / welcher<br />
der leser ist“. Daniela Seels Texte, vom<br />
Grafi ker Andreas Töpfer berückend schön<br />
zwischen Buchdeckel gebracht, sind die<br />
Lyrik-Entdeckung der Saison – und weisen<br />
doch weit über den Tag hinaus.<br />
Steht Seel erst am Anfang ihres Wegs, hat<br />
es die 1946 in Waynestville / Missouri geborene,<br />
mit Preisen überhäufte Mary Jo Bang<br />
bereits in den Dichter-Olymp geschafft. Der<br />
zweisprachige, vom US-Comic-Künstler<br />
Matt Kindt illustrierte Auswahlband „Eskapaden“<br />
(Luxbooks), der Gedichte aus allen<br />
sechs bisher veröffentlichten Werken Bangs<br />
vereint, lässt ahnen, was die Kritiker von<br />
„New York Times“ bis zur „American Book<br />
Review“ aus <strong>dem</strong> Häuschen bringt: Für Bang<br />
wird das Gedicht zur Bühne. Schreiben als<br />
Kopftheater, in <strong>dem</strong> die Autorin alle Rollen<br />
gleich selbst spielt: Mickey Mouse, Dr.<br />
Freud, Cher. Ein einziges Wunderland:<br />
„Alice kann nicht in einem Gedicht vorkommen,<br />
sagt sie, weil / Sie nur eine Metapher<br />
für Kindheit ist / Und ein Gedicht ist bereits<br />
eine Metapher“.<br />
Genug Eskapismus? Zeit für ein lyrisches<br />
Katerfrühstück: Weltverlorenheit<br />
und Sprachverlust sind die großen Themen<br />
des skeptischen Melancholikers Kurt<br />
Drawert. Wer ihn, was ein Fehler wäre,<br />
bislang übersehen hat, bekommt jetzt mit<br />
„Idylle, rückwärts“ (C. H. Beck) die Essenz<br />
seines lyrischen Werks aus drei Jahrzehnten.<br />
Auch wenn da einer gelegentlich<br />
vom „Ende der Poesie“ schreibt – <strong>dem</strong> vernunftlosen<br />
Träumen verweigert er sich<br />
nicht: „Es gibt viele schöne Dinge / für ein<br />
Gedicht, die ein Gedicht / nicht mehr<br />
brauchen, / weil sie schon schön sind. ...<br />
Aber immer, zwischen den Zeilen, / bleibt<br />
etwas übrig.“ <br />
Du lebst in mir<br />
Die Trauer eines vereinsamten Menschen<br />
Lyrik<br />
Hubertus Scheurer<br />
Ein Lyrik-Band mit<br />
150 <strong>Liebe</strong>sgedichten,<br />
von denen einige für<br />
Traueranzeigen<br />
verwendet werden können.<br />
Mein letzter Traum<br />
Den neuen Tag erträum ich mir<br />
Als schönsten Traum vor meinem Ende;<br />
Geh eng umschlungen fort mit Dir,<br />
Ganz sanft berührn Dich meine Hände,<br />
In eine Welt des wahren Seins,<br />
Wo wir nicht Leid und Falschheit kennen,<br />
In unsrer tiefen <strong>Liebe</strong> eins,<br />
Dort kann uns keine Macht mehr trennen.<br />
Der Gedichtband ist in jeder Buchhandlung<br />
erhältlich.<br />
ISBN - Nr. 978-3-8391- 9300-6<br />
Preis: € 12,-<br />
www.hubertus-scheurer.de
ROMANE_FANTASY<br />
Er ist skurril und erfolgreich, geadelt ist er auch – und jetzt werden alle Scheibenwelt-Romane<br />
von Terry Pratchett neu übersetzt. Der Aufwand lohnt sich unbedingt, meint Margarete von<br />
Schwarzkopf – und würdigt Sir Terrys eigenwilliges Werk.<br />
Die Welt<br />
als Scheibe<br />
A ls<br />
am 31. Dezember 2009 bekannt wurde,<br />
dass Terry Pratchett von der britischen<br />
Königin Elizabeth II. den Ritterschlag<br />
erhalten würde und sich fortan „Sir“<br />
Terry Pratchett nennen dürfe, da war das für<br />
die Millionen von Pratchett-Fans rund um<br />
den Globus wahrscheinlich die längst überfällige<br />
Verbeugung von Pratchetts oberster<br />
„Chefin“ vor einem Schriftsteller, der seit<br />
mehr als 30 Jahren weltweit Millionen von<br />
Fans hat. Dazu, dass sie sich mit Haut und<br />
Haaren mit seinen Werken identifizieren,<br />
bemerkte Terry Pratchett einmal: „Meine<br />
Leser kennen inzwischen meine Scheibenwelt<br />
besser als ich selbst.“ Auch das nimmt<br />
der große Satiriker mit Humor und typisch<br />
englischer Selbstironie. Seine Devise lautet:<br />
„Wir sollten immer daran denken, dass ‚I‘<br />
wie ,Ich‘ der schmalste Buchstabe des Alphabets<br />
ist.“ Der Ruhm ist ihm nie zu Kopf<br />
gestiegen – er hat ihn lieber für gute Zwecke<br />
genutzt.<br />
Seit den 70er Jahren hat der am 28. April<br />
1948 geborene Autor Bücher veröffentlicht.<br />
Doch der ganz große Erfolg begann 1983, als<br />
der erste seiner bisher insgesamt 38 Romane<br />
erschien, in deren Mittelpunkt eine seltsame<br />
Welt steht, die <strong>auf</strong> vier Elefanten ruht.<br />
Benilia, Tubul, Groß-T’Phon und Jerakeen<br />
heißen diese Wesen, die ihrerseits <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
Rücken einer riesigen Schildkröte namens<br />
Groß-A’Tuin durch das Weltall schwimmen.<br />
Beeinflusst ist dieses Bild einer Ur-Schildkröte<br />
von der indischen Mythologie – so,<br />
wie eigentlich alles im Werk Pratchetts Bezug<br />
nimmt <strong>auf</strong> Märchen, Mythen, Legenden,<br />
Sagen, aber auch durchaus <strong>auf</strong> in der<br />
Realität wurzelnde Ereignisse, die er an die<br />
Bedingungen seiner 48 000 Kilometer großen<br />
„Discworld“ anpasst.<br />
Angefangen hat alles mit <strong>dem</strong> Debüt „Die<br />
Farben der Magie“, <strong>dem</strong> dann zügig die anderen<br />
Romane folgten. Keinen seiner Leser<br />
erstaunt es, dass in ihnen Orang-Utans als<br />
Bibliothekare <strong>auf</strong>treten (Pratchett unterstützt<br />
übrigens die Orang Utan Foundation<br />
in Großbritannien) oder dass der Gevatter<br />
Tod, der immer wieder in den Romanen eine<br />
Rolle spielt, <strong>auf</strong> einem weißen Ross namens<br />
Blinky daherreitet – eine ironische Anspielung<br />
<strong>auf</strong> den apokalyptischen Reiter <strong>auf</strong><br />
<strong>dem</strong> bleichen Pferd (im Englischen: pale<br />
horse). Für den Autor ist es wichtig, dass<br />
der Humor nicht zu kurz kommt, selbst bei<br />
den ernsten Themen, die oft die Basis seiner<br />
Bücher bilden – Tod, Krieg, Rassismus, die<br />
Musikindustrie, diplomatische Intrigen<br />
und vieles mehr.<br />
Er hat seine Scheibenwelt als Parodie <strong>auf</strong><br />
Science-Fiction und die gängige Fantasyliteratur<br />
konzipiert. In dieser Welt rauchender<br />
Zauberer, aktiver Zahnfeen,<br />
chauvinistischer Zwerge, die jede Existenz<br />
weiblicher Zwerge leugnen, dieser<br />
Welt voller Götter, Hexen, Kobolde, Elfen,<br />
Golems, Feen und arbeitsloser Vampire ist<br />
alles möglich, findet sich alles wieder, was<br />
je von Autoren wie Lovecraft, Tolkien<br />
oder anderen Urvätern des Genres erdacht<br />
wurde. Aber auch Shakespeare und die<br />
griechische Mythologie haben hier Spuren<br />
hinterlassen, Weltgeschichte, Philosophie<br />
und Polizeiromane. Pratchett schafft<br />
aus all diesen vielen Einflüssen und Vorbildern<br />
ein eigenständiges Genre, ein eigenwilliges<br />
Universum, in <strong>dem</strong> alles nach<br />
32<br />
Info<br />
Terry Pratchett: Der Brite gehört<br />
mit 65 Millionen verk<strong>auf</strong>ten<br />
Büchern weltweit zu den<br />
erfolgreichsten (Fantasy-) Autoren<br />
Sein deutscher Verlag Manhattan gibt Terry<br />
Pratchetts Geschichten ein frisches sprachliches<br />
Gewand: Alle seine bereits bei Goldmann<br />
erschienenen Scheibenwelt-Romane<br />
werden nach und nach neu von Gerald<br />
Jung und Regina Rawlinson übersetzt,<br />
außer<strong>dem</strong> übertragen die beiden die Neuerscheinungen<br />
ins Deutsche. Gerald Jung<br />
hat sich schon bei „Der Club der unsichtbaren<br />
Gelehrten“ ans Werk gemacht. Der<br />
erste ältere von ihm jetzt neu übersetzte<br />
Titel ist „Voll im Bilde“. Die nächste von Regina<br />
Rawlinson übertragene Neuerscheinung<br />
ist „Das Mitternachtskleid“.<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Robin Matthews
izarren und dennoch <strong>auf</strong> skurrile Weise<br />
logischen Gesetzen abläuft.<br />
Sein Motto: „Es ist eine echt komische<br />
Welt. Das steht fest. Aber warum auch<br />
nicht? Das Lachen gehört zum Leben,<br />
oder?“ Diesen Satz kann man auch als eine<br />
Kampfansage Pratchetts interpretieren,<br />
sein eigenes Schicksal in den Griff zu bekommen<br />
und sich nicht unterkriegen zu<br />
lassen. Denn 2007 wurde bei ihm eine seltene<br />
schleichende Form von Früh-Alzheimer<br />
diagnostiziert. Was das für Pratchett<br />
bedeutet, kann man nur mutmaßen, konfrontiert<br />
es ihn doch mit Fakten, die er<br />
nicht beherrschen kann wie die Schicksalsströme<br />
in seiner Scheibenwelt.<br />
Er war in seiner Branche immer einer der<br />
Ersten, der jede neue Technik mit Begeisterung<br />
begrüßte, der sofort einen Computer<br />
benutzte, kaum dass es die ersten im Handel<br />
gab, der sich für alle technischen Neuerungen<br />
brennend interessierte. Auch die<br />
Errungenschaften <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Gebiet der Medizin<br />
haben ihn immer fasziniert. Und so<br />
unterstützt er, der nun selbst an Alzheimer<br />
erkrankt ist, mit großzügigen Spenden die<br />
Forschungsarbeiten <strong>auf</strong> diesem Gebiet und<br />
buchjournal 2/2011 33<br />
hat den früheren britischen Premierminister<br />
Gordon Brown in einem von der Presse<br />
viel beachteten Treffen dringend dazu <strong>auf</strong>-<br />
Lesezeichen<br />
1. Terry Pratchett: Der Club der unsichtbaren<br />
Gelehrten. Ein Scheibenwelt-Roman. Übersetzt von<br />
Gerald Jung. Manhattan, 512 S., 17,99 € (D) •<br />
18,50 € (A) • 27,90 sFr.<br />
2. Terry Pratchett: Das Mitternachtskleid. Ein Märchen<br />
von der Scheibenwelt. Übersetzt von Regina<br />
Rawlinson. Manhattan, 416 S., 17,99 € (D) •<br />
18,50 € (A) • 27,90 sFr. Erscheint am 16. Mai<br />
3. Terry Pratchett: Voll im Bilde. Ein Scheibenwelt-<br />
Roman. Übersetzt von Gerald Jung. Manhattan, 384 S.,<br />
14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 24,90 sFr. Erscheint am 16. Mai<br />
gefordert, dafür zu sorgen, dass von staatlicher<br />
Seite bei der Alzheimerforschung<br />
mehr getan wird. 2009 äußerte sich Pratchett<br />
in einem Interview zum Thema Sterbehilfe<br />
und erklärte, dass er für sie als einen<br />
Ausdruck von Humanität und Achtung<br />
der Menschenwürde plädiere und<br />
selbst diesen Weg wählen würde, wenn er<br />
vor diesem „kritischen Wendepunkt“ seines<br />
Lebens stehe.<br />
Nicht nur die Leser seiner Scheibenweltromane<br />
und all seiner anderen Veröffentlichungen,<br />
darunter Science-Fiction- und<br />
Kinderbücher und die zwei Romane, die<br />
Pratchett zusammen mit seinem Kollegen<br />
Neil Gaiman geschrieben hat, hoffen natürlich,<br />
dass es dazu nie kommen wird.<br />
Dass er vielmehr weiterhin die Kraft, den<br />
Humor, die Ausdauer und die Kreativität<br />
besitzen möge, seinen Lesern noch lange<br />
<strong>auf</strong>s Schönste mit seinen abenteuerlichen<br />
Erzählungen aus <strong>dem</strong> Reich der Fantasie<br />
die Zeit zu vertreiben. Das Phänomen Zeit<br />
war im Übrigen auch immer eines seiner<br />
großen Themen. Pratchetts trockener<br />
Kommentar dazu: „Die Zeit nimmt nur<br />
ihre Pfl icht wahr und verstreicht.“
Leslie Parrish<br />
Black CATS<br />
Was kostet der Tod?<br />
€ 9,99 [D] · € 10,30* [A] · sFr* 15,90<br />
ISBN: 978-3-8025-8375-9<br />
<br />
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Atemlose<br />
Thriller-<br />
Spannung!<br />
* unverbindliche Preisempfehlung<br />
ROMANE<br />
Arno Geiger hat seinen an<br />
Alzheimer erkrankten Vater<br />
über Jahre begleitet und ihm<br />
ein Porträt gewidmet. „Der<br />
alte König in seinem Exil“ ist<br />
ein großartiges, warmherziges<br />
Buch, meint Buchjournal-<br />
Redakteur Eckart Baier.<br />
Langsames Verlöschen<br />
^ Darum geht’s: um das Leben des heute 84-jährigen August<br />
Geiger. Als 17-Jähriger musste er in den Krieg, kam halb<br />
verhungert aus russischer Gefangenschaft zurück in sein Dorf<br />
in Vorarlberg, das er seither nicht mehr verlassen hat. Vier Kinder<br />
haben er und seine Frau großgezogen, eins davon ist<br />
Arno Geiger, der Autor dieses Buchs. August Geiger lebt<br />
heute im Altersheim, singt gern und sagt weise Sätze.<br />
Aber er kennt seinen Sohn nicht mehr und weiß nicht,<br />
für was eine Untertasse nütze ist. August Geiger hat Alzheimer.<br />
Sein Sohn hat ihn beim langsamen Verlöschen<br />
seines Geistes begleitet und über ihn und sein Leben<br />
dieses warmherzige, nie rührselige Buch geschrieben.<br />
^ Das bekommen Sie: ein wunderbares Porträt, mehr<br />
noch: eine <strong>Liebe</strong>serklärung an den Vater, <strong>dem</strong> der Autor erst im<br />
L<strong>auf</strong>e der Krankheit wirklich nahegekommen ist.<br />
^ Das bekommen Sie nicht: einen Roman – auch wenn es<br />
ganz oben <strong>auf</strong> der Seite steht. Das ist aber ganz egal. Was uns<br />
Geiger hier erzählt, hat alles, was große Literatur braucht:<br />
Glück und Verlust, tiefe Gefühle, Leben und Tod. Und eine<br />
sympathische Hauptperson, die den Leser berührt.<br />
^ Wer ist der Autor? 1997 debütierte Geiger mit <strong>dem</strong> Roman<br />
„Kleine Schule des Karussellfahrens“. Acht Jahre später gewann<br />
der heute 42-jährige Österreicher mit „Es geht uns gut“<br />
den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien 2010 sein Roman<br />
„Alles über Sally“. „Der alte König in seinem Exil“ war in diesem<br />
Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. <br />
j<br />
34<br />
^ Arno Geiger: „Der alte<br />
König in seinem Exil“. Hanser,<br />
192 S., 17,90 € (D) •<br />
18,40 € (A) • 26,90 sFr.<br />
Arno Geiger: „Der alte König in<br />
seinem Exil“. Gelesen von<br />
Matthias Brandt. Hörbuch<br />
Hamburg, 19,95 € (D / A) •<br />
34,90 sFr.<br />
Eckart Baier<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Denis Stanisic
ISLAND-KRIMIS<br />
Tödliche Flammen<br />
Ausgerech<strong>net</strong> ein verurteilter<br />
Sexualstraftäter engagiert<br />
die Reykjavíker<br />
Anwältin Dóra Gudmundsdóttir,<br />
einen alten<br />
Fall wieder <strong>auf</strong>zunehmen:<br />
Jakob, ein junger Mann<br />
mit Downsyndrom, soll<br />
ein tödliches Feuer in seinem<br />
Behindertenheim<br />
gelegt haben. Fünf Menschen sind dabei ums<br />
Leben gekommen – Jakob hat als Einziger überlebt.<br />
Aber ist er vielleicht unschuldig verurteilt<br />
worden? Im vierten Fall ihrer Romanheldin Dóra<br />
führt uns Yrsa Sigurdardottir mitten hinein in die<br />
Reykjavíker Gesellschaft – und deren Geheimnisse.<br />
Angehörige der Opfer haben etwas zu verbergen,<br />
ein Radiomoderator wird bedroht und<br />
im Haus einer Kleinfamilie scheint es zu spuken.<br />
AUF DER RENNBAHN<br />
Dunkle Geschäfte<br />
Ein hartes Pfl aster: Auf den<br />
Pferderennbahnen wird gewettet,<br />
betrogen, gefälscht<br />
und gezockt, was das Zeug<br />
hält. Der Buchmacher Ned<br />
Talbot begeg<strong>net</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
königlichen Rennen in Ascot<br />
einem Mann, der behauptet,<br />
sein Vater zu sein.<br />
Doch dann wird dieser vor<br />
seinen Augen erstochen – Versicherungsbetrug<br />
und Fälschung von Pferdeidentitäten scheinen dabei<br />
eine Rolle gespielt zu haben. Dick Francis<br />
durchleuchtet das männlich geprägte Milieu des<br />
Galopprennsports, der Leser wird in die komplizierte<br />
Berechnung von Quoten bei Pferdewetten<br />
eingeführt und lernt das Leben eines „Bookie“<br />
kennen. Der postum veröffentlichte Roman beschließt<br />
noch nicht ganz das Werk dieses Meisters<br />
der knackigen Krimis, die humorvoll, rasant und<br />
trotz<strong>dem</strong> gefühlvoll bis zur Rührung sind: Das<br />
Buch entstand in Koautorschaft mit Dicks Sohn<br />
Felix und dieser wird auch noch den letzten Roman<br />
seines Vaters, an <strong>dem</strong> er bis zu seinem Tod<br />
2010 arbeitete, vollenden. dan<br />
^ Dick Francis, Felix Francis: „Verwettet“.<br />
Übersetzt von Malte Krutzsch. Diogenes, 432 S.,<br />
22,90 € (D) • 23,60 € (A) • 38,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 35<br />
Lesestoff Krimis<br />
Dóras Recherchen nach <strong>dem</strong> wahren Täter bescheren<br />
<strong>dem</strong> Leser durchgehend die gewünschte<br />
Spannung, ohne dabei blutrünstig zu sein.<br />
Nach und nach werden die verschiedenen Erzählstränge<br />
zusammengeführt, ohne zu verwirren,<br />
im Gegenteil: Zum Schluss ergibt sich eine<br />
saubere Aufl ösung des Falls. hs<br />
^ Yrsa Sigurdardottir: „Feuernacht“. Übersetzt von<br />
Tina Flecken. Fischer Taschenbuch, 432 S.,<br />
8,95 € (D) • 9,20 € (A) • 14,50 sFr.<br />
In der Falle: Fünf Menschen sterben bei<br />
einem Brand in einem Behindertenheim<br />
RACHEFELDZUG<br />
Unter Strom<br />
Für den gelähmten Forensiker Lincoln Rhyme<br />
und seine Assistentin Amelia Sachs gibt es Anlass<br />
zur Hoffnung. Langsam gewinnt Rhyme die<br />
Kontrolle über einige seiner Finger wieder, und in<br />
Mexiko steht die Polizei unmittelbar vor der Festnahme<br />
des „Uhrmachers“, jenes Killers, der den<br />
beiden zuvor entkommen war. Aber dann speit<br />
an einer New Yorker Bushaltestelle ein Kabel<br />
Flammen, und ein Passant wird von einer Garbe<br />
fl üssigen Metalls durchbohrt. Das ist der Auftakt<br />
für heimtückische Attentate, mit denen ein an<br />
Krebs erkrankter Arbeiter eines Stromkonzerns<br />
seinen persönlichen Rachefeldzug beginnt. Seine<br />
Waffe ist so tödlich wie allgegenwärtig. Man<br />
sieht sie nicht und spürt sie erst, wenn es zu spät<br />
ist, denn je nach Spannung kann elektrischer<br />
Strom Menschen in Flammen <strong>auf</strong>gehen oder ihren<br />
Herzschlag stoppen lassen. Besonders, wenn<br />
das potenzielle Opfer wie<br />
Rhyme im Rollstuhl sitzt<br />
und wenn es sich von der<br />
Tarnung des Täters täuschen<br />
lässt. ub<br />
^ Jeffery Deaver: „Opferlämmer“.<br />
Übersetzt von<br />
Thomas H<strong>auf</strong>schild.<br />
Blanvalet, 576 S., 19,99 €<br />
(D) • 20,60 € (A) • 30,90 sFr.<br />
© tzam / istockphoto<br />
PIPER. BÜCHER, ÜBER DIE MAN SPRICHT.<br />
Ein neuer<br />
Fall für<br />
Mamma<br />
Carlotta<br />
Eine Telenovela, die <strong>auf</strong> Sylt gedreht wird?<br />
Da ist Mamma Carlotta als Komparsin<br />
natürlich mit von der Partie. Allerdings<br />
rutscht sie dabei in eine sehr unangenehme<br />
Sache: in einen Mordfall am Set! Und<br />
auch ihr Schwiegersohn, Hauptkommissar<br />
Erik Wolf, ist mit Ermittlungen beschäftigt,<br />
die in die Filmbranche führen …<br />
Piper Taschenbuch, 368 Seiten<br />
€ 9.95 (D) / € 10.30 (A) /sFr 15.90*<br />
* unverb. Preisempf.<br />
www.piper.de<br />
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LESESTOFF KRIMIS<br />
MUSIK-KRIMI<br />
Verschollene Bach-Werke<br />
Lesern mit gutem Langzeitgedächtnis<br />
dürfte der<br />
Name Sebastian Knauer in<br />
Erinnerung sein: Er war jener<br />
Journalist, der 1987<br />
Uwe Barschels Leiche in<br />
der Badewanne eines Genfer<br />
Hotels fand. Nach einigen<br />
Sachbüchern debütiert<br />
Knauer nun als Krimiautor<br />
und wir stellen fest: Der Mann beherrscht auch<br />
dieses Metier. „Tödliche Kantate“ spielt in der Welt<br />
der klassischen oder besser: der Barockmusik. Ein<br />
skrupelloser Amerikaner, der sich verschollen geglaubte<br />
Werke von Johann Sebastian Bach unter<br />
den Nagel reißt und dafür über Leichen geht, eine<br />
deutsche Bratschistin und ein Hamburger Privatdetektiv<br />
sind die Protagonisten in diesem Musikkrimi,<br />
der beweist, dass kriminelle Energie auch in<br />
der Kunstszene anzutreffen ist – was <strong>dem</strong> Leser einen<br />
spannenden, turbulenten Krimi beschert. bai<br />
^ Sebastian Knauer: „Tödliche Kantaten“. Ellert &<br />
Richter, 192 S., 8,95 € (D) • 9,20 € (A) • 14,50 sFr.<br />
ENDZEITSPIEL<br />
Im Fegefeuer<br />
Ausgerech<strong>net</strong> in eine Phase<br />
verheerender Waldbrände<br />
in Australien fällt die<br />
deutsche Ausgabe des neuen<br />
Thrillers von Peter Temple,<br />
<strong>dem</strong> derzeit Down Under<br />
heiß gehandelten Krimiautors.<br />
„Wahrheit“, ein<br />
Fanal in Prosa, wird rhythmisiert<br />
von einer apokalyptischen<br />
Feuerwalze, die Melbourne bedroht. Unter<br />
glühen<strong>dem</strong> Himmel kochen Negativattribute der<br />
Bewohner hoch: Als in einem Neubau eine Frauenleiche<br />
gefunden wird, scheint es, als würde die<br />
Hitze des nahenden Feuers die Grenze zwischen<br />
Zivilisation und Wildnis zerstören. Auch deshalb,<br />
weil Stephen Villani, der mit der Aufklärung des<br />
Falles betraut ist, von Politikern behindert wird.<br />
Dass ihn die Situation an ein Fegefeuer gemahnt,<br />
liegt auch daran, dass das Opfer seiner verschwundenen<br />
Tochter ähnelt. Mit viel Gespür für<br />
Verderbtheit und Dramaturgie macht der Erzähler<br />
aus dieser Konstellation ein so packendes wie böses<br />
Endzeitspiel. hw<br />
^ Peter Temple: „Wahrheit“. Übersetzt von Hans M.<br />
Herzog, C. Bertelsmann, 480 S., 21,99 € (D) • 22,70 €<br />
(A) • 34,50 sFr.<br />
© Michael Cavén<br />
Intrigen und<br />
Gewalt<br />
RAUBÜBERFALL<br />
Parkers perfekter Plan<br />
Er ist so cool wie Bruce Willis<br />
und schweigsam wie Lucky<br />
Luke: Parker heißt der<br />
Held aus rund 25 Krimis des<br />
US-Autors Richard Stark alias<br />
Donald E. Westlake – und<br />
eigentlich ist unsere Sympathie<br />
mit <strong>dem</strong> Mann ohne<br />
Vornamen politisch ziemlich<br />
unkorrekt. Denn Parker ist<br />
ein Verbrecher, ein hartgesottener Krimineller,<br />
<strong>dem</strong> es vor allem ums Geld geht – und dass er bei<br />
seinen Raubzügen nicht geschnappt wird. In „Sein<br />
letzter Trumpf“ hat Parker ein Casinoschiff im Visier,<br />
das den Hudson r<strong>auf</strong>- und runterschippert<br />
und <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> die Gäste pro Fahrt 400 000 Dollar<br />
verspielen. Doch wie lässt sich ein schwer bewachtes<br />
Schiff ausrauben? Und wie kann man<br />
anschließend möglichst un<strong>auf</strong>fällig verschwinden?<br />
Parker kennt keine Probleme, nur Herausforderungen.<br />
Wohl oder übel braucht er Helfer, obwohl<br />
er eigentlich nur einem traut: sich selbst. So<br />
ist Parkers perfekter Plan für manchen Helfer eine<br />
Einladung, eigene Pläne zu verfolgen. Spannend,<br />
lakonisch und geradlinig erzählt: Der neue Parker<br />
ist wie immer tolle Unterhaltung in bester Noir-<br />
Krimi-Tradition. bai<br />
^ Richard Stark: „Sein letzter Trumpf “. Übersetzt<br />
von Rudolf Hermstein. Zsolnay, 288 S., 17,90 € (D) •<br />
18,40 € (A) • 26,90 sFr.<br />
36<br />
POLITTHRILLER<br />
Roter Glamour<br />
„Letzte Schicht“ heißt der literarische Vorgänger<br />
von „Roter Glamour“, Dominique<br />
Manottis neuem Roman. Hatte die Französin<br />
sich beim vorigen Buch, das <strong>auf</strong> der<br />
KrimiZeit-Bestenliste der zehn besten Krimis<br />
2010 <strong>auf</strong> Platz drei landete, couragiert<br />
an den verderbten Sitten der Wirtschaftskriminellen<br />
abgearbeitet, richtet sie ihr Augenmerk<br />
nunmehr <strong>auf</strong> die verlotterten moralischen<br />
Maßstäbe der Politik. Ihre Hauptfi<br />
gur, die junge Polizistin Noria Ghozali,<br />
kämpft gegen rassistische Anwürfe – und<br />
einen vermeintlich übermächtigen Gegner<br />
namens François Bornand. Der macht als<br />
Berater seines präsidialen Vornamensvetters<br />
Mitterand mehr Gebrauch von seinem<br />
Einfl uss, als es die Polizei erlauben sollte.<br />
Manotti schildert den historisch unterfütterten<br />
Fall über Intrigen und Geheimdienste,<br />
Amtsanmaßung und Gewalt mit<br />
einem unterkühlten stilistischen Aplomb,<br />
der an die Hoch-Zeit der hardboiled novel<br />
erinnert. In Noria Ghozali hat der Höchstspannungsroman<br />
eine denkwürdige Protagonistin,<br />
die in ihrem beharrlichen Kampf<br />
gegen das real existierende<br />
Böse an ihre Erfi<br />
nderin gemahnt. hw<br />
^ Dominique Manotti:<br />
„Roter Glamour“.<br />
Übersetzt von Andrea<br />
Stephani. Ariadne,<br />
256 S., 12,90 € (D) •<br />
13,30 € (A) •<br />
22,50 sFr.<br />
buchjournal 2/2011
Raffi nierter<br />
Krimihund<br />
TEXT: TOBIAS GOHLIS<br />
Was kann der Kriminalroman? In einer<br />
Diskussion über die Frage<br />
kommt man an <strong>dem</strong> schwedischen Autor<br />
Arne Dahl nicht vorbei. Das zeigt sich an<br />
seinem neuen Roman „Opferzahl“. Am<br />
5. August 2005, knapp einen Monat nach<br />
den Bombenanschlägen in London, wird<br />
am frühen Morgen in Stockholm der letzte<br />
Zug der grünen U-Bahn-Linie in die Luft<br />
gesprengt. Neun Personen sind sofort tot,<br />
ein zehnter Passagier erliegt etwas später<br />
seinen Verletzungen.<br />
Eine der beliebtesten Floskeln, mit denen<br />
Krimiautoren eine gewisse Willkür ihrer<br />
Plots verteidigen, ist die Behauptung,<br />
dass alles mit allem zusammenhängt. Arne<br />
Dahl gibt dieser Phrase in seinem neuen<br />
Roman, <strong>dem</strong> neunten und vorletzten in der<br />
Reihe um das A-Team, einen neuen Dreh:<br />
Alles, was mit diesem Bombenanschlag zusammenhängt,<br />
wird in alle Winde zerstreut.<br />
Wenn alles mit allem zusammenhängt,<br />
fl iegt alles in die Luft, wenn auch<br />
nur ein Teilchen explodiert. Ein Wirbel<br />
entsteht, der alles mit sich reißt.<br />
Reaktionen. Eine feministische Journalistin<br />
feiert den Befreiungsschlag: „Die altersgeile<br />
abendländische Gesellschaft verdient<br />
es, in die Luft gesprengt zu werden.“<br />
Die Polizisten, die den Tatort im U-Bahn-<br />
Wagen Carl Jonas besichtigen, erblicken<br />
„abstrakte Kunst. Dieses unvergleichliche<br />
Spiel von Form und Farbe, ungefähr wie<br />
Action-Painting.“<br />
Manch sensiblem Gemüt mag dies zu<br />
wenig empfi ndsam sein, es sind kalkuliert<br />
kalte Bildbeschreibungen der Reaktionsmuster,<br />
mit denen wir <strong>auf</strong> Katastrophenbilder<br />
reagieren. Dahls Polizisten sind Polizisten<br />
im Kriminalroman, nicht in einer<br />
Realität, sie sind Agenten im Auftrag des<br />
Autors in einer Welt der Bilder, Ideen, Strömungen.<br />
Der lässt sie zu Beginn <strong>auf</strong>treten,<br />
wie man sich Polizisten wünscht am Ort<br />
buchjournal 2/2011 37<br />
DUNKELKAMMER_DIE KRIMIKOLUMNE<br />
100 Seiten zum Warml<strong>auf</strong>en – aber dann geht der<br />
Plot richtig ab. Arne Dahl zeigt sich in seinem<br />
neunten Fall um das A-Team wieder einmal als<br />
einer der ganz großen Spannungsautoren.<br />
Tobias Gohlis<br />
eines Blutbads. Distanziert, hellwach und<br />
sensibel lesen sie Spuren, analysieren das,<br />
was sie noch nie gesehen und analysiert haben.<br />
Die ersten 80 bis 100 Seiten des Romans<br />
sind Exposition. Ich dachte, das ist der<br />
langweiligste Dahl, den ich gelesen habe.<br />
Aber dann ging es los. Wie ein Sieb, das<br />
eine Zeit lang am Boden eines Tümpels gelegen<br />
hat, erhebt sich das A-Team aus <strong>dem</strong><br />
Grundschlamm der Fakten und Vorurteile:<br />
Ermittlungslinien, schlüpfrig wie Lianen,<br />
sind die erste Ausbeute. Da bilden ominöse<br />
Heilige Reiter von Siffi n einen islamistischen<br />
Strang. Da scheint es, als hätten die<br />
Toten doch nicht ganz zufällig in der<br />
U-Bahn gesessen. Da hat ein Polizist anscheinend<br />
vorausgeahnt, was geschehen<br />
wird. Die Ermittlungen weiten sich aus,<br />
tanzen herum wie eine umgekehrte Windhose,<br />
richten sich plötzlich nach innen. Ein<br />
Polizist wird erpresst, die Sicherheitspolizei<br />
verschweigt etwas.<br />
Arne Dahl spielt mit Krimi-Mustern die<br />
Welt durch. „Opferzahl“ ist sein Polizeiroman:<br />
Das Team ist nicht zu schlagen.<br />
Dahl wäre nicht der raffi nierte Hund, der<br />
er ist, fände er nicht zum Schluss noch einen<br />
verblüffend einfachen Dreh. Wenn der<br />
Tornado abgeklungen ist, fällt alles in alles<br />
zusammen. Bis es zum zehnten Mal losgeht.<br />
Ich bin gespannt. <br />
^ Tobias Gohlis ist Sprecher der<br />
KrimiZeit-Bestenliste.<br />
www.arte.tv/krimiwelt<br />
Arne Dahl: Opferzahl. Übersetzt<br />
von Wolfgang Butt. Piper, 448 S.,<br />
19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
© Marco Grundt<br />
»Martin Walker hat eine der<br />
schönsten Regionen Frankreichs,<br />
das Périgord, zum Krimiland<br />
erhoben und damit erst für die<br />
Literatur erschlossen.«<br />
Die Welt, Berlin<br />
352 Seiten, Leinen<br />
€ (D) 22.90 / sFr 38.90* / € (A) 23.60<br />
ISBN 978-3-257-06782-8<br />
Auch als Diogenes Hörbuch<br />
Erscheint am 19. April 2011<br />
Foto: Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag<br />
* unverbindliche Preisempfehlung<br />
Was haben Trüffeln mit Frankreichs<br />
Kolonialkrieg in Vietnam und mit chinesischen<br />
Triaden zu tun? Die Lösung<br />
von Bruno Courrèges’ drittem Fall ist<br />
so tief vergraben wie die legendären<br />
schwarzen Diamanten unter den uralten<br />
Eichen im Périgord – und genauso<br />
schwer zu finden.<br />
Webmagazin und Termine der Lese- und Pressereise<br />
unter www.diogenes.ch
KRIMI_DEUTSCH-DEUTSCHE GESCHICHTE<br />
Ungerechtigkeit bringt Elisabeth<br />
Herrmann in Rage – und lässt sie<br />
spannende Bücher schreiben. Ihr neuer<br />
Fall erinnert an die Unmenschlichkeit<br />
des DDR-Regimes.<br />
Leicht zu<br />
entfl ammen<br />
TEXT: BRIGITTE PREISSLER<br />
E ine<br />
solche Romanfi gur dürfte auch<br />
notorischen „Tatort“-Guckern noch<br />
nicht untergekommen sein: Judith Kepler,<br />
die Heldin aus Elisabeth Herrmanns<br />
jüngstem Krimi „Die Zeugin der Toten“, ist<br />
Tatortreinigerin. Wenn die Kommissare,<br />
die Spurensicherung und die Gerichtsmediziner<br />
gegangen sind, beseitigt sie die<br />
Überreste von Raubüberfällen, Morden<br />
oder auch Selbstmorden. Also das Blut, die<br />
Knochenstücke, das Gewebe, vielleicht<br />
Rußspuren – all die grässlichen Hinterlassenschaften<br />
schwerer Verbrechen, denen<br />
kein Hausmeister mehr beikommt und<br />
kein Essigreiniger.<br />
„Dafür gibt es spezielle Ausbildungen,<br />
in denen hohe Anforderungen gestellt werden“,<br />
erklärt die Autorin. Wir treffen sie in<br />
ihrem eleganten Wohnzimmer in Berlin-<br />
Schmargendorf, in <strong>dem</strong> es frühlingshaft<br />
nach frischen Hyazinthen duftet. „Diese<br />
Leute müssen sich zum Beispiel mit <strong>dem</strong><br />
Bundesseuchengesetz vertraut machen. Sie<br />
haben Umgang mit schlimmsten Giften,<br />
bis hin zu Zyklon B, um eine Wohnung zu<br />
entwesen. Das kann nicht jeder.“<br />
Die Journalistin weiß genau, wie man so<br />
etwas recherchiert. Seit 1996 arbeitet sie<br />
für den rbb (der damals noch SFB hieß); zuvor<br />
war sie, nach einem Volontariat beim<br />
Radio, zehn Jahre lang für den Berliner Radiosender<br />
100,6 unterwegs. Lokale Berichterstattung<br />
ist ihr täglich Brot, ihre Themen<br />
sind vielfältig: Aus <strong>dem</strong> Bundeskanzleramt<br />
berichtet sie ebenso wie aus <strong>dem</strong> Kaninchenzüchterverein.<br />
Auch wie ein Tatort<br />
© Cordula Giese<br />
Sie hat es geschafft: Die Journalistin Elisabeth Herrmann kann von ihren Krimis leben<br />
aussieht, wenn die Polizei ihn freigibt,<br />
weiß sie aus eigener Anschauung – und darüber<br />
hat sie nun einen fesselnden Roman<br />
geschrieben. Er handelt von der 33-jährigen,<br />
ziemlich schweigsamen Tatortreinigerin<br />
Judith, die in einer Plattenbausiedlung<br />
in Berlin-Marzahn lebt.<br />
„Zeugin der Toten“ ist zum einen die einfühlsam<br />
erzählte Geschichte des ehemaligen<br />
DDR-Heimkinds Judith, das im Alter<br />
von fünf Jahren unter zunächst ungeklärten<br />
Umständen von seinen Eltern getrennt<br />
wurde. Zum anderen ist es ein Agenten-<br />
und Spionagekrimi um die deutsch-deutsche<br />
Geschichte der 80er Jahre, in der es<br />
nicht zuletzt um das innerste Machtgefüge<br />
der DDR geht.<br />
Was aber bringt eine Hessin, die heute<br />
im tiefsten Westen Berlins zu Hause ist,<br />
dazu, einen Krimi über die Geschichte der<br />
DDR zu verfassen? Elisabeth Herrmann<br />
holt einmal sehr tief Luft, bevor sie antwortet.<br />
Und mit einer Entschlossenheit, als<br />
müsse sie jetzt, in diesem Augenblick, die<br />
ultimative Erklärung für ihr ganzes Leben<br />
und Arbeiten abgeben, erwidert sie dann:<br />
„Ich kam 1984 nach Berlin. Vorher wusste<br />
ich über die DDR überhaupt nichts. Aber<br />
beim Rundfunk habe ich natürlich mitbekommen,<br />
was da drüben passierte. Wir haben<br />
bei 100,6 intensiv über die DDR berich-<br />
Lesezeichen<br />
Elisabeth Herrmann: Zeugin der Toten. List, 427 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 33,90 sFr.<br />
Elisabeth Herrmann: Zeugin der Toten. Gelesen von<br />
Nina Petri. HörbucHHamburg, 6 CDs, 22,95 € (D / A) •<br />
41,50 sFr.<br />
38<br />
j<br />
buchjournal 2/2011
Zur Person<br />
Elisabeth Herrmann, 1959 in Marburg geboren,<br />
arbeitet seit den 80er Jahren als Radiojournalistin.<br />
Ihr Debütroman „Das Kindermädchen“ wurde<br />
von der Jury der KrimiWelt-Bestenliste als bester<br />
deutschsprachiger Krimi des Jahres 2005 ausgezeich<strong>net</strong><br />
und war 2006 für den Glauser-Preis nominiert.<br />
Elisabeth Herrmann lebt mit ihrer Tochter<br />
in Berlin.<br />
tet. Als ich nach der Wende meine Stasi -<br />
akte sah, habe ich festgestellt, wer in dieser<br />
Zeit alles so um einen rum war. Mir ist<br />
nichts passiert, Gott sei Dank. Aber durch<br />
solche Erfahrungen habe ich mir eben nach<br />
und nach eine Meinung gebildet. Ich fing<br />
an, mich dafür zu interessieren, mich auch<br />
zu empören. Ich bin ein sehr leicht entflammbarer<br />
Mensch. Vor allem, wenn es<br />
um Gerechtigkeit und Freiheit geht. Deshalb<br />
suche ich mir eben auch gern solche<br />
Geschichten aus.“ Und vielleicht sind Elisabeth<br />
Herrmanns Romane deshalb so erfolgreich:<br />
weil sich das politische Brennen<br />
der Autorin beim Lesen überträgt. Und<br />
weil der Job ihr brisante Stoffe liefert, aus<br />
denen ihre Krimis gestrickt sind.<br />
Auch ihr erster Roman, „Das Kindermädchen“,<br />
hatte einen politischen Hintergrund:<br />
Es geht um Zwangsarbeiterinnen aus Polen,<br />
der Ukraine oder Weißrussland, die während<br />
des Nationalsozialismus für deutsche<br />
Familien schufteten. Herrmann recherchierte<br />
<strong>auf</strong> eigene Faust, arbeitete fünf Jahre<br />
an <strong>dem</strong> Buch, ohne Bezahlung, in zermürbender<br />
Nachtarbeit. Für die alleinerziehende<br />
Mutter einer Tochter war das eine harte<br />
Zeit, zumal sie von Verlagen über 50 Absagen<br />
bekam. Schließlich aber fand sie einen<br />
Verlag – und 2006 wurde das Buch für den<br />
Glauser nominiert, den wichtigsten deutschen<br />
Krimipreis. Das ZDF verfilmte es<br />
jetzt mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle,<br />
Herrmann selbst schrieb 2010 das Drehbuch.<br />
Sie hat viel von ihrem Beruf profitiert,<br />
kann sich nun aber ein wenig aus <strong>dem</strong><br />
journalistischen Tagesgeschäft zurückziehen.<br />
Sich verstärkt der „Hege und Aufzucht<br />
von einer 13-jährigen Pubertistin<br />
und zwei Wellensittichen“ widmen. Sie<br />
hat geschafft, wovon viele träumen: Seit<br />
diesem Jahr lebt sie hauptberuflich vom<br />
Schreiben. <br />
buchjournal 2/2011 39<br />
Herzschmerz.<br />
Spaß.<br />
Nervenkitzel.<br />
€ 8,99 (D)<br />
€ 8,99 (D)<br />
€ 8,99 (D)<br />
Lisa und Erik kehren verspätet aus<br />
ihren Flitterwochen zurück. Das<br />
Flugzeug, in <strong>dem</strong> sie eigentlich sitzen<br />
sollten, ist abgestürzt. Danach<br />
ist nichts mehr, wie es war. Ihre<br />
<strong>Liebe</strong> droht zu zerbrechen. Sofi e<br />
Cramers bewegender Roman über<br />
ein Paar, <strong>dem</strong> das Schicksal eine<br />
zweite Chance gibt.<br />
Helden des Alltags, Zumutungen<br />
des Lebens: Niemand schreibt so<br />
beschwingt über die kleinen und<br />
großen Widrigkeiten des familiären<br />
Miteinanders wie Jan Weiler.<br />
Schräg, turbulent, zum Schreien<br />
komisch!<br />
Der Polizistin Karin war es zu<br />
verdanken, dass der «Domino-<br />
Killer» gefasst wurde. Jahre später<br />
gelingt ihm die Flucht. Er kennt<br />
nur noch ein Ziel: Karins Leben zu<br />
zerstören. Kate Peppers Thriller<br />
zehrt an den Nerven.
Mediathek<br />
CD-TIPPS<br />
TENOR<br />
Unvergessener<br />
Wunderlich<br />
Heute wäre Fritz<br />
Wunderlich 80 Jahre<br />
alt. Er starb mit 35.<br />
Sein Gesang war<br />
höchste Kunst, die<br />
auch heute das Hören<br />
lohnt, wie diese<br />
Box zeigt. (Deutsche<br />
Grammophon)<br />
VIOLINE<br />
Seilers Bach<br />
Die deutsch-japanischeBarockgeigerin<br />
Midori Seiler<br />
entlockt den altehrwürdigen<br />
Partitaten<br />
neue Töne und<br />
bringt Johann<br />
Sebas tian Bach zum<br />
Tanzen. (Edel)<br />
BAROCK<br />
Annas Ausfl ug<br />
Anna Netrebko <strong>auf</strong><br />
neuem Terrain: Die<br />
Operndiva singt<br />
Pergolesis „Stabat<br />
Mater“ – ein toller<br />
Ausfl ug ins ungewohnte<br />
Barockfach.<br />
(Deutsche Grammophon)<br />
KINO UND BUCH: „GELIEBTES LEBEN“<br />
Afrikanische Tragödie<br />
Als der Film „Geliebtes Leben“ 2010 bei den Festspielen in<br />
Cannes außerhalb des offi ziellen Programms lief, wurde er<br />
vom Publikum stürmisch gefeiert. Nach der Vorlage von Allan<br />
Strattons Roman „Chanda’s Secrets“ (deutscher Titel:<br />
„Worüber keiner spricht“) erzählt der Film die Geschichte<br />
des südafrikanischen Mädchens Chanda, das zur Aidswaisen<br />
wird. Die Zwölfjährige wächst in einfachen, aber<br />
glücklichen Verhältnissen im Township Elandsdoorn in der<br />
südafrikanischen Provinz <strong>auf</strong>. Als ihre einjährige Schwester<br />
Sara plötzlich stirbt und kurz dar<strong>auf</strong> Stiefvater Jonah verschwindet,<br />
ändert sich ihr Leben schlagartig. Die geliebte<br />
Mutter Lilian kann den Schicksalsschlag nicht verkraften,<br />
wird schwer krank – Chanda muss die Verantwortung für<br />
ihre zwei jüngeren Geschwister übernehmen. Das Sprechen<br />
DVD-TIPPS<br />
Mahlers Ehekrise<br />
Der Komponist und Wiener Hofoperndirektor<br />
Gustav Mahler leidet unter<br />
den Seitensprüngen seiner attraktiven,<br />
lebenslustigen Gattin Alma. Ihre<br />
Affäre mit <strong>dem</strong> späteren Bauhaus-<br />
Gründer Walter Gropius setzt Mahler<br />
derart zu, dass er 1910 psychologischen<br />
Rat bei Sigmund Freud sucht.<br />
Dieses historisch verbürgte Treffen im<br />
holländischen Leiden ist Mittelpunkt<br />
von „Mahler <strong>auf</strong> der Couch“. Der<br />
berühmte Seelendoktor unterzieht<br />
den Musiker einer<br />
sehr schmerzhaften<br />
Analyse – ein vor<br />
geistreichen Dialogen<br />
sprühender, sehenswerter<br />
Film.<br />
(Arthaus)<br />
Schicksalsschlag: Chanda in den Armen ihrer kranken Mutter<br />
Ein Killer und die <strong>Liebe</strong><br />
Der stilvolle, aber<br />
auch leicht neurotische<br />
Profi killer<br />
Maynard (Bill Nighy)<br />
wird <strong>auf</strong> die<br />
gewitzte Trickbetrügerin<br />
Rose (Emily<br />
Blunt) angesetzt und erliegt schnell<br />
<strong>dem</strong> Charme der lebenslustigen jungen<br />
Frau. Als dann auch noch ein talentierter,<br />
aber tollpatschiger Azubi<br />
(Rupert Grint) in seine Dienste tritt, ist<br />
es endgültig vorbei mit Maynards ruhigem,<br />
geord<strong>net</strong>em Leben und schon<br />
bald wird der Jäger zum Gejagten.<br />
Die se Komödie „Wild Target“ des Regisseurs<br />
Jonathan Lynn bietet typisch<br />
britischen, schwarzen Humor vom<br />
Feinsten. (Kinowelt)<br />
über die tödliche Krankheit ist im Dorf tabu, Gerüchte und<br />
Lügen machen die Runde. Chanda, gespielt von der 12-jährigen<br />
Khomotso Manyaka, setzt aber alles daran, gegen das<br />
Stigma anzukämpfen und ihre Ehre und das Ansehen der<br />
Mutter zu retten. Dass aus <strong>dem</strong> Thema kein Rührstück wurde,<br />
ist <strong>dem</strong> deutschstämmigen Regisseur Oliver Schmitz zu<br />
verdanken. Er drehte vor Ort in Elandsdoorn, rekrutierte dort<br />
seine Darsteller und formte aus den Laien echte Schauspieler.<br />
Herausgekommen ist ein großartiger, glaubhafter Film<br />
über die Menschen, die unter der Aids tragödie am meisten<br />
leiden: die afrikanischen Kinder. bai<br />
^ „Geliebtes Leben“. Filmstart: 5. Mai<br />
Allan Stratton: „Worüber keiner spricht“. Übersetzt von<br />
Heike Brandt. dtv, 272 S., 7,95 € (D) • 8,2o € (A) • 12,90 sFr.<br />
40<br />
„Krabat“ im Trickfi lm<br />
© Senator Filmverleih<br />
Otfried Preußlers berühmter, fantastischer<br />
Jugendroman des elternlosen<br />
Jungen Krabat, der durch das vom Dreißigjährigen<br />
Krieg verwüstete Deutschland<br />
streift, war als Kinofi lm mit den<br />
Schauspielern David Kross und Daniel<br />
Brühl ein Riesenerfolg. Nun ist seit<br />
Kurzem auch die „Krabat“-Zeichentrickadaption<br />
von 1977 <strong>auf</strong> DVD zu<br />
haben. Dem tschechischen Animationsmeister<br />
Karel Zeman ist es gelungen,<br />
die bedrohliche Atmosphäre<br />
der Gruselgeschichte<br />
in einer ganz eigenen,<br />
am Holzschnitt<br />
orientierten<br />
Technik <strong>auf</strong> den Zuschauer<br />
zu übertragen.<br />
(Euro Video)<br />
buchjournal 2/2011
CD-TIPPS DVD-TIPPS<br />
VOLKSLIEDER<br />
Mitsingen<br />
und genießen<br />
Großartige Sänger<br />
wie Olaf Bär, Juliane<br />
Banse oder Christoph<br />
Prégardien<br />
machen bekannte<br />
Volkslieder zur<br />
großen Kunst –<br />
zum Mitsummen,<br />
Mitsingen und Genießen.<br />
(Carus)<br />
NIGEL KENNEDY<br />
Für feine Ohren<br />
„Shhh!“ heißt das<br />
neue Album des<br />
Stargeigers Nigel<br />
Kennedy. Tatsächlich<br />
hat die ruhige<br />
Jazzscheibe des<br />
Cross- over-Spezialisten<br />
jede Aufmerksamkeit<br />
verdient.<br />
(EMI Classics)<br />
CHARLIE HADEN<br />
Jazz-Ladys<br />
Sechs Sängerinnen<br />
<strong>auf</strong> einer Platte versammelt:<br />
Begleitet<br />
vom Charlie Haden<br />
Quartet machen sogar<br />
Norah Jones und<br />
Sopranistin Renée<br />
Fleming <strong>dem</strong> Jazz<br />
Ehre. (Universal)<br />
© Ci<strong>net</strong>ext Bildarchiv<br />
buchjournal 2/2011 41<br />
Legende der Filmgeschichte<br />
Sein Name ist Legende, Filme wie „La Strada“, „La Dolce Vita“ oder „Ginger<br />
und Fred“ haben Filmgeschichte geschrieben: Federico Fellini gilt als<br />
einer der bedeutendsten – und produktivsten – Regisseure<br />
aller Zeiten. Für Cineasten ist die Anschaffung<br />
dieser zehn DVDs umfassenden „Federico Fellini<br />
Collection“ daher ein Muss. Das Paket bietet einen<br />
Querschnitt seines Schaffens von den frühen Filmen<br />
„Der weiße Scheich“ (1952) und „Die Müßiggänger“<br />
(1953) bis hin zum späten „Ginger und Fred“. (Arthaus)<br />
Schwarze Thriller<br />
„Serie in Schwarz“ – der Titel dieser DVD-Box ist eine deutliche Hommage<br />
an den „Film noir“ der 40er und 50er Jahre. Thriller-Fans können<br />
sich <strong>auf</strong> Hochspannung gefasst machen, allerdings<br />
nicht im familientauglichen Sinn: Das blaue FSK-Label<br />
empfi ehlt die Filme ab 16 Jahren. Die acht französischen<br />
Produktionen von acht Regisseuren haben<br />
jedenfalls Kinoqualität und werfen mit zwielichtigen<br />
Figuren und düsteren Motiven einen scharfen Blick<br />
<strong>auf</strong> die heutige Gesellschaft. (Edel)<br />
Zu Gast in Deutschland<br />
Ein Jahr Deutschland kann ein ziemliches Abenteuer sein – zum Beispiel<br />
für den 16-jährigen Eduardo aus Venezuela, der als Austauschschüler in<br />
deutschen Familien zu Gast ist. Die Dokumentarfi lmerin<br />
Eva Wolf hat ihn und drei weitere Gastschüler für<br />
ihren Dokumentarfi lm „12 Monate Deutschland“ mit<br />
der Kamera begleitet – und liefert das Bild eines wenig<br />
weltoffenen Landes, in <strong>dem</strong> vier Teenager mit Sprachproblemen,<br />
überforderten Gastgebern und fehlender<br />
Toleranz zu kämpfen haben. (Neue Visionen)<br />
Unvergessene Kästner-Filme<br />
An diesen Kinderfi lmen haben auch Oma und Opa ihren Spaß: Verfi lmungen<br />
von Erich-Kästner-Klassikern aus den Frühzeiten der Bundesrepublik.<br />
„Das doppelte Lottchen“ (1951), „Pünktchen und Anton“ (1953)<br />
oder „Das fl iegende Klassenzimmer“ (1954) mit Paul Dahlke, Rudolf<br />
Vogel und Peter Kraus. Die unvergessene „Klassenzimmer“-Version mit<br />
„Blacky“ Fuchsberger von 1973 ist in dieser Kästner-Edition aber ebenso<br />
dabei wie „Emil und die Detektive“ aus <strong>dem</strong> Jahr 1931. (MFA Film)<br />
Pauker mit Herz: Joachim Fuchsberger in der Rolle<br />
des Justus in „Das fl iegende Klassenzimmer“
A N N A<br />
NETREBKO<br />
www.<strong>net</strong>rebko-anna.de<br />
CD 028 947 795 933 UVP 19,95 €*<br />
CD+DVD 028 947 795 919<br />
*Unverbindliche Preisempfehlung<br />
UVP 24,95 €*<br />
singt STABAT<br />
M A T E R<br />
Das neue Album<br />
Neue Hörbücher<br />
Niemand<br />
hilft …<br />
KAMPUSCH-ENTFÜHRUNG<br />
Schockierende Kleinigkeiten<br />
Der Filmproduzent<br />
Bernd Eichinger<br />
wollte in diesem<br />
Jahr mit den Dreharbeiten<br />
beginnen.<br />
Jetzt, nach seinem<br />
Tod, ist es fraglich,<br />
ob es so bald einen<br />
Kinofi lm über die spektakuläre Entführung und<br />
die lange Gefangenschaft der Natascha Kampusch<br />
geben wird. Wie gut, dass man über den<br />
Fall nicht nur lesen, sondern jetzt auch hören<br />
kann: Die Schauspielerin Elisabeth Schwarz, zuletzt<br />
zu sehen in <strong>dem</strong> Film „Der Baader Meinhof<br />
Komplex“, liest Kampuschs Erinnerungen, und in<br />
ihrer Stimme schwingt all das Leid mit, das das<br />
Kind in seiner acht Jahre dauernden Gefangenschaft<br />
ertragen musste. Es sind vor allem die Kleinigkeiten,<br />
die an der Gefangenschaftsgeschichte<br />
der Natascha Kampusch schockieren. Etwa das<br />
Befremden, das sie überfi el, als sie sich nach einigen<br />
Jahren endlich einmal wieder im Spiegel sehen<br />
durfte. Oder ihre Bitte an den Entführer, mit<br />
ihr Halma zu spielen – Zeit, die der Vater nie für<br />
Natascha hatte. rma<br />
^ Natascha Kampusch: „3096 Tage“. Gelesen<br />
von Elisabeth Schwarz. Hörbuch Hamburg,<br />
19,95 € (D / A) • 34,90 sFr.<br />
42<br />
THRILLER<br />
Brutale<br />
Nah<strong>auf</strong>nahme<br />
Am frühen Morgen des 13. März 1964 wurde<br />
eine junge Frau vor der Tür eines Wohnkomplexes<br />
in New York vergewaltigt und<br />
erstochen. Viele Menschen haben ihre<br />
Schreie gehört, niemand hat ihr geholfen.<br />
Dieser Fall, der Mord an der 28-jährigen Kitty<br />
Genovese, der Generationen von Soziologen<br />
zu Forschungen über den „Zuschauereffekt“<br />
angeregt hat, ist Ausgangspunkt<br />
von Ryan David Jahns Roman „Ein Akt der<br />
Gewalt“. Um den Mordfall herum ord<strong>net</strong> er<br />
weitere Geschichten, in denen Gewalt<br />
ebenfalls eine große Rolle spielt: Ein Krankenwagenfahrer<br />
versucht einen pädophilen<br />
Lehrer zu töten, ein Polizist will einen<br />
Mord vertuschen, ein Junge hilft seiner<br />
kranken Mutter zu sterben. Es ist eine kalte<br />
Welt, die Jahn in brutalen Nah<strong>auf</strong>nahmen<br />
schildert. David Nathan, der deutsche Synchronsprecher<br />
von Johnny Depp, liest das<br />
mit kühler Distanz und einer Spur Ekel in<br />
der Stimme. Sehr fesselnd. Aber man muss<br />
schon einiges aushalten können, um die<br />
vier CDs durchzustehen. Der Titel passt: Es<br />
ist tatsächlich „Ein Akt der Gewalt“. rma<br />
^ Ryan David Jahn:<br />
„Ein Akt der Gewalt“.<br />
Gelesen von David<br />
Nathan. Random<br />
House Audio, 4 CDs,<br />
19,99 € (D / A) •<br />
32,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Warren Goldswain
ZWISCHEN BALKAN UND SCHWEIZ<br />
Stimmungszauber<br />
Eine sehr poetische<br />
Autorenlesung bietet<br />
Melinda Nadj<br />
Abonji. Ihr mit <strong>dem</strong><br />
Deutschen Buchpreis<br />
2010 ausgezeich<strong>net</strong>er<br />
Roman<br />
„Tauben fl iegen <strong>auf</strong>“ ist zwischen der beschaulichen<br />
Schweiz und <strong>dem</strong> friedlosen Balkan unterwegs,<br />
zwischen <strong>dem</strong> Stimmungszauber der<br />
jugoslawischen Kindheitswelt und der Cafeteria<br />
am Zürichsee: eine sehr persönliche und zugleich,<br />
vor <strong>dem</strong> Hintergrund der Migrationsdebatte,<br />
doch auch repräsentative Geschichte, die<br />
von der 42-jährigen Schriftstellerin in einem<br />
schmeichelnden, weichen, die Stöße und Prellungen<br />
der Zwei-Welten-Konfrontation gleichsam<br />
abpolsternden Ton vorgetragen wird. Kein<br />
väterlicher Fluch lässt die Stimme der Vorleserin<br />
laut werden. wos<br />
^ Melinda Nadj Abonji: „Tauben fl iegen <strong>auf</strong> “.<br />
Gelesen von der Autorin. Random House Audio,<br />
6 CDs, 24,99 € (D / A) • 40,90 sFr.<br />
GESAMMELTE GLOSSEN<br />
Paelladosen zum Werfen<br />
Deutschland kann<br />
man – wegen seiner<br />
vielen Nachbarn –<br />
auch das Hessen Europas<br />
nennen. Beethoven<br />
würde vor<br />
Freude weinen,<br />
wenn er, ausgestattet mit einem modernen Hörgerät,<br />
heute seine eigene Musik hören könnte<br />
(wohl auch weil die Musiker jetzt viel besser<br />
spielen als zu seiner Zeit). Und Paelladosen<br />
sollte man ungeöff<strong>net</strong> als Wurfgeschosse verwenden.<br />
Die Einsichten des Kolumnisten Jan<br />
Weiler („Mein Leben als Mensch“, „Maria, ihm<br />
schmeckt’s nicht“) sind immer sehr bedenkenswert.<br />
Einige seiner Glossen, Kurzhörspiele und<br />
Weltbetrachtungen aus 17 Jahren hat er jetzt zum<br />
„Hörbuch der 19 Kostbarkeiten“ zusammengestellt.<br />
Die meisten Texte liest er selber mit der<br />
ihm eigenen Zurückhaltung und Bedächtigkeit,<br />
anderes wird von Matthias Haase mit angenehmer<br />
Souveränität vorgetragen. Die Textsorten<br />
wechseln ständig, aber weniger komisch<br />
wird die Sache dadurch nicht. rma<br />
^ Jan Weiler: „Das Hörbuch der 19 Kostbarkeiten“.<br />
Gelesen von Matthias Haase und Jan Weiler.<br />
Der Hörverlag, 4 CDs, 19,95 € (D / A) • 31,90 sFr.<br />
© Ci<strong>net</strong>ext Bildarchiv<br />
buchjournal 2/2011 43<br />
MAX FRISCH<br />
Die Worte des Dichters<br />
Zu den Dichtern, die auch jenseits ihrer fi ktionalen<br />
Texte etwas zu sagen haben, gehört ohne Zweifel<br />
Max Frisch. Zu seinem 75. Geburtstag vor 25 Jahren<br />
hat der Schweizer Schriftsteller ein mehrstündiges<br />
Radiointerview gegeben. Befragt vom Journalisten<br />
Hans Ulrich Probst, spricht er über das<br />
Altern und das Schreiben, über Geld und <strong>Liebe</strong>,<br />
über die Schweiz und den grassierenden Infantilismus<br />
sowie über unerfüllte Hoffnungen und seinen<br />
Roman „Homo faber“. Erstaunlich ist nicht nur,<br />
wie gut er aus <strong>dem</strong> Stegreif formuliert, sondern<br />
auch, wie gültig seine Ansichten auch heute noch<br />
sind. Im zweiten Teil gibt es Auszüge aus wichtigen<br />
Vorträgen Frischs, darunter auch den Schluss<br />
seiner Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen<br />
Buchhandels im Jahr 1976. Darin geht es um<br />
die friedensfähige Gesellschaft<br />
– und um<br />
das Überleben der<br />
Menschheit. Und das<br />
hat nichts an Relevanz<br />
verloren. rma<br />
^ „Max Frisch spricht“.<br />
Christoph Merian,<br />
16,– € (D / A) • 26,– sFr.<br />
KRIMIKOMÖDIE<br />
Mord <strong>auf</strong> der Klippe<br />
Hohe Klippen und rutschiger Boden – das sind<br />
gute Bedingungen für einen Mord. Allerdings<br />
sollte man sicher sein, dass man auch den richtigen<br />
hinunterschubst. Bei Al Greenwood, <strong>dem</strong><br />
südenglischen Taxifahrer, gab’s da Unklarheiten.<br />
Hat er nun seine Frau hinuntergestürzt,<br />
seine Tochter oder eine andere Person, die<br />
auch einen dieser landestypischen gelben Regenmäntel<br />
trug? Seine Frau war’s nicht, die<br />
nutzte die Gelegenheit, ihn ins Gefängnis zu<br />
bringen. Vier Jahre später holt sie ihn dort wieder<br />
raus. Und damit beginnt diese verrückte<br />
Krimigeschichte, in der ein entführter Koi-Karpfen,<br />
Tobleroneschokolade und ein Scrabblespiel<br />
wichtige Rollen spielen. Freund und Feind<br />
tauschen in dieser Fortsetzung von Tim Bindings<br />
„Cliffhanger“ munter die Rollen, kaum<br />
etwas bleibt, was es<br />
scheint. rma<br />
^ Tim Binding:<br />
„Fischnapping“.<br />
Gelesen von Bernd<br />
Stephan. Jumbo,<br />
5 CDs, 22,99 € (D ) •<br />
23,20 € (A) • 34,90 sFr.
GARTEN<br />
Die Pflanzsaison hat begonnen. Voll im Trend sind<br />
weniger blühende Rabatten als der Nutzgarten:<br />
Wie Radieschen, Gurken und Tomaten gut und<br />
schädlingsfrei gedeihen, zeigen aktuelle Ratgeber.<br />
Reiche<br />
Ernte<br />
mit System<br />
TEXT: REGINE MEYER-ARLT<br />
D ioxin<br />
im Ei und pestizidverseuchte<br />
Johannisbeeren – immer mehr Menschen<br />
haben genug von der industriellen<br />
Lebensmittelproduktion und ihren Skandalen.<br />
Das verändert auch die Gartenkultur:<br />
Lagen vor ein paar Jahren noch grüne<br />
Entspannungsparadiese mit möglichst geringem<br />
Pflege<strong>auf</strong>wand im Trend, so wird<br />
jetzt Obst- und Gemüseanbau <strong>auf</strong> der eigenen<br />
Scholle beliebter – selbst Michelle<br />
Obama pflanzt inzwischen hinterm Weißen<br />
Haus Gemüse.<br />
Doch auch der Nutzgarten ist im Wandel:<br />
Während in den 50er Jahren noch die kostengünstige<br />
Ernährung der Familie im Vordergrund<br />
stand, geht es nun vor allem darum,<br />
sich ein Stück weit unabhängiger<br />
vom Supermarkt zu machen. Und ein wenig<br />
um die Verwirklichung romantischer<br />
Träume von einem ländlichen Leben. Auf<br />
jeden Fall geht es um den Spaß am Selbermachen.<br />
Den haben Anneliese und Heinz Ahlers<br />
seit mehr als 50 Jahren. So lange bauen sie<br />
Obst und Gemüse im eigenen Garten an –<br />
mit einer sympathischen Vorliebe für<br />
Grünkohl – und erzählen mit Gleichgesinnten<br />
in <strong>dem</strong> Grundlagenbuch „Der<br />
Selbstversorger-Garten“ von ihren Erfahrungen,<br />
leckere Rezepte inklusive. Beruhigend<br />
zu lesen, dass auch Profis nicht immer<br />
alles gelingt. Den Erfahrungsvor-<br />
© Liza McCorkle<br />
sprung der Generation Silber nutzt auch<br />
„Omas kleines Gartenbuch“: Gerlinde Herz<br />
gibt darin kuriose Tricks ihrer Großmutter<br />
preis. Die grub ein Stück Schmalz unter die<br />
Rosenwurzeln und goss ihr Gemüse gelegentlich<br />
mit Bier, was die Pflanzen mit<br />
prächtigem Gedeihen dankten.<br />
Vom Setzen der Pflanze über die richtige<br />
Bewässerung bis zu Veredelungstechniken<br />
erweisen sich die Tipps in „Die große Sel-<br />
bermacher Gartenbibel“ als wahre Fundgrube,<br />
nicht nur für Einsteiger. Was aber<br />
wäre das schönste Gemüse ohne Gewürze?<br />
Frische mediterrane Kräuter sehen schön<br />
aus, duften und schmecken gut. Man kann<br />
Blüteneiswürfel für Sommerdrinks herstellen<br />
und Hildegard von Bingens Kräuterwein<br />
zubereiten. Wie sich die Kräuter<br />
44<br />
Glücksbringer: Mit <strong>dem</strong> ein oder anderen<br />
Gartenzwerg gedeiht alles noch mal so gut<br />
buchjournal 2/2011
im deutschen Garten<br />
wohlfühlen und was<br />
man alles mit ihnen<br />
machen kann, steht<br />
in „Mediterrane Kräuter“.<br />
Eigene Früchte sind<br />
lecker und sehen zu<strong>dem</strong><br />
noch hübsch aus,<br />
wie die vielen appetitanregenden<br />
Fotos im<br />
Ratgeber „Obst für jeden<br />
Garten“ (Dorling<br />
Kindersley) zeigen.<br />
Das umfangreiche<br />
Buch behandelt sogar<br />
den Anbau exotischer<br />
Früchte wie Avocados<br />
und Bananen, gibt<br />
ausführlich Ratschläge<br />
bei Krankheiten<br />
und Schädlingen, hält sich jedoch in Sachen<br />
biologisches Gärtnern zurück. Dafür<br />
plädiert BBC-Gartenexperte Monty Don in<br />
„Genial gärtnern“ vehement für Nachhaltigkeit<br />
in Gemüse- und Blumenbeeten. Das<br />
fängt beim K<strong>auf</strong> gesunder Pfl anzen und bei<br />
der Auswahl von Gartenzubehör aus unbelasteten<br />
Materialien an.<br />
Auf Blumen möchten Gartenbesitzer und<br />
Schrebergärtner selten verzichten. Die Parzellen<br />
im Verein liegen wieder stark im<br />
Trend, besonders bei jungen Familien. Wie<br />
vielfältig man das meist 250 bis 400 Quadratmeter<br />
große Rechteck als Nutz-, Öko- oder<br />
Kreativzone nutzen kann, zeigt „Das Schrebergarten-Buch“<br />
(BLV). Es schlägt den Bogen<br />
von Gestaltungsideen bis zu nützlichen<br />
Lesezeichen<br />
1. Elke von Radziewsky: Der Selbstversorger-Garten. BLV, 240 S., 29,95 € (D) • 30,90 € (A) • 47,90 sFr.<br />
2. Gerlinde Herz: Omas kleines Gartenbuch. Ars Vivendi, 96 S., 9,90 € (D) • 10,20 € (A) • 16,90 sFr.<br />
3. Klaus Ruhnau: Die große Selbermacher Gartenbibel. Brandstätter, 300 S., 19,95 € (D / A) • 30,50 sFr.<br />
4. Heide Bergmann: Mediterrane Kräuter. Genuss und Flair des Südens. Gräfe und Unzer, 144 S.,<br />
19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 34,50 sFr.<br />
5. Monty Don: Genial gärtnern. Biologisch und naturnah. Dorling Kindersley, 440 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 34,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 45<br />
© ALIMDI.NET / Gary K Smith / FLPA<br />
Gesunde Selbstversorgung:<br />
Oft<br />
reichen schon wenige<br />
Quadratmeter Garten<br />
Tipps etwa zur Wasserspeicherung<br />
und zu<br />
den regelmäßigen Gartenarbeiten.<br />
Die meisten Gartenbücher<br />
rund ums<br />
Landleben gehen auch<br />
<strong>auf</strong> städtische Bedingungen<br />
ein, doch nun<br />
erscheinen neue Titel<br />
speziell für Stadtbewohner.<br />
So erzählt die<br />
Londoner Kochbuchautorin Celia Brooks<br />
Brown in „Die neue Stadt-Garten-Lust“ begeistert<br />
von der Anmietung eines 150-Quadratmeter-Kleingartens:<br />
Endlich kann sie<br />
ihre Kochzutaten selber anbauen! Ihr nach<br />
den Gartenarbeiten im Jahresverl<strong>auf</strong> gegliederter<br />
Ratgeber richtet sich nicht nur<br />
an Gartenanfänger, sondern auch an Hobbyköche<br />
und enthält viele interessante vegetarische<br />
Rezepte wie Blumenkohlsuppe<br />
mit Kokosmilch oder Artischocken-Carpaccio.<br />
Möglichst viel Ertrag <strong>auf</strong> kleinstem<br />
Raum erwirtschaften: Wie das geht, kann<br />
man in „Gärtnern im Quadrat“ erfahren.<br />
Das Buch stellt ein faszinierendes Modulsystem<br />
quadratischer Kleinstfl ächen vor,<br />
die als Hochbeete oder ebenerdig an- 0<br />
Verleihung durch<br />
Deutscher<br />
Gartenbuch-<br />
Preis<br />
Schloss Dennenlohe – gesponsert von STIHL<br />
www.blv.de<br />
®<br />
1. Platz 2011<br />
Kategorie Bildband<br />
240 Seiten, 22,6 x 26,9 cm,<br />
Hardcover<br />
E 29,95 E 30,90 [A]<br />
ISBN 978-3-8354-0749-7<br />
2. Platz 2011<br />
Kategorie Ratgeber<br />
128 Seiten, 29,3 x 21,4 cm,<br />
Hardcover mit Schutzumschlag<br />
E 29,95 E 30,90 [A]<br />
ISBN 978-3-8354-0748-0
GARTEN<br />
»Mehr denn je wird<br />
der Garten zum<br />
sozialen Ort«<br />
0<br />
gelegt werden können. Das Prinzip ermöglicht<br />
bereits bei einer Grundfl äche von<br />
1,20 mal 1,20 Metern den Anbau von neun<br />
bis 16 verschiedenen Gemüsesorten. Auch<br />
<strong>auf</strong> Balkon und Terrasse lässt sich manches<br />
kultivieren. Die experimentierfreudige<br />
BBC-Gartenfachfrau Alys Fowler schlägt<br />
dazu in „Alys’ Küchengarten“ überraschende<br />
Kombinationen vor: Grünkohl mit<br />
Stiefmütterchen oder Studentenblumen<br />
mit Zwergtomaten. Wer Angst hat, dass<br />
das Gärtnern zu arbeitsintensiv wird, <strong>dem</strong><br />
vermittelt „Pfl egeleichte Gärten gestalten“<br />
die nötige Gelassenheit sowie Anregungen,<br />
Arbeitstechniken und Pfl anzpläne.<br />
Der Trend zur Selbstversorgung und die<br />
neue Lust <strong>auf</strong> Schrebergärten sind Ausdruck<br />
eines Wandels der Lebensstile: Statt<br />
sich in den eigenen, blickgeschützten Garten<br />
zurückzuziehen, schätzen viele wieder<br />
den Austausch mit Nachbarn und die Gemeinschaft<br />
mit Gleichgesinnten <strong>auf</strong> frem<strong>dem</strong><br />
Boden. Nirgends wird das deutlicher<br />
als beim Urban Gardening: In dieser Bewegung<br />
erobern sich Menschen in Metropolen<br />
neue Räume zum Gärtnern. Sie kultivieren<br />
Brachfl ächen, Dächer, Gemeinschaftsgärten<br />
zwischen Wohnhäusern und sogar<br />
Wände, wie „Urban Gardening“ zeigt. So<br />
Lesezeichen<br />
hat in Berlin-Kreuzberg ein gemeinnütziges<br />
Unternehmen eine Brachfl äche von<br />
6 000 Quadratmetern mit vielen Helfern in<br />
ein Anbaugebiet für biologische Lebensmittel<br />
verwandelt. Ihr Ziel: nicht nur gesunde<br />
Lebensmittel zu produzieren, sondern<br />
auch Nachbarschaft zu stärken und<br />
Lebensqualität zu verbessern. Mehr denn je<br />
wird der Garten zum sozialen Ort. <br />
1. Celia Brooks Brown: Die neue Stadt-Garten-Lust. DVA, 192 S., 24,99 € (D) • 25,70 € (A) • 38,90 sFr.<br />
2. Anne-Marie Nageleisen: Gärtnern im Quadrat. Reiche Ernte <strong>auf</strong> kleinstem Raum. Ulmer, 168 S., 24,90 € (D) •<br />
25,60 € (A) • 37,90 sFr.<br />
3. Pfl egeleichte Gärten gestalten. Ideen, Tipps und Pfl anzpläne. Christian, 192 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 29,90 sFr.<br />
4. Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt. Oekom Verlag, 320 S., 19,95 € (D) • 20,55 € (A) •<br />
29,95 sFr.<br />
5. Alys Fowler: Alys’ Küchengarten. Aus <strong>dem</strong> Garten <strong>auf</strong> den Tisch! Kosmos, 224 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 32,90 sFr.<br />
46<br />
© URBA IMAGES<br />
Lust an der Natur:<br />
Immer mehr Städtern<br />
dient der eigene<br />
Schreber garten als<br />
Erholung vom Alltag<br />
buchjournal 2/2011
Gönnen Sie sich<br />
poetische<br />
Atempausen<br />
Wenn Hektik und Stress Sie zu verschlingen n<br />
drohen, ist es höchste Zeit, ein paar Momente te innezuhalten<br />
– mit Texten von Phil Bosmans, Anselm selm<br />
Grün, Christa Spilling-Nöker und Pierre Stutz. utz.<br />
ISBN 978-3-451-30349-4 ISBN 978-3-451-30446-0<br />
Jeder Band kostet<br />
€ 7,95 / SFr 12.90 / € [A] 8,20<br />
64 Seiten | Gebunden<br />
ISBN 978-3-451-30447-7 ISBN 978-3-451-30448-4<br />
www.herder.de
Wie Sie Ihren Garten umweltschonend<br />
gesund halten, zeigt<br />
dieses praxisnahe Buch.<br />
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192 Seiten | gebunden<br />
Erscheint am 24.05.2011<br />
ISBN 978-3-86851-019-5<br />
19,90 €<br />
»Unser Nutzgarten« vermittelt<br />
das komplette Wissen, das Sie<br />
als Hobbygärtner brauchen.<br />
Unser Nutzgarten<br />
288 Seiten | gebunden<br />
Bereits erschienen<br />
ISBN 978-3-86851-020-1<br />
19,90 €<br />
Im Buchhandel erhältlich.<br />
Besuchen Sie uns<br />
im Inter<strong>net</strong> :<br />
www.test.de / buecher<br />
Stiftung Warentest<br />
Lützowplatz 11 – 13<br />
10785 Berlin<br />
DEUTSCHER GARTENBUCHPREIS<br />
Zum fünften Mal wurden <strong>auf</strong><br />
Schloss Dennenlohe die<br />
schönsten Gartenbücher<br />
des Jahres ausgezeich<strong>net</strong>.<br />
Das Buchjournal als Medienpartner<br />
war in diesem Jahr ebenfalls in<br />
der Jury dabei.<br />
Blühende<br />
Sieger 2 11<br />
Info<br />
Der Deutsche Gartenbuchpreis wird seit 2007 vergeben.<br />
Initiator ist Schloss Dennenlohe, gesponsert wird<br />
der Preis von der Firma Stihl, das Buchjournal ist Medienpartner.<br />
Die kompletten Jury-Begründungen für die<br />
Siegertitel in den einzelnen Kategorien können Sie <strong>auf</strong><br />
buchjournal.de/gartenbuchpreis nachlesen.<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Bestes Gartenporträt“<br />
Viktoria von <strong>dem</strong><br />
Bussche: „Wir müssen noch Unkraut<br />
pfl anzen. Schloss Ippenburg –<br />
Geschichte einer Leidenschaft“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Dem Buch über die Gärten von Schloss Ippenburg<br />
gelingt die Darstellung eines Gartens in Geschichte<br />
und Gegenwart <strong>auf</strong> exemplarische Weise.<br />
Die Autorin spannt den Bogen von der Genese<br />
und Entwicklung des Gartens bis hin zum heute<br />
vorhandenen ... Buch und Garten verschmelzen<br />
zu einem Stück gelebter Gartenkultur.“<br />
^ Viktoria von <strong>dem</strong> Bussche: „Wir müssen noch Unkraut<br />
pfl anzen. Schloss Ippenburg – Geschichte<br />
einer Leidenschaft“.<br />
Landwirtschaftsverlag<br />
Münster, 128 S., 17,95 €<br />
(D) • 18,50 € (A) •<br />
31,50 sFr.<br />
48<br />
© Jo Ann Snover<br />
Verleihung durch<br />
Deutscher<br />
Gartenbuch-<br />
Preis<br />
®<br />
Schloss Dennenlohe – gesponsert von STIHL<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Bester Bildband“<br />
Anja Maubach: „Garten<br />
ist Leidenschaft!“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Das Buch soll die Lust am Gärtnern vermitteln<br />
– das gelingt ihm mit Bravour. Die sehr individuellen<br />
Texte von Anja<br />
Maubach transportieren<br />
Stimmungen und Tipps,<br />
wobei deutlich wird,<br />
dass die Autorin ... aus<br />
jahrzehntelanger Erfahrung<br />
spricht. Dabei sind<br />
die anspruchsvollen Fotos<br />
von Ferdinand Graf von Luckner quasi der<br />
leitende Stimmungsträger des Buchs. Sie illustrieren<br />
... die praktische Seite des Gärtnerns <strong>auf</strong><br />
sehr anschauliche Weise.“<br />
^ Anja Maubach: „Garten ist Leidenschaft!“<br />
BLV, 240 S., 29,95 € (D) • 30,90 € (A) • 47,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011
Sieger in der Kategorie<br />
„Bestes Buch über<br />
Gartengeschichte“<br />
Björn Wissenbach: „Mauern zu<br />
Gärten. 200 Jahre Frankfurter<br />
Wallanlagen“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Das Büchlein thematisiert die Entstehung des<br />
ersten Frankfurter Grüngürtels im Zusammenhang<br />
mit der Schleifung der Wallanlagen. Dieses<br />
Ereignis, das vor rund 200<br />
Jahren vor sich ging, schuf<br />
nicht nur den bis heute bestehenden<br />
Grünzug, sondern<br />
eröff<strong>net</strong>e den Frankfurtern<br />
damals auch einen freien<br />
Blick in die Landschaft. Dem<br />
Band gelingt es, Allgemeinverständlichkeit<br />
mit wissenschaftlichem Anspruch<br />
zu verbinden. Der Verfasser, ein profunder<br />
Kenner der Frankfurter Stadtgeschichte,<br />
rundete das Werk zu<strong>dem</strong> mit einer bebilderten<br />
Kurzdarstellung der in <strong>dem</strong> Gartenkomplex befi<br />
ndlichen Denkmäler, Brunnen und Kunstwerke<br />
ab, sodass der handliche Band gleichzeitig als<br />
Führer Verwendung fi nden kann.“<br />
^ Björn Wissenbach: „Mauern zu Gärten.<br />
200 Jahre Frankfurter Wallanlagen“. Frankfurter<br />
Societäts-Verlag, 143 S., 14,80 € (D) • 15,30 € (A) •<br />
26,– sFr.<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Bester Gartenratgeber“<br />
Bernd Hertle: „Kiesgärten“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Kiesgärten sind im Trend. Ein Grund hierfür ist,<br />
dass diese, wenn sie richtig angelegt und etwas<br />
eingewachsen sind, nur recht wenig Pfl ege<br />
bedürfen. Wenngleich das Thema nicht ganz<br />
neu ist, hat ein für den deutschsprachigen Raum<br />
und das mitteleuropäische Klima zugeschnittenes<br />
fundiertes Praxisbuch dazu bislang gefehlt.<br />
Dem Staudenexperten Prof. Bernd Hertle gelingt<br />
es, dieses nun vorzulegen. Dabei beleuchtet er<br />
Anlage, Pfl ege und Pfl anzenauswahl für Kiesgärten<br />
sowie insbesondere auch Pfl anzkombina<br />
tionen anhand von Musterpfl anzplänen <strong>auf</strong><br />
allgemein verständliche<br />
und sehr anschauliche<br />
Weise.“<br />
^ Bernd Hertle: „Kiesgärten.<br />
Blütenpracht ohne<br />
Gießen“. Gräfe und Unzer,<br />
144 S., 19,99 € (D) •<br />
20,60 € (A) • 34,50 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 49<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Bester Gartenreiseführer“<br />
„Der Garten-Verführer<br />
Mittelfranken“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Dieser Gartenführer hat sich zum Ziel gemacht,<br />
genauer hinzublicken: Über 70 Gärten in Mittelfranken<br />
werden ausführlich geschildert. Enthalten<br />
sind sowohl bekannte öffentliche als auch zahlreiche<br />
private Gärten. Gerade die privaten Gärten<br />
werden dabei besonders gewürdigt. Zu etwa der<br />
Hälfte der Gärten wurden eigens handgezeich<strong>net</strong>e<br />
Gartenpläne angefertigt. So bietet das handliche<br />
Buch <strong>dem</strong> Leser das gelungene Porträt der Gärten<br />
und Parks einer Region und lädt zum Selbstentdecken<br />
ein. Dies ist insofern bemerkenswert, da er<br />
dabei für Mittelfranken Neuland betritt und viele<br />
der Gärten erst einmal gefunden werden mussten.<br />
Gleichzeitig schafft es<br />
der Führer, Gartengeschichte<br />
fundiert und publikumswirksam<br />
zu vermitteln.“<br />
^ „Der Garten-Verführer Mittelfranken.<br />
Spaziergänge in öffentliche<br />
und private Gärten und<br />
Parks“. Ars Vivendi, 192 S., 15,90<br />
€ (D) • 16,40 € (A) • 26,90 sFr.<br />
Deutscher Gartenbuchpreis –<br />
Sonderpreis<br />
Jonas Reif, Wolfgang Härtel:<br />
„Foerster-Stauden Kompendium“<br />
Begründung der Jury (Auszug):<br />
„Auf den ersten Blick mag man das Buch mit<br />
einem Verk<strong>auf</strong>skatalog verwechseln. Beim genaueren<br />
Hinsehen beginnt man jedoch erst den<br />
wahren Wert dieses<br />
Bands zu erahnen. Das<br />
aus Anlass des 100-jährigen<br />
Jubiläums der Staudengärtnerei<br />
von Karl<br />
Foerster erschienene<br />
Werk enthält sämtliche<br />
vom berühmtesten deutschen<br />
Staudenzüchter jemals gezüchteten und<br />
eingeführten Arten und Sorten sowie darüber<br />
hinaus ein sehr großes aktuelles Staudensortiment.<br />
Zu allen Sorten werden neben den üblichen<br />
Angaben die Lebensräume, die Sichtungsbewertung<br />
und zu<strong>dem</strong> der Züchter und –<br />
soweit bekannt – auch das Einführungsjahr<br />
genannt.“<br />
^ Jonas Reif, Wolfgang Härtel: „Foerster-Stauden<br />
Kompendium“. Foerster Stauden GmbH,<br />
800 S., 25,90 €<br />
„ Dieses einzig artige<br />
Zeugnis der<br />
Menschheits geschichte<br />
gilt es weltweit bekannt<br />
zu machen.“<br />
(Dr. Roland Bernecker, Generalsekretär<br />
der deutschen UNESCO-Kommission)<br />
Gerd Mangel<br />
Faszination Welterbe Grube Messel<br />
Zu Besuch in einer Welt vor 47 Millionen Jahren<br />
Schweizerbart<br />
Kleine Senckenberg-Reihe 52<br />
Gerd Mangel<br />
Kleine Senckenberg-Reihe<br />
Faszination Welterbe Grube Messel<br />
Zu Besuch in einer Welt vor 47 Millionen Jahren<br />
160 Seiten, 141 farbige Abbildungen, 23 x 22,5 cm,<br />
broschiert, 14,80 € (D), ISBN 978-3-510-61398-4<br />
Erkunden, entdecken<br />
und erleben Sie das<br />
faszinierende Welterbe<br />
Grube Messel.<br />
Schweizerbart<br />
www.schweizerbart.de<br />
Telefon: 0711 351456-0, Fax: 0711 351456-99
SACHBUCH_LANDLUST<br />
R etour<br />
Vier Großstädter erzählen vom Vergnügen, <strong>auf</strong>s Land zu ziehen.<br />
Wir haben deren Sehnsucht nach Natur, Garten, Stall und Feld<br />
einem Stichwort-Check unterzogen.<br />
Diagnose:<br />
Stadtflucht-Virus<br />
TEXT: ALEXANDER KLUY<br />
zur Natur?! Aller Anfang ist<br />
schwer. „Die Menschen würden schon<br />
gern zurück zur Natur – wenn sie nur nicht<br />
so eine Höllenangst vor ihr hätten“ (Martin<br />
Reichert). „Am häufigsten fiel das Stichwort<br />
Mut.“ (Hilal Sezgin) „Irgendwer ist immer<br />
schuld daran, wenn im Leben plötzlich Dinge<br />
passieren, für die es keine rationale Erklärung<br />
gibt.“ (Irmgard Hochreither) Mit diesen<br />
Sätzen beginnen drei neue Bücher, die<br />
eines gemeinsam haben: Sie stammen aus<br />
den Federn von Großstadtjournalisten, die<br />
es allesamt <strong>auf</strong>s Land verschlagen hat.<br />
Hilal Sezgin zog von Frankfurt am Main<br />
an den Rand eines 500-Seelen-Dorfs in der<br />
Lüneburger Heide, die Paris-Liebhaberin<br />
Irmgard Hochreither, durch ihren Mann<br />
zum „Landei“ geworden, sehnt jedes Wochenende<br />
herbei, um von Hamburg rasch<br />
zu ihrem Haus in einem Rundlingsdorf im<br />
Wendland zu kommen. Und der „taz“-Journalist<br />
Martin Reichert pendelt zwischen<br />
Berlin und der Mark Brandenburg. Manny<br />
Howard, der Vierte im Bunde, wurde in<br />
Brooklyn, New York, zum Bauern. Der US-<br />
Reporter holte sich die Natur in seinen<br />
Stadtgarten, den er eigenhändig zur Farm<br />
inklusive Ställen und Gemüsebeeten umgestaltete.<br />
Wir haben die vier Selbstversuche<br />
einem Stichwort-Check unterzogen.<br />
© Igor Plotnikov<br />
Romantik oder harte Arbeit? Wer sich fürs Land<br />
entscheidet, muss auch anpacken können<br />
Authentisch sein<br />
Das Landleben hat häufig so wenig mit<br />
Idylle zu tun wie die Beschreibungen <strong>auf</strong><br />
Manufactum-Sämereitüten mit <strong>dem</strong>, was<br />
später aus <strong>dem</strong> Boden kriecht. „Wer wirklich<br />
zurück zur Natur möchte“, empfiehlt<br />
der Ironiker Martin Reichert, „muss zu<br />
Obi.“<br />
Dach überm Kopf<br />
Roter Backstein, weißes Fachwerk: ein<br />
Traum für Hilal Sezgin. Doch die Immobiliensuche<br />
löst schwierige Fragen aus: selber<br />
renovieren oder nicht? Das pittoreske Häuschen<br />
mieten oder doch eher jenes für Schafhaltung<br />
geeig<strong>net</strong>e, das aber so abgelegen<br />
ist, dass nicht einmal mehr Fuchs und Hase<br />
die Schafe besuchen kommen?<br />
Illusionen<br />
Selbstversorger – sich und seine Familie gesund,<br />
ausgewogen und gut zu ernähren,<br />
mit eigenen Kartoffeln und <strong>dem</strong> eigenen<br />
Gemüse, das war eine der vielen Illusionen<br />
Manny Howards, der seit Jahren für Restaurant-<br />
und Gourmet-Magazine arbeitet. Vor<br />
<strong>dem</strong> Genuss standen jedoch abenteuerliche<br />
Herausforderungen: Ausflüge in die Welt<br />
der Baumärkte, der K<strong>auf</strong> von 300 Metern<br />
PVC-Rohren, mehreren Hundert Pfund<br />
Kies, Unkrautmatten, Vollspektrumlampen,<br />
Filtertorfbehältern, 14 Zaunpfosten<br />
und viereinhalb Tonnen Schwarzerde. Das<br />
Anlegen von Gräben, das Ziehen von<br />
Drainagekanälen, herablassende Kommentare<br />
von Gartenmarktverkäufern, muskuläre<br />
Ausfallerscheinungen, unverständliche<br />
Vor lesungen über Hydrokultur und<br />
skurrile Einführungen in den Kosmos der<br />
Kaninchenzucht.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Hilal Sezgin, die <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Land zur Veganerin<br />
wurde: „Ein Leben mit weitem Blick aus<br />
allen Fenstern, ein Leben mit den Jahreszeiten,<br />
ein Leben mit Tieren, ein Leben mit<br />
Schnee im Winter, Kuckucksrufen im<br />
Frühjahr, Faulenzen im eigenen Garten im<br />
Sommer und Pilzsammel- und Einkochorgien<br />
im Herbst.“<br />
Romantik<br />
Stadt, ganz fern: Dort, schreibt Irmgard<br />
Hochreither, „sehen die meisten Mietverträge<br />
aus wie die Schlussakte von Helsinki.<br />
Jede Winzigkeit, bis hin zur Grundsatzerklärung<br />
über die Terrarien-Haltung von<br />
Stabheuschrecken, wird vertraglich gere-<br />
50<br />
buchjournal 2/2011
gelt. Auf <strong>dem</strong> Land genügen ein Blatt Papier<br />
und das Versprechen, sich um Kaminholz-Nachschub<br />
zu kümmern.“<br />
Tiere<br />
Hilal Sezgins Katzen reagierten unterschiedlich<br />
<strong>auf</strong> den Umzug ins Dorf. Die älteste<br />
unternahm eine überlegte Inspektion,<br />
die jüngere erkundete zwei Zimmer,<br />
bevor ihr der Platz unter der Bettdecke am<br />
sichersten erschien, und der in der Stadt<br />
noch mutige Kater verkroch sich drei Tage<br />
lang im Küchenschrank.<br />
Wellness<br />
Entspannung, Ruhe, Müßiggang in einem<br />
Meer von Stille? Davon kann Reichert ein<br />
Lied singen, eines, das von „Mähen, Häckseln<br />
und Dröhnen wagnerianischer Größe“<br />
handelt. Gartenarbeit bedeutet: ratternde<br />
Rasenmäher, die nacheinander angeworfen<br />
werden, am Grundstück vorbeifahrende<br />
Quads, über die Dorfdächer hinwegknatternde<br />
Paraglider, volltönende Unterhaltungen,<br />
die der Wind herüberweht. Und<br />
ein Neo-Agrarier wie Reichert kann schon<br />
einmal die Nerven verlieren und seinen<br />
Partner anherrschen, endlich den Anruf<br />
buchjournal 2/2011 51<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Handy anzunehmen. Dabei war<br />
das schier kein Ende nehmen wollende<br />
zwitschernde Klingeln – der Balzgesang einer<br />
Meise.<br />
In ihren Erfahrungen und Einsichten<br />
treffen sich die Neuen Landmenschen und<br />
Stadtfarmer. „Ich kann“, resümiert Irm-<br />
Lesezeichen<br />
gard Hochreither, „mit bloßer Hand Zecken<br />
aus <strong>dem</strong> Hund drehen, ohne dass der<br />
Kopf stecken bleibt. Ich schaffe es, ruhig zu<br />
bleiben, wenn sich beim Duschen über mir<br />
eine Spinne abseilt.“ Das Wichtigste aber,<br />
so Hochreither, ist: „Ich habe das Gefühl,<br />
nach einer langen Reise zu Hause angekommen<br />
zu sein.“ <br />
1. Irmgard Hochreither: Schöner Mist. Mein Leben als Landei. Ullstein Taschenbuch, 240 S., 8,95 € (D) • 9,20 € (A) •<br />
14,90 sFr.<br />
2. Manny Howard: Großstadtgemüse. Als Bauer in Brooklyn. List, 352 S., 14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 25,50 sFr.<br />
3. Martin Reichert: Landlust. Ein Selbstversuch in der deutschen Provinz. Fischer Taschenbuch, 224 S., 8,95 € (D) •<br />
9,20 € (A) • 14,50 sFr.<br />
4. Hilal Sezgin: Landleben. Von einer, die raus zog. DuMont, 272 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
So weit ist Wolfgang Büscher noch nie gegangen<br />
Zu Fuß durch Amerika: «Hartland», das neue Reiseabenteuer<br />
www.rowohlt-berlin.de<br />
304 Seiten. Gebunden<br />
€ 19,95 (D) / € 20,60 (A) / sFr. 30,50 (UVP)<br />
Auch als E-Book erhältlich<br />
© Frank Zauritz
Bücher für Entdecker<br />
Zeitlos<br />
F.W. Hölzel: Insel ohne Zeit<br />
ISBN 978-3-8391-7773-0, PB, 240 Seiten, € 19,90<br />
Eine skurrile Mischung aus spannender<br />
und abenteuerlicher Odyssee vom<br />
Mittelmeer durch den Pazifi k zu der<br />
Insel, <strong>auf</strong> der Gestrandete über 200<br />
Jahre alt werden. Inklusive tragisch<br />
endender <strong>Liebe</strong>sgeschichte, mit<br />
komischen Momenten, Seemansgarn<br />
und den Refl exionen über das Altern<br />
und Sterben.<br />
Flucht und Neuanfang<br />
Simon Zawalinski: Der Ostpark-Blues<br />
ISBN 978-3-8391-9526-0, HC, 196 Seiten, € 22,90<br />
Die außergewöhnliche Geschichte einer<br />
jüdischen Familie, die in den 60er<br />
Jahren ihre Heimat Polen <strong>auf</strong>grund<br />
antijüdischer Exzesse verließ und in<br />
Israel einen Neuanfang machte. Eine<br />
offene Rechnung aus der Vergangenheit<br />
führt sie nach Frankfurt. Der Leser<br />
erlebt hautnah, was es heißt, fremd<br />
zu sein.<br />
Biographien<br />
Herbert Cordes: Berühmte Menschen<br />
ISBN 978-3-8311-4982-7, PB, 184 Seiten, € 15,90<br />
Sie weilen nicht mehr unter uns, sind<br />
aber alle <strong>auf</strong> die eine oder andere<br />
Weise interessant, bedeutsam oder<br />
bemerkenswert. Kurzbiographien von<br />
Alzheimer bis Zappa, von Brummel bis<br />
Palme und von Diderot und Lady Diana<br />
bis Orwell. Eine Fundgrube wissenswerter<br />
Einzelheiten.<br />
www.ClemensTerrell.de<br />
Ende gut, nicht alles gut<br />
Werner Elß: Wo die Elde in die Elbe mündet<br />
ISBN 978-3-8391-5562-2, PB, 156 Seiten, € 25,80<br />
Erlebnisse und Impressionen eines<br />
Streifzuges durch die herrliche Wald-,<br />
Wiesen und Wasserlandschaft der Region.<br />
Der Autor beschreibt eindrucksvoll<br />
die Besonderheiten des Landwegs<br />
rechts und links der Elde, führt uns an<br />
idyllisch gelegenen Orten entlang und<br />
zeigt uns so manche Perle der Natur.<br />
Im Reich der Mitte<br />
Haylo Karres:<br />
Den Himmel täuschen um übers Meer zu gehen<br />
ISBN 978-3-8391-6005-3, PB, 220 Seiten, € 12,00<br />
Polizisten aus China lernen in Frankfurt<br />
deutsche Polizeiarbeit kennen,<br />
als ein Verbrechen in einem chinesischen<br />
Lokal geschieht. Nun sind die<br />
Chinesen ihren deutschen Kollegen<br />
behilfl ich – in Bezug <strong>auf</strong> die Besonderheiten<br />
chinesischer Kultur. Wird es<br />
ihnen gemeinsam gelingen, die<br />
Mörder zu fi nden?<br />
„Mein Freund Bruno“<br />
Karin Sarnes: Mein Freund Bruno<br />
ISBN 978-3-8423-2996-6, PB, 104 Seiten, € 8,95<br />
Die achtjährige Luisa blüht <strong>auf</strong>, als sie<br />
sich mit <strong>dem</strong> tollpatschigen Welpen<br />
Bruno anfreundet. Genauso gut tut ihr<br />
die umsichtige Fürsorge ihrer Tante,<br />
die sich gelassen, ruhig und liebevoll<br />
um Kind und Hund kümmert. Eine<br />
spannende Geschichte mit hübschen<br />
Zeichnungen, die auch Erwachsene<br />
erfreut.<br />
Alles, was uns bewegt<br />
Richard Deiss: Silberling und Bügeleisen<br />
ISBN 978-3-8391-6269-9, PB, 148 Seiten, € 9,80<br />
Warum kann man einen DB-Keks nicht<br />
essen? In welchen Silberling konnte<br />
man einsteigen? Wo befördert man<br />
Touristen in einem Bügeleisen und<br />
wo gar in einem Brieftaschenfresser?<br />
In diesem Taschenbuch erfahren sie<br />
alles über die Spitznamen zahlreicher<br />
Verkehrmittel zu Wasser, zu Lande und<br />
in der Luft.<br />
Angstfrei schlemmen!<br />
Anton Bulfon: Den Hunger lieben lernen<br />
ISBN 978-3-8391-7523-1, HC, 104 Seiten, € 20,90<br />
Ein Mediziner rüttelt an den Dogmen<br />
der Ernährungswissenschaft – ohne<br />
den Boden des Rationalen zu verlassen.<br />
Nach 30 Seiten ist man plötzlich<br />
stolz <strong>auf</strong> seinen Bauch. 20 Seiten später<br />
öff<strong>net</strong> sich ein solider Weg, der die<br />
Gewichtskurve nach unten führt.
Bücher für Entdecker<br />
Geist überlebt Materie<br />
Walter van Laack: Wer stirbt, ist nicht tot<br />
ISBN 978-3-9366-2400-7, PB, 312 Seiten, € 24,80<br />
ISBN 978-3-9366-2406-9, HC, 312 Seiten, € 35,00<br />
Der Autor, Facharzt und Hochschulprofessor,<br />
wagt eine wohlbegründete,<br />
alternative Sichtweise <strong>auf</strong> die Welt.<br />
Dabei verknüpft er wissenschaftliche<br />
Ergebnisse mit religiösen Anschauungen<br />
und kommt zu einem erstaunlichen<br />
Schluss: Jeder Einzelne stirbt nur<br />
körperlich. Unser Ich lebt unverändert<br />
weiter.<br />
Wie ist die Welt?<br />
Heinz Altmann: Inmitten unendlich vieler Welten<br />
ISBN 978-3-8391-7513-2, PB, 120 Seiten, € 9,80<br />
Nicht nur die Naturwissenschaft gibt<br />
Anlass, vom gewohnten Weltbild Abschied<br />
zu nehmen. Auch zunehmende<br />
Probleme fordern eine andere, realistischere<br />
Sicht <strong>auf</strong> die Welt. Spannend,<br />
<strong>auf</strong> hohem Niveau und allgemein<br />
verständlich eröff<strong>net</strong> der Autor <strong>dem</strong><br />
Leser ermutigende Perspektiven.<br />
Aufstand der Gläubigen<br />
Viktoria Freyer:<br />
Der Untergang der evangelischen Kirche<br />
ISBN 978-3-8423-1898-4, PB, 124 Seiten, € 12,95<br />
Evangelische Kirche am Abgrund,<br />
Krise der Predigt, manche ungläubige<br />
Pastoren fordern Christen zum Handeln<br />
nach Martin Luther <strong>auf</strong>. Viele Menschen<br />
fühlen sich in der Kirche nicht mehr<br />
angenommen und verstanden, somit<br />
werden Intoleranz und Aggressivität Tür<br />
und Tor geöff<strong>net</strong>. Eine radikale Analyse<br />
der Autorin!<br />
Krankheit muss nicht sein.<br />
Fritz Werner: Diagnose: Sauerstoffmangel<br />
ISBN 978-3-8370-3951-1, PB, 108 Seiten, € 15,95<br />
Fritz Werner ist 67 Jahre alt und war<br />
nie krank. Weil das niemand glauben<br />
wollte, hat ihm seine Krankenversicherung<br />
<strong>auf</strong> Wunsch schriftlich bestätigt,<br />
dass er nie Leistungen in Anspruch<br />
nahm. Damit hat er bewiesen, Vorbeugen<br />
ist tatsächlich besser, vor allem<br />
aber leichter als Heilen. Es geht doch.<br />
Die Welt aus einem Guss<br />
Walter van Laack: Mit Logik die Welt begreifen<br />
ISBN 978-3-9366-2404-5, PB, 380 Seiten, € 29,80<br />
ISBN 987-3-9366-2407-6, HC, 380 Seiten, € 39,80<br />
Hier geht es um die großen Fragen:<br />
Gibt es Gott oder sind Leben<br />
und Geist nur Zufallsprodukte von<br />
Materie? Der Autor führt Naturwissenschaften<br />
und Religionen nahtlos<br />
zusammen und blickt über die verschiedensten<br />
fachlichen Tellerränder.<br />
Ein faszinierendes Buch, das zum<br />
Verstehen dieser Welt beiträgt.<br />
Skepsis angebracht<br />
Hanns Heinrich: Unmögliche Weltbilder<br />
ISBN 978-3-8423-2753-5, PB, 392 Seiten, € 26,80<br />
Warum akzeptieren so viele Menschen<br />
übernatürliche Vorstellungen? Die<br />
Verknüpfung von Ansätzen aus verschiedensten<br />
Wissenschaftsgebieten<br />
eröff<strong>net</strong> verblüffende Perspektiven<br />
<strong>auf</strong> die menschliche Irrationalität.<br />
Nach der spannenden Lektüre wird<br />
sich das eigene Weltbild unweigerlich<br />
verändert haben.<br />
Das neue Bild des Islam<br />
Norbert G. Pressburg: Good Bye Mohammed<br />
ISBN 978-3-8391-9601-4, PB, 244 Seiten, € 19,80<br />
Dass Koran und Lebensgeschichte des<br />
Propheten Mohammed unverfälscht<br />
überliefert sind, ist ein islamisches<br />
Dogma und Basis der Religion. Die<br />
moderne Islam-Forschung zeich<strong>net</strong><br />
nun ein ganz anderes Bild. Dieses<br />
Buch zeigt den neuesten Stand der<br />
Forschung und entlarvt traditionelle<br />
Dogmen als pure Legenden.<br />
Aufmerksamkeitstrieb<br />
Stephanie Wie<strong>dem</strong>ann: Aufmerksamkeitstrieb<br />
ISBN 978-3-8423-3832-6, PB, 132 Seiten, € 10,99<br />
Möchte man den Menschen und seine<br />
Psyche verstehen, muss man sich mit<br />
<strong>dem</strong> ,,Aufmerksamkeitstrieb“ beschäftigen.<br />
Denn er lenkt uns mehr als das<br />
Bedürfnis nach Zärtlichkeit, Macht<br />
oder Sex. Was es konkret damit <strong>auf</strong><br />
sich hat, wird zum ersten Mal in einem<br />
populären Sachbuch beschrieben.
© archives / istockphoto<br />
Lesestoff Sachbücher<br />
Kochen ist Kunst<br />
ZEHN JAHRE DANACH<br />
Terror und seine Folgen<br />
Der 11. September 2001, die<br />
Bilder der einstürzenden<br />
Wolkenkratzer, sie werden<br />
im Gedächtnis der Menschheit<br />
haften bleiben. Nach<br />
zehn Jahren ist es Zeit, aus<br />
den Attentaten und seinen<br />
Folgen ein Fazit zu ziehen.<br />
Bernd Greiner, Historiker<br />
am Hamburger Institut für<br />
Sozialforschung, tut dies in „9 / 11“ mit kühlem<br />
Blick und einer beeindruckenden Faktenfülle. Er<br />
zeich<strong>net</strong> den Tag minutiös nach – Vizepräsident<br />
Cheney begeht mit <strong>dem</strong> eigenmächtigen Befehl<br />
zum Abschuss der Flugzeuge einen klaren Rechtsbruch<br />
–, er zeigt Hintergründe und internationale<br />
Zusammenhänge <strong>auf</strong>. Und er korrigiert Stereotype.<br />
Etwa dass die Attentäter vor allem von religiösem<br />
Fanatismus getrieben waren. Säkulare<br />
Motive wie der Hass <strong>auf</strong> Amerika und Israel<br />
spielten eine mindestens ebenso große Rolle, so<br />
Greiner. Ausführlich widmet er sich der Herkunft<br />
des Terrors, <strong>dem</strong> Werdegang Osama Bin Ladens,<br />
seinen Motiven und der Organisation des Terror<strong>net</strong>zwerks<br />
al-Qaida, das sich Ende der 1980er Jahre<br />
gebildet hatte. Die Folgen des 11. Septembers<br />
sind, so Greiners Fazit, noch aus einem anderen<br />
Grund bitter: Der von den USA ausgerufene „Krieg<br />
gegen den Terror“ habe den Rechtsstaat beschädigt<br />
und „die Wahrscheinlichkeit künftiger Anschläge<br />
nicht reduziert, sondern erhöht“. bai<br />
^ Bernd Greiner: „9 / 11. Der Tag, die Angst, die<br />
Folgen“. C. H. Beck, 280 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) •<br />
30,50 sFr.<br />
STERNEKOCH RAUE<br />
Wundersamer<br />
Aufstieg<br />
Gazpacho mit Passionsfrucht-Granité, Ostseewildlachs<br />
mit Lauch-Ingwer-Püree und<br />
Wassermelonensalat, Grüner-Tee-Meringue<br />
mit Rosen-Litschi-Creme. Mit solchen Gerichten<br />
wurde Tim Raue weit über Berlin hinaus<br />
bekannt und 2007 zu Deutschlands „Koch<br />
des Jahres“ gekürt. Heute führt er sein eigenes<br />
Restaurant in Berlin-Kreuzberg. Dort<br />
wuchs er im Wrangelkiez als Scheidungskind<br />
in zerrütteten Verhältnissen <strong>auf</strong> und mischte<br />
als Jugendlicher bei Hooligans und einer<br />
Straßengang mit. In rasantem Tempo erzählt<br />
Raue plastisch und unverstellt authentisch<br />
von sich und seinem kulinarischen Werdegang:<br />
vom ersten Feldsalat mit eigener Vinaigrette,<br />
die er als Lehrling kreierte, über<br />
diabolische Hotelküchen bis zum Status des<br />
ambitionierten, von Mitarbeitern alles abfordernden<br />
Sternekochs. Dass Kochen <strong>auf</strong> hohem<br />
Niveau Krieg ist, Starköche Autisten<br />
oder Choleriker oder beides sind, wird hier<br />
eindrücklich bestätigt. Aber auch von Niederlagen<br />
berichtet Raue einnehmend sympathisch,<br />
witzig und unterhaltsam. Ein modernes<br />
Aufstiegsmärchen vom unbedingten<br />
Willen zum Durchboxen. ky<br />
^ Tim Raue: „Ich weiß, was Hunger ist.<br />
Von der Straßengang in die Sterneküche“. Piper,<br />
288 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 30,50 sFr.<br />
TRUCKERLEBEN<br />
Mythos Fernfahrer<br />
Man sieht sie jeden Tag <strong>auf</strong><br />
Europas Autobahnen und<br />
Raststätten, die großen<br />
Lkws. Jochen Dieckmann,<br />
seit <strong>dem</strong> 18. Lebensjahr<br />
Trucker, später Hörfunkjournalist<br />
und, nach<strong>dem</strong> er<br />
arbeitslos geworden war,<br />
dann wieder als Fernfahrer<br />
unterwegs, schildert aus<br />
der Sicht der Transporterkabine eine Parallelwelt,<br />
in der kaum etwas ansatzweise romantisch<br />
ist. Der 51-Jährige erzählt von einem Jahr on the<br />
road, in <strong>dem</strong> er in 24 Ländern war, fast jeden Tag<br />
woanders, Altpapier von Hamburg nach Bordeaux<br />
transportierte und Schnittblumen von Holland<br />
nach Spanien. Korruption, Schikane, Überwachung,<br />
Ausbeutung, Zeitdruck, Betrug,<br />
Lohndumping, Arbeitszeiten fast bis zum Umfallen:<br />
Am Ende dieses augenöffnenden Berichts ist<br />
tatsächlich jedes Klischee über die „Könige der<br />
Landstraße“ zerstoben. ky<br />
^ Jochen Dieckmann: „Geschlafen wird am<br />
Monatsende“. Westend Verlag, 268 S., 16,95 € (D) •<br />
17,50 € (A) • 25,90 sFr.<br />
LAKRITZ<br />
Schwarze Leidenschaft<br />
Zwar teilt sich die Welt in<br />
jene, die es lieben, und die<br />
anderen, die es verabscheuen,<br />
aber dass Lakritz<br />
mehr ist als ein Weltentzweier,<br />
bezeugt dieses<br />
kleine Geschenkbuch. Sein<br />
Autor, der Kulturwissenschaftler<br />
Klaus-D. Kreische,<br />
ist erst der vierte Deutschsprachige<br />
im L<strong>auf</strong>e von 300 Jahren, der <strong>dem</strong> Lakritz<br />
ein eigenes Buch widmet – doch der erste,<br />
bei <strong>dem</strong> es keine Doktorarbeit ist. So liest sich<br />
höchst vergnüglich in kleinen Geschichten, wie<br />
es zum Süßholzraspler kam, wonach Napoleon<br />
griff, wenn er mit seiner Hand in die Westentasche<br />
fuhr – nach der Schildpattdose mit Lakritzen<br />
nämlich –, weshalb es die „DDR-Lakritzstange“<br />
nicht mehr gibt, warum sich die so gesunde<br />
Grundsubstanz allen Lakritzes, das Süßholz, auch<br />
in Shampoos befi ndet und was Süßholz damit zu<br />
tun hat, dass Bamberg zum Weltkulturerbe <strong>auf</strong>steigen<br />
darf. eg<br />
^ „Lakritz. Die schwarze Leidenschaft“. Thorbecke,<br />
64 S., 8,90 € (D) • 9,20 € (A) • 15,90 sFr.<br />
54<br />
buchjournal 2/2011
EIN POLIZEISPITZEL ERINNERT SICH<br />
Ein Leben voller Gewalt<br />
Seine Gefühle zu verbergen lernte der Frankokanadier<br />
Alex Caine schon früh. Bereits als Junge<br />
habe er Körpersprache imitiert, schreibt er, sodass<br />
er in dieser Sprache lügen konnte. Eine Fähigkeit,<br />
aus der Not geboren, denn seine Kindheit war kalt<br />
und unbarmherzig. Mit 20 ging er freiwillig nach<br />
Vietnam und verhörte und tötete als Mitglied der<br />
Special Forces Verdächtige. Nach seiner Entlassung<br />
brachte ihn ein halbes Kilo Marihuana ins Bundesgefängnis.<br />
Was soll ein Mensch mit einer solchen<br />
Karriere mit seinem Leben anfangen? Den Wunsch,<br />
rechtschaffen zu leben, hatte er, doch das Verbrechen<br />
ließ ihn nicht los: Ein Heroindealer der chinesischen<br />
Triaden versuchte ihn vehement als Partner<br />
anzuwerben. Er ging<br />
zur Polizei – und wurde<br />
als Spitzel gedungen.<br />
Fortan infi ltrierte er kriminelle<br />
Organisationen,<br />
wechselte 25 Jahre lang<br />
immer wieder seine<br />
Identität. Caine, und dies<br />
ist nicht sein richtiger<br />
Name, beschreibt ein Le-<br />
© Alain Roberge<br />
Sein echter Name bleibt sein Geheimnis: 25 Jahre<br />
lang hat Alex Caine seine Identität gewechselt<br />
ben voller Gewalt und Kriminalität. Der nüchterne<br />
Ton, die unterschwellige Glorifi zierung einer lebensnotwendigen<br />
Unbeugsamkeit und Härte und<br />
zahlreiche Details wie Namen und Zahlen geben<br />
diesem Memoir eine schockierende Note: Dies ist<br />
eine Schattenwelt, der man oft hilfl os gegenübersteht.<br />
Lesenswert für alle, die durch den Spion in<br />
die fi nstersten Ecken der menschlichen Existenz<br />
blicken wollen. dan<br />
^ Alex Caine: „Mister Undercover. Wie ich die<br />
Hells Angels, Bandidos, ein Heroinkartell und den<br />
Ku-Klux-Klan unterwanderte“. Riva, 350 S.,<br />
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ERINNERUNGEN<br />
Von der DDR nach Westen<br />
„Amerika war der Beginn meines dritten Lebens.“<br />
Susanne Schädlich war, als sie im Jahr 1987 nach<br />
Los Angeles <strong>auf</strong>brach, gerade 32 Jahre alt. Zwölf<br />
Jahre DDR und zehn Jahre West-Berlin lagen hinter<br />
der Tochter des Schriftstellers Hans-Joachim<br />
Schädlich. Doch sie wollte nur eines: „weg, bloß<br />
weg, nach Westen, so weit es geht, bevor es wieder<br />
Osten wird“. Fast zwölf Jahre blieb Susanne<br />
Schädlich in Kalifornien. Erst zehn Jahre später<br />
fl og sie wieder dorthin. Um multiplizierte Fremde,<br />
Ferne und Emigration, auch die literarische<br />
Emigration nach 1940 kreist ihre exzellent geschriebene<br />
„Landsuche“ – eine eindringliche<br />
Selbstlebenserforschung inklusive vieler Begegnungen<br />
und sensibler Porträts.<br />
Eine kluge Annäherung<br />
an das, was Heimat<br />
heißt. ky<br />
^ Susanne Schädlich:<br />
„Westwärts, so weit es nur<br />
geht. Eine Landsuche“.<br />
Droemer Knaur, 208 S.,<br />
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EROTIK<br />
EROTIK<br />
EROTIK<br />
EROTIK<br />
Sie setzt Körper – zumeist<br />
weibliche – raffi niert in Szene,<br />
weckt Fantasien und gelegentlich<br />
Begehren: Aktfotografi e ist<br />
hohe Kunst – wir haben in<br />
einigen Bildbänden für Sie<br />
geblättert.<br />
Leidenschaft<br />
für schöne<br />
Körper<br />
DDR-FOTOKUNST<br />
Souveräne Nacktheit<br />
Eine junge Frau steht selbstvergessen <strong>auf</strong> der Wiese.<br />
Sie hat die Augen geschlossen, spürt den Wind<br />
im Gesicht. Dass sie nackt ist, scheint ohne Bedeutung.<br />
Ungezwungen, selbstbewusst, voller Sinnlichkeit<br />
steht sie da. Faszinierend bei sich. „Bei der<br />
Aktfotografi e geht es nicht ums Nacktsein, sondern<br />
um die persönliche Ausstrahlung, das Ja zum<br />
eigenen Körper, ohne Scham und Unsicherheit“,<br />
sagt der Ostberliner Fotograf Gerhard Weber. Sein<br />
Bild ist eine von 170 Aufnahmen, die die künstlerische<br />
Vielfalt der Aktfotografi e in der DDR dokumentieren.<br />
In „Schöne Akte“ geht es denn auch<br />
weder um Pornografi e noch um silikongestützte<br />
Idealmaße. 24 namhafte Fotografen zeigen Porträts,<br />
Emotion, Fantasie<br />
und Schönheit, für die es<br />
keine Norm gibt. ana<br />
^ Hans-Jürgen Horn<br />
(Hrsg.): „Schöne Akte.<br />
Fotografi en aus der DDR“.<br />
Das Neue Berlin, 192 S.,<br />
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HELMUT NEWTON<br />
Inszenierter Augenblick<br />
Der „Stern“ war in den<br />
1970er und ’80er Jahren<br />
das einzige deutsche<br />
Magazin, das es wagte,<br />
Fotos von Helmut Newton<br />
zu drucken. Die<br />
Wucht seiner Bilder, die<br />
Provokation, die seine<br />
Aktfotos starker Frauen<br />
auslösten, sind auch heute noch spürbar. Der<br />
„Stern“ bezog regelmäßig Prügel für den Abdruck,<br />
und auch innerhalb der Redaktion, so lesen wir im<br />
Begleittext des Buchs, war seine Kunst nicht unumstritten,<br />
wurde als sexistisch oder frauenfeindlich<br />
kritisiert. Großartig ist jedoch auch heute<br />
noch Newtons Gespür für den inszenierten Moment:<br />
der laszive Blick, die scheinbar zufällige<br />
Pose, ein verrutschtes Kleidungsstück oder ungewöhnliche<br />
Requisiten, mit denen er seine Modelle<br />
<strong>auf</strong> ausgefallene Weise ins Licht rückte. bai<br />
^ Helmut Newton: „Stern Spezial Fotografi e“.<br />
Gruner + Jahr, 96 S., 18,– € (D) • 18,50 € (A) •<br />
29,90 sFr.<br />
56<br />
© Julia Savchenko<br />
buchjournal 2/2011
MONICA BELLUCCI<br />
Sinnlichkeit pur<br />
Sie hatte nie einen Modelkörper, sagt die italienische Schauspielerin Monica<br />
Bellucci über sich. Mit 1,70 Metern nicht ideal groß, rundlich. Und doch gilt die<br />
Bellucci allen als vollkommen. Weltberühmte Fotografen von Richard Averton<br />
übe Helmut Newton bis Bruce Weber haben die Bellucci über 20 Jahre<br />
ihrer Karriere hinweg inszeniert. Lolitahaft im Babydoll, als zerzaustes Mädchen,<br />
rauchender Vamp, erotische Verführerin, lasziv schlafend nach durchzechter<br />
Nacht, kühle Extravaganz. Doch egal, was die sinnliche Italienerin vor der Kamera zu spielen hat,<br />
sie ist doch immer sie selbst. Eine starke Persönlichkeit und genau deshalb: Erotik pur. ana<br />
^ „Monica Bellucci“. Mit einem Vorwort von Giuseppe Tornatore und einem Text von Monica Bellucci.<br />
Schirmer Mosel, 254 S., 58,– € (D) • 59,70 € (A) • 84,90 sFr.<br />
RICHARD KERN<br />
Unverhüllte Blicke<br />
ANDREAS BITESNICH<br />
Vererbte Leidenschaft<br />
Aktfotografi e kann hohe Kunst sein, das beweist der Band „Erotic“ des Österreichers<br />
Andreas Bitesnich. Dem preisgekrönten Fotografen gelingt es, weibliche<br />
Formen im Spiel von Licht und Schatten in Kunstwerke zu verwandeln.<br />
Das Buch sei in wenigen Wochen kreativer Arbeit entstanden, lesen wir im<br />
Klappentext – und offenbar hat ihn nicht nur sein asiatisches Model animiert:<br />
Im Nachlass seines Großvaters, eines Hobbyfotografen, der im Hauptberuf<br />
Ingenieur war, fanden sich alte erotische Aufnahmen, von denen Bitesnich bisher nichts gewusst hatte<br />
und die er am Ende seines neuen Bands zeigt. „Seine Leidenschaft für Fotografi e lebt durch mich weiter“,<br />
schreibt er in seinem Buch. Freunde großer Fotokunst können sich darüber nur freuen. eb<br />
^ Andreas H. Bitesnich: „Erotic“. teNeues, 96 S., 49,90 € (D / A) • 74,90 sFr.<br />
Wo hört Erotik <strong>auf</strong> und wo fängt Pornografi e an? Die Grenzen zwischen fantasievoller<br />
sexueller Anregung und offensichtlicher visueller Lustbefriedigung<br />
sind fl ießend. Und so trifft beim Fotoband des früheren amerikanischen<br />
Underground-Regisseurs Richard Kern der Kommentar eines Journalisten der<br />
„New York Times“ ins Schwarze: „Dem einen werden seine Fotografi en sexistisch,<br />
<strong>dem</strong> anderen sexy vorkommen.“ Dass eine Vielzahl der in „Action“ gezeigten<br />
Fotos eindeutig pornografi sch sind, werden allerdings selbst die libertärsten Kritiker zugestehen.<br />
Bisweilen <strong>auf</strong> Kosten der Ästhetik seiner Bildsprache präsentiert Kern <strong>dem</strong> Betrachter nicht<br />
selten unverhüllt voyeuristische Blicke <strong>auf</strong> das weibliche Geschlecht. eb<br />
^ Dian Hanson: „Richard Kern. Action“. Special Edition mit DVD. Taschen, 240 S., 12,99 € (D / A) • 21,50 sFr.<br />
MEL RAMOS<br />
Pop-Art-Schönheiten<br />
Seine Motive: Frauen, immer nur Frauen. Sein Motto: „Sex sells“ – <strong>auf</strong> diese<br />
Idee kann man jedenfalls kommen, wenn man seine meist nackt posierenden<br />
Pin-up-Girls und Beautyqueens sieht, die Schokoriegel, Zigarettenpackungen<br />
oder Getränkefl aschen umschlingen. Wieder einmal sind es also<br />
Frauen, und in diesem Fall die schönen, makellosen, die einem Mann zu der<br />
Kennzeichnung „groß“ verhelfen: Mel Ramos gilt als einer der großen Künstler<br />
der Pop-Art. Zu Recht, und das auch aus Frauensicht: Denn wenn man genauer hinschaut, ist die<br />
Ironie zu erkennen, mit der der Künstler aus Kalifornien Oberfl ächlichkeit und Vordergründigkeit von<br />
Werbung, Konsum und Hollywood in Szene setzt. sc<br />
^ Otto Letze (Hrsg.): „Mel Ramos. 50 Jahre Pop-Art“. Hatje Cantz, 280 S., 19,80 € (D) • 20,40 € (A) • 29,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 57<br />
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SACHBUCH_BIOGRAFIE<br />
Am 13. Juni 1886 starb König Ludwig II. im Starnberger See.<br />
Zum 125. Todestag gibt es eine Ausstellung in Herrenchiemsee –<br />
und neue Bücher über den Träumer <strong>auf</strong> Bayerns Thron.<br />
Neuschwanstein: König Ludwigs Märchenschloss bei Füssen<br />
Der Mythos lebt<br />
TEXT: STEFAN HAUCK<br />
N euschwanstein,<br />
Linderhof, Herrenchiemsee<br />
– die Schlösser Ludwigs II.<br />
beeindrucken die Menschen bis heute. Seine<br />
Stein gewordenen Visionen faszinieren<br />
umso stärker, als sie untrennbar mit <strong>dem</strong><br />
Mythos um den sonderlichen König verbunden<br />
sind, der so gänzlich anders war als<br />
die Regenten seiner Zeit. Das Drama um<br />
ihn inszeniert nun das Haus der Bayerischen<br />
Geschichte nach <strong>dem</strong> Muster der<br />
klassischen Tragödie: Vom 14. Mai bis zum<br />
16. Oktober wird seinem Leben und seiner<br />
Nachwirkung im Schloss Herrenchiemsee<br />
in einer Ausstellung nachgespürt; erstmals<br />
werden die unvollendeten Zimmerfluchten<br />
für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Einen<br />
Vorgeschmack bekommt man jetzt<br />
schon unter www.hdbg.de/ludwig.<br />
Ein voluminöser Begleitband erhellt in<br />
33 Aufsätzen, wie Ludwig II. mit den Herausforderungen<br />
seiner Zeit und seines<br />
Amts zurande kam: In kurzen Kapiteln beleuchten<br />
Experten in „Götterdämmerung“<br />
zahlreiche Aspekte seines Lebens, von den<br />
Mechanismen königlicher Macht über seine<br />
Bemühungen hinsichtlich der sozialen<br />
Frage oder <strong>dem</strong> Stand der Psychiatrie bis<br />
zu den kulturellen Leistungen. So setzt<br />
sich aus einzelnen Facetten ein Bild Ludwigs<br />
zusammen, das – je nach Interpretation<br />
der Autoren – vielgestaltig und<br />
manchmal auch widersprüchlich ist. Letzte<br />
Gewissheiten wird es bei diesem Mann<br />
nicht geben.<br />
Die Gerüchteküche brodelte bereits zu<br />
Lebzeiten. Die Mär, dass Ludwig geisteskrank<br />
gewesen sei, widerlegt Heinz Häfner<br />
<strong>auf</strong>s Detaillierteste in „Ein König wird beseitigt“.<br />
Anhand unzähliger Dokumente<br />
und Augenzeugenberichte weist der Professor<br />
für Psychiatrie nach, dass der König<br />
zwar über außergewöhnliche Fantasie und<br />
ein narzisstisch übersteigertes Selbstbewusstsein<br />
verfügte, sicher auch exzentrisch<br />
war, seinen Amtsgeschäften jedoch<br />
58<br />
buchjournal 2/2011<br />
© picture-alliance / Bildagentur Huber
is zum letzten Tag nachkam. Beeinträchtigt<br />
wurde Ludwigs Gesundheit durch lebenslange<br />
Kopfschmerzen infolge einer<br />
Hirnhautentzündung als Baby, Schlafstörungen<br />
– und den Verlust der Vorderzähne.<br />
Da er sich deshalb zuletzt schwer verständlich<br />
machen konnte, mied er Menschen;<br />
starke Schmerzmittel bewirkten in<br />
den letzten Jahren Veränderungen der Persönlichkeit.<br />
Als Sonderling galt er, weil er sich bereits<br />
früh aus seiner Residenzstadt München zurückzog<br />
und lieber abgeschieden im Allgäu<br />
herumgeisterte. Je weniger<br />
ihn die Leute zu Ge-<br />
sicht bekamen, umso mehr<br />
wurde geredet über den<br />
König, dessen Fotos – als<br />
gut aussehender jugendlicher<br />
Held (er bestieg mit<br />
18 Jahren den Thron) – <strong>auf</strong><br />
Postkarten kursierten.<br />
Man erzählte sich von<br />
den nächtlichen Kutschfahrten, immer<br />
kühneren Burgbauten und der homoerotischen<br />
Leidenschaft für junge Reitknechte.<br />
Die Fluktuation unter <strong>dem</strong> Personal<br />
sei zunehmend groß geworden, „der<br />
wenig zimperliche Umgang mit seinen<br />
Dienern berüchtigt. Dennoch zeigte sich<br />
Ludwig ihnen gegenüber auch generös<br />
und liebevoll – schwärmerische Zuneigung<br />
und Gewalt wechselten sich ab“, schreibt<br />
der Kunsthistoriker Marcus Spangenberg<br />
in seiner Biografi e „Ludwig II.“. Präzise<br />
fasst er den aktuellen Forschungsstand zusammen<br />
und beschreibt den Gegensatz<br />
zwischen <strong>dem</strong> Anspruch als König von<br />
Gottes Gnaden und der politischen Realität<br />
Lesezeichen<br />
»Zu Ludwigs<br />
Entmachtung<br />
führte seine<br />
Bauwut«<br />
buchjournal 2/2011 59<br />
einer parlamentarischen Monarchie. Ähnlich<br />
kompakt gibt auch Hermann Rumschöttel,<br />
bis 2008 Generaldirektor der<br />
Staatlichen Archive Bayerns, einen Überblick<br />
über Politik und Persönlichkeit „Ludwigs<br />
II. von Bayern“ – eine fl üssig erzählte<br />
Biografi e.<br />
Fernab der Welt seiner Untertanen schuf<br />
sich Ludwig eine Idealwelt, die stark von<br />
Richard Wagners Operndramen inspiriert<br />
war. Er förderte die Künste, begeisterte sich<br />
in hohem Maße für Technik, wie das Hörbuch<br />
„König Ludwig II.“<br />
zeigt – unterlegt mit Wag-<br />
ner-Musik.<br />
Zu Ludwigs Entmachtung<br />
führte seine manische<br />
Bauwut. Für die<br />
Schlösser, heute Bayerns<br />
Top-Touristenziele, gab er<br />
mehr aus, als sein privater<br />
Etat hergab.<br />
Dabei waren die Staatsfi nanzen wohlgeord<strong>net</strong>.<br />
Letztlich bewirkte die Angst seiner<br />
möglichen Nachfolger Luitpold und dessen<br />
Sohn Ludwig, die für die Bankkredite<br />
der königlichen Familienkasse mithaften<br />
mussten, dass die Regierung ihn in einem<br />
Staatsstreich entmündigen ließ: Ohne den<br />
König je gesehen zu haben, bescheinigte<br />
Psychiater Bernhard von Gudden, Ludwig<br />
II. sei verrückt und regierungsunfähig.<br />
Ein Fehlurteil, das zum tragischen Tod<br />
des Monarchen im Starnberger See am<br />
13. Juni 1886 führte. Ob er sich selbst umbrachte<br />
oder ermordet wurde, darum ranken<br />
sich bis heute Gerüchte – der Mythos<br />
lebt. <br />
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2. Haus der Bayerischen Geschichte (Hrsg.): Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit. Primus,<br />
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3. Hermann Rumschöttel: Ludwig II. von Bayern. C. H. Beck, 128 S., 8,95 € (D) • 9,20 € (A) • 14,50 sFr.<br />
4. Jean Louis Schlim: König Ludwig II. Ein königlicher Träumer. Langen Müller, 1 CD, 12,95 € (D / A) • 21,50 sFr.<br />
5. Marcus Spangenberg: Ludwig II. Der andere König. Pustet, 144 S., 14,90 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
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und manchmal ideologischen Charakter<br />
des mittelalterlichen Rittertums<br />
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SACHBUCH_RELIGION<br />
Kirche in der<br />
Vertrauenskrise<br />
TEXT: SEBASTIAN TONNER<br />
D ie<br />
Rücktritte und Austritte nach den Missbrauchsfällen:<br />
2010 verschärfte sich die Kirchenkrise. Der Unmut der<br />
Basis zwingt Reformen herbei – das spiegelt sich auch<br />
in den Buchneuerscheinungen wider.<br />
katholische Kirche braucht tief greifende<br />
Reformen: Das haben im Februar<br />
144 Theologen in einem Memorandum gefordert.<br />
Der Missbrauch an Jugendlichen<br />
habe die Kirche „in eine beispiellose Krise<br />
gestürzt“, die, so befürchten die Unterzeichner,<br />
erneut kleingeredet oder ausgesessen<br />
werden solle. Hinter <strong>dem</strong> Skandal liegen<br />
Sys tem-, Struktur- und Wahrnehmungsprobleme,<br />
die nicht erst seit 2010 virulent sind,<br />
aber nun auch in den Programmen der Verlage<br />
geballt zur Sprache kommen.<br />
Allen voran widmet sich das Buch „Hände<br />
weg!“ den Faktoren, die diesen Skandal<br />
erst möglich gemacht haben. Herausgeber<br />
Michael Albus nennt den Missbrauch eine<br />
„Kirchenkatastrophe“ und beschreibt die<br />
Konsequenzen. „Jeder, der vor noch nicht<br />
allzu langer Zeit öffentlich Kritik an der Institution<br />
‚katholische Kirche‘ übte, wurde<br />
als Nestbeschmutzer bezeich<strong>net</strong>“, so Albus,<br />
der subtile wie brutale Sanktionen am eigenen<br />
Leib erfahren hat. Dennoch wagt er es,<br />
ein Geheimdokument des Vatikans von 1962<br />
60<br />
Quo vadis, Kirche?<br />
Immer mehr Christen<br />
fordern Reformen<br />
der Kirche ein<br />
© Chris Schmidt<br />
buchjournal 2/2011
erstmals in Auszügen in deutscher Sprache<br />
zu veröffentlichen, um <strong>auf</strong>zuzeigen, wie verschleiert<br />
und vertuscht wird. Eine Umkehr<br />
der Verantwortlichen täte not und käme<br />
einem Systemwechsel gleich: Aus der herrschenden<br />
Kirche müsste wieder eine Kirche<br />
werden, die Gott und den Menschen diene.<br />
Psychotherapeut Ludwig Brüggemann rundet<br />
das empfehlenswerte Buch ab mit einem<br />
Beitrag aus seiner Praxis: Er zeigt, wie das geschundene<br />
Selbstbild der Opfer wiederhergestellt<br />
werden kann.<br />
Missbrauch ist auch das Thema von „Aus<br />
<strong>dem</strong> Dunkel ans Licht“. Das Buch möchte<br />
diejenigen sensibilisieren, die mit Kindern<br />
arbeiten: Erzieher, Seelsorger, Gemeindereferenten<br />
und Gruppenleiter. Zu Wort<br />
kommen Experten aus Opferverbänden,<br />
Therapeuten, Juristen, Theologen und Betroffene.<br />
Auch hier geht es darum, Lösungsansätze<br />
für ein Umdenken zu vermitteln.<br />
Ein umfassend und differenziert angelegter<br />
Band, der das Thema kompetent<br />
ausleuchtet.<br />
Wollen die Kirchen überleben, müssen<br />
sie sich wandeln. Der Religionssoziologe<br />
Paul M. Zulehner versucht sich in „‚Seht<br />
her, nun mache ich etwas Neues‘“ der Reform<br />
durch zentrale Fragen zu nähern: In<br />
welcher Gestalt können die Kirchen ihren<br />
Dienst am besten erfüllen? Welche Visionen<br />
tragen sie? Rasche Antworten wird es<br />
kaum geben. Vatikan-Korrespondent John<br />
L. Allen weitet den Horizont <strong>auf</strong> eine internationale,<br />
weltweite Dimension und arbeitet<br />
in „Das neue Gesicht der Kirche“ (Gü-<br />
Lesezeichen<br />
1. Michael Albus, Ludwig Brüggemann (Hrsg.): Hände weg! Sexuelle Gewalt in der Kirche. Butzon & Bercker, 256 S.,<br />
18,90 € (D) • 19,40 € (A) • 28,90 sFr.<br />
2. Wunibald Müller, Myriam Wijlens: Aus <strong>dem</strong> Dunkel ans Licht. Vier Türme, 190 S., 18,90 € (D) • 19,50 € (A) • 28,90 sFr.<br />
3. Paul M. Zulehner: „Seht her, nun mache ich etwas Neues“. Schwabenverlag, 144 S., 13,90 € (D) • 14,30 € (A) •<br />
21,90 sFr.<br />
4. Franz-Xaver K<strong>auf</strong>mann: Kirchenkrise. Herder, 200 S., 14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
5. Alan Posener: Der gefährliche Papst. Eine Streitschrift gegen Benedikt XVI. Ullstein, 272 S., 8,95 € (D) •<br />
9,20 € (A) • 14,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 61<br />
tersloher Verlagshaus) zehn Hauptströmungen<br />
heraus, die die katholische Kirche<br />
verändern werden. Dazu gehört für ihn die<br />
Weltkirche, eine neue Demografi e und Rolle<br />
der Laien, die biotechnische Revolution,<br />
aber auch die Pfi ngstbewegung.<br />
Ein Perspektivwechsel gelingt Franz-Xaver<br />
K<strong>auf</strong>mann, in<strong>dem</strong> er das Thema aus soziologischer<br />
Sicht betrachtet. In „Kirchenkrise“<br />
diagnostiziert er einen engen Zusammenhang<br />
zwischen der „Rigidität der<br />
Strukturen“ und der „Verengung der Weltwahrnehmung<br />
in der katholischen Kirche“,<br />
was den zunehmenden Verlust an Glaubwürdigkeit<br />
und Gläubigen fördere. Allein<br />
in der Botschaft Jesu sieht er eine mögliche<br />
Regeneration. Das Buch ist die Neu<strong>auf</strong>l age<br />
eines älteren Titels – ein untrügliches Zeichen<br />
dafür, dass die tiefer liegenden Strukturprobleme<br />
keineswegs neu sind.<br />
Fast alle Autoren verorten die Ursachen<br />
im Zentralismus der Kirche, <strong>auf</strong> den sich<br />
„Welt“-Korrespondent Alan Posener konzentriert:<br />
Er warnt vor „Dem gefährlichen<br />
Papst“ und kritisiert ihn als unerbittlichen<br />
Kämpfer gegen <strong>dem</strong>okratische Errungenschaften,<br />
der die Moderne ungeschehen<br />
und Europa neu missionieren will.<br />
Ob die Chance zur Reform genutzt wird?<br />
Günstiger war die Gelegenheit selten: Die<br />
Öffentlichkeit macht Druck, Christen zeigen<br />
Mut und fordern beharrlich Veränderungen<br />
ein. Oder wie das Memorandum es<br />
formuliert: „mit Mut in die Zukunft blicken<br />
und – <strong>auf</strong> Jesu Wort hin wie Petrus – übers<br />
Wasser gehen“. Dann könnte „Mutchristen“<br />
zum Wort des Jahres 2011 werden. <br />
81 Tage <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
Jakobsweg<br />
Ein ungewöhnlich reichhaltiges<br />
Buch. Es führt auch<br />
zu den wenig bekannten<br />
vorchristliche Wurzeln des<br />
Pilgerweges.<br />
Ein kulturhistorischer Bericht<br />
und spiritueller Wegbegleiter<br />
Ein Buch das packt.<br />
Kurt Felix; Fernsehmoderator<br />
Es schien mir mitgewandert zu sein<br />
und die aussergewöhnlichen Begegnungen<br />
und erlebnisreichen Eindrücke und<br />
Strapazen miterlebt zu haben.<br />
Ruth Zell<br />
Ich habe zum Jakobsweg schon so viel<br />
Literatur gelesen, aber noch keine<br />
Schrift war so treffend, spannend<br />
und ehrlich wie Ihr Werk. Schlichtweg<br />
wunderbar.<br />
Walter Leuthold-Heuberger<br />
Einem Jakobspilger würde ich für den<br />
Pilgerweg aus den vielen Büchern diese<br />
«81 Tage <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Jakobsweg» am<br />
meisten empfehlen, weil es das detaillierteste,<br />
nützlichste und mit 440<br />
Farbbildern schönste Pilgerbuch ist.<br />
Beat Schmutz<br />
Das am grosszügigsten illustrierte<br />
Pilgerbuch, durchgehend vierfarbig<br />
mit 440 Fotos. 280 Seiten, gebunden,<br />
Hardcover, laminiert.<br />
Stimmen zum Buch und Leseproben<br />
unter www.prosana.eu<br />
ISBN: 978-3-9523684-0-4<br />
Preis: (D) € 26.40 (A) € 27.25 (CH) Fr. 34.50<br />
Pro sana Ltd., Hauptstr. 175 A, 79576 Weil<br />
am Rhein, Tel. Nr. 07621 163 11 50<br />
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BuchTipps<br />
Lust <strong>auf</strong> Landleben<br />
Der Wunsch, ländlich<br />
zu leben, ist bei<br />
vielen Menschen tief<br />
verwurzelt. Auf <strong>dem</strong><br />
Land atmen wir den<br />
Duft von Rosen und<br />
Kräutern ein, verarbeiten<br />
selbst geerntetes<br />
Obst und Gemüse<br />
und erleben das fröhliche Stimmengewirr<br />
von Schafen, Hühnern und Ziegen. Dieses<br />
Buch liefert Inspirationen und Informationen,<br />
um ein Stück ländliche Idylle in<br />
jedes Zuhause zu holen.<br />
Zahlreiche Schritt-für-Schritt-Anleitungen<br />
zeigen neben alten Techniken wie Joghurt<br />
selber machen oder Bierbrauen auch den<br />
Bau eines eigenen Brotbackofens. Natürlich<br />
kommt auch das Gärtnerische nicht zu kurz<br />
mit nützlichen Tipps für einen Bauerngarten.<br />
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Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Katharina Bodenstein u. a.: Landleben zwischen<br />
Schafen und Bauerngärten. Jan Thorbecke Verlag,<br />
160 S., 24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 37,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-7995-3569-4<br />
Vor die Haustür, fertig – los!<br />
Die pmv-Freizeitführer<br />
„… mit Kindern“<br />
bieten tolle<br />
Tipps und Touren<br />
für Kids von 3 bis 13<br />
Jahren. Ob Baden,<br />
Radeln, Tierestreicheln<br />
oder Schlossgespenstersuche<br />
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Langeweile ist passé!<br />
Die ortskundigen<br />
Autoren sind mit ihren Kindern viel herumgekommen.<br />
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Immer unter <strong>dem</strong> Aspekt „kinderfreundlich“<br />
und „umweltbewusst“. Für Spaß,<br />
Lernen und Bewegen bei je<strong>dem</strong> Wetter daheim<br />
und im Urlaub <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Land. Jeweils<br />
mit lustigen Tier-Cartoons, zahlreichen<br />
Farbfotos, Kartenatlas und Daumenkino.<br />
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Odenwald mit Kindern. Über 500 spannende<br />
Ausfl üge und Aktivitäten rund ums Jahr. pmv<br />
Peter Meyer Verlag, 6. Aufl ., 320 S., 14,95 € (D) •<br />
15,37 € (A) • 23,50 sFr., ISBN 978-3-89859-416-5<br />
Das Familien-Fahrrad-Buch<br />
Ob Kinderanhänger,<br />
Kombirad, L<strong>auf</strong>rad<br />
oder erstes Jugendfahrrad:<br />
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<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Markt.<br />
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Der Experte Gunnar<br />
Fehlau informiert<br />
über alle Aspekte, <strong>auf</strong> die es beim Fahrradk<strong>auf</strong><br />
ankommt. Sein Buch ist Marktübersicht,<br />
Produktberater und Tippgeber in einem:<br />
ein echter Familien-Fahrrad-Ratgeber! Parkplatzsorgen,<br />
Spritpreise, Lifestyle, Bewegungsbedürfnis,<br />
Umweltaspekte – diese und<br />
andere Faktoren sorgen dafür, dass sich junge<br />
Familien intensiv mit <strong>dem</strong> Fahrrad auseinandersetzen<br />
müssen. Dieser Ratgeber hilft,<br />
die richtigen Entscheidungen zu treffen.<br />
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Gunnar Fehlau: Das Familien-Fahrrad-Buch.<br />
Vom Kinderanhänger bis zum Jugendrad. Delius<br />
Klasing, 128 S., 150 Farbfotos, 14,90 € (D) •<br />
15,40 € (A) • 23,90 sFr., ISBN 978-3-7688-5318-7<br />
Stätten der Besinnung<br />
Urlaub im Kloster?<br />
Wer denkt, dort herrsche<br />
nur einsame<br />
Stille, liegt falsch.<br />
Längst bieten deutsche<br />
Klöster immer<br />
mehr interessante<br />
Freizeitaktivitäten an.<br />
Führungen, Konzerte,<br />
Lesungen und eigene<br />
Museen sind dabei nur<br />
ein kleiner Teil des vielfältigen Angebots.<br />
Dieser Klosterführer bietet einen Überblick<br />
für all diejenigen, die nach Individualität,<br />
Ruhe und spiritueller Neuorientierung im<br />
Urlaub suchen. Dabei werden die wichtigsten<br />
Fragen beantwortet: Welche Klöster<br />
gibt es wo, was bieten sie, wie kann ich<br />
Kontakt <strong>auf</strong>nehmen und wie bekomme<br />
ich mehr Infos?<br />
<br />
Armin Strohmeyr: Urlaub im Kloster – Deutschland.<br />
Patmos Verlag, 376 S., mehr als 100 Abbildungen,<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 30,50 sFr.,<br />
ISBN 978-3-8436-0019-4<br />
Traumziele in Italien!<br />
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62<br />
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über 130 Traumziele<br />
in Italien vor. Von<br />
bekannten Reisezielen<br />
wie Rom oder<br />
Venedig bis zu unbekannten<br />
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im Hinterland entführt<br />
dieses großformatige<br />
Reisebuch zu den beeindruckendsten<br />
und <strong>auf</strong>regendsten Orten Italiens! Dank der<br />
übersichtlichen Einteilung in Monate lässt<br />
sich <strong>auf</strong> Anhieb erkennen, welches Traumziel<br />
sich am besten für die gewünschte<br />
Reisezeit eig<strong>net</strong>. Von Aktiv- und Familienurlaub<br />
über Wunder der Natur bis zu<br />
romantischen Reisen – dank der praktischen<br />
Einteilung in sechs Rubriken fi ndet sich für<br />
jeden Geschmack die passende Destination.<br />
Traumziele für das ganze Jahr – Italien. Dorling<br />
Kindersley, 336 S., über 1.250 Farbfotografi en,<br />
29,95 € (D) • 30,80 € (A) • 48,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-8310-1800-0<br />
Das schönste Buch vom Jakobsweg<br />
mit 440 Fotos<br />
Nach einem ersten,<br />
unter seltsamen Umständen<br />
missglückten<br />
Versuch startet der<br />
Autor ein Jahr später,<br />
einem inneren Antrieb<br />
folgend, erneut um<br />
nach Santiago de<br />
Compostela zu wandern.<br />
Mit fühlbarer<br />
Intensität berichtet der Autor von Strapazen,<br />
von Hunger, Durst und von schmerzenden<br />
Füssen, was dennoch die Freude unterwegs<br />
zu sein, nicht schmälert. Ein Buch, das man<br />
mit steigender Spannung liest und einen<br />
immer mehr zum „Mitwanderer“ werden<br />
lässt. Umso ergreifender ist die Schilderung<br />
jenes Seelenzustandes, in <strong>dem</strong> der Pilger<br />
in einem tiefen Gefühl des Urvertrauens<br />
<strong>dem</strong> Ziel entgegengeht.<br />
Arthur W. Müller: 81 Tage <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Jakobsweg.<br />
pro sana GmbH, 280 S., geb., laminiert, durchgehend<br />
vierfarbig, über 440 Fotos, 26,40 € (D)<br />
• 27,25 € (A) • 34,50 sFr.<br />
buchjournal 2/2011
BuchTipps<br />
Stell <strong>auf</strong> den Tisch<br />
die letzten Rosen<br />
Brüssel zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts:<br />
Zwei Schwestern aus<br />
gut-bürgerlichen Verhältnissen,<br />
Erna und<br />
Lilli, blicken einer<br />
glücklichen und sorglosen<br />
Zukunft entgegen.<br />
Doch dann<br />
bricht der Erste Weltkrieg<br />
aus. Die Familie<br />
muss Belgien verlassen<br />
– enteig<strong>net</strong> und verarmt. Der Beginn<br />
eines Lebens voller Schicksalsschläge.<br />
Die Geschichte zweier Kämpferinnen, die<br />
sich in den Wirrnissen des 20. Jahrhunderts<br />
nicht unterkriegen lassen.<br />
<br />
<br />
Ursula Kosser / Heiko Martens: Stell <strong>auf</strong> den<br />
Tisch die letzten Rosen. Artemis & Winkler,<br />
256 S., geb., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 32,50 sFr.,<br />
ISBN 978-3-538-07320-3<br />
50. Todestag C.G. Jungs am 6. Juni<br />
Die Tiefenschichten<br />
der Psyche bestimmen<br />
unser Denken, Fühlen<br />
und Handeln – gerade<br />
in unserer technisierten<br />
Welt wird ein ganzheitlichesMenschenbild<br />
immer wichtiger.<br />
Die renommierten<br />
Jungianerinnen Verena<br />
Kast und Ingrid Riedel<br />
versammeln in diesem Band die wichtigsten<br />
Texte des bedeutenden Tiefenpsychologen.<br />
Ihre Auswahl zeigt: C. G. Jungs Psychologie<br />
hat über die Zeit nichts von ihrer Aktualität<br />
eingebüßt.<br />
Verena Kast / Ingrid Riedel (Hrsg.): C. G. Jung.<br />
Ausgewählte Schriften. Patmos Verlag, 316 S.,<br />
24,90 € (D) • 25,60 € (A) • 37,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-8436-0029-3<br />
buchjournal 2/2011<br />
63<br />
Zum ersten Mal in deutscher<br />
Übersetzung<br />
Als wichtigster Agent<br />
des polnischen Widerstands<br />
wurde Jan<br />
Karski Zeuge des<br />
Wütens der Deutschen<br />
im besetzten Polen<br />
und der Judenvernichtung,<br />
über die er die<br />
Alliierten bereits 1942<br />
informierte.<br />
Sein „Bericht an die<br />
Welt“ ist ein bewegendes<br />
Dokument persönlichen Mutes und<br />
politischer Verantwortung, ein historisches<br />
Zeugnis allerersten Ranges – Zeitgeschichte,<br />
die sich liest wie ein Kriminalroman.<br />
<br />
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Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Jan Karski: Mein Bericht an die Welt. Geschichte<br />
eines Staates im Untergrund. Verlag Antje Kunstmann,<br />
528 S., mit Bildteil, geb., 28,00 € (D) •<br />
28,60 € (A) • 41,90 sFr., ISBN 978-3-88897-705-3<br />
Modernes spirituelles Abenteuer<br />
Paulo will sein Leben<br />
verändern. Sein Traum:<br />
in die Mojavewüste gehen,<br />
um seinen eigenen<br />
Schutzengel zu suchen<br />
und sich und seine Umwelt<br />
richtig kennenzulernen.<br />
Er weiß, dass die<br />
Wüste nicht so trocken<br />
und leer ist, wie sie<br />
scheint. Sie birgt für ihn<br />
die Chance für neue,<br />
außergewöhnliche Begegnungen, wie ihm sein<br />
Meister J. vorausgesagt hat. Weitab vom Chaos<br />
der Welt leben hier ein Meister der „Tradition“<br />
und eine Gruppe junger Frauen, die Walküren,<br />
die <strong>auf</strong> Pferden die Wüste durchqueren. Chris,<br />
seine Gefährtin, begleitet Paulo <strong>auf</strong> dieser<br />
Reise, die ihm den Weg zur wahren <strong>Liebe</strong> und<br />
Selbsterkenntnis weisen wird. – Ein früher<br />
Roman Coelhos.<br />
Paulo Coelho: Schutzengel. Diogenes, 208 S.,<br />
19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 33,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-257-06767-5<br />
Rudolf Steiner<br />
Zwischen<br />
Ost und West<br />
Zwei Bände<br />
ISBN 978-3-86772-031-1<br />
€ 12<br />
Die<br />
Zwänge<br />
der Macht<br />
und<br />
der Geist<br />
der<br />
Wahrheit<br />
9 Vorträge<br />
1916/1917<br />
480 S.<br />
gebunden<br />
Ursachen<br />
des<br />
neuzeitlichenWeltgeschehens<br />
7 Vorträge<br />
1916/1921<br />
431 S.<br />
gebunden<br />
Ein anderes Verständnis<br />
des Jahrhunderts<br />
Band 2<br />
«Rudolf Steiner spricht<br />
Wahrheiten aus,<br />
die viele Menschen Mitteleuropas<br />
aus der Sorge vor Instrumentalisierung<br />
durch nationalistische Interessen<br />
verdrängen.»<br />
Dr. Horst G. Appelhagen<br />
im Vorwort zu Band 2<br />
www.archiati-verlag.de<br />
Band 1<br />
ISBN 978-3-86772-039-7<br />
€ 12
BuchTipps<br />
Der Kochbuchklassiker<br />
„Ein Muss in je<strong>dem</strong><br />
guten Haushalt“, „das<br />
beste Standardwerk<br />
der deutschen Küche“,<br />
„das einzige Kochbuch,<br />
das man wirklich<br />
braucht“ – dies<br />
sind die Stimmen<br />
von denen, die täglich<br />
in der Küche stehen,<br />
für die das „Bayerische Kochbuch“ unverzichtbar<br />
geworden ist. Kochanfänger, aber<br />
auch Könner fi nden darin einfache Gerichte<br />
genauso wie ausgefallene Menüfolgen,<br />
Rezepte, die man in anderen Kochbüchern<br />
vergeblich sucht. Dabei ist es weit mehr als<br />
ein Kochbuch. Tipps zur Warenkunde, über<br />
die Diätküche bis hin zur Mikrowellenkunde<br />
und der Kunst des Würzens machen es zu<br />
einem Lehrbuch des Küchenmanagements.<br />
Ein Buch, das Generationen begleitet!<br />
So muss ein Kochbuch sein!<br />
<br />
<br />
Maria Hofmann / Helmut Lydtin:<br />
Bayerisches Kochbuch. Birkenverlag, 943 S.,<br />
25,00 € (D) • 25,70 € (A) • 45,50 sFr.<br />
Bernard Cornwell: Sharpes<br />
Trafalgar<br />
Die Hörbuchreihe<br />
„Richard Sharpe“<br />
von Bernard Cornwell<br />
spielt im Zeitalter<br />
der napoleonischen<br />
Kriege.<br />
Richard steigt vom<br />
Gemeinen zum<br />
Offi zier in der bri-<br />
j<br />
tischen Armee <strong>auf</strong>.<br />
Oft sind die eigenen<br />
Offi ziere für ihn gefährlicher als der Feind.<br />
Die Handlung dieser Episode ist in sich abgeschlossen:<br />
Sharpe ist <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Heimweg<br />
von Indien nach England und gerät in<br />
die Seeschlacht von Trafalgar. Eine Frau<br />
ist mit an Bord und weckt in Sharpe neue<br />
Leidenschaften und bringt ihm neue Probleme.<br />
Historisch korrekter Hintergrund,<br />
packende Handlung, politisch und moralisch<br />
ziemlich unkorrekt.<br />
Bernard Cornwell: Sharpes Trafalgar. Hörbuch.<br />
Gelesen von Torsten Michaelis. Kuebler Hoerbuch,<br />
UVP: 24,80 € (D/A) • 29,90 sFr.,<br />
mp3-Ausgabe UVP: 19,80 € (D/A) • 22,95 sFr.<br />
Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Deutsches Universalwörterbuch<br />
Die Nr. 1 der Bedeutungswörterbücher<br />
der deutschen Gegenwartssprache<br />
umfasst<br />
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Rechtschreibung, Aussprache,<br />
Herkunft, Grammatik und Stil vervollständigen<br />
das Werk. Ein Griffregister und<br />
ein zweifarbiges Layout führen den Benutzer<br />
schnell zum gesuchten Begriff. Die ausführliche<br />
Berücksichtigung von Fach- und Sondersprachen,<br />
Mundarten und Stilebenen<br />
komplettiert den Inhalt, und eine tabellarische<br />
Kurzgrammatik rundet das Buch ab.<br />
Auch als Software für Windows, Mac OS X<br />
und Linux erhältlich. Oder als Kombiprodukt<br />
Buch plus CD-ROM mit 35 % Preisvorteil.<br />
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Duden: Deutsches Universalwörterbuch.<br />
Bibliographisches Institut GmbH,<br />
2112 S., geb., 39,95 € (D) • 41,10 € (A) • 60,90 sFr.,<br />
ISBN 978-3-411-05507-4<br />
Flashman in Afghanistan<br />
Flashman gelingt es<br />
im Viktorianischen<br />
Empire trotz geringen<br />
Mutes und zweifelhafter<br />
Moral Ruhm<br />
und Ehre zu erlangen<br />
und mit je<strong>dem</strong> „halbwegs<br />
willigen Weibsstück“<br />
ein Techtelmechtel<br />
zu beginnen.<br />
Während einer militärischen<br />
Niederlage im 1. Afghanistan-<br />
Krieg macht er sich aus <strong>dem</strong> Staub, was in<br />
höchsten Auszeichnungen als „Held von<br />
Dschalalabad“ endet und ihm die Achtung<br />
der Afghanen als „Bloody Lance“ bringt.<br />
Selten sind die großen Akteure eines Zeitalters<br />
derart spannend, zynisch und humorvoll<br />
<strong>dem</strong>oliert worden. „Ein sagenhafter<br />
Augenzeuge, ein phantastischer Chronist“<br />
(Der Spiegel).<br />
George MacDonald Fraser: Flashman<br />
in Afghanistan. Kuebler Verlag, 384 S.,<br />
9,95 € (D/A) • 10,95 sFr.<br />
Kinder begegnen <strong>dem</strong> Tod<br />
<br />
<br />
64<br />
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Ob nun der Hamster,<br />
die Oma oder der Torwart<br />
von Hannover 96<br />
stirbt: Für Kinder ist<br />
der erste Schmerz über<br />
den Verlust derselbe.<br />
Wenn Kinder damit<br />
konfrontiert werden,<br />
stellen sie Fragen:<br />
„Wo ist Oma jetzt?“ –<br />
„Warum ist Gott lieb,<br />
wenn er so etwas zulässt?“<br />
Dieses Buch hilft Eltern, sich <strong>auf</strong><br />
solche Situationen vorzubereiten – und<br />
durch sie auch die Kinder. Es unterstützt sie,<br />
gemeinsam zu trauern und einen Weg zu<br />
fi nden, mit <strong>dem</strong> Verlust (neu) zu leben.<br />
Martina Steinkühler: Wenn wir uns zu trauern<br />
trauen. Kinder stärken bei Tod und Verlust.<br />
Schwabenverlag, 95 S.,9,90 € (D) • 10,20 € (A)<br />
• 15,90 sFr., ISBN 978-3-7966-1537-5<br />
Die kleine Seenadel – Auf zur<br />
Steilküste<br />
Eine kleine Seenadel<br />
aus der Nord- und<br />
Ostsee ist die beliebte<br />
Heldin aus<br />
der erfolgreichen<br />
Kinderbuchreihe,<br />
bereits in 5. Aufl age!<br />
Mit 3 wunderschön<br />
illustrierten Bilder-<br />
und Vorlesebüchern, einer CD mit 7 Gute-<br />
Nachtgeschichten und 14 Lieblingsliedern<br />
der kleinen Seenadel, sowie einer eigenen<br />
Kinder Radio Serie, hat die kleine Seenadel<br />
im Sturm die Herzen der kleinen und<br />
großen Meer-Entdecker erobert. In dieser<br />
Geschichte wird es wieder richtig spannend,<br />
denn die Qualle Olga droht an den Strand<br />
gespült zu werden. Doch die kleine Seenadel<br />
hat einen tierischen Rettungsplan.<br />
Von Pädagogen mehrfach empfohlen.<br />
Ab 5 Jahre.<br />
Nicole Bernard / Nane Friedel (Illustrationen):<br />
Die kleine Seenadel. „Auf zur Steilküste“. fi schlandverlag,<br />
24 S., 24 farb. Illustrationen, 9,90 € (D),<br />
www.die-kleine-seenadel.de<br />
buchjournal 2/2011
BuchTipps<br />
buchjournal 2/2011<br />
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Belletristik | Krimi | Sachbuch | Ratgeber | Kinder- und Jugendbuch<br />
Für die schönste Zeit des Jahres!<br />
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Der „Englisch ganz leicht<br />
Urlaubskurs“ vermittelt<br />
unterhaltsam die grundlegenden<br />
Sprachstrukturen,<br />
einen Grundwortschatz und<br />
Wissenswertes zu Land und<br />
Leuten – lebendiges Lernvergnügen<br />
für Sprachenlerner<br />
ohne Vorkenntnisse.<br />
Englisch ganz leicht Urlaubskurs. Hueber,<br />
Buch (176 S.), 2 Audio-CDs (142 Min.),<br />
7,95 € (D) • 8,20 € (A) • 12,90 sFr.<br />
1.200 km zu Fuß durch Deutschland<br />
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Sechs Wochen lang wanderte<br />
Wolfgang Lührs<br />
durch Deutschland: von<br />
Lüneburg durch Harz<br />
und Fränkische Schweiz bis<br />
ins Allgäu. Seine Erlebnisse<br />
und Eindrücke schildert<br />
er in diesem höchst lesenswerten<br />
Buch.<br />
Dieses Buch ist die ultimative<br />
Herausforderung für<br />
alle, die kritisch denken.<br />
Und ein einzigartiger<br />
Nervenkitzel obendrein.<br />
Weitere Informationen und<br />
Leseprobe:<br />
www.der-seelentunnel.com<br />
Rolf Pfi ster: Der Seelentunnel. Band 1:<br />
Im Zeichen des Zirkel. Principal, 640 S.,<br />
24,80 € (D) • 25,50 € (A) • 39,00 sFr.<br />
Begeben Sie sich <strong>auf</strong> eine<br />
Reise in das mittelalterliche<br />
Dresden. In der Reihe „Stadtsagen“<br />
greift der Verlag die<br />
alte Tradition des Geschichtenerzählens<br />
<strong>auf</strong> und verbindet<br />
sie mit <strong>dem</strong> Medium<br />
Hörbuch. Motto: Sagen<br />
müssen erzählt werden!<br />
<br />
<br />
Das völkerkundliche Meisterwerk<br />
über Geschichte und Kultur<br />
des ältesten Nomadenvolkes<br />
Asiens, von den Skythen über<br />
die Hunnen, Kirgisen, Mongolen<br />
und Chinesen bis zur Russischen<br />
Föderation. Die DVD:<br />
Dokumentarfi lm, Fotos, Musiken.<br />
– www.alouette-verlag.de<br />
Sewjan Weinshtein: Geheimnisvolles Tuwa.<br />
Alouette Verlag, Buch geb., 264 S., mit DVD-Video,<br />
39,90 € (D) • 41,10 € (A) • 62,50 sFr.<br />
Der Sprachführer „Mit Spanisch<br />
unterwegs“ behandelt<br />
die wichtigsten Sprechsituationen,<br />
enthält ein Urlaubswörterbuch<br />
zum Nachschlagen,<br />
Bildtafeln zum Zeigen<br />
vor Ort und eine integrierte<br />
Kurzgrammatik – der Begleiter<br />
für den perfekten Urlaub!<br />
Über Grenzen gehen! Zwei Brüder, ein Kanu und die Donau<br />
Dresdner Stadtsagen jetzt als Hörbuch!<br />
j<br />
<br />
Wolfgang Lührs: Vom Wispern der Wälder und<br />
vom Wesen des Wanderns. Verlag Die Werkstatt,<br />
336 S., Hardcover, 19,90 € (D) • 20,50 € (A)<br />
Kristina Hammann: Dresdner Sagen und Legenden.<br />
Sprecher: Uve Teschner. Verlag Michael John,<br />
60:43 Min., UVP: 14,90 € (D) • 15,10 € (A)<br />
Tuwa: Expeditionen in das Herz Asiens<br />
Praktischer Sprachführer für jede Reise!<br />
<br />
D<br />
Mit Spanisch unterwegs. Hueber, Sprachführer<br />
mit 260 S. + MP3-Download (über 2 Stunden Abspielzeit),<br />
9,95 € (D) • 10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
Eine abenteuerliche Tour<br />
durch acht Länder mit un-<br />
gewissem Ausgang. Was die<br />
beiden Brüder <strong>auf</strong> ihrer Reise<br />
<strong>auf</strong> einem sich stetig wandelnden<br />
Fluss erlebten, zeigt<br />
diese ungewöhnliche DVD.<br />
Lutz Neumann: Die Donauten. 3sat Edition.<br />
Arthaus Musik, 180 Min., FSK: 0, unverbindl. Preisempf.<br />
19,90 € (D), ISBN 978-3-86923-041-2<br />
Lachen, bis der Ball platzt<br />
<br />
Die lustigsten Witze und<br />
Anekdoten rund um den<br />
Fußball. Ob berühmte Stars<br />
oder anonyme Kicker, namhafte<br />
Trainer oder x-beliebige<br />
Schiedsrichter, keiner<br />
bleibt verschont – schon gar<br />
nicht die Lachmuskeln!<br />
Peter Köhler (Hrsg.): Zwei Pferde üben Elfmeterschießen.<br />
Fußballwitze. Verlag Die Werkstatt, 96 S.,<br />
5,95 € (D) • 6,20 € (A)<br />
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<br />
Ehrliche Lautsprecher
BUCHMARKT<br />
Seit mittlerweile 30 Jahren ist der BücherScheck das ideale<br />
Geschenk – einlösbar deutschlandweit in fast 2500 Buchhandlungen.<br />
Freude machen ohne Risiko<br />
TEXT: ECKART BAIER<br />
Wie wäre es mit <strong>dem</strong> neuesten Historienschmöker,<br />
Tommy Jauds Spaßbüchern,<br />
einem Reiseführer zum Toskana-<br />
Urlaub oder mit <strong>dem</strong> letzten Band der<br />
„Panem“-Trilogie? Wenn Sie einem guten<br />
Freund, der Arbeitskollegin oder Ihrem Patenkind<br />
eine Freude machen wollen, liegen<br />
Sie mit Büchern eigentlich fast immer<br />
richtig – im Prinzip. Denn so ganz genau<br />
weiß man ja nie, ob der Beschenkte den<br />
neuen Follett nicht schon längst gelesen<br />
hat oder sich die Asiatisch-Kochen-Bücher<br />
bei ihm im Schrank schon stapeln.<br />
Wenn Bücher noch keine Macken haben,<br />
ist der Umtausch zwar meistens problemlos<br />
machbar. Doch warum nicht gleich <strong>auf</strong><br />
Nummer sicher gehen? Seit mittlerweile<br />
30 Jahren gibt es mit <strong>dem</strong> BücherScheck<br />
die ideale, unkomplizierte Geschenk-Al-<br />
Adresse im Netz für Bücherfans<br />
TEXT: SANDRA SCHÜSSEL<br />
Vielleser kennen das Problem:<br />
Man möchte in seinem Lieblingsgenre<br />
keine interessante Neuerscheinung<br />
verpassen. Aber die Zahl<br />
der Titel ist einfach zu groß, um den<br />
Überblick zu behalten. Da kommt die<br />
Website neuebuecher.de wie gerufen: Hier<br />
können Literatur- und Bücherfans ein Profi<br />
l mit ihren favorisierten Genres, Autoren<br />
oder Stichwörtern wie zum Beispiel Garten,<br />
Krimi, Wirtschaft oder Reise anlegen und<br />
sich Neuerscheinungen dazu bequem per<br />
Newsletter oder RSS zustellen lassen.<br />
Durchsucht werden alle lieferbaren Bücher,<br />
die in den vergangenen drei Monaten<br />
erschienen sind oder in den nächsten drei<br />
Monaten <strong>auf</strong> den Markt kommen. Dazu gehören<br />
Krimis, Romane und Ratgeber ge-<br />
© MVB<br />
ternative. Damit hat jeder Beschenkte die<br />
Möglichkeit, sich seinen ganz persönlichen<br />
Bücherwunsch zu erfüllen – die Höhe<br />
des Betrags wird vom Käufer ganz individuell<br />
festgelegt. Und vielleicht hat der<br />
Buchhändler, bei <strong>dem</strong> der BücherScheck<br />
gek<strong>auf</strong>t wird, auch eine Auswahl der zahl-<br />
Das ideale Geschenk für Leser: der BücherScheck<br />
Jedes Jahr kommen mehr als 90 000 deutschsprachige Neuerscheinungen <strong>auf</strong> den<br />
Markt. Die Website neuebuecher.de sorgt für Orientierung beim Leser.<br />
nauso wie Fach- und Sachbücher. Auch<br />
CDs, DVDs, Hörbücher und E-Books lassen<br />
sich über den Dienst fi nden.<br />
Auf der Site selbst können Leser anhand<br />
der prominenten Suchfunktion in allen<br />
Neuerscheinungen stöbern. Sobald man<br />
sich ein Profi l erstellt hat, werden <strong>auf</strong> der<br />
Startseite maßgeschneidert Bücher aus den<br />
gewünschten Kategorien angezeigt: Wer<br />
sich für Kinderbücher interessiert, erhält<br />
schnell und direkt eine Übersicht der neuesten<br />
Titel. Ein Kochbuchfan hat alle aktuellen<br />
Kulinarik-Wälzer im Blick. Und wer<br />
reichen Einsteckhüllen vorrätig, mit <strong>dem</strong><br />
passenden Motiv zum jeweiligen Anlass.<br />
Auch der Versand per Post ist kein Problem:<br />
Der BücherScheck kann in ganz Deutschland<br />
in fast 2 500 Buchhandlungen in 1 200<br />
Städten eingelöst werden – ganz egal, in<br />
welchem Laden der Gutschein gek<strong>auf</strong>t<br />
wurde. Ein BücherScheck kann also beispielsweise<br />
in Magdeburg erworben und in<br />
Kempten eingelöst werden. Eine Liste der<br />
beteiligten Buchhandlungen fi nden Sie im<br />
Inter<strong>net</strong> unter buchschenkservice.de.<br />
Ein weiterer Pluspunkt: Die Gutscheine<br />
sind, beginnend mit <strong>dem</strong> Ende des Ausstellungsjahres,<br />
drei Jahre gültig. Falls Sie<br />
also noch einen BücherScheck aus <strong>dem</strong><br />
Jahr 2009 in der Schublade haben, ist dieser<br />
noch bis einschließlich 31. Dezember<br />
2012 gültig. <br />
66<br />
sich schon ein Ziel für seinen Sommerurlaub<br />
ausgesucht hat, hält sich<br />
über die neuesten Reiseführer zum<br />
Land <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> L<strong>auf</strong>enden.<br />
Mit einer „Reinlesen“-Funktion<br />
können Unentschlossene oder Neugierige<br />
in viele neue Titel vorab hineinschauen.<br />
Zu<strong>dem</strong> besteht die Möglichkeit, Buchtitel<br />
zu kommentieren oder in sozialen Netzwerken<br />
wie Facebook oder Twitter weiterzuempfehlen.<br />
Wer interessante Titel gefunden hat,<br />
kann sich diese in eine Merkliste speichern.<br />
Sobald ein Buch aus der Liste im Handel erschienen<br />
ist, erhält der Nutzer <strong>auf</strong> Wunsch<br />
eine automatische Benachrichtigung. Und<br />
das Beste zum Schluss: Alle Services <strong>auf</strong><br />
neuebuecher.de sind kostenlos. <br />
buchjournal 2/2011
Die Klassik Radio Lesezeit.<br />
Sonntags von 14 bis 15 Uhr.<br />
Präsentiert von Clemens Benke.<br />
www.klassikradio.de<br />
fi nd us on
© Sabine Schwietert<br />
Wir lesen<br />
Erkenntnisse<br />
Was haben Menschen früher gefühlt,<br />
gedacht, erlebt? Zeitreisen geben Auskunft:<br />
Die Vergangenheit ist diesmal Thema<br />
der Bücher, die junge Kritiker empfehlen.<br />
COMIC-BIOGRAFIE<br />
Julian van Endert<br />
(14) fi ndet, dass<br />
Zeichnungen mehr<br />
als Worte sagen<br />
Anne Frank in Bildern<br />
Das Buch erzählt die Geschichte des jüdischen<br />
Mädchens Anne Frank und ihrer Familie in Bildern.<br />
Die Zeichner Sid Jacobson und Ernie Colón<br />
tun dies unterhaltsam, authentisch und faktenreich<br />
zugleich. Anne Franks Leben wird in Alltagsszenen<br />
und Dialogen geschildert, Sonderelemente<br />
vermitteln Hintergrundwissen zu<br />
politischen und militärischen Ereignissen und zur<br />
Entwicklung der Judenverfolgung im Dritten<br />
Reich. Ob man zu einem so ernsten Thema wie<br />
<strong>dem</strong> Holocaust eine Graphic Novel lesen möchte,<br />
muss jeder für sich selbst entscheiden.<br />
Ich fi nde, die Zeichnungen<br />
sagen mehr, als 1 000<br />
Worte es könnten, von der Möblierung<br />
des Hinterhauses, in<br />
<strong>dem</strong> sich die Franks versteckt<br />
hielten, bis zu den Szenen im<br />
Konzentrationslager Bergen-Belsen.<br />
Ich empfehle das Buch allen ab 13 Jahren, die an<br />
Geschichte interessiert sind – auch denen, die<br />
Anne Franks Tagebuch schon gelesen haben.<br />
^ Ernie Colón, Sid Jacobson: „Anne Frank.<br />
Die Comic-Biografi e“. Carlsen, 160 S., 16,90 € (D) •<br />
17,40 € (A) • 26,90 sFr.<br />
© Stefan Hauck<br />
LEBEN IM VERSTECK<br />
Erinnerungen sind wichtig: Ohne die Vergangenheit ist auch keine Zukunft denkbar<br />
Lektion in Sachen Menschlichkeit<br />
Ein Mädchen möchte sich von einem Kirchturm stürzen – und stört<br />
dabei den Türmer in seiner selbst gewählten Isolation. Ist ein Leben<br />
wirklich so wenig wert? Nach und nach öff<strong>net</strong> sich der Türmer <strong>dem</strong><br />
Mädchen und erzählt die Geschichte seiner Kindheit, in der er als<br />
Jude verfolgt wurde und sich verstecken konnte – in diesem Kirchen-<br />
Annika Oeters (14)<br />
dach. Die Perspektive wechselt nach je<strong>dem</strong> Kapitel: in die Zeit, als empfi ehlt zwei<br />
der Türmer der kleine Junge war, und in die heutige Geschichten in einer<br />
Zeit. In der Geschichte erfährt der Leser viel über die<br />
Judenverfolgung, die Verzweifl ung und das Leben im Versteck. Man kann sich die<br />
ständige Angst des Jungen gut vorstellen, inmitten des Krieges, wo er jeden Tag<br />
neue Meldungen über Hunderte von Toten hört. Eine nachdenkliche Geschichte<br />
darüber, wie wertvoll Leben ist.<br />
^ Irma Krauß: „Das Wolkenzimmer“. cbt, 320 S., 7,95 € (D) • 8,20 € (A) • 13,90 sFr.<br />
SCHICKSALE NACH DEM IRAKKRIEG<br />
Dem Tod ins Auge schauen<br />
Sophie Thoma<br />
(16) rät, über<br />
Erfahrungen aus<br />
der Vergangenheit<br />
zu lesen<br />
Viele Geschichten werden in diesem fl üssig geschriebenen<br />
Roman verwoben: die eines Schriftstellers in<br />
Madrid, <strong>dem</strong> ein alter Mann das Manuskript über sein<br />
Leben anbietet – ein Zeitzeugenbericht über den Spanischen Bürgerkrieg.<br />
Die eines Buchhändlers aus Bagdad, der im Chaos nach <strong>dem</strong> Irakkrieg<br />
versucht, mit seiner verstummten Tochter Zara zu seinem Bruder nach<br />
Madrid zu fl iehen – vor einem skrupellosen Killer, der ihm und Zara <strong>auf</strong><br />
den Fersen ist. Wie in einem Puzzle fügen sich die einzelnen Lebensgeschichten<br />
zu einem Ganzen zusammen, verschachtelt. Mit jeder Seite<br />
wird es temporeicher, spannender, bis es zum Showdown kommt.<br />
^ Fernando Marías: „Zara und der Buchhändler von Bagdad“. Baumhaus,<br />
224 S., 14,99 € (D) • 15,50 € (A) • 23,50 sFr.<br />
68<br />
buchjournal 2/2011<br />
© Panthermedia / Helga Walter<br />
© privat
© Anke Kuhl<br />
buchjournal 2/2011 69<br />
LeseLotse<br />
Bestes aus <strong>dem</strong> Büchermeer für Kids Die LeseLotse-Jury empfi ehlt neue Bücher<br />
BILDERBUCH<br />
KINDERBUCH<br />
JUGENDBUCH<br />
FÄLLT AUS DEM RAHMEN<br />
SACHBUCH<br />
Prallvoll<br />
Was in einem Kinderkopf doch alles stecken<br />
kann! Die Tochter erklärt es ihrem Papa<br />
ganz genau und wir erfahren, wie wild,<br />
überbordend, voll Poesie, Zärtlichkeit und<br />
Kunst die kindliche Fantasie sein kann.<br />
^ Antje Damm: „Kindskopf “. Gerstenberg,<br />
26 S., 7,95 € (D) • 8,20 € (A) • 12,90 sFr., ab 3<br />
Der Babybruder als Held<br />
Erst fi ndet Etna ihr Brüderchen furchtbar,<br />
doch als sie entdeckt, dass er mag<strong>net</strong>isch<br />
ist, ändert das die Lage gewaltig. Denn jetzt<br />
wird jeder Ausgang mit ihm zur richtigen<br />
Schatzsuche – unschlagbar lustig.<br />
^ Franziska Biermann: „Der mag<strong>net</strong>ische Bob“.<br />
Residenz, 64 S., 16,90 € (D / A) • 25,90 sFr., ab 6<br />
Reinigendes Gewitter<br />
Oliver ist 17 und ein Eisklotz. Es braucht einen<br />
ganzen Sommer, bis die Sonne in seine<br />
Seele vordringen kann – und Jana. Kreslehner<br />
schafft sprachgewaltige Bilder.<br />
^ Gabi Kreslehner: „Und der Himmel rot“.<br />
Beltz & Gelberg, 144 S., 12,95 € (D) •<br />
13,40 € (A) • 19,90 sFr., ab 15<br />
Ein Reh mit Ohrenweh<br />
Jedes Gedicht fängt mit „Es war einmal“ an,<br />
Blitze haben ihren Auftritt, ein See und immer<br />
wieder Tiere. Franz Hohlers Verse sind schräg und herrlich<br />
absurd. Kürzer und origineller kann man Geschichten wohl<br />
kaum erzählen, denen Kathrin Schärer mit ausdrucksstarken<br />
Illustrationen zu einer weiteren Dimension verholfen hat.<br />
^ Franz Hohler, Kathrin Schärer: „Es war einmal ein Igel“.<br />
Hanser, 64 S., 12,90 € (D) • 13,30 € (A) • 19,90 sFr., ab 5<br />
Zeitenwende<br />
Atomkraft? Nein danke. Sonnenenergie?<br />
Vermutlich. Denkende Fenster? Sicher.<br />
Spannende Darstellung dessen, was der Zukunftsforschung<br />
zufolge passieren wird.<br />
^ Ulrich Eberl: „Zukunft 2050. Wie wir schon<br />
heute die Zukunft erfi nden“. Beltz & Gelberg,<br />
240 S., 17,95 € (D) • 18,50 € (A) • 27,90 sFr., ab 14<br />
Wo ist Kuscheltiger?!<br />
Drei Kurzkrimis im Comicstil zum Vorlesen<br />
und Selberlesen mit Meisterdetektiv Rattiko<br />
– da können Kinder Kombinieren üben.<br />
^ Fanny Joly, Philipp Waechter: „Die kniffligsten<br />
Fälle von Meisterdetektiv Rattiko“.<br />
Beltz & Gelberg, 32 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) •<br />
19,90 sFr., ab 5<br />
Samson und Mats<br />
Mats’ Hund Samson ist sterbenskrank, aber<br />
der Junge denkt noch lange nicht an Abschied.<br />
Stattdessen begibt er sich mit seinem<br />
Liebling <strong>auf</strong> eine abenteuerliche Reise.<br />
Ein Buch zum Weinen und Glücklichsein.<br />
^ An<strong>net</strong>te Mierswa: „Samsons Reise“. Tulipan,<br />
168 S., 12,95 € (D) • 13,40 € (A) • 20,50 sFr., ab 8<br />
Federvieh<br />
Als Außenseiter Don überraschend einen<br />
Wettbewerb über Hühner gewinnt, ändert<br />
sich alles. Ein Romandebüt wie ein Puzzle –<br />
das Wichtigste steckt zwischen den Zeilen.<br />
^ Jacques Couvillon: „Chicken Dance“.<br />
Bloomsbury, 336 S., 16,90 € (D) • 17,40 € (A) •<br />
27,50 sFr., ab 14<br />
Die Jury<br />
Stefan Hauck Börsenblatt-Redakteur, Mitglied<br />
in verschiedenen Jurys<br />
Verena Hoenig Kulturjournalistin und<br />
Kinderliteratur-Expertin<br />
Katrin Maschke Buchhändlerin in München<br />
Ralf Schweikart Journalist und Literaturkritiker<br />
Von hier nach dort<br />
Wie sind Landkarten entstanden und wie<br />
liest man sie? Das Sachbilderbuch erklärt<br />
geografi sche Räume und zeigt, dass Menschen<br />
seit jeher nach Orientierung suchen.<br />
^ Heekyoung Kim: „Wo geht’s lang? Karten erklären<br />
die Welt“. Gerstenberg, 48 S.,<br />
12,95 € (D) • 13,40 € (A) • 19,90 sFr., ab 6
Schreiben<br />
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lektorat@edition-fischer.com<br />
JUGENDBUCH_THRILLER<br />
Ihre Heldin Temperance Brennan ist längst international erfolgreich.<br />
Jetzt lässt Kathy Reichs auch deren 14-jährige Nichte Tory ermitteln –<br />
und mischt ihren spannenden Thriller mit Fantasy-Elementen <strong>auf</strong>.<br />
mit<br />
wölfischen Kräften<br />
TEXT: NICOLA BARDOLA<br />
© picture-alliance / dpa Teenager<br />
K athy<br />
Reichs – der Name bürgt nicht<br />
nur für Hochspannung, sondern auch<br />
für wissenschaftliche Präzision. Schon<br />
1986 veröffentlichte Kathleen J. Reichs den<br />
Sammelband „Forensic Osteology: Advances<br />
in the Identification of Human Remains“<br />
(„Forensische Knochenlehre: Fortschritte<br />
bei der Identifikation sterblicher<br />
Überreste“). Lange bevor menschliche Skelette<br />
ihren Siegeszug in Kriminalromanen<br />
antraten, hatte sie sich <strong>auf</strong> die Analyse und<br />
Rekonstruktion krimineller Handlungen<br />
anhand von Knochen spezialisiert.<br />
Ihre aka<strong>dem</strong>ische L<strong>auf</strong>bahn bildet die<br />
Grundlage für 13 Weltbestseller mit der<br />
Heldin Temperance Brennan. Und nun<br />
auch für ihren ersten Jugendthriller „Virals“<br />
mit Tempes Großnichte Tory Brennan<br />
als Ich-Erzählerin.<br />
Schon als Kind untersuchte Kathy Reichs<br />
im Keller des Elternhauses tote Mäuse und<br />
experimentierte mit Chemikalien. Mit 19<br />
Jahren heiratete sie den Untersuchungsrichter<br />
Paul Reichs und bekam mit ihm<br />
drei Kinder. Sie studierte Anthropologie<br />
und Soziologie und unterrichtete als Professorin<br />
an der Universität von North Carolina.<br />
Heute ist sie als forensische Anthropologin<br />
für gerichtsmedizinische Institute<br />
in Quebec und North Carolina tätig.<br />
In den USA, wo sie häufig als Expertenzeugin<br />
bei Kriminalfällen <strong>auf</strong>tritt, lehrt sie<br />
beim FBI Spurenerkennung. Sie ist zu<strong>dem</strong><br />
Mitglied in der staatlichen Katastrophen-<br />
Einsatztruppe, in der Anthropologen, Ballistiker,<br />
Geologen, IT-Experten und Pathologen<br />
mit der Kriminalpolizei zusammenarbeiten.<br />
Reichs kam am Ground Zero in New<br />
70<br />
„Ich möchte<br />
mit ‚Virals‘<br />
junge Leser für<br />
wissenschaftliches<br />
Arbeiten<br />
begeistern“,<br />
sagt Kathy<br />
Reichs<br />
buchjournal 2/2011
York ebenso zum Einsatz wie in Ruanda, da<br />
sie auch als Gutachterin für die Vereinten<br />
Nationen an verschiedenen Kriegsschauplätzen<br />
Leichen identifi ziert.<br />
Mitte der 1990er Jahre schrieb sie ihren<br />
<strong>auf</strong> Tatsachen basierenden ersten Roman<br />
„Tote lügen nicht“, worin Kathy Reichs’ Alter<br />
Ego Temperance Brennan <strong>auf</strong>grund<br />
eines Knochenfunds einen Serientäter überführt.<br />
Die Autorin wollte damit ihren abwechslungsreichen,<br />
anspruchsvollen und<br />
belastenden Beruf einer breiten Öffentlichkeit<br />
bekannt machen und fand viele begeisterte<br />
Leser.<br />
„Inzwischen habe ich auch viele junge<br />
Fans von Tempe getroffen. Ein Thriller für<br />
Jugendliche war deshalb für mich die nahe<br />
liegende Erweiterung meiner bisherigen<br />
Arbeit. Ich möchte mit ‚Virals‘ junge Leser<br />
nicht nur gut unterhalten, sondern auch<br />
für wissenschaftliches Arbeiten begeistern“,<br />
sagt Kathy Reichs.<br />
Ihren ersten Jugendroman hat sie in den<br />
Südosten der USA <strong>auf</strong> Morris Island vor der<br />
Atlantikküste South Carolinas verlegt. Diese<br />
Insel, die nur über den Wasserweg erreicht<br />
werden kann, gibt es wirklich – hier<br />
hat Kathy Reichs sich vor einigen Jahren ein<br />
Haus gek<strong>auf</strong>t. Tory, die <strong>auf</strong> der Insel bei ihrem<br />
Vater lebt, empfi ndet die fast unbewohnten<br />
dreieinhalb Quadratkilometer als<br />
einen „Ort im Nirgendwo“. Hier fi ndet sie<br />
aber das Skelett eines vor Jahren ermordeten<br />
Mädchens. Und hier rettet sie <strong>dem</strong><br />
Wolfshundbaby Cooper das Leben, das in<br />
einem geheimen Labor für Tierexperimente<br />
missbraucht wird.<br />
Lesezeichen<br />
j<br />
Kathy Reichs: Virals – Tote können nicht mehr reden.<br />
Übersetzt von Knut Krüger. cbj, 480 S., 18,99 € (D) •<br />
19,60 € (A) • 29,90 sFr., ab 13<br />
Kathy Reichs: Virals – Tote können nicht mehr reden.<br />
Gelesen von Anna Thalbach. cbj audio, 6 CDs,<br />
19,99 € (D / A) • 32,90 sFr., ab 13<br />
buchjournal 2/2011 71<br />
Zur Person<br />
Kathy Reichs, geboren 1950 in Chicago, ist Professorin<br />
für Soziologie und Anthropologie und unter<br />
anderem als forensische Anthropologin für gerichtsmedizinische<br />
Institute in Quebec und North<br />
Carolina tätig. Ihre Arbeit fl ießt in ihre international<br />
erfolgreichen Thriller um ihre Heldin Temperance<br />
Brennan ein, und ihre Fälle l<strong>auf</strong>en als Fernsehserie<br />
„Bones – Die Knochenjägerin“. Kathy<br />
Reichs lebt in Charlotte und Montreal.<br />
Zwischen der Mädchenleiche und den illegalen<br />
Experimenten gibt es Zusammenhänge.<br />
Dank neuester Technik – unter anderem<br />
von Großtante Tempe geschenktes<br />
elektrisches Werkzeug und ein gestohlener<br />
Sonicator-Ultraschallreiniger – fi ndet die<br />
Clique um Tory heraus, dass die Tote für<br />
ein ökologisches Projekt gearbeitet hatte,<br />
das bedrohte Vogelarten untersuchte.<br />
Je länger sich Tory mit ihr beschäftigt,<br />
desto stärker identifi ziert sie sich mit der<br />
Umweltschützerin. Torys Wille, das Geheimnis<br />
zu lüften und herauszufi nden,<br />
wer das Mädchen ermordet hat, ist unbezähmbar.<br />
Aber dann wird die Clique<br />
krank: Cooper infi ziert die Jugendlichen<br />
mit <strong>dem</strong> „Parvovirus XPB-19“, einer gefährlichen<br />
Kreuzung, einem Hybriden des<br />
Caninen Parvovirus und des Parvovirus<br />
B19. Niemand kennt die Eigenschaften<br />
dieses Designer-Virus, das nun offenbar<br />
auch für Menschen ansteckend ist und die<br />
DNA verändert. Die Jugendlichen haben<br />
dadurch animalische Wahrnehmungsfähigkeiten<br />
und wölfi sche Kräfte, die sie<br />
auch brauchen, um den Mordfall zu lösen.<br />
Sie sind ab jetzt die „Virals“, schwanken<br />
zwischen Schrecken und Euphorie, ein<br />
Rudel, das Gedanken lesen kann und zu<br />
<strong>dem</strong> sich auch Cooper gesellt.<br />
„Mir war es wichtig, den Roman so realistisch<br />
wie möglich zu schreiben und alle<br />
wissenschaftlichen Einzelheiten korrekt<br />
wiederzugeben. Es war aber auch witzig,<br />
mit Fantasy-Elementen zu arbeiten. Das<br />
habe ich nie zuvor gemacht. Die erzählerischen<br />
Freiheiten, die sich dadurch ergeben,<br />
habe ich sehr genossen“, sagt Reichs.<br />
Ruhelos, erregt und „redbullwach“ wie die<br />
Helden folgen die Leser der Aufklärung<br />
eines 30 Jahre zurückliegenden Mordes.<br />
„Virals“ enthält Wissenschaft als Spannungselement<br />
und lehrt bei der Lektüre,<br />
dass jede Entdeckung neue Fragen <strong>auf</strong>wirft.<br />
<br />
DIE GESCHICHTE<br />
EINER GROSSEN,<br />
ZEITLOSEN LIEBE<br />
Nastasja ist unsterblich. Und doch hat sie das<br />
Gefühl, dass ihr Leben vor 450 Jahren endete –<br />
als ihre Familie ermordet wurde.<br />
Endlich will sie den Neubeginn wagen –<br />
und verliebt sich ausgerech<strong>net</strong> in den Mann,<br />
der ihre Familie <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Gewissen hat.<br />
Leseproben-<br />
Wettbewerb<br />
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Buchtrailer <strong>auf</strong><br />
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Immortal Beloved<br />
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Hardcover mit Schutzumschlag,<br />
Leseband, 416 Seiten,<br />
ab 13 Jahren<br />
17,95 (D), 18,50 (A), CHF 27,50<br />
ISBN 978-3-7855-7253-5<br />
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Der FRANKFURTER LITERATURVERLAG<br />
nimmt Texte an:<br />
Gedichte, Erzählungen, Romane, Krimis,<br />
Lebenserinnerungen, Biographien,<br />
Kinder- und Jugendbücher, Theaterstücke,<br />
Drehbücher, Sachbücher usw.<br />
Senden Sie Ihr Manuskript an den<br />
FRANKFURTER LITERATURVERLAG<br />
Lektorat 4.0, Großer Hirschgraben 15<br />
D-60311 Frankfurt/M.<br />
www.frankfurter-literaturverlag.de<br />
Tel. 069-408940, Fax 069-40894-169<br />
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Autoren gesucht für Fernseh<strong>auf</strong>tritt<br />
(Interview/Lesung)<br />
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Literarisches Schreiben<br />
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Fähigkeiten verbessern und erweitern wollen, wenn<br />
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FRANKFURT/M. MBH<br />
Die Themen lauten: Frei wählbares<br />
Thema (Klasse A), Der Jahrestag (Klasse<br />
B) und Die Reise (Klasse C).<br />
Ausgewählte Gedichte erscheinen im Standardwerk<br />
deutschsprachiger Lyrik, der Frankfurter<br />
Bibliothek.<br />
Einsendeschluß: 1. Oktober 2011. Sie können ein<br />
Gedicht über das Inter<strong>net</strong> oder per Post einreichen. Das<br />
eingesandte Gedicht darf 20 Zeilen nicht überschreiten;<br />
es muss maschinenschriftlich und mit Rückporto (3x EUR<br />
0,55) eingereicht werden (<strong>dem</strong> Autor entstehen außer <strong>dem</strong> Porto<br />
keine Kosten). Bitte geben Sie bei Ihrer Einsendung Ihr Geburtsjahr<br />
an. Dieses wird ggf. mitveröffentlicht. Es darf<br />
nur ein einziges Gedicht eingereicht werden.<br />
Redaktion der Frankfurter Bibliothek<br />
Brentano-Gesellschaft Frankfurt/M. mbH<br />
Großer Hirschgraben 15, D-60311 Frankfurt/M.<br />
Tel. 069-13377-177, Fax-175, www.brentano-gesellschaft.de<br />
Lesestoff Kinderbuch TEXT: STEFAN HAUCK, VERENA HOENIG<br />
Neue Bücher ohne Ende. Zum Betrachten. Zum Vorlesenlassen.<br />
Zum Selberlesen. Zum Hören. Da müsste für jeden was dabei sein.<br />
© Olga Kadroff<br />
AB 2 FÜR KUSCHELTIERBESITZER<br />
Reden ohne Worte<br />
Trixi geht mit Papa<br />
zum Waschsalon,<br />
ein herrlicher Tag –<br />
bis sie merkt, dass<br />
ihr Kuscheltier verschwunden<br />
ist.<br />
Mit allen ihr zur<br />
Verfügung stehenden Mitteln – vom<br />
Illustrator prägnant in Szene gesetzt – versucht<br />
Trixi den Verlust zu erklären, allein: Sie kann<br />
noch nicht sprechen. Erst der Mama zu Hause<br />
wird klar, wer fehlt. Im Schweinsgalopp geht<br />
es zurück zum Waschsalon, wo sich das Tier wiederfi<br />
ndet und Trixi ihr erstes Wort spricht: „Knuffelhase!“<br />
Ein charmantes Buch, das mit klar<br />
konturierten Figuren <strong>auf</strong> fotografi schem Retrohintergrund<br />
einfühlsam <strong>auf</strong> kindliche Kommunikationsstrukturen<br />
hinweist.<br />
^ Mo Willems: „Knuffelhase“. Gerstenberg, 32 S.,<br />
9,95 € (D) • 10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
AB 4 FANTASIEVOLL<br />
Schatten tanzen lassen<br />
Das Bilderbuch im ungewöhnlichen Längsformat<br />
kommt ohne Worte aus: Ein kleines Mädchen<br />
knipst <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Speicher die Lampe an und probiert<br />
alle möglichen Schattenfi guren aus. Auch<br />
Aufgeblättert<br />
Leiter, Besen, Staubsauger und anderes Gerümpel<br />
entwickeln ihre Schattenfi guren, die mehr<br />
und mehr ein Eigenleben führen. Immer fantasievoller<br />
wird die Szenerie, bis das Mädchen die<br />
Lampe ausknipst. Aber damit ist das Buch noch<br />
nicht zu Ende. Und in den Köpfen der Betrachter<br />
erst recht nicht.<br />
^ Suzy Lee:<br />
„Schatten“.<br />
Baumhaus, 32 S.,<br />
12,99 € (D) •<br />
13,40 € (A) •<br />
20,50 sFr.<br />
AB 6 FREUNDSCHAFTSGESCHICHTE<br />
Die Angst überwinden<br />
In knappen Worten und zahlreichen eindrucksvollen<br />
Bildern wird erzählt, wie der aus einem<br />
Kriegsgebiet entfl ohene kleine Nadim Angst hat,<br />
allein zur Schule zu gehen, und sich einschließt.<br />
Sein Onkel rät ihm, sich vorzustellen, seine kleine<br />
Schwester sicher zur Schule zu bringen: als großer<br />
Bruder. Der Trick gelingt – und Nadim schafft es<br />
später, anstelle der imaginären Schwester mit<br />
einem anderen Mädchen zu<br />
gehen und mit ihr Freundschaft<br />
zu schließen.<br />
^ Morten Dürr, Peter Bay<br />
Alexandersen (Ill.): „Lass<br />
Samiras Hand nicht los“. Picus,<br />
52 S., 13,90 € (D / A) • 23,90 sFr.<br />
72<br />
buchjournal 2/2011
j<br />
AB 9 PARABELHAFT<br />
In der Welt der<br />
Knöpfe<br />
Zu Besuch bei ihrer puzzlesüchtigen<br />
Tante und <strong>dem</strong> äußerst<br />
verschrobenen Messi- Onkel<br />
schrumpft Emma in deren „Knopfzimmer“ <strong>auf</strong><br />
Fingerhutgröße und lernt eine merkwürdige<br />
Welt kennen. Unter den sprechenden Knöpfen<br />
und Klettverschlüssen fi ndet sie treue Freunde,<br />
die ihr helfen, Abenteuer zu bestehen und wieder<br />
<strong>auf</strong> Kindergröße anzuwachsen. Eine leicht<br />
verständliche Parabel über Freundschaft und<br />
innere Werte, von Textildesignerin Silke Leffl er<br />
höchst stoffl ich <strong>auf</strong> Papier imaginiert.<br />
^ Ulrike Rylance: „Emma im Knopfl and“. Jacoby &<br />
Stuart, 100 S., 14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
AB 9 FÜR KOMBINIERFREUDIGE<br />
Cleverer Detektiv<br />
Weitgehend unbekannt ist, dass<br />
Mark Twain <strong>auf</strong> „Tom Sawyers<br />
Abenteuer“ den ersten Roman<br />
der Literaturgeschichte folgen<br />
ließ, in <strong>dem</strong> zwei Jungs als Detektive<br />
<strong>auf</strong>treten. Dramaturgisch<br />
ausgefeilt arrangiert, lässt Twain<br />
Tom und Huck <strong>auf</strong> einem Mississippidampfer<br />
die Bekanntschaft<br />
eines Diamantenräubers machen, der kurz dar<strong>auf</strong><br />
ermordet wird. Angeklagt wird Toms Onkel<br />
Silas, den Tom vor Gericht durch cleveres Kombinieren<br />
aller Indizien vor <strong>dem</strong> Galgen bewahren<br />
kann. Spannend!<br />
^ Mark Twain: „Tom Sawyer als Detektiv“. Hanser,<br />
128 S., 12,90 € (D) • 13,30 € (A) • 19,90 sFr.<br />
AB 9 DINO-ABENTEUER<br />
Quicklebendige<br />
Urzeittiere<br />
In das trostlose Leben des<br />
zwölfjährigen Waisen Bendix<br />
schneit die seltsame Thekla<br />
Salmonis und nimmt gleich seinen Widersacher<br />
Chris mit. Ein <strong>auf</strong>regendes Abenteuer beginnt für<br />
die Jungs, denn <strong>auf</strong> der Südseeinsel Floribunda ist<br />
die Zeit im Jura stehen geblieben. Dass hier Urzeittiere<br />
leben, soll geheim bleiben ... Jens Wawrczeck<br />
faucht, zirpt, girrt und krächzt, was das Zeug hält.<br />
^ Alice Pantermüller: „Bendix Brodersen. Angsthasen<br />
erleben keine Abenteuer“. Gelesen von Jens<br />
Wawrczeck. Arena Audio, 3 CDs, 14,99 € (D) •<br />
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buchjournal 2/2011 73<br />
AB 10 SCHMUGGELEI<br />
Gefährliche Bergwanderung<br />
Der 75-jährige Großvater und seine fünf Enkel<br />
starten ihren zweiten Aufstieg zum Dreihöhlenberg,<br />
um nachzuschauen, wie es der Wolfsmutter<br />
und ihrem Jungen ergangen ist. Als sie dabei<br />
Schmugglern in die Quere kommen, wird die Expedition<br />
lebensbedrohlich. Udo Wachtveitl, der<br />
erstaunliche Tiere lebendig werden lässt, gibt einen<br />
schusseligen, mitunter quengeligen<br />
Großvater – und das Wolfskind.<br />
^ Per Olov Enquist: „Großvater<br />
und die Schmuggler“. Gelesen<br />
von Udo Wachtveitl. Aktive<br />
Musik, 4 CDs, 24,95 € (D) •<br />
25,20 € (A) • 37,90 sFr.<br />
j<br />
AB 10 PALÄSTINA-KONFLIKT<br />
Erfahrbare Ohnmacht<br />
Anne Laurel Carter berichtet über die israelische<br />
Siedlungspolitik, in<strong>dem</strong> sie über den Alltag der<br />
jungen palästinensischen Hirtin Amani und ihrer<br />
Familie erzählt. Immer beengter wird deren Lebensraum<br />
durch Zäune, Siedlungen und Straßen,<br />
die den Zugang zu Weideplätzen und Olivenhainen<br />
verwehren; aus Sicherheitsgründen wird das Haus<br />
abgerissen, die Ohnmacht wird immer erfahrbarer.<br />
Als Kontrapart fungiert ein israelischer Junge, der<br />
mit der Landnahme seines Vater<br />
nicht einverstanden ist. Ein Roman,<br />
der betroffen macht.<br />
^ Anne Laurel Carter: „Amani,<br />
das Hirtenmädchen“.<br />
Jungbrunnen, 160 S.,<br />
13,90 € (D / A) • 21,90 sFr.<br />
AB 10 SACHBUCH MIT HÖRBEISPIELEN<br />
Musikalische Expeditionen<br />
Kindern des 21. Jahrhunderts erschließt sich klassische<br />
Musik nicht ohne Weiteres. Die Berliner<br />
Philharmoniker bieten Expeditionen an: Ob Posaune,<br />
Pauke, Oboe, alle Instrumente eines Orchesters<br />
werden kindgerecht erklärt; <strong>auf</strong> drei<br />
DVDs hört und sieht man, in welchen Stücken sie<br />
zum Einsatz kommen. Das illustrierte Sachbuch<br />
wiederum erläutert die Stücke, es gibt Ratefragen<br />
und kleine Geheimnisse – eine gelungene<br />
Einführung in die Welt der<br />
Musik.<br />
^ Margarete Zander, John<br />
Harrison (Ill.): „Wirbelwind und<br />
Saitentanz“. Schott, 48 S., 3 DVDs,<br />
24,95 € (D) • 25,95 € (A) • 39,90 sFr.<br />
»DER BESTE WEG,<br />
DIE ZUKUNFT<br />
VORHERZUSAGEN, IST, SIE<br />
ZU ERFINDEN.«<br />
(ALAN KAY, US-COMPUTER-<br />
WISSENSCHAFTLER)<br />
Diese einzigartige Zusammenschau<br />
ist ein Muss für jeden, der wissen will,<br />
wohin die Reise geht. Wie Innovationen<br />
entstehen, wie die verschiedenen Entwicklungen<br />
sich gegenseitig beeinflussen,<br />
welche Berufe gebraucht werden –<br />
und wie man die Welt von morgen<br />
selbst miterfinden kann.<br />
ISBN 978-3-407-75352-6. a 17,95
Schwerpunkt Reise und Sprachen<br />
Sie war in der Hauptstadt Kinshasa und ist mehrere Male durch den Kongo gereist.<br />
Dem Buchjournal hat Andrea Böhm erklärt, warum sie das von Kriegen und<br />
Diktaturen verwüstete Land nicht nur verstörend, sondern auch faszinierend findet.<br />
„Da musst du eben durch“<br />
INTERVIEW: SABINE SCHMIDT • FOTOS: CORDULA GIESE<br />
es riecht ein bisschen nach Farbe,<br />
und noch ist nicht alles ausgepackt in der<br />
neuen Wohnung in Neukölln. Andrea<br />
Böhm ist gerade von Hamburg nach Berlin<br />
gezogen, zusammen mit ihrem Lebensgefährten,<br />
der die letzten zweieinhalb Jahre<br />
in Sri Lanka tätig war, als Landminenexperte<br />
für UNICEF. Jetzt ist er nach Deutschland<br />
zurückgekehrt, „damit die Fernbeziehung<br />
nicht mehr ganz so fern ist“, sagt die<br />
„Zeit“-Redakteurin. Zumindest dann,<br />
wenn sie nicht in Afrika oder anderswo unterwegs<br />
ist, sondern nur zwischen ihrem<br />
Arbeitsplatz in Hamburg und ihrem neuen<br />
Wohnort Berlin pendelt.<br />
Gerade ist die 49-Jährige aus der Hansestadt<br />
zurückgekommen – und könnte doch<br />
gleich wieder <strong>auf</strong>brechen. Die Kleidung jedenfalls<br />
passt: Kapuzenpulli, Jeans und bequeme<br />
Schuhe. Der Rucksack wäre schnell<br />
gepackt, Firlefanz gibt es nicht bei Andrea<br />
Böhm, nur praktisches Reisegepäck, wenn<br />
es in den Kongo mit seinen fast komplett<br />
zerstörten Infrastrukturen geht – ein an<br />
Rohstoffen und Bodenschätzen reiches,<br />
aber von Diktaturen und Kriegen verwüstetes<br />
und weitgehend verarmtes Land.<br />
Sie war in Kinshasa und hat mehrere Reisen<br />
durch den Kongo unternommen. Sie<br />
war in Bukavu im Osten des Landes am Kivu-See,<br />
wo sie es paradiesisch schön findet.<br />
Sie war aber auch <strong>auf</strong> Diamantenfeldern, wo<br />
von Hand bis zu 30 Meter tiefe Schächte gegraben<br />
werden und wo Kinder schuften,<br />
statt in die Schule zu gehen. Sie hat eine Klinik<br />
besucht, in der vergewaltigte und verstümmelte<br />
Frauen unterkommen. Sie ist<br />
mit Künstlern und Taxifahrern zusammengekommen.<br />
Mit Musikern und Plantagenarbeitern.<br />
Angehörigen der Milizen und ehemaligen<br />
Kindersoldaten. Mit <strong>dem</strong> Buchjournal<br />
sprach sie über ihre Begegnungen – und<br />
über das Buch, das sie über ihre Reisen geschrieben<br />
hat: „Gott und die Krokodile“ .<br />
Wann waren Sie das erste Mal im Kongo?<br />
Andrea Böhm: 2002. Damals war ich in<br />
den USA als freiberufliche Journalistin tätig,<br />
und „Geo“ hat mich in die Hauptstadt<br />
Kinshasa geschickt. Es war das erste<br />
schwarzafrikanische Land, das ich besucht<br />
habe, und es war der viel zitierte Sprung<br />
ins kalte Wasser. Ich bin dorthin gereist,<br />
mit erschreckend wenig Vorwissen, so sehe<br />
ich das jedenfalls heute – das machen Weiße<br />
oft so. Wir fahren da hin mit der Vorstellung,<br />
dass Afrikaner nur das Chaos kennen,<br />
keine richtige Geschichte haben und<br />
Zur Person<br />
Andrea Böhm, geboren 1961, lebte über zehn Jahre<br />
als Korrespondentin und freie Journalistin in den<br />
USA und schrieb unter anderem für die „taz“,<br />
„Die Zeit“ und „Geo“. Seit 2006 ist sie Redakteurin<br />
der „Zeit“ im Ressort Außenpolitik. Ihr Buch<br />
„Gott und die Krokodile“ wurde für den Preis der<br />
Leipziger Buchmesse 2011 nominiert.<br />
der Stoff für uns Reporter einfach so <strong>auf</strong><br />
der Straße liegt, ohne dass man sich vorher<br />
über das Land informieren muss.<br />
Warum sind Sie immer wieder zurückgekehrt?<br />
Kinshasa ist eine faszinierende Stadt, die<br />
meine Vorstellungen von einer Megacity<br />
über den H<strong>auf</strong>en geworfen hat. Ich habe geglaubt,<br />
dass die Slums in dieser Stadt chaotisch<br />
sind. Tatsächlich aber sind sie hochkomplex<br />
und hoch organisiert, paradoxerweise<br />
gerade deshalb, weil alles kaputt ist<br />
und nichts von allein funktioniert.<br />
Können Sie das erklären?<br />
Es gibt nur unregelmäßig Strom und<br />
kein Trinkwasser. Es gibt kaum intakte<br />
Straßen, während der Regenzeit versinkt<br />
man bis zu den Knöcheln im Schlamm. Es<br />
gibt noch Schulen, aber kein Lehrmaterial,<br />
und die Lehrer werden nicht bezahlt. Man<br />
muss nicht nur sein Kind versorgen, sondern<br />
ihm auch Lebensmittel mitgeben, um<br />
den Lehrer zu schmieren, damit er ein<br />
Zeugnis ausstellt. Jede Handlung, die wir<br />
in Deutschland nebenbei erledigen, ohne<br />
viel über sie nachzudenken, ist in Kinshasa<br />
eine Transaktion, die durchdacht und ausgehandelt<br />
werden muss. Die Menschen<br />
kommen nur mit einer unglaublichen<br />
Energie und mit einer unglaublichen Improvisationskunst<br />
über die Runden.<br />
In Ihrem Buch erzählen Sie von vielen Begegnungen<br />
und Erlebnissen in Kinshasa. Was hat<br />
Sie besonders beeindruckt?<br />
0<br />
74<br />
buchjournal 2/2011
uchjournal 2/2011 75<br />
Reisegepäck In den Kongo nimmt<br />
Andrea Böhm nur das Wichtigste mit. Unbedingt<br />
dazu gehören das Aufnahmegerät, ein<br />
kleiner Fetisch, ein Moskito<strong>net</strong>z und ein<br />
Baumwollschlafsack – „den braucht man, weil<br />
die Betten oft sehr schmutzig sind“, sagt sie
Kunstreiseführer,<br />
die wirklich in jede<br />
Tasche passen!<br />
Informationen zu Architektur und<br />
Kunst für Individualreisende<br />
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SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
0 Das Sinfonieorchester mit seinen<br />
Laienmusikern. Die Stunden, die ich während<br />
der Proben mit ihnen verbracht habe,<br />
gehören zu meinen wunderbarsten in dieser<br />
Stadt. Das sind Menschen, die jeden Tag um<br />
vier oder fünf Uhr <strong>auf</strong>stehen, um in diesem<br />
alltäglichen Wahnsinn zurechtzukommen.<br />
Sie können nicht einfach in einen Laden gehen<br />
und sich eine Geige k<strong>auf</strong>en oder eine<br />
Klari<strong>net</strong>te. Auch Geigensaiten gibt es nicht.<br />
Ihre Saiteninstrumente bauen sie zum Teil<br />
selbst und spielen mit Leidenschaft Bach,<br />
Händel und Beethoven, proben stundenlang<br />
nach einem erschöpfenden Tag und<br />
geben Konzerte.<br />
Sie erzählen auch von <strong>dem</strong> Boxkampf zwischen<br />
Muhammad Ali und George Foreman 1974 in<br />
Kinshasa und von <strong>dem</strong> längst heruntergekommenen<br />
Stadion, in <strong>dem</strong> Sie ebenfalls trainiert<br />
haben. War das Reporterehrgeiz: Man muss<br />
möglichst viel selbst ausprobieren?<br />
Ich trainiere auch sonst, zu Hause Kickboxen<br />
und Taekwondo. Wann immer möglich,<br />
versuche ich, das auch <strong>auf</strong> Reisen zu<br />
tun, um mich auszutoben. Mir bedeutet<br />
dieser Sport auch viel, ich bin immer wieder<br />
in diesem Stadion und in der Boxschule<br />
dort, in der viele Frauen trainieren, und versuche,<br />
sie zu unterstützen.<br />
Sie waren nicht nur in Kinshasa, sondern sind<br />
auch immer wieder durch den Kongo gereist.<br />
Was fasziniert Sie an <strong>dem</strong> Land?<br />
Das mag seltsam klingen, wenn man über<br />
den Kongo redet, der in vielerlei Hinsicht<br />
verstörend ist – aber es macht auch Spaß,<br />
dieses Land zu erkunden, abseits von <strong>dem</strong><br />
leidigen Klischee „Herz der Finsternis“. Der<br />
Kongo stand und steht immer wieder im<br />
Zentrum der Weltgeschichte, auch wegen<br />
seiner enormen Bodenschätze.<br />
Welche Beispiele können Sie dafür nennen?<br />
Unter <strong>dem</strong> belgischen König Leopold II.<br />
war der Kongo Schauplatz eines gigantischen<br />
Verbrechens: Mehrere Millionen<br />
Menschen starben durch Zwangsarbeit,<br />
Massaker und eingeschleppte Krankheiten.<br />
Aber er war auch Schauplatz einer<br />
der ers ten modernen Menschenrechtskampagnen<br />
– gegen Leopold. Mit Uran aus<br />
<strong>dem</strong> Kongo entwickelten die USA ihre<br />
ers ten Atombomben. Heute holt sich China<br />
dort Rohstoffe wie Kupfer. Oder nehmen<br />
Sie den Boxkampf zwischen Ali und<br />
Foreman im Jahr 1974: Ali bekam sein<br />
sportliches Comeback, Mobutu bekam in-<br />
ternationale Anerkennung. Und das Ganze<br />
wurde als riesige Show der Verbrüderung<br />
zwischen afrikanischen und amerikanischen<br />
Schwarzen inszeniert.<br />
Sie waren meist allein unterwegs im Kongo.<br />
Hatten Sie keine Angst?<br />
Nur die Reporterangst, nicht das zu schaffen,<br />
was ich mir für die nächsten zwei, drei<br />
Wochen vorgenommen habe. Und ich hatte<br />
allerdings Angst, als ich von <strong>dem</strong> Manager<br />
einer Palmölplantage mitgenommen wurde.<br />
Ein unglaublich <strong>net</strong>ter Kerl, der in seinem<br />
Landrover jeden mitfahren ließ, der irgendwie<br />
noch reinpasste. Dann raste er aber<br />
wie der Teufel durch die Dörfer – und ich<br />
dachte: „Das überleben wir nicht.“<br />
Sie sind teilweise zu Fuß unterwegs gewesen<br />
und sogar getrampt, waren mutterseelenallein<br />
und hatten keine Angst?<br />
Nein. Aber ich meide auch Kampfgebiete<br />
und würde längere Touren im Osten des<br />
Landes, wo immer noch gekämpft wird,<br />
nicht allein unternehmen. Als ich in die Provinz<br />
reiste, in der ich nach unzähligen Motorradpannen<br />
auch mal zu Fuß unterwegs<br />
war und trampte, hatte mir ein Priester aus<br />
der Region zwei Telefonnummern mitgegeben,<br />
mit deren Hilfe ich die 1 000 Kilometer<br />
überbrücken konnte. Das funktionierte<br />
dank der Hilfsbereitschaft der Leute erstaunlich<br />
gut. Manchmal fühlte ich mich<br />
wie eine Porzellanpuppe – Achtung, hier<br />
kommt die Weiße, der darf nichts passieren.<br />
Sie haben nicht in Luxushotels übernachtet,<br />
sondern sehr einfach, in Zimmern mit Kakerlaken<br />
und Ameisenstraßen, ohne Strom und<br />
fließendes Wasser. Macht Ihnen das nichts aus?<br />
Nein, man gewöhnt sich sehr schnell daran.<br />
Ich habe zwar auch Selbstgespräche<br />
mit mir geführt und mich für meine<br />
76<br />
buchjournal 2/2011
Sie hat viel zu erzählen: Andrea Böhm war<br />
oft im Kongo unterwegs – und oft allein<br />
Schnapsideen beschimpft, mir dann aber<br />
auch gesagt: Du wolltest das, und jetzt<br />
musst du da eben durch. Und wenn Ungeziefer<br />
rumliegt, muss man es wegräumen.<br />
Gab es auch Erlebnisse, die Sie nicht so gut<br />
wegstecken konnten?<br />
Man kann vieles nicht so einfach wegstecken.<br />
Das ist ein hoch traumatisiertes Land,<br />
immer am Rande der totalen Erschöpfung.<br />
Besonders eingebrannt hat sich ein Erlebnis<br />
in Kinshasa. Dort werden viele Kinder von<br />
ihren Familien verstoßen, sie gelten als verhext<br />
und müssen allein zurechtkommen.<br />
Das ist eine brutale Methode des Überlebens:<br />
So werden die hungrigen Mäuler einer<br />
Familie um eines reduziert. Ich habe damals<br />
in einer katholischen Herberge übernachtet,<br />
und dort wurde eines der Straßenkinder<br />
beim Klauen erwischt. Ein Polizist kam, hat<br />
den Jungen gefesselt, mit einem Bambusstock<br />
windelweich geprügelt und mitgenommen.<br />
Ich habe einen der Patres dar<strong>auf</strong><br />
angesprochen, aber er hat nur mit den<br />
Schultern gezuckt und gesagt: „Der Junge<br />
hat gestohlen.“<br />
Was hat Sie an dieser Situation so getroffen?<br />
Die absolute Mitleidlosigkeit. Und meine<br />
eigene Rolle als Zuschauerin. Was sollen<br />
diese Kinder denn sonst tun, um zu überleben?<br />
Von christlicher Nächstenliebe war<br />
aber nichts zu spüren. Die Straßenkinder<br />
werden eben nicht als Kinder, sondern als<br />
Lesezeichen<br />
Andrea Böhm: Gott und die<br />
Krokodile. Eine Reise durch den<br />
Kongo. Pantheon, 272 S., 14,99 €<br />
(D) • 15,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 77<br />
Bedrohung wahrgenommen. Als Wesen,<br />
die mächtiger sein können als Erwachsene.<br />
Warum haben Sie Ihrem Buch den Titel „Gott<br />
und die Krokodile“ gegeben?<br />
Die Kongolesen sind ein sehr gläubiges<br />
Volk. Kirchen in allen Varianten haben große<br />
Bedeutung, aber auch Geisterglaube und Fetischismus.<br />
Krokodile sind ebenfalls wichtig.<br />
Um sie ranken sich viele Geschichten:<br />
dass Fetischeure sich in Krokodile verwandeln<br />
oder dass Fehden und Racheakte über<br />
sie ausgetragen werden. Ich habe auch einen<br />
verrotteten Wochenendsitz des früheren<br />
Diktators Mobutu besucht. Dort soll er in<br />
einem Swimmingpool Krokodile gehalten<br />
haben und es sollen Oppositionelle verfüttert<br />
worden sein. Was stimmen kann, aber<br />
nicht stimmen muss, bei Mobutu weiß man<br />
das nicht so genau. Das alles – eben Gott und<br />
die Krokodile – ist typisch für den Kongo.<br />
Warum wollten Sie ein Buch über dieses Land<br />
schreiben?<br />
Zum einen wollte ich einfach gute Geschichten<br />
erzählen. Ich schätze politische<br />
Reisereportagen und wollte eine Art Roadmovie<br />
schreiben, durch den der Leser den<br />
Kongo kennenlernen kann. Zu<strong>dem</strong> wollte<br />
ich das Land anhand der Geschichten und<br />
Handlungen seiner Bewohner zeigen. In der<br />
Afrikaberichterstattung sind ja oft nicht<br />
Afrikaner die Hauptpersonen, sondern der<br />
weiße Missionar oder Entwicklungshelfer.<br />
Außer<strong>dem</strong> gibt es viele kongolesische Aktivisten,<br />
die nicht nur Beeindruckendes leisten,<br />
sondern auch uns Journalisten viele<br />
Türen öffnen. Sie verdienen es, vorgestellt<br />
und gewürdigt zu werden. Auch das war ein<br />
Grund, dieses Buch zu schreiben.
© Manuel Andrack<br />
SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
Was begeistert Sie so am Wandern?<br />
dass man dabei das eine oder<br />
andere Gramm Fett verliert<br />
Frische Luft und Natur machen<br />
einfach glücklich, vor allem wenn<br />
man einmal ohne Blasen ans Ziel<br />
kommt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wieso muss eine geführte Gruppen-<br />
Nachtwanderung nicht unbedingt<br />
sein?<br />
weil die unkontrolliert geführten<br />
Nordic-Walking-Stöcke auch die<br />
härteste Kniescheibe zertrümmern<br />
weil die Mitwanderer alle Taschenlampen<br />
dabei haben und den<br />
Wald anstrahlen wie eine Dorfdisco<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Schuhe geschnürt, den<br />
Rucksack <strong>auf</strong>gesetzt – und schon<br />
kann es losgehen mit der<br />
nächsten Tour. Sabine Schmidt hat<br />
Wanderer Manuel Andrack nach<br />
seinen Erfahrungen mit der eher<br />
ruhigen Bewegung gefragt.<br />
Wie und wo geht’s<br />
denn so lang?<br />
Warum müssen Sie Ihre Tour in den<br />
schottischen Highlands nicht unbedingt<br />
wiederholen?<br />
Das ist Wandern ohne Schnickschnack<br />
und selbst für echte Männer<br />
zu hart<br />
Hier gibt es nur wenig Abwechslung,<br />
und selbst die Schafe sind<br />
scheu<br />
<br />
<br />
Was ist besonders schön bei einer<br />
Tour <strong>auf</strong> Mallorca?<br />
Immer kreisen bedeutungsschwer<br />
Geier über <strong>dem</strong> Wanderer<br />
die (kurzen) Strecken, <strong>auf</strong> denen<br />
man keine anderen Touristen trifft<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Lesezeichen<br />
Manuel Andrack: Das neue<br />
Wandern. Unterwegs <strong>auf</strong> der<br />
Suche nach <strong>dem</strong> Glück.<br />
Berliner Taschenbuch Verlag<br />
BVT, 250 S., 9,95 € (D) •<br />
10,30 € (A) • 15,90 sFr.<br />
78<br />
Was hat Ihnen bei Ihrer Extremtour<br />
im Westerwald – 82 Kilometer am<br />
Stück – am besten gefallen?<br />
es sich selbst und all den Wander-Gurus<br />
gezeigt zu haben, auch<br />
wenn zwischendurch der Regenschirm<br />
<strong>auf</strong>gespannt werden musste<br />
das frische, gut gekühlte Weizenbier<br />
am Morgen nach der durchwanderten<br />
Nacht<br />
<br />
<br />
<br />
^ Manuel Andrack, geboren 1965<br />
in Köln, war von 1995 bis 2008<br />
Redaktionsleiter bei der „Harald<br />
Schmidt Show“. Seit 2004 publiziert<br />
er Bücher zum Thema Wandern,<br />
1. FC Köln, Punkrock und<br />
Ahnenforschung.<br />
buchjournal 2/2011
URLAUBS<br />
BEGLEITER<br />
Ob <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Roten Platz, neben <strong>dem</strong> schiefen Turm von Pisa, unter <strong>dem</strong> Arc<br />
de Triomphe oder <strong>auf</strong> der chinesischen Mauer: Sie werden mitreden und man<br />
wird Sie verstehen.<br />
Der Alleskönner für die Hosentasche mit Farbdisplay, Touchscreen-<br />
Navigation und Bildwörterbuch: der sprechende 14-sprachige weltweite<br />
Übersetzer EST-7014<br />
Er „spricht“ unglaubliche 14 Sprachen (Deu, Engl, Fra, Spa, Ita, Por, Hol, Rus,<br />
Pol, Arab, Jap, Kor, Tur, Chi-Mandarin) mit mehr als 300.000 Stichwörtern und<br />
Wendungen, bietet 450.000 Sprachdateien und 1,4 Mio Beugungsformen.<br />
Der EST-7014 übersetzt außer<strong>dem</strong> 18.000 Begriffe mithilfe von Bildern und<br />
Sprechblasen des großen Bildwörterbuchs in fünf Sprachen (Deutsch, Englisch,<br />
Französisch, Spanisch, Italienisch). Zu<strong>dem</strong> zeigt er die Übersetzungen<br />
im lateinischen Alphabet und in arabischen, chinesischen, japanischen, koreanischen<br />
und russischen Schriftzeichen an! Der perfekte Reisebegleiter für Ihr<br />
Handgepäck!<br />
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In jeder Sprache zu Hause
SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
Nicht nur unterwegs gibt es<br />
viel zu entdecken, sondern<br />
auch in schönen Büchern:<br />
Kulinarische Reiseführer<br />
präsentieren interessante und<br />
leckere Gerichte – zum<br />
Staunen und Ausprobieren.<br />
© Robert Churchill<br />
Genussideen<br />
aus aller Welt<br />
TEXT: HOLGER EHLING<br />
L ieben<br />
Sie Cholera? Nein? Nun, das zeigt,<br />
dass Sie wohl recht gut Bescheid wissen<br />
in Sachen Gesundheit, aber bedauerliche<br />
Lücken haben bei der Küche des Wallis.<br />
Denn dort ist Cholera keine Krankheit, sondern<br />
ein deftiger Kartoffel-Apfel-Strudel,<br />
der früher die hart arbeitenden Bauern und<br />
heute die erschöpften Wanderer schnell<br />
wieder zu Kräften kommen lässt. Womit wir<br />
zum Thema kommen: Wenn einer eine Reise<br />
tut, dann kann er was erzählen – neben den<br />
allfälligen Berichten von überstandenen<br />
Fährnissen zwischen Botswana und Ballermann<br />
sind die Mahlzeiten, mit denen man<br />
in fremden Ländern konfrontiert ist, ein<br />
gern genommener Stoff der Unterhaltung.<br />
Dank flächendeckender Versorgung mit<br />
Restaurants, in denen die Küchen aus nah<br />
und fern gepflegt werden, ist allerdings die<br />
Exotik solcher Begegnungen heutzutage<br />
eher beschränkt: Tatsächlich sind wohl im<br />
Alltag Gerichte aus Zentralasien oder<br />
Ostafrika bei uns leichter zu finden als zum<br />
Beispiel unsere eingangs erwähnte Cholera.<br />
Was uns dazu bringt, zu überlegen, ob<br />
nicht eigentlich die traditionellen regionalen<br />
Gerichte für viele von uns heute exotischer<br />
daherkommen als die Spezialitäten<br />
aus anderen Gegenden der Welt. Nehmen<br />
wir das Wallis – sehr weit entfernt von uns<br />
sind Städte wie Martigny oder Zermatt<br />
nicht, aber was man dort isst, das ist uns<br />
80<br />
Fern und exotisch:<br />
Kambodschanerin<br />
mit ihren Waren<br />
Nicht ganz so<br />
fern, aber auch<br />
verlockend: die<br />
Toskana mit<br />
ihrem Wein<br />
buchjournal 2/2011
© Kevin Miller<br />
© Ellen Moran<br />
doch eher unbekannt. Klaus-Werner Peters<br />
und Rémy Steinegger bemühen sich in ihrem<br />
Buch „Eine kulinarische Entdeckungsreise<br />
durch das Wallis“, das als deutschfranzösische<br />
Ausgabe erschienen ist, um<br />
Aufklärung und belegen ihre Behauptung,<br />
wonach die Walliser Küche eine spannende<br />
Kombination von Kreativität und Bodenständigkeit<br />
darstellt, mit überzeugenden<br />
Beispielen.<br />
Das Buch ist eher Eink<strong>auf</strong>sführer als<br />
Kochbuch, aber die Autoren präsentieren<br />
auch etwa 20 Gerichte, wie sie in ausgewählten<br />
Restaurants der Region zubereitet werden.<br />
Nützlich ist das Buch aber vor allem für<br />
Reisende mit großem Kofferraum: Eigentlich<br />
möchte man in allen der vorgestellten<br />
Betriebe, in denen regionale Produkte hergestellt,<br />
verk<strong>auf</strong>t und zubereitet werden, die<br />
Vorräte plündern.<br />
Noch näher an der Heimat gelegen ist der<br />
Gegenstand von „Schwaben. Reisen, Erleben<br />
und Genießen“. Diese Region wird in<br />
den anderen Teilen der Republik gern über<br />
Stichworte wie „Kehrwoche“ und „Spätzle“<br />
beschrieben, hat aber natürlich sehr viel<br />
buchjournal 2/2011 81<br />
Traditioneller Transport: Eine Vietnamesin<br />
trägt frische Früchte zum Markt<br />
mehr zu bieten. Die Autoren legen das Buch<br />
denn auch als kulinarischen Reiseführer an<br />
und erklären vor allem mit Hingabe die Bedingungen,<br />
unter denen heimische Produkte<br />
hergestellt werden. Rezepte für die<br />
wundervoll fotografierten Gerichte fehlen<br />
allerdings – was die Freude an <strong>dem</strong> Buch<br />
nicht schmälert.<br />
Ganz ähnlich kommt auch der Band „Die<br />
Deutsche Weinstraße“ daher, in <strong>dem</strong> in glühenden<br />
Farben die Schönheit der Pfalz geschildert<br />
wird. Tatsächlich kann man den<br />
Autoren nur zustimmen, wenn sie sagen,<br />
dass ein guter Pfälzer Saumagen besser ist<br />
als ein schlechtes Chateaubriand: Das bescheidene<br />
Lokalgericht, das dank Helmut<br />
Kohl die politische Weltbühne erobert hat,<br />
gehört zum Schmackhaftesten, was die<br />
deutsche Küche zu bieten hat. Ausgiebige<br />
Beschreibungen der wichtigsten Lagen der<br />
Region vervollständigen den Band, der vor<br />
allem als Reisebegleiter gedacht ist.<br />
Ebenfalls rezeptfrei landen „400 kulinarische<br />
Reisen, die Sie nie vergessen werden“<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Tisch – der steht allerdings wohl<br />
nicht in der Küche, sondern vor der Couch,<br />
denn das Buch ist ein typisches Beglückungsinstrument<br />
für Kulinariker im heimischen<br />
Wohnzimmer, die dann fröhlich<br />
den Pizzaservice bemühen. Die interes- 0<br />
Was scheren<br />
mich<br />
die Schafe?<br />
ANKE RICHTER<br />
Was scheren<br />
mich die Schafe<br />
Unter Neuseeländern<br />
Eine Verwandlung<br />
Klappenbroschur. 304 Seiten<br />
€ (D) 14,95 / € (A) 15,40 / sFr 23,50<br />
Dieses Buch wird nicht nur<br />
Neu seelandfans und Deutschland -<br />
flüchtlinge begeistern: Anke<br />
Richter erzählt höchst unterhaltsam<br />
von ihrem Leben am Ende<br />
der Welt. Wo all die Dokusoaps<br />
<strong>auf</strong>hören, legt sie erst richtig<br />
los – schamlos wie charmant,<br />
erbarmungslos bissig und zum<br />
Brüllen komisch.<br />
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SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
Gewürze müssen sein –<br />
und Bücher erklären,<br />
wo <strong>auf</strong> der Welt man<br />
was ausprobieren kann<br />
0 santesten Märkte der Welt werden<br />
ebenso vorgestellt wie vorzügliche Weinregionen<br />
oder Eink<strong>auf</strong>sparadiese für Kalorien-<br />
Unbewusste, und auch solch drängende<br />
Fragen wie „Wo gibt es den schärfsten Chili<br />
der Welt?“ werden beantwortet. Dabei kommen<br />
regionale Besonderheiten fast zwangsläufi<br />
g zu kurz – wenn bei der Aufzählung<br />
der „Top Ten“ der Nationalgerichte die USA<br />
<strong>auf</strong> Hamburger reduziert werden oder Korea<br />
<strong>auf</strong> Bulgogi und Frankreich <strong>auf</strong> Pot-<strong>auf</strong>eu,<br />
dann ist das schon etwas gewalttätig.<br />
Dass ein Engländer, wenn er gut essen<br />
möchte, seine Heimat verlassen muss, ist<br />
ein alter Witz, der seinen Wahrheitsgehalt<br />
in den vergangenen Jahren dramatisch eingebüßt<br />
hat. Das ist auch ein Verdienst des<br />
kochenden Tausendsassas Jamie Oliver, der<br />
seinen Landsleuten seit gut 15 Jahren beigebogen<br />
hat, dass Kochen und Essen mehr<br />
sein kann als das freudlose Zusammenrühren<br />
von Lebensmitteln und die schweigsame<br />
Vertilgung der Ergebnisse.<br />
Auch in Deutschland, wie in den meisten<br />
anderen europäischen Ländern, hat Oliver<br />
inzwischen eine eingeschworene Fangemeinde<br />
– selbst die Franzosen liegen<br />
einem Koch aus England zu Füßen. In „Jamie<br />
unterwegs“ begibt er sich nach Spanien,<br />
Italien, Schweden, Marokko, Griechenland<br />
und Frankreich und liefert seinen Lesern<br />
„Geniale Rezepte gegen Fernweh“.<br />
So, wie man es von Jamie Oliver kennt,<br />
schert er sich nicht lang um Konventionen,<br />
wenn es um die Übernahme von Rezepten<br />
geht. Machbarkeit steht im Mittelpunkt –<br />
und schon das erste Gericht, ein (angeblich)<br />
andalusischer Tomatensalat mit Chorizo,<br />
wird in typischer Oliver-Manier präsentiert:<br />
Der Zubereitungsprozess wird<br />
genau beschrieben, und es gibt Tipps für<br />
Varianten und den Eink<strong>auf</strong> der verwendeten<br />
Produkte.<br />
So geht das weiter, wobei er es schafft,<br />
eine gute Mischung der Rezepte zu erzielen,<br />
aus altbekannten Favoriten vom einschlägigen<br />
Spanier oder Italiener um die Ecke<br />
und weniger bekannten Gerichten. Alles<br />
aber gut nachkochbar auch für weniger geübte<br />
Küchenzauberer, denen er die Angst<br />
vor Unbekanntem nimmt, in<strong>dem</strong> er beispielsweise<br />
die Zubereitung von Risotto<br />
oder einer Tajine ruhig und ausführlich beschreibt,<br />
um dann Möglichkeiten <strong>auf</strong>zuzei-<br />
Lesezeichen<br />
gen, wie man auch mit Küchengeräten, die<br />
Profi -Ansprüchen nicht genügen, ansprechende<br />
Ergebnisse erzielen kann.<br />
Zum Schluss sei eine Kochbuchreihe empfohlen,<br />
die seit fast 25 Jahren beharrlich darum<br />
bemüht ist, die Zusammenhänge zwischen<br />
Essen, Geschichte, Politik und sozialen<br />
Verhältnissen deutlich zu machen:<br />
„Gerichte und ihre Geschichte“ heißt diese<br />
Reihe aus <strong>dem</strong> Verlag Die Werkstatt. Von<br />
Afrika über Indien bis Mexiko oder Holland<br />
ist hier eine Art weltumspannendes kulinarisches<br />
Lexikon entstanden, das mit inzwischen<br />
mehr als 30 Bänden <strong>dem</strong> klassischen<br />
Ideal von „prodesse et delectare“ –„nützlich<br />
und ergötzlich“ – mit Sachverstand und<br />
Akribie recht nahekommt. <br />
1. Klaus W. Peters: Eine kulinarische Entdeckungsreise durch das Wallis. Neuer Umschau Buchverlag,<br />
300 S., 34,90 € (D) • 35,90 € (A) • 52,80 sFr.<br />
2. Hans A. Stechl: Schwaben. Reisen, Erleben und Genießen. Stürtz, 128 S., 19,95 € (D) • 20,60 € (A) • 31,90 sFr.<br />
3. Thomas Deutschle: Die Deutsche Weinstraße. Reich terra magica, 144 S., 29,95 € (D) • 30,80 € (A) • 49,90 sFr.<br />
4. 400 kulinarische Reisen, die Sie nie vergessen werden. Von der Auvergne bis zum Zuckerhut.<br />
National Geographic Deutschland, 280 S., 39,95 € (D) • 41,20 € (A) • 69,90 sFr.<br />
5. Jamie Oliver: Jamie unterwegs. Dorling Kindersley, 360 S., 24,95 € (D) • 25,70 € (A) • 42,90 sFr.<br />
82<br />
© Elena Abramova<br />
buchjournal 2/2011
In mobilen Übersetzungscomputern stecken mittlerweile so viele Inhalte, dass man damit<br />
ein Regalfach füllen könnte. Wir haben für Sie drei Geräte unter die Lupe genommen.<br />
Mobile Sprachhelfer<br />
TEXT: FRANK MAGDANS<br />
Franklin Explorer<br />
EST-7014<br />
Im Unterschied zu anderen<br />
Geräten richtet sich der<br />
Franklin Explorer explizit an Vielreisende,<br />
der Hersteller preist sein Produkt als<br />
„sprechender 14-sprachiger weltweiter Übersetzer“.<br />
Die Palette reicht von Englisch über Spanisch<br />
und Türkisch bis hin zu Russisch, Arabisch und<br />
Japanisch. Nutzer können sowohl einzelne Wörter<br />
übersetzen als auch Beispielsätze <strong>auf</strong>rufen: Welche<br />
Sehenswürdigkeiten gibt es? Ist hier angeln erlaubt?<br />
Können Sie mir Ihre Visitenkarte geben? Die Auswahl<br />
an Redewendungen ist groß, und alle Sätze spuckt<br />
die Software als Tondatei aus. Obwohl bei der<br />
Sprachausgabe die digitale Herkunft mitschwingt,<br />
gibt es an der Soundqualität wenig zu mäkeln.<br />
Einheimische dürften sofort verstehen, was<br />
man ihnen mitteilen möchte. Darüber hinaus<br />
sind <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Gerät auch noch visuelle<br />
Wörterbücher installiert.<br />
Abmessungen: 105 x 77 x 20 mm<br />
Gewicht: 116 g<br />
Preis: 229,90 €<br />
buchjournal 2/2011 83<br />
Quicktionary 2 TS<br />
Prinzipiell ist es<br />
eine gute Idee, Wörter<br />
und Sätze per Lesestift einzuscannen<br />
und zu übersetzen – sofern<br />
man keine Wundermaschine erwartet. Im<br />
Test erkennt der Quicktionary 2TS von Hexaglot<br />
am besten kurze Sätze – doch nur, wenn Nutzer<br />
wie empfohlen den Scankopf gleichmäßig über die<br />
Textpassage oder das einzelne Wort ziehen. Zu<strong>dem</strong><br />
darf das Papier nicht zerknittert sein. Es sind also optimale<br />
Voraussetzungen zu erfüllen, um gute Ergebnisse<br />
zu erzielen. Deshalb muss man den Scanprozess unter<br />
Umständen auch zwei, drei Mal wiederholen. Wenn das<br />
nicht funktioniere, haben Anwender überdies die Option,<br />
Wörter einzeln mit einem Taststift einzugeben. Der<br />
Quicktionary TS verfügt über vier Sprachen (Deutsch,<br />
Englisch, Französisch, Spanisch), über mehr als<br />
300 000 scannbare Wörter pro Wörterbuch sowie<br />
über 36 000 Redewendungen.<br />
Abmessungen: 173 x 40 x 26 mm<br />
Gewicht: 77 g (ohne Batterie)<br />
Preis: 169,90 €<br />
Casio EX-word<br />
EW-G7000C<br />
Der Casio ist das größte,<br />
schwerste und auch teuerste der<br />
drei hier vorgestellten Geräte. Bildschirm<br />
und Tastatur sind größer und komfortabler –<br />
und der Inhalt konkurrenzlos: Der Nutzer kann<br />
zwischen sage und schreibe 21 Nachschlagewerken<br />
wählen, muss sich allerdings <strong>auf</strong> die Sprachen<br />
Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch beschränken,<br />
und die Reisewörterbücher sind leider<br />
nicht vertont. Wer dar<strong>auf</strong> verzichten kann und sich<br />
<strong>auf</strong> der Reise lieber über kulturelle Eigenheiten informieren<br />
möchte, der profi tiert von <strong>dem</strong> Wissen,<br />
über das dieses Gerät verfügt: Neben Dudens<br />
„Deutschem Universalwörterbuch“ und <strong>dem</strong><br />
„Großen Fremdwörterbuch“ ist „Der große<br />
Brockhaus in einem Band“ an Bord.<br />
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spannende Metropolen.<br />
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E ine<br />
SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
Die Globetrotter Lars und Niels<br />
Hoffmann paddelten <strong>auf</strong> der<br />
Donau – und berichteten <strong>dem</strong><br />
Buchjournal darüber aus Lappland.<br />
Leider nur am Handy.<br />
Neun Wochen<br />
unterwegs<br />
TEXT: SABINE SCHMIDT<br />
Haupt- und zwei Reservetelefonnummern<br />
hat der Verleger weitergegeben:<br />
Unter ihnen sollen seine beiden Globetrotter<br />
zu erreichen sein. Die Hauptnummer<br />
funktioniert nicht, die erste<br />
Reservenummer dagegen zum Glück<br />
schon. Aber das verabredete Gespräch<br />
kann noch nicht beginnen. „Ich muss erst<br />
meinen Bruder holen“, sagt Lars Hoffmann.<br />
Zehn Minuten später ist dann Niels<br />
am Telefon. Während der ältere Bruder für<br />
die Fotos zuständig ist, ist es der jüngere<br />
für die Worte. Nicht nur für die geschriebenen,<br />
sondern auch für die gesprochenen.<br />
In welchem Teil der Welt sind die beiden<br />
denn gerade unterwegs? „Wir sind in Lappland,<br />
etwas unterhalb des Polarkreises“,<br />
sagt der Herr über die Worte am Handy.<br />
„Lars trainiert mit seinen Hunden für<br />
Schlittenrennen, und ich bin mit Skiern<br />
unterwegs. Zwischendurch machen wir<br />
gemeinsam Skitouren und durchqueren<br />
Gebiete in Nordskandinavien, in Finnland,<br />
Nordschweden und Nordnorwegen.“<br />
Die beiden 37 und 34 Jahre alten Naturburschen<br />
lieben es, draußen zu sein, ganz<br />
besonders im hohen Norden, in Alaska,<br />
Grönland und Skandinavien, weil es hier<br />
noch große, zusammenhängende Wildnisgebiete<br />
gibt. „Man kann hier <strong>auf</strong> Landschaften<br />
treffen, wie sie vor 100, 1 000, vielleicht<br />
sogar vor 10 000 Jahren waren, ohne<br />
dass der Mensch viele Spuren hinterlassen<br />
hat. Es sind sehr intensive Begegnungen<br />
mit der Natur – man kann hier Weite und<br />
Freiheit erleben, wie es an anderen Orten<br />
nicht möglich ist.“<br />
Die einzelnen Touren dauern meist zwischen<br />
zwei und drei Wochen. Dabei sind die<br />
Brüder immer aus eigener Kraft unterwegs,<br />
mit <strong>dem</strong> Kanu, zu Fuß, mit Skiern. Oft bei<br />
eisigen Temperaturen. Jetzt, Ende Februar,<br />
sind es minus 16 Grad. Die Tage vorher war<br />
es noch kälter: bis zu minus 30 Grad.<br />
Im Sommer 2010 aber zog es die beiden<br />
Brüder einmal weiter südlich: Sie paddelten<br />
mit einem Kanu über die Donau. Vom<br />
Schwarzwald zum Schwarzen Meer, 2 848<br />
Kilometer. Aus diesen Erlebnissen ist ein<br />
Buch entstanden: „Gesichter der Donau“.<br />
Es war Zufall, dass es zu der Tour gekommen<br />
ist. Die beiden Sachsen, die in Wesenberg<br />
an der Mecklenburgischen Seenplatte<br />
leben, wenn sie nicht unterwegs sind, kamen<br />
nach einem Tag <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Wasser mit<br />
einem anderen Kanuten, einem Fernsehregisseur,<br />
am Lagerfeuer ins Gespräch. Ein<br />
paar Tage später, als es Ernst wurde und sie<br />
in einem Büro über Abenteuer diskutierten,<br />
die sie gemeinsam unternehmen<br />
könnten, hatten sie die Idee zu der Donaureise.<br />
„Wir haben uns eine Bedenkzeit von<br />
20 Sekunden genommen – und zugesagt.“<br />
84<br />
buchjournal 2/2011
Vom Schwarzwald bis ans Schwarze Meer:<br />
Lars (links) und Niels Hoffmann entdeckten<br />
die Donau gemeinsam mit Hündin Flicka<br />
Zur Person<br />
Lars Hoffmann, geboren 1974, ist Naturfotograf<br />
und Reisender. Er widmet sich außer<strong>dem</strong> intensiv<br />
<strong>dem</strong> Hundeschlittensport und konnte 2006, 2007,<br />
2009 und 2010 erfolgreich mehrere Rennen in<br />
Schweden und Norwegen bestreiten. Sein Bruder<br />
Niels Hoffmann, geboren 1977, ist Diplom-Ingenieur<br />
für Forstwirtschaft und Umweltmanagement<br />
und seit 2009 als freiberufl icher Autor tätig.<br />
Im Mai ging es dann los. Die beiden Brüder<br />
setzten sich zusammen mit Lars Hoffmanns<br />
Hündin Flicka ins Kanu und paddelten<br />
die Donau entlang. Begleitet wurden sie<br />
von einem Kamerateam, das einen Sechsteiler<br />
für das ZDF und für 3sat drehte (gesendet<br />
wurde die Serie Ende 2010, wiederholt wird<br />
sie vom 11. bis 16. Juli 2011 <strong>auf</strong> 3sat, jeweils<br />
um 19.30 Uhr). Drei Wochen waren sie unterwegs,<br />
mit Zelten, Schlafsäcken, Kameraausrüstung<br />
und Proviant, meist zu Wasser,<br />
manchmal aber auch zu Land. Wenn die Donau<br />
nicht zugänglich war für Kanus,<br />
packten die Brüder auch schon mal alles <strong>auf</strong><br />
einen Anhänger und schoben es über Stock<br />
und Stein.<br />
Weil Fernsehen <strong>auf</strong>wendig ist, sie nur<br />
begrenzt Zeit hatten und mit <strong>dem</strong> Kamerateam<br />
nicht die ganze Donau befahren<br />
konnten, brachen sie nach ihrer Rückkehr<br />
gleich noch einmal <strong>auf</strong>. Dieses Mal waren<br />
sie neun Wochen unterwegs, und dieses<br />
Mal paddelten sie die ganze Strecke. Gemeinsam<br />
mit Hündin Flicka, Niels Hoffmanns<br />
Hund Mole und Malin, einer Freundin<br />
der beiden Brüder aus Schweden. Drei<br />
Menschen, zwei Hunde und zwei Kanus.<br />
buchjournal 2/2011 85<br />
© Lars und Niels Hoffmann<br />
Geplant waren Anfang und Ende. Wo<br />
und wann sie anlegten und wie lange sie<br />
blieben, überließen sie dagegen <strong>dem</strong> Zufall,<br />
immer <strong>auf</strong> der Suche nach Begegnungen<br />
mit Landschaften und Menschen<br />
– nach ihren Gesichtern der Donau. Zwischen<br />
20 und 85 Kilometer am Tag waren<br />
sie stromabwärts unterwegs, oder aber sie<br />
blieben auch mal einen Tag an Land.<br />
Lars fotografi erte, Niels schrieb die Geschichten<br />
der Begegnungen <strong>auf</strong>, so, wie sie<br />
das immer bei ihren Touren machen. Für<br />
Vorträge, Bildausstellungen und Reportagen,<br />
mit denen die beiden ihr Leben und<br />
ihre Reisen fi nanzieren. Und eben auch für<br />
den Bildband über die Donaureise, der in<br />
großformatigen Fotos und in Geschichten<br />
von den Begegnungen <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Wasserl<strong>auf</strong><br />
und an ihm erzählt. Und von <strong>dem</strong>, was für<br />
die Brüder an ihm so besonders ist.<br />
„Die Donau ist ein spannender Fluss, weil<br />
er sehr viel Unterschiedliches miteinander<br />
verbindet“, sagt Niels Hoffmann. „Man paddelt<br />
los, der Fluss bleibt immer der gleiche,<br />
aber die Landschaften und Leute, die Orte,<br />
die Kulturen und die Infrastrukturen ändern<br />
sich. Es wird immer wilder, immer ruhiger<br />
und immer weiter. Dann kommt man<br />
ans Meer – und das Naturerlebnis ist gerade<br />
am Ende überwältigend.“<br />
Das Buch, in das die zwei Donaureisen der<br />
Hoffmann-Brüder gemündet sind, macht<br />
Lust dar<strong>auf</strong>, in Ruhe unterwegs zu sein und<br />
nicht alles zu planen, sondern offen zu sein<br />
für das, was einem begeg<strong>net</strong>. Oder aber es<br />
sich zu Hause gemütlich zu machen und<br />
lesend mit ihnen loszuziehen. Nach Österreich<br />
und Ungarn, Kroatien und Serbien,<br />
Bulgarien und Rumänien. An Städten vorbei,<br />
die sich mit Mauern gegen das Wasser<br />
ebenso wie gegen Kanuten abschotten. Vor<br />
allem aber vorbei an schönen, einladenden<br />
Landschaften, wo man gastfreundlichen<br />
Menschen begeg<strong>net</strong> – bis die Donau nach<br />
2 848 Kilometern tatsächlich im Meer <strong>auf</strong>geht.<br />
<br />
Lesezeichen<br />
Lars und Niels Hoffmann:<br />
Gesichter der Donau. Ein<br />
Fotograf und ein Autor im<br />
Kanu zum Schwarzen Meer?<br />
Edition Morizaner, 200 S.,<br />
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Ägypten, Argentinien,<br />
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Jeder Band ca. 224 Seiten<br />
Ab 9.90 / sFr. 15.90<br />
Unionsverlag<br />
www.unionsverlag.com
© Gorfer Volle<br />
SCHWERPUNKT REISE UND SPRACHEN<br />
Es kann, muss aber nicht gleich um die ganze Welt gehen: Fahrradbücher sind gute Ratgeber bei richtig<br />
langen Touren ebenso wie bei Ausflügen in die Nachbarschaft. Und sie geben Tipps, wie es leichter geht.<br />
Muskelkraft voraus<br />
TEXT: DAGMAR WOLF<br />
E twa<br />
440 000 Kilometer hat der Rad-<br />
Abenteurer Tilmann Waldthaler in den<br />
vergangenen 32 Jahren zurückgelegt, macht<br />
13 750 Kilometer pro Jahr. Ausschließlich <strong>auf</strong><br />
<strong>dem</strong> Fahrrad! Das ist nur etwas weniger, als<br />
ein Durchschnittsdeutscher in derselben<br />
Zeit mit <strong>dem</strong> Auto fährt. Mit <strong>dem</strong> Fahrrad<br />
kommt Otto Normalverbraucher jährlich allerdings<br />
nur <strong>auf</strong> rund 1 500 Kilometer. Dabei<br />
gibt es in Deutschland fast doppelt so viele<br />
Drahtesel wie Autos und fast so viele Fahrräder<br />
wie Einwohner: 69 Millionen.<br />
Dennoch steht Deutschland in Sachen<br />
Strampellust gar nicht übel da. Auch wenn<br />
es mit Radnationen wie den Niederlanden<br />
nicht mithalten kann. In Amsterdam macht<br />
der Anteil der Fahrräder am Gesamtverkehr<br />
bis zu 50 Prozent aus. Hierzulande ist Freiburg<br />
mit 26 Prozent am Verkehrsanteil<br />
schon spitze; insgesamt<br />
liegt er bei zwölf Prozent.<br />
Ob sportlich<br />
oder gemütlich:<br />
Radfahren macht<br />
Spaß und tut gut<br />
Aber, so haben Umfragen ergeben, immerhin<br />
14 Prozent der Bundesbürger nutzen ihren<br />
Drahtesel fast täglich.<br />
Auch im Urlaub ist das Rad ein beliebtes<br />
Fortbewegungsmittel. 15,6 Millionen Deutsche<br />
haben laut Trendscope-Marktstudie<br />
2010 bereits einen Radurlaub mit mindestens<br />
einer Übernachtung unternommen.<br />
5,6 Millionen Deutsche sind im Urlaub sogar<br />
regelmäßig per pedale unterwegs.<br />
Und wo wird geradelt? „Da, wo es schön<br />
ist“, sagt Uta Voigt. Meist in Deutschland.<br />
Immerhin gibt es hier ein touristisches Radwege<strong>net</strong>z<br />
von rund 75 900 Kilometern. Die<br />
70-jährige Detmolderin unternimmt regelmäßig<br />
Radtouren, ob als Tagestrip von zu<br />
Hause aus oder auch über mehrere<br />
Tage. Im vergangenen Sommer<br />
war sie mit ihrem Mann<br />
knapp zwei Wochen unterwegs,<br />
von Kassel bis Bad Wiessee.<br />
„Weil mir aber 80 bis 100 Kilometer<br />
am Tag zu viel waren und<br />
ich am Berg oft schieben musste,<br />
bin ich morgens mit unserem Bus<br />
vorausgefahren, dann meinem<br />
Mann entgegen und schließlich sind wir zusammen<br />
bis zum Campingplatz geradelt.“<br />
Das wird in diesem Jahr anders sein. Diesmal<br />
nämlich wird Uta Voigt <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> E-Bike,<br />
<strong>dem</strong> Elektrorad, unterwegs und entsprechend<br />
mobiler sein – und dann muss ihr<br />
Mann mal morgens erst ans Steuer und seiner<br />
Frau dann entgegenkommen.<br />
E-Bikes machen das Radeln einfacher.<br />
Aber auch Gewichtstuning bringt einiges.<br />
Wo sich überall sparen lässt – angefangen<br />
vom Reifen über Lenker und Sattel bis hin<br />
zu Kleidung und Campingausstattung –<br />
hat Roland Schmellenkamp detailliert in<br />
seinem Ratgeber „Fahrradfahren ultraleicht“<br />
zusammengestellt.<br />
Die meisten „Radwanderer“, also Radtouristen,<br />
die von einem Ort zum nächsten fahren,<br />
brauchen allerdings weder Zelt noch<br />
Schlafsack. Sie bevorzugen Pensionen. „Regio-Radler“<br />
unternehmen von einem festen<br />
Standpunkt aus – meist einer Ferienwoh-<br />
86 buchjournal 2/2011
nung – Tagestouren in die Umgebung. Und<br />
die „Urlaubsradler“, die in den Ferien neben<br />
anderen Freizeitaktivitäten auch mal radeln,<br />
fi ndet man sowohl <strong>auf</strong> Campingplätzen<br />
als auch in Pensionen oder Hotels.<br />
Insgesamt ist der Radtourismus ein bedeutender<br />
Wirtschaftsfaktor in Deutschland.<br />
Davon profi tieren besonders Bayern,<br />
»5,6 Millionen<br />
Deutsche fahren im<br />
Urlaub regelmäßig<br />
mit <strong>dem</strong> Rad«<br />
Franken und Mecklenburg-Vorpommern,<br />
die mit Abstand beliebtesten Radreiseregionen<br />
hierzulande. Die meistbefahrenen<br />
Radfernwege sind der Elbe- und der Mainradweg.<br />
Und der Donauradweg, der von<br />
Passau bis nach Wien führt. Wer dort angekommen<br />
ist, sollte sich ein paar Tage Zeit<br />
nehmen, um Österreichs Hauptstadt zu<br />
ent decken. Anregungen für Entdeckungstouren<br />
per Rad fi nden sich in <strong>dem</strong> Buch<br />
„Ausgenommen Radfahrer. Auf zwei Rädern<br />
durch den Wiener Großstadtdschungel“.<br />
Der „Großstadtdschungel“ wäre sicherlich<br />
etwas für Timo Schneider. Der 42-Jährige,<br />
der in seiner Freizeit Mountainbike<br />
fährt, liebt beim Radeln den Kick: „Ein bisschen<br />
fühle ich mich <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Rad wie ein<br />
Lesezeichen<br />
8,90 € (D) • 9,20 € (A) • 13,90 sFr.<br />
Historische Mo-<br />
2. Uwe Mauch: Ausgenommen Radfahrer. Auf zwei Rädern durch den mente Wiener (von Großstadtdschungel. links): Metroverlag,<br />
96 S., 14,90 € (D / A) • 23,50 sFr.<br />
Das Bild der Trüm-<br />
3. Steve Razzetti u. a.: Traumtouren mit <strong>dem</strong> Fahrrad. Die schönsten merfrauen und abenteuerlichsten hat Routen der Welt. Delius<br />
Klasing, 192 S., 29,90 € (D) • 30,80 € (A) • 49,90 sFr.<br />
sich ins Bewusst-<br />
4. Michael Moll: Baltikum per Rad. Litauen – Lettland – Estland. W. Kettler, sein320<br />
S., 14,80 € (D) • 15,30 € (A) •<br />
23,50 sFr.<br />
5. Udo Wallraf: Mit <strong>dem</strong> Fahrrad zu Klöstern, Kirchen und Kapellen. Die 12 schönsten Radtouren im Erzbistum<br />
Köln. J. P. Bachem, 128 S., 14,95 € (D) • 15,40 € (A) • 23,50 sFr.<br />
buchjournal 2/2011 87<br />
Cowboy – den Sattel unterm Hintern, den<br />
Wind um die Nase. Das ist echtes Abenteuer“,<br />
sagt er. Anregungen für seine Touren<br />
könnte er sich beim Blättern durch den<br />
Band „Traumtouren mit <strong>dem</strong> Fahrrad“ holen.<br />
Mehr als tolle Appetitmacher sind diese<br />
Reiseberichte von allen fünf Kontinenten<br />
allerdings nicht – für Ausführlicheres ist<br />
<strong>auf</strong> knapp 200 Seiten kein Platz.<br />
Jede Menge Informationen zu Touren, Sehenswürdigkeiten<br />
und Unterkünften bietet<br />
hingegen das Büchlein „Baltikum per Rad“<br />
aus der Reihe der Cyclos-Fahrrad-Reiseführer.<br />
Dafür ist es sehr nüchtern und nur<br />
schwarz-weiß gestaltet. Wer diese radtouristisch<br />
eher wenig erschlossene Region im<br />
Nordosten Europas erkunden will, wird <strong>auf</strong><br />
den 320 Seiten aber viel Nützliches fi nden.<br />
Gute Karten braucht man natürlich auch.<br />
Der Maßstab 1 : 50 000 wird in der Regel ausreichend<br />
sein. „Außer<strong>dem</strong> würde ich nie<br />
mehr <strong>auf</strong> GPS verzichten wollen“, sagt Timo<br />
Schneider. Mit diesem Navigationssystem<br />
lassen sich Touren detailliert planen und<br />
dann nachfahren. Für etliche Strecken fi nden<br />
sich im Inter<strong>net</strong> fertige GPS-Daten, die<br />
man sich herunterladen kann. Auch der<br />
Bachem Verlag bietet diesen Service an,<br />
etwa begleitend zum neuen Ratgeber „Mit<br />
<strong>dem</strong> Fahrrad zu Klöstern, Kirchen und Kapellen.<br />
Die 12 schönsten Radtouren im Erzbistum<br />
Köln“. Zu entdecken gibt es eben<br />
überall etwas, selbst – oder vor allem – abseits<br />
bekannter Radregionen. <br />
1. Roland Schmellenkamp: Fahrradfahren ultraleicht. Material, Ausrüstung, Ergonomie. Conrad Stein Verlag, 128 S.,<br />
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© David Howells / Corbis<br />
© Gabriella Meros<br />
Bücherköpfe<br />
Monica Seles<br />
Zurück ins Leben gespielt:<br />
Ex-Tennisstar Monica Seles<br />
Kein Name ist so legendär mit lautem Stöhnen<br />
verbunden wie ihrer: Monica Seles. Mit beidhändigem<br />
Powerspiel ächzte sie jeden Ball übers<br />
Netz. Wurde mit 16 jüngste French-Open-Gewinnerin<br />
aller Zeiten, stürzte Steffi Graf als Weltranglistenerste<br />
vom Tennis-Thron. Bis der psychisch<br />
kranke Günter Parche die Serbin beim Tennisturnier<br />
in Hamburg 1993 mit einem Messer verletzte.<br />
So weit ist die Geschichte der Monica Seles bekannt.<br />
Die Depressionen, Ängste, der Krebstod<br />
des Vaters, mit <strong>dem</strong> sie nicht fertigwurde, blieben<br />
indes Andeutung. Zum Erfolg erzogen, kompensierte<br />
die junge Frau seelische Tiefs mit Fressattacken,<br />
die jeden Comeback-Versuch zunichtemachten.<br />
Sie hat ein hartes Match zurück ins Leben<br />
gespielt und alles <strong>auf</strong>geschrieben: „Immer<br />
wieder <strong>auf</strong>stehen“ (Pendo). Satz und Sieg. <br />
Veronika Ferres<br />
TEXT: ANITA STRECKER<br />
Sie ist das Superweib.<br />
Nicht nur weil ihr mit<br />
<strong>dem</strong> gleichnamigen Film<br />
von Sönke Wortmann<br />
Engagiert sich für<br />
1996 der Durchbruch gelang<br />
oder ihr Äußeres<br />
den Titel nahelegt. Der<br />
darf bei Veronika Ferres<br />
Kinder in Not: auch kämpferisch inter-<br />
Veronika Ferres pretiert werden. Der Weg<br />
der Tochter eines Kohlenhändlers<br />
aus Solingen war kein Durchmarsch<br />
nach oben. Aber sie hat es geschafft, auch<br />
wenn sie mit ihrer jüngsten <strong>Liebe</strong>, <strong>dem</strong> Gründer<br />
der umstrittenen AWD-Finanzberatung Carsten<br />
Maschmeyer, Schlagzeilen liefert. Doch Ferres<br />
glaubt an das Gute, engagiert sich für misshandelte<br />
Kinder und schreibt darüber, in ihrem neuen<br />
Buch „Kinder sind unser Leben“ (Droemer<br />
Knaur). <br />
© Carin Verbruggen<br />
Heleen van Royen<br />
Sie nennt sich eine Neofeministin, die zeitgenössische<br />
Version von Anja Meulenbelt, der Alice<br />
Schwarzer der Niederlande. Wenngleich die<br />
Mittel, die Heleen van Royen einsetzt, bisweilen<br />
verwundern. Die 46-Jährige, die mit ihren<br />
Reizen nicht hinterm Berg halten muss, poste<br />
mit ihrem Mann schon für den „Playboy“ und<br />
schreibt einen rotzfrech-provokanten Bestseller<br />
über Sex, Erotik, <strong>Liebe</strong> und Hausfrauendasein<br />
nach <strong>dem</strong> anderen. Ihr Debüt „Die glückliche<br />
Hausfrau“ wurde fürs Kino verfi lmt. Tabus waren<br />
gestern. Die studierte Journalistin und Mutter<br />
zweier Kinder nimmt kein Blatt vor den<br />
Mund, hat es auch als Kolumnistin nie getan<br />
Wolfgang Niedecken<br />
Et Levve ess en Autobahn. Natürlich versteht das<br />
jeder. Dank ihm ist Kölsch nicht mehr Babylon:<br />
Wolfgang Niedecken. Kopf der Kölner Rockband<br />
BAP. 60 ist er gerade geworden, auch wenn das<br />
niemand glauben mag. Andererseits: Das, was<br />
den Sohn eines Kolonialwarenhändlers alles umgetrieben<br />
hat, braucht so viel Zeit. Internatsschule,<br />
„uss dämm Jung muss ens jet Besseres weede“,<br />
Entdeckung des Rock ’n’ Roll, Schulbands,<br />
Kunststudium mit Aufenthalt in New York und die<br />
Suche nach <strong>dem</strong> Weg zwischen bildender Kunst<br />
und Musik. Jraduss ging nichts, aber die Musik hat<br />
gesiegt. Wolfgang Niedecken hat den Rock ’n’ Roll<br />
ins Kölsche übersetzt, hat Höhenfl üge, Rückschläge,<br />
politisches Engagement in Lieder gepackt. Hat<br />
mit BAP als Vorgruppe der Rolling Stones <strong>auf</strong> der<br />
© Tina Niedecken<br />
und brachte mit ihren Enthüllungen<br />
2004 gar den Amsterdamer<br />
Stadtrat Rob Oudkerk<br />
zu Fall, als sie seine Vorliebe<br />
für Pornoseiten im Inter<strong>net</strong> und Besuche <strong>auf</strong><br />
<strong>dem</strong> Straßenstrich lustvoll enthüllte. Der linke<br />
Lokalpolitiker hatte vor der schönen Heleen van<br />
Royen damit geprahlt. Wer fremdgeht, wird bestraft<br />
– darum geht es auch in ihrem jüngsten<br />
Roman „Testkörper“. Natürlich bestsellerverdächtig.<br />
<br />
^ Heleen van Royen: „Testkörper“. Übersetzt von<br />
Kristina Kreuzer. Krüger, 178 S., 14,95 € (D) •<br />
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Bühne gestanden, mit Bruce Springsteen ge -<br />
s pielt, vier Kinder großgezogen, hat Afrika bereist<br />
und sich eingemischt. Er engagiert sich für Kindersoldaten<br />
in Uganda, kämpft gegen Rassismus.<br />
„Für ’ne Moment“ (Hoffmann und Campe). So<br />
heißt seine Autobiografi e. Eine Moment<strong>auf</strong>nahme,<br />
es geht ja weiter. <br />
Jraduss ging bei ihm nichts: Wolfgang Niedecken<br />
88<br />
Frech, freizügig,<br />
bestsellerverdächtig:<br />
Heleen van Royen<br />
buchjournal 2/2011
uchjournal 2/2011 89<br />
11 FRAGEN AN<br />
Dieter Nuhr<br />
Beatles oder Beethoven? Gibt’s auch was für Jungsenioren?<br />
Ich nehme die Beatles …<br />
Obere oder untere Brötchenhälfte? Die, wo was dr<strong>auf</strong> ist.<br />
Brief oder E-Mail? Mail ist erheblich praktischer. Bei der<br />
Kommunikation mit den Stadtwerken verzichte ich gern <strong>auf</strong> Romantik.<br />
Schokolade oder Popcorn? Tagliatelle. Oder<br />
asiatisch. Mit viel Chili.<br />
Rot oder ...? Ich dachte, die Frage hätte sich mit <strong>dem</strong><br />
Mauerfall erledigt.<br />
Italien oder Alaska? Italien!!!! Alaska gern für ein paar Tage,<br />
wenn Frau Palin nicht zu Hause ist.<br />
Tanzen oder Gläserschwenken? Guter Wein schwappt<br />
über beim Tanzen. Nach einer Flasche schwankt aber nicht nur das<br />
Glas. Deshalb bin ich da vorsichtig.<br />
Hund oder Katze? Gern Rind. Medium.<br />
Früh<strong>auf</strong>steher oder Langschläfer? Schlafen<br />
ist eine meiner hervorstechenden Fähigkeiten. Das übe ich<br />
täglich. Ausgiebig. So wird man 120.<br />
Kafka oder Stephen King? Haruki Murakami.<br />
Morgen oder übermorgen? Wie’s grad kommt. Nuhr die Ruhe.<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.<br />
Redaktionsleiter<br />
Eckart Baier, e.baier@buchjournal.de ......................................................-373<br />
Redakteurin<br />
Dr. Sabine Schmidt, s.schmidt@buchjournal.de ...................................... -278<br />
Grafi k<br />
Denis Stanisic, d.stanisic@mvb-online.de ...............................................-398<br />
Schlussredakteurin<br />
Dr. Andrea Rinnert, a.rinnert@mvb-online.de<br />
Redaktionsservice<br />
Yvonne Messer, y.messer@mvb-online.de ..............................................-468<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Nicola Bardola, Ulrich Baron (ub), Elisabeth Böker (bök), Christina Busse,<br />
Meike Dannenberg (dan), Holger Ehling, Tobias Gohlis, Elisabeth Grün (eg),<br />
Stefan Hauck, Verena Hoenig, Nils Kahlefendt, Alexander Kluy (ky), Frank<br />
Magdans, Regine Meyer-Arlt, Ronald Meyer-Arlt (rma), Brigitte Preissler,<br />
Ulrich Rüdenauer, Hanna Schindehütte (hs), Wolfgang Schneider (wos),<br />
Christoph Schröder (cs), Margarete von Schwarzkopf, Cordula Stratmann,<br />
Anita Strecker (ana), Sebastian Tonner, Alice Werner (aw), Hendrik Werner<br />
(hw), Dagmar Wolf<br />
Verlag<br />
MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH<br />
Geschäftsführer: Ronald Schild<br />
Verlagsleiter: Dr. Torsten Casimir<br />
Anschrift des Verlags und der Redaktion<br />
Großer Hirschgraben 17 – 21, 60311 Frankfurt am Main<br />
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Sie wählen 069 / 1306 und dann die angegebene Durchwahl<br />
GANZ ODER GAR NICHT<br />
^ Dieter Nuhr wurde am 29. Oktober 1960 in Wesel<br />
geboren. Eigentlich ist er Kunst- und Geschichtslehrer.<br />
1992 begann er mit ersten Solo<strong>auf</strong>tritten. 2010 wurde er<br />
zum dritten Mal mit <strong>dem</strong> Deutschen<br />
Comedypreis als bester Komiker<br />
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und strafbar, soweit sich aus <strong>dem</strong> Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt.<br />
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Deutschland geltenden gebundenen Ladenpreise. Preisangaben deutscher<br />
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Preisbindungsgesetz. Preisangaben in Schweizer Franken sind<br />
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Das Buchjournal erscheint sechsmal im Jahr und ist in etwa 2500<br />
Buchhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erhältlich.<br />
Das Buchjournal ist Mitglied der Informationsgemeinschaft<br />
zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW).<br />
© Die Kulturagenten
Ratelust<br />
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Schnittblumen<br />
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Initialen<br />
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vormals<br />
Stadt<br />
an der<br />
Bode<br />
französischer<br />
unbest.<br />
Artikel<br />
schmal<br />
7<br />
8<br />
dt. Schauspielerin(Veronika...)<br />
ökonomischlohnenswert<br />
österreichischer<br />
Autor<br />
(Arno ...)<br />
deutsche<br />
Vorsilbe<br />
Mitlaut<br />
Pädagogin<br />
englischeSchulstadt<br />
dt.<br />
Rockmusiker<br />
Wahlzettelbehälter<br />
US-<br />
Thrillerautorin<br />
(Kathy ...)<br />
it. Autor<br />
Mitlaut<br />
Laute<br />
von<br />
Hunden<br />
offiziellerWiderruf<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9<br />
6<br />
5<br />
et<br />
cetera<br />
(Abk.)<br />
Feuersbrunst<br />
englisch:<br />
bei<br />
4<br />
3<br />
ital. Abschiedsgruß<br />
Kinderkrankheit<br />
westbritischeHalbinsel<br />
hin<br />
und ...<br />
Satz<br />
Toilette<br />
(Abk.)<br />
1<br />
norwegischeHauptstadt<br />
US-<br />
Romanautor<br />
dunkles<br />
englisches<br />
Bier<br />
Nachtlager<br />
im<br />
Freien<br />
Brause<br />
starker<br />
Zweig<br />
Symbol<br />
des<br />
Judentums<br />
Obergrenze<br />
Abk.:<br />
Beiname<br />
bestimmter<br />
Artikel<br />
(4. Fall)<br />
90<br />
Mutter<br />
der Nibelungenkönige<br />
2<br />
höchster<br />
Berg im<br />
Kaukasus<br />
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und Bestätigung,<br />
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hauptberuflich Geld,<br />
● schaffen Sie sich einen schönen<br />
Ausgleich zum Alltag.<br />
Mit der Schule des Schreibens eignen Sie<br />
sich das „Handwerk“ eines Autors an.<br />
Sie machen mehr aus Ihrer <strong>Liebe</strong> zum Schreiben<br />
und zur Literatur. Mit <strong>dem</strong> richtigen Handwerkszeug<br />
können Sie Ihre Ideen in Worte fassen, die gedruckt<br />
und gelesen, gesendet und gehört werden.<br />
Beginnen Sie deshalb jetzt. Lernen Sie –<br />
zu Hause, in Ihrer Freizeit – die Kunst und<br />
Technik des Schreibens.<br />
Über 40 Jahre in der Vermittlung der kreativen<br />
Techniken des Schreibens per Fernunterricht haben<br />
uns immer wieder bestätigt: Wer den Wunsch hat zu<br />
schreiben, besitzt auch die Fähigkeit, um erfolgreich<br />
zu schreiben. Warten Sie also nicht <strong>auf</strong> die große<br />
Inspiration – fangen Sie einfach an!<br />
Die meisten Autoren werden „gemacht“.<br />
Unser tägliches „Lesefutter“ kommt in der Regel von<br />
guten, aber unbekannten Autoren. Diese Menschen<br />
haben ihren Wunsch vom Schreiben verwirklicht:<br />
Sie haben das Schreiben gründlich und von der Pike<br />
<strong>auf</strong> gelernt. In sorgfältiger Arbeit _ und mit einer<br />
systematischen Ausbildung. Schreiben ist nicht das<br />
Privileg weniger Auserwählter, sondern erlernbares<br />
Handwerk, und das kann Ihnen die Schule des<br />
Schreibens vermitteln.<br />
Lesen Sie diesen Brief<br />
bitte nur, wenn Sie<br />
das Gratis-Angebot<br />
nicht annehmen wollen!<br />
<strong>Liebe</strong> Buchjournal-Leserin,<br />
lieber Buchjournal-Leser,<br />
Corinna Luerweg<br />
Lektorat der Schule des<br />
Schreibens<br />
als Lektorin der Schule des Schreibens bin ich etwas<br />
überrascht.<br />
Für viele Leser dieser Zeitschrift ist das professionelle<br />
Schreiben – die Schriftstellerei – der große Lebenstraum.<br />
Aber nur erstaunlich wenige fordern dann auch<br />
tatsächlich unser Gratis-Angebot an.<br />
Ich frage mich natürlich – warum? Halten Sie sich etwa<br />
für zu wenig begabt? Fehlt Ihnen der Mut, jetzt aktiv zu<br />
werden? Oder befürchten Sie gar, dass das Gratis-Angebot<br />
für Sie doch nicht kostenlos und unverbindlich ist?<br />
Ich möchte Ihnen noch einmal versichern: Sie erhalten<br />
die Einladung zum kostenlosen Lehrgangs-Test, den<br />
wertvollen „Leitfaden für alle, die gern schreiben“, sowie<br />
die Tipps von Bestseller-Autoren vollkommen gratis<br />
und ohne Verpfl ichtung.<br />
Also, tauchen Sie ein in die Welt des Schreibens.<br />
Lesen Sie zu Hause alle Informationen ganz in Ruhe<br />
durch. Sie brauchen uns nichts zurückzuschicken.<br />
Mit freundlichem Gruß<br />
Ihre<br />
Corinna Luerweg<br />
PS: Ganz neu ist unsere Roman-Werkstatt! Fordern<br />
Sie jetzt mit Ihren Gutschein mehr Infos an!<br />
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Kinder- und Jugendliteratur<br />
JA,<br />
für 4-teiliges GRATIS-Angebot für Buchjournal-Leser ab 18 Jahren<br />
schicken Sie mir bitte das 4-teilige Gratis-Informationspaket<br />
mit Leitfaden, 15 goldenen Regeln und der Einladung, meinen<br />
Wunschlehrgang kostenlos zu testen.<br />
Ich interessiere mich für<br />
❑ Die Große Schule des Schreibens –<br />
eine umfassende Gesamtausbildung<br />
❑ Belletristik<br />
❑ Roman-Werkstatt<br />
Ich möchte schreiben können (Mehrfachnennung möglich)<br />
❑ als Hobby ❑ für meinen jetzigen Beruf<br />
❑ um mich mündlich und schriftlich besser<br />
ausdrücken zu können<br />
❑ für einen Nebenverdienst ❑ um eventuell<br />
eines Tages hauptberuflich als Autor tätig<br />
zu sein.<br />
Vorname Name<br />
Straße/Hausnummer<br />
Postleitzahl/Wohnort<br />
Erinnerungen<br />
Reiseberichte<br />
Krimis<br />
Sachbücher<br />
Romane<br />
<strong>Liebe</strong>sromane<br />
Kurzgeschichten<br />
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möchten Sie erfolgreich<br />
schreiben lernen?<br />
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Die Methode Fernstudium hat sich gerade für<br />
kreativ Schaffende bestens bewährt. Sie lernen<br />
zu Hause, in Ihrer Freizeit, wann immer Sie<br />
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bekannte, erfolgreiche Schriftsteller, Journalisten,<br />
Redakteure, Lektoren und Pädagogen geschrieben<br />
haben.<br />
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❑ Die Große Schule der Belletristik<br />
❑ Kinder- und Jugendliteratur<br />
❑ Schreiben für Sach-<br />
und Fachmedien<br />
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Ihre Begabung, Ihr Können, Ihre Kreativität!<br />
Die Beschäftigung mit Sprache und Literatur steigert<br />
Ihre Ausdrucksfähigkeit, schärft Ihr Stilgefühl, schult<br />
Ihr Denkvermögen, weitet Ihren Horizont ... Ihre<br />
Arbeiten werden anerkannt und vielleicht sogar bewundert,<br />
beruflich wie privat. Welche vergleichbare<br />
Ausbildung könnte Ihnen alle diese Vorteile bieten?<br />
Wenn Sie sich jemals gefragt haben:<br />
„Wie kann ich meine Neigung zum Schreiben<br />
optimal weiterentwickeln und fördern?“ –<br />
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kostenlos und unverbindlich per Post:<br />
● den wertvollen „Leitfaden für alle, die gern<br />
schreiben“<br />
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Regeln für Ihren Erfolg als Autor“<br />
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Schule des Schreibens, Neumann-Reichardt-Str. 27-33,<br />
Postfach 70 01 42, 22001 Hamburg, Abt. PK 43<br />
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Niemand schreibt über<br />
die <strong>Liebe</strong> wie<br />
NICHOLAS SPARKS<br />
448 Seiten · Gebunden mit Schutzumschlag · € 19,99 [D] / € 20,60 [A] / CHF 30,90<br />
(empf. Verk<strong>auf</strong>spreis) · ISBN 978-3-453-26683-4<br />
Leseprobe unter www.heyne.de<br />
Auch als e-Book erhältlich<br />
Niemand im Küstenort Southport<br />
weiß, wer die neue Einwohnerin<br />
Katie ist und woher sie kommt. Sie lebt<br />
komplett zurückgezogen und vermeidet<br />
jeden Kontakt mit anderen. Erst <strong>dem</strong> jungen<br />
Witwer Alex, der zwei kleine Kinder<br />
hat, gelingt es langsam und behutsam,<br />
ihr näherzukommen. Doch Katie hütet ein<br />
dunkles Geheimnis. Wird sie für die <strong>Liebe</strong><br />
alles <strong>auf</strong>s Spiel setzen?<br />
Auch als Hörbuch bei Random House Audio.<br />
Gelesen von Alexander Wussow