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Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt

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DeutscherAnwaltVerein<br />

Aus dem Inhalt<br />

G11041<br />

51. Deutscher Anwaltstag in Berlin<br />

1. bis 3. Juni 2000 – vormerken!<br />

Aufsätze<br />

Das innere Berufsbild der Anwaltschaft (Zuck) 3<br />

Anwaltliche Selbstverwaltung im Wandel<br />

(Hartung) 9<br />

Anwaltsvergütung bei vorzeitiger<br />

Mandatskündigung (Mugler) 19<br />

DAV-Forum „Justizreform – Zivilprozess“,<br />

Programm zum 4./5.2.2000 in Berlin 28<br />

Meinung & Kritik<br />

Zur Ausbildungsreform 32<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

1. Rechtsanwaltsforum Bayern 37<br />

AG Anwaltsnotariat 39<br />

Mitteilungen<br />

Zur Justizreform 45<br />

Rechtsprechung<br />

OLG Dresden: Zeitungswerbung 53<br />

OLG Hamm: Besonders schwieriges Verfahren 56<br />

Rechtsprechung zu PKH 59<br />

1/2000<br />

Januar DeutscherAnwaltVerlag


Im Auftrag des<br />

Deutschen Anwaltvereins<br />

herausgegeben von den<br />

Rechtsanwälten:<br />

Felix Busse<br />

Dr. Michael Kleine-Cosack<br />

Wolfgang Schwackenberg<br />

1 Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte an der Schwelle des dritten<br />

Jahrtausends<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Köln, Präsident des DAV<br />

Aufsätze<br />

3 Das innere Berufsbild: Hürde oder Hilfe für das anwaltliche<br />

Selbstverständnis?<br />

Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart<br />

9 Anwaltliche Selbstverwaltung im Wandel<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach<br />

12 Die Rechtsprechung des Senats für Notarsachen des<br />

Bundesgerichtshofs<br />

Von Vors. Richter am BGH Dr. Eberhard Rinne, Karlsruhe<br />

19 Die Vergütung des Anwalts in Fällen vorzeitiger Kündigung des<br />

Mandats<br />

Von Vors. Richter am LG Fritz Mugler, München<br />

21 Die GmbH als Kooperationsform für die österreichische<br />

Anwaltschaft<br />

Von Wiss. Mitarbeiter Matthias Kilian, Köln<br />

28 DAV-Forum „Justizreform – Zivilprozess“<br />

am 4. und 5. Februar 2000 in Berlin<br />

– vollständiges Programm –<br />

Meinung & Kritik<br />

32 Ausbildungsreform I<br />

Von Rechtsanwalt Frank Daniel Ehrsam, München<br />

Ausbildungsreform II<br />

Von Rechtsanwalt Matthias Görgen, Koblenz<br />

33 Reform der Juristenausbildung<br />

Von Rechtsanwältin Nicole Böcker, Bremen<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Schriftleitung:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Dr. Peter Hamacher<br />

Udo Henke<br />

Rechtsanwälte<br />

Bonn, Adenauerallee 106<br />

Jahrgang 50<br />

Januar 2000<br />

34 Rechnerwettstreit des DAV<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Präsident des DAV<br />

35 Anwaltstag 2000 in Berlin: AdvoJob – DAV veranstaltet erstmals<br />

Personalmesse<br />

Von Rechtsanwalt Andreas Hagenkötter, Berlin<br />

PR-Referat<br />

Von Rechtsanwalt Swen Walentowski, Bonn<br />

37 Anwaltvereine & Landesverbände:<br />

Kurzer Prozeß mit den Rechten der Verbraucher?<br />

1. Rechtsanwaltsforum Bayern in München<br />

Von Rechtsanwältin Rita Schulz-Hillenbrand, Würzburg<br />

Kölner Anwaltverein<br />

38 Deutsche Anwaltauskunft: Auch die außerordentlichen Mitglieder<br />

werden benannt<br />

Von Rechtsanwalt Swen Walentowski, Bonn<br />

39 AG Anwaltsnotariat:<br />

Herbsttagung 1999 in Göttingen<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

AG der Fachanwälte für Arbeitsrecht im DAV:<br />

38. Arbeitstagung in Leipzig<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

b 1/2000<br />

l<br />

40 AG Internationaler Rechtsverkehr:<br />

Mitgliederversammlung am 20. Oktober 1999<br />

– Bericht der Vorsitzenden, Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel,<br />

Frankfurt<br />

42 AG Verkehrsrecht:<br />

Neues über die Internet-Präsentation der Arbeitsgemeinschaft<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann, Erfurt<br />

Fortbildungsarbeit der AG Verkehrsrecht in den neuen<br />

Bundesländern<br />

Von Rechtsanwalt und Notar Dr. Georg Greißinger, Hildesheim<br />

43 Personalien:<br />

Neue Vorsitzende von Anwaltvereinen<br />

Buchhinweis:<br />

– Bauer: Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge pp. (Hamacher)<br />

– Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert: BRAGO Kommentar<br />

14. Aufl. 1999 (Hamacher)<br />

Europa<br />

44 Europa im Überblick<br />

91. Vollversammlung des CCBE in Athen<br />

Von Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />

Mitteilungen<br />

45 Justizreform:<br />

Stellungnahme des Anwaltverbandes Baden-Württemberg<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Peter Kothe, Vors. des Anwaltsverbandes<br />

Baden-Württemberg<br />

48 Freie Mitarbeiter / Scheinselbständigkeit:<br />

Korrektur des Korrekturgesetzes: Neues vom freien Mitarbeiter<br />

Von Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Tübingen<br />

49 Geldwäsche _. Europa: Einbeziehung von Rechtsanwälten in die<br />

Meldepflicht der Geldwäsche-Richtlinie?<br />

51 Haftpflichtfragen: Anwalt 2000<br />

Von Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Allianz Versicherungs-AG, München<br />

Buchhinweis:<br />

– Feuerich/Braun: BRAO 4. Aufl. 1999 (Hamacher)<br />

Rechtsprechung<br />

(Übersicht und Leitsätze siehe Seite II)<br />

53 Berufsrecht<br />

55 Gebührenrecht<br />

58 Beratungshilfe<br />

59 Prozeßkostenhilfe<br />

<strong>64</strong> Impressum<br />

Auf dem Umschlag<br />

Das <strong>Anwaltsblatt</strong> ist auf technisch chlorfreiem Recyclingpapier gedruckt.<br />

DAV-Informationen Seite VI, VIII<br />

DAV-Service Seite XXIV<br />

Internet-Aktuell Seite XVIII


II<br />

Rechtsprechung<br />

Berufsrecht<br />

AnwGH NRW, Beschl. v. 2.10.1998 – 1 ZU 41/98 AGH Hamm<br />

FAO § 3; RAFachBezG § 7 Abs. 2<br />

Eine dreijährige ununterbrochene Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt ist als Voraussetzung<br />

für die Verleihung der Bezeichnung „Fachanwalt für Verwaltungsrecht“ auch<br />

dann maßgeblich, wenn der Antragsteller über 30 Jahre als Verwaltungsbeamter, davon<br />

25 Jahre als städtischer Beigeordneter und Rechtsdezernent tätig war, aber erst zehn<br />

Wochen als Rechtsanwalt zugelassen ist. (LS der Red.) – S. 53<br />

OLG Dresden, Urt. v. 20.4.1999 – 14 U 3257/97<br />

StBerG § 57a; BOStB § 11 Abs. 1; UWG § 1<br />

Die drucktechnische Hervorhebung einer Werbeangabe in der Zeitungsanzeige einer<br />

Steuerberatungsgesellschaft durch eine 6 x 1 cm breitflächige, grüne Unterlegung ist<br />

nicht berufs- und wettbewerbswidrig. – S. 53<br />

BGH, Urt. v. 15.10.1999 – V ZR 50/99<br />

ZPO § 233<br />

Ein Rechtsanwalt ist zwar nicht verpflichtet, die Vollständigkeit der in einem fristwahrenden<br />

Schriftsatz angegebenen Anschrift des Gerichts zu prüfen. Er hat jedoch durch geeignete<br />

organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter die für ein<br />

Gericht bestimmten Sendungen vollständig adressieren. – S. 55<br />

Gebührenrecht<br />

OLG München, Beschl. v. 17.9.1998 – 11 W 2282/98<br />

BRAGO § 15 Abs. 1<br />

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß § 15 Abs. 1 BRAGO dann nicht anzuwenden<br />

ist, wenn das Betragsverfahren nach dem Berufungsverfahren über das Grundurteil<br />

weitergeführt wird (Bestätigung des Beschl. v. 22.10.1993 – 11 W 2422/93 –,<br />

Rpfleger 1994, 272 = JurBüro 1994, 543 = OLGR 1994, 95). – S. 55<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.1998 – 2 (s) Sbd. 5 – 245/98<br />

BRAGO § 99<br />

Es wird nur in der Regel geboten sein, sich der Einschätzung des Vorsitzenden bei der<br />

Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Verfahren um ein „besonders schwieriges“<br />

i. S. v. § 99 BRAGO gehandelt hat, anzuschließen; ist die Einschätzung des Vorsitzenden<br />

nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, kommt ein Anschluß nicht in Betracht. – S. 56<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.1.1999 – ARs 1256/98<br />

BRAGO §§ 99, 97<br />

Der besondere Umfang einer Strafsache mit 1450 Blättern und besonderer Beanspruchung<br />

des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren rechtfertigt keine höhere Pauschvergütung<br />

als die Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren auf 1200 DM. (LS der Red.) – S. 56<br />

KG, Beschl. v. 1.7.1999 – 19 WF 2978/99<br />

BRAGO § 128 Abs. 4, § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 613<br />

Dem Entstehen einer Beweisgebühr auch zur Folgesache elterlicher Sorge steht nicht entgegen,<br />

daß es an einer förmlichen Anordnung fehlt und das Protokoll auch die Durchführung<br />

der Anhörung nicht eindeutig erweist. (LS der Red.) – S. 56<br />

LG Aachen, Beschl. v. 16.9.1998 – 3 T 192/98<br />

BRAGO § 132 Abs. 3, § 24<br />

Die Erledigungsgebühr nach § 152 Abs. 3 BRAGO fällt schon dann an, wenn ein von<br />

dem Rechtsanwalt eingelegter Widerspruch zur Erledigung führt; besondere Bemühungen<br />

um die Erledigung sind nicht erforderlich. (LS des Einsenders) – S. 57<br />

Beratungshilfe<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.1998 – 15 Sbd. 32/98<br />

BeratHG § 4 Abs. 1 S. 1; BRAGO § 133 S. 3<br />

Wechselt der Rechtsuchende nach der Inanspruchnahme von Beratungshilfe seinen Wohnsitz,<br />

so ist bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des AG auf den Wohnsitz des Antragstellers<br />

bei Auftreten des Bedürfnisses der Beratungshilfe abzustellen. (LS der Red.) –<br />

S. 58<br />

OLG München, Beschl. v. 17.2.1998 – 11 WF 1093/97<br />

BRAGO § 132; BerHG § 1<br />

Die Bewilligung von Beratungshilfe für die „Beratung wegen Unterhalt – elterlicher Sorge“<br />

erfaßt auch die Beratung über die Aussichten eines Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe,<br />

erstreckt sich jedoch nicht auf die Vertretung im Bewilligungsverfahren. – S. 58<br />

Prozesskostenhilfe<br />

OLG Dresden, Beschl. v. 22.4.1999 – 8 W 288/99<br />

ZPO §§ 114, 127<br />

Prozeßkostenhilfe für die Vorinstanz kann das Beschwerdegericht der bedürftigen Partei<br />

grundsätzlich nicht (mehr) gewähren, wenn und soweit sie in der Hauptsache – jedenfalls<br />

zwischenzeitlich – rechtskräftig unterlegen ist. – S. 59<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.4.1999 – 7 W 29/99<br />

§§ 114, 254 ZPO<br />

1. Werden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche im Wege der Stufenklage geltend<br />

gemacht, bezieht sich die vorbehaltslose Prozeßkostenbewilligung auf sämtliche Stufen.<br />

2. Dennoch besteht für die Staatskasse nicht die Gefahr, für die Kosten überhöhter Zahlungsanträge<br />

aufkommen zu müssen. Die Prozeßkostenhilfe ist auf den Antrag beschränkt,<br />

der sich aus der Auskunft ergibt. Sofern der Kl mehr fordert, als die Auskunft<br />

ergibt, erstreckt sich die Prozeßkostenhilfe nicht auf die Mehrforderung.<br />

3. Das Gericht kann sich in der ersten Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe vorbehalten,<br />

nach Bezifferung des Klageantrags erneut über die Prozeßkostenhilfe zu entscheiden.<br />

Auch wenn ein solcher Vorbehalt fehlt, kann das Gericht nach der Bezifferung durch Beschluß<br />

klarstellen, wie weit der neue Antrag von der Prozeßkostenhilfebewilligung gedeckt<br />

ist. Dem Kl ist die Möglichkeit einzuräumen, Klarstellung zu schaffen, in dem er<br />

für den bezifferten Antrag erneut Prozeßkostenhilfe beantragt. – S. 59<br />

LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.3.1999 - 16a Ta 119/99<br />

ZPO §§ 114 ff., § 270 Abs. 3<br />

Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter gleichzeitiger Einreichung eines<br />

Entwurfs der Klageschrift und vollständiger Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse des Antragstellers wahrt rückwirkend eine tarifliche Ausschlußfrist,<br />

die die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs verlangt, sofern unverzüglich<br />

nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf<br />

Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die Klage zugestellt wird. – S. 59<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.1999 – 10 WF 26/99<br />

ZPO § 114; GKG § 58 Abs. 2, § 65 Abs. 1<br />

Der Kl erhält im Falle des Obsiegens gegen eine Prozeßkostenhilfepartei die von ihm bereits<br />

gezahlten Gerichtskosten und Vorschüsse von der Staatskasse zurück.<br />

(Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Senatsrechtsprechung – JurBüro 1994, 109 – im<br />

Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 23.6.1999, Az. 1 BvR 984/89) – S. 61<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.1.1998 – 14 w 79/97<br />

ZPO § 116<br />

Der Umstand, daß am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligte nicht bereit<br />

sind, sich an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen, hat nicht zur Folge, daß dem<br />

Konkursverwalter Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist. – S. 61<br />

LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 7.12.1998 – 8 Ta 176/98<br />

ZPO § 119<br />

1. PKH kann i. d. R. rückwirkend nur auf den Zeitpunkt bewilligt werden, in dem der<br />

Antrag mit der Formularerklärung über die pers. und wirtsch. Verhältnisse sowie den<br />

erforderlichen Belegen versehen war.<br />

2. Über diesen Zeitpunkt hinaus kann PKH ausnahmsweise rückwirkend auch auf den<br />

Zeitpunkt einer nur unvollständigen Antragstellung bewilligt werden, wenn das Gericht<br />

hierfür einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.<br />

3. Dies ist in dem durch kurze Fristen und Beschleunigungsgrundsatz geprägten Arbeitsgerichtsverfahren,<br />

in dem ein Großteil der Rechtsstreite bereits in der Güteverhandlung<br />

endet, jedenfalls dann der Fall, wenn in das Protokoll der Güteverhandlung vor Erlass<br />

eines Versäumnisurteils ohne weiteren Hinweis aufgenommen wird, dass der Prozeßbevollmächtigte<br />

des Kl (und Antragstellers) verspreche, die Erklärung über die persönlichen<br />

und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nachzureichen. – S. 62<br />

LG Ulm, Beschl. v. 22.2.1999 – 5 T 29/99<br />

ZPO § 119 Ab. 2, § 121 Abs. 2<br />

Auch nach dem 1.1.1999 ist dem Gläubiger im Wege der Prozeßkostenhilfe für das Verfahren<br />

der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen kein Rechtsanwalt<br />

beizuordnen. (LS des Einsenders) – S. 62<br />

SchlHOLG, Beschl. v. 15.12.1998 – 9 W 194/98<br />

ZPO § 120 Abs. 3 Nr. 2, § 127 Abs. 2 S. 2<br />

Gegen die vorläufige Einstellung der bei Bewilligung der Prozeßkostenhilfe auferlegten<br />

Ratenzahlungen ist eine Beschwerde der Landeskasse statthaft. – S. 63<br />

LG Koblenz, Beschl. v. 28.8.1997 – 6 T 82/97, 6 T 83/97<br />

ZPO § 124, § 122 Abs. 2; GKG § 58<br />

Vor Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung ist auch der Prozeßgegner zu hören,<br />

wenn er durch die Aufhebung die Vergünstigungen der §§ 122 ZPO, 58 II 2 GKG verlieren<br />

kann. – S. <strong>64</strong>


VI<br />

4<br />

In diesem <strong>Heft</strong>:<br />

Lesen Sie in diesem <strong>Heft</strong> aus der<br />

Arbeit des DAV auf Seite 34 bis 43:<br />

DAT 2000: Rednerwettstreit des<br />

DAV; AdvoJob Personalmesse / PR-<br />

Referat / 1. Rechtsanwaltsforum<br />

Bayern / Anwaltverein Köln / AG<br />

Anwaltsnotariat / AG Arbeitsrecht /<br />

AG Internat. Rechtsverkehr / AG<br />

Verkehrsrecht / Personalien<br />

Gebührenrecht in AGS Nr. 1/2000<br />

9 Madert: Die Gebühren des Rechtsanwalts<br />

für die Regulierung von<br />

Verkehrsunfallschäden, 4. Teil<br />

9 OLG Hamm: Pauschvergütung für<br />

bestellte Verteidigerin<br />

9 OLG München: Streitwert und Vergleichswert<br />

bei Hilfsaufrechnung<br />

9 OLG Koblenz: Gerichtskosten bei<br />

mehreren Beschwerdeführern<br />

9 LSG Schleswig-Holstein: Rechtsanwaltsvergütung<br />

– Rechtsweg<br />

9 OLG München: Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs<br />

Veranstaltungen Inland<br />

Institut für Anwaltsrecht an<br />

der Universität zu Köln<br />

Ringvorlesung „Einführung in den<br />

Anwaltsberuf“<br />

Im Rahmen der Ringvorlesung „Einführung<br />

in den Anwaltsberuf“ (dienstags,<br />

17-19 Uhr, HS XXI, Hauptgebäude der<br />

Universität, Albertus-Magnus-Platz) von<br />

Prof. Dr. Martin Henssler, Direktor des<br />

Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht<br />

sowie des Instituts für Anwaltsrecht,<br />

werden im Wintersemester 1999/<br />

2000 ergänzend folgende Vorträge mit<br />

anschließender Diskussion angeboten:<br />

Dipl.-Kfm. Dr. Stefan Krau, Dr. Hermann<br />

J. Knott, LL.M., Dr. Fritjof Börner<br />

„Anwalt im fachübergreifenden und<br />

internationalen Beratungsteam“<br />

Dienstag, 18.1.2000, 17.00 Uhr c.t.,<br />

Neuer Senatssaal<br />

Torsten Schneider (Ass. jur.)<br />

„Fit für den Job – Wie werbe ich für<br />

mich?“<br />

Dienstag, 1.2.2000, 17.00 Uhr c.t.,<br />

Neuer Senatssaal<br />

Prof. Dr. Martin Henssler<br />

„Erste Erfahrungen mit der Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

mbH“<br />

Dienstag, 8.2.2000, 17.00 Uhr c.t., HS<br />

XXI<br />

Die Ringvorlesung wird im Sommersemester<br />

2000 fortgesetzt. Geplant<br />

sind folgende Themen:<br />

9 Qualitätsmanagement in Anwaltskanzleien,<br />

RAin Gabriele Freitag,<br />

Hamburg<br />

9 „Die kleine Sozietät in der Großstadt“,<br />

RAe Koch & Börsch, Köln<br />

9 Berufshaftung und Haftpflichtversicherung<br />

des Rechtsanwalts, RA<br />

Erich Hartmann, Gerling Firmenund<br />

Privat-Service AG, Köln<br />

9 Der Unternehmensanwalt – das Berufsbild<br />

des Syndicus, Dr. Heinrich<br />

Ulmer, Chefsyndicus Audi AG<br />

9 Vertragsgestaltungsfragen beim Unternehmenskauf,<br />

Prof. Dr. Martin<br />

Henssler<br />

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich;<br />

die Teilnahme kostenlos.<br />

Weitere Informationen zu Referenten<br />

und Themen: www.uni-koeln.de/jurfak/instawr/awrframeset.html<br />

(C Veranstaltungen C Ringvorlesung)<br />

oder Telefon: 0221-4 70-5711; Telefax:<br />

0221-470-4918<br />

Deutsche Anwaltakademie<br />

Seminare im Februar 2000<br />

9 Rhetorik und Verhandlungsführung<br />

Sprecherzieherin (DGSS) Hildegard<br />

Klinge, Koblenz<br />

3.–5. Februar 2000 in Koblenz<br />

Seminar: R 22609-00<br />

9 Aktuelles Unterhaltsrecht<br />

Vors. Richter Helmut Borth,<br />

OLG Stuttgart<br />

4. Februar 2000 in Ulm<br />

Seminar: R 11206-00<br />

9 Architektenrecht<br />

RA Dr. Wolfgang Koeble, Reutlingen<br />

Richter Prof. Dr. Reinhold Thode,<br />

BGH Karlsruhe<br />

5. Februar 2000 in Hamburg<br />

Seminar: R 11105-00<br />

9 Internet für Juristen<br />

RA Markus Hage, München<br />

11. Februar 2000 in München<br />

(R 22801-00)<br />

31. März 2000 in München<br />

(R 22802-00)<br />

12. Mai 2000 in München (R 22803)<br />

9 Verteidigung im Steuerstrafrecht<br />

RA Olaf G. von Briel, Düsseldorf<br />

Oberregierungsrat Dr. Dirk Ehlscheid,<br />

Neuwied<br />

12. Februar 2000 in Frankfurt a. M.<br />

Seminar: R 12203-00<br />

9 Pflichtteilsrecht<br />

RA Karl-Ludwig Kerscher,<br />

Germersheim<br />

25. Februar 2000 in München<br />

Seminar: R 11304-00<br />

Anmeldung und Info: Deutsche Anwaltakademie,<br />

Ellerstr. 48, 53119 Bonn,<br />

Tel.:0228/98366-77,Fax:98366-66<br />

AG Verkehrsrecht des DAV<br />

Regionale Veranstaltungen:<br />

Datum/Orte: 19. Februar 2000,<br />

Bad Bramstedt<br />

26. Februar 2000,<br />

Oldenburg<br />

Thema: Der Verdienstausfall im<br />

Schadensersatzrecht –<br />

mit Berechnungsbeispielen<br />

–<br />

Referent: RA Janke,<br />

Leitender Referent<br />

LVM Versicherung<br />

Datum/Ort: 19. Februar 2000,<br />

Neubrandenburg<br />

Thema: Fahrlässigkeitshaftung<br />

und<br />

Gefährdungshaftung –<br />

Typische Probleme des<br />

Haftungsgrundes in der<br />

Praxis –<br />

Referent: RiBGH Dr. Lepa<br />

(Fortsetzung auf Seite VIII)<br />

Im nächsten <strong>Heft</strong> u. a.:<br />

9 Wohnungseigentum in der Krise<br />

9 Prozesstaktik<br />

9 Mediation und Strafrecht


VIII<br />

4<br />

(Fortsetzung von Seite VI)<br />

Datum/Ort: 26. Februar 2000,<br />

Neukirchen (b. Marburg)<br />

Thema: Leasing und Drittfinanzierung<br />

von Kraftfahrzeugen<br />

Referent: RA Dr. Reinking<br />

Datum/Ort. 26. Februar 2000,<br />

Homburg/Saar<br />

Thema: Prozeßtaktik im Haftpflichtprozeß<br />

Referent: RiBGH Römer<br />

Gebühr: 150 DM für Mitglieder<br />

der ARGE und Referendare;<br />

250 DM für Nichtmitglieder<br />

Sonderveranstaltungen:<br />

Datum/Ort: 19./20. Februar 2000,<br />

Aachen<br />

Thema: Verkehrsrecht für junge<br />

Kollegen und<br />

Referendare<br />

Referenten: RA Gebhardt,<br />

RAuN Fleischmann<br />

Gebühr: 250 DM für Rechtsanwälte;<br />

150 DM für Referendare<br />

(Anmeldung s. u.)<br />

AG Strafrecht des DAV<br />

Fortbildungsveranstaltungen:<br />

Datum/Ort: 5. Februar 2000,<br />

Berlin<br />

Thema: Aktuelles Straf- und<br />

Strafprozeßrecht (I)<br />

Referenten: RA Gillmeister,<br />

RA Hiebl<br />

Datum/Ort: 26. Februar 2000,<br />

Hannover<br />

Thema: Revisionsrecht<br />

Referenten: RA Prof. Dr. Schlothauer,<br />

RA Neuhaus<br />

Gebühr: 200 DM für Mitglieder<br />

der ARGE; 300 DM für<br />

Nichtmitglieder<br />

Anmeldungen (bitte schriftlich) und<br />

weitere Informationen:<br />

Arbeitsgemeinschaft Verkehrs- und<br />

Strafrecht, Veranstaltungsorganisation,<br />

Hirschmannstraße 7, 53359 Rheinbach,<br />

Telefon: 0 22 26 / 91 20 91, Fax:<br />

0 22 26 /91 20 95<br />

Veranstaltungen Ausland<br />

Association Internationale des<br />

Jeunes Avocats (AIJA)<br />

und Union Internationale<br />

des Avocats (UIA)<br />

Cross-Border Sub-Contracting<br />

The legal aspects of subcontracting<br />

the production of goods abroad in<br />

the global market<br />

Themen der Veranstaltung:<br />

Die Vorträge werden in englischer und<br />

französischer Sprache ohne Simultanübersetzung<br />

gehalten:<br />

9 A view from the Industry – The<br />

perspective of the contractors – The<br />

perspective of the sub-contractors<br />

9 Introduction to the legal issues<br />

9 Competition law aspects Quality<br />

9<br />

control and product liability<br />

Payment clauses (“if and when),<br />

security clauses, price revision<br />

9 International<br />

methods<br />

dispute resolution<br />

9 Industrial and intellectual property<br />

aspects<br />

9 Labour law aspects<br />

9 Customs law aspects<br />

9 Insolvency law aspects<br />

9 International tax law aspects<br />

9 Industrial sub-contracting in the<br />

Central and Eastern European<br />

countries and in the Asia-Pacific<br />

countries<br />

Zeit und Ort:<br />

11./12. Februar 2000<br />

Florenz<br />

Gebühren:<br />

AIJA/UIA-Mitglieder 30 Euro 4<strong>64</strong>,81<br />

Begleitpersonen<br />

Informationen:<br />

Euro 134,28<br />

Association Internationale des Jeunes<br />

Avocats (AIJA), Avenue Louis Lepoutre<br />

59/20, B-1050 Brüssel, Tel.: +32-<br />

2-347.28.08, Fax: +32-2-347.55.22, E-<br />

Mail:<br />

site:<br />

aija@pophost.eunet.be, Web-<br />

http:// www.aija.org<br />

Centre UIA, 25 rue du Jour, F-75001<br />

Paris, Tel: +33-1-44 88 55 66,<br />

Fax: +33-1-44 88 55 77,<br />

E-Mail: uiacentre@wanadoo.fr,<br />

Website: http://www.uianet.org<br />

AEA – Association Européenné<br />

des Avocats<br />

AEA Tagung Gstaad (Schweiz)<br />

27.-30. Januar 2000<br />

Die AEA Association Européenne des<br />

Avocats – Europäische Rechtsanwaltsvereinigung<br />

– führt in der letzten<br />

Januarwoche in Gstaad eine Tagung<br />

zum Europäischen Wettbewerbsrecht<br />

und zu grenzüberschreitenden Fusionen<br />

unter Mitwirkung der nationalen<br />

Wettbewerbsbehörde der Schweiz<br />

durch. Sprecher sind Fachleute aus der<br />

Europäischen Kommission DG IV, der<br />

schweizerischen Kartellbehörde in<br />

Bern, dem Deutschen Bundeskartellamt,<br />

den nationalen Regulierungsbehörden<br />

sowie anerkannte, in Brüssel<br />

tätige Kartellrechtler. Die beteiligten<br />

Wettbewerbsbehörden werden jeweils<br />

von ihren Präsidenten vertreten. Die<br />

Veranstaltung richtet sich an Rechtsanwälte,<br />

für die im Zuge der Globalisierung<br />

der Märkte die Kenntnis des<br />

europäischen Wettbewerbsrechtes und<br />

der Mechanismen grenzüberschreitender<br />

Fusionen heute mehr und mehr<br />

zum alltäglichen Handwerk wird. Tagungssprachen<br />

sind Englisch und<br />

Deutsch.<br />

Im wettbewerbsrechtlichen Teil wird<br />

besonderes Augenmerk gerichtet auf<br />

die Deregulierung der Energie- und<br />

Telekommärkte. Im zweiten Teil werden<br />

rechtliche und faktische Probleme<br />

grenzüberschreitender Fusionen von<br />

Fachleuten aus der Europäischen<br />

Kommission, den nationalen Behörden<br />

sowie aus der anwaltlichen und bankrechtlichen<br />

Praxis angesprochen.<br />

Den Teilnehmers wird ausreichend Gelegenheit<br />

zum persönlichen Gespräch<br />

und Kennenlernen im gesellschaftlichen<br />

Rahmenprogramm geboten. Tagungshotel<br />

ist das über die Grenzen<br />

hinaus bekannte Palace Hotel Gstaad,<br />

mit dem die Veranstalter angemessene<br />

Konditionen vereinbaren konnten.<br />

Nähere Informationen über Rechtsanwalt<br />

Dr. Philipp Zurkinden, PRAGER<br />

DREIFUSS Rechtsanwälte, Mühlenbachstraße<br />

6, CH-8008 Zürich, Tel.:<br />

0041-1-2545555, Fax: 0041-1-9,<br />

avenue des Gaulois, B-1040 Brüssel,<br />

Tel.: 0032-2-736 85 90, Fax: 0032-2-<br />

736 70 59, Rechtsanwalt Dr. Kurt<br />

G. Weil, BOESEBECK DROSTE<br />

Rechtsanwälte, Berliner Allee 48,<br />

D-40212 Düsseldorf, Tel.: 0049-211-<br />

13 68 0, Fax: 0049-211-32 44 39


Im Auftrag des<br />

Deutschen Anwaltvereins<br />

herausgegeben von den<br />

Rechtsanwälten:<br />

Felix Busse<br />

Dr. Michael Kleine-Cosack<br />

Wolfgang Schwackenberg<br />

Schriftleitung:<br />

Rechtsanwältinnen /Rechtsanwälte an<br />

der Schwelle des dritten Jahrtausends<br />

Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Köln,<br />

Präsident des Deutschen Anwaltvereins<br />

Dr. Peter Hamacher<br />

Udo Henke<br />

Rechtsanwälte<br />

Bonn, Adenauerallee 106<br />

Jahrgang 50<br />

Januar 2000 AQl<br />

Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege,<br />

natürlich weiß ich, dass wir noch nicht an der<br />

Schwelle eben dieses dritten Jahrtausends stehen, dass<br />

nämlich die Art der Jahreszählung uns diesen Tag ein<br />

Jahr vorzieht. Aber da der Tag ein Mythos ist, sind solche<br />

Präzisierungen belanglos. Wir haben tatsächlich das<br />

dritte Jahrtausend betreten. Was soll ich Ihnen sagen,<br />

kurz und wesentlich auf der Seite 1 der Nr. 1 des <strong>Anwaltsblatt</strong>es<br />

2000?<br />

Der Atem der Zeit bleibt kurz. Die Rechtsmittelreform<br />

wird von der Bundesjustizministerin Prof. Dr.<br />

Däubler-Gmelin dringend gefordert. Wir stellen uns den<br />

Themen auf einem groß angelegten Forum Anfang Februar<br />

in Berlin. Damit nicht genug, die Justizministerin<br />

hat bereits die zweite Phase eingeläutet; die Reform des<br />

Strafprozesses liegt uns mit ersten Gutachten vor. Wir<br />

müssen die inzwischen Land für Land eingeführten<br />

zwingenden Streitschlichtungsversuche vor der ersten<br />

Instanz bewältigen. Dazu kommen die Realitäten der<br />

Insolvenzreform. Arbeits-, sozial- und steuerrechtlich<br />

lässt uns die Freie Mitarbeit nicht los. Die Umsetzung<br />

der Niederlassungsrichtlinien bringt uns den ausländischen<br />

Anwalt, die ausländische Anwältin aus den EG-<br />

Ländern als voll berechtigten Kollegen.<br />

Die Reform der Juristenausbildung drängt – oder beginnt<br />

ihr die Luft auszugehen? Das Jurastudium alleine –<br />

ohne postuniversitäre Ausbildung – soll den Volljuristen<br />

hervorbringen, der auf dem Arbeitsmarkt sodann zwar<br />

von jedem Arbeitgeber, sei es Justiz, sei es Verwaltung,<br />

sei es Wirtschaft, handverlesen ausgesucht werden kann,<br />

dem jedoch der Anwaltsmarkt als Rechtsanwältin und<br />

Rechtsanwalt vollständig offen steht. In unmittelbarem<br />

Nachrichten für die Mitglieder<br />

des Deutschen Anwaltvereins e. V.<br />

Schulterschluss fordern dagegen DAV und BRAK nach<br />

der Universität eine leistungskontrollierte Anwaltsausbildung.<br />

Kommt die Ausbildungsreform, haben wir gute<br />

Chancen, diese Forderung umzusetzen. Das Problem<br />

liegt bei den Universitäten. Versagen sich die Universitäten<br />

dem Anspruch der Justizministerinnen und<br />

Justizminister, könnte die Reform auf der Strecke bleiben.<br />

Geschädigt wäre die Anwaltschaft, die weiter Auf-


2<br />

l<br />

fangbecken des schrankenlosen Stroms in das Jurastudium<br />

wäre.<br />

Im Jahr 2000 startet die zweite Periode der Satzungsversammlung.<br />

Das Thema Fachanwaltschaft, das lässt<br />

sich heute voraussehen, wird im Mittelpunkt stehen.<br />

Der Vorstand des DAV hat sich für eine moderate Ausdehnung<br />

ausgesprochen. Zur Zeit diskutieren wir, um<br />

welche Fachanwälte der Katalog erweitert werden soll.<br />

Der DAV wird Farbe bekennen und seinen Einfluss geltend<br />

machen.<br />

Der DAV wird weiter an Stärke zunehmen. Mehr als<br />

die Hälfte der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte<br />

sind im DAV verbunden. Dies ist ein statistisches Faktum.<br />

Reduziert man die Zahl aller Anwälte auf die tatsächlich<br />

als Anwältin oder Anwalt voll Tätigen, so<br />

schätzen wir, dass 70% dieser Anwälte im DAV sind.<br />

Von den neu gewählten Mitgliedern der Satzungsversammlung<br />

sind nur vier Mitglieder nicht Mitglied eines<br />

örtlichen Anwaltvereins des DAV. Wer was darstellt, wer<br />

was auf sich hält, ist Mitglied im DAV. Der Mitgliederzuwachs<br />

ist im Übrigen ungebremst. Die Arbeitsgemeinschaften<br />

sind unser großer Treibriemen.<br />

Der DAV wird den Kreis der Arbeitsgemeinschaften<br />

ausdehnen. 1999 kamen hinzu die Arbeitsgemeinschaften<br />

für Mediation, Medizinrecht, Informationstechnologie<br />

und Sportrecht. Wir haben die Kapazität, weitere Arbeitsgemeinschaften<br />

zu gründen!<br />

Anfang Juni ist der Anwaltstag 2000 in Berlin. Nahezu<br />

alle Arbeitsgemeinschaften beteiligen sich. Es wird<br />

ein breit angelegter „Anwaltsmarkt“. Erstmals präsentieren<br />

wir Jobbörse und Rednerwettstreit.<br />

Im Oktober 2000 wird der DAV nach Berlin in sein<br />

DAV-Haus umziehen. Dies ist nicht nur ein Quantitäts-,<br />

sondern auch ein Qualitätssprung. Wir bekommen ein<br />

Haus, mit dem sich die DAV-Mitglieder identifizieren<br />

können. Die Adresse Littenstraße, die an den Anwaltskollegen<br />

und Strafverteidiger Hans Litten erinnert, der<br />

nicht als Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten,<br />

nicht als bekennender Kommunist, sondern im<br />

existentiellen Einsatz für Anwaltsrechte als Verteidiger,<br />

als Verweigerer, Mandanten zu verraten, in Dachau umkam.<br />

Die Tatsache, dass die Straßenbenennung auf die<br />

DDR zurückgeht und dass Hans Litten in der bundesrepublikanischen<br />

Wirklichkeit zunächst in Vergessenheit<br />

geriet, sind uns Pflicht genug, Versäumtes nachzuholen.<br />

Blicken wir in die Tiefe der kommenden Zeit. Der<br />

Rechtsberatungsmarkt ist ein Nachfragemarkt. Die<br />

Nachfrage nach Rechtsrat ist groß und wächst ständig.<br />

Unsere Gesellschaft ruft in dem Dickicht der Rechtsund<br />

Sozialnormen nach dem Piloten. Dies ist und bleibt<br />

der Anwalt. Das Dickicht wuchert. Der Ruf wird zum<br />

Schrei. Die Anwälte werden die Schwellenberatung besetzen,<br />

die bis heute vielfach von Freunden, Bekannten,<br />

Versicherungen, Banken etc. erfolgt. Diese wird möglicherweise<br />

in neuen Formen, z. B. auch durch in den<br />

Händen von Anwälten betriebenen telefonischen Hotlines,<br />

in Beratungshäusern, in Einkaufsstraßen und Einkaufszentren<br />

geschehen. Die Spitzenberatung wird aus<br />

den Unternehmen und der öffentlichen Hand herausfallen<br />

und in die Kompetenz anwaltlicher Büros gelangen.<br />

Outsourcing von Rechtsberatung wird zur Regel werden.<br />

Weiter werden kleine und auch große Sozitäten fusionieren,<br />

wenn dies der Markt verlangt. Daneben wird es<br />

die hochspezialisierten Einzelpraxen geben, die nur deshalb<br />

außerordentlich erfolgreich sein können, weil sie<br />

sich dem Sog der Fusion erwehren. Daneben wird auch<br />

der Generalist seinen Marktanteil haben. Er ist der Wegweiser<br />

zur Spezialisierung und zur Großkanzlei; er besorgt<br />

den Vertrauenstransfer zwischen Mandant und Einzelfallanwalt.<br />

Was stützt diesen Optimismus? Was haben wir zu<br />

bieten, was andere nicht bieten können? Wir haben die<br />

Rechtskompetenz. Darüber hinaus haben wir die Trias<br />

anwaltlicher Tugenden: Wir garantieren Vertraulichkeit,<br />

Ausschließlichkeit des Eintretens für den Mandanten<br />

und Unabhängigkeit gegenüber Mandanten. Die Antinomie<br />

der Ausschließlichkeit für den Mandanten und<br />

Unabhängigkeit von dem Mandanten ist ein es der wirkungsvollsten<br />

Geheimnisse des Anwaltsberufs. Die<br />

Verschwiegenheit bedarf stärkerer Hervorhebung. Wenn<br />

gestaltete Projekte in die Hand von Dritten als „Projektleiter“<br />

gegeben werden, die Anwälte lediglich zur<br />

Rechtsberatung engagieren, so rückt die Vertraulichkeit<br />

nahezu ins letzte Glied. Wird die Anwaltssozietät zum<br />

Projektleiter, so konzentriert sie auch die Vertraulichkeit<br />

in ihrer Hand. Informationen gehen in die nächsten<br />

Glieder nur, soweit es die Vertraulichkeit erlaubt. Die<br />

nicht aufhaltbare Vertraulichkeit ist ein Qualitätsmerkmal,<br />

das von anderen Berufen abhebt. Allerdings müssen<br />

wir mit diesem Pfund noch kräftig wuchern, und<br />

deshalb darf die Vertraulichkeit auch nicht auf dem Altar<br />

der Verbrechensbekämpfung z. B. durch die europäische<br />

Geldwäscherichtlinie geopfert werden.<br />

Anderswo ist das Selbstbewusstsein des einzigartigen<br />

Wertes anwaltlicher Leistungen kräftiger ausgebildet.<br />

Amerikanische und englische Anwältinnen und Anwälte<br />

drängen in alle nationalen Märkte. Innerhalb Europas<br />

gilt für die Europäer die Niederlassungsfreiheit.<br />

Das übrige „Dienstleistungsdurchdringungs-Recht“ entscheidet<br />

sich in den WTO-Verhandlungen. Wir – die<br />

Europäer und die deutschen Anwälte – haben allen Anlass,<br />

uns ebenfalls die Internationalität zu sichern. Deshalb<br />

ist GATS 2000 für uns wichtig, und zwar auch<br />

nach dem vorläufigen Scheitern in Seattle.<br />

Ich bin sicher: Die Anwaltschaft kann mit aller Kraft,<br />

Optimismus und Freude in das dritte Jahrtausend sehen.<br />

Mit kollegialen Grüßen<br />

Dr. Michael Streck<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze


AnwBl 1/2000 3<br />

Aufsätze l<br />

Das innere Berufsbild: Hürde<br />

oder Hilfe für das anwaltliche<br />

Selbstverständnis? *<br />

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart<br />

1.<br />

Das Berufsbild des Rechtsanwalts wird vom Gesetzgeber<br />

bestimmt, im wesentlichen in den §§ 1–3, 43 ff. BRAO,<br />

aber nicht nur dort. Weil der Berufszugang und die Berufsausübung<br />

insoweit fremdbestimmt werden, könnte man die<br />

Summe dieser Normen das äußere Berufsbild nennen. 1 Dabei<br />

darf man jedoch nicht übersehen, daß dieses normativ<br />

bestimmte Berufsbild von Vorstellungen begleitet wird, die<br />

sich die Beteiligten über die Rolle des Rechtsanwalts machen.<br />

Diese Vorstellungen resultieren in Erwartungshaltungen,<br />

in Vorstellungen darüber, was man von einem guten<br />

Rechtsanwalt zu erwarten hat. Man könnte die Summe dieser<br />

Vorstellungen das innere Berufsbild nennen. Es handelt<br />

sich um ein schwer zu entwirrendes Gemisch von tradierten<br />

Vorgaben, eigenen Interessenlagen, und zusammenfassenden<br />

Schlüssen aus dem berufsrechtlichen Normengeflecht,<br />

der Berufsethik und der Berufspolitik. Das alles bleibt personen-<br />

und gesellschaftsgebunden, und damit, je größer der<br />

zeitliche oder sachliche Abstand des Betrachters ist, sehr<br />

subjektiv, bezieht man es auf die jeweilige Zeit. Es bleibt<br />

aber auch immer deren Spiegelbild und hat insoweit objektiven<br />

Charakter. Das alles ist zunächst Behauptung. Ich will<br />

sie belegen (2) und daraus einige Schlüsse ziehen (3). Ein<br />

Blick in die Zukunft darf nicht fehlen (4).<br />

2.<br />

a) Beginnen wir mit Rudolf Gneist’s 1867 erschienener<br />

einflußreicher Schrift „Freie Advocatur, Die erste Forderung<br />

aller Justizreformen in Preußen“.<br />

Noch heute läßt sich sagen: „Die Advocatur ist vielmehr,<br />

heute wie immer, eine freie Wissenschaft und Kunst, so alt<br />

wie das Richteramt, so edel wie die Tugend, so nothwendig<br />

wie die Gerechtigkeit. Man mag diese Phrase des alten<br />

Kanzlers D’Aguesseu nicht lieben: aber im Wesentlichen<br />

ist sie doch wahr. Man mag den Advocaten mit Mittermaier<br />

bezeichnen als Rathgeber der Parteien, als Rathgeber der<br />

Hülfsbedürftigen, als Vertreter der Bedrängten, als Controlle<br />

der Richter, als ewig wachenden Beschützer der Unterdrückten,<br />

als Dolmetscher der Urtheile, als Gesetzerklärer.<br />

Nie man wird man das Ziel der Advocatur hoch genug stekken,<br />

wenn man tief durchdrungen ist von der Hoheit des<br />

Rechts, als der höchsten Verwirklichung der Staatsidee“ 2 .<br />

Das klingt romantisch überhöht, ein wenig pathetisch<br />

gar, der Anwalt als edler Ritter, und Gneist ist fast ängstlich<br />

bemüht, ihn nicht als das erscheinen zu lassen, was er zu<br />

seiner Zeit wirklich war, nämlich eine traurige Gestalt.<br />

Sollte er vom Zwang der staatlichen Zulassung befreit werden,<br />

so muß man ihn aufs Podest heben, ihm Rang verleihen,<br />

würdig, als freier Mann anerkannt zu werden. Ganz<br />

klar, daß hier das innere Berufsbild von der Berufspolitik<br />

beherrscht wird, im übrigen dachte Gneist konservativ-kon-<br />

ventionell, und so ist denn auch die Berufung auf ihn, unter<br />

Verselbständigung des Schlagworts der „Freien Advokatur“,<br />

soweit es um Inhalte geht, eher ein Mißverständnis.<br />

b) Die RAO von 1878 gibt kein äußeres Berufsbild vor,<br />

sie kennt kein Pathos. Nüchtern heißt es in § 1: „Zur<br />

Rechtsanwaltschaft kann nur zugelassen werden, wer die<br />

Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat“. Damit ist die (weitgehende)<br />

Befreiung des Rechtsanwalts vom Staat ausreichend<br />

gefeiert. Fast ein wenig versteckt, in § 28, findet sich<br />

dann aber doch noch eine Aussage über den Berufs des<br />

Rechtsanwalts: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, seine<br />

Berufsthätigkeit gewissenhaft auszuüben und durch sein<br />

Verhalten in Ausübung des Berufs, sowie außerhalb desselben<br />

sich der Achtung würdig zu zeigen, die sein Beruf erfordert“.<br />

Es ist auffällig, daß die RAO über die Rechtsstellung<br />

des Rechtsanwalts nichts sagt, obwohl es sich dabei<br />

um vieldiskutierte Fragen gehandelt hat. Die Gründe für<br />

die Enthaltsamkeit des Gesetzgebers liegen in der von ihm<br />

vorgefundenen unterschiedlichen Entwicklung der Anwaltschaft.<br />

Nicht nur der nüchterne Stil der Gesetzgebung der<br />

70er Jahre sondern auch das Interesse an einem schnellen<br />

Zustandekommen der RAO erklären die gesetzgeberische<br />

Enthaltsamkeit in den materiellen Grundsatzfragen. Wie<br />

man sich den Rechtsanwalt wirklich vorstellt, zeigt eine<br />

Entscheidung des EGH aus dem Jahr 18833 . Der Sachverhalt<br />

war so:<br />

„Der Angeschuldigte (Landwehroffizier) hat als Vertheidiger<br />

sich mit seinen Anträgen wiederholt zwischen Beschlüsse<br />

des Gerichts und deren Verkündung gedrängt. Der<br />

Vorsitzende hat die Sitzung geschlossen und den Befehl ertheilt,<br />

den Saal zu räumen. Der Angeklagte hat diesen Befehl<br />

als speziell gegen sich gerichtet aufgefaßt, dieserhalb<br />

den Vorsitzenden zum Duell herausgefordert und davon,<br />

daß er dies gethan, den Geschworenen Mittheilung gemacht.<br />

Es hat ein Verfahren vor dem militairischen Ehrengerichte<br />

geschwebt, welches, soviel ist ersichtlich, einen<br />

für den Angeschuldigten günstigen Ausgang gehabt hat.<br />

Nach Maßgabe von §§ 62 ff. Rechtsanwaltsordnung vom<br />

ersten Richter freigesprochen, ist er vom Ehrengerichtshof<br />

wegen Herausforderung des Vorsitzenden zum Duell mit einem<br />

Verweise bestraft.“<br />

Und dann heißt es: „Der Angeschuldigte mußte sich sagen,<br />

daß der Vorsitzende diese Herausforderung (ganz abgesehen<br />

von der Strafbarkeit des Zweikampfs) nicht annehmen<br />

konnte, ohne seine speziellen Berufspflichten in<br />

grober Weise zu verletzen.<br />

Wo es sich um Beleidigungen handelt, welche im sozialen<br />

Verkehr zugefügt sind, mag die Herausforderung unter<br />

Umständen eine gewisse Entschuldigung finden; dagegen<br />

gebietet die Amtspflicht, jeden Versuch, durch dieses Mittel<br />

gegen eine Amtshandlung (und wäre dabei vom Beamten<br />

unrichtig gehandelt) zu regiren, entschieden zurückzuweisen<br />

und zwar auch dann, wenn eine unzweifelhafte Beleidigung<br />

* Teil eines Vortrags, den ich auf den Tagung der Anwaltsgerichtsbarkeit in<br />

Nordrhein-Westfalen am 10.3.1999 in Köln unter dem Titel „Das Berufsbild<br />

des Rechtsanwalts als Maßstab der anwaltsgerichtlichen Rechtskontrolle“ gehalten<br />

habe. Ich habe frei gesprochen. Der Text gibt infolgedessen meinen Vortrag<br />

nur sinngemäß wieder, und auch nur den auf das innere Berufsbild bezogenen<br />

Ausschnitt. Der Text ist um einige Hinweisfußnoten ergänzt worden.<br />

1 Das war das zentrale Thema meines Vortrags, insbesondere die Darstellung der<br />

Entwicklung in der Rechtsprechung des BVerfG, wie sie nach der Zweitberufsentscheidung<br />

(BVerfG, JZ 1993, 446 mit Anm. von Zuck) eingesetzt hat. Darüber<br />

wird an anderer Stelle zu berichten sein.<br />

2 Gneist, S. 55 f.<br />

3 EGH I (1885), S. 140 ff.


4<br />

l<br />

vorliegt. Es darf nicht die Meinung aufkommen, es habe<br />

der Richter seine amtlichen Handlungen durch Annahme<br />

einer Herausforderung zu vertreten. Auch der Rechtsanwalt<br />

ist Organ der Rechtspflege und berufen, eine unabhängige<br />

Rechtspflege zu fördern, namentlich auch dadurch, daß er<br />

die Achtung von den Trägern der richterlichen Gewalt und<br />

das Vertrauen, daß ihm gegen Unbilden des einzelnen Richters<br />

die Vorgesetzten desselben ausreichend Genugthung<br />

gewähren werden, nicht aus dem Auge setzt. Der Angeschuldigte<br />

hat aber der Rechtspflege einen sehr schlechten<br />

Dienst erwiesen, indem er wegen eines mit durch sein Verhalten<br />

herbeifügten Vorgangs, in welchem er nicht einmal<br />

nothwendig eine Beleidigung finden mußte, den Weg der<br />

Herausforderung wählte, und dadurch die Herausforderung<br />

zum Duell, welche im gewöhnlichen sozialen Leben eine<br />

gewisse Entschuldigung finden mag, auf ein Gebiet übertrug,<br />

auf welchem dieselbe völlig unberechtigt ist“.<br />

Offiziersehre, Richterehre, Anwaltsehre, es sind die<br />

komplexen Verhaltensregeln einer ständischen Gesellschaft,<br />

in deren Rahmen das Bild des Rechtsanwalts gezwängt<br />

wird, wobei der heutige Betrachter das Ergebnis leicht zu<br />

billigen vermag, obwohl ihm die zugrundeliegenden Ehrencodices<br />

ganz fremd erscheinen.<br />

c) Wir springen in die Zeit nach dem 1.Weltkrieg. Was<br />

tangierte das Selbstverständnis? Damals tauchte das Problem<br />

der Spezialisierung auf. In einer Sitzung des Berliner<br />

Anwaltsvereins vom 13.3.1919 führte Görres aus: „Die politische<br />

Neuordnung erschließt weite Neugebiete des materiellen<br />

und prozessualen Rechts unter gleichzeitiger Schaffung<br />

zahlreicher neuer Gerichtshöfe. Vornehmlich von der<br />

Entwicklung erfaßt werden wird voraussichtlich das Arbeitsrecht,<br />

Enteignungs-, Verwaltungs- und Steuerrecht.<br />

Der Rechtsanwalt darf dieser Entwicklung nicht tatenlos<br />

zusehen, schon im Interesse von Staat und Gesellschaft<br />

nicht, da eine freie Anwaltschaft den besten Schutz gegen<br />

Verkürzung der Einzelrechte durch den allmächtigen Staatsgott<br />

gewährleistet“ 4 .<br />

Das Thema wurde dann 1920 auf dem XXII. Deutschen<br />

Anwaltstag in Leipzig von den Berichterstattern Kallir und<br />

Schenck zustimmend aufgegriffen5 .<br />

Die allgemeine Stimmung entsprach dem, blieb aber folgenlos,<br />

weil der EGH als „herrschende Auffassung zur<br />

Standesehre“ im Jahr 1923 formulierte: „Der Rechtsanwalt<br />

darf Titel und Amtsbezeichnungen aus seiner früheren Stellung<br />

als Staatsbeamter weiter führen, er darf sich jedoch<br />

nicht als Spezialist auf irgendeinem Rechtsgebiet bezeichnen.<br />

Es ist unzulässig, daß sich ein Rechtsanwalt als „Steueranwalt“<br />

bezeichnet“ 6 .<br />

Zu einem weiteren wichtigen Punkt wird die Gleichstellung<br />

der Frau. Art. 109 Abs. 2 WRV hatte zwar statuiert:<br />

„Männer und Frauen haben grundsätzlich die selben staatsbürgerlichen<br />

Rechte und Pflichten“. Was darunter zu verstehen<br />

war, war jedoch umstritten. Reichs-Justizminister<br />

Schiffer hatte mit Schreiben vom 5.10.1921 den DAV um<br />

seine Meinung zu einem Gleichstellungs-Gesetzesentwurf<br />

gebeten, insbesondere, ob es hinsichtlich der Eignung der<br />

Frau einen Unterscheid bei den einzelnen Gebieten der<br />

Rechtspflege gebe und ob etwa durch die Zulassung von<br />

Frauen eine unerwünschte Benachteiligung männlicher Anwärter<br />

erfolgen werde. Die 14. Vertreterversammlung vom<br />

28./29.1.1922 beschäftigte sich infolgedessen mit diesem<br />

Thema7 . Berichterstatter Bieber hielt die uneingeschränkte<br />

Zulassung von Frauen für ein Gebot der Gerechtigkeit. Der<br />

Mit-Berichterstatter Ebertsheim kam dagegen zum Ergeb-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

nis, daß sich Frauen zum Justizberuf nicht eignen 8 : Ihre<br />

körperliche und psychologische Verfassung geht dahin, daß<br />

sie Kinder ernähren und aufziehen kann. Das rein Mütterliche<br />

ist das Charakteristische der Frau und das gibt ihr die<br />

überwiegenden Gefühlsmomente, was wir als schönen<br />

Schmuck bei ihr schätzen und anerkennen .... Das ist aber<br />

gerade das, was der Jurist nicht oder nicht in dem Maße haben<br />

darf. „Er spricht dann von der Verwirrtheit der Frau<br />

während der Menstruation und zitiert den Psychologen Möbius<br />

mit den Worten: „Die modernen Närrinnen sind<br />

schlechte Gebärerinnen und schlechte Mütter“ 9 . Beide Redner<br />

erhielten „lebhaften Beifall“. Schließlich wurde mit 45<br />

gegen 22 Stimmen im Sinne des Antrags Ebertsheim beschlossen:<br />

„Die Frau eignet sich nicht zur Rechtsanwaltschaft<br />

oder zum Richteramt. Ihre Zulassung würde daher<br />

zu einer Schädigung der Rechtspflege führen und ist aus<br />

diesem Grunde abzulehnen“. Die Anwaltschaft hat aber<br />

den Reichstag nicht aufgehalten. Nur kurze Zeit später, am<br />

11.7.1922 erging das Gesetz über die Zulassung der Frauen<br />

zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege (RGBl. I<br />

573). In seinem Art. 1 war bestimmt: „Die Fähigkeit zum<br />

Richteramte kann auch von Frauen erworben werden.<br />

Ebenso können Frauen zu Handelsrichtern, Rechtsanwälten,<br />

Gerichtsschreibern und Gerichtsvollziehern ernannt werden“.<br />

Die Vernunft hatte sich durchgesetzt.<br />

d) Wir gehen noch 10 Jahre weiter in Friedlaenders<br />

1930 erschienene 3. Auflage zu § 28 RAO. Friedlaender,<br />

dessen Buch auch heute noch zu den Meilensteinen in der<br />

Entwicklung des anwaltlichen Berufsrechts gehört, kommentiert<br />

dort: „Die Pflicht zur Wahrung der Standeswürde.<br />

1. Der Rechtsanwalt darf selbstverständlich innerhalb<br />

und außerhalb seines Berufes nichts tun, was jedes anständigen<br />

und gebildeten Menschen unwürdig wäre. Ergibt er<br />

sich dem Trunke, erregt durch unsittliche Handlungen Ärgernis,<br />

mißhandelt er seine Ehefrau, so verletzt er seine<br />

Menschenwürde und damit zugleich die Würde seines Standes.“<br />

10<br />

Es ist hübsch zu sehen, wie gering damals die political<br />

correctness entwickelt war. Wenn der Rechtsanwalt seine<br />

Ehefrau mißhandelt, verletzt er nicht etwa deren Menschenwürde,<br />

sondern seine eigene! Friedlaender fährt dann fort,<br />

und manche dieser Überlegungen gelten – dem Grunde<br />

nach – vielen auch heute noch als selbstverständlich (so daß<br />

man sagen kann: Gesetze kommen und gehen, Überzeugungen<br />

bleiben bestehen): „Aber der Rechtsanwalt hat auch<br />

eine spezielle, seinem Berufe eigentümliche Würde zu wahren.<br />

Er muß stets vor Augen haben, daß er kein Gewerbe<br />

ausübt, sondern einen vornehmen hohen Beruf im Dienste<br />

des Rechts. Er muß daher die Interessen, die ihm anvertraut<br />

sind, höher halten als seine eigenen wirtschaftlichen Interessen.<br />

Er darf seine Dienst nicht werbend anbieten wie ein<br />

Kaufmann, darf nicht auf Kosten seiner Aufgabe als Organ<br />

der Rechtspflege einen Konkurrenzkampf führen usw. Auch<br />

bei Verfolgung seiner materiellen Interessen, die ihm natürlich<br />

nicht verwehrt ist, muß er den vornehmen Charakter<br />

4 Görres, Alsberg u. Flechtheim, Das Spezialistentum in Rechtswissenschaft und<br />

Rechtsanwaltschaft, JW 1919, 279.<br />

5 JW 1921, 921 ff.<br />

6 JW 1921, 609 mit Anmerkung von Friedlaender.<br />

7 JZ 1922, 1241 (1247 ff.).<br />

8 JW 1922, 1241 (1250).<br />

9 Das alles ist gerade 70 Jahre her. Welche Teile unserer zeitgenössischen Auseinandersetzungen<br />

mögen vergleichbares „Niveau“ haben?<br />

10 Friedlaender, RAO, 3. Aufl. 1930, Rdnr. 10 zu § 28 RAO.


AnwBl 1/2000 5<br />

Aufsätze l<br />

seines Berufs wahren. Für ihn gilt nicht der Satz: was nicht<br />

verboten ist, ist erlaubt“... Die Standeswürde ist ein einheitlicher<br />

Begriff; eine Abstufung innerhalb des Standes – etwa<br />

nach Gesellschaftsklassen – oder je nachdem es sich hier<br />

um einen Amtsgerichtsanwalt, dort um einen Oberlandesgerichtsanwalt<br />

handelt – gibt es nicht. Auch für Reichsgerichtsanwälte<br />

gilt hier nichts anderes„. Auch hier sehen wir<br />

den Zeitgeist deutlich: Es wird noch in Klassenkategorien<br />

gedacht. Aber wir sehen auch, daß unser heutiges internes<br />

Berufsbild Wurzeln hat. Kein Gewerbe – Werbeverbot –<br />

kein kaufmännisch-konkurrierendes Verhalten – das sind<br />

Denkmuster die heute noch eine Rolle spielen, bei manchem<br />

auch in dieser rigorosen Form.<br />

d) Es blieb dem Dritten Reich vorbehalten, aus dem inneren<br />

Berufsbild ein äußeres zu machen. Der Vorspruch für<br />

RRAO aus dem Jahr 1936 lautete, vom Text her ganz unverfänglich:<br />

„Der Rechtsanwalt ist der berufene, unabhängige<br />

freie Vertreter und Berater in allen Rechtsangelegenheiten.<br />

Sein Beruf ist kein Gewerbe, sondern Dienst am Recht.“<br />

Der führende („Führer-“) Kommentator Noack „deutet“ das<br />

dem Wort „Rechtsanwalt“ zugrundeliegende innere Berufsbild<br />

so 11 :<br />

„Der richtige Freiheitsbegriff des Nationalsozialismus<br />

ist begrenzt.<br />

Freiheit im Wollen und Handeln wird bestimmt durch<br />

die übergeordneten Lebensrechte des Volkes. Freiheit des<br />

Handelns ist immer begrenzt durch die Kontrolle der einzelnen<br />

Handlung im Inneren des einzelnen Volksgenossen<br />

auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung:<br />

Gemeinwohl geht vor Eigennutz! ...<br />

Die Folgerungen, die sich aus dem so beschriebenen<br />

Freiheitsbegriff ergeben, sind eindeutig:<br />

„1. Erhöhte Treue- und Sorgfaltspflicht: Es gibt niemals<br />

die Ausrede, daß ein anderer für eine Handlung verantwortlich<br />

sei.<br />

2. Letzte Bindung ist die nationalsozialistische Weltanschauung.<br />

Wenn ich lediglich meinem Gewissen verantwortlich<br />

bin, so kann dieses Gewissen selbst wieder nur<br />

Ausfluß der mich beherrschenden Weltanschauung sein.<br />

Entweder ich erkenne die Weltanschauung an. Oder Weltanschauung<br />

und mein Gewissen stimmen nicht überein.<br />

Gilt nun für uns die nationalsozialistische Weltanschauung,<br />

so muß das Gewissen des einzelnen Deutschen dieser Anschauung<br />

entsprechen. Es kann also deutscher Rechtswahrer<br />

und damit auch freier Anwalt nur der sein, dem durch<br />

seine Blutzugehörigkeit zum deutsche Volke die nationalsozialistische<br />

Weltanschauung Gewissen geworden ist. Derjenige,<br />

bei dem das nicht der Fall ist, hat die Pflicht, aus der<br />

deutschen Volksgemeinschaft auszuscheiden, d. h., zum<br />

mindesten muß er sich des Tätigwerdens innerhalb der<br />

deutschen Volksgemeinschaft enthalten. Er kann mithin<br />

auch nicht freier deutscher Anwalt sein. Daraus folgt für<br />

unsere Ehrengerichtsbarkeit, daß derjenige, der durch<br />

Handlungen beweist, daß der Nationalsozialismus nicht<br />

sein Gewissen ist, aus der deutschen Anwaltschaft ausgeschlossen<br />

werden muß“.<br />

Hymnisch hat man die RRAO gefeiert, aber doch eigentlich<br />

nicht das Gesetz, sondern das innere Berufsbild gemeint:<br />

„Nun kann doch in jedem Fall aufgrund dieses großen<br />

Gesetzgebungswerkes die Zukunft der unabhängigen<br />

deutschen Anwaltschaft als gesichert betrachtet werden,<br />

zum Besten der Rechtspflege, der Rechtseinheit und der<br />

Rechtssicherheit im nationalsozialistischen Reich. Dafür<br />

spricht die deutsche Anwaltschaft dem Führer und Reichs-<br />

kanzler, dem Reichsjuristenführer und dem Reichsminister<br />

der Justiz ihren tiefgefühlten Dank aus und verspricht, sich<br />

des in sie gesetzten Vertrauens würdig zu erweisen zum<br />

Wohle der Volksgemeinschaft und zum Ruhm des ewigen<br />

deutschen Rechts“ 12 .<br />

Mit den Hymnen kamen Härten, kam die Häme und<br />

schließlich kam der Henker.<br />

Für Frauen gab es seit 1936 keine Zulassung mehr. Der<br />

Führer hatte entschieden, daß Frauen weder Richter noch<br />

Anwalt werden sollten.<br />

Die 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom<br />

27.9.1938 (RGBl. I S. 1403, 1439) setzte in ihrem § 1 den<br />

Schlußpunkt unter das nationalsozialistische Entjudungsprogramm,<br />

denn diese Vorschrift begann mit dem Satz: „Juden<br />

ist der Beruf des Rechtsanwalts verschlossen“ 13 .<br />

Nirgends wird der Zeitgeist 14 so deutlich wie in der<br />

Rechtsprechung der Ehrengerichte. So hat etwa der 3. Senat<br />

des Ehrengerichtshofs bei der Reichs-Rechtsanwaltskammer<br />

einen jüdischen Anwalt, dessen Ausschließung aus<br />

der Rechtsanwaltschaft wegen (im wesentlichen) loser Reden<br />

mit seiner Mandantin gebilligt. Der Senat führt in seiner<br />

Entscheidung vom 16.7.1934 aus:<br />

„Der Angeklagte hat nunmehr selbst eingeräumt, daß er<br />

seine Klientin, die Zeugin U., ohne daß sie ihm hierzu Anlaß<br />

gegeben hatte, geduzt hat, daß er sie beim Handgeben<br />

wiederholt in der Handfläche „gekrabbelt“ hat, daß er sie<br />

von ihrem Verlobten B. abzubringen versucht hat, für den<br />

sie zu schade sei, da sie bei ihrer Schönheit und Klugheit<br />

jederzeit andere Männer finden könne, die ihr hübsche<br />

Kleider und dergleichen kaufen würden ....<br />

Die Entfernung des Angeklagten aus dem Anwaltstande<br />

gebietet das Interesse der rechtsuchenden Volksgenossen,<br />

insbesondere deutscher Frauen, die einen Anspruch auf<br />

sachliche Beratung in einer Anwaltskanzlei haben, ohne<br />

Gefahr zu laufen, derartigen Angriffen ausgesetzt zu sein,<br />

wie sie der Angeklagte, von seiner Sinnenlust getrieben,<br />

unternommen hat.<br />

Bei der Gesamtbeurteilung darf überdies nicht außer<br />

acht blieben, daß der Angeklagte als Jude besonders darauf<br />

bedacht zu nehmen hatte, daß er weiterhin zum Dienst an<br />

der deutschen Rechtspflege zugelassen war, und daß ihm<br />

dies die besondere Verpflichtung auferlegte, sich nicht nur<br />

tadellos zu führen, sondern auch die in der Rassengesetzgebung<br />

zum Ausdruck gekommene Einstellung des deutschen<br />

Volkes zu respektieren. Wenn er statt dessen als verheirateter<br />

Jude sich gegenüber einem arischen Mädchen zu dem<br />

festgestellten schamlosen Benehmen hinreißen ließ und die<br />

auf Befriedigung seiner sinnlichen Gelüste abzielenden Versuche<br />

auch nach der nationalsozialistischen Revolution<br />

noch fortgesetzt hat, so zeigt dies, daß er entweder für diese<br />

besondere Verpflichtung gar kein Gefühl besitzt oder aber,<br />

daß nicht einmal die sich hieraus für ihn ergebenden beson-<br />

11 RRAO 1937, S. 26 f. Noack war Rechtsanwalt und Notar, Vizepräsident der<br />

RRAK und Präsident des II. Senats des EGH der RRAK. Nach dem zweiten<br />

Weltkrieg war er als Repetitor in Hamburg tätig, absolut professionell, bei den<br />

Studenten beliebt (und erfolgreich), und das belegt besser als alle Zitate, was<br />

ein inneres Berufsbild ist: man kann es ebensogut auf seine Fahne schreiben,<br />

wie man es verstecken kann. Das Recht ist wohlfeil und gilt immer weiter. Das<br />

zeigt in einer Art Momentaufnahme einen Ausschnitt aus dem Problemkreis<br />

„Kontinuität des Rechts“ bei Systemwechsel (siehe dazu H. L. A. Hart, Der<br />

Begriff des Rechts 1973, S. 91 ff.).<br />

12 Racke, Dienst am Recht, JW 1936, 3.<br />

13 Bei einer Gesamtzahl von 17.360 Anwälten zum 1.12.1938 betraf dies immer<br />

noch 1.735 jüdische Rechtsanwälte.<br />

14 Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 1987.


6<br />

l<br />

deren Hemmungen in der Lage waren, sein erörtertes in<br />

höchstem Grade standeswidriges Verhalten zu verhindert15 .<br />

e) Wir gehen in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Eine<br />

Frau (B.) mit sechs Kindern, Flüchtlinge, wie so viele, hatte<br />

Unterschlupf in einer Baracke gefunden. Rechtsanwalt (A.),<br />

der B. bei gemeinsamer Kleingartennutzung kennengelernt<br />

hatte, begann mit ihr ein Verhältnis, das bald zum ersten<br />

Kind führte. Als das zweite Kind unterwegs war, scheute<br />

B. die Geburt eines zweiten unehelichen Kindes. Sie bat<br />

um Heirat. Eine solche formale Ehe wurde dann auch geschlossen.<br />

Als im Hause von A. Räume frei wurden, zog B.<br />

(gegen den heftigen Widerstand von A.) dort ein, ohne eine<br />

Hausgemeinschaft mit ihm zu begründen. Die Liebe hörte<br />

aber dennoch nicht auf, und so kam ein drittes Kind (insgesamt<br />

dann das neunte) auf die Welt. Es gab Streit über den<br />

Unterhalt und der Fall landete bei der Ehrengerichtsbarkeit.<br />

Die I. Instanz schloß A. aus der Rechtsanwaltschaft aus,<br />

letztlich, weil er B. geheiratet habe, ohne die Absicht zu haben,<br />

eine Ehe im Sinne der herrschenden Sittenordnung zu<br />

begründen. Der EGH begnügte sich mit einem Verweis und<br />

einer Geldstrafe von 500 DM und sagte:<br />

„Der Senat ist der Auffassung, daß nicht allemal und bedingungslos<br />

ein Abweichen von der Norm in den Beziehungen<br />

zwischen Mann und Frau einen Verstoß gegen das Sittengesetz<br />

und gegen die sich aus der Berufsordnung und der<br />

Standesauffassung ergebenden Pflichten darstellt. Die Auffassungen<br />

der menschlichen Gesellschaft über die Beziehungen<br />

zwischen Mann und Frau haben sich in den letzten Jahrzehnten<br />

z. T. gewandelt. Zeitumstände und insbesondere<br />

Verhältnisse sehr schwerer Not haben zwangsläufig Änderungen<br />

herbeiführen müssen. Es sind Fälle denkbar, in denen<br />

verantwortungsbewußte, lautere Menschen sich genötigt sehen,<br />

von den Geboten der Norm abzuweichen. Auch im vorliegenden<br />

Fall hat der Senat berücksichtigen zu müssen geglaubt,<br />

daß A. und die Zeugin B., die starke gegenseitige<br />

Zuneigung hatten, in eine sehr schwierige Lage gestellt waren.<br />

Der Senat meint deshalb, nicht schon aus der Tatsache,<br />

daß diese Menschen von den sonst üblichen Regeln des Verlöbnisses<br />

und der Heirat abgewichen sind, einen Vorwurf erheben<br />

zu können, zumal Frau B. zunächst selbst nicht unbedingt<br />

eine Eheschließung wünschte. Die Entwicklung des<br />

Geschehens, die schließlich zu der Eheschließung führte, ist<br />

durch Frau B. stark beeinflußt worden. Demgegenüber hat<br />

A. nicht den Mut und die Entschlußfähigkeit aufgebracht,<br />

die von jedem Menschen gefordert werden muß, wenn er<br />

einmal in eine schwierige Situation gerät; insbesondere von<br />

einem Menschen in dem Alter und in der Stellung des A.<br />

Nicht schon die Tatsache, daß er Beziehungen zu Frau B.<br />

aufgenommen hat, macht ihm der Senat zum Vorwurf, auch<br />

nicht, daß er nicht alsbald die Ehe mit ihr geschlossen hat,<br />

wohl aber, daß er, als Frau B. eine Eheschließung wünschte<br />

und er ihrem Wunsch entsprach, auf halbem Wege stehen<br />

geblieben ist; daß er also nicht den Mut bewiesen hat, zu seinem<br />

Entschluß nach innen und außen zu stehen, daß er vielmehr<br />

eine unvollkommene und unbefriedigende Lösung angestrebt<br />

hat; daß er, nachdem die Ehe geschlossen war, seine<br />

nunmehrige Ehefrau mit den Kindern in der Baracke in einer<br />

unwürdigen Unterkunft hat sitzen lassen und der Umwelt<br />

das Schauspiel gegeben hat, daß seine Frau um die Wohnung<br />

kämpfen und dann in der Wohnung sich von ihm getrennt<br />

halten mußte.<br />

Damit hat er nach außen ein häßliches Bild gegeben und<br />

Eindrücke erweckt, die nicht nur seinem persönlichen Ansehen,<br />

sondern ohne Zweifel auch dem Ansehen der Gesamtheit<br />

seines Standes geschadet haben. Auch in einem kleinen<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

Ort wird bei vielen Verständnis dafür bestehen, daß unter<br />

den besonderen Verhältnissen unserer Zeit auch Beziehungen<br />

zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts ehrbar<br />

sein können, wenn keine Ehe besteht. Wenn aber eine Ehe<br />

besteht, dann darf es nicht nach außen hin in der unschönen<br />

Form geschehen, wie sie A. gewählt hat.<br />

A. bewies also erhebliche charakterliche Schwäche, indem<br />

er sich, ein älterer und durch Erfahrungen gereifter<br />

Mann, in den Schwierigkeiten, die ihm das Schicksal bereit<br />

hat, planlos und ohne Widerstand hat treiben lassen. Er,<br />

dem als Anwalt die Bedeutung der Ehe in sittlicher und<br />

rechtlicher Beziehung voll und ganz bewußt sein mußte,<br />

hat dem Wunsch seiner Ehefrau, die Ehe wieder zur Auflösung<br />

zu bringen, einem Wunsch, der seinen Grund in seinem<br />

eigenen Verhalten hatte, widerspruchslos nachgegeben,<br />

ihn vermutlich sogar begrüßt, ohne zu bedenken, daß sich<br />

die Frau ihm geopfert und zwei Kinder zur Welt gebracht<br />

hatte, die als seine ehelichen Kinder galten. Er hat niemals<br />

durch eigenes Handeln und durch eigene Entschlüsse in die<br />

Entwicklung der Dinge eingegriffen und hat auch nicht den<br />

Mut gefunden, sich die Beziehungen zu seiner Frau in allen<br />

Folgerungen zu überlegen und in sauberer, anständiger Weise<br />

zu versuchen, die schwierige Lage, in die er sich, die<br />

Frau und die Kinder gebracht hatte, zu überwinden. Der Senat<br />

nimmt bei ihm nicht Verwerflichkeit der Gesinnung an,<br />

stellt aber einen erheblichen Mangel an Selbstdisziplin,<br />

Entschlußfähigkeit und den Willen fest, seine charakterlichen<br />

Schwächen, deren er sich gewiß bewußt war, zu bekämpfen<br />

und zu überwinden, und damit Zuständen vorzubeugen,<br />

die geeignet waren, ihn in ein schlechtes Licht zu<br />

setzen und in Verbindung damit das Ansehen seines Standes<br />

zu beeinträchtigen“ 16 .<br />

Wir sind immerhin schon im Jahr 1954. Auch hier ist es<br />

nicht das Ergebnis (heute wäre das wohl kein Fall für die<br />

Anwaltsgerichte) und auch nicht die Art der Entscheidungsfindung<br />

(der Senat hat es sich ja nicht leicht gemacht),<br />

die erwähnenswert sind. Was uns heute stört ist das<br />

moralische Gesäusel, man ahnt im Hintergrund die Renaissance<br />

des Naturrechts und die Kuppeleientscheidung des<br />

BGH mit dem Bild der abendländischen Einehe.<br />

f) Die BRAO von 1959 kodifiziert endgültig die zentralen<br />

Elemente des äußeren Berufsbilds in den §§ 1–3. Die<br />

Amtliche Begründung sagt, warum:<br />

„Diese einleitenden Vorschriften enthalten Grundsätze,<br />

die für das überkommene Berufsbild des Rechtsanwalts wesentlich<br />

sind. Sie gehen die Gesamtheit der Rechtsanwälte<br />

an.<br />

Der ethische Gehalt dieser Grundsätze bestimmt das<br />

Wesen und den Umfang der Pflichten des Rechtsanwalts.<br />

Es gibt auch die innere Begründung dafür, daß der Beruf<br />

des Anwalts im Interesse eines gesunden Rechtslebens frei<br />

sein muß.<br />

Die Bedeutung der Grundsätze rechtfertigt es, sie in das<br />

Gesetz ausdrücklich aufzunehmen. Der Entwurf enthält damit<br />

gegenüber der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878<br />

eine Ergänzung, die für die Eigenart des Berufes bezeichnend<br />

ist. Es mochte im Jahre 1878 angehen, die Erkennt-<br />

15 Entscheidungen des EGH für Rechtsanwälte, Band 28 (1935) Mr. 58. Diese<br />

Entscheidung ist nur ein Beispiel. Solche Entscheidungen hat es in Hülle und<br />

Fülle gegeben, bis hin zu der mit Verweis und Geldstrafe geahnten Tatsache,<br />

daß ein Anwalt seinen jüdigen Mandanten in einem Brief mit „sehr geehrter<br />

Herr Doktor“ angeredet und mit „hochachtungsvoll“ unterschrieben hatte, Entscheidungen<br />

des EGH für Rechtsanwälte, Band 32 (1939).<br />

16 EGE I, 123 ff.


AnwBl 1/2000 7<br />

Aufsätze l<br />

nisse des Wesensgehalts des Anwaltsberufes dem Schrifttum<br />

zu überlassen. Nachdem aber das Wesen der Anwaltschaft<br />

später durch den Vorspruch zur Reichs-Rechtsanwaltsordnung<br />

vom 21. Februar 1936 als „Dienst am Recht“ im Sinne<br />

der damaligen Auffassung gekennzeichnet worden ist, soll<br />

die Rückkehr zur inneren Freiheit des Berufes in dem Gesetz<br />

selbst zum Ausdruck gebracht werden“.<br />

Daß die BRAO zentrale Aussagen zum Berufsbild des<br />

Rechtsanwalts enthält, ist also als Reaktion auf das 3. Reich<br />

zu verstehen, genau genommen auf den Nachsatz im Vorspruch<br />

der RRAO („Dienst am Recht“), damit aber, weil<br />

„Dienst am Recht“ zwar altmodisch formuliert, in der Sache<br />

aber nicht anstößig ist (und vielleicht sogar besser als<br />

die Auffassung vom Rechtsanwalt als Interessenwahrer), in<br />

Wahrheit eine Reaktion auf das innere Berufsbild, das im<br />

3. Reich hinter dem „Dienst am Recht“ gestanden hatte.<br />

g) Auch heute gibt es ein inneres Berufsbild. Ich zeige<br />

ihnen meines. Es spricht im Kern, wie alle inneren Berufsbilder,<br />

die Selbstverständlichkeit und das Selbstverständnis<br />

der Zeit aus. Insoweit ist es konsensfähig, sonst wäre es<br />

nicht wirklich ein inneres Berufsbild. In den Rändern ist,<br />

ebenso selbstverständlich, streitanfällig.<br />

Der Anwalt ist Garant des Rechtsstaats, unverzichtbare<br />

personelle Voraussetzungen für seine Verwirklichung. Das<br />

führt zur Unabhängigkeit gegenüber dem Staat, denn die<br />

Aufgaben am Rechtsmarkt können nur staatsfrei wahrgenommen<br />

werden. Die Unabhängigkeit des Anwalts ist dabei,<br />

wenn auch nicht inhaltlich, in ihrer kategorialen Bedeutung<br />

mit der des Richters vergleichbar. Man kann die<br />

Aufgabe sogar als eine solche der Daseinsvorsorge verstehen.<br />

In einer Gesellschaftsordnung, in der alle menschlichen<br />

Handlungen potentiell rechtlich gemessen werden<br />

können, ist das Funktionieren dieser Ordnung nur sichergestellt,<br />

wenn Rechtsberatung und Rechtsvertretung sichergestellt<br />

sind. Der Auslösemechanismus für eine so verstandene<br />

Rechtsordnung liegt dabei in erster Linie in der Hand<br />

des Rechtsanwalts.<br />

Damit sind Grundpflichten verbunden: zwar ist der<br />

Rechtsanwalt unabhängig. Er ist gleichwohl Bestandteil dieses<br />

Systems. Er muß deshalb eine formal systemkonforme<br />

Rolle spielen, d. h. seinen Beitrag zur Rechtsordnung leisten.<br />

Dies setzt autonomer Rechtsgestaltung – vor allem im<br />

Rechtsverfahren – gewisse Grenzen. An sie ist z. B. bei<br />

einem Verständnis der Strafverteidigung als soziale Gegenmacht<br />

zu erinnern oder bei den Strategien der Konfliktverteidigung.<br />

Die Einhaltung dieser Grundpflichten bedarf<br />

keiner generellen gesetzlichen Vorgaben. Sie darf auch nicht,<br />

um das freie Spiel der unabhängigen Verfahrensbeteiligten<br />

nicht in Gefahr zu bringen, in die Hand des Strafrichters gelegt<br />

werden. Die Überschreitung der Grenzen im Einzelfall<br />

ist vielmehr der Kontrolle der Anwaltsgerichtsbarkeit zu unterwerfen;<br />

diese Kontrolle ist allerdings zum Schutz der Garantenstellung<br />

des Rechtsanwalts auch geboten.<br />

Grundpflichten betreffen aber nicht nur die Rolle des<br />

Rechtsanwalts im Rahmen der objektiven Belange der<br />

Rechtspflege. Sie betreffen auch seine Garantenstellung<br />

selbst, und damit seine primären Handlungspflichten. Unabhängigkeit<br />

kann nur garantiert werden, wenn der Rechtsanwalt<br />

seine Pflichten als berufener Berater und Vertreter auch<br />

wahrnehmen kann. Das setzt insbesondere Leistungsstandards,<br />

Qualitätskontrolle und Fortbildungspflichten voraus.<br />

Auf der anderen Seite steht das Verhältnis des Rechtsanwalts<br />

zum Auftraggeber. Auch ihm gegenüber besteht Unabhängigkeit.<br />

Es ist das vor allem die innere Unabhängig-<br />

keit des Rechtsanwalts, die ihn in den Stand versetzt, trotz<br />

dauerhafter Bindungen, Weisungen im Einzelfall und in<br />

wirtschaftlicher Abhängigkeit eigenverantwortlich zu beraten<br />

und zu vertreten. Auch hier besteht aber eine Pflichtenkonstellation.<br />

Sie ist für die Beschreibung des anwaltlichen<br />

Berufsbilds von ausschlaggebender Bedeutung. Es ist dies<br />

das für die Anwalt-Mandant-Beziehung vorausgesetzte Vertrauensverhältnis.<br />

Der Anwalt setzt auf das Vertrauen des<br />

Mandanten, und nimmt dieses, als im Verhältnis zwischen<br />

Laien und Experten selbstverständlich, entgegen. Es wird<br />

aber gerne übersehen, daß der Rechtsanwalt dieses Vertrauen<br />

und die daraus entstehenden Pflichten, z. B. gewissenhaft<br />

zu beraten und über Mandanteninformationen zu<br />

schweigen, auch schuldet. Er muß also die Voraussetzungen<br />

für ein solches Vertrauensverhältnis schaffen, aufrechterhalten<br />

und ständig optimieren. In dem darin geknüpften menschlichen<br />

Band findet sich das wichtigste Argument, um<br />

den Anwalt nicht nur als Teil eines mechanisch verstandenen<br />

Rechtspflegesystems zu verobjektivieren oder ihn als<br />

bloßen Marktteilnehmer zu denaturieren, und damit zugleich<br />

auch das Recht, das so als bloße Ware mißverstanden<br />

würde.<br />

Ein dritter Eckpunkt ist einzuführen, ein Punkt, der so<br />

bisher noch nicht hervorgehoben worden ist, nämlich die<br />

Betrachtungsweise des Rechtsanwalts als Angehörigen<br />

eines „offenen Berufs“. Damit soll die berufsspezifische<br />

Rolle des Rechtsanwalts als Marktteilnehmer beschrieben<br />

werden. „Offenheit“ belegt, daß die Leistung des Rechtsanwalts<br />

am Markt, und damit die ihm obliegenden Pflichten<br />

flexibel und transparent sein müssen. „Transparent“ will<br />

sagen: über den Inhalt der anwaltlichen Dienstleistung, vor<br />

allem aber auch über die Kosten muß am Markt verläßliche<br />

Klarheit bestehen, auch im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern.<br />

Das setzt einen großen Katalog von Informationsrechten<br />

und -pflichten voraus, von denen die Informationswerbung<br />

nur einen Ausschnitt darstellt. „Flexibel“ heißt:<br />

der Anwalt muß hinsichtlich der Organisation seiner<br />

Dienstleistungen in die Lage versetzt werden, Marktregeln<br />

einer modernen Dienstleistungsgesellschaft folgen zu können,<br />

beschränkt lediglich dadurch, daß der Gegenstand seiner<br />

Dienstleistung das Recht ist, und daß der Rechtsanwalt<br />

Sachverwalter des Rechts ist.<br />

Die so gegebenen drei Bezugspunkte „Garant des<br />

Rechtsstaats/Vertrauensverhältnis zum Mandanten/Offenheit<br />

des Berufs“ bedürfen, und das ist der vierte Eckpunkt, einer<br />

verknüpfenden Antriebskraft, einer geistigen Legitimation.<br />

Sie liegt in der Tat im Vorrang der Freiheit, in der freien<br />

und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen als<br />

der kardinalen, den Grund aller anwaltlichen Tätigkeit bildenden<br />

Bedingung. Dieser Grundsatz ist essentiell für das<br />

Verständnis des anwaltlichen Berufsbildes. Es muß jedoch<br />

hervorgehoben werden: freiheitliche und unreglementierte<br />

Selbstbestimmung ist zunächst eine formale Kennzeichnung,<br />

als Abwesenheit von Fremdbestimmung, Abwesenheit<br />

von Zwang. Es wären aber, dieses Merkmal für sich<br />

genommen, beliebige Inhalte denkbar, um frei und unreglementiert<br />

agieren zu können. Nicht nur, weil dieser Aspekt<br />

von der Rechtsprechung lediglich als Grundsatz gekennzeichnet<br />

worden ist, sondern auch, weil Freiheit auch im<br />

Rahmen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung<br />

nicht als absolut, d. h. unter keinem Gesichtspunkt fremdbestimmt<br />

verstanden werden kann, bleibt diese Freiheit nur<br />

modal, nicht kategorial. Es sind die Berufsangehörigen eines<br />

Berufsstandes selbst, die das zeitgenössische Verständnis<br />

von Berufsfreiheit bestimmen. Das geschieht primär in


8<br />

l<br />

der gesetzten Berufsordnung, sonst im Fundus allgemeiner<br />

Anschauungen. Freiheit wird deshalb demokratisch vermittelt,<br />

sie ist, wie jedes Recht, einem politischen Umfeld, wie<br />

es sich in der konkreten Gesellschaftsordnung darstellt, zugeordnet.<br />

Nur deshalb kann sich der Rechtsanwalt, wie es<br />

in § 43 Satz 2 BRAO formuliert ist, seiner besonderen Stellung<br />

als Rechtsanwalt „würdig“ erweisen. Nur deshalb kann<br />

§ 113 Abs. 2 noch vom „Ansehen der Rechtsanwaltschaft“<br />

sprechen. Hier ist eine Zwischenbemerkung zu machen:<br />

manch einer hat inzwischen die Treue zum Mandanten, die<br />

Ehre und die Würde, und das Ansehen des Standes als Relikte<br />

eines überholten Standesdenkens verabschiedet. Ich<br />

selbst tue mich nicht leicht damit, anerkannte moralische<br />

Grundsätze wie Treue, Ehre und Würde des Menschen, auf<br />

denen das Zusammenleben in dieser Gesellschaft beruht, in<br />

die Rumpelkammer der Geschichte zu tun, auch wenn zuzugeben<br />

ist, daß die Wortwahl gelegentlich antiquiert sein<br />

mag. Auch ist zu akzeptieren, daß das Ansehen eines Standes,<br />

wenn man den Stand als Kaste und das Ansehen als<br />

Privileg mißdeutet, keine hermeneutische Kraft mehr hat.<br />

Die um solche Begriffe geführte Auseinandersetzung ist jedoch<br />

lediglich Bestandteil eines semantischen Krieges. Sie<br />

ändert nichts daran, daß es keinen atomistischen Personenbegriff<br />

gibt und keine voraussetzungslose Gesellschaft, wie<br />

vor allem Rawls anzunehmen scheint. Geht man davon aus,<br />

daß menschliches Verhalten in einer Gesellschaft jeweils<br />

bestimmten Sphären zugeordnet werden kann, dann kommt<br />

man nicht umhin, auch die anwaltliche Berufstätigkeit mit<br />

allen ihren Rechtsregeln einer bestimmten Gesellschaftsordnung<br />

generell, und den besonderen Vorgaben der Berufsangehörigen<br />

dieses Berufsstandes in concreto zuzuordnen. Insoweit<br />

bleibt es legitim, von Ehre und Würde zu sprechen,<br />

weil damit mehrheitlich anerkannte Werte angesprochen<br />

werden, und auch vom Ansehen eines Standes, weil das die<br />

selbst bestimmte Ansehung dieses Standes durch seine Berufsangehörigen<br />

zum Ausdruck bringt. Unreglementierte<br />

Selbstbestimmung des Einzelnen ist sonach Selbstbestimmung<br />

durch die Berufsangehörigen in dem dafür vorgesehenen<br />

Verfahren, also eine demokratisch legitimierte Freiheit.<br />

Sie ist aber noch in einem ganz anderen Sinne vor isolatorischem<br />

und auch reduktionistischem Selbstverständnis zu<br />

bewahren. Freiheit ist ja den drei anderen Eckpunkten zugeordnet,<br />

ist also eine Freiheit mit vorgegebenen Zielen. Die<br />

freie und unreglementierte Selbstbestimmung erweist sich<br />

so als ein Faktor, um die Grund-Rechte und Pflichten des<br />

Rechtsanwalts mit eigenverantwortetem Freiheitsverständnis<br />

lebendig zu erhalten. Am Zugeordnetsein dieser Freiheit ändert<br />

sich aber dadurch nichts.<br />

Damit wird auch die Funktion des Freiheitsverständnisses<br />

deutlich. Die vier Eckpunkte kann man sich als Punkte<br />

eines Vierecks vorstellen. Ausgehend von einer in den 70er<br />

Jahren geführten Diskussion um die Wirtschaftsverfassung<br />

der Bundesrepublik läßt sich von einem magischen Viereck<br />

des anwaltlichen Berufsrechts sprechen, um das anwaltliche<br />

Berufsbild näher zu kennzeichnen. Den Freiheitspunkt muß<br />

man sich als eine Art Generantor vorstellen, der die vier<br />

Eckpunkte dieses Bildes in immer neue Beziehungen zueinander<br />

setzt, vom Quadrat bis zu jeder anderen Form eines<br />

Vierecks und damit im Bereich eines als solchen unverändert<br />

gegebenen Ordnungsrahmens ständig neue Verwirklichungen<br />

von Freiheit hervorbringt.<br />

3.<br />

Das innere Berufsbild ist ein Produkt des Zeitgeistes. In<br />

ihm amalgamisieren sich äußere und innere Einflüsse, für<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

die Masse der Berufsangehörigen auf einheitliche Art und<br />

Weise. Die Repräsentanten eines Berufstands kommen in die<br />

damit verbundenen Positionen und Funktionen in der Regel<br />

deshalb, weil und soweit sie mit dem Zeitgeist im Einklang<br />

stehen. Was sie zum Ausdruck bringen, ist das innere Berufsbild.<br />

Damit ist eine Vielzahl von Schichtungen, Erwartungshaltungen<br />

und Wechselwirkungen verbunden, die ich hier<br />

nicht darstellen kann. Auf einige wichtige Konsequenzen einer<br />

Entwicklung des inneren Berufsbilds will ich aber hinweisen:<br />

a) Natürlich ist das innere Berufsbild historisch-kontingent.<br />

Es kann nicht mehr einbeziehen als seine Zeit. Es ist<br />

deshalb auf der einen Seite außerordentlich wohlfeil, sich<br />

über Terminologie und die Inhalte der jeweiligen Sachentscheidungen<br />

lustig zu machen, sie für gedanklich töricht zu<br />

halten und vor allem, sie moralisch zu verurteilen. Die<br />

Nachfolgegenerationen haben leicht reden, denn daß sie es<br />

anders gemacht hätten, können sie nur behaupten, nicht beweisen.<br />

Nimmt man das innere Berufsbild ernst, spricht<br />

kaum etwas dafür, das richtige Bewußtsein sei schon damals<br />

möglich gewesen. Dennoch, und das ist das Paradoxe,<br />

bleibt es unverzichtbar, sich von der Vergangenheit, dort,<br />

wo man sie heute für fehlsam hält, abzusetzen, sie zu kritisieren,<br />

und neue Maßstäbe zu setzen. Nur so kann man ja<br />

seiner Zeit gerecht werden.<br />

Das gilt es nach zwei Richtungen zu explizieren. Zeitgenössisches<br />

Bewußtsein als Zeitgeistbewußtsein ist falsches<br />

Bewußtsein, pure Ideologie. Es reflektiert die inneren und<br />

äußeren Umstände in einer Melange, die eine eigene, künstliche<br />

Welt schafft. Davon können sich auch die Genies nicht<br />

trennen: Generationen von pietätvollen Apologeten haben<br />

versucht, die Rechtfertigung der Sklaverei und des minderen<br />

Ranges der Frau durch Aristoteles schönzureden. Nach unserem<br />

Zeitgeist kann daraus aber nichts werden.<br />

Und dann: Das innere Berufsbild muß man wirklich<br />

ernst nehmen. Der Gedanke, irgend jemand, etwa der unabhängige<br />

Richter, entscheide in einer Black-Box-Situation ist<br />

längst verworfen. Wir alle sind mit unseren Bildern beladen,<br />

sie haften uns an.<br />

b) Das innere Berufsbild ist aber von seinen Umständen<br />

her gerade kein Normatives. Sonst gäbe es ja keine Geschichte<br />

des inneren Berufsbilds. Wer sich klar gemacht<br />

hat, daß sein Handeln insoweit bedingt ist, gewinnt genau<br />

durch diese Erkenntnis die erforderliche Freiheit, die wiederum<br />

zum Selbstverständnis unserer Zeit gehört. Wir können<br />

uns Gewißheit darüber verschaffen, was wir für die<br />

Grundlagen unseres Handelns halten. Die Mittel der Vernunft<br />

erlauben es, diese Unterlagen zu prüfen, zu kritisieren<br />

und zu verändern. Das innere Berufsbild hat Beharrungsvermögen,<br />

es ist aber auch veränderbar. Es ist das alte Thema<br />

von Tradition und Freiheit, das natürlich auch das Verständnis<br />

und das Selbstverständnis der Anwaltschaft bestimmt,<br />

und es gilt auch hier, die richtige Mischung zu finden:<br />

Folgten wir nur der Tradition, lebten wir immer noch in<br />

Höhlen, folgten wir nur dem Fortschritt, hätten wir die<br />

Höhlen bald wieder.<br />

c) Die Bestimmung des inneren Berufsbilds eröffnet uns<br />

folgenreiche Chancen. Die Chancen liegen im Bereich der<br />

personell bestimmten subjektiven Elemente des inneren Berufsbilds.<br />

Wir schon erwähnt geht es nicht um die Hierarchie<br />

von oben (hier: der Verfassungsnorm des Art. 12<br />

Abs. 1 GG) nach unten, in die BORA hinein. Es gibt auch<br />

eine selbstbestimmende Kraft von unten nach oben, mit der<br />

die Anwälte, jenseits aller Interessenpolitik, ihr Selbstver-


AnwBl 1/2000 9<br />

Aufsätze l<br />

ständnis darüber entwickeln, was ein guter Rechtsanwalt ist<br />

und was er tut. Und deshalb gibt es auch Folgen. Ein neu<br />

formuliertes inneres Berufsbild wirkt auch nach außen. Es<br />

verändert das äußere Berufsbild und damit zugleich die<br />

Rechtsordnung. Das Verhältnis von Freiheit und Ordnung<br />

wird so jeweils neu bestimmt.<br />

4.<br />

Das ist keine einfache Aufgabe, wenn man die fremdbestimmten<br />

Elemente des inneren Berufsbilds einbezieht.<br />

Zwar wird die Globalisierung immer weiter voranschreiten.<br />

Daneben laufen aber unverändert nicht autoritär entscheidbare<br />

gesellschaftliche Differenzierungen. Hier ist, der Einfachheit<br />

halber, vom inneren Berufsbild gesprochen worden,<br />

so als ob sicher wäre, daß es nur ein inneres<br />

Berufsbild gibt. So wie beim äußeren Berufsbild auch, das<br />

immer weitergehende Ausdifferenzierungen als gemeinwohlverträglich<br />

zuläßt, wirken auch Fliehkräfte auf das innere<br />

Berufsbild ein. Die deutsche Anwaltschaft steht vor<br />

einer Dreiteilung: Wir haben die Basis, die die Rechtsfälle<br />

des täglichen Lebens betreut. Hier gibt es heftigen Konkurrenzkampf<br />

vor Ort, weil die Zahl der Anwälte wächst, aber<br />

nicht die Zahl der Mandate. Hier wird besitzstandswahrend<br />

gedacht. Die gute alte Standesehre ist das Instrument, das<br />

man im Konkurrenzkampf einsetzt, und hier wirkt die Berufsaufsicht<br />

der Kammern, umfangreich wie eh und je,<br />

auch Kleinigkeiten nachgehend. Auf der anderen Seite der<br />

Skala finden wir die Mega-Firms „global und integriert“<br />

wie sie sich (in immer neuen Zusammenschlüssen der internationalen<br />

Konkurrenz ein wenig hinterherhinkend) gern<br />

bezeichnen, und diese Gruppe der deutschen Anwaltschaft<br />

hat sich inzwischen im Innern von BRAO, BRAGO und<br />

BORA längst verabschiedet. Der hausinterne Controller,<br />

die für die Aufstiegschancen maßgeblichen billable hours<br />

und der über Ausschreibungen funktionierende Wettbewerb<br />

geben vor, wie gehandelt wird. Die Mega-Firms sind kaufmännische<br />

Unternehmen, die nach ebensolchen Grundsätzen<br />

geführt werden, hoffentlich, so muß man hinzufügen,<br />

denn sonst überlebten sie nicht. Solange diese Kanzleien<br />

nicht (wie in den USA zum Teil wegen ihrer schlechten<br />

Auslastung) in das Basisgeschäft der Scheidungen, Mietsachen<br />

und Verkehrsunfälle einsteigen, stört das niemand.<br />

Auf die große Zahl betrachtet ist der deutsche Anwalt weder<br />

international, noch macht er „merger & aquisition“. Es<br />

fällt uns deshalb leicht zu sagen, daß wir auf unsere große<br />

Kanzleien als Aushängeschilder der deutschen Anwaltschaft<br />

stolz sind. Und natürlich wollen wir, daß unsere Anwälte<br />

im internationalen Wettbewerb bestehen können. Das<br />

hat dazu geführt, daß seit Jahren irreführende Briefbögen<br />

und unzulässige Praxisbroschüren umlaufen, das Gebührenrecht<br />

mit Füßen getreten wird (Zeithonorare in Prozeßsachen/Erfolgshonorare<br />

z. B.) und daß das Verbot der Interessenkollision<br />

nicht mehr ernst genommen wird. Ich räume<br />

ein, daß alle diese Verstöße nötig sind, um den Vormarsch<br />

der englischen und amerikanischen Kanzleien in Deutschland<br />

zu verlangsamen (wenn überhaupt). Ich räume auch<br />

ein, daß die Kammern frustriert sind, denn, allen BRAO-<br />

Vorlagepflichten zum Trotz mußten sie schon in der „guten<br />

alten Zeit“ erleben, daß größere Sozietäten die um Vorlage<br />

ihrer Sozietätsverträge aus gegebenem Anlaß gebeten worden<br />

waren, erklärten, so etwas hätten sie gar nicht, es sei<br />

alles nur mündlich. Nach meiner Einschätzung hat sich die<br />

Anwaltschaft längst mit der Sonderstellung der Mega-Firms<br />

abgefunden. Niemand kann aber im Ernst glauben, das bleibe<br />

ohne Einfluß auf das innere Berufsbild überhaupt. Die<br />

dritte Gruppe der deutschen Anwaltschaft, die „Nischen-<br />

Anwälte“ oder sogenannte Boutiquen sind in einer Sonderposition.<br />

Die Spezialisten pfuschen im allgemeinen der Basis<br />

nicht ins Handwerk. Sie werden vielmehr bei Bedarf<br />

konsiliarisch zugezogen. Für die Mega-Firms sind viele<br />

dieser Spezialbereiche entweder außerhalb der allgemeinen<br />

Wirtschaftsberatung oder vom Aufkommen her wirtschaftlich<br />

nicht interessant. Wettbewerb innerhalb der Nischen-<br />

Anwälte ist ebenfalls gering ausgeprägt, weil die eine Spezialität<br />

mit der anderen meist nichts zu tun hat. Das ist alles<br />

sehr pauschal gesehen, soll aber zeigen, daß das innere Berufsbild<br />

durch Außendruck stark beeinflußt wird. Ich halte<br />

es deshalb insgesamt für eine wichtige berufspolitische<br />

Aufgabe, zu versuchen, verschiedene Stränge noch in einer<br />

Linie zu bündeln. Ich muß nicht sagen, daß das ein schwieriges<br />

Unterfangen ist, wenn man bedenkt, daß wir von einem<br />

inneren Berufsbild reden.<br />

Anwaltliche Selbstverwaltung<br />

im Wandel<br />

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach<br />

1. Einführung<br />

Das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der<br />

Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2.9.1994 1 hat die<br />

anwaltliche Selbstverwaltung verändert. Bis zu den Entscheidungen<br />

des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1987 2<br />

war es Aufgabe der Bundesrechtsanwaltskammer, die allgemeine<br />

Auffassung über Fragen der Ausübung des Anwaltsberufs<br />

in Richtlinien festzustellen (§ 177 Abs. 2 Nr. 2<br />

BRAO). Diese Aufgabe ging der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

verloren, weil die gesetzliche Regelung des früheren<br />

§ 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO mit demokratischen Grundsätzen<br />

nicht vereinbar war. Der Gesetzgeber musste deshalb ein<br />

demokratisch legitimiertes Gremium schaffen, das sich aus<br />

Mitgliedern zusammensetzt, deren Mitgliedschaft auf eine<br />

unmittelbare Wahlentscheidung aller Rechtsanwälte zurückzuführen<br />

ist 3 . Das geschah durch die Einrichtung einer Satzungsversammlung<br />

(§§ 191a-191e BRAO). Deren Mitglieder<br />

werden in geheimer und unmittelbarer Wahl von den<br />

Rechtsanwälten gewählt (§ 191b Abs. 2 BRAO) und bilden<br />

unter der Bezeichnung „Satzungsversammlung“ ein Parlament<br />

der Rechtsanwaltschaft. Der Satzungsversammlung<br />

obliegt der Erlass einer Berufsordnung für die Ausübung<br />

des Rechtsanwaltsberufes (§ 191a Abs. 2 BRAO). Dieser<br />

Aufgabe ist die Satzungsversammlung inzwischen nachgekommen.<br />

Sie hat eine Berufs- und Fachanwaltsordnung erlassen,<br />

die nach herrschender Auffassung am 11.3.1997 in<br />

Kraft getreten 4 und inzwischen auch schon überarbeitet 5<br />

worden ist.<br />

1 BGBl. I 2278.<br />

2 BVerfGE 76, 171 = NJW 1988, 191; BVerfGE 76, 196 = NJW 1988, 193.<br />

3 BR-Drucks. 93/93, S. 108 f.; ausführlich dazu Hartung/Holl-Hartung, Anwaltliche<br />

Berufsordnung, Kommentar und Berufsrechts-ABC, Einf. Rdnr. 7-11;<br />

Henssler/PrüttingHartung, Vorb 60 Rdnr. 18 ff., § 191a Rdnr. 1-6.<br />

4 So Kleine-Cosack NJW 1997, 1257; Zuck MDR 1997, 325; a. A. Hartung<br />

AnwBl 1997, 65; vgl. auch Römermann NJW 19; Starke NVwZ 1995, 1186;<br />

OVG Münster NVwZ-RR 1997, 172.<br />

5 BRAK-Mitt. 1999, 121 ff.


10<br />

l<br />

Die Einrichtung der Satzungsversammlung mit der<br />

Kompetenz, eine Berufsordnung als Satzung zu erlassen,<br />

hat erstmals seit dem Inkrafttreten der Rechtsanwaltsordnung<br />

von 1878 die Organe anwaltlicher Selbstverwaltung<br />

vermehrt. Neben die Bundesrechtsanwaltskammer, die als<br />

Verbandskörperschaft des öffentlichen Rechts die regionalen<br />

Rechtsanwaltskammern zu ihren Mitgliedern zählt, und<br />

neben die regionalen Rechtsanwaltskammern, denen alle<br />

im jeweiligen Kammerbezirk zugelassenen Rechtsanwälte<br />

durch Pflichtmitgliedschaft angehören, tritt nunmehr die<br />

Satzungsversammlung. Die dadurch entstandene Dreigliedrigkeit<br />

anwaltlicher Selbstverwaltung wirft die Frage auf,<br />

ob die Aufgaben, die nunmehr drei Organen anwaltlicher<br />

Selbstverwaltung obliegen, richtig verteilt sind oder neu geordnet<br />

werden sollten.<br />

2. Istzustand<br />

Zur Zeit sind die den regionalen Rechtsanwaltskammern,<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer und der Satzungsversammlung<br />

übertragenen Aufgaben wie folgt verteilt:<br />

a. Aufgaben der regionalen Rechtsanwaltskammern<br />

Den regionalen Rechtsanwaltskammern, deren Mitglieder<br />

die in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte sind,<br />

obliegt es, durch ihren Vorstand die Belange der Kammer<br />

zu wahren und zu fördern (§ 73 Abs. 1 BRAO) und insbesondere<br />

die in § 73 Abs. 2 BRAO genannten Aufgaben zu<br />

erfüllen. Dazu gehört insbesondere,<br />

1. die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten<br />

zu beraten und zu belehren;<br />

2. auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern<br />

der Kammer zu vermitteln;<br />

3. auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern<br />

der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln;<br />

4. die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden<br />

Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge<br />

zu handhaben;<br />

5. Rechtsanwälte für die Ernennung zu Mitgliedern des<br />

Anwaltsgerichts und des Anwaltsgerichtshofs vorzuschlagen;<br />

6. Vorschläge gemäß §§ 107 und 166 der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

vorzulegen;<br />

7. der Versammlung der Kammer über die Verwaltung<br />

des Vermögens jährlich Rechnung zu legen;<br />

8. Gutachten zu erstatten, die eine Landesjustizverwaltung,<br />

ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;<br />

9. bei der Ausbildung der Referendare mitzuwirken;<br />

10. die anwaltlichen Mitglieder der juristischen Prüfungsausschüsse<br />

vorzuschlagen.<br />

In jüngster Zeit ist der Aufgabenbereich der regionalen<br />

Rechtsanwaltskammern noch erweitert worden. Gemäß<br />

§ 224a BRAO können die Landesjustizverwaltungen, denen<br />

bisher die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oblag, diese<br />

Aufgabe den Rechtsanwaltskammern übertragen. Das ist in<br />

verschiedenen Bundesländern bereits geschehen. Dadurch<br />

wird die anwaltliche Selbstverwaltung wesentlich gestärkt.<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

b. Aufgaben der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat durch die Einrichtung<br />

der Satzungsversammlung an Bedeutung verloren.<br />

Anders als bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 14.7.1987 6 ist sie an der Bildung und<br />

Fortentwicklung des Berufsrechts nicht mehr beteiligt. Der<br />

Bundesrechtsanwaltskammer obliegt es nur noch, die ihr<br />

durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (§ 177<br />

Abs. 1 BRAO) und in einem abgestuften Verfahren in Fragen,<br />

die die Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern angehen,<br />

an der Meinungsbildung mitzuwirken und im Wege<br />

gemeinschaftlicher Aussprache die Auffassung der Mehrheit<br />

der Rechtsanwaltskammern zu ermitteln (§ 177 Abs. 2<br />

Nr. 1 BRAO). Des Weiteren ist es Aufgabe der Bundesrechtsanwaltskammer,<br />

Richtlinien für die Fürsorgeeinrichtungen<br />

aufzustellen (§ 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO), in allen die<br />

Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern berührenden Angelegenheiten<br />

ihre eigene Auffassung den zuständigen Behörden<br />

und Gerichten gegenüber zur Geltung zu bringen<br />

(§ 177 Abs. 2 Nr. 3 BRAO), die Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern<br />

gegenüber Behörden und Organisationen zu<br />

vertreten (§ 177 Abs. 2 Nr. 4 BRAO), Gutachten zu erstatten,<br />

die eine an der Gesetzgebung beteiligte Behörde oder<br />

Körperschaft des Bundes oder ein Bundesgericht anfordert<br />

(§ 177 Abs. 2 Nr. 5) und die berufliche Fortbildung der<br />

Rechtsanwälte zu fördern (§ 177 Abs. 2 Nr. 6 BRAO).<br />

Soweit in dem Aufgabenkatalog des § 177 Abs. 2<br />

BRAO von der „Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern“<br />

die Rede ist, meint dieser Begriff die Gesamtheit der<br />

Rechtsanwälte, soweit die Kammern ihnen gegenüber Aufgaben<br />

wahrzunehmen haben. Das folgt aus der Aufgabenregelung<br />

des § 73 Abs. 1 BRAO. Danach hat der Vorstand<br />

einer regionalen Rechtsanwaltskammer die Belange der<br />

Kammer zu wahren und zu fördern. Die Belange der<br />

Rechtsanwaltskammer sind die Belange ihrer Mitglieder im<br />

Aufgabenbereich der Kammern. Das verdeutlichen die vergleichbaren<br />

Regelungen in § 76 Abs. 1 StBerG und § 57<br />

Abs. 2 WPO 7 . Gerade die Fragen, die alle Rechtsanwälte<br />

berühren, werden aber in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

nicht nach demokratischen Grundsätzen<br />

gelöst. Das liegt an der Regelung des § 190 Abs. 1<br />

BRAO. Nach dieser Vorschrift hat jede Rechtsanwaltskammer<br />

in der Hauptversammlung ohne Rücksicht auf die<br />

Zahl ihrer Mitglieder nur eine Stimme. So repräsentieren<br />

15 Kammern mit 20.166 Mitgliedern nur etwa 22% aller<br />

Rechtsanwälte, die übrigen 13 Kammern mit 71.348 Mitgliedern<br />

etwa 78%. Das verdeutlicht, dass – bezogen auf<br />

die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte – eine Minderheit<br />

von rund 22% ihren Willen gegen eine Mehrheit von rund<br />

78% durchsetzen kann. So ist es nicht verwunderlich, dass<br />

die Anwaltschaft in der Vergangenheit durch die Bundesrechtsanwaltskammer<br />

nicht recht vertreten werden konnte<br />

und sich auch wiederholt schlecht vertreten fühlte. Das gilt<br />

z. B. für die überörtliche Anwaltssozietät und für die Anwalts-GmbH.<br />

Hätten nicht die ordentlichen Gerichte bzw.<br />

der Gesetzgeber geholfen, gäbe es nach dem Willen der<br />

Bundesrechtsanwaltskammer überörtliche Sozietäten und<br />

die Anwalts-GmbH bis heute nicht.<br />

6 BVerfGE 76, 171 = NJW 1988, 191; BVerfGE 76, 196 = NJW 1988, 193.<br />

7 Vgl. Henssler/Prütting-Hartung, § 73 Rdnr. 10.


AnwBl 1/2000 11<br />

Aufsätze l<br />

Die Schwäche der gesetzlichen Regelung liegt darin,<br />

dass sie den in Art. 38 GG festgelegten Wahlgrundsätzen<br />

nicht entspricht, nämlich sowohl der Grundsatz einer unmittelbaren<br />

Wahl noch der Grundsatz der Stimmengleichheit<br />

beachtet wird. Das ist zugleich der Grund dafür, weshalb<br />

die Bundesrechtsanwaltskammer kaum das Interesse<br />

der Anwaltschaft findet, obwohl sie sich als berufliche Vertretung<br />

aller Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland<br />

versteht.<br />

c. Aufgaben der Satzungsversammlung<br />

Die Satzungsversammlung hat gemäß § 191a Abs. 2<br />

BRAO die (bisher einzige) Aufgabe, als Satzung eine Berufsordnung<br />

für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs<br />

unter Berücksichtigung der beruflichen Pflichten und nach<br />

Maßgabe des § 59b BRAO zu erlassen. Das ist keine einmalige<br />

Aufgabe, die mit dem Erlass einer Berufsordnung<br />

endet. Vielmehr ist die Satzungsversammlung ein auf Dauer<br />

bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtetes Gremium,<br />

dessen Mitglieder alle vier Jahre gewählt werden<br />

müssen (§ 191b Abs. 3 i. V. m § 68 Abs. 1 BRAO) und das<br />

legitimiert ist, die einmal erlassene Berufsordnung zu ändern,<br />

zu ergänzen oder in den von § 59b BRAO gezogenen<br />

Grenzen zu erweitern. Dabei ist unter Berufsordnung auch<br />

die Fachanwaltsordnung zu verstehen (§ 59b Abs. 2 Nr. 2a<br />

und b BRAO).<br />

III. Gestaltungsmöglichkeiten<br />

Der damit umschriebene Ist-Zustand drängt zu der Frage,<br />

ob die nach der Einrichtung einer Satzungsversammlung<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer verbliebenen Aufgaben<br />

zwischen beiden Gremien anders verteilt werden<br />

sollten. Diese Frage erlaubt nur zwei Antworten.<br />

1. Die eine Antwort lautet, alles bleibt wie es ist. Diese<br />

Antwort wird auf den wenigsten Widerstand stoßen. Man<br />

kann den Verlust der Richtlinienkompetenz und die dadurch<br />

bedingte Schwächung der Bundesrechtsanwaltskammer beklagen<br />

und sich dennoch damit zufrieden geben, dass<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer mit den in § 177 Abs. 2<br />

Nr. 2 -6 BRAO übertragenen Aufgaben ein beachtlicher Zuständigkeitsbereich<br />

verbleibt.<br />

2. Die andere Antwort könnte sein, die Zuständigkeit<br />

der Satzungsversammlung (Legislative) zu Lasten der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

(Exekutive) zu stärken. Für sie<br />

spricht, dass die Anwaltschaft in der Satzungsversammlung<br />

durch die von ihr gewählten Vertreter und damit viel besser<br />

als in der Bundesrechtsanwaltskammer als Verbandskörperschaft<br />

repräsentiert wird, in deren Hauptversammlung jede<br />

Rechtsanwaltskammer ohne Rücksicht auf die Zahl ihrer<br />

Mitglieder nur eine Stimme hat.<br />

IV.Wille der Anwaltschaft<br />

Eine sachgerechte Antwort können nicht die Selbstverwaltungskörperschaften<br />

der Anwaltschaft geben. Sie sind<br />

naturgemäß bestrebt, ihren Einflussbereich zu erhalten und<br />

nach Möglichkeit zu vergrößern. Die „richtige“ Antwort<br />

können vielmehr nur die Rechtsanwälte selbst geben. Sie<br />

müssen entscheiden, bei welcher Selbstverwaltungskörperschaft<br />

sie ihre Interessen am besten gewahrt sehen. Deshalb<br />

ist die entscheidende Frage, was die Anwaltschaft will.<br />

Diese Frage müsste durch eine Befragung aller Rechtsanwälte<br />

beantwortet werden. Bei der Interessenlosigkeit der<br />

Anwaltschaft, die sie den Problemen ihres Berufsstandes<br />

entgegenbringt, ist allerdings zu bezweifeln, ob eine Abstimmung<br />

in Kammerversammlungen ein repräsentatives<br />

Bild bringen würde. Die Kammerversammlungen werden<br />

durchweg nur von allenfalls 2% bis 5% aller Mitglieder<br />

besucht. Deshalb wäre es angezeigt, eine schriftliche Abstimmung<br />

durchzuführen.<br />

V. Eigene Meinung<br />

Wer die anwaltliche Selbstverwaltung über eine lange<br />

Zeit aufmerksam verfolgt, kann der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

nicht absprechen, in der anwaltlichen Selbstverwaltung<br />

unentbehrlich zu sein. Allerdings sollten die Aufgaben<br />

zwischen ihr und der Satzungsversammlung neu geregelt<br />

werden. Als öffentlich-rechtliche Verbandskörperschaft, die<br />

mittelbare Staatsgewalt ausübt, ist die Bundesrechtsanwaltskammer<br />

der vollziehenden Gewalt zuzurechnen. Ihre Organisation<br />

und ihre Willensbildung müssen deshalb dem demokratischen<br />

Prinzip i. S. d. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG<br />

genügen8 . Selbstverwaltung in einem demokratischen Staat<br />

darf keine „Honoratiorenverwaltung“ sein9 . Deshalb dürfen<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer keine freiheitsbeschränkenden<br />

Maßnahmen zu Lasten des einzelnen Rechtsanwalts<br />

obliegen. Andernfalls würde die Bundesrechtsanwaltskammer<br />

mit einer auf der formaljuristischen Stimmengleichheit<br />

beruhenden Mehrheit, die der mehrheitlichen Auffassung<br />

der Rechtsanwälte nicht entspricht, in Grundrechte des einzelnen<br />

Rechtsanwalts eingreifen können. Solche Eingriffe<br />

sind in der Vergangenheit erfolgt. Das belegen – pars pro<br />

toto – die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts<br />

zum Versäumnisurteil10 und zum Zweitberuf11 . Deshalb sollten<br />

alle Aufgaben, die die Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern<br />

und damit die Rechtsanwälte, soweit der Aufgabenbereich<br />

der Kammern reicht, berühren, der<br />

Satzungsversammlung übertragen werden. In ihr wird die<br />

Anwaltschaft durch geheim und unmittelbar gewählte Vertreter<br />

demokratisch vertreten. Die Bundesrechtsanwaltskammer<br />

behielte dennoch ihre Existenzberechtigung. Sie hätte<br />

die Interessen ihrer Mitglieder, also der Rechtsanwaltskammern<br />

zu vertreten und in allen Fragen, die die Gesamtheit<br />

der Rechtsanwälte betreffen, die von der Satzungsversammlung<br />

gefassten Beschlüsse auszuführen. Die Erledigung aller<br />

in § 177 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BRAO der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

übertragenen Aufgaben würde nicht mehr von<br />

der Mehrheit der Rechtsanwaltskammern bestimmt, die sich<br />

gemäß § 190 Abs. 1 BRAO aus einer Abstimmung in der<br />

Hauptversammlung mit einer Stimme pro Rechtsanwaltskammer<br />

ergibt, sondern von der Mehrheit der von den<br />

Rechtsanwälten unmittelbar gewählten Vertreter. Für die<br />

Struktur der Selbstverwaltung der Anwaltschaft hätte das<br />

Folgende Konsequenzen:<br />

1. Die Bundesrechtsanwaltskammer hätte eine Doppelfunktion.<br />

Einerseits bliebe sie Verbandskörperschaft und damit<br />

Dachorganisation aller regionalen Rechtsanwaltskam-<br />

8 Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 191 ff.<br />

9 So zutreffend Pietzcker NJW 1987, 1308 (1310).<br />

10 BVerfG NJW 1993; 121; vgl. auch BGH NJW 1991, 42; Kleine-Cosack NJW<br />

1988, 172; ders. EWiR 1991, 57. Vgl. auch LG Stuttgart NJW 1994, 1884 und<br />

zum Ganzen grundlegend G. W. Hartung, Das anwaltliche Verbot des Versäumnisurteils,<br />

1991.<br />

11 BVerfGE 87, 287 = NJW 1993, 317; vgl. auch Kleine-Cosack ZIP 1991,<br />

1337; ders. EWiR 1991, 783; ders. NJW 1993, 1289; siehe ferner Fischer<br />

AnwBl 1992, 205.


12<br />

l<br />

mern. In dieser Eigenschaft hätte sie die ihr in § 177 Abs. 2<br />

BRAO übertragenen Aufgaben zu erledigen. Andererseits<br />

wäre sie Exekutivorgan der Satzungsversammlung, indem<br />

sie die von der Satzungsversammlung gefassten Beschlüsse<br />

umzusetzen und zu verwirklichen hätte. Im organisatorischen<br />

Bereich ist das schon geltendes Recht, wie die im<br />

§ 191a Abs. 1 BRAO angeordnete Organleihe zeigt.<br />

2. Die Satzungsversammlung wäre die Legislative. Sie<br />

würde nicht nur das Berufsrecht regeln, sondern auch alle<br />

anderen Fragen, die die Gesamtheit der Rechtsanwälte betreffen,<br />

entscheiden. Die Bundesrechtsanwaltskammer hätte<br />

in ihrer Funktion als Exekutivorgan die von der Satzungsversammlung<br />

gefassten Beschlüsse auszuführen. Der Vorsitzende<br />

der Satzungsversammlung dürfte dann allerdings<br />

nicht mehr der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

sein, die Mitglieder der Satzungsversammlung müssten<br />

ihren Vorsitzenden vielmehr aus ihren eigenen Reihen wählen.<br />

Nachfolgendes Schaubild soll die denkbaren neuen<br />

Strukturen verdeutlichen:<br />

BRAK Satzungsversammlung<br />

BRAK<br />

Mitglieder sind die<br />

Rechtsanwaltskammern<br />

Der Kammerpräsident<br />

vertritt die RAK in<br />

der BRAK<br />

Der Kammervorstand<br />

wählt den Präsidenten und<br />

das Präsidium<br />

Die Mitglieder der RAK<br />

wählen deren Vorstand<br />

RAK<br />

Jeder Rechtsanwalt ist<br />

Zwangsmitglied der für<br />

ihn zuständigen<br />

Rechtsanwaltskammer<br />

BRAK führt Beschlüsse der<br />

Satzungsversammlung aus<br />

(Exekutive)<br />

Satzungsversammlung<br />

(Legislative)<br />

Pro 1.000 Rechtsanwälte<br />

wählen je ein Mitglied in die<br />

Satzungsversammlung<br />

Anwaltschaft<br />

VI. Ergebnis<br />

Die Anwaltschaft sollte darüber nachdenken, welches<br />

Organ anwaltlicher Selbstverwaltung berufen sein soll, die<br />

Interessen der Rechtsanwälte zu vertreten. Am besten wäre<br />

es, wenn die Anwaltschaft diese Frage selbst beantworten<br />

und der Gesetzgeber anschließend eine gesetzliche Neuregelung<br />

herbeiführen würde, die dem Willen der Mehrheit<br />

der Rechtsanwälte entspricht. Käme es zu einer Befragung<br />

aller Rechtsanwälte, wer ihre Interessen künftig bundesweit<br />

vertreten soll, stünden nicht Prestige, Ansehen und Reputation<br />

der einzelnen Organe anwaltlicher Selbstverwaltung<br />

zur Abstimmung. Vielmehr ginge es darum, die optimalste<br />

und effizienteste Interessenvertretung zu wählen. Sie sollte<br />

bei der Satzungsversammlung liegen, weil ihre Mitglieder<br />

von den Rechtsanwälten in unmittelbarer und geheimer<br />

Wahl gewählt werden und so jeder Rechtsanwalt diejenigen<br />

Kandidaten in die Satzungsversammlung wählen kann, von<br />

denen er glaubt, dass sie seine Interessen am besten vertreten.<br />

Die damit verbundene Neuregelung anwaltlicher<br />

Selbstverwaltung würde eine bessere demokratische Selbstverwaltung<br />

Gewähr leisten und die Anwaltschaft vor Entscheidungen<br />

schützen, die von den Präsidenten der regionalen<br />

Rechtsanwaltskammern mit einer Stimme pro Kammer<br />

getroffen werden, aber keineswegs immer dem Willen der<br />

Mehrheit aller Rechtsanwälte entsprechen.<br />

AnwBl 1/2000<br />

Die Rechtsprechung des<br />

Senats für Notarsachen des<br />

Bundesgerichtshofs<br />

Vors. Richter am BGH Dr. Eberhard Rinne, Karlsruhe<br />

Aufsätze<br />

Dies ist das erste Mal, daß ich als Vorsitzender des Senats<br />

für Notarsachen des Bundesgerichtshofs die Gelegenheit<br />

wahrnehme, die neuere Rechtsprechung des Senats im<br />

Rahmen eines Vortrags darzustellen. Daß dies in einer Veranstaltung<br />

des Deutschen Anwaltvereins geschieht, bitte<br />

ich auch als Geste zu verstehen. Mir liegt in besonderem<br />

Maße daran, als Mitglied eines Spruchkörpers, dem in letzter<br />

Instanz das Berufsrecht aller Notare anvertraut ist, dessen<br />

Spruchtätigkeit gerade der Anwaltschaft gegenüber, die<br />

mit dem Stand der Notare institutionell eng verbunden ist,<br />

darstellen und hoffentlich verständlich machen zu dürfen.<br />

I.<br />

Erlauben Sie mir, auch wenn ich damit bei vielen offene<br />

Türen einrenne, eingangs ein paar Bemerkungen zur Organisation<br />

und Arbeitsweise des Senats für Notarsachen des<br />

Bundesgerichtshofs vorzutragen.<br />

Der Senat entscheidet sowohl in Notarverwaltungssachen<br />

als auch in Disziplinarsachen als zweite und letzte<br />

Tatsachen- und Rechtsinstanz in der Besetzung mit dem<br />

Vorsitzenden, zwei Berufsrichtern und zwei Notaren. Der<br />

Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen „mindestens“<br />

Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof sein; die richterlichen<br />

Beisitzer und ihre Stellvertreter sind Richter am<br />

Bundesgerichtshof. Sie alle werden vom Präsidium des<br />

Bundesgerichtshofs für die Dauer von vier Jahren bestellt.<br />

Die Beisitzer aus den Reihen der Notare werden vom<br />

Bundesjustizminister, der auch die Zahl der Beisitzer bestimmt,<br />

nach Beteiligung der Notarkammern ebenfalls für<br />

vier Jahre berufen.<br />

Derzeit besteht der Senat (von den Stellvertretern abgesehen)<br />

aus dem Vorsitzenden, fünf Bundesrichtern und fünf<br />

Notaren, von denen drei Nurnotare und zwei Anwaltsnotare<br />

sind.<br />

So viel zur Organisation und nun zur – aus meiner Sicht<br />

erfreulichen – Arbeitsweise:<br />

Der Senat tagt bei jährlichen Eingängen von etwa 50 Sachen<br />

alle vier Monate in wechselnder, im voraus festgelegter<br />

Besetzung; vom Wechsel ausgenommen ist allein der<br />

Vorsitzende. Die Notare sind nicht nur auf dem Papier, sondern<br />

auch tatsächlich in vollem Umfang in den Senat integriert;<br />

dies zeigt sich etwa darin, daß sie Berichterstattungen<br />

übernehmen. Sie sind keine Interessenvertreter und<br />

verstehen sich auch nicht als solche. Ihre Aufgabe besteht<br />

nicht allein darin, ihren Sachverstand und ihre Erfahrungen<br />

aus der notariellen Praxis in die Rechtsfindung einzubrin-


AnwBl 1/2000 13<br />

Aufsätze l<br />

gen, sondern sie sind – nicht anders als die Berufsrichter –<br />

in vollem Umfang für die gesamte tatsächliche Aufbereitung<br />

und rechtliche Beurteilung eines jeden Falles mitverantwortlich.<br />

Sie haben also, wie das Gesetz es ausdrückt,<br />

während der Dauer ihres Ehrenamtes alle Rechte und<br />

Pflichten eines Berufsrichters. Dieser Verantwortung stellen<br />

sie sich sowohl bei der Vorbereitung der Sachen als auch in<br />

der Verhandlung und Beratung mit großem Engagement.<br />

Dabei vollzieht sich die Arbeit im Senat in vorbildlicher<br />

kollegialer Atmosphäre. Solange ich zurückdenken kann,<br />

sind grundlegende Differenzen weder zwischen Richtern<br />

und Notaren noch zwischen Anwalts- und Nurnotaren aufgetreten.<br />

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal ganz offiziell<br />

und mit Außenwirkung feststellen: Ohne die Mitwirkung<br />

der Notare wäre der Senat für Notarsachen des<br />

Bundesgerichtshofs qualitativ nicht das, was er zu sein<br />

hofft.<br />

Die Tätigkeit im Notarsenat ist für alle Beteiligten<br />

zwangsläufig mit erheblichen zusätzlichen Belastungen verbunden.<br />

Was die Notare angeht, so wird Ihnen dies unmittelbar<br />

einleuchten. Die beteiligten Richter gehören sämtlich<br />

anderen Senaten, ihren Stammsenaten, an; auch sie müssen<br />

die Arbeit im Spezialsenat als zusätzliche Bürde verkraften.<br />

So gesehen muß auch die Frage erlaubt sein, ob es wirklich<br />

gerechtfertigt ist, einzelnen Berufsgruppen den Zugang<br />

zum Bundesgerichtshof als Tatsacheninstanz zu eröffnen.<br />

Die Behandlung dieses komplexen Themas, dessen Erörterung<br />

bei der geplanten Justizreform nicht ausgespart bleiben<br />

sollte, würde indessen den Rahmen meines Vortrages<br />

sprengen.<br />

II.<br />

Die folgenden Ausführungen zur Rechtsprechung des<br />

Senats für Notarsachen des Bundesgerichtshofs sollen in<br />

vier Punkte untergliedert werden:<br />

– Errichtung von Notarstellen<br />

– Zugang zum Notariat<br />

– Amtsausübung<br />

– Beendigung des Amtsverhältnisses<br />

In dem jeweiligen Zusammenhang wird, soweit dies erforderlich<br />

ist, auch auf verfahrensrechtliche Fragen einzugehen<br />

sein. Aussparen möchte ich den Bereich des Organisationsrechts,<br />

insbesondere also Fragen, die im<br />

Zusammenhang mit der Tätigkeit der Notarkammern und<br />

der Notarkassen stehen. Ebensowenig soll sich mein Bericht<br />

auf die Rechtsprechung des Senats zu den aus der<br />

deutschen Einigung entstandenen Problemen im Bereich<br />

der vorsorgenden Rechtspflege erstrecken; darüber wird in<br />

der Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Bundesgerichtshofs<br />

gesondert zu berichten sein.<br />

1. Errichtung von Notarstellen<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die<br />

Errichtung einer Notarstelle kein Verwaltungsakt, sondern<br />

nur ein verwaltungsinterner Vorgang ohne Regelungscharakter.<br />

Dementsprechend ist auch die Bestimmung der Zahl der<br />

Amtsinhaber und der Zuschnitt der Notariate der Organisationsgewalt<br />

des Staates vorbehalten (zuletzt Beschluß vom<br />

20. Juli 1998 – NotZ 31/97 – DNotZ 1999, 251 m. w. N.).<br />

Dies bedeutet, daß die Errichtung der Stelle oder deren Ablehnung<br />

als solche nicht mit dem Antrag auf gerichtliche<br />

Entscheidung (§ 111 BNotO) anfechtbar ist.<br />

Trotzdem gewähren die Gerichte auch in diesem Bereich<br />

auf folgendem Umweg Rechtsschutz:<br />

Eine Landesjustizverwaltung errichtete in einer Kleinstadt,<br />

in der bereits drei Notariate bestanden, eine weitere<br />

Notarstelle. Dies griff einer der ortsansässigen Notare mit<br />

dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an. Der Senat<br />

hat diesen Antrag – im Sinne einer „kundenfreundlichen“<br />

Auslegung – auch unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob der<br />

Antragsteller verlangen könne, daß dem Antragsgegner<br />

(der Landesjustizverwaltung) jedenfalls die Besetzung der<br />

neu errichteten Notarstelle untersagt werde (aaO m. w. N.).<br />

Dies knüpft an eine gefestigte Rechtsprechung an, die von<br />

der Erwägung getragen wird, daß die Justizverwaltung bei<br />

der Ausübung des ihr eingeräumten Organisationsermessens<br />

nach § 4 BNotO subjektive Rechte von Amtsinhabern<br />

insoweit zu wahren hat, als jedem Notar zur Erfüllung seiner<br />

öffentlichen Aufgabe ein Mindestmaß an wirtschaftlicher<br />

Unabhängigkeit gewährleistet ist. Dabei ist auch der<br />

Gesichtspunkt der Selbstbindung der Justizverwaltung an<br />

von ihr selbst aufgestellte Richtzahlen – bezogen auf den<br />

Zeitpunkt der Stellenerrichtung – zu beachten. Geht nun in<br />

der Zeit zwischen der Stellenerrichtung und der endgültigen<br />

gerichtlichen Entscheidung über die Besetzung das<br />

Gesamturkundsaufkommen der betreffenden Notariate zurück,<br />

so stellt sich die Frage, ob das Beschwerdegericht<br />

dies berücksichtigen darf oder gar muß. Die uneingeschränkte<br />

Berücksichtigung würde außer Betracht lassen,<br />

daß die Landesjustizverwaltung mit der Besetzung der Notarstelle<br />

lediglich ihre Errichtungsentscheidung umsetzt, die<br />

ihrerseits der Anfechtung entzogen ist. Auf der anderen<br />

Seite würde sich bei einem krassen Rückgang der Beurkundungszahlen<br />

der Gesamtvorgang (Errichtung und Besetzung<br />

der Stelle) im Ergebnis als nicht hinnehmbare Fehlentscheidung<br />

zu Lasten der bestehenden Notariate<br />

erweisen. Der Bundesgerichtshofs hat deshalb entschieden,<br />

daß der Rückgang der Urkundszahlen in einem solchen Fall<br />

(nur) insoweit zu berücksichtigen ist, als infolge des Rückgangs<br />

die wirtschaftliche Grundlage der bestehenden Notariate<br />

nicht mehr gewährleistet ist.<br />

Die Entscheidung bietet ein gutes Beispiel dafür, wie<br />

die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Berufsrecht der<br />

Notare im Einzelfall mit materiell- und prozeßrechtlichen<br />

Mitteln den für notwendig erachteten Interessenausgleich<br />

zu finden sucht.<br />

2. Im Mittelpunkt der den Zugang zum Notariat betreffenden<br />

Regelung steht das Erfordernis der Eignung: Nur<br />

solche Bewerber sind zu Notaren zu bestellen, die nach<br />

hrer Persönlichkeit und ihren Leistungen für das Amt des<br />

Notars geeignet sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO).<br />

a) Der Inhalt des Rechtsbegriffs der persönlichen Eignung<br />

richtet sich an der Grundforderung der Bundesnotarordnung<br />

aus, eine geordnete vorsorgende Rechtspflege zu<br />

gewährleisten. Persönlich geeignet ist der Bewerber, dessen<br />

innere und äußere Eigenschaften, wie sie sich insbesondere<br />

in seinem Verhalten offenbaren, keine begründeten Zweifel<br />

daran aufkommen lassen, daß er die Aufgaben und Pflichten<br />

eines Notars uneingeschränkt erfüllen werde (BGHZ<br />

134, 137, 139).<br />

Solche Definitionen mögen aus der Sicht der Bewerber<br />

insofern unbefriedigend erscheinen, als sie dem Rechtsanwender<br />

weite Bewertungsspielräume eröffnen. Daran<br />

ändert auch der von der Rechtsprechung ständig wiederholte<br />

Hinweis nichts, daß der an die erforderliche Eignung<br />

des Bewerbers anzulegende Maßstab wegen der Bedeutung


14<br />

l<br />

des Notaramtes nicht zu milde sein dürfe (vgl. nur Senatsbeschluß<br />

vom 18. September 1995 – NotZ 30/94 – NJW-<br />

RR 1996, 311). Gleichwohl enthält die Definition ein<br />

Steuerungselement, dessen Gewicht für die Durchführung<br />

von Bewerbungsverfahren nicht hoch genug einzuschätzen<br />

ist: Zwar sind bei der Prüfung der persönlichen Eignung<br />

stets alle Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu berücksichtigen.<br />

Der Bewerber kann aber nur dann zum Notar bestellt<br />

werden, wenn seine persönliche Eignung positiv feststeht.<br />

Solange also begründete Zweifel an seiner Eignung<br />

bestehen, ist ihm der Zugang zum Notaramt versperrt; ihn<br />

trifft mithin eine Feststellungslast (Senat aaO). An dieser<br />

Regel scheitert eine erhebliche Anzahl von Bewerbungen.<br />

Bei der Beurteilung, ob ein Bewerber die persönliche<br />

Eignung für das Notaramt besitzt, stellt sich in der Praxis<br />

häufig die Frage, welches Gewicht einem früheren Fehlverhalten<br />

des Bewerbers – auch als Rechtsanwalt – beizumessen<br />

ist. Dabei handelt es sich oftmals – wenn auch nicht<br />

notwendig – um Verhaltensweisen, die Gegenstand von<br />

Strafverfahren, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren<br />

oder anwaltsgerichtlichen Verfahren waren. In solchen<br />

Fällen ist im Bewerbungsverfahren selbständig zu prüfen,<br />

ob aus dem zugrundeliegenden Verhalten negative Folgerungen<br />

im Hinblick auf die persönlichen Anforderungen an<br />

einen Notar zu ziehen sind. Die entsprechenden Vorgänge<br />

sind deshalb auch dann verwertbar, wenn solche Verfahren<br />

mangels hinreichenden Tatverdachts, wegen geringfügigen<br />

Verschuldens oder aus anderen Gründen eingestellt worden<br />

sind. Soweit anwaltsgerichtliche Maßnahmen verhängt worden<br />

sind, dürfen entsprechende Registereintragungen im<br />

Bewerbungsverfahren bis zur Tilgungsreife verwertet werden<br />

(Beschluß vom 18. Sept. 1995 – NotZ 41/94 – NJW-<br />

RR 1996, 244). Im übrigen kann das Gewicht früheren<br />

Fehlverhaltens durch Zeitablauf so gemindert sein, daß daraus<br />

keine Rückschlüsse auf eine gegenwärtige persönliche<br />

Ungeeignetheit des Bewerbers mehr zu ziehen sind. Feststehende<br />

Regeln, ab welchem Zeitpunkt dem Zeitablauf<br />

eine solche Wirkung zukommt, gibt es aber nicht. Entscheidend<br />

sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalles<br />

(zum Ganzen Senatsbeschluß vom 10. März 1997 – NotZ<br />

22/96 – DNotZ 1997, 894, 899).<br />

b) Deutlich stärker als mit Fragen der persönlichen Eignung<br />

war der Bundesgerichtshof mit Fragen der fachlichen<br />

Eignung befaßt. Hier lag, ausgelöst durch das Änderungsgesetz<br />

vom 29. Januar 1991, einer der Schwerpunkte der<br />

Senatsrechtsprechung in den vergangenen Jahren. Gemeint<br />

sind die Entscheidungen zu den Anforderungen an die<br />

fachliche Eignung von Anwaltsnotaren und deren Bedeutung<br />

im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO.<br />

Die Streitigkeiten entzündeten sich vor allem am Tatbestandsmerkmal<br />

der „erfolgreichen Teilnahme an freiwilligen<br />

Vorbereitungskursen“ (§ 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO), dem<br />

die Landesjustizverwaltungen im Rahmen des von ihnen<br />

entwickelten Punktesystems Rechnung getragen hatten. Der<br />

Bundesgerichtshof hat die damals noch bestehenden Spielräume<br />

sehr schnell deutlich verengt, indem er in seinem bekannten<br />

Beschluß vom 13. Dezember 1993 (BGHZ 124,<br />

327) entschieden hat: Ein von einer beruflichen Organisation<br />

veranstalteter freiwilliger Vorbereitungskurs für das<br />

Amt des Anwaltsnotars kann von der Landesjustizverwaltung<br />

zum Nachweis der fachlichen Eignung oder bei der<br />

Auswahl unter mehreren Bewerbern nur berücksichtigt werden,<br />

wenn er mit einer Kontrolle des Erfolgs verbunden ist.<br />

Damit war ein Weg beschritten, der zwangsläufig seine<br />

Eigengesetzlichkeiten entwickeln mußte. So hat der Bun-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

desgerichtshof nicht nur die inhaltlichen Anforderungen an<br />

die Vorbereitungskurse näher umschrieben (Beschlüsse vom<br />

25. November 1996 – NotZ 46/95 – NJW-RR 1997, 948,<br />

949; vom 10. März 1997 – NotZ 21/96; vom 16. März 1998 –<br />

NotZ 15/97), sondern auch festgelegt, welchen Mindestinhalt<br />

die Bescheinigung der beruflichen Organisation über<br />

die Lehrgangsteilnahme haben muß (BGHZ 130, 356, 365).<br />

Außerdem hat er nachdrücklich darauf hingewiesen, daß jeder<br />

Teilnehmer seine Aufgaben selbst lösen muß, und zwar<br />

allein, nicht in Gruppenarbeit (Beschluß vom 22. März<br />

1999 – NotZ 2/99 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).<br />

Diese Rechtsprechung beruht auf einer stringenten, den<br />

Gesetzen der Logik verpflichteten Wortinterpretation unter<br />

Beachtung auch der systematischen Zusammenhänge. Dennoch<br />

habe ich Verständnis dafür, daß sie bei dem einen<br />

oder anderen real oder potentiell Betroffenen ein gewisses<br />

Unbehagen zurückläßt. Der Gesetzgeber wollte mit § 6<br />

Abs. 3 BNotO kein Verfahren einführen, das sich an ein<br />

„drittes Staatsexamen“ annähert (vgl. Senatsbeschluß vom<br />

16. März 1998 – NotZ 26/97 – NJW-RR 1998, 1598, 1599).<br />

Auch sollte man nicht aus dem Auge verlieren, daß es sich<br />

bei den Teilnehmern der Vorbereitungskurse um gestandene<br />

Anwälte mit jahrelanger Berufserfahrung handelt. Der Bundesgerichtshof<br />

hat versucht, die Härte des Kontrollsystems<br />

dadurch zu mildern, daß er entschieden hat, die Leistungskontrolle<br />

könne sich auf charakteristische Schwerpunkte<br />

der Lehrgänge beschränken und, soweit dadurch die Aussagekraft<br />

nicht beeinträchtigt werde, auch stichprobenartigen<br />

Charakter annehmen (BGHZ 130, 356, 365). Außerdem hat<br />

er in Übergangsfällen Vertrauensschutz gewährt und das<br />

Absehen von einer Erfolgskontrolle hingenommen (BGH<br />

aaO 366). Bedenken von Kritikern, denen die „ganze Richtung“<br />

nicht paßt, sind damit freilich nicht ausgeräumt.<br />

c) Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang betrifft<br />

die Frage, inwieweit die Entscheidung der Justizverwaltung<br />

über die Eignung eines Bewerbers und die Auswahl des<br />

besten unter mehreren Bewerbern der gerichtlichen Nachprüfung<br />

zugänglich ist, also das Problem der richterlichen<br />

Kontrolldichte. Insoweit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

einen Entwicklungsprozeß durchgemacht.<br />

Im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember<br />

1969 (BGHZ 53, 95, 98) hieß es allgemein, § 6 BNotO<br />

(a. F.) eröffne der Justizverwaltung kein Ermessen, sondern<br />

enthalte eine Generalklausel mit einem unbestimmten<br />

Rechtsbegriff, dessen Anwendung die Gerichte im Verfahren<br />

nach § 111 BNotO voll nachzuprüfen hätten. Dies hat<br />

der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 13. Dezember<br />

1993 (BGHZ 124, 327) mit Rücksicht auf die Neufassung<br />

des § 6 BNotO für das Auswahlverfahren ergänzt: Die vergleichende<br />

Beurteilung des Maßes der Eignung konkurrierender<br />

Bewerber durch die Landesjustizverwaltung sei von<br />

den Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, inhaltlich<br />

aber nicht zu wiederholen; bei der Festlegung der<br />

das Maß der Eignung bestimmenden Merkmale und bei deren<br />

Gewichtung stehe der Landesjustizverwaltung ein nur<br />

eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der<br />

Bundesgerichtshof hat darin keine Abweichung von seiner<br />

bisherigen Rechtsprechung gesehen, wonach der Justizverwaltung<br />

bei der Eignungsprüfung weder ein Ermessensnoch<br />

ein Beurteilungsspielraum zusteht. Dazu hat er ausgeführt:<br />

Die Eignung des Bewerbers sei Voraussetzung dafür,<br />

daß dieser überhaupt an dem Auswahlverfahren nach § 6<br />

Abs. 3 BNotO teilnehme; bei der Auswahlentscheidung<br />

gehe es dagegen darum, das verschiedene Maß der Eignung<br />

von Bewerbern, die allesamt dem Mindeststandard des § 6


AnwBl 1/2000 15<br />

Aufsätze l<br />

Abs. 1 Satz 1 BNotO genügten, vergleichend zu ermitteln;<br />

die höhere Komplexität der Auswahlentscheidung schließe<br />

eine gerichtliche Kontrolldichte, wie sie bei der Prüfung<br />

der Eignung als solcher möglich sei, aus (BGHZ 124, 327,<br />

331 f.). Danach gelten für die Intensität der richterlichen<br />

Nachprüfung unterschiedliche Maßstäbe, je nachdem, ob es<br />

um die Eignung der einzelnen Bewerber oder um die Auswahl<br />

unter mehreren geeigneten Bewerbern geht.<br />

Dieses Prüfungssystem hat der Bundesgerichtshof in seinem<br />

Beschluß vom 25. November 1996 (BGHZ 134, 137)<br />

in bezug auf die Beurteilung der persönlichen Eignung erneut<br />

fortentwickelt. Danach wohnt der Feststellung der persönlichen<br />

Eignung eines Bewerbers ein deutlich prognostisches<br />

Element inne. Hinsichtlich dieser Eignungsprognose<br />

steht der Landesjustizverwaltung ein Beurteilungsspielraum<br />

zu; die Gerichte sind insoweit auf die Kontrolle der Vertretbarkeit<br />

oder Plausibilität beschränkt. Damit hat der Senat<br />

die erforderliche Annäherung an die Rechtsprechung des<br />

Bundesverwaltungsgerichts zur Eignungsprüfung im Recht<br />

des öffentlichen Dienstes vollzogen. Die Zurücknahme der<br />

richterlichen Prüfungsintensität betrifft aber nur die Prognose<br />

als solche, nicht auch die sonstigen Elemente der<br />

Eignungsprüfung. Insoweit findet auch weiterhin eine volle<br />

gerichtliche Kontrolle statt. Das gilt für die Frage, ob die<br />

Justizverwaltung von einem zutreffenden Begriff der persönlichen<br />

Eignung ausgegangen ist, für die tatsächlichen<br />

Grundlagen der behördlichen Entscheidung sowie für die<br />

Zuordnung des Sachverhalts zur gesetzlichen Vorschrift.<br />

Letzteres betrifft z. B. die Prüfung, ob ein bestimmter Umstand<br />

überhaupt für die Eignung von Bedeutung ist.<br />

d) Lassen Sie mich die Ausführungen über den Zugang<br />

zum Notariat fortführen mit einigen Bemerkungen zur Bedeutung<br />

und Funktion der Bewerbungsfrist. Diese werden –<br />

wie das gesamte Auswahlverfahren – vom Gebot der Chancengleichheit<br />

beherrscht.<br />

Schon alsbald nach dem Inkrafttreten des § 6 Abs. 3<br />

BNotO im Jahre 1991 wurde die Frage streitig, ob Fortbildungsveranstaltungen,<br />

die ein Bewerber erst nach Ablauf<br />

der Bewerbungsfrist besucht hatte, noch bei der Auswahlentscheidung<br />

berücksichtigt werden könnten. Der Bundesgerichtshof<br />

hat dies in seinem Beschluß vom 25. April<br />

1995 (BGHZ 126, 39) verneint: die Sicherung der Chancengleichheit<br />

aller Bewerber um eine Anwaltsnotarstelle<br />

gebiete es, durch eine Stichtagsregelung für die vergleichende<br />

Bewertung der fachlichen Eignung einen Vergleichszeitraum<br />

festzusetzen, zu dem alle dafür maßgeblichen<br />

Leistungen erbracht sein müßten; ein geeigneter<br />

Stichtag sei das Ende der Bewerbungsfrist; er gewährleiste<br />

allen an der Auswahl beteiligten Stellen eine einheitliche,<br />

vollständige und unveränderbare Beurteilungsgrundlage sowie<br />

im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine sachlich<br />

und zeitlich effektive Stellenbesetzung.<br />

Diese vor allem das sogenannte „Nachpunkten“ betreffenden<br />

Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später auch<br />

auf den Nachweis der fachlichen Eignung nach § 6 Abs. 1<br />

BNotO angewandt (Beschluß vom 25. November 1996 –<br />

NotZ 1/96 – NJW-RR 1997, 696), nachdem er kurz zuvor<br />

entschieden hatte, die Bewerbungsfrist sei aus verfassungsrechtlichen<br />

Gründen als Ausschlußfrist zu gestalten (Beschluß<br />

vom 8. Mai 1995 – NotZ 27/94 – NJW 1995, 2359,<br />

2360). Für den Fall der Fristversäumung räumen die meisten<br />

der einschlägigen Justizverwaltungsvorschriften –<br />

rechtlich unbedenklich – die Möglichkeit der Wiedereinsetzung<br />

ein.<br />

In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshofs<br />

diese Rechtsprechungsgrundsätze dahin präzisiert, daß<br />

bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigte, bis zum<br />

Ablauf der Bewerbungsfrist bereits erbrachte Leistungen<br />

im Auswahlverfahren nur zu berücksichtigen seien, wenn<br />

der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist<br />

mitgeteilt habe, welche dieser Leistungen in die<br />

Bewertung einbezogen werden sollen (Beschluß vom 16.<br />

März 1998 – NotZ 13/97 – NJW-RR 1998, 1599). Ob der<br />

Gesetzgeber dieses Erfordernis in den neuen § 6 b Abs. 4<br />

Satz 1 BNotO übernommen hat, was nach dem Wortlaut der<br />

Vorschrift zweifelhaft sein könnte, wird noch zu klären sein<br />

(vgl. dazu BR-Drucks. 890/95, S. 20).<br />

Offen war bislang, ob und inwieweit bei der Frage der<br />

persönlichen Eignung des Bewerbers erst nach Erlaß des<br />

ablehnenden Bescheides der Justizverwaltung – im Laufe<br />

des gerichtlichen Verfahrens – eingetretene Umstände zugunsten<br />

des Bewerbers zu berücksichtigen sind (Beschluß<br />

vom 30. November 1989 – NotZ 24/89 – m. w. N.). Diese<br />

Frage hat der Bundesgerichtshof nunmehr dahin entschieden,<br />

daß auch für den Nachweis der persönlichen Eignung<br />

grundsätzlich der Ablauf der Bewerbungsfrist maßgebend<br />

ist, wobei selbstverständlich die persönliche Eignung auch<br />

noch im Zeitpunkt der Bestellung gegeben sein muß (Beschluß<br />

vom 22. März 1999 – NotZ 33/98 – ZNotP 1999,<br />

250).<br />

Insgesamt ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zu<br />

diesen Fragen erkennbar von dem Bestreben getragen, die<br />

Voraussetzungen für den Zugang zum Notariat im Rahmen<br />

der den Gerichten zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten<br />

ungeachtet sachlich gebotener Differenzierungen<br />

so klar und einfach wie möglich zu umschreiben.<br />

e) Wirksamen verfahrensrechtlichen Begleitschutz gewährt<br />

das Gesetz dem Bewerber, indem es ihm im Konkurrentenstreit<br />

die Möglichkeit eröffnet, durch Erwirkung einer<br />

einstweiligen Anordnung die alsbaldige Besetzung der<br />

umstrittenen Stelle mit einem anderen, von der Justizverwaltung<br />

bevorzugten Bewerber zu verhindern. Eine solche<br />

Anordnung kann sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als<br />

auch im Beschwerderechtszug beantragt und erlassen werden.<br />

Der vorläufige Rechtsschutz erleidet aber eine wichtige,<br />

von den Antragstellern oftmals nicht hinreichend bedachte<br />

Ausnahme: Weist das Oberlandesgericht den Antrag<br />

auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurück, bevor es<br />

in der Hauptsache entscheidet, so ist dagegen eine Beschwerde<br />

nicht statthaft (BGH, Beschluß vom 14. April<br />

1994 – NotZ 1/94 – BGHR BNotO § 111 Abs. 4 Satz 2<br />

Anordnung, einstweilige 4 m. w. N.). Die vom Bundesgerichtshof<br />

in früheren Entscheidungen erwogenen Ausnahmen<br />

dürften weitgehend ohne reale Grundlage sein. Der<br />

Antragsteller kann diese Klippe auch nicht dadurch umgehen,<br />

daß er beim Bundesgerichtshof um vorläufigen Rechtsschutz<br />

nachsucht; denn ein solcher Antrag kann in zulässiger<br />

Weise erst gestellt werden, wenn die Hauptsache beim<br />

Bundesgerichtshof anhängig gemacht wird. Insoweit klafft<br />

also zwischen der Ablehnung der einstweiligen Anordnung<br />

durch das Oberlandesgericht und der Einlegung der Beschwerde<br />

gegen die erstinstanzliche Hauptsacheentscheidung<br />

eine Lücke im Rechtsschutz, die letztlich darauf beruht,<br />

daß der Antragsteller von Verfassungs wegen keinen<br />

Anspruch auf eine gesetzlich nicht vorgesehene zweite Instanz<br />

hat. In der Praxis wirkt sich dies regelmäßig deshalb<br />

nicht zum Nachteil des Antragstellers aus, weil die Justizverwaltungen<br />

sich scheuen, durch vorzeitige anderweitige<br />

Stellenbesetzung vollendete Tatsachen zu schaffen und das


16<br />

l<br />

Risiko eines Amtshaftungsprozesses einzugehen (vgl. dazu<br />

BGHZ 129, 226).<br />

3. In dem nun folgenden Abschnitt möchte ich Ihnen ein<br />

paar ausgewählte Fallgruppen aus dem Bereich der notariellen<br />

Amtsausübung vorstellen. Es handelt sich um Entscheidungen,<br />

die sich mit Fragen der Werbung, der Sozietätsbildung,<br />

der Ausübung von Nebentätigkeiten und der<br />

Vertreterbestellung befassen. Dabei bewegt man sich, sofern<br />

nicht schon das einfache Recht angemessene fertige<br />

Lösungen bietet, im Spannungsfeld der Art. 3, 12, 20 und<br />

33 GG. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen dieser rechtliche<br />

Ansatz von vornherein überdimensioniert erscheint,<br />

in denen sich vielmehr die Frage stellt, ob es nicht besser<br />

wäre, sei es auch nur aus Solidarität mit der schweigenden<br />

Mehrheit der vielleicht kopfschüttelnden Kollegen, ganz<br />

schlicht die Spielregeln einzuhalten und den Stand nicht ins<br />

Gerede zu bringen.<br />

a) Was das sogenannte Logo-Verfahren angeht (BGH,<br />

Beschluß vom 24. Juni 1996 – NotZ 35/95 – NJW 1996,<br />

2733), ist auch dem Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs<br />

nicht verborgen geblieben, daß die Benutzung<br />

eines Firmenlogos im Briefkopf und die farbige Gestaltung<br />

von Briefbögen die vorsorgende Rechtspflege nicht ins<br />

Wanken bringen. Der Richter muß aber auch bedenken, mit<br />

welchen Argumenten er künftigen Versuchen, die werbende<br />

Wirkung solcher und ähnlicher Maßnahmen zu verstärken,<br />

begegnen soll. In derartigen Fällen kann das „principiis<br />

obsta“ eine sinnvolle Reaktion sein. Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat dies anders gesehen und den Individualinteressen<br />

der Beschwerdeführer zum Durchbruch verholfen,<br />

ohne freilich greifbare Abgrenzungskriterien zu liefern<br />

(NJW 1997, 2510). Die nächsten Fälle werden möglicherweise<br />

nicht lange auf sich warten lassen.<br />

Keine Probleme bereitete allerdings der Sachverhalt, der<br />

dem Senatsbeschluß vom 13. November 1998 (NotZ 29/98 –<br />

NJW 1999, 428) zugrunde lag. Danach ist es nicht zu beanstanden,<br />

daß ein Anwaltsnotar, der mit einem Rechtsanwalt<br />

soziiert ist, auf seinen geschäftlichen Briefbögen die Bezeichnung<br />

„Rechtsanwalts- und Notarkanzlei“ führt, wenn<br />

im Briefkopf zugleich deutlich herausgestellt wird, wer<br />

(Rechtsanwalt und) Notar und wer (nur) Rechtsanwalt ist.<br />

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

(zuletzt Beschluß vom 24. Juni 1996 –<br />

NotZ 13/95 – DNotZ 1996, 913 m. w. N.), die auch die Billigung<br />

des Bundesverfassungsgerichts gefunden hatte<br />

(BVerfGE 54, 237; 80, 269, 280), war bekanntlich dem Anwaltsnotar<br />

die Verbindung mit einem Wirtschaftsprüfer zur<br />

gemeinsamen Berufsausübung untersagt. Daran sollte sich<br />

nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines<br />

Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung<br />

(BR-Drucks. 890/95) nichts ändern. Mit Beschluß<br />

vom 8. April 1998 (ZIP 1998, 1068) hat dann aber das<br />

Bundesverfassungsgericht während des Gesetzgebungsverfahrens<br />

seine Billigung zurückgezogen, seine Rechtsprechung<br />

geändert und die Sozietät von Anwaltsnotaren und<br />

Wirtschaftsprüfern unter bestimmten, hier nicht weiter zu<br />

erörternden Voraussetzungen für zulässig erklärt. Darauf<br />

hat der Gesetzgeber – Sie alle wissen es – mit der Neufassung<br />

(u. a.) des § 9 Abs. 2 BNotO reagiert.<br />

Ich möchte mich an dieser Stelle mit dem Beschluß des<br />

Bundesverfassungsgerichts nicht näher auseinandersetzen.<br />

Nur eine Bemerkung zur Methodik der Rechtsfindung: Man<br />

bildet Vergleichsgruppen, deren eines Element die Anwaltsnotare<br />

sind, erklärt die unterschiedliche rechtliche Behand-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

lung – unter dem in Frage stehenden Aspekt – für unzulässig<br />

und erweitert so schrittweise den verfassungsrechtlich<br />

geschützten Bereich der notariellen Berufsausübung. Daß<br />

dieses Argumentationsmuster in mancherlei Richtung zur<br />

Nachahmung reizt, liegt auf der Hand. Dabei kann die Prüfung,<br />

ob die Ungleichbehandlung hinnehmbar erscheint,<br />

unversehens zum Einfallstor für rechtspolitische Vorstellungen<br />

werden.<br />

Wie es den Anwaltsnotaren künftig gelingen wird, sich<br />

in der Sozietät mit Wirtschaftsprüfern zu behaupten, d. h.<br />

die ihnen von Gesetzes wegen eigene Stellung eines unabhängigen<br />

Rechtspflegeorgans zu wahren, bleibt abzuwarten.<br />

Jedenfalls in Fällen von Sozietätsbildungen zwischen einem<br />

Anwaltsnotar und einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

erscheint Skepsis angebracht. Die Landesjustizverwaltungen<br />

werden die innere Entwicklung solcher Sozietäten<br />

sorgfältig beobachten müssen, was nicht einfach sein<br />

wird. Die Anwaltsnotare sind mit dieser Rechtsentwicklung<br />

ein Stück weit aus dem Schutz herausgetreten, auf den sie<br />

kraft ihrer Stellung als unabhängige Träger eines öffentlichen<br />

Amtes den Aufsichtsbehörden und den Gerichten<br />

gegenüber Anspruch haben. Das Streben nach erweiterter<br />

individueller Entfaltung scheitert nun nicht mehr an der<br />

vielleicht nur abstrakten Gefährdung der Unabhängigkeit.<br />

Auch diejenigen, die dies als emanzipatorisches Phänomen<br />

empfinden, müssen sich der Erkenntnis stellen, daß das Klima<br />

ein Stück rauher geworden ist.<br />

Bei alledem sollten die Sozietätsprobleme der Nurnotare<br />

nicht vergessen werden. Der Versuch, eine Sozietät mit<br />

mehr als zwei zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellten<br />

Notaren durchzusetzen, ist bisher an der Haltung der<br />

Aufsichtsbehörden und der ständigen Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichtshofs gescheitert (zuletzt BGHZ 127, 83).<br />

Was insoweit die Neufassung des § 9 Abs. 1 BNotO bringen<br />

wird, bleibt abzuwarten.<br />

Eine Sozietät zwischen Nurnotaren und Angehörigen<br />

anderer Berufsgruppen, insbesondere Wirtschaftsprüfern,<br />

sieht das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung<br />

nicht vor. Ob der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 8. April 1998 (aaO) den Weg auch für derartige<br />

Verbindungen öffnet, erscheint fraglich. So heißt es in dem<br />

Beschluß: „Befürchtete der Gesetzgeber, daß einseitige Interessenwahrnehmung<br />

die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit<br />

des Notars in Frage stellte, wäre nicht nur ein Sozietätsverbot,<br />

sondern in erster Linie die Einführung des<br />

Nur-Notariats geboten.“ Das könnte dafür sprechen, daß<br />

das Bundesverfassungsgericht das bestehende Verbot von<br />

Sozietäten zwischen Nurnotaren und Angehörigen anderer<br />

Berufsgruppen als unbedenklich angesehen hat.<br />

c) Das Dritte Änderungsgesetz hat den Kreis der zulässigen<br />

„Nebentätigkeiten“ (im weiteren Sinne) neu zugeschnitten:<br />

Zwar bleibt es bei dem bisher schon geltenden,<br />

nunmehr ausdrücklich formulierten Grundsatz, daß der Notar<br />

keinen weiteren Beruf ausüben darf. Dem Anwaltsnotar<br />

ist jedoch kraft Gesetzes gestattet, zugleich den Beruf des<br />

Patentanwalts, Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers und vereidigten<br />

Buchprüfers auszuüben. Damit ist die frühere Rechtsprechung<br />

zu § 8 BNotO in diesen Punkten überholt (vgl.<br />

nur BGH, Beschluß vom 13. Juli 1992 – NotZ 9/91 –<br />

DNotZ 1993, 208). Ob sich dies auf das Verständnis des<br />

§ 8 BNotO im Ganzen auswirken wird, bleibt abzuwarten.<br />

Nach § 8 Abs. 1 BNotO darf der Notar nicht zugleich<br />

Inhaber eines besoldeten Amtes sein. Dazu gibt es in der<br />

neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine ein-


AnwBl 1/2000 17<br />

Aufsätze l<br />

schlägigen Entscheidungen. Verneint hat der Senat lediglich<br />

unter dem Gesichtspunkt des § 14 NotVO, wonach der<br />

Notar keine nebenberufliche Tätigkeit gegen Entgelt ausüben<br />

darf, einen Anspruch eines nach DDR-Recht ausgebildeten<br />

Diplom-Juristen, ihm zu gestatten, neben dem Notaramt<br />

den juristischen Vorbereitungsdienst mit dem Ziel der<br />

Ablegung des 2. Staatsexamens aufzunehmen (Beschluß<br />

vom 25. November 1996 – NotZ 9/96 – DNotZ 1997, 813).<br />

Eine weitere Entscheidung (Beschluß vom 20. Juli 1998 –<br />

NotZ 1/98 – NJW 1999, 499) betraf die einem Anwaltsnotar<br />

erteilte Genehmigung, ein Anstellungsverhältnis als Abteilungsleiter<br />

eines Ministeriums einzugehen. Abgesehen<br />

davon, daß es sich dabei wohl nicht um ein besoldetes Amt<br />

im Sinne des § 8 BNotO handelt, ging es in dieser Entscheidung<br />

um die Anfechtungsbefugnis der Notarkammer.<br />

In weiteren Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof<br />

mit der Zulässigkeit bzw. Genehmigungsfähigkeit<br />

von Nebenbeschäftigungen im Sinne von § 8 Abs. 2 BNotO<br />

a. F. (jetzt Abs. 3) befaßt. Er hat es u. a. gebilligt, daß den<br />

jeweiligen Antragstellern die Genehmigung für eine Tätigkeit<br />

als Organ einer Gesellschaft, deren satzungsmäßiger<br />

Zweck Grundstücksgeschäfte umfaßte, als Vorstandsmitglied<br />

einer Wohnungsbaugenossenschaft und Mitgeschäftsführer<br />

einer Wohnungsbau-GmbH, aber auch als Geschäftsführer<br />

einer Steuerberatungs-GmbH versagt worden war<br />

(Beschlüsse vom 13. Dezember 1993 – NotZ 52/92 –<br />

DNotZ 1994, 336; vom 8. Mai 1995 – NotZ 28/94 – BGHR<br />

BNotO § 8 Abs. 2 Genehmigungsgrundsätze 2; vom 14.<br />

August 1989 – NotZ 12/88 – BGHR BNotO § 8 Abs. 2<br />

Steuerberatungs-GmbH 1). In dem zuletzt genannten Fall<br />

hat er sich an dieser Entscheidung nicht dadurch gehindert<br />

gesehen, daß dem Anwaltsnotar eine Tätigkeit als Steuerberater<br />

und die Sozietät mit einem solchen gestattet ist.<br />

Die dem Senatsbeschluß vom 22. März 1999 (NotZ 2/99 –<br />

ZNotP 1999, 332) zugrundeliegende Sache warf die Frage<br />

auf, ob ein Bewerber zum Anwaltsnotar bestellt werden<br />

könne, wenn und solange er auf der Grundlage eines<br />

Arbeitsvertrages eine hauptberufliche Lehrtätigkeit an einer<br />

kirchlichen Fachhochschule mit der Hälfte der Pflichtstundenzahl<br />

eines entsprechenden vollbeschäftigten hauptberuflich<br />

Lehrenden ausübt. Der Senat hat diese Nebentätigkeit<br />

angesichts ihres beschränkten Umfangs (im wesentlichen<br />

neun Wochenstunden an zwei Nachmittagen) als genehmigungsfähig<br />

angesehen und damit ein Bestellungshindernis<br />

verneint. Offengeblieben ist dabei, ob eine solche Lehrtätigkeit<br />

gemäß § 8 Abs. 4 BNotO genehmigungsfrei ist, was<br />

der Senat in Zweifel gezogen hat. Die Vorschrift erfaßt in<br />

den hier in Frage kommenden Tatbeständen vornehmlich<br />

Nebenbeschäftigungen, die der Notar alleinverantwortlich<br />

ausübt, wie das Verfassen von Aufsätzen oder die Tätigkeit<br />

als Autor oder Herausgeber wissenschaftlicher Werke oder<br />

eine freie Vortragstätigkeit ohne dauerndes Auftragsverhältnis.<br />

Sie sind von vornherein nicht geeignet, die Unabhängigkeit<br />

und Unparteilichkeit des Notars in Frage zu stellen.<br />

Bei einer Lehrtätigkeit in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis<br />

zu einem Dienstberechtigten können die Dinge –<br />

vor allem mit Rücksicht auf den Umfang solcher Tätigkeiten<br />

und die etwaige Bindung an Weisungen – anders liegen.<br />

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit<br />

von „Nebentätigkeiten“ (im weiteren Sinne) wird insgesamt<br />

von dem Bestreben getragen, die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit<br />

und Selbständigkeit des Notars zu wahren, die<br />

persönliche Amtsausübung zu gewährleisten und jeder nur<br />

denkbaren Gefährdung entgegenzutreten. Dazu hat der Senat<br />

immer wieder betont, es gelte, im Interesse einer geord-<br />

neten vorsorgenden Rechtspflege und damit im Interesse<br />

des Gemeinwohls nicht erst konkreten, sondern bereits<br />

möglichen Gefährdungen des Leitbildes des Notars vorzubeugen<br />

und deshalb schon dem mit einer bestimmten<br />

Nebentätigkeit verbundenen Anschein einer Gefährdung<br />

der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu begegnen<br />

(Beschluß vom 8. Mai 1995 aaO m. w. N.). Diese<br />

Gesichtspunkte sind auch in die neue Vorschrift des § 8<br />

Abs. 3 Satz 2 BNotO eingeflossen.<br />

d) Fragen der Vertreterbestellung sind immer wieder<br />

Gegenstand oft erbitterter Streitigkeiten zwischen Notaren<br />

und Justizverwaltung, wenn auch die Zahl der Notare, die<br />

solche Verfahren bis zum Bundesgerichtshof durchfechten,<br />

inzwischen stark reduziert zu sein scheint.<br />

Die Justizverwaltung hat über die Bestellung eines zeitweiligen<br />

oder ständigen Vertreters nach pflichtgemäßem Ermessen<br />

zu entscheiden. Sie muß sich dabei vor allem von<br />

den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege leiten<br />

lassen und den Grundsatz der persönlichen Amtsausübung<br />

beachten. Im Rahmen ihres Entschließungsermessens hat<br />

sie zu entscheiden, ob bei Verhinderung eines Notars überhaupt<br />

Maßnahmen getroffen werden sollen. Bejaht sie dies,<br />

so muß sie im Rahmen ihres Auswahlermessens unter Beachtung<br />

des Vorschlagsrechts des Notars darüber befinden,<br />

welche der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergriffen<br />

werden sollen. Dabei dient die Vertreterbestellung<br />

jedenfalls nicht in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen<br />

des Notars. Er hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf,<br />

einen Vertreter gestellt zu bekommen. Eine Verhinderung<br />

des Notars führt deshalb nicht notwendig dazu, daß<br />

ihm ein Vertreter bestellt werden muß, wenngleich es<br />

grundsätzlich wünschenswert ist, daß der Amtsbetrieb<br />

keine Unterbrechung erleidet (BGH, Beschlüsse vom 9. Januar<br />

1995 – NotZ 6/93 – BGHR BNotO § 39 Abs. 1 Vertreter<br />

1 und vom 10. März 1997 – NotZ 39/96 – DNotZ 1997,<br />

827, jeweils m. w. N.).<br />

Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof es<br />

gebilligt, daß die Justizverwaltung einem Anwaltsnotar die<br />

Bestellung eines ständigen Vertreters wegen Verhinderung<br />

des Amtsinhabers durch umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeiten<br />

im Bereich des Sports versagt hat (Beschluß vom<br />

10. März 1997 aaO). Dem lag eine Verwaltungspraxis zugrunde,<br />

nach der sich die Bestellung ständiger Vertreter<br />

grundsätzlich auf Fälle beschränkte, in denen Notare Abgeordnetenmandate<br />

oder Funktionen in Standesorganisationen<br />

oder vergleichbare Stellungen im öffentlichen Leben wahrnahmen.<br />

Der Senat hat die Wertung der Justizverwaltung,<br />

bei den vom Beschwerdeführer ausgeübten Ehrenämtern im<br />

Bereich des Sports handele es sich nicht um „öffentliche“<br />

Ehrenämter in dem erwähnten Sinne, nicht beanstandet.<br />

In einem Fall aus dem Bereich der neuen Bundesländer<br />

hat der Bundesgerichtshof eine Verwaltungspraxis gebilligt,<br />

nach der vorrangig nur Notare, Notarassessoren, Notaranwärter<br />

und Richter a. D. zu Vertretern bestellt wurden (Beschluß<br />

vom 9. Januar 1995 – NotZ 6/93 – DNotZ 1996,<br />

186). Diese Handhabung ließ sich damit rechtfertigen, daß<br />

die berufliche Stellung der genannten Personen dem „Leitbild“<br />

des hauptberuflichen Notars entsprach. Der Senat hat<br />

aber einschränkend hinzugefügt, dies sei „unter den besonderen<br />

Verhältnissen in den neuen Bundesländern“ nicht zu<br />

beanstanden. Vom Grundsatz her hat der Senat keine Bedenken<br />

dagegen, daß zum Vertreter eines Nurnotars auch<br />

ein Rechtsanwalt bestellt werden kann (aaO).


18<br />

l<br />

Dem steht nicht entgegen, daß der Bundesgerichtshof<br />

die ablehnende Entscheidung der Justizverwaltung, einen<br />

Rechtsassessor zum Notarvertreter zu bestellen, hingenommen<br />

hat. Die Ablehnung beruhte darauf, daß nach der Begründung<br />

des Bescheides die nachgewiesenen Tätigkeiten<br />

des Assessors nicht ausreichten, um die Annahme zu rechtfertigen,<br />

er verfüge über die hinreichende Befähigung für<br />

das Amt des Notars (Beschluß vom 25. November 1996 –<br />

NotZ 1/96).<br />

Nicht beanstandet hat der Senat schließlich einen Bescheid<br />

der Justizverwaltung, der – ebenfalls in den neuen<br />

Ländern – die Bestellung der angestellten Ehefrau des Notars<br />

zu seiner zeitweiligen Vertreterin abgelehnt hatte. Der<br />

Bestellung stand schon entgegen, daß die Ehefrau „nur“ die<br />

Befähigung zum Richteramt hatte, ohne damit den Anforderungen<br />

an das „Leitbild“ des hauptberuflichen Notars in<br />

dem erörterten Sinne zu entsprechen. Zusätzlich hat der<br />

Senat darauf hingewiesen, es müsse schon der Schein vermieden<br />

werden, der Notar könne trotz eigener Verhinderung<br />

aufgrund seiner Weisungsbefugnis aus dem Arbeitsverhältnis<br />

Einfluß auf die Amtsführung seines Vertreters<br />

nehmen. Dies schade dem Vertrauen in die Unabhängigkeit<br />

des Notaramtes, dessen Wahrung auch dem Notarvertreter<br />

obliege (Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 35/93 –<br />

DNotZ 1996, 203).<br />

4. Beendigung des Amtsverhältnisses<br />

Die aus der Sicht des Richters unerfreulichsten Fälle aus<br />

dem Bereich des notariellen Berufsrechts haben die Amtsenthebung<br />

im Notarverwaltungsverfahren und die Entfernung<br />

aus dem Amt im förmlichen Disziplinarverfahren<br />

zum Gegenstand.<br />

Ein Teil der Entscheidungen aus neuerer Zeit betraf Fallgestaltungen<br />

im Zusammenhang mit § 6 des Gesetzes zur<br />

Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen<br />

und Berufungen ehrenamtlicher Richter (RNPG). Darauf ist<br />

an dieser Stelle, wie bereits erwähnt, nicht näher einzugehen.<br />

Aussparen möchte ich hier auch die Fälle, in denen ein<br />

Notar nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO, also insbesondere<br />

wegen Geistesschwäche, seines Amtes zu entheben ist.<br />

Insoweit liegt die Problematik oft weniger im rechtlichen,<br />

als im tatsächlichen und menschlichen Bereich.<br />

In leider nicht ganz seltenen Fällen werden die Gerichte<br />

mit Amtsenthebungen nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO befaßt.<br />

Danach ist der Notar seines Amtes zu entheben, wenn<br />

seine wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Art seiner<br />

Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden.<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt<br />

keine der beiden Alternativen voraus, daß der Notar vermögenslos<br />

oder überschuldet ist. Die Amtsenthebung kann<br />

gerechtfertigt sein, wenn Zahlungsansprüche in erheblicher<br />

Größenordnung gegen den Notar bestehen oder gerichtlich<br />

anhängig sind, zahlreiche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse<br />

gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche<br />

unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen<br />

Versicherung in die Wege geleitet sowie Haftbefehle<br />

zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen<br />

worden sind (Beschluß vom 12. Oktober 1990 – NotZ 21/89 –<br />

BGHR BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 7 Interessengefährdung 1).<br />

Die Wirtschaftsführung des Notars gefährdet die Interessen<br />

der Rechtsuchenden insbesondere dann, wenn die Art<br />

der Behandlung fremder Gelder erhebliche Bedenken gegen<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

seine Zuverlässigkeit begründet. Das ist regelmäßig der<br />

Fall, wenn der Notar über Treuhandgelder verfügt, bevor<br />

die vertraglich vereinbarten Bedingungen dafür vorliegen.<br />

Dabei setzt der Tatbestand der Gefährdung der Interessen<br />

der Rechtsuchenden durch die Art der Wirtschaftsführung<br />

– anders als die erste Alternative des § 50 Abs. 1 Nr. 8<br />

BNotO – nicht voraus, daß der Notar sich in schlechten<br />

wirtschaftlichen Verhältnissen befindet (BGH, Beschluß<br />

vom 16. März 1998 – NotZ 14/97 – DNotZ 1999, 170).<br />

Der endgültigen Amtsenthebung geht häufig die vorläufige<br />

Amtsenthebung durch die Aufsichtsbehörde nach § 54<br />

Abs. 1 BNotO voraus. Das in diesen Fällen angerufene Gericht<br />

kann sich zwar mit einer summarischen Würdigung<br />

des Sachverhalts begnügen, es muß dabei aber die besonderen<br />

sachlichen Voraussetzungen eines vorläufigen Berufsverbots<br />

beachten (vgl. BVerfGE 44, 105; 48, 292; zuletzt<br />

Senatsbeschluß vom 20. Juli 1998 – NotZ 2/98 – DNotZ<br />

1999, 350).<br />

In Disziplinarsachen hebt der Bundesgerichtshof in ständiger<br />

Rechtsprechung hervor, daß ein Notar jedenfalls<br />

dann, wenn er sich der wiederholten Falschbeurkundung im<br />

Amt schuldig gemacht hat, grundsätzlich auf Dauer ungeeignet<br />

ist, den Notarberuf auszuüben (zuletzt Beschluß vom<br />

11. März 1997 – NotSt [Brfg] 1/96). Wiederholt hat der<br />

Senat aber in jüngster Zeit in Abweichung von diesem<br />

Grundsatz mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des<br />

Einzelfalles auf eine mildere Maßnahme erkannt.<br />

Damit will ich meine Ausführungen zu diesem dunkelsten<br />

Kapitel der berufsrechtlichen Rechtsprechung schließen,<br />

zumal ich nicht in den Verdacht geraten möchte, einen<br />

Zuhörerkreis, dem die Lauterkeit des eigenen Berufsstandes<br />

mehr als alles andere am Herzen liegt, durch überflüssige<br />

Drohungen zu ängstigen.<br />

Der Gesichtspunkt der Lauterkeit ermöglicht mir zwanglos<br />

den Übergang zum letzten Gliederungspunkt meines<br />

Referats, nämlich zu einigen<br />

III.<br />

Bemerkungen zum notariellen Berufsbild:<br />

Mir ist natürlich bekannt, daß das Thema „Berufsbild“<br />

in jüngster Zeit Gegenstand ausgiebiger und zum Teil leidenschaftlich<br />

geführter Diskussionen war. Es kann nicht<br />

meine Aufgabe sein, hier einen weiteren, vielleicht gar<br />

rechtspolitisch motivierten Beitrag zu dieser Debatte zu leisten.<br />

Ich beschränke mich deshalb, distanziert, gelassen und<br />

mit richterlicher Zurückhaltung, auf ein paar Bemerkungen<br />

zum geltenden Recht einschließlich eines Ausblicks auf<br />

mögliche Konsequenzen einer etwaigen Neuorientierung.<br />

Wer das Grundgesetz aufmerksam liest, muß feststellen,<br />

daß es das Berufsbild der Notare vollständig vernachlässigt;<br />

nicht ein einziger Artikel befaßt sich mit diesem Thema.<br />

So sind wir auf das sogenannte einfache Recht zurückgeworfen,<br />

vorrangig also auf die Bundesnotarordnung.<br />

Dieser liegt ein Berufsbild zugrunde, das durch den Status<br />

und die Aufgaben des Notars geprägt ist. Als unabhängiger<br />

Träger eines öffentlichen Amtes und als unabhängiger<br />

und unparteiischer Betreuer der Beteiligten steht er im<br />

Spannungsfeld zwischen Berufsfreiheit und staatlicher Gebundenheit,<br />

ist also weder Beamter im beamtenrechtlichen<br />

Sinne noch Freiberufler. Dies ist eine der Selbstverständlichkeiten,<br />

die gelegentlich in Vergessenheit zu geraten<br />

scheinen und deshalb hin und wieder ausgesprochen werden<br />

müssen. Demgemäß hat sich der Senat für Notarsachen des


AnwBl 1/2000 19<br />

Aufsätze l<br />

Bundesgerichtshofs stets bemüht, bei der richterrechtlichen<br />

Ausprägung des notariellen Berufsrechts die einschlägigen<br />

Verfassungsrechtssätze – also Art. 20 und 33 GG auf der einen<br />

und Art. 3 und 12 GG auf der anderen Seite – in ihren<br />

konkreten Auswirkungen in ein angemessenes Verhältnis<br />

zueinander zu bringen. Daß dies nur ein Spannungsverhältnis<br />

mit mehr oder weniger breiten Bewertungsspielräumen<br />

sein kann, liegt in der Natur der Sache. Meinungsverschiedenheiten<br />

können dann aber, will man nicht das System als<br />

solches sprengen, nur in Gestalt mehr oder weniger gravierender<br />

Akzentuierungen auftreten.<br />

Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt weiter<br />

die Annahme zugrunde, daß Status und Aufgaben des Anwaltsnotars<br />

sich von Status und Aufgaben des Nurnotars<br />

nicht unterscheiden, der Notar in seiner Eigenschaft als Träger<br />

eines öffentlichen Amtes also nicht dadurch zum „Freiberufler“<br />

wird, daß er auch den Beruf eines Rechtsanwalts<br />

ausübt. Der Senat hat allerdings gelegentlich das „Leitbild“<br />

des Anwaltsnotars dem „Leitbild“ des Nurnotars gegenübergestellt<br />

(Beschluß vom 9. Mai 1995 – NotZ 6/93 –<br />

BGHR BNotO § 39 Abs. 1 Vertreter 1); er wäre aber sehr<br />

überrascht, wenn man ihm unterstellen würde, er habe damit<br />

die Einheitlichkeit des notariellen Berufsbildes in Zweifel<br />

ziehen wollen. Heute, mit geschärftem Problembewußtsein,<br />

würde er freilich eine andere Ausdrucksweise wählen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht – Sie alle wissen es – hat<br />

in seinem Sozietätenbeschluß bemerkt, es sei „kaum möglich,<br />

von einem einheitlichen Berufsbild des Notars auszugehen“.<br />

Wie soll man als Notar oder Richter diese Bemerkung<br />

einordnen? Um eine verfassungsrechtliche<br />

Würdigung kann es sich nicht handeln; denn das Grundgesetz<br />

verbietet ersichtlich nicht die Annahme eines einheitlichen<br />

Berufsbildes. Als unverbindliche rechtspolitische Zielsetzung<br />

wäre eine solche Bemerkung in einer Entscheidung<br />

des höchsten deutschen Gerichts ein Fremdkörper; das soll<br />

ihm nicht unterstellt werden. Dann bleibt wohl nur die<br />

Möglichkeit, jenen Satz als vor dem Hintergrund des einfachen<br />

Rechts unternommenen Versuch der schlagwortartigen<br />

Skizzierung eines Tatbestandes zu begreifen. Insoweit<br />

möchte ich auf die eigene Bewertung des Bundesverfassungsgerichts<br />

verweisen, wonach seine Bemerkung zum<br />

Berufsbild des Notars in dem von ihm erörterten Zusammenhang<br />

„keiner Vertiefung“ bedarf.<br />

Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat<br />

sich jedenfalls bisher nicht veranlaßt gesehen, im Hinblick<br />

auf die erwähnte Äußerung des Bundesverfassungsgerichts<br />

seine Rechtsprechung, soweit ihr die Vorstellung eines einheitlichen<br />

notariellen Berufsbildes zugrunde liegt, zu<br />

ändern. Das Streben des mit dem notariellen Berufsrecht<br />

befaßten Richters muß vielmehr auch künftig auf der<br />

Grundlage der geltenden Bundesnotarordnung der Tendenz<br />

nach der Einheitlichkeit des Berufsbildes verpflichtet sein.<br />

Gleichwohl erfordert es der Stand der Diskussion, daß<br />

die Frage offen gestellt wird, ob die Einheitlichkeit des Berufsbildes<br />

einen Wert darstellt, den es weiterhin zu bewahren<br />

gilt. Welche Konsequenzen würden sich aus einer Aufgabe<br />

des einheitlichen Berufsbildes ergeben? Man braucht<br />

kein Hellseher zu sein, um prognostizieren zu können, daß<br />

sich das Anwaltsnotariat dann aller Voraussicht nach in<br />

Richtung auf ein Dienstleistungsgewerbe entwickeln würde.<br />

Damit könnten sich den Anwaltsnotaren zusätzliche Freiräume<br />

im Zuge ihrer Berufsausübung eröffnen, die allerdings<br />

bei vermehrter Teilnahme am Wirtschaftsleben mutmaßlich<br />

mit Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit erkauft<br />

werden müßten. Auch ließen sich die Anforderungen an die<br />

Integrität der Amtsinhaber und an die Lauterkeit der Amtsausübung,<br />

die sich aus der engen Bindung der Notare an die<br />

rechtsstaatliche Ordnung ergeben und die heute für das hohe<br />

Ansehen des Notarstandes konstitutiv sein dürften, dann<br />

schwerlich im bisherigen Umfang aufrechterhalten.<br />

Eine solche Entwicklung könnte langfristig auch die<br />

Struktur des Nurnotariats beeinflussen und die Einheitlichkeit<br />

des Berufsbildes auf anderer Ebene und mit anderen<br />

Inhalten als bisher wiederherstellen. Die aus derzeitiger<br />

Sicht näherliegende Schlußfolgerung wäre aber wohl die<br />

strukturelle Trennung von Anwalts- und Nurnotariat, die in<br />

letzter Konsequenz auch die Gemeinsamkeit der Standesorganisationen<br />

in Frage stellen würde. Ob dies alles im<br />

Interesse der Sache wünschenswert wäre, bedarf in voller<br />

Verantwortung für die den Notaren als gemeinsame Aufgabe<br />

anvertraute vorsorgende Rechtspflege einer sorgfältigen,<br />

alle Vor- und Nachteile einer etwaigen Spaltung abwägenden<br />

Prüfung. Sollte insoweit letztlich nicht doch in Abwandlung<br />

des Schiller-Wortes der Satz gelten: Vereint sind<br />

die Starken noch mächtiger?<br />

Die Vergütung des Anwalts<br />

in Fällen vorzeitiger<br />

Kündigung des Mandats<br />

Vors. Richter am LG Fritz Mugler, München<br />

Vorbemerkung:<br />

Das Klima in den rechtlichen Beziehungen zwischen<br />

Anwalt und Mandanten wird von Jahr zu Jahr rauher. Die<br />

Mandanten nehmen die Tätigkeit des Anwalts nicht mehr<br />

als grundsätzlich richtige Entscheidung des Fachmanns hin,<br />

der man sich zu fügen habe, sondern neigen oft dazu, ihn<br />

als weisungsgebundenen Befehlsempfänger zu behandeln.<br />

Vorzeitige Mandatsbeendigungen und Streitigkeiten bezüglich<br />

der Vergütung nehmen erheblich zu. Die folgenden<br />

Ausführungen sollen die rechtlichen Konsequenzen von<br />

vorzeitigen Beendigungen klarstellen.<br />

I.<br />

Die vertraglichen Beziehungen zwischen Anwalt und<br />

Mandanten unterliegen im Normalfall den Vorschriften des<br />

Dienstvertragsrechts. Nur ausnahmsweise ist der Anwaltsvertrag<br />

Werkvertragsrecht, soweit der Anwalt eine konkrete,<br />

einer Erfolgsgarantie zugängliche Leistung schuldet wie<br />

z. B. die Erstattung eines Gutachtens oder die Formulierung<br />

eines Vertrags. 1 In diesen Sonderfällen greifen weder die<br />

Kündigungsmöglichkeiten der §§ 626, 627 BGB noch die<br />

Rechtsfolgen des § 628 BGB ein. Das bedeutet, daß nur<br />

der Mandant das einseitige sogenannte jederzeitige Kündigungsrecht<br />

des § <strong>64</strong>9 hat, nicht jedoch der Anwalt 2 . Auch<br />

beim Werkvertrag gibt es jedoch nach h. M. die außeror-<br />

1 Staudinger-Peters, 13. Aufl., Vorbemerkung zu § 631 ff., Rdnr. 27.<br />

2 Zur Problematik, ob die „Kündigung des § <strong>64</strong>9 BGB nicht in Wirklichkeit lediglich<br />

ein „Verzicht auf die Weiterbearbeitung“ im Rahmen des Weisungsrechts<br />

ist, vgl. Mugler in BB 93, 1460/1461.


20<br />

l<br />

dentliche Kündigung mit entsprechenden Konsequenzen für<br />

die Vergütungsforderung des beauftragten „Unternehmers.“ 3<br />

II.<br />

Überwiegend im beruflichen Alltag des Rechtsanwalts<br />

sind jedoch die Mandate, in denen sich die Frage der Beendigung<br />

und der Vergütung des Anwalts nach den Grundsätzen<br />

des Dienstvertragsrechts richtet. Auf diese Fälle ist<br />

hier deshalb näher einzugehen, weil sich hier zum Nachteil<br />

der Rechtsanwälte teilweise in der Literatur und in der<br />

Rechtsprechung eine äußerst bedenkliche Rechtsauffassung<br />

gebildet hat, die erstaunlicherweise nie in Zweifel gezogen<br />

wurde, obwohl dazu sicher öfters Anlaß gewesen wäre für<br />

die durch diese Rechtsauffassung benachteiligten Anwälte.<br />

III.<br />

Vorauszuschicken ist, daß es im Dienstvertragsrecht die<br />

Besonderheit gibt, daß die Ausübung des Gestaltungsrechts<br />

„Kündigung“ die Geltendmachung gerade des Schadens<br />

nicht ausschließt, der dadurch entstanden ist, daß man<br />

selbst gekündigt hat. Das trifft bei § 628 Abs. 2 BGB zu,<br />

der in den Fällen der außerordentlichen Kündigungen der<br />

§§ 626 und 627 eingreift. Daneben gibt es die weitere gesetzlich<br />

geregelte Sondervorschrift, daß der Gesetzgeber einem<br />

Vertragspartner ausdrücklich die Ausübung des Gestaltungsrechts<br />

einräumt, gleichzeitig je nach den zeitlichen<br />

Umständen diesen jedoch schadenersatzpflichtig macht,<br />

wenn er dieses Gestaltungsrecht „zur Unzeit“ ausübt<br />

(§ 627 Abs. 2 Satz 2 BGB). Daß die Tätigkeiten des Anwalts<br />

Dienste höherer Art im Sinn des § 627 BGB sind, ist<br />

zu Recht völlig unstreitig. 4<br />

Da beide Schadensersatzpflichten genau genommen gesetzlich<br />

geregelte Fälle der Schadensersatzpflicht in Fällen<br />

positiver Forderungsverletzung (im Falle des § 627 Abs. 1<br />

BGB hinsichtlich einer Nebenpflicht, im Fall des § 628<br />

Abs. 2 BGB hinsichtlich einer Neben- oder Hauptpflicht)<br />

darstellen, sind diese Vorschriften zu Recht als billige Lösungen<br />

auch akzeptiert worden und werden von Rechtsanwälten<br />

auch bei der Entscheidung, ob das Mandat niedergelegt<br />

werden kann und soll, berücksichtigt.<br />

IV.<br />

Von der Schadensersatzpflicht zu trennen ist jedoch die<br />

Frage, ob der eigene Vergütungsanspruch durch die vorzeitige<br />

Kündigung entfällt.<br />

Selbstverständlich entfällt grundsätzlich im Dienstvertragsrecht<br />

der Teil der Vergütung für die Tätigkeit, die noch<br />

nicht erbracht wurde. Genau genommen setzt § 628 Abs. 1<br />

Satz 1 BGB dies für die außerordentlichen Kündigungen<br />

der §§ 626 und 627 BGB als selbstverständlich voraus und<br />

zieht deshalb nur die Konsequenzen für den Fall eines unabhängig<br />

vom Zeitaufwand und Erfolg vereinbarten Entgelts.<br />

Gerade bei Anwälten ergibt sich jedoch im Hinblick<br />

auf die gesetzlich geregelten Kriterien ihrer (d. h. also nicht<br />

in der Höhe vertraglich vereinbarten) Vergütung, daß sie oft<br />

die gleich hohen Gebühren geltend machen können in den<br />

Fällen der vorzeitigen Mandatsbeendigung wie im Falle der<br />

Vertretung des Mandanten bis zur Beendigung des Auftrags.<br />

§ 13 Abs. 4 BRAGO stellt diese Konsequenz höchst vorsorglich<br />

noch einmal klar. Vorzeitige Beendigung des Mandats<br />

bedeutet jedoch für den Auftraggeber sehr häufig, daß<br />

er nunmehr einen anderen Anwalt beauftragen muß. Damit<br />

aber gerät der zuerst mandatierte Anwalt nach einer bis jetzt<br />

teilweise in der Literatur und in der Rechtsprechung kritiklos<br />

übernommenen Rechtsauffassung in die Gefahr, seinen<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

Anspruch auf Vergütung deshalb völlig zu verlieren, weil<br />

wegen der Vergütungsansprüche des nach ihm beauftragten<br />

zweiten Anwalts seine bisherige Tätigkeit dann, wenn bei<br />

diesem die gleichen Gebühren noch einmal entstehen, im<br />

Sinne des § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB für den Mandanten<br />

„kein Interesse“ hätte. 5<br />

Soweit diese Rechtsauffassung, d. h. das fehlende Interesse<br />

näher begründet wird, sieht man es darin, daß der<br />

Auftraggeber die bisherigen Leistungen „nicht mehr wirtschaftlich<br />

verwerten könne“ 6 bzw. die Leistungen für den<br />

Auftraggeber „nutzlos geworden seien“. 7<br />

Insoweit vermengt diese Theorie in unzulässiger Weise<br />

die Frage, ob weitere Kosten dem Auftraggeber nach der<br />

Kündigung erwachsen, mit dem allein in § 628 Abs. 1 Satz<br />

2 BGB geregelten Sonderfall, daß die nur teilweise erbrachten<br />

Dienste dem Auftraggeber nichts genutzt haben. Für die<br />

weiteren Kosten gibt unser Rechtssystem die Rechtsfigur<br />

des Schadensersatzanspruches, wie er z. B. in den Fällen<br />

der §§ 627 Abs. 2 Satz 2 und 628 Abs. 2 BGB geregelt ist.<br />

Im übrigen ist die obige Rechtsauffassung jedoch eine unzulässige<br />

Abqualifizierung der Tätigkeit eines Anwalts, die<br />

nicht schon deshalb nutzlos geworden ist, weil ein später<br />

eingeschalteter zweiter Anwalt im Hinblick auf die Besonderheiten<br />

der gesetzlich geregelten Höhe der Gebühren oft<br />

einen gleich hohen Vergütungsanspruch hat.<br />

V.<br />

Bei den von § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB erfaßten Fällen<br />

muß man für die Lösung des Problems noch einen in diese<br />

Regelung mit aufgenommenen Sonderfall herausnehmen.<br />

Eine Vergütungspflicht entfällt nämlich u. a. auch dann,<br />

wenn der Dienstverpflichtete als Vertragspartei sich „vertragswidrig<br />

verhält“ und die andere Vertragspartei, d. h.<br />

also im konkreten Fall der Mandant, dem Anwalt kündigt.<br />

Insoweit ist die Regelung unbedenklich, aber gleichzeitig<br />

auch völlig überflüssig. Auch ohne diese Vorschrift würde<br />

nämlich über die Schadensersatzpflicht des § 628 Abs. 2<br />

BGB wegen der Notwendigkeit der Einschaltung eines neuen<br />

Anwalts die Vergütung entfallen.<br />

Problematisch bleiben nur die Fälle, in denen dem Anwalt<br />

gekündigt wird, ohne daß dieser sich vertragswidrig<br />

verhalten hat, oder er selbst kündigt, ohne daß sein Mandant<br />

sich vertragswidrig verhalten hat.<br />

VI.<br />

Zu welch abwegigen Ergebnissen in den verbleibenden<br />

Fällen diese Rechtsauffassung kommen muß, läßt sich besonders<br />

gut an den zwei Sachverhalten nachweisen, die der<br />

Verfasser dieses Aufsatzes in letzter Zeit in seiner Tätigkeit<br />

als Vorsitzender einer Zivilkammer eines Landgerichts zu<br />

entscheiden hatte.<br />

3 Zur Abgrenzung zwischen Kündigung und Rücktritt, vgl. Mugler a.a.O. 1462.<br />

4 Schwerdtner im Münchner Kommentar, 3. Aufl., § 627, Rdnr. 8.<br />

5 So. z. B. Fraunholz in Riedel-Süßbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />

7. Auflage, § 13, Rdnr. 46 und 49; Madert in Gerold/Schmidt, Bundesgebührenordnung<br />

für Rechtsanwälte, 13. Auflage, § 13, Rdnr. 62; Pabst in<br />

MDR 1978, 449/451; Putzo in Palandt, 57. Aufl., § 628, Rdnr. 4; OLG Hamburg<br />

MDR 81, 767/768; BGH NJW 82, 437/438 sowie BGH NJW 85, 41 (abgedruckt<br />

nur bezüglich eines Leitsatzes zu einem anderen Problem auch in BB<br />

73, 1973), Zu Unrecht wird z. T. auch das OLG München in MDR 74, 753 zitiert;<br />

diese Entscheidung betraf ein ganz anderes Problem im Rahmen des<br />

§ 628 BGB.<br />

6 BGH NJW 82, 437/438; OLG Hamburg a.a.O. (Fußnote 5).<br />

7 BGH NJW 85, 41; Staudinger-Preis, 13. Aufl., § 628 Rdnr. 27.


AnwBl 1/2000 21<br />

Aufsätze l<br />

So ging es einmal um einen Anwalt, der für einen Mandanten<br />

gegen einen Arzt einen der von der Anwaltschaft zu<br />

Recht gefürchteten Arzthaftungsprozesse einleiten sollte,<br />

über ein Jahr las er sich in die Fachliteratur ein, um die Erfolgsaussichten<br />

abklären zu können. Sein Mandant wurde<br />

wegen der drohenden Verjährung immer ungeduldiger und<br />

entzog dem Anwalt dann das Mandat. Mit dem praktisch<br />

nur noch zu unterschreibenden, d. h. fast fertigen Klageentwurf<br />

des ersten Anwalts ging dann der zweite Anwalt mit<br />

Erfolg vor Gericht. Einen eigenen Entwurf hätte der zweite<br />

in den wenigen Tagen bis zum Eintritt der Verjährung gar<br />

nicht mehr geschafft. Und diese Tätigkeit soll im Sinn<br />

von § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB „ohne Interesse“ nur deshalb<br />

sein, weil der zweite Anwalt die gleichen Gebühren in<br />

Rechnung stellen konnte?<br />

Der zweite Fall war die Niederlegung eines Mandats<br />

durch einen Anwalt, als der Mandant mit dem Prozeßvergleich<br />

nicht einverstanden war und auf Widerruf bestand.<br />

Der zweite Anwalt hat kurze Zelt später den gleichen Vergleich<br />

unwiderruflich noch einmal abgeschlossen. Obwohl<br />

also der zweite Anwalt mit mehr Durchsetzungskraft<br />

(schon deshalb, weil er ja jetzt als „Zweiter“ den gleichen<br />

Rat erteilte) gegenüber dem Mandanten dann das gleiche<br />

Ergebnis noch einmal herbeiführte, soll die Tätigkeit des ersten<br />

Anwalts „ohne Interesse“ gewesen sein?<br />

VII.<br />

Bei der Frage, welche Dienste für den Auftraggeber bei<br />

vorzeitiger Kündigung „ohne Interesse“ sind, muß man<br />

sich zuerst einmal darüber im klaren sein, daß § 628 Abs. 1<br />

Satz 2 BGB insoweit schon deshalb eng auszulegen ist,<br />

weil hier durch die wirtschaftlichen Konsequenzen der in<br />

den §§ 626 und 627 BGB geregelten außerordentlichen<br />

Kündigungsgründe dieses Kündigungsrecht ausgehöhlt<br />

wird. Ferner ist zu beachten, daß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

unabhängig vom Kündigungsgrund eingreift sowie unabhängig<br />

davon, welche Seite kündigt. Nur bei vertragswidrigem<br />

Verhalten des anderen Vertragspartners soll der Wegfall<br />

des Vergütungsanspruchs nicht eintreten.<br />

Es gibt sehr viele außerordentliche Kündigungsgründe,<br />

vor allem bei einem Vertrag zwischen Mandanten und Anwalt<br />

wegen § 627 BGB, die keineswegs auf vertragswidrigem<br />

Verhalten der Gegenseite beruhen. In Erkenntnis der<br />

gravierenden wirtschaftlichen Folgen des § 628 Abs. 1 Satz<br />

2 BGB versucht man dem Anwalt zum Teil dadurch zu helfen,<br />

daß man den Begriff des „vertragswidrigen“ Verhaltens<br />

sehr weit faßt. 8 Auch dann bleiben aber immer noch viele<br />

Fallgestaltungen übrig, bei denen auch diese Entschärfung<br />

des § 628 BGB scheitern muß.<br />

VIII.<br />

Unser Gesetz kennt auch sonst den Begriff des fehlenden<br />

Interesses an einer Teilleistung, so z. B. in § 280 Abs. 2<br />

Satz 1 BGB und § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB. Man sollte dabei<br />

nicht übersehen, daß es in den Vorschriften um die<br />

Rechtsfolgen von Umständen geht, die im Sinn des BGB<br />

der andere „zu vertreten“ hat. In § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

geht es dagegen nicht um zu vertretende Leistungsstörungen,<br />

sondern um die Konsequenzen eines vom Gesetzgeber<br />

zu Recht an anderer Stelle gegebenen Gestaltungsrechts,<br />

nämlich der außerordentlichen Kündigung. Schon aus diesem<br />

Grund ist das fehlende Interesse in § 628 Abs. 1 Satz 2<br />

BGB strenger zu definieren. Sogar im Recht der Leistungsstörungen<br />

ist aber anerkannt, daß es bei der Prüfung des Interessemangels<br />

auf das objektive Interesse ankommt, das<br />

von der Zweckbestimmung der Leistung abhängt. 9 Es<br />

kommt dort nicht auf den Wert der noch möglichen Teilleistung<br />

an, sondern, ob der Gläubiger objektiv noch ein Interesse<br />

daran hat, „die geminderte Leistung zu erkaufen“. 10<br />

Für § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen die Voraussetzungen<br />

für die Bejahung des Wegfalls des Interesses nicht großzügiger,<br />

sondern noch strenger gehandhabt werden. Zu Recht<br />

wird allgemein (also keineswegs nur für das Rechtsverhältnis<br />

zwischen Anwalt und Mandanten) betont: „Die Tatsache,<br />

daß die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung<br />

für den anderen Teil kein Interesse haben, wird nur<br />

ausnahmsweise gegeben sein.“ 11<br />

IX.<br />

Das Interesse des Mandanten an der bisherigen Tätigkeit<br />

des Anwalts ist also deshalb gegeben, weil dieser ihn bisher<br />

beraten und vertreten, also z. B. auch die entsprechenden<br />

Anträge gestellt, Fristen gewahrt und die Verjährung unterbrochen<br />

hat. Wenn nachträglich ein anderer Anwalt eventuell<br />

die gleiche Rechtsberatung noch einmal durchführt und<br />

die gleiche Prozeßhandlung noch einmal vornimmt, ist<br />

dadurch das Interesse des Mandanten an der bisherigen<br />

Tätigkeit nicht erloschen. Daß damit zusätzliche Kosten<br />

entstehen, ist eine wirtschaftliche Konsequenz, die in den<br />

gesetzlich geregelten Ausnahmefällen über Schadensersatzrecht<br />

abgewickelt werden muß, aber nicht zum Wegfall des<br />

Interesses geführt hat. Die Dienste des Anwalts bestanden<br />

in der Beratung und Vertretung eines Rechtsuchenden im<br />

Sinn von § 3 Abs. 1 BRAGO. Daß durch Ausübung des gesetzlich<br />

eingeräumten außerordentlichen Kündigungsrechts<br />

dem Mandanten Mehrkosten entstehen, macht die Tätigkeit<br />

des Anwalts nicht nutzlos. Sein einziger Nutzen besteht<br />

schließlich nicht darin, „weitere Kosten zu vermeiden.“<br />

8 vgl. die Aufzählung der Fallgestaltungen zum vertragswidrigen Verhalten bei<br />

Pabst a.a.O. (Fußnote 5) 450/451.<br />

9 Staudinger-Otto, 13. Aufl., § 325, Rdnr. 115.<br />

10 Emmerich im Münchner Kommentar 3. Aufl., § 325 Rdnr. 143.<br />

11 Schwerdtner a.a.O. (Fußnote 4) § 628, Rdnr. 25.<br />

Die GmbH als<br />

Kooperationsform für die<br />

österreichische Anwaltschaft<br />

– Die Anwalts-GmbH im deutsch-österreichischen Vergleich –<br />

Wiss. Mitarbeiter Matthias Kilian, Köln *<br />

I. Einleitung<br />

Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts der Rechtsanwälte<br />

in Deutschland und Österreich ist von einer bemerkenswerten<br />

Interdependenz geprägt. Die historische Ausgangsposition<br />

war für die Anwaltschaften beider Staaten<br />

* Ass. jur.; Dokumentationszentrum für das Europäische Anwaltsrecht. Das<br />

Dokumentationszentrum ist eine gemeinsame Forschungseinrichtung des Deutschen<br />

AnwaltVereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und des Instituts für<br />

Anwaltsrecht an der Universität Köln.


22<br />

l<br />

praktisch identisch: Während den österreichischen Rechtsanwälten<br />

bei einer beabsichtigten Assoziierung traditionell<br />

als Rechtsform lediglich die Gesellschaft bürgerlichen<br />

Rechts nach den §§ 1175-1216 ABGB zur Verfügung stand,<br />

waren ihre deutschen Standeskollegen bei einer Vergesellschaftung<br />

auf die BGB-Gesellschaft nach §§ 705 ff. BGB<br />

beschränkt. Seit Anfang der siebziger Jahre war allerdings<br />

sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine Diskussion<br />

entflammt, ob der Gesetzgeber Freiberuflern im Allgemeinen<br />

und Rechtsanwälten im Speziellen zeitgemäßere<br />

Rechtsformen für einen Zusammenschluß anbieten solle.<br />

Österreich übernahm zunächst eine Führungsrolle in der<br />

Rechtsentwicklung: Am 1. Januar 1991 trat das Erwerbsgesellschaftengesetz<br />

(EGG) in Kraft, das mit der Eingetragenen<br />

Erwerbsgesellschaft (EEG) für die gemeinsame Berufsausübung<br />

von Angehörigen Freier Berufe eine der OHG und<br />

KG vergleichbare Rechtsform zur Verfügung stellt. Das die –<br />

mit der EEG vergleichbare – Partnerschaftsgesellschaft<br />

(PartG) kreierende Partnerschaftsgesellschaftsgesetz<br />

(PartGG) des deutschen Rechts trat erst mehr als vier Jahre<br />

später als das EGG in Kraft. Die Entwicklung des „anwaltlichen<br />

Kapitalgesellschaftsrechts“ hingegen stand unter umgekehrten<br />

Vorzeichen; bei der Einführung der Rechtsanwalts-<br />

GmbH 1 kam Deutschland Schrittmacherfunktion zu: Nachdem<br />

der deutsche Gesetzgeber Ende 1994 durch die Entscheidung<br />

des Bayerischen Obersten Landgerichts zur Zulässigkeit<br />

der „Anwalts-GmbH“ 2 überrascht worden war, sah er<br />

sich veranlaßt, die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten<br />

Anforderungen an eine solche Anwalts-Kapitalgesellschaft<br />

per 1.3.1999 gesetzlich in §§ 59c-m BRAO zu fixieren<br />

3 . Nicht zuletzt diese Entwicklung in Deutschland nahm<br />

der österreichische Gesetzgeber zum Anlaß, die Einführung<br />

der Anwalts-GmbH auch in Österreich voranzutreiben.<br />

Gesetzgebungstechnisch eingebettet ist dieses Vorhaben in<br />

eine umfassendere Berufsrechtsnovelle durch das „Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz<br />

1999“ 4 .<br />

II.Von der Eingetragenen Erwerbsgesellschaft zur<br />

Anwalts-GmbH<br />

Inspiriert von 1971 und 1975 in Deutschland gescheiterten<br />

parlamentarischen Bemühungen, eine sich eng an die<br />

Regelung der Offenen Handelsgesellschaft (oHG) anlehnende<br />

neue Gesellschaftsform für Freiberufler zu schaffen 5 ,<br />

wurden in Österreich seit 1977 Gesetzentwürfe über eine<br />

spezifische Personengesellschaft für Freiberufler, eine „Partnerschaft<br />

zum Betrieb eines nichtgewerblichen Unternehmens“,<br />

vorangetrieben. Es folgte eine gut zehnjährige Diskussion<br />

unter Beteiligung vor allem der Bundeskonferenz<br />

der Freien Berufe Österreichs, die neben den in den Entwürfen<br />

vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen<br />

auch berufsspezifische Fragen, insbesondere berufsund<br />

standesrechtliche Pflichten der Gesellschafter einer<br />

Partnerschaft, geregelt sehen wollte. Der (damalige) Präsident<br />

des österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Walter<br />

Schuppich, forderte 1987 auf dem Anwaltstag angesichts<br />

des langwierigen Legeferierungsverfahrens mit Nachdruck<br />

die Verabschiedung eines Partnerschaftsgesetzes, um Österreichs<br />

Anwaltschaft „...europareif zu machen“ 6 . Ein 1988<br />

vorgelegter Entwurf des BMJ sah u. a. die Schaffung einer<br />

Offenen Partnerschaft und einer Kommanditpartnerschaft<br />

vor, die nur den verkammerten freien Berufen offenstehen<br />

sollten. Aufgrund an diesem Entwurf geäußerter Kritik vor<br />

allem aus der Rechtswissenschaft erfolgte eine erneute<br />

Neukonzeption, die in dem am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen<br />

Erwerbsgesellschaftengesetz (EEG) mündete 7 .<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

Seit dem Inkrafttreten des EEG gibt es als im Sinne des<br />

§ 1a RAO zulässige Gesellschaftsformen zur gemeinschaftlichen<br />

Ausübung des Anwaltsberufs neben der Gesellschaft<br />

bürgerlichen Rechts auch die Offene Erwerbsgesellschaft<br />

(OEG) und die Kommanditerwerbsgesellschaft (KEG) 8 .Die<br />

normative Regelung des grundlegenden Aufbaus der Gesellschaft<br />

und die Einzelheiten des Gesellschaftsverhältnisses erfolgen<br />

durch Rezeption der für die OHG und KG geltenden<br />

Regeln des HGB. Demzufolge besteht das EGG aus lediglich<br />

11 Paragraphen; § 4 Abs. 1 EEG enthält eine Verweisungsnorm<br />

auf das HGB. Auf die Einzelheiten des Rechts der Erwerbsgesellschaft<br />

kann in diesem Rahmen nicht eingegangen<br />

werden, so daß einige kursorische Hinweise genügen sollen:<br />

Die EEG ist auf gemeinschaftlichen Erwerb unter einer<br />

gemeinsamen Firma gerichtet; sie ist gemäß § 3 Abs. 1 EGG<br />

zum Firmenbuch („Handelsregister“) anzumelden. Vor 9 der<br />

Anmeldung zum Firmenbuch ist die Erwerbsgesellschaft –<br />

wie auch eine Anwalts-GbR – gemäß § 1a RAO bei einem<br />

Ausschuß der zuständigen Anwaltskammer zur Eintragung in<br />

eine eigene Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften anzumelden.<br />

Die Eintragung im Firmenbuch hat konstitutive Wirkung<br />

10 . § 1 EGG unterscheidet zwischen der offenen Erwerbsgesellschaft,<br />

wenn bei keinem der Gesellschafter die<br />

Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt<br />

ist 11 , und der Kommandit-Erwerbsgesellschaft, wenn bei<br />

einem oder mehreren Gesellschaftern die Haftung gegenüber<br />

den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten<br />

Vermögenseinlage beschränkt ist 12 . Allerdings ist Anwälten<br />

aufgrund eines entsprechenden Berufsrechtsvorbehalts in § 6<br />

Abs. 1 EGG die Beteiligung an einer KEG nur als Komplementär<br />

gestattet, da gemäß § 21c Ziffer 2 RAO Anwälte in<br />

Anwaltsgesellschaften nur als voll haftende Gesellschafter<br />

beteiligt sein dürfen (und zudem Berufsfremden in Anwaltsgesellschaften<br />

gemäß § 21c Ziffer 9 RAO keine Geschäftsund<br />

Vertretungsbefugnisse eingeräumt sein dürfen).<br />

1 Aufgrund § 59k Abs. 2 BRAO bezeichnet der Begriff „Rechtsanwaltsgesellschaft“<br />

nach deutschem Recht (gegenwärtig) ausschließlich einen Zusammenschluß<br />

von Rechtsanwälten in der Rechtsform der GmbH. Nach österreichischem<br />

Verständnis (vgl. § 1a RAO) handelt es sich hingegen um einen untechnischen<br />

Sammelbegriff für Zusammenschlüsse von Anwälten in beliebiger Rechtsform.<br />

Vor diesem Hintergrund wird der Begriff der „Anwalts-GmbH“ verwendet.<br />

2 BayObLG ZIP 1994,1868 = BB 1994, 2433 = DZWiR 1995,110 = MDR 1995,<br />

95 = NJW 1995,199.<br />

3 Hierzu umfassend etwa Henssler, NJW 1999, S. 241 ff.<br />

4 BGBl I 71/1999, S. 629 ff.<br />

5 Siehe hierzu Henssler, PartGG, München 1997, Einf. Rdnr. 2 ff.<br />

6 Schuppich, öAnwBl 1987, 629, 631.<br />

7 Bundesgesetz vom 25.4.1990 über eingetragene Erwerbsgesellschaften – Erwerbsgesellschaftengesetz<br />

(EGG); BGBl 1990, S. 257.<br />

8 In Anlehnung an die Diktion vorangegangener Gesetzesentwürfe wird eine Erwerbsgesellschaft<br />

mit anwaltlichen Gesellschaftern auch als ‚Anwalts-Partnerschaft„<br />

bezeichnet. Im folgenden Text wird der besseren begrifflichen Unterscheidbarkeit<br />

halber durchgängig der Begriff der EEG verwendet.<br />

9 Schuppich/Tades, RAO, 5. Auflage, Wien 1994, § 1a RAO Anm.3; Feil/Wennig,<br />

Anwaltsrecht, Wien 1998, § 1a Rdnr. 10. Bestehende Unklarheiten über<br />

den notwendigen Zeitpunkt der Anmeldung bei der Kammer sind durch die<br />

durch das RABerufsRÄndG 1999 erfolgte Neufassung des § 1a Abs. 2 S. 1<br />

RAO beseitigt worden. Dort heißt es nunmehr, daß die „beabsichtigte Errichtung“<br />

bei der Kammer anzumelden ist.<br />

10 Feil/Wennig, aaO (Fn. 9), § 1a Rdnr. 3.<br />

11 Unsicherheiten bestehen aufgrund dieser gesetzlichen Formulierung, ob durch<br />

§ 1 EGG der Freiberufler-GbR die Existenzgrundlage entzogen worden ist<br />

(mit der Folge einer grundsätzlichen Eintragungspflicht von Freiberufler-Personengesellschaften).<br />

In diesem Sinne etwa Roth/Fitz, WBl 1990, 191 f. Zur<br />

herrschenden Gegenauffassung und weiteren Nachweisen umfassend Cuber,<br />

Formen anwaltlicher Zusammenarbeit unter besonderer Berücksichtigung der<br />

Anwalts-EEG, Wien 1996, S. 56 ff.<br />

12 Der Firmenkern muß aus dem Nachnamen mindestens eines unbeschränkt haftenden<br />

Gesellschafters bestehen (§ 4 Abs. 1 EGG i. V. m. § 19 HGB). Die Firma<br />

muß weiterhin einen Rechtsformzusatz (OEG oder KEG, § 2 Abs. 1 EGG)<br />

und einen Hinweis auf den ausgeübten Beruf (§ 6 Abs. 2 S. 1 EGG) enthalten.<br />

Bei einer Freiberufler-OEG besteht ein Bezeichnungsprivileg, da auch der<br />

Rechtsformzusatz „Partnerschaft“ bzw. „und Partner“ gewählt werden kann.<br />

Umfassend Cuber, aaO (Fn. 11), S. 83 ff.


AnwBl 1/2000 23<br />

Aufsätze l<br />

Bemerkenswert im Vergleich zum deutschen Recht ist<br />

die KEG, die eine Beteiligung berufsfremder Personen als<br />

Kommanditisten gestattet. Anders als das EGG begrenzt allerdings<br />

die RAO in § 21c Nr. 1 den Kreis der denkbaren<br />

Kommanditisten auf Ehegatten (während bestehender Ehe)<br />

und Kinder (bis zum 35. Lebensjahr) 13 eines der Gesellschaft<br />

angehörenden Rechtsanwalts, auf ehemalige anwaltliche<br />

Gesellschafter der KEG sowie Witwen und Kinder<br />

eines anwaltlichen Gesellschafters. Die Gestattung der Aufnahme<br />

berufsfremder Gesellschafter in eine KEG dient im<br />

wesentlichen der Versorgung der Angehörigen des Rechtsanwalts.<br />

Das deutsche PartGG schließt eine solche gesellschaftsrechtliche<br />

Versorgung durch § 9 PartGG aus; gemäß<br />

§ 9 Abs. 4 S. 2 PartG können bei entsprechender gesellschaftsvertraglicher<br />

Vereinbarung in die Partnerschaft lediglich<br />

i. S. d. § 1 Abs. 1, 2 PartG taugliche Erben eintreten 14 .<br />

Strenger ist das österreichische Recht hingegen bei Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten,<br />

da in der EEG eine Haftungskonzentration<br />

auf den fehlerhaft handelnden Berufsträger<br />

anders als in § 8 Abs. 2 PartG nicht möglich ist.<br />

Trotz der bei der Eingetragenen Erwerbsgesellschaft im<br />

Vergleich zur deutschen PartG fehlenden Möglichkeit der<br />

Haftungskonzentration hat sich die EEG seit ihrer Schaffung<br />

in Österreich einer großen Beliebtheit erfreut. Per Stichtag<br />

31.12.1998 existierten bei einer Gesamtzahl von 3.696 österreichischen<br />

Rechtsanwälten 185 eingetragene Anwalts-Erwerbsgesellschaften<br />

(zum Vergleich 1994: 100), während die<br />

Zahl der Gesellschaften bürgerlichen Rechts ca. 470 betrug 15 .<br />

Bei dem Großteil der Erwerbsgesellschaften handelt es sich<br />

um Offene Erwerbsgesellschaften; von den 180 EEGs waren<br />

ca. 140 OEGs. Interessanterweise firmiert ein Großteil der<br />

EEGs trotz des Bezeichnungsprivilegs des § 6 Abs. 1 EGG<br />

ohne den möglichen Rechtsformzusatz „Partnerschaft“ bzw.<br />

„und Partner“, was aber auch durch die durchschnittlich geringe<br />

Größe der Erwerbsgesellschaften motiviert sein mag,<br />

die eine Berücksichtigung aller Gesellschafter in der Firma<br />

ermöglicht. Die größeren Sozietäten organisieren sich tendenziell<br />

in Erwerbsgesellschaften, so etwa die bekannteren<br />

Kanzleien „Cerha, Hempel & Spiegelfeld“, „Preslmayer &<br />

Partner“ und „Weiss-Tessbach“.<br />

III. Die Anwalts-GmbH im österreichischen Recht<br />

Wenngleich die vorstehenden Zahlen belegen, daß die<br />

EEG als neue Gesellschaftsform für Freiberufler in der<br />

österreichischen Anwaltschaft im Vergleich zur deutschen<br />

Partnerschaft vergleichsweise wohlwollend aufgenommen<br />

worden ist, haben Entwicklungen in anderen Staaten den<br />

Blick der österreichischen Anwaltschaft für eine anzustrebende<br />

Assoziierungsmöglichkeit in GmbH-Form geschärft.<br />

In den Gesetzesmaterialien zum RABerufsRÄndG 1999<br />

wird daher festgestellt, daß die Anforderungen der modernen<br />

Dienstleistungsgesellschaft den internationalen Trend<br />

zur Gründung von Rechtsanwaltsgesellschaften verstärkt<br />

haben, von dem sich Österreich nicht abkoppeln könne. Bereits<br />

1991 plädierte eine Arbeitsgruppe der RAK Wien für<br />

die Zulassung der Rechtsanwalts-GmbH 16 , nicht zuletzt<br />

auch mit Blick auf die auf den Rechtsberatungsmarkt drängenden<br />

Wirtschaftstreuhänder (Wirtschaftsprüfer), denen<br />

gemäß § 7 WTBO 17 der Zusammenschluß in einer Kapitalgesellschaft<br />

bereits gestattet worden war.<br />

1) Die „Partnerschaft mit Rechtspersönlichkeit“<br />

Im Zuge der 1971 in Österreich aufgekommenen Diskussion<br />

um die Schaffung einer Partnerschaft als Rechtsform für<br />

die Anwaltschaft gab es erste Überlegungen, auch eine<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft zuzulassen, die sich als juristische<br />

Person in Konzeption und Ausgestaltung weitestgehend an<br />

die GmbH anlehnen sollte 18 . Nach den in Gänze gescheiterten<br />

Bemühungen um eine Novellierung des Gesellschaftsrechts<br />

der Anwälte (s. o.) konzentrierten sich in den folgenden Jahren<br />

die Überlegungen zunächst auf die Schaffung einer Partnerschaft;<br />

die Diskussion um die Öffnung des Kapitalgesellschaftsrechts<br />

für Assoziierungen von Rechtsanwälten ebbte<br />

ab. Anfang der achtziger Jahre drängte der Österreichische<br />

Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) in einem neuerlichen Gesetzgebungsverfahren<br />

darauf, neben der offenen Partnerschaft<br />

und der Kommanditpartnerschaft, die später in der OEG und<br />

KEG geschaffen wurden, auch eine Partnerschaft mit Rechtspersönlichkeit<br />

vorzusehen, in der das Gesellschaftsvermögen<br />

nicht den Partnern zur gesamten Hand zustehen, sondern im<br />

Eigentum der Gesellschaft stehen sollte. Allerdings entsprach<br />

diese „juristische Person“ in den persönlichen Beziehungen<br />

der Gesellschafter zueinander und in der Haftungsverfassung<br />

den Personengesellschaften. Der Unterschied lag allein in der<br />

Rechtsfähigkeit im Innenverhältnis und der damit verbundenen<br />

steuerrechtlichen Behandlung als GmbH mit der Konsequenz<br />

der Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht. Im weiteren<br />

Gesetzgebungsverfahren wurde die körperschaftliche<br />

Partnerschaft jedoch gegen den Widerstand der Anwaltschaft<br />

aus dem Gesetzesentwurf gestrichen und fand im 1991 in<br />

Kraft getretenen EGG keine Berücksichtigung 19 .<br />

2) Anwalts-GmbH im bisherigen Recht<br />

Nachdem die Bemühungen um eine positiv-rechtliche<br />

Regelung einer „Partnerschaft mit Rechtspersönlichkeit“ als<br />

Zwitter zwischen EEG und GmbH mit Verabschiedung des<br />

EGG endgültig gescheitert waren, wurde die Frage nach<br />

der Existenz und Reichweite eines gesetzlichen Verbots einer<br />

„echten“ Anwalts-GmbH wieder bedeutsamer. Einer<br />

„echten“ Anwalts-GmbH standen gesellschaftsrechtliche<br />

Hindernisse nicht entgegen, da auch im österreichischen<br />

Recht GmbH und AG zu jedem erlaubten Zweck errichtet<br />

werden können. Wenngleich auch kein ausdrückliches<br />

berufsrechtliches Verbot der gemeinschaftlichen Berufsausübung<br />

in einer Kapitalgesellschaft existierte, wurde die Unvereinbarkeit<br />

der Anwalts-GmbH mit dem geltenden Recht<br />

aus § 21c Ziffer 2 RAO abgeleitet 20 . Nach dieser Vorschrift<br />

dürfen Rechtsanwälte einer Anwaltsgesellschaft nur als persönlich<br />

haftende Gesellschafter angehören. In einer umfassenden<br />

Studie zu den Formen der anwaltlichen Zusammenarbeit<br />

belegte allerdings Cuber 1996, daß eine Anwalts-<br />

GmbH entgegen der herrschenden Meinung auch nach damals<br />

geltendem Recht zulässig war 21 . Begründen ließ sich<br />

diese Auffassung im wesentlichen mit Parallelen zur EEG<br />

und unter Heranziehung der im Zusammenhang mit ihrer<br />

Einführung bereits 1991 vorgenommenen Novellierungen<br />

der RAO 22 . Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem<br />

Meinungsstreit ist mit der gesetzlichen Regelung der Anwalts-GmbH<br />

obsolet geworden. Der österreichische Gesetz-<br />

13 Ggf. auch länger, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits als Rechtspraktikant<br />

tätig sind.<br />

14 Siehe umfassend Hetz, Anwaltsgemeinschaften, Wien 1995, S. 89 ff.<br />

15 Quelle; Österreichisches Anwaltsverzeichnis 1999.<br />

16 Sog. „Tulbinger Thesen“, öAnwBl 1991/9, S. XIII.<br />

17 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung; BGBl. 1955, S. 125 ff. i. d. F. BGBl.<br />

1991, S. 340 ff.<br />

18 Zur geschichtlichen Entwicklung Cuber, aaO (Fn. 11), S. 45 ff.<br />

19 Zum Ganzen Cuber, aaO (Fn. 11), S. 53 f.<br />

20 Vgl. Hetz, aaO (Fn. 14), S. 20; Loimer, Der österreichische Anwalt in der<br />

Europäischen Union, Frankfurt 1997, S. 128; Raubal, öAnwBl 1996, S. 289<br />

ff.<br />

21 Cuber, aaO (Fn. 11).<br />

22 Vgl. Cuber, aaO (Fn. 11), S. 121 ff.


24<br />

l<br />

geber hat sich den Globalisierungstendenzen im Rechtsberatungsmarkt<br />

nicht entziehen können. Im Bericht des Justizausschusses<br />

über das RABerufsÄndG 1999 heißt es daher,<br />

daß der österreichischen Rechtsanwaltschaft zur<br />

Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit die<br />

Berufsausübung im Form der GmbH ermöglicht wird – unter<br />

gleichzeitiger Wahrung, so wird betont, der Unabhängigkeit<br />

der anwaltlichen Berufsausübung und der<br />

Rechtsschutzinteressen der rechtssuchenden Bevölkerung.<br />

3) Die gesetzliche Regelung der Anwalts-GmbH in der RAO<br />

Gesetzgebungstechnisch hat der Gesetzgeber die Vorschriften<br />

in der RAO, die sich mit der anwaltlichen Berufsausübung<br />

in einer EEG befassen, um sinnentsprechende<br />

Ausführungen zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

ergänzt. Zudem wurden einige die Anwalts-GmbH betreffende<br />

Sondervorschriften neu in die RAO eingefügt. § 1a<br />

Abs. 1 S. 1 RAO bestimmt, daß die Ausübung der Rechtsanwaltschaft<br />

in Ergänzung zum klassischen Leitbild des<br />

Einzelanwalts „...auch in der Rechtsform der Gesellschaft<br />

bürgerlichen Rechts, der eingetragenen Erwerbsgesellschaft<br />

(Anwalts-Partnerschaft) und der Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung möglich ist“.<br />

a) Eintragung/Anmeldung<br />

Wie auch die GbR und die EEG ist die GmbH gemäß<br />

§ 1a Abs. 1 S. 2 RAO in eine Liste der Rechtsanwaltsgesellschaften<br />

einzutragen und bereits vor der Anmeldung<br />

zum Firmenbuch bei der zuständigen regionalen Kammer<br />

zur Liste der Rechtsanwaltsgesellschaften anzumelden 23 .<br />

Der Eintrag in das Firmenbuch durch das Firmenbuchgericht<br />

erfolgt nur unter Vorlage der Erklärung der zuständigen<br />

Rechtsanwaltskammer, daß die Eintragung in die Liste<br />

der Anwaltsgesellschaften nicht verweigert werden wird<br />

(sog. „Unbedenklichkeitsbescheinigung“). Die Eintragung<br />

in diese Liste ist wiederum nur durch den Nachweis der erfolgten<br />

Eintragung in das Firmenbuch, durch deren konstitutive<br />

Wirkung die Anwalts-GmbH erst entsteht, möglich<br />

(§ 1a Abs. 5 S. 3 RAO).<br />

b) Firmierung<br />

Der neu in die RAO eingefügte § 1b enthält firmenrechtliche<br />

Bestimmungen für die Rechtsanwalts-GmbH.<br />

Dem Prinzip der persönlichen Berufsausübung der Rechtsanwaltschaft<br />

wird firmenrechtlich dadurch Rechnung getragen,<br />

daß nur eine Personenfirma zulässig ist, die mindestens<br />

den Namen eines Rechtsanwalts-Gesellschafters<br />

enthalten muß und andere Namen als jene von Anwaltsgesellschaftern<br />

nicht enthalten darf.<br />

Zudem muß die Firma einen die Ausübung der Rechtsanwaltschaft<br />

verdeutlichenden Hinweis enthalten. Die Notwendigkeit<br />

der Aufnahme eines Rechtsformzusatzes in die<br />

Firma ergibt sich hingegen nicht aus § 1 b RAO, sondern<br />

aus § 5 Abs. 2 GmbHG. Anders als § 59k Abs. 1 BRAO<br />

folgt die Ersichtlichkeit einer Vergesellschaftung nach dem<br />

Gesetzeswortlaut des § 1 b Abs. 1 RAO allein aus dem gesellschaftsrechtlich<br />

vorgegebenen Rechtsformzusatz; die<br />

Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ muß in der gemischten<br />

Firma nicht zwangsläufig erscheinen. Gemäß<br />

§ 1b Abs. 2 RAO kann im Fall der Fortführung eines „Anwaltsunternehmens“<br />

– gemeint sind sowohl eine Einzelkanzlei<br />

als auch eine GbR und eine EEG – in der Rechtsform<br />

der GmbH die frühere Bezeichnung mit einem die<br />

neue Rechtsform belegenden Zusatz weiter verwendet werden.<br />

In einem solchen Fall können ausnahmsweise auch<br />

Nicht-Anwaltsgesellschafter in der Firma erscheinen.<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

c) Gesellschafterkreis<br />

Wie bereits bei der EEG können auch in einer Anwalts-<br />

GmbH berufsfremde Personen zum Gesellschafterkreis gehören:<br />

Enumerativ und abschließend zählt § 21c Nr. 1<br />

RAO den Ehegatten und (bis zum 35. Lebensjahr) die Kinder<br />

eines lebenden oder verstorbenen Anwaltsgesellschafters,<br />

Gesellschafter, die auf die Ausübung der Anwaltschaft<br />

verzichtet haben, und – neu – Privatstiftungen, die zum<br />

Zwecke der Unterstützung des vorstehenden Personenkreises<br />

errichtet worden sind24 , als mögliche weitere Gesellschafter<br />

auf. Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anwalts-GmbH<br />

und der EEG sind insoweit identisch. § 21c<br />

Nr. 2 S. 2 RAO stellt für nichtanwaltliche Gesellschafter<br />

der GmbH klar, daß diesen keine Geschäftsführungs- und<br />

Vertretungsbefugnis eingeräumt werden darf. Die treuhänderische<br />

Übertragung und Ausübung von Gesellschaftsrechten<br />

durch die berufsfremden Gesellschafter ist durch<br />

§ 21c Nr. 5 RAO ausgeschlossen.<br />

Aus der enumerativen Aufzählung des § 21c Nr. 1 RAO,<br />

der als denkbare Gesellschafter nur natürliche Personen aufzählt,<br />

wird entnommen, daß Gesamthandsgesellschaften<br />

und juristische Personen nicht Gesellschafter einer Anwaltsgesellschaft<br />

sein können25 und die Bildung sogenannter<br />

doppelstöckiger Gesellschaften nicht möglich ist. Die Berücksichtigung<br />

ausschließlich natürlicher Person in § 21c<br />

Nr. 1 RAO wird in der Tat dazu führen müssen, juristische<br />

Personen als Gesellschafter einer Anwalts-GmbH auszuscheiden.<br />

Auch wenn man einer Anwalts-GmbH eine eigene<br />

Berufsberechtigung zuerkennen und sie insofern selbst<br />

als „Rechtsanwalt“ erachten würde, wäre ihr eine Beteiligung<br />

an einer anderen Anwalts-GmbH bereits aufgrund<br />

§ 21c Nr. 8 RAO nicht möglich, der Anwaltsgesellschaften<br />

die Beteiligung an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen<br />

Berufsausübung untersagt. Für die GbR<br />

liegt eine solche Konsequenz nicht ohne weiteres auf der<br />

Hand, wenngleich der Gesetzgeber wegen der u. a. durch<br />

§ 1a Abs. 2 Nr. 2 RAO beabsichtigten Sicherstellung der<br />

strukturellen Transparenz offensichtlich keine doppelstöckigen<br />

Gesellschaften gewünscht hat. Diese Sichtweise deckt<br />

sich mit der Regelung im deutschen Recht, die durch besitzstandswahrende<br />

Ausnahmebestimmungen für Steuerberatungsgesellschaften<br />

zusätzliche Problematiken birgt. Über<br />

die Notwendigkeit eines solchen Verbots läßt sich trefflich<br />

streiten 26 . Ohne eigene Rechtspersönlichkeit faßt eine GbR<br />

lediglich anwaltliche Gesellschafter in gesamthänderischer<br />

Verbundenheit zusammen. Daß die derart verbundenen Gesellschafter<br />

als GbR den Charakter des „Rechtsanwalts“ –<br />

etwa im Sinne des § 21c Nr. 1 RAO – verlieren, wird man<br />

bezweifeln können; sie sind ohne Kreierung einer neue<br />

Rechtspersönlichkeit eben nur in einer bestimmten Weise<br />

miteinander verbunden. Gestattet man, daß eine GbR (Allein-)<br />

Gesellschafterin einer GmbH sein kann und zugleich<br />

berufsrechtlich nicht vorgeschrieben wird, daß die Geschäftsanteile<br />

der GmbH den Gesellschaftern ungeteilt zur<br />

Verfügung stehen müssen, erscheint bei Fehlen eines ausdrücklichen<br />

gesetzlichen Verbots denkbar, daß Gesellschafterin<br />

einer Anwalts-GmbH auch eine GbR sein kann, deren<br />

ausschließlicher Zweck das Halten der Anteile an der Be-<br />

23 Zu den beizufügenden Unterlagen und zu machenden Angaben vgl. im einzelnen<br />

Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Wien<br />

1998, Rdnr. 152 ff.<br />

24 Diese Variante soll die Geschäftsführung in Gesellschaften mit berufsfremden<br />

Gesellschaftern erleichtern.<br />

25 Für die EEG Helz, aaO (Fn. 14), S. 84.<br />

26 Siehe zur Problematik im deutschen Recht Zuck, Anwalts-GmbH, Köln 1999,<br />

§ 59c Rdnr. 36.


AnwBl 1/2000 25<br />

Aufsätze l<br />

rufsausübungskapitalgesellschaft ist. Ein solche Konstruktion<br />

erlaubt durch die vereinfachte Übertragungsmöglichkeit<br />

von GmbH-Gesellschaftsanteilen organisatorische und<br />

finanzielle Erleichterungen insbesondere für große Gesellschaften<br />

mit stetigem Wechsel im Gesellschafterbestand.<br />

d) Zweigniederlassungen<br />

Von großer Bedeutung ist die Vorschrift des § 21c Nr. 7<br />

i. V. m. mit § 7a RAO. Durch diese beiden neu in die RAO<br />

eingefügten Bestimmungen ist es über die Verweisungsnorm<br />

des § 21c Nr. 7 der Anwalts-GmbH – und erstmals über<br />

§ 7a RAO der Anwaltschaft allgemein – möglich, Zweigniederlassungen<br />

zu errichten. Bislang war der Betrieb einer<br />

Filialkanzlei nach § 50 der Richtlinien für die Ausübung des<br />

Rechtsanwaltsberufs, denen nach der Rechtsprechung des<br />

österreichischen Verfassungsgerichtshofs Verordnungscharakter<br />

zukommt, nicht gestattet. Das verbreitet für verfassungswidrig<br />

erachtete Verbot 27 ließ sich ferner § 21 RAO<br />

entnehmen. Anstoß für die Aufhebung des Verbots durch<br />

das RABerufsRÄndG 1999 war die Verabschiedung der EG-<br />

Richtlinie 98/5 („Rechtsanwalts-Niederlassungsrichtlinie“) 28 .<br />

Im Rahmen der bis zum März 2000 von Österreich zu realisierenden<br />

Umsetzung muß Anwälten aus anderen EU-Staaten<br />

die Möglichkeit eröffnet werden, bei einer Tätigkeit in<br />

Österreich unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung<br />

i. S. d. Art. 11 Abs. 1 RiLi 98/5 in einer Zweigstelle ihrer<br />

im Herkunftsstaat domizilierenden Anwaltsgesellschaft tätig<br />

werden zu können. Um die nationale Anwaltschaft durch<br />

diese europarechtliche Entwicklung nicht zu benachteiligen,<br />

entschied man sich auf Drängen des ÖRAK für eine gänzliche<br />

Aufhebung des Filialverbots 29 . Gemäß § 7a Abs. 1<br />

RAO sind Rechtsanwälte (und Anwaltsgesellschaften, § 21c<br />

Nr. 7 RAO) künftig berechtigt, auch außerhalb ihres Kanzleisitzes<br />

Kanzleiniederlassungen einzurichten, wenn die Leitung<br />

jeder dieser Niederlassungen einem Rechtsanwalt übertragen<br />

wird, der seinen Kanzleisitz an der Adresse der<br />

Niederlassung hat. Bemerkenswerterweise erhofft sich der<br />

Gesetzgeber durch diese Liberalisierung auch einen positiven<br />

beschäftigungspolitischen Effekt 30 .Gemäߧ7aAbs.2<br />

RAO bedarf die Gründung einer Filiale der Genehmigung<br />

der örtlich zuständigen Anwaltskammer, die zu erteilen ist,<br />

wenn mindestens ein Anwalt in der Kanzleiniederlassung<br />

den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit hat. § 21c Nr. 7<br />

RAO stellt im Hinblick auf die neu eröffneten Möglichkeiten<br />

für Anwaltsgesellschaften weitergehend klar, daß zumindest<br />

ein Anwaltsgesellschafter seinen Kanzleisitz am Sitz der Gesellschaft<br />

haben muß. Bislang wurde zum Teil vertreten, daß<br />

alle der Gesellschaft angehörenden Rechtsanwälte ihren eigenen<br />

Kanzleisitz außerhalb des Sitzes der Gesellschaft haben<br />

dürfen 31 .<br />

e) Verbot der Stern-/Interprofessionellen Sozietät Fortgeschrieben<br />

wird das Verbot der sog. „Sternsozietät“ 32 .§21c<br />

Nr. 8 S. 1 RAO untersagt es einem Rechtsanwalt auch künftig,<br />

mehr als einer Gesellschaft anzugehören. Da die untechnische<br />

Formulierung „angehören“ gewählt wurde, ist nicht<br />

nur die Gesellschafterstellung in anderen Gesellschaften gemeint,<br />

sondern auch jede andere Form der Mitarbeit in oder<br />

Beteiligung an einer anderen Gesellschaft 33 . „Gesellschaft“<br />

meint nur die Anwaltsgesellschaft. Beteiligungen an Gesellschaften,<br />

die nicht die Anwaltschaft ausüben, sind im Rahmen<br />

des § 20 RAO möglich, wenn die Art und Weise, wie<br />

das Geschäfts ausgeübt wird, nicht Ehre und Ansehen des<br />

Anwaltsstandes zuwiderläuft. Allerdings ist es österreichischen<br />

Anwälten verwehrt, sich mit anderen Freiberuflern<br />

interprofessionell zu assoziieren. Ein entsprechendes Verbot<br />

wird § 21c Nr. 6 RAO entnommen, demgemäß an einer Gesellschaft<br />

zur Ausübung der Anwaltschaft mit Ausnahme zu<br />

versorgender Angehöriger keine Berufsfremden beteiligt<br />

sein dürfen. Gleichlautende Bestimmungen finden sich in<br />

den Berufsrechten anderer freier Berufe. Im Rahmen der<br />

weltweit intensiven Diskussion um die Zulassung interprofessioneller<br />

Freiberuflergesellschaften ist in Österreich eine<br />

bemerkenswerte Zurückhaltung festzustellen. Erfahrungen in<br />

anderen Ländern, etwa den Niederlanden, scheinen in der<br />

Anwaltschaft eine gewisse Skepsis ausgelöst zu haben, ob<br />

die Zulassung von „Multi-Disciplinary Partnerships“ interessengerecht<br />

ist 34 . In den Tulbinger Thesen des Jahres 1991<br />

wurde die Befürchtung artikuliert, daß im Falle der Zulassung<br />

von Gesellschaftsformen mit Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />

den anwaltlichen Gesellschaftern lediglich die<br />

Rolle eines Juniorpartners mit dem Charakter einer besseren<br />

Rechtsabteilung zukommen werde 35 . Es verwundert daher<br />

nicht, daß die Zulassung multiprofessioneller Gesellschaften<br />

erstmals in einem 1998 vorgestellten Entwurf eines neuen<br />

„Wirtschaftstreuhand-Berufsgesetzes“ vorgeschlagen worden<br />

ist. In den Gesetzesmaterialien zum RABerufsRÄndG 1999<br />

weist der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hin, daß weiterer<br />

Diskussionsbedarf bestehe und vorerst am Verbot der multiprofessionellen<br />

Gesellschaften festgehalten werde 36 . Vor diesem<br />

Hintergrund erhellt sich das neu eingefügte Verbot des<br />

§ 21c Nr. 8 S. 2 RAO, der es auch der Anwaltsgesellschaft<br />

selbst untersagt, sich an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen<br />

Berufsausübung zu beteiligen; erfaßt ist insofern<br />

auch die Assoziierung mit einer natürlichen Person.<br />

Hierdurch soll ebenso wie in § 59c Abs. 2 BRAO verhindert<br />

werden, daß die o. a. Verbote durch mehrstöckige Schachtelgesellschaften<br />

umgangen werden und wechselseitige Abhängigkeiten<br />

entstehen.<br />

f) Geschäftsführung<br />

Während nach bisherigem Recht für Anwaltsgesellschaften<br />

in § 21c Nr. 9 RAO bestimmt war, daß alle der Gesellschaft<br />

angehörenden Gesellschafter allein zur Geschäftsführung<br />

befugt (und nicht-anwaltliche Gesellschafter von<br />

derselben ausgeschlossen) sein müssen, enthält die neue<br />

Nr. 9a eine GmbH-spezifische Ergänzung: Anders als im<br />

deutschen Recht (vgl. § 59f Abs. 2 BRAO) wird Fremdgeschäftsführung<br />

unterbunden, da zusätzlich zu den anwaltlichen<br />

Gesellschaftern Nicht-Gesellschafter, etwa angestellte<br />

Anwälte, nicht zu Geschäftsführern berufen werden dürfen.<br />

Auch ist in Abweichung vom allgemeinen GmbH-Recht die<br />

Prokuraerteilung ausgeschlossen. Allerdings heißt es in den<br />

Gesetzesmotiven, daß diese Verbote nur „vorerst“ gelten und<br />

die Erfahrungen mit der neuen Gesellschaftsform beobachtet<br />

werden sollen 37 . § 21 c Nr. 10 RAO stellt sicher, daß den berufsfremden<br />

Gesellschaftern eine Einflußnahme auf die Man-<br />

27 Mayer, öAnwBl 1992, S. 712; Torgller, FS-Kastner (1992), S. 453, 467; Hoffmann,<br />

öAnwBl 1993, S. 801, 802. Umfassend Cuber, aaO (Fn. 11), S. 106 ff.<br />

28 Zu dieser umfassend Henssler ZEuP 1999, S. 689 ff.<br />

29 Vgl. auch Cuber, aaO (Fn. 11), S. 109.<br />

30 Drucksache Nationalrat 1638/XX, S. 12.<br />

31 Feil/Wennig, aaO (Fn. 9), § 21c RAO, Rdnr. 5.<br />

32 Vgl. zum deutschen Recht zuletzt BGH Beschl. vom 21. Juni 1999, AnzZ (B)<br />

89/98; Henssler, ZIP 1998, S. 2121 ff., Zuck, NJW 1999, 283, 285.<br />

33 Problematisch ist indes, daß Art. 11 Abs. 2 RiLi 98/5 europarechtlich die<br />

Möglichkeit eröffnet, daß in Österreich niedergelassene, assoziierte Anwälte<br />

in ihrem Herkunftsstaat einer anderen Berufsausübungsgesellschaft angehören<br />

dürfen. Das nationale Recht wirkt insoweit diskriminierend; bzgl. hierzu auch<br />

Henssler, ZeuP 1999, 689, 707.<br />

34 Siehe Hetz, aaO (Fn. 14), S. 88, unter Hinweis auf Henssler, NJW 1993,<br />

S. 2144.<br />

35 Tulbinger Thesen, öAnwBl 1991, <strong>Heft</strong> 9, XIV. Zurückhaltend auch Hetz, aaO<br />

(Fn. 14), S. 88 f.; Cuber, aaO (Fn. 11), S. 71.<br />

36 Drucksache Nationalrat 1638/XX, S. 17.<br />

37 Drucksache Nationalrat 1638/XX, S. 17. Anders § 59f Abs. 3 BRAO.


26<br />

l<br />

datsbearbeitung durch die Berufsträger nicht nur über den<br />

Ausschluß von der Geschäftsführung verwehrt wird, sondern<br />

auch nicht durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung<br />

nach § 35 GmbHG erreicht werden kann 38 : Die Ausübung<br />

eines Mandats darf nicht an eine Weisung oder Bestimmung<br />

der Gesellschafter gebunden werden. Diese Vorschrift ist<br />

insbesondere deshalb von Bedeutung, weil es hinsichtlich einer<br />

denkbaren Beteiligung gesellschaftsfähiger Berufsfremder<br />

an der GmbH keine Beschränkung des Umfangs der Geschäftsanteile<br />

oder Stimmrechte gibt.<br />

g) Vertretung<br />

Die gesetzliche Vertretungsregelung der Gesellschaft folgt<br />

der Geschäftsführungsbefugnis: Alle Anwaltsgesellschafter<br />

müssen alleinvertretungsberechtigt sein; berufsfremde Gesellschafter<br />

dürfen keine Vertretungsmacht besitzen. § 21e<br />

RAO stellt eine gesetzliche Vermutung auf, daß eine der Gesellschaft<br />

erteilte Vollmacht im Sinne einer gesetzlichen Substitution<br />

auch als den einzelnen Gesellschaftern erteilt gilt 39 .<br />

h) Berufsberechtigung der Gesellschaft<br />

Ob die nach § 21e RAO bevollmächtigten und vertretungsberechtigten<br />

Anwälte für die Gesellschaft auftreten,<br />

hängt von der Beantwortung der Frage nach der eigenen<br />

„Berufsberechtigung der Anwaltsgesellschaft“ ab, die in<br />

Deutschland unter dem Stichwort „Postulationsfähigkeit der<br />

Anwalts-GmbH“ erörtert wird. Das Problem der Prozeßund<br />

Postulationsfähigkeit (teil-)rechtsfähiger Anwaltsgesellschaften<br />

stellt sich seit der Schaffung der EEG insbesondere<br />

deshalb, weil eine für andere Freiberuflergesellschaften 40<br />

gesetzlich explizit angeordnete eigenständige Berufsberechtigung<br />

für Anwalts-EEG und Anwalts-GmbH unterblieben<br />

ist. § 21e RAO bestimmt lediglich, daß einer EEG und<br />

einer Anwalts-GmbH Vollmacht erteilt werden kann. Für<br />

die EEG wurde u. a. deshalb vertreten, daß aufgrund des<br />

Fehlens einer gesetzlichen Verleihung der Berufsberechtigung<br />

und der Existenz verfahrensrechtlicher Vorschriften,<br />

die das Handeln natürlicher Personen voraussetzen, eine an<br />

die Gesellschaft erteilte Vollmacht bei einer Prozeßhandlung<br />

durch eine natürliche Person substituiert werden müsse 41 .<br />

Hinsichtlich der Anwalts-GmbH werden ähnliche Probleme<br />

nicht angenommen, da die Diskussion in der Vergangenheit<br />

vor allem an die Teilrechtsfähigkeit der EEG anknüpfte 42 .<br />

Der ÖRAK geht daher davon aus, daß die Anwalts-GmbH<br />

selbst die Anwaltschaft ausübt.<br />

i) Haftpflichtversicherung<br />

Besondere Bestimmungen mußten in die RAO aufgenommen<br />

werden, um eine angemessene Haftpflicht der Anwalts-GmbH<br />

zu gewährleisten. Während für einen Einzelanwalt<br />

der Unterhalt einer Berufshaftpflichtversicherung<br />

mit einer Deckungssumme von 5,6 Mio. Schilling für jeden<br />

Versicherungsfall vorgesehen ist – und deren Nachweis erstmals<br />

als ausdrückliche Eintragungsvoraussetzung in die Anwaltsliste<br />

verlangt wird (§ 1 Abs. 2 lit. g RAO) –, beträgt<br />

sie für die Anwalts-GmbH das Sechsfache, nämlich 33,6<br />

Mio. Schilling (§ 21a Abs. 4 S. 1 RAO) 43 . Der Gesetzgeber<br />

hat sich zur Realisierung einer notwendigen Absicherung<br />

der Mandanten für eine hohe gesetzliche Haftpflichtversicherung<br />

entschieden und ebenso denkbare, systemwidrige<br />

Durchbrechungen des GmbH-Rechts etwa durch einen Haftungsdurchgriff<br />

(„Handelndenhaftung“) oder durch ein erhöhtes<br />

Mindestkapital der Gesellschaft vermieden. Die<br />

erhöhte Versicherungssumme für die Anwalts-GmbH wurde<br />

nicht nur im Hinblick auf die fehlende persönliche Haftung<br />

der Gesellschafter 44 , sondern auch wegen des erhöhten Risi-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aufsätze<br />

kos hoher Schäden für die primäre Zielgruppe der neuen<br />

Rechtsform Anwalts-GmbH (Wirtschaftskanzleien) 45 , festgesetzt.<br />

Eine persönliche Haftung trifft die geschäftsführenden<br />

Gesellschafter – nicht die an der Gesellschaft zulässigerweise<br />

beteiligten Berufsfremden –, wenn die Versicherung<br />

die Schadensregulierung ablehnen kann, weil die<br />

vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung nicht oder<br />

nicht im vorgeschriebenen Umfang unterhalten worden ist.<br />

Diese gesamtschuldnerisch neben die Haftung der Gesellschaft<br />

tretende Haftpflicht der Gesellschafter ist aufgrund<br />

ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung verschuldensunabhängig.<br />

Eine summenmäßige Begrenzung der Leistungen<br />

innerhalb eines Versicherungsjahres durch den Versicherer<br />

ist, anders als in § 59j Abs. 2 BRAO, nicht möglich.<br />

IV. Österreich und Deutschland – Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede<br />

Was fällt bei einem Vergleich der Rechtsanwaltgesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung deutschen Rechts und der<br />

österreichischen Anwalts-GmbH auf?<br />

Identisch ist das zweigeteilte Zulassungsverfahren, das<br />

seine Berechtigung aus der Tatsache ableitet, daß die für<br />

die Führung des Firmenbuchs zuständige Stelle nicht über<br />

die notwendige Sachkunde verfügt, um die berufsrechtliche<br />

Seite der Errichtung einer Anwalts-GmbH umfassend zu<br />

begutachten. In Österreich ist der Verfahrensgang anders<br />

als in Deutschland gesetzlich genau vorgeschrieben: Zunächst<br />

berufsrechtliche Begutachtung, sodann Eintragung<br />

in das Firmenbuch aufgrund einer Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />

und schließlich Eintragung in eine Liste der<br />

Anwaltsgesellschaften bei der zuständigen Anwaltskammer<br />

(diesen letzten Verfahrensschritt kennt das deutsche Recht<br />

nicht). Die in Deutschland diskutierte Frage, ob eine endgültige<br />

berufsrechtliche Genehmigung bereits vor einer<br />

Eintragung in das Handelsregister zu erlangen ist 46 , stellt<br />

sich daher nicht.<br />

Die Unterschiede beim möglichen Gesellschafterkreis<br />

sind bereits aufgezeigt worden: In Österreich gibt es zum<br />

einen keine weiteren „sozietätsfähigen“ Berufe als mögliche<br />

Gesellschafter, zum anderen aber die Möglichkeit, Familienangehörige<br />

oder nicht mehr aktive Gesellschafter durch eine<br />

Gesellschafterstellung ohne Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse<br />

zu versorgen. Die Existenz einer „Kommandit-Partnerschaft“<br />

(KEG) hat diesen Schritt für die GmbH<br />

sicherlich erleichtert. Wenngleich in Deutschland davon ge-<br />

38 § 35 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG sieht insbesondere „Maßregeln zur Prüfung und<br />

Überwachung der Geschäftsführung“ durch die Gesellschafterversammlung<br />

vor.<br />

39 Umfassend zur Vollmachterteilung an eine EEG Brugger, öAnwBl 1991,<br />

S. 773 ff.<br />

40 Für Wirtschaftstreuhänder in § 7 Abs. 1, 29 WTBO; für Ziviltechniker in § 21<br />

Abs. 2 ZTG.<br />

41 Vgl. Müller/Rief/Thiery, Eingetragene Erwerbsgesellschaften, 1994, S. 120;<br />

Hetz, aaO (Fn. 14), S. 118 sowie die Nachweise bei Brugger, AnwBl 1991,<br />

774.<br />

42 Nicht fruchtbar gemacht werden kann allerdings der neue § 1 Abs. 6 RAO,<br />

nach dem die „Rechtsanwälte betreffenden Vorschriften [...] sinngemäß auch<br />

für Rechtsanwalts-Gesellschaften“ gelten. Diese Vorschrift hat nach dem Willen<br />

des Gesetzgebers wohl lediglich die Bedeutung, die Anwendung anderer<br />

die anwaltliche Tätigkeit erfassender Gesetze – wie etwa des RATG – auch<br />

auf die Anwaltsgesellschaften sicherzustellen.<br />

43 Die „krummen“ Beträge ergeben sich aufgrund einer Anlehnung an den<br />

Wechselkurs des Euro. Die Schillingbeträge entsprechen 400.000 bzw. 2,4<br />

Mio. Euro. Aus Anlaß der Einfügung der Sondervorschriften für die Anwalts-<br />

GmbH wurde im übrigen die Mindestversicherungssumme für den Einzelanwalt<br />

von 500.000 auf 5.6 Mio. Schilling mehr als verzehnfacht.<br />

44 So die amtliche Begründung zu § 59j Abs. 2 S. 1 BRAO; BR-Drs. 1002/97,<br />

S. 18.<br />

45 Drucksache Nationalrat 1638/XX, S. 16.<br />

46 Vgl. Henssler NJW 1999, 241, 242.


AnwBl 1/2000 27<br />

Aufsätze l<br />

sprochen wird, daß „die Anwalts-GmbH die Möglichkeit zur<br />

anwaltlichen Arbeit, nicht die Möglichkeit, sein Kapital arbeiten<br />

zu lassen“ gibt, würde die Gestattung eines „stillen<br />

nicht-anwaltlichen Gesellschafters“ nach österreichischem<br />

Modell auch für Deutschland keinen tiefgreifenden berufsrechtlichen<br />

Bedenken begegnen. Ob es insbesondere für<br />

deutsche Großsozietäten, wie es sie in vergleichbarer Größe<br />

in Österreich nicht gibt, eine wünschenswerte und praktikable<br />

Alternative wäre, steht indes auf einem anderen Blatt.<br />

Unterschiede fallen bei der Regelung der Geschäftsführung<br />

auf: Das deutsche Recht hat sich bewußt gegen die<br />

Notwendigkeit der Geschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter<br />

entschieden, da sie auch bei einer Einzelgeschäftsführungsbefugnis<br />

z. B. bei Registeranmeldungen gemäß<br />

§§ 57, 58d GmbHG unpraktikabel ist 47 . Im österreichischen<br />

Recht ist gemäß § 51 Abs. 1 öGmbH für jede Abänderung<br />

des Gesellschaftsvertrages die Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer<br />

notwendig. Selbiges gilt für Kapitalerhöhungen<br />

(§ 51 Abs. 1 S. 1 öGmbHG) und -herabsetzungen (§ 59<br />

Abs. 1 S. 4 öGmbHG) 48 . Allerdings muß konzediert werden,<br />

daß sich das Problem bei der durchschnittlichen Größe<br />

österreichischer Anwaltsgesellschaften nicht mit der selben<br />

Intensität stellt wie in Deutschland. Glücklicher als in<br />

§ 59i Abs. 2 BRAO ist die österreichische Lösung der Leitung<br />

von Zweigstellen: Anders als in Deutschland setzt<br />

§ 7a Abs. 1 RAO nicht voraus, daß eine Zweigstelle von<br />

einem Anwaltsgesellschafter geleitet werden muß; vielmehr<br />

kann diese Funktion jeder Anwalt übernehmen, der seinen<br />

Kanzleisitz am Ort der Zweigniederlassung hat. Diese Lösung<br />

ist sachgerecht; die Motive des österreichischen Gesetzgebers<br />

sind von begrüßenswerten pragmatischen Erwägungen<br />

getragen: Insbesondere Berufsanfängern sollen<br />

Betätigungsmöglichkeiten in neu geschaffenen Zweigniederlassungen<br />

etablierter Kanzleien ermöglicht werden.<br />

Die Prozeßvertretung eines Mandanten unmittelbar<br />

durch eine Anwalts-GmbH ist im deutschen Recht –<br />

gleichsam in letzter Minute 49 – durch die Anerkennung der<br />

Postulationsfähigkeit der Anwalts-GmbH in § 59I BRAO<br />

ermöglicht worden. Wie bereits bei der EEG mangelt es für<br />

die Anwalts-GmbH österreichischen Rechts an einer entsprechenden<br />

Klarstellung. Geht man mit der herrschenden<br />

Auffassung von einer fehlenden „Berufsberechtigung“ der<br />

Anwaltsgesellschaften aus (s. o.), so hätte eine solche<br />

Sichtweise haftungsrechtlich ungünstige Konsequenzen, da<br />

die bei einem gerichtlichen Tätigwerden notwendige Substituierung<br />

eine persönliche Haftung des in concreto handelnden<br />

Prozeßanwalts nach sich ziehen würde. Dieses<br />

Problem stellt sich in Deutschland mit Inkrafttreten des<br />

§ 59I BRAO nicht mehr.<br />

Die Untersagung der Mehrfachbeteiligung an verschiedenen<br />

Berufsausübungsgesellschaften ist in Österreich und<br />

Deutschland vom Wortlaut her unterschiedlich geregelt.<br />

Ebenso wie § 21c Nr. 8 RAO sah § 59e Abs. 2 BRAO in<br />

der Fassung des Referentenentwurfs ein Verbot der „Beteiligung<br />

als Gesellschafter“ an einer weiteren Beteiligung vor.<br />

In der verabschiedeten Form untersagt § 59e Abs. 2 BRAO<br />

dem deutschen Rechtsanwalt hingegen, den in der Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

ausgeübten Beruf in einer anderen Verbindung<br />

„auszuüben“. Aufgrund dieses Wortlauts sind in<br />

Deutschland weder reine Kapitalbeteiligungen – die wegen<br />

§ 59e BRAO berufsrechtlich allerdings nicht an Anwaltsgesellschaften,<br />

wohl aber z. B. an Steuerberatungsgesellschaften<br />

möglich sind – noch für Mehrfachqualifizierte die<br />

Ausübung eines anderen freien Berufs (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer)<br />

in einer anderen Gesellschaft untersagt. In<br />

Österreich wird man wegen der Fassung des § 21c Nr. 8<br />

RAO 50 davon ausgehen müssen, daß jedenfalls das anwaltli-<br />

che Berufsrecht einem mehrfachqualifizierten Anwalt nicht<br />

verbieten kann, in einer nicht-anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft<br />

tätig zu werden, wenngleich die Norm an die<br />

Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft und nicht an die Ausübung<br />

des Anwaltsberufs anknüpft. Da es in § 21c Nr. 8 S.<br />

1 RAO heißt, daß ein Anwaltsgesellschafter zwar nur einer<br />

Gesellschaft angehören darf, bei einem entsprechenden gesellschaftsvertraglichen<br />

Vorbehalt die Anwaltschaft aber<br />

auch außerhalb der Gesellschaft ausüben darf, sind – jedenfalls<br />

nach der RAO – reine Kapitalbeteiligungen an nicht-anwaltlichen<br />

Berufsausübungsgesellschaften ebenso möglich<br />

wie nicht-anwaltliche Tätigkeiten in anderen Freiberuflergesellschaften.<br />

Die bloße kapitalmäßige Beteiligung an anderen<br />

Anwaltsgesellschaften wird hingegen durch den durch<br />

§ 21c Nr. 1 RAO vorgegebenen möglichen Gesellschafterkreis<br />

einer Anwaltsgesellschaft begrenzt.<br />

Bemerkenswert ist schließlich die identische Lösung der<br />

Haftungsproblematik durch eine der Anwalts-GmbH abverlangten,<br />

im Vergleich zu Einzelanwälten deutlich erhöhten<br />

Mindesthaftpflichtversicherung (Deutschland ein Fünf-,<br />

Österreich ein Sechsfaches). Dieses Modell ist nicht so<br />

selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick scheinen<br />

mag. In Frankreich und England etwa haften Gesellschafter<br />

einer Anwaltskapitalgesellschaft für ihre beruflichen Kunstfehler<br />

im Sinne einer Durchgriffshaftung neben der Gesellschaft,<br />

lediglich ihre Mitgesellschafter bleiben vor den haftungsrechtlichen<br />

Folgen eines Haftpflichtfalles verschont 51 .<br />

V. Ausblick<br />

Mit zwei Problemkreisen wird sich die österreichische<br />

Anwaltschaft auch nach dem RABerufsRÄndG 1999 auseinanderzusetzen<br />

haben: Nach wie vor unbeantwortet ist die Frage<br />

nach der Legalisierung multiprofessioneller Anwaltsgesellschaften.<br />

Ihre Gestattung bringt ganz erheblichen<br />

weiteren Regelungsbedarf, so etwa hinsichtlich der Auswahl<br />

der gesellschaftsfähigen Berufe, der Mehrheitserfordernisse in<br />

der Gesellschaft und der kollidierenden Berufsrechte der<br />

Gesellschafter. Ebenso ungeklärt ist die Zulässigkeit der<br />

Anwalts-AG. Während die Anwalts-AG in Deutschland<br />

durchaus als für eine Freiberuflerkooperation geeignet erachtet<br />

wird 52 , sehen österreichische Autoren die AG wegen ihrer<br />

unpersönlichen Ausgestaltung, der reinen Kapitalbeteiligung<br />

der Mitglieder, dem Prinzip der Drittorganschaft und der Existenz<br />

eines Aufsichtsrates mit umfassenden Einsichtsrechten<br />

als wenig attraktive Gesellschaftsform für die Anwaltschaft 53 .<br />

Es bleibt abzuwarten, ob der internationale Trend hin zu<br />

Anwalts-Aktiengesellschaften, der nach Dänemark 54 , Norwegen,<br />

Schweden, Finnland 55 , Frankreich 56 und den Niederlanden<br />

57 mittlerweile auch Deutschland erreicht hat, auch im<br />

österreichischen Recht seinen Niederschlag finden wird.<br />

47 Henssler, ZIP 1997, S. 1481, 1484.<br />

48 Vgl. Kostner/Umfahrer, aaO (Fn. 23), Rdnr. 1098 auch für weitere Fallgruppen<br />

der Antragslegitimation.<br />

49 Vgl. Henssler, ZHR 161 (1997), S. 305 ff.; Dittmann ZHR 161 (1997), S.<br />

332, 336.<br />

50 „Rechtsanwälte dürfen nur einer Gesellschaft angehören“ – Gesellschaft bezieht<br />

sich hierbei nur auf den Begriff „Anwaltsgesellschaft“.<br />

51 Vgl. Henssler, ZHR 161 (1997); S. 305 ff.; Frieders, öAnwBl 1991, S. 281 ff.<br />

52 Henssler, NJW 1999, S. 241, 247.<br />

53 Cuber, aaO (Fn. 11), S. 25 f.<br />

54 Errens, in Henssler/Nerlich, Anwaltliche Tätigkeit in Europa, Köln 1994,<br />

S. 131.<br />

55 Pretzell, Anwaltsrecht in Finnland, Schweden und Norwegen, Köln 1997,<br />

S. 108 ff.<br />

56 Donath, ZHR 156 (1992), S. 135, 155 f.<br />

57 Nerlich, Internationale Kooperationen, Köln 1994 S. 146 ff.


AnwBl 1/2000 29<br />

Justizreform l<br />

Freitag, 4. Februar 2000 9.00 Uhr bis 19.30 Uhr<br />

9.00 Uhr A. Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt<br />

Dr. Michael Streck, Köln<br />

9.10 Uhr B. Grußwort: Staatssekretär Dr. Hansjörg Geiger, Berlin<br />

9.15 Uhr C. Einführung durch den Vorsitzenden des DAV-Ausschusses „Justizreform“,<br />

Rechtsanwalt Felix Busse, Bonn<br />

9.30 Uhr D. Diskussion<br />

Verhandlungsleitung: RA Felix Busse, Bonn, Vorsitzender des DAV-Ausschusses<br />

„Justizreform“<br />

Hinweis: Die zu diskutierenden Fragen sollen in Themenkomplexen<br />

abgehandelt werden. Zu Beginn jedes Themenkomplexes<br />

werden zunächst alle vorgesehenen Statements im Block<br />

vorgetragen. Daran schließt sich die Diskussion an.<br />

Die Vielzahl der zu behandelnden Themen macht eine zeitliche<br />

Beschränkung der Diskussionsbeiträge auf max. 5 Minuten<br />

notwendig.<br />

Diskussion, erster Teil<br />

I. Zur Situation der Zivilgerichtsbarkeit (I. und II. Instanz) heute<br />

9.30 Uhr Erster Themenkomplex<br />

1. Belastung/Überlastung der Ziviljustiz:<br />

Sind die Zivilgerichte infolge der Entwicklung der Eingangszahlen<br />

überlastet?<br />

2. Verfahrensdauer:<br />

a) Dauern die zivilgerichtlichen Verfahren zu lange?<br />

b) Wie sind die zum Teil erheblichen Unterschiede in der Erledigungsgeschwindigkeit<br />

zwischen einzelnen Gerichten zu<br />

erklären und zu bewerten?<br />

3. Erledigungszahlen:<br />

a) Erreicht die Zivilgerichtsbarkeit angemessene Erledigungszahlen<br />

b) Sind die Unterschiede der Anzahl der Erledigungen zwischen<br />

Richtern am Amtsgericht und Richtern am Landgericht<br />

I. Instanz sowie zwischen Richtern der Berufungszivilkammern<br />

und Richtern am Oberlandesgericht noch<br />

gerechtfertigt, wenn ja, wodurch?<br />

9.30 Uhr Statements zu Fragen 1-3 (jeweils 7 Minuten)<br />

Staatsrat Ulrich Mäurer, Bremen<br />

PräsOLG Gero Debusmann, Hamm<br />

Rechtsanwalt und Notar Horst Eylmann, Stade<br />

4. Einzelrichter/Kollegialgericht I. Instanz:<br />

a) Wie wirkt sich die Einzelrichtertätigkeit I. Instanz im Hinblick<br />

auf Erledigungszahlen und Verfahrensdauer gegenwärtig<br />

im Vergleich zum Kollegialgericht aus?<br />

b) Gibt es meßbare Qualitätsunterschiede bei den Ergebnissen<br />

der richterlichen Tätigkeit des Einzelrichters gegenüber den<br />

Kollegialgerichten?<br />

9.55 Uhr Statements zu Frage 4 (jeweils 5 Minuten)<br />

RiLG Ulrich-Alfred Kleinert, Münster<br />

RiOLG Heribert Eggert, Hamm<br />

RA Dr. Hans C. Lühn, Münster<br />

5. Prozeßleitung durch das Gericht:<br />

a) Gibt die Verfahrensführung und Prozeßleitung durch das<br />

Gericht Anlaß zu Beanstandungen, wenn ja, worin bestehen<br />

diese?<br />

b) Sind Überraschungsentscheidungen zu beklagen?<br />

6. Streitschlichtung durch das Gericht:<br />

Bleibt der Erfolg der Gerichte bei ihren Bemühungen, den<br />

Rechtsstreit gütlich beizulegen, hinter den Erwartungen zurück?<br />

Wenn ja, worauf beruht dies?<br />

10.10 Uhr Statements zu Fragen 5-6 (jeweils 5 Minuten)<br />

PräsOLG Hartwin Kramer, Oldenburg<br />

Rechtsanwalt und Notar Dr. Eberhard Haas, Bremen<br />

10.20 Uhr Diskussion zum ersten Themenkomplex<br />

11.15 Uhr Kaffeepause<br />

11.45 Uhr Zweiter Themenkomplex<br />

7. Inanspruchnahme der Berufungsgerichte:<br />

Ist die gegenwärtige Inanspruchnahme der Berufungsgerichte<br />

unangemessen?<br />

a) Ist die I. Instanz in vielen Fällen nur Probelauf oder Durchgangsstation?<br />

b) Läßt sich ausmachen, daß viele Rechtsmittelkläger trotz erkennbar<br />

fehlender Berufungsaussichten die „Flucht in die<br />

Berufung“ antreten, um Zeit zu gewinnen?<br />

c) Besteht ein Mißverhältnis zwischen der Anzahl der Berufungen<br />

und deren Erfolg?<br />

d) Welche wesentlichen Kriterien für den Entschluß, Berufung<br />

einzulegen, lassen sich gegenwärtig erkennen?<br />

e) Werden gegenwärtig zuviele Richter bei den Berufungsgerichten<br />

im Verhältnis zur Zahl der erstinstanzlich tätigen<br />

Richter tätig?<br />

f) Wieviel Arbeitskraft der Berufungsrichter wird gebunden,<br />

weil Beweisaufnahmen I. Instanz wiederholt werden, ohne<br />

daß dem ersten Richter Rechtsfehler zur Last gelegt werden<br />

können oder weil neue Tatsachen vorgetragen werden,<br />

die schon in I. Instanz hätten vorgetragen werden können?<br />

g) Fördert oder behindert die Anwendung der geltenden Präklusionsvorschriften<br />

die Verfahren?<br />

8. Einheitlichkeit der Rechtsprechung:<br />

Ist bei Materien, die aufgrund der gegenwärtigen Gerichtsverfassung<br />

letztinstanzlich vom Landgericht entschieden werden, ein<br />

stärkeres Auseinanderdriften der Rechtsprechung zu beobachten<br />

als bei den Materien, die höchstrichterlich entschieden werden<br />

können? Inwieweit ist dies der Fall?<br />

11.45 Uhr Statements zu Fragen 7-8 (jeweils 5 Minuten)<br />

RA Dr. Bernd Hirtz, Köln<br />

PräsOLG Gero Debusmann, Hamm<br />

RDir Dr. Christian Meyer-Seitz, BMJ Berlin<br />

12.00 Uhr Diskussion zum zweiten Themenkomplex<br />

13.00 Uhr Dritter Themenkomplex<br />

9. Akzeptanz der Zivilgerichtsbarkeit beim Bürger heute:<br />

a) Stellt der gegenwärtige Gerichtsaufbau, insbesondere die<br />

gespaltene Zuständigkeit von Amts- und Landgericht als Gerichte<br />

I. Instanz und von Berufungszivilkammern und Oberlandesgerichten<br />

in II. Instanz ein Akzeptanzproblem dar?<br />

b) Ist in einer ins Gewicht fallenden Größenordnung feststellbar,<br />

daß Bürger beanstanden, daß in Rechtsstreitigkeiten<br />

bis 1.500,00 DM kein Rechtsmittel eingelegt werden<br />

kann?<br />

c) In bezug auf welche Gesichtspunkte steht die Ziviljustiz<br />

nach den Erfahrungen der Anwaltschaft, der Richterschaft<br />

und der Wirtschaft in der besonderen Kritik der Bürger?<br />

13.00 Uhr Statements zu Frage 9 (jeweils 5 Minuten)<br />

Dr. Joachim Jahn, FAZ Frankfurt<br />

Bernhard Töpper, ZDF Mainz (angefragt)<br />

13.10 Uhr Diskussion zum dritten Themenkomplex<br />

14.00 Uhr Mittagspause<br />

Diskussion, zweiter Teil 15.00 bis 19.30 Uhr<br />

II. Vorschläge zur Steigerung der Effektivität der I. Instanz<br />

15.00 Uhr Erster Themenkomplex<br />

1. Maßnahmen der Organisation der Gerichte, Einsatz von EDV<br />

15.00 Uhr Statement zu Frage 1 (7 Minuten)<br />

Prof. Dr. Maximilian Herberger, Saarbrücken<br />

2. Verbessertes Prozeßmanagement durch den Richter<br />

a) Verbesserte<br />

pflichten?<br />

Prozeßleitung, Ausdehnung der Hinweis-<br />

b) Mehr mündliche Verhandlung?<br />

c) Mehr oder weniger Aufklärung durch das Gericht „von<br />

Amts wegen“?<br />

3. Verstärkung der Mitwirkungspflichten der Prozeßvertreter und der Parteien?<br />

Verschärfung der Präklusionsvorschriften?<br />

15.10 Uhr Statements zu Fragen 2-3 (jeweils 7 Minuten)<br />

VRiLG Dr. Heidemarie Renk, Berlin<br />

RA Curt Engels, Hamburg<br />

15.25 Uhr Diskussion zum ersten Themenkomplex


30<br />

l<br />

16.15 Uhr Zweiter Themenkomplex<br />

4. Einführung der originären Entscheidungszuständigkeit des Einzelrichters?<br />

a) Generell oder ab einem bestimmten Streitwert? Welchem?<br />

b) Wie kann dabei die postassessorale Ausbildung der neu<br />

eingestellten Richter gewährleistet werden?<br />

c) Erwartung deutlich erhöhter Erledigungszahlen beim (Einzel-)<br />

Richter am Landgericht?<br />

5. Aufteilung der Entscheidungszuständigkeiten nach Rechtsgebieten (Spezialisierung)<br />

des Einzelrichters?<br />

16.15 Uhr Statements zu Fragen 4-5 (jeweils 7 Minuten)<br />

VRiOLG Manfred Kleinknecht, Nürnberg<br />

Rechtsanwalt und Notar Horst Eylmann, Stade<br />

16.30 Uhr Diskussion zum zweiten Themenkomplex<br />

17.30 Uhr Kaffeepause<br />

18.00 Uhr Dritter Themenkomplex<br />

6. Maßnahmen zur Steigerung der Zahl der gütlichen Einigungen<br />

a) vor dem Gericht selbst,<br />

b) durch Verweisung an einen Schlichter oder Mediator.<br />

18.00 Uhr Statement zu Frage 6 (5 Minuten)<br />

RA JR Dr. Karl Eichele, Koblenz<br />

7. Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf die Akzeptanz beim Bürger.<br />

Was muß im Interesse größerer Akzeptanz beim Bürger noch geändert<br />

werden?<br />

18.05 Uhr Statement zu Frage 7 (5 Minuten)<br />

RA Hartmut Kilger, Hechingen/Tübingen<br />

8. Ist zur Umsetzung der Vorschläge ein neues Verständnis richterlicher<br />

Unabhängigkeit nötig? Stärkung des Kernbereichs, aber Einordnung in<br />

vorgegebene Arbeitsabläufe, verständige Produktivitätserwartungen und<br />

Fortbildungspflichten?<br />

18.10 Uhr Statements zu Frage 8 (jeweils 5 Minuten)<br />

Staatsrat Ulrich Mäurer, Bremen<br />

DirAG Geert W. Mackenroth, Mölln<br />

RA (BGH) Prof. Dr. Achim Krämer, Karlsruhe<br />

18.25 Uhr Diskussion zum dritten Themenkomplex<br />

Samstag, 5. Februar 2000 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr<br />

Diskussion, dritter Teil<br />

III. Vorschläge zur Steigerung der Effektivität der Berufungsinstanz<br />

9.00 Uhr Erster Themenkomplex<br />

1. Umgestaltung in eine Instanz zur Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung?<br />

a) Weitergehende Bindung an die Tatsachenfeststellung der<br />

I. Instanz?<br />

b) Beschränkung des Vortrags neuer Tatsachen?<br />

c) Beschränkung von Verfahrensrügen?<br />

d) Auswirkung solcher Vorschläge auf die Effektivität: Entlastung<br />

oder Belastung?<br />

e) Auswirkung solcher Vorschläge auf die Akzeptanz beim<br />

Bürger.<br />

9.00 Uhr Statements zu Frage 1 (jeweils 5 Minuten)<br />

RDir Dr. Christian Meyer-Seitz, BMJ Berlin<br />

PräsOLG Hartwin Kramer, Oldenburg<br />

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Scharf, Celle<br />

9.15 Uhr Diskussion zum ersten Themenkomplex<br />

10.10 Uhr Zweiter Themenkomplex<br />

2. Vorschaltung eines Annahmeverfahrens?<br />

3. Beschlußverwerfung mangels Erfolgsaussicht?<br />

4. Auswirkungen solcher Vorschläge auf die Akzeptanz beim Bürger.<br />

10.10 Uhr Statements zu Fragen 2-4 (jeweils 5 Minuten)<br />

Staatssekretär Dr. Stefan Franke, Dresden<br />

VRiOLG Manfred Kleinknecht, Nürnberg<br />

RA Dr. Bernd Hirtz, Köln<br />

10.25 Uhr Diskussion zum zweiten Themenkomplex<br />

11.15 Uhr Kaffeepause<br />

11.45 Uhr Dritter Themenkomplex<br />

5. Erhöhung oder Senkung der Berufungssumme, Zulassungsberufung in<br />

Bagatellsachen?<br />

11.45 Uhr Statements zu Frage 5 (jeweils 5 Minuten)<br />

Dr. Klaus Hahnzog, Bayerischer Landtag<br />

MinDirektor Steindorfner, Stuttgart<br />

11.55 Uhr Diskussion zum dritten Themenkomplex<br />

12.15 Uhr Vierter Themenkomplex<br />

6. Zusammenfassung der Entscheidungszuständigkeit beim OLG?<br />

7. Umsetzung erhöhter Erledigungszahlen durch die Berufungsrichter?<br />

8. Einzelrichterentscheidung auch durch das Berufungsgericht?<br />

12.15 Uhr Statements zu Fragen 6-8 (jeweils 5 Minuten)<br />

MD Dr. Hans Hilger, BMJ Berlin<br />

RAuN Dr. Friedhelm Kieserling, Hamm<br />

12.25 Uhr Diskussion zum vierten Themenkomplex<br />

13.00 Uhr Mittagspause<br />

14.00 Uhr Fünfter Themenkomplex<br />

9. Auswirkungen der Vorschläge auf die wirtschaftliche Situation der Anwaltschaft.<br />

14.00 Uhr Statement zu Frage 9 (10 Minuten)<br />

Rechtsanwalt und Notar Rembert Brieske, Bremen<br />

14.10 Uhr Diskussion zum fünften Themenkomplex<br />

Diskussion, vierter Teil 14.45 Uhr bis 17.00 Uhr<br />

IV. Revisionsverfahren<br />

AnwBl 1/2000<br />

Justizreform<br />

14.45 Uhr Erster Themenkomplex<br />

1. Zur Situation beim BGH heute:<br />

a) Entwicklung der Eingänge (Streitwert- und Zulassungsrevisionen),<br />

b) Entwicklung der Ergebnisse (Annahmequote, Erfolgsquote).<br />

14.45 Uhr Statements zu Frage 1 (jeweils 5 Minuten)<br />

PräsBGH Karlmann Geiß, Karlsruhe (angefragt)<br />

RA (BGH) Dr. Hermann Büttner, Karlsruhe<br />

2. Welchen Aufgaben muß der BGH verpflichtet sein?<br />

a) Der Rechtsfortbildung/Einheitlichkeit der Rechtsprechung,<br />

b) der Einzelfallgerechtigkeit<br />

und wird er diesen Aufgaben heute noch gerecht?<br />

14.55 Uhr Statements zu Frage 2 (jeweils 5 Minuten)<br />

Bundesanwalt Rolf Hannich, BMJ Berlin<br />

RiBGH Prof. Dr. Eike Ullmann, Karlsruhe<br />

RA (BGH) Prof. Dr. Achim Krämer, Karlsruhe<br />

15.10 Uhr Diskussion zum ersten Themenkomplex<br />

16.00 Uhr Zweiter Themenkomplex<br />

3. Ist das heutige System der Streitwertrevision unsozial und ungerecht?<br />

4. Wie würde sich die Abschaffung der Streitwertrevision und die Einführung<br />

der allgemeinen Zulassungsrevision ohne Anfechtungs-möglichkeit<br />

oder mit Nichtzulassungsbeschwerde<br />

a) auf die Belastung des BGH,<br />

b) auf die Breite des Zugangs zum BGH,<br />

c) auf die Akzeptanz beim Bürger<br />

16.00 Uhr<br />

auswirken?<br />

Statements zu Fragen 3-4 (jeweils 5 Minuten)<br />

Bundesanwalt Rolf Hannich, BMJ Berlin<br />

RABGH Dr. Herbert Messer, Karlsruhe<br />

PräsBGH Karlmann Geiß, Karlsruhe (angefragt)<br />

16.15 Uhr Diskussion zum zweiten Themenkomplex<br />

17.00 Uhr V. Zusammenfassung der Ergebnisse durch den Vorsitzenden des Ausschusses<br />

Justizreform des DAV, Rechtsanwalt Felix Busse, Bonn<br />

17.25 Uhr VI. Schlußworte des Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt<br />

Dr. Michael Streck, Köln


32<br />

9<br />

Ausbildungsreform I<br />

Zu Bischof, Kilger, Streck AnwBl 1999, 595<br />

Der Diskussionsbeitrag zur Juristenausbildungsreform<br />

von Hans Helmut Bischof, Vizepräsident des Oberlandesgerichts<br />

Koblenz, stellt deutlich dar, dass der Weg zu einer<br />

Ausbildungsreform, die insbesondere auch dem Berufsbild<br />

und den Berufsanforderungen an den Anwalt gerecht wird,<br />

noch ein weiter ist. Bischof emotionalisiert und wirft der<br />

Anwaltschaft vor, mit dolus directus dem Ansehen des Berufsstandes<br />

Rechtsanwalt zu schaden durch das Schaffen<br />

von Zugangssperren zum Anwaltsberuf. Aus meiner Sicht<br />

ordnet Bischof hier die Probleme falsch.<br />

Die Ansätze Bischofs, die die Lösung der Probleme nur<br />

marginal den Regeln des Marktes überlassen wollen, richten<br />

mehr Schaden an, als die Position der Anwaltschaft die<br />

Bischof kritisiert. Der Weg von Bischof führt zwangsläufig<br />

zu einem Verlust des gesellschaftlichen Ansehens der<br />

Rechtsanwaltschaft und nimmt damit billigend in Kauf,<br />

dass der Anspruch des Bürgers auf eine kompetente anwaltliche<br />

Unterstützung verletzt wird. Dies ist ein vorsätzlicher,<br />

jedenfalls mit dolus eventualis begangener, Angriff<br />

auf die Rechtspflege.<br />

Aber im Ernst: Bischof misst mit zweierlei Maß, wenn<br />

er die Praxis des Staates, nur besonders befähigte Examenskandidaten<br />

in den Richterdienst zu berufen, offensichtlich<br />

nicht vergleichen will mit der von ihm kritisierten<br />

Zugangskontrolle durch eine Anwaltsausbildung durch die<br />

Anwaltschaft selbst. Der entscheidende Unterschied ist,<br />

dass in der Justiz ein faktisch nicht zum Richteramt Befähigter<br />

„mitgetragen“ wird, in der Rechtsanwaltschaft der<br />

Betroffene über Marktregularien wirtschaftliche Einbußen<br />

und die Anwaltschaft insgesamt massive Ansehensverluste<br />

erleiden muss.<br />

Offen gesagt ist das Dilemma der heutigen Juristenausbildung<br />

doch folgende Situation:<br />

Wer die Ausbildung durchläuft und keine andere Wahl<br />

mehr sieht, als über die freie Anwaltschaft einen juristischen<br />

Beruf auszuüben, kann für sich nicht in Anspruch<br />

nehmen, tatsächlich die Qualifikation zum Rechtsanwalt zu<br />

haben, oftmals fehlt es an der menschlichen und teils auch<br />

an der fachlichen Befähigung hierzu. Die Konsequenz ist,<br />

dass der von Bischof bemühte Markt in zunehmendem<br />

Maße das Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft verliert. Gerade<br />

dieses Vertrauen aber ist es, was der Anwalt zur<br />

pflichtgemäßen und auch verfassungsgemäßen Erfüllung<br />

seines beruflichen Auftrages benötigt. Insbesondere die<br />

Rechtsvertretung des sog. einfachen Bürgers wird durch<br />

diesen Zustand immer mehr erschwert.<br />

Hiergegen gibt es nur ein Gegenmittel, nämlich, dass<br />

diejenigen, die die Befähigung eines jungen Juristen für<br />

das Berufsbild des Anwalts beurteilen können, insofern regelnd<br />

eingreifen. Es sind die Anwälte, die entscheiden und<br />

beurteilen können, welche Bewerber sich in fachlicher und<br />

menschlicher Hinsicht für den Anwaltsberuf eignet.<br />

In diesem Zusammenhang ist es aus meiner Sicht kontraproduktiv,<br />

wenn von dem Kollegen Kilger noch das<br />

Wunschdenken einer freien Advokatur hervorgehoben wird.<br />

Ich darf die ketzerische Fragen stellen: Entspricht es Sinn<br />

und Zweck der freien Advokatur und der Rechtsstaatspflege,<br />

AnwBl 1/2000<br />

dass auch Nicht-Befähigte Zugang zur Anwaltschaft erhalten?<br />

Wird dies dem Leistungsverständnis der Deutschen<br />

Rechtspflege gerecht?<br />

Meines Erachtens kann der Ansatzpunkt für eine umfassend<br />

verantwortungsvolle Ausbildungsreform nur der sein,<br />

dass in der Ausbildung frühzeitig auf die Befähigung zum<br />

Anwaltsberuf abgestellt wird. Die Entscheidung hierüber<br />

sollte man denen überlassen, die dies beurteilen können:<br />

Der Anwaltschaft.<br />

Dass dieses Regularium auch für Qualität bürgt, ergibt<br />

sich aus der Feststellung Bischofs, dass Geld die Welt<br />

regiert. Nur diejenigen Anwälte, die dauerhaften Erfolg<br />

haben, werden wirtschaftlich dazu in der Lage sein, junge<br />

Kollegen auszubilden. Diejenigen Kollegen, die sich<br />

„mehr schlecht als recht“ durch den Anwaltsberuf über<br />

Wasser halten, haben schon wirtschaftlich keine Möglichkeit,<br />

junge Kollegen auszubilden; ich unterstelle hierbei,<br />

dass schon die Ausbildungsvergütung dem letztendlichen<br />

Berufsziel adäquat ist.<br />

Im Übrigen wird die Ausbildung durch die Anwaltschaft<br />

mit der aus meiner Sicht notwendigen Zugangssperre des<br />

Bewerbungserfordernisses auch den Interessen der jungen<br />

Juristen gerecht. Es ist gesellschaftspolitisch meines Erachtens<br />

unverantwortlich, einen Berufsanfänger in eine mindestens<br />

5 1/2jährige Ausbildung zu schicken und ihm danach<br />

das Risiko aufzubürden, nach weiteren Jahren festzustellen,<br />

dass er für den Anwalts- wie einen anderen juristischen Beruf<br />

ungeeignet ist. Dies verletzt existenzielle Interessen des<br />

jungen Berufseinsteigers ebenso, wie es der gesellschaftlichen<br />

Verantwortung der Rechtspflege nicht gerecht wird.<br />

Es wird in der Diskussion aus meiner Sicht nämlich entscheidend<br />

vernachlässigt, welchen Schaden der Mandant<br />

hat, der an einen ungeeigneten Anwalt gerät.<br />

Ich plädiere daher für eine leistungsorientierte Anwaltsausbildung<br />

durch die Anwaltschaft im Interesse der<br />

Rechtspflege, des Marktes und vor allem: der Mandanten.<br />

Rechtsanwalt Frank Daniel Ehrsam, München<br />

Ausbildungsreform II<br />

Zu Bischof, Kilger, Streck AnwBl 1999, 595<br />

Unter der Rubrik „Meinung und Kritik“ ist eine ausführliche<br />

Stellungnahme des Vizepräsidenten des OLG<br />

Koblenz, Bischof, nebst zwei Kommentaren zum Thema<br />

veröffentlicht.<br />

Ohne ins einzelne gehen zu wollen bin ich, und spreche<br />

hier für mich alleine, der Auffasung, daß es bei der bisherigen<br />

Referendarsausbildung grundsätzlich bleiben sollte.<br />

Dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die Kommentatoren<br />

nicht darauf eingehen, wie sie sich im einzelnen<br />

eine Ausbildungsstelle vorstellen. Welches Gehalt soll<br />

den zukünftigen Anwaltsassessoren gezahlt werden? Oder<br />

zahlen diese dem ausbildenden Anwalt ein Gehalt?<br />

Jedem Verfasser stimmt der Unterzeichner zu, daß der<br />

freie Markt das Seine leistet. Dies wird er um so mehr tun<br />

,je härter der Wettbewerb wird. Der sogenannte Closed-<br />

Shop hingegen wird weit eher zu Wettbewerbsverzerrungen<br />

führen als das, was sich derzeit abspielt.<br />

Rechtsanwalt Matthias Görgen, Koblenz


AnwBl 1/2000 33<br />

Meinung & Kritik<br />

Reform der Juristenausbildung<br />

Ein Kommentar von einer frischgebackenen Volljuristin<br />

Nachdem ich nun mit dem Abschluss des 2. Juristischen<br />

Staatsexamens die Befähigung zum Richteramt erlangt<br />

habe und mich für den – aus meiner Warte – interessanten<br />

Rechtsanwaltsberuf entschieden habe, frage ich mich, ob<br />

ich mit dem nötigen Rüstzeug für diesen Beruf ausgestattet<br />

worden bin. Im Ergebnis wird man diese Frage wohl mit<br />

einem „Nein“ beantworten müssen, was nicht etwa mit<br />

meinem Desinteresse an der Ausbildung oder mangelnder<br />

Lernfähigkeit zusammenhängt.<br />

Wenn ich im Nachhinein die langwierige, nicht einfache<br />

Ausbildung Revue passieren lasse, kommen mir Gedanken,<br />

wie man vielleicht doch auf etwas andere, praktischere<br />

Weise zu seinem Ziel hätte hingeführt werden können. Da<br />

Kritik bekanntlich einfach und konstruktivere Vorschläge<br />

doch schon etwas schwieriger sind, möchte ich versuchen<br />

darzustellen, wie ich mir eine Juristenausbildung vorstellen<br />

könnte.<br />

1. Zum Studium<br />

Das Studium erscheint den meisten Jura-Studenten zu<br />

Beginn wohl in aller erster Linie als ein wenig unübersichtlich.<br />

Man sollte vielleicht im 1. Semester damit beginnen,<br />

einen Gesamtüberblick zu verschaffen, damit der Student<br />

weiß, wo irgendwann mal der Zug hinfährt.<br />

Im 2./3./4. Semester bekommt man in den drei Rechtsgebieten<br />

Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht die<br />

Grundlagen vermittelt und beendet die Semester jeweils<br />

mit einer Abschlussprüfung.<br />

Im 5./.6./7. Semester erfolgt dann die Vertiefung dieser<br />

drei Rechtsgebiete, wobei auch hier die Semester mit einer<br />

Abschlussprüfung beendet werden.<br />

Damit mich keiner falsch versteht, neben den Pflichtfächern<br />

bleibt selbstverständlich das Angebot anderer<br />

Rechtsgebiete bestehen, in die man sich freiwillig je nach<br />

Interessenlage hineinarbeiten kann und im eigenen Interesse<br />

auch sollte.<br />

Zu den Abschlussprüfungen möchte ich anmerken, dass<br />

diese eher in Klausuren, als in allzu wissenschaftlichen<br />

Hausarbeiten liegen sollten. Hausarbeiten sind zudem sehr<br />

zeitintensiv und kommen der Praxis eines Juristen wenig<br />

nahe, da er zur Lösung eines Rechtsproblems selten 4 - 6<br />

Wochen zur Verfügung haben wird. Besonders sinnvoll<br />

zum Erlernen des unerlässlichen Klausurenschreibens sind<br />

Klausur-AGs und weniger wissenschaftliche Vorlesungen.<br />

Statt des Hausarbeitenschreibens in den Semesterferien,<br />

sollte man den Studenten durch noch mehr Praktika dazu<br />

verpflichten, jeweils ca. 3 Wochen in den Semesterferien<br />

bei einer juristischen Stelle zu arbeiten. In dieser Zeit<br />

könnte man erste wertvolle praktische Erfahrungen sammeln<br />

und bereits erste Berufsvorstellungen entwickeln sowie<br />

die durch nichts zu ersetzenden Kontakte sammeln.<br />

Zwei Pflichtpraktika, wie derzeit zumeist üblich, sind meiner<br />

Auffassung nach dazu nicht ausreichend. Trotz dieser<br />

drei-wöchigen Praktika dürfte das Jobben in den Semesterferien<br />

zum Auffrischen des Studentenbeutels auch noch<br />

möglich sein. Und warum sollte man nicht auch schon<br />

während des Praktikums oder darüber hinaus etwas Geld<br />

in seinem vielleicht zukünftigen Beruf verdienen?<br />

Im 8. Semester beendet man sein Studium dann mit jeweils<br />

einer Examensklausur in den Pflichtfächern und mit<br />

einer mündlichen Prüfung.<br />

Manch einer wird sich nun fragen, was hieran so bahnbrechend<br />

anders sein soll.<br />

Entscheidend ist, dass die zuvor erbrachten Abschlussprüfungen<br />

sowie die Examensprüfungen eine Einheit bilden<br />

und zusammen die Endnote des 1. Staatsexamens bilden.<br />

Des weiteren sollte man die ersten drei Klausuren ähnlich<br />

einem Vordiplom behandeln und nach jeweils zwei<br />

vergeblichen Versuchen das Scheitern des Studiums herbeiführen.<br />

Dies mag zunächst hart klingen, aber ich habe persönlich<br />

miterlebt, wie ein Examensprüfling nach 11 Semestern<br />

im zweiten Anlauf sein Examen endgültig nicht<br />

bestanden hat. Ich glaube, dass dieser Person mehr damit<br />

gedient gewesen wäre, wenn sie bereits nach vier Semestern<br />

gescheitert wäre und dann einen Neuanfang gemacht hätte.<br />

Im übrigen ist es auch unzumutbar über mindestens<br />

8 Semester alle möglichen Rechtsgebiete durchzuarbeiten,<br />

um dann „ernsthaft“ erst nach über 4 Jahren darin geprüft<br />

zu werden. Es würde bei der zunehmenden Masse an Materie,<br />

die auf einen zukommt, eher dem Menschenverstand<br />

entsprechen, das neu Gelernte gleich zum Semesterende<br />

abzuprüfen und in die Endwertung einzubeziehen, wie dies<br />

in so vielen anderen Studiengängen üblich ist. Dabei denke<br />

ich nicht an das bereits übliche „Scheine sammeln“,<br />

sondern an ernsthafte Prüfungen.<br />

Auch halte ich eine rein wissenschaftliche Schwerpunktausbildung<br />

im Studium für überflüssig. Es überfrachtet<br />

lediglich das Studium und verlängert die Ausbildung. Dies<br />

ist aber weder in finanzieller Hinsicht, noch im Hinblick<br />

auf die kurzen Ausbildungszeiten im europäischen Vergleich<br />

sinnvoll. Daher zum nächsten Punkt:<br />

2. Das Referendariat<br />

Das Referendariat hat mir weitaus besser gefallen, als<br />

das Studium. Hier erst wurde mir klar, was von einem Juristen<br />

überhaupt erwartet wird. Hatte ich vorher noch leicht<br />

verfälschte Vorstellungen vom Beruf des Staatsanwalts<br />

oder Richters, so wurde ich bald eines Besseren belehrt.<br />

Vielleicht wären mir meine Illusionen auch schon früher<br />

genommen worden, wenn ich mehrere Praktika absolviert<br />

hätte. Selbstverständlich ist immer Eigeninitiative gefordert<br />

und selbstverständlich hätte ich auch von mir aus<br />

freiwillig mehrere Praktika machen können. Aber was<br />

macht der Mensch schon freiwillig, und da die Ausbildung<br />

ja sonst auch so reglementiert ist, warum nicht auch in<br />

diesem Bereich.<br />

Um auch hier wieder einen Überblick zu bekommen, ist<br />

es wohl unerlässlich, an der derzeitigen Regelung festzuhalten<br />

und dem Referendar auf jedem Gebiet einen Einblick<br />

zu verschaffen. Allerdings sind die derzeitigen Aufenthalte<br />

bei den jeweiligen Stationen zeitlich zu lang und<br />

oft uneffektiv gestaltet. Nutzt man intensiv 3 Monate Zivilgericht,<br />

3 Monate Staatsanwaltschaft/Strafgericht, 3 Monate<br />

Verwaltung und 3 Monate Rechtsanwalt/Wirtschaftsunternehmen,<br />

so sollte diese Zeit reichen, um einen<br />

Überblick zu erlangen.<br />

Nun kommt die entscheidende Frage: Was will ich (auf<br />

diesem so unendlichen Gebiet des Rechts) überhaupt<br />

machen? Schließlich gibt es viele Berufsfelder und dort<br />

wiederum viele Schwerpunkte. Ohne eine gewisse Spezialisierung<br />

wird man von der Masse der Materie (die ein Volljurist<br />

beherrschen soll) erdrückt werden.<br />

An dieser Stelle daher mein Vorschlag: 12 Monate<br />

Schwerpunktausbildung auf dem Berufsfeld, bei dem man


34<br />

voraussichtlich bleiben will (am Besten bei der Stelle, bei<br />

der man später auch bleiben kann). In dieser Zeit können<br />

wertvolle und unerlässliche Erfahrungen gesammelt und<br />

Kontakte geknüpft werden.<br />

Nun die nächste Frage: Wie soll das 2. Juristische<br />

Staatsexamen gestaltet werden?<br />

Nun man könnte es sich so vorstellen, dass jede der<br />

Stationen nach den 3 Monaten mit einer Klausur abschließt.<br />

Die Schwerpunktausbildung könnte mit etwa 3<br />

Klausuren beendet werden. Hier wieder der Vorteil: Die<br />

Prüfung findet statt, solange der Stoff noch präsent ist.<br />

Nach den Schwerpunkt-Klausuren müsste dann die<br />

mündliche Prüfung stattfinden. Aus all diesen Einzelprüfungen<br />

setzt sich dann im Ergebnis das 2. Staatsexamen<br />

zusammen.<br />

3. Die Finanzierung<br />

Zum Schluss noch ein viel diskutiertes Thema, dass ich<br />

hier nur kurz ansprechen will: Die Finanzierung des Referendariats.<br />

In Anbetracht dessen, dass die wenigsten Juristen später<br />

einmal in den Staatsdienst gehen werden, sondern sich<br />

vielmehr auf den Stand der Rechtsanwälte oder auf Unternehmen,<br />

Banken, Versicherungen u. ä. verteilen werden,<br />

wäre es sicherlich nicht ganz neben der Sache, wenn auch<br />

diese Berufszweige sich an dem Unterhalt des Referendars<br />

beteiligen. Es wird schließlich nicht nur Konkurrenz, sondern<br />

auch brauchbarer und erforderlicher Nachwuchs<br />

ausgebildet.<br />

Das Problem ist die Ausgestaltung einer solchen Mitfinanzierung.<br />

Die Beiträge zum Gehalt direkt von den Anwälten<br />

u. ä. zu fordern hätte wenig Erfolg, da diese dann<br />

von einer Ausbildung des Referendars aus Kostengründen<br />

absehen werden. Es wäre wohl sinnvoller, an eine Einbeziehung<br />

der Rechtsanwaltskammern, der Industrie- und<br />

Handelskammern u. ä. zu denken.<br />

Rednerwettstreit des DAV<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Auf diesem Gebiet müsste man sich sicherlich mal<br />

ernsthafte Gedanken machen, wobei ja bekanntlich beim<br />

Geld der Spaß aufhört.<br />

4. Fazit<br />

Im Ergebnis hätte ich mir eine praxisorientiertere, überschaubarere<br />

Ausbildung gewünscht, bei der der „große<br />

Knall“ nicht nach vielen Jahren im Wege der beiden<br />

Staatsexamina erfolgt. Im übrigen würden die Studienzeiten<br />

bei Prüfungen im Sinne eines Vordiploms, wie es oben<br />

beschrieben wurde, erheblich verkürzt werden.<br />

Durch die 12-monatige Schwerpunktausbildung hätte<br />

man die Möglichkeit, sich auf ein Berufsfeld vorzubereiten<br />

und sich eventuell seinen späteren Arbeitsplatz zu erarbeiten.<br />

Bei einer Beteiligung anderer Berufsgruppen an der<br />

Finanzierung des Referendariats wird das Interesse an einer<br />

qualifizierten Ausbildung voraussichtlich steigen (man<br />

würde nicht mit einer Akte für 2 Wochen nach Hause geschickt<br />

werden), denn schließlich will der „Arbeitgeber“<br />

für sein Geld ja auch was sehen.<br />

5. Nachtrag<br />

Besonders erschreckt hat mich an der so langen und<br />

harten Ausbildung, dass der „krönende“ Abschluss zum<br />

Volljuristen nur allzu traurig „gestaltet“ wurde. Bekam<br />

man doch tatsächlich sein Zeugnis bzw. seine Urkunde per<br />

Post zugeschickt.<br />

Ich habe kürzlich den Abschluss der Ausbildung zur Stewardess<br />

sehen können. Dort gab es eine nette Abschiedsfeier<br />

mit Überreichung der Urkunden, einem Händedruck<br />

und einem Glas Sekt. Sollte man nicht auch bei uns (wieder)<br />

darüber nachdenken, ob ein so entscheidender Augenblick<br />

nicht etwas feierlicher gestaltet werden könnte? -- Die<br />

Urkunden vom örtlichen Turnverein sehen übrigens schöner<br />

aus.<br />

Rechtsanwaltin Nicole Böcker, Bremen<br />

Der DAV schreibt zum ersten Mal einen Rednerwettstreit aus. Die Kunst der Rhetorik hat bei uns, selbst<br />

bei uns Anwälten, keinen besonderen Stellenwert. Das gute Argument trägt sich selber vor – diese<br />

„Erkenntnis“ hat ihre Dominanz noch nicht verloren. Angeregt durch ausländische, insbesondere<br />

französische Vorbilder, soll der Rednerwettstreit nun einen deutlichen Akzent setzen. Die Ausschreibung<br />

finden Sie abermals in diesem <strong>Heft</strong> S. V. Die Teilnahmebedingungen können bei der DAV-Geschäftsstelle<br />

angefordert werden. Die beiden Generalthemen sind nicht zugleich Themen der Rede. Bereits hier soll<br />

die Phantasie ansetzen. Die Konkretisierung der allgemeinen Aussage soll der Start in ein rhetorisches<br />

Kammerstück sein; hier fängt das Vergnügen an. Ort der Premiere ist der Anwaltstag 2000 in Berlin.<br />

Die Sieger treten durch die Wiederholung ihrer Rede in der Zentralveranstaltung des Anwaltstages in<br />

das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.<br />

Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen, die nicht älter als 38 sind, herzlich ein, an diesem Wettstreit, an<br />

dieser Premiere teilzunehmen.<br />

Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Präsident des DAV


AnwBl 1/2000 35<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Anwaltstag 2000 in Berlin<br />

AdvoJob – DAV veranstaltet<br />

erstmals Personalmesse<br />

Erstmalig am 1. Juni 2000 veranstaltet<br />

der Deutsche Anwaltverein und<br />

das Forum Junge Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte anlässlich des<br />

Deutschen Anwaltstages die Personalmesse<br />

AdvoJob.<br />

Trotz der nach wie vor steigenden<br />

Zahlen der Juraabsolventen Deutscher<br />

Universitäten ist es für viele Kanzleien<br />

schwierig, ausreichend qualifizierten<br />

Nachwuchs zu finden. Die AdvoJob<br />

als Personalmesse des Deutschen Anwaltvereins<br />

und des Forums Junge<br />

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte<br />

soll hier in Ergänzung der bestehenden<br />

Personalmessen für Juristen eine Lükke<br />

schließen. Die AdvoJob richtet<br />

sich ausschließlich an Rechtsanwaltskanzleien<br />

unterschiedlicher Größe, da<br />

für zahlreiche Top-Nachwuchsjuristen<br />

auch mittlere Kanzleien und Spezialkanzleien<br />

an Attraktivität gewinnen.<br />

Die AdvoJob soll den beteiligten<br />

Kanzleien die Möglichkeit geben, auf<br />

ihr Tätigkeitsfeld und Anforderungsprofil<br />

hinsichtlich des Nachwuchses<br />

hinzuweisen und gleichzeitig ersten<br />

Kontakt mit qualifizierten, interessierten<br />

Nachwuchsjuristen aufzunehmen.<br />

Für die Teilnehmer bietet sich die<br />

Möglichkeit, das Anforderungsprofil,<br />

die Karrieremöglichkeiten und Strukturen<br />

verschiedener Kanzleien kennenzulernen.<br />

Neben der reinen Messepräsenz<br />

bietet die AdvoJob den beteiligten<br />

Kanzleien die Möglichkeit, sich in Unternehmenspräsentationen<br />

einer breiteren<br />

Öffentlichkeit vorzustellen.<br />

Durch intensive Werbung wird bei<br />

Referendaren und jungen Anwälten<br />

auf die AdvoJob aufmerksam gemacht<br />

werden, so dass mit ca.. 800 – 1000<br />

Teilnehmern gerechnet wird.<br />

Zusätzlich plant der Deutsche Anwaltverein<br />

ab Mitte Februar 2000, zusammen<br />

mit dem Forum Junge Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte, eine<br />

interaktive Bewerberdatenbank für Juristen<br />

ins Internet zu stellen. Hier wird<br />

dem qualifizierten Nachwuchs die<br />

Möglichkeit gegeben, die wichtigsten<br />

Daten seiner fachlichen Qualifikation<br />

ins Internet zu stellen (ohne Nennung<br />

von persönlichen Daten). Die Kanzleien<br />

können dann aus diesem Pool der<br />

zur Verfügung stehenden Daten den<br />

für sich passenden Nachwuchs heraus-<br />

filtern. Die Bewerberdatenbank wird<br />

unter www.advojob.de zu finden sein.<br />

Der Deutsche Anwaltverein möchte<br />

den Bereich Nachwuchsrekrutierung<br />

nicht allein kommerziellen Anbietern<br />

überlassen und dieses Feld besetzen.<br />

Die genauen Preise und Leistungen<br />

für die Personalmesse AdvoJob können<br />

im Berliner Büro des Deutschen Anwaltvereins,<br />

Schiffbauerdamm 17, 10117 Berlin,<br />

Tel.: 030/2808004, Fax: 030/<br />

2808005, e-mail: berlin@anwaltverein.de<br />

angefordert werden.<br />

Rechtsanwalt Andreas Hagenkötter,<br />

Berlin<br />

PR-Referat<br />

Hier eine verkürzte Übersicht der<br />

Presseresonanz auf die Arbeit des DAV.<br />

Den vollständigen Bericht finden Sie im<br />

Internet unter www.anwaltverein.de/02/.<br />

Strafverteidiger-Kolloquium<br />

in Berlin<br />

Anlässlich des Strafverteidiger-Kolloquiums<br />

der Arbeitsgemeinschaft<br />

Strafrecht im Deutschen Anwaltverein<br />

vom 12. bis zum 13. November 1999<br />

organisierte die Arbeitsgemeinschaft<br />

in Zusammenarbeit mit dem PR-Referat<br />

ein Pressegespräch.<br />

Das Thema war die „Anwaltliche<br />

Tätigkeit und strafrechtliche Risiken –<br />

Geldwäsche und Parteiverrat“. Damit<br />

griff die Arbeitsgemeinschaft Strafrecht<br />

eine Thematik auf, die in jüngster<br />

Zeit an Aktualität und Brisanz gewonnen<br />

hat, nachdem sich bundesweit<br />

namhafte Kollegen den Vorwurf der<br />

Geldwäsche gefallen lassen müssen.<br />

Dabei haben die Strafrechtler festgestellt,<br />

dass viele Strafverteidigerinnen<br />

und Strafverteidiger befürchten, dass<br />

durch Einleitung derartiger Verfahren<br />

eine „Disziplinierung“ engagierter,<br />

aber unbequemer Strafverteidiger die<br />

Folge sein könnte.<br />

Anwälte würden kein Mandat mehr<br />

übernehmen, wenn sie anschließend<br />

darüber selbst vor Gericht gestellt werden<br />

könnten, so der Vorsitzende des<br />

Strafrechtsausschusses im Deutschen<br />

Anwaltverein, Rechtsanwalt und Notar<br />

Eberhard Kempf. Er forderte in der<br />

Frankfurter Rundschau vom 13.11.99<br />

ein „Mindestmaß an Schutz“ für die<br />

Verteidiger. Gegen diese dürfe nur<br />

dann ermittelt werden, wenn sie von<br />

der illegalen Herkunft der Gelder<br />

„sicher“ wüssten. Der Vorsitzende der<br />

Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im<br />

Deutschen Anwaltverein, Rechtsanwalt<br />

Prof. Dr. Volkmar Mehle, erläuterte,<br />

dass die Anwendung der Geldwäschevorschriften<br />

auf<br />

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte<br />

das rechtsstaatliche Statut der freien<br />

Verteidigerwahl bedrohe. Schließlich<br />

würden Finanzbeamte auch nicht wegen<br />

Geldwäsche verfolgt, wenn sie<br />

etwa einen korrupten Beamten dazu<br />

zwängen, seine illegalen Gewinne als<br />

sonstigen Einnahmen zu versteuern,<br />

schreibt die Frankfurter Rundschau.<br />

Die O-Ton-Mitschnitte des Pressegesprächs<br />

wurden in Beiträgen der Radiosender<br />

100,6 und 104,6 RTL wiedergegeben.<br />

Für den Fernsehsender<br />

TV Berlin stand Rechtsanwalt und<br />

Notar Eberhard Kempf zu diesen Problemen<br />

vor der Kamera.<br />

Internationaler Rechtsverkehr<br />

Die Herbstveranstaltung der<br />

Arbeitsgemeinschaft Internationaler<br />

Rechtsverkehr widmete sich diesmal<br />

der Dominanz anglo-amerikanischer<br />

Vertragsgestaltungen. Im internationalen<br />

Rechtsverkehr drohen knappe<br />

deutsche Vertragstexte ins Hintertreffen<br />

zu geraten gegenüber ihren umfang-<br />

und detailreichen Konkurrenzen<br />

aus dem anglo-amerikanischen Raum.<br />

Dies sei auf einer Veranstaltung der<br />

Arbeitsgemeinschaft in München deutlich<br />

geworden, schreibt die Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung am 5. November<br />

1999. Insbesondere im Bereich<br />

des Unternehmenskaufs hätten sich<br />

US-amerikanische Verträge längst<br />

durchgesetzt, berichtet das Handelsblatt<br />

am 3. November 1999.<br />

Das Handelsblatt kommentierte<br />

die Veranstaltung am 8. November<br />

1999 u. a. wie folgt: „Die Teilnehmer<br />

des Seminars des Deutschen Anwaltvereins<br />

zur „Dominanz anglo-amerikanischer<br />

Vertragsgestaltung“ brachten<br />

ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die<br />

Entwicklung eine einseitige ist und<br />

auch die Qualität der deutschen<br />

Rechtssystematik darin eine Rolle<br />

spielen wird – schließlich erfreuen<br />

sich auch andere deutsche Markenartikel<br />

großer Beliebtheit in den Vereinigten<br />

Staaten.<br />

Informationstechnologie<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie<br />

traf sich zu ihrer<br />

ersten Anwaltskonferenz in München.<br />

„Die über 100 versammelten Anwältinnen<br />

und Anwälte waren sich im<br />

wesentlichen darüber einig, dass die


36<br />

Chancen des Cyberspace zumindest gegenwärtig<br />

durch eine Vielzahl von Gefahren<br />

und Schwierigkeiten aufgewogen<br />

werden“, berichtet das<br />

Handelsblatt am 27.10.99. Nach Ansicht<br />

von Rechtsanwalt Jochen Schneider,<br />

Mitglied der Arbeitsgemeinschaft,<br />

würden die Anwälte nicht die Kommunikation<br />

per E-Mail bevorzugen, wenn<br />

sie dazu nicht von ihren Mandanten gezwungen<br />

würden. Inhalt, Authentizität,<br />

Zugang von E-Mails – nichts von dem<br />

lasse sich vor Gericht beweisen.<br />

Steuerrecht<br />

In einem Interview mit der Süddeutschen<br />

Zeitung am 16. September<br />

1999 wies der Vorsitzende des Steuerrechtsausschusses<br />

im Deutschen Anwaltverein,<br />

Rechtsanwalt und Steuerberater,<br />

Dr. Ingo Flore, darauf hin,<br />

dass ein wichtiger Vorschlag zur Verfahrensänderung<br />

im wesentlichen vom<br />

DAV initiiert war. Dabei ging es um<br />

die Erleichterung für den Zugang zum<br />

Bundesfinanzhof.<br />

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft<br />

Steuerrecht im DAV, Rechtsanwalt<br />

Dr. Rolf Schwedhelm, wurde am<br />

8. November 1999 vom Handelsblatt<br />

zum Thema der Steuerreform interviewt.<br />

Durch die Steuerdiskussion sei<br />

zunehmend die Rechtsunsicherheit das<br />

Hauptproblem. In den letzten Jahren<br />

habe es im Steuerrecht fast halbjährliche<br />

Gesetzesänderungen gegeben.<br />

Steueranwälte und Berater müssen<br />

ständig ihre Gestaltung, die sie zusammen<br />

mit den Mandanten entwickelt haben,<br />

daraufhin überprüfen, ob sie vor<br />

dem Hintergrund der gerade aktuellen<br />

Gesetzgebung noch Bestand haben.<br />

Am 29. Oktober 1999 schreibt die<br />

Nachrichtenagentur ADN: „Der Deutsche<br />

Anwaltverein hat eine Verpflichtung<br />

der Banken zu Kontrollmitteilungen<br />

an die Finanzbehörden vehement<br />

abgelehnt. Die Beratungspraxis der<br />

Steueranwälte zeige, dass dies nicht zu<br />

einer ordentlichen Besteuerung der Zinseinkünfte<br />

führen würde.“ Solche Kontrollmitteilungen<br />

der Banken würden<br />

nur zu einer weiteren Kapitalflucht führen,<br />

wird der Präsident des Deutschen<br />

Anwaltvereins, Rechtsanwalt Dr. Michael<br />

Streck, zitiert. Diese Agenturmeldung<br />

wurde u. a. in der Lausitzer<br />

Rundschau am 30. Oktober 1999 abgedruckt.<br />

Verkehrsrecht<br />

Nach Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Verkehrsrecht im Deutschen<br />

Anwaltverein kam es in den ver-<br />

gangenen Monaten zu einem sprunghaften<br />

Anstieg der Feststellung von<br />

Fahren unter Drogeneinfluss. In mehr<br />

als einem Drittel aller Blutproben, die<br />

im August 1999 im Saarland verkehrsauffälligen<br />

Kraftfahrern in der Altersgruppe<br />

der 18- bis 24jährigen entnommen<br />

wurden, waren ausschließlich<br />

Drogen nachweisbar. Hinzu kommen<br />

die vielen Blutproben, die neben Alkohol<br />

auch Drogen enthalten. Hierüber<br />

berichtet beispielsweise die Sächsische<br />

Zeitung am 30. Oktober 1999.<br />

Der Sender Freies Berlin widmete<br />

am 20. November 1999 eine Hörfunksendung<br />

dem Thema „90 Jahre Verkehrsrecht“.<br />

Als Gesprächspartner für<br />

den Deutschen Anwaltverein stand<br />

hier der Regionalbeauftragte der<br />

Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht,<br />

Rechtsanwalt Klaus-Peter Stiewe, aus<br />

Berlin zur Verfügung.<br />

Großen Anklang findet auch immer<br />

der monatlich von der Arbeitsgemeinschaft<br />

Verkehrsrecht herausgegebene<br />

Pressedienst, in dem auf interessante<br />

verkehrsrechtliche Urteile hingewiesen<br />

wird.<br />

Eine örtlich unzuständige Behörde<br />

ist nicht berechtigt, einen Verkehrsverstoß<br />

mit einem Bußgeld zu ahnden.<br />

Ein entsprechendes Verfahren muss<br />

eingestellt werden, entschied das<br />

Amtsgericht Magdeburg (AZ: 30 Owi<br />

779 Js 29587/98 a).<br />

Juristenausbildung<br />

„Jura darf vor allem dass nicht<br />

sein, was es für viele junge Leute immer<br />

noch ist: ein Verlegenheitsstudium“,<br />

fordert Rechtsanwalt Dr. Michael<br />

Streck, Präsident des Deutschen Anwaltvereins,<br />

in einem von dem Themendienst<br />

dpa verbreiteten Beitrag.<br />

Wer heute Jura studiere, müsse es<br />

auch tatsächlich wollen und dabei immer<br />

im Kopf behalten, dass niemand<br />

auf ihn als Anwalt nur warte. „Man<br />

muss früh dafür sorgen, dass die<br />

Bewerbungsunterlagen für Kanzleien<br />

interessant werden“; wird Rechtsanwalt<br />

Dr. Streck im General-Anzeiger<br />

vom 6.11.1999 zitiert. Wichtig sei es,<br />

im Studium solide Wurzeln zu bilden,<br />

die dann später die Blüte und Früchte<br />

der Spezialisierung überhaupt erst ermöglichen.<br />

DAVgründet<br />

Arbeitsgemeinschaft Sportrecht<br />

Der Deutsche Anwaltverein hat<br />

seinen Arbeitsgemeinschaften eine<br />

weitere hinzugefügt. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

dient insbesondere dem<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Erfahrungsaustausch zwischen Rechtsanwälten,<br />

die im Sportrecht zu tun<br />

haben. Der Vorsitzende der neuen<br />

Arbeitsgemeinschaft, Rechtsanwalt<br />

und Notar Paul-Werner Beckmann,<br />

Herford, wird im Handelsblatt am<br />

10.11.1999 mit den Worten zitiert,<br />

dass nicht in erster Linie die spektakulären<br />

Sportrechtsfälle – wie der Streit<br />

über die Vermarktung der Fußballfernsehrechte<br />

oder die Auswirkung des<br />

Busmann-Urteils – die Bildung einer<br />

Abteilung für Sportrecht im DAV beeinflusst<br />

hätten, sondern die ständig<br />

wachsende Bedeutung sportrechtlicher<br />

Fragen für „Otto-Normal-Verbrauche“.<br />

Über die Gründung berichtete auch die<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung am<br />

12.11.1999. Im Vorfeld der Gründung<br />

berichtete hierüber Rechtsanwalt<br />

Beckmann im Westdeutschen Rundfunk<br />

am 26.10.1999.<br />

Strafrecht<br />

Der alternative Strafrahmenkatalog<br />

ist immer noch in der Diskussion.<br />

Hierzu hat der Bayerische Rundfunk<br />

am 27.11.1999 eine Sendung ausgestrahlt,<br />

bei der im Studio die Bundesministerin<br />

der Justiz, Prof. Dr. Herta<br />

Däubler-Gmelin, Gast war. Die Haltung<br />

des Deutschen Anwaltvereins erläuterte<br />

in einem Beitrag Rechtsanwalt<br />

JR Prof. Dr. Franz Salditt, Mitglied<br />

des Strafrechtsausschusses im Deutschen<br />

Anwaltverein.<br />

Große Wellen schlug auch das Ermittlungsverfahren<br />

gegen den minderjährigen<br />

Raoul in den USA. Für den<br />

Deutschen Anwaltverein stand Rechtsanwalt<br />

Peter Michael Müller als Mitglied<br />

der Arbeitsgemeinschaft Internationaler<br />

Rechtsverkehr sowohl für das<br />

Radio Regenbogen aus Mannheim als<br />

auch für die SAT 1-Nachrichten zur<br />

Verfügung.<br />

Sonstiges<br />

Der Hessische Rundfunk widmete<br />

seine Sendung Hessenstudio Live im<br />

Fernsehen dem Thema der Bürgschaft.<br />

Für den Deutschen Anwaltverein<br />

stand Rechtsanwalt Hanns Peter Zoll<br />

aus Frankfurt Rede und Antwort.<br />

„Der elektronische Geschäftsverkehr<br />

wird am 4. und 5. November<br />

1999 Gegenstand einer Anhörung der<br />

Europäischen Kommission in Brüssel<br />

sein (.......). Anlass für die Anhörung<br />

ist nach Information des Deutschen<br />

Anwaltvereins die Revision des Europäischen<br />

Gerichtsstands und Vollstrekkungsabkommens“,<br />

schreibt die FAZ<br />

am 29.10.1999.


AnwBl 1/2000 37<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Anlässlich der Diskussion um eine<br />

Begnadigung von Egon Krenz interviewte<br />

der Mitteldeutsche Rundfunk<br />

zum Thema des Gnadenrechts Rechtsanwalt<br />

Prof. Dr. Rainer Hamm aus<br />

Frankfurt, Mitglied des Strafrechtsausschusses<br />

des Deutschen Anwaltvereins.<br />

Rechtsanwalt Swen Walentowski,<br />

Bonn<br />

Anwaltvereine &Landesverbände<br />

Kurzer Prozeß mit den<br />

Rechten der Verbraucher?!<br />

1. Rechtsanwaltsforum Bayern am<br />

24.11.1999 in München<br />

Unter diesem Motto hatte der<br />

Bayerische Anwaltsverband anläßlich<br />

eines erstmals veranstalteten Rechtsanwaltsforum<br />

in Bayern gerufen, Richter,<br />

Rechtsanwälte und Politiker waren<br />

diesem Ruf am 24.11.1999 in München<br />

zahlreich gefolgt.<br />

Anlaß der Podiumsdiskussion war<br />

die von der Bundesjustizministerin<br />

Prof. Dr. Däubler-Gmelin geplante<br />

Zivilprozeßreform. Die Bundesjustizministerin<br />

beabsichtigt, die Berufung<br />

zu beschränken und Richterstellen abzubauen<br />

mit den Argumenten, daß die<br />

Zivilgerichte zu überlastet seien, die<br />

Zivilprozeßordnung darüber hinaus<br />

unübersichtlich, die Verfahrensdauer<br />

zu lang und die Justiz zu teuer.<br />

Das Podium war hochkarätig besetzt.<br />

Neben dem Vizepräsidenten des Bayerischen<br />

Obersten Landesgericht Herrn Peter<br />

Gummer hatten sich erfreulicherweise<br />

zur Diskussion noch für den<br />

Deutschen Anwaltsverband Herr RA<br />

Felix Busse, der Präsident der Rechtsanwaltskammer<br />

Nürnberg Herr RA Dr.<br />

Bissl, als Moderator und Vertreter der<br />

Bayer. Anwaltschaft Herr RA Anton<br />

Mertl sowie Herr Ministerialdirigent<br />

Weiß als Vertreter der Zivilabteilung des<br />

Bayerischen Justizministeriums gestellt.<br />

Bereits zu Beginn konnten anhand<br />

von Statistiken fast sämtliche Argumente<br />

der Bundesjustizministerin<br />

widerlegt werden. Eine vielbemühte<br />

Prozeßflut habe in den vergangenen<br />

Jahren nicht stattgefunden, seit 1994<br />

sind rückläufige Eingangszahlen an<br />

den Gerichten festzustellen. Im europäischen<br />

Vergleich arbeiten die deutschen<br />

Gerichte schnell und qualitativ<br />

auf sehr hohem Niveau. Allerdings<br />

waren bei den Verfahrenslaufzeiten<br />

deutliche Unterschiede zwischen den<br />

Bundesländern festzustellen, was nach<br />

allgemeiner Ansicht der Diskussionsteilnehmer<br />

einer Aufklärung bedürfe.<br />

Die bayerischen Richter und<br />

Rechtsanwälte stellten übereinstimmend<br />

fest, daß die von der Justizministerin<br />

behaupteten Mängel nicht vorhanden<br />

sind und der Gesetzesentwurf<br />

nicht zu dem von der Bundesregierung<br />

gewünschten Ziel führen wird, denn<br />

bereits das erste Ziel der Bundesjustizministerin,<br />

die Berufung zu beschränken,<br />

soll durch eine Güteverhandlung<br />

in 1. Instanz mit ausführlichen Hinweisen<br />

des Richters erkauft werden.<br />

Die Prozessparteien und deren Anwälte<br />

werden gezwungen sein, den gesamten<br />

möglichen Prozessstoff mit allen<br />

Nebensächlichkeiten bereits in der<br />

1. Instanz vorzutragen, weil künftig<br />

das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen<br />

des Eingangsgerichtes<br />

gebunden sein wird.<br />

Für den rechtsuchenden Bürger<br />

bringt die Justizreform weder mehr<br />

Transparenz noch gar Bürgernähe oder<br />

Bürgerrechte, sie birgt vielmehr die<br />

Gefahr in sich, daß der Rechtsuchende<br />

seiner Rechte leichter vollständig verlustig<br />

gehen wird. Heute noch vertritt<br />

sich der Verbraucher am Amtsgericht<br />

häufig selbst. Aufgrund seiner Rechtsunkenntnis<br />

werden jedoch Fehler gemacht,<br />

die heute noch in der Berufungsinstanz<br />

berichtigt werden<br />

können. Dieser Chance wird der Verbraucher<br />

künftig beraubt, da der Berufungsrichter<br />

an die Feststellungen des<br />

Erstgerichts gebunden sein wird.<br />

Zudem werden für Berufungen<br />

grundsätzlich nur noch Einzelrichter<br />

am Oberlandesgericht zuständig sein<br />

statt der bisherigen Kollegialgerichte.<br />

Auch dies, stellt nach einhelliger Ansicht<br />

des Plenums, eine unvertretbare<br />

Aufgabe hergebrachter Prinzipien dar,<br />

da künftig nur noch ein einzelner<br />

Richter die Entscheidung eines einzelnen<br />

Kollegen korrigieren soll.<br />

Die Kürzungen von Richterstellen<br />

werden die Rechte der Bürger erheblich<br />

beschneiden, die beabsichtigte<br />

Einsparung von 450 Richterstellen in<br />

Deutschland wird zwangsläufig zu einem<br />

Qualitätsverlust führen, denn die<br />

Stärkung der 1. Instanz macht mehr<br />

Richterstellen nötig, als bei der Beschränkung<br />

der Berufung in 2. Instanz<br />

überhaupt eingespart werden könnten.<br />

Nur mit Kritik alleine wollte sich<br />

das Rechtsanwalts-Forum Bayern aber<br />

nicht begnügen. Begrüßt haben die<br />

Teilnehmer grundsätzlich die Stärkung<br />

der 1. Instanz, da dieser mehr Richter<br />

zur Verfügung gestellt werden würde.<br />

Derzeit haben die Richter an den<br />

Amtsgerichten ca. 800 Fälle im Jahr<br />

zu bearbeiten. Durch eine Stärkung<br />

der ersten Instanz wird der Richter<br />

künftig mehr Zeit haben, sich mit dem<br />

Anspruch des Bürgers zu befassen und<br />

diesem das Gefühl geben, gehört und<br />

ernst genommen zu werden, und auch<br />

nur dann werden die Urteile von dem<br />

Bürger eher akzeptiert und weniger<br />

Berufungen eingelegt werden.<br />

Einig war sich das Forum darüber,<br />

daß die geplante Justizreform zur Bürgerferne,<br />

keinesfalls zu größerer Bürgernähe<br />

führt, da das geplante Berufungssystem,<br />

nur noch die Überprüfung<br />

von Rechtsfehlern, für den Bürger<br />

undurchschaubar, unvorhersehbar<br />

und damit unberechenbar wird.<br />

Durch die formalistische Änderung<br />

der Rechtsmittelinstanz wird die Behauptung<br />

der Justizministerin, der Bürger<br />

bekäme auch im Rechtsmittel<br />

mehr Rechte, deutlich konterkariert.<br />

Der vielzitierte und vielbemühte<br />

Rechtsfrieden kann nach Ansicht<br />

sämtlicher Diskussionsteilnehmer<br />

nicht dadurch herbeigeführt werden,<br />

daß nach dem Urteil 1. Instanz quasi<br />

„das Fallbeil fällt“.<br />

Ein Verzicht auf die hergebrachte<br />

Berufung kann im alltäglichen Prozeßgeschehen<br />

nur durch eine Akzeptanz<br />

der Parteien erzielt werden, etwa durch<br />

einen Vergleich, kulmunierend in eine<br />

Klagerücknahme oder jedenfalls durch<br />

ein überzeugendes Ersturteil.<br />

Die Diskussionsteilnehmer befürchten,<br />

dass die geplante Justizreform<br />

Verhältnisse schaffen wird, in denen<br />

zwar auch Richter und Anwälte<br />

zu leiden haben; Betroffener wird zuletzt<br />

jedoch immer der ratsuchende<br />

Bürger selbst sein.<br />

Die Anwaltschaft in Bayern wird<br />

daher mit rechtspolitischen Maßnahmen<br />

der Unbeirrbarkeit der Bundesjustizministerin<br />

entgegentreten.<br />

Rechtsanwältin Rita Schulz-<br />

Hillenbrand,<br />

Würzburg<br />

Kölner Anwaltverein<br />

I. Mitgliederstand auf 3.000<br />

angewachsen<br />

Der Kölner Anwaltverein hat Ende<br />

Juni 1999 die 3.000-Mitglieder-Grenze<br />

überschritten. Die junge Kollegin Uta<br />

Rieforth aus der Kanzlei Bach, Lang-


38<br />

heid und Dallmayr, wurde am<br />

6.7.1999 vom Vorsitzenden als 3.000<br />

Mitglied mit einem kleinen Präsent<br />

begrüßt.<br />

Mit dieser Mitgliederzahl ist der<br />

KAV in absoluten Zahlen der größte<br />

und in relativen Zahlen einer der größten<br />

örtlichen Anwaltvereine, die dem<br />

Dachverband DAV angeschlossen sind.<br />

Zum Vergleich seien einmal die<br />

Mitgliederzahlen (Stand 1.1.1999) der<br />

anderen Großstadtvereine angeführt:<br />

Berlin 2.752 (ca. 42%), Frankfurt<br />

1.833 (ca. 34%), Hamburg 2.171 (ca.<br />

41%) und München 1.918 (ca. 24%).<br />

Die in Klammern gesetzten Angaben<br />

verdeutlichen, dass der KAV mit ca.<br />

70 % auch den mit weitem Abstand<br />

höchsten Repräsentationsgrad der örtlich<br />

zugelassenen Kolleginnen und<br />

Kollegen aufweist. Über alle Ortsvereine<br />

sind im DAV mehr als 50.000 Anwälte<br />

Mitglied; dies entspricht einem<br />

Organisationsgrad von mehr als 50%<br />

der in Deutschland zugelassenen Kollegen.<br />

Der durchschnittliche Organisationsgrad<br />

aller Ortsvereine liegt ebenfalls<br />

bei mehr als 50%.<br />

Der KAV erreichte im Verlaufe des<br />

Jahres 1992 die Mitgliederzahl von<br />

2.000. In den sieben folgenden Jahren<br />

haben sich also 1.000 weitere Kolleginnen<br />

und Kollegen unserem Verein<br />

angeschlossen. Auch dieser Anstieg ist<br />

überproportional hoch.<br />

Das erreichte Ergebnis verdeutlicht,<br />

dass die Kolleginnen und Kollegen den<br />

KAV als Vertreter ihrer Interessen und<br />

Dienstleister rund um den Anwaltsberuf<br />

betrachten. Im KAVarbeiten ca. 120 Anwälte<br />

ehrenamtlich mit, so in 9 Fachausschüssen<br />

und 3 Arbeitskreisen, womit<br />

die Leistungen und Angebote des KAV<br />

eine hohe Sachkompetenz erfahren.<br />

All diesen Kolleginnen und Kollegen<br />

sei an dieser Stelle einmal herzlicher<br />

Dank ausgesprochen. Ebenso gebührt<br />

Dank all denjenigen, die mit Anregungen,<br />

Hinweisen und Kritik zur Arbeit des KAV<br />

beitragen. Hierdurch kommt oft ein<br />

fruchtbarer Dialog zustande, der u. a. im<br />

Rahmen unserer Fortbildungsveranstaltungen<br />

innerhalb der Kollegenschaft zum<br />

Ausdruck kommt, aber auch mit Berufsträgern<br />

der Richterschaft und Staatsanwaltschaft.<br />

Die vom KAV initiierten<br />

Begegnungsforen, wie z. B. Sommerempfang<br />

in der Geschäftsstelle, Organfest und<br />

Juristenball tragen zu der grundsätzlichen<br />

außergewöhnlich guten Atmosphäre bei.<br />

Mit der erreichten Mitgliederzahl<br />

fühlt sich der KAV in seiner Arbeit bestätigt<br />

und wird sie mit großem Engagement<br />

fortsetzen.<br />

II. Digitale Signatur: Anwendung,<br />

Nutzen, Mehrwert für Anwälte<br />

– Robert-Schuman-Projekt<br />

Nachdem am 12.11.1999 die Auftaktveranstaltung<br />

der KAV-Seminare<br />

im Rahmen des Robert-Schumann-<br />

Projekts zur Sensibilisierung der juristischen<br />

Berufe für das Gemeinschaftsrecht,<br />

welches von der EU-<br />

Kommission gefordert wird, in feierlichem<br />

Rahmen im Plenarsaal des Oberlandesgericht<br />

Köln stattfand, freuen<br />

wir uns, Ihnen nunmehr den zweiten<br />

Termin in dieser Vortragsreihe bekannt<br />

geben zu können.<br />

Das Symposium zu dem genannten<br />

Thema findet statt am:<br />

Donnerstag, dem 27.1.2000,<br />

17.00-20.00 Uhr,<br />

im Joseph-DuMont-Berufskolleg,<br />

Escher Str. 217, 50739 Köln.<br />

Voraussichtlich Mitte nächsten Jahres<br />

wird das „Gesetz zur Anpassung<br />

der Formvorschriften des Privatrechts<br />

an den modernen Rechtsverkehr“, das<br />

weitgehend den durch die Europäische<br />

Kommission vorgegebenen Anforderungen<br />

des Richtlinienvorschlages<br />

über gemeinsame Rahmenbedingungen<br />

für elektronische Signaturen und<br />

dem Vorschlag der Europäischen<br />

Kommission vom 18.12.1998 für eine<br />

Richtlinie des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates in bestimmten<br />

rechtlichen Aspekten des elektronischen<br />

Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt<br />

entspricht, verabschiedet.<br />

Ziel des Gesetzes ist die Förderung<br />

rechtlicher Sicherheit bei der elektronischen<br />

Übermittlung von Willenserklärungen.<br />

Von herausragender Bedeutung<br />

ist dabei die Einführung der<br />

sogenannten „elektronischen Form“.<br />

Sie ist Substitut einer eigenhändigen<br />

Unterschrift und damit für die Schriftform<br />

im Sinne des § 126 BGB. Wesentliche<br />

Voraussetzung ist die „Unterzeichnung“<br />

einer elektronischen<br />

Erklärung mittels digitaler Signatur im<br />

Sinne des Signaturgesetzes. Sie ermöglicht<br />

die sichere Identifikation von<br />

Kommunikationspartnern und Feststellung<br />

der Unverfälschtheit elektronisch<br />

übermittelter Daten. Das Gesetz wird<br />

erhebliche Auswirkungen sowohl auf<br />

das materielle als auch auf das Prozessrecht<br />

haben.<br />

Unter der Moderation von Rechtsanwalt<br />

Klaus Brisch, LL.M. Köln,<br />

werden das Symposium gestalten:<br />

Wendelin Bieser, Beauftragter der<br />

Bundesregierung für Angelegenheiten<br />

der Kultur und der Medien, Bonn;<br />

Sigrun Erber-Faller, Geschäftsführe-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

rin der Bundesnotarkammer, Köln;<br />

Judith Herchenbacher, Regulierungsbehörde<br />

für Telekommunikation und<br />

Post; Marcus Belke, Justitiar der Post-<br />

Com AG; Michael Leistenschneider,<br />

Mitglied des Vorstandes der DATEV<br />

e. G., Nürnberg.<br />

Information und Anmeldung: Kölner<br />

Anwaltverein, Justizgebäude Zimmer<br />

103, Luxemburger Straße 101, 50939<br />

Köln; Tel: 02 21 /41 10 41, Fax: 02 21 /<br />

44 14 57.<br />

Deutsche Anwaltauskunft<br />

Auch die außerordentlichen<br />

Mitglieder werden benannt<br />

Seit November sind in dem Datenbestand<br />

der Deutschen Anwaltauskunft<br />

auch die außerordentlichen Mitglieder<br />

des Deutschen Anwaltvereins<br />

eingepflegt. Dies bedeutet, dass die<br />

Mitbürgerinnen und Mitbürger auch in<br />

Rom, Spanien usw. Kolleginnen und<br />

Kollegen benannt bekommen können.<br />

So findet man nun den deutschsprechenden<br />

Anwalt beim Verkehrsunfall<br />

im Ausland, im Erbfall der Villa in<br />

der Toskana oder aber auch der Unternehmer,<br />

der eine Geschäftsstelle in<br />

Madrid eröffnen möchte.<br />

Mit welchen Daten man bei der<br />

Deutschen Anwaltauskunft gespeichert<br />

ist, kann man überprüfen, in dem<br />

man sich an die Deutsche Anwaltadresse,<br />

Wachsbleiche 7, 53111 Bonn,<br />

Tel. 0228/9636534, Fax 0228/<br />

9636536, wendet. Dort kann man den<br />

Datenbogen anfordern und diesen<br />

dann korrigieren und ergänzen und unterschrieben<br />

an die Anwaltadresse zurücksenden.<br />

Die Daten der Deutschen Anwaltauskunft<br />

werden aber nicht online gepflegt.<br />

Es erfolgt ein monatlicher Datenabzug.<br />

Die Änderungen werden<br />

dann aber alsbald im Datenbestand der<br />

Deutschen Anwaltauskunft erscheinen.<br />

Selbstverständlich besteht auch für<br />

die außerordentlichen Mitglieder die<br />

Möglichkeit, sich zu besonderen günstigen<br />

Konditionen eine Homepage<br />

durch die Hans Soldan GmbH erstellen<br />

zu lassen. Wer dies möchte oder<br />

aber einen Link zu seiner bestehenden<br />

Homepage haben möchte kann sich<br />

mit Herrn Markus Zens (Tel. 0201/<br />

8612313) in Verbindung setzen und<br />

weitere Informationen anfordern.<br />

Rechtsanwalt Swen Walentowski, Bonn


AnwBl 1/2000 39<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

AG Anwaltsnotariat<br />

Herbsttagung 1999 in<br />

Göttingen<br />

In überaus erfreulicher Weise hielt<br />

die Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat<br />

des Deutschen Anwaltvereins ihre<br />

Herbsttagung 1999 am 17. und 18.<br />

September 1999 in Göttingen. Seit<br />

kurzem stellt die Arbeitsgemeinschaft<br />

ihre Veranstaltungen unter den ebenso<br />

ansprechenden wie vielseitig verwendbaren<br />

Titel „Neues im Notariat“. Sie<br />

trägt damit auch dem Umstand Rechnung,<br />

dass sie nicht nur dem blanken<br />

Informations- und Fortbildungsbedürfnis<br />

der Mitglieder und Interessierten<br />

Rechnung tragen, sondern auch einen<br />

deutlichen berufspolitischen Akzent<br />

setzen will. Die Veranstaltungen der<br />

Arbeitsgemeinschaft im Frühjahr und<br />

im Herbst reichen jeweils von Freitagmittag<br />

bis Samstagmittag. In Göttingen<br />

begann Rechtsanwalt und Notar<br />

Rembert Brieske, Bremen, mit seinem<br />

Vortrag „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit<br />

im Spannungsfeld des § 17<br />

Beurkundungsgesetz“. Die genannte<br />

Vorschrift ist zentral und von großer<br />

Bedeutung für die notarielle Tätigkeit,<br />

denn sie zeigt erst deutlich, zu welchem<br />

Zweck bestimmte Rechtsgeschäfte<br />

und rechtlich relevante Ereignisse<br />

von der Rechtsordnung der<br />

Obhut der als Amtsperson fungierenden<br />

Notare anvertraut sind. Der<br />

Grundgedanke steht aller formularmäßig<br />

reproduzierenden Geschäftigkeit<br />

von Grund auf entgegen. Der Referent<br />

gab einen systematischen Überblick<br />

sowie viele Details und viele Handreichungen<br />

für die tägliche Praxis.<br />

Das Anderkonto des Notars war<br />

und ist ein sicherer Hort und spendet<br />

dem Bürger das Vertrauen und die Gewissheit<br />

auf eine korrekte und sichere<br />

Abwicklung seiner Geldangelegenheiten.<br />

Neuere Tendenzen nach neuerem<br />

Beurkundungsrecht wollen den Gebrauch<br />

des Notaranderkontos zurücknehmen<br />

und auf sog. besondere Fälle<br />

beschränken. Notar Dr. Jörg Tröder,<br />

Düsseldorf, analysierte in seinem Vortrag<br />

„Pro und Contra Anderkonto<br />

nach neuem Beurkundungsrecht“ die<br />

Situation und setze einen deutlichen<br />

Akzent pro Anderkonto. Der Vortrag<br />

ist in AnwBl 1999, 633 veröffentlicht.<br />

Den Schlusspunkt des freitäglichen<br />

Teils der Veranstaltung setze Rechtsanwalt<br />

und Notar Wolfgang Eule,<br />

Neuenhaus, mit dem Thema „Der Einfluss<br />

der Globalisierung auf die<br />

Tätigkeit des Anwaltsnotars, Herausforderung<br />

an die Qualität durch das<br />

IPR“. Im allgemeinen Vermögensprivatrecht<br />

wird das IPR zunehmend verdrängt<br />

durch europarechtliche und allgemein<br />

völkerrechtliche Kodifikationen.<br />

Im Erbrecht und Familienrecht<br />

hingegen hat das internationale Privatrecht<br />

mit seinen kollisionsrechtlichen<br />

und ausländische Rechtsordnungen in<br />

den Blick nehmenden Eigentümlichkeiten<br />

sowie besonderen Denkweisen<br />

nach wie vor ein zentrales Gestaltungsfeld.<br />

Dessen Bedeutung wächst<br />

mit der zunehmenden Vernetzung der<br />

familiären und gesellschaftlichen Beziehungen<br />

der Bürger über die Staatsund<br />

Kulturgrenzen hinweg ständig.<br />

Hiervon berichtete der Referent höchst<br />

anschaulich und wies eindringlich darauf<br />

hin, dass jeder Notar zum Zwecke<br />

der Bewältigung seiner täglichen Arbeit<br />

sich mit dem schwierigen Gebiet<br />

des IPR befassen müsse.<br />

Herausragend und in dieser die<br />

Dinge überblickenden Form so noch<br />

nicht gehört war der Vortrag von Vorsitzendem<br />

Richter am BGH Dr. Eberhard<br />

Rinne, Karlsruhe, „Die Rechtsprechung<br />

des Notarsenats des<br />

Bundesgerichtshofs“. Der Referent<br />

sprach über die Organisation und Arbeitsweise<br />

des Senats, behandelte als<br />

dessen Rechtsprechungsschwerpunkte<br />

die Errichtung von Notarstellen, den<br />

Zugang zum Notariat, die Amtsausübung,<br />

die Beendigung des Amtsverhältnisses<br />

und widmete sich abschließend<br />

Aspekten des Berufsbildes. Reicher<br />

Gewinn für alle Teilnehmer. Der<br />

Vortrag ist in diesem <strong>Heft</strong> publiziert.<br />

Nach der Novellierung der Bundesnotarordnung<br />

ist es eine der Aufgaben<br />

der Notarkammern, Richtlinien für die<br />

Berufsausübung zu entwerfen und zu<br />

beschließen. Die Pluralität der Normsetzungskompetenz,<br />

freilich abgemildert<br />

durch eine Empfehlungskompetenz<br />

der Bundesnotarkammer, erschwert<br />

dennoch den Überblick. Außerdem<br />

ist die Abgrenzung dieser Regelungswerke<br />

zu der Dienstordnung<br />

der Notare delikat. Rechtsanwalt und<br />

Notar Wolfgang Grebe, Olpe, in seiner<br />

Eigenschaft als Vizepräsident der Notarkammer<br />

für den OLG-Bezirk Hamm<br />

von Grund auf mit dem Problemkreis<br />

befasst, verschaffte mit seinem Vortrag<br />

„Richtlinien der Notarkammern,<br />

Überblick und Analyse“ in anschaulicher<br />

Weise die zur Stunde mögliche,<br />

erwünschte und notwendige Klarheit.<br />

Die Vorträge sollen in das für dieses<br />

Jahr 2000 geplante Mitteilungsblatt<br />

der Arbeitsgemeinschaft Aufnahme<br />

finden. Dieser zusätzliche Service soll<br />

nicht etwa dazu dienen, den Veranstaltungen<br />

fernbleiben zu dürfen. Wer in<br />

Göttingen erlebte, wie froh sich die<br />

Teilnehmer über das Fachliche hinaus<br />

im Gespräch und Informationsaustausch<br />

mit Hilfe gepflegter Gastlichkeit<br />

zusammenfanden, wird die Unmittelbarkeit<br />

der Tagungen auch<br />

schwerlich missen mögen.<br />

Die nächste Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Anwaltsnotariat findet<br />

statt am 31. März und 1. April<br />

2000 in Düsseldorf. Sie tagt im Rahmen<br />

des Anwaltstages 2000 in Berlin<br />

am 3. Juni 2000. Die Herbstveranstaltung<br />

der Arbeitsgemeinschaft findet<br />

statt am 8. und 9. September 2000 in<br />

Bremen.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher,<br />

Köln<br />

AG der Fachanwälte für<br />

Arbeitsrecht im DAV<br />

38. Arbeitstagung in Leipzig<br />

Die Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte<br />

für Arbeitsrecht im DAV hielt<br />

ihre 38. Tagung am 24. und 25. September<br />

1999 in Leipzig. Wiederum<br />

zeigte sich eine große Zahl von<br />

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten<br />

an der traditionellen Herbsttagung<br />

hoch interessiert. Die kurze Revue des<br />

dargebotenen Programms macht dies<br />

sehr verständlich. Rechtsanwalt Ulrich<br />

Fischer, Frankfurt am Main, eröffnete<br />

den Reigen der Vorträge, in dem er<br />

sehr interessant und verständlich die<br />

„Vorschläge des DGB und der DAG<br />

zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes“<br />

vorstellte und würdigte. Der<br />

Koalitionsvertrag und die Entwicklung<br />

des europäischen Arbeitsrechts zeigen<br />

an, dass eine Modernisierung und teilweise<br />

Neugestaltung des für die<br />

Arbeitswelt zentralen Gesetzes mittelfristiger<br />

Diskussionsgegenstand ist. Zu<br />

den Problemfeldern werden gehören<br />

eine Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs,<br />

die Definition des Betriebs,<br />

Einschränkungen des Tendenzschutzes,<br />

die Gewichtung des Gesamt- und Konzernbetriebsrats,<br />

die Neugestaltung der<br />

Betriebsratswahl, die Stellung der<br />

Gewerkschaften im Betrieb, die Unterrichtungspflichten<br />

in der Aktiengesellschaft,<br />

Funktions- und Arbeitsweise<br />

der Einigungsstellen. Der Vortrag<br />

schloss mit Bemerkungen zur Stellung<br />

des Anwalts in einer neu zu ordnenden<br />

Betriebsverfassung.


40<br />

Im Anschluss an diesen rechtspolitischen<br />

Vortrag gab Rechtsanwältin<br />

Dr. Katharina Reidel, Nürnberg, eine<br />

exakte, die Dogmatik voll ausleuchtende<br />

Darstellung der „Einstweiligen<br />

Verfügung auf Weiterbeschäftigung“.<br />

Auf dieser theoretischen Grundlegung<br />

und mit den daraus gefolgerten Arbeitshinweisen<br />

dürfte die Praxis das<br />

Institut sicher handhaben können.<br />

Rechtsanwalt Thomas Schwirtzek, Berlin,<br />

betreute den Veranstaltungsteil<br />

„Neue Entwicklungen im Arbeitsrecht“<br />

mit Hinweisen zu aktueller<br />

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />

und des EuGH zum Individualund<br />

kollektiven Arbeitsrecht.<br />

In dem groß angelegten Vortrag<br />

„Der Erhalt von Arbeitsplätzen in der<br />

Insolvenz des Arbeitgebers nach<br />

neuem Recht“ kennzeichnete Professor<br />

Dr. Stefan Smid, Martin-Luther-<br />

Universität Halle/Wittenberg, die neue<br />

Insolvenzordnung mit Blick auf das<br />

Thema als durchaus signifikanten<br />

Tiefpunkt der Gesetzgebung. Nach einem<br />

Überblick über die<br />

Gesetzgebungsgeschichte stellte sich<br />

der Referent der Frage, ob der Arbeitsplatzerhalt<br />

nach neuem Recht<br />

eine Insolvenzziel sein könne, würdigte<br />

die Entscheidungslagen in der<br />

Insolvenz des Arbeitgebers und besprach<br />

u. a. das Insolvenzplanverfahren<br />

und dessen Eignung für den Arbeitsplatzerhalt.<br />

Die Vorträge der Tagung werden<br />

wie gewohnt in der NZA veröffentlicht.<br />

Die 39. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft<br />

findet statt am 10. und<br />

11. März 2000 in Straßburg, Hotel Holiday<br />

Inn, 20, Place de Bordeaux, F –<br />

67000 Straßburg . Das Programm der<br />

Tagung lautet wie folgt: „Kündigungsschutz<br />

in Kleinbetrieben“<br />

(Rechtsanwältin Dr. Nicola Gragert);<br />

„Die Geltendmachung des Annahmeverzugslohnanspruchs“<br />

(Rechtsanwalt<br />

Axel Groeger); „Neue Entwicklungen<br />

im Arbeitsrecht“ (Rechtsanwalt Dr.<br />

Klaus Neef); „Die betriebsbedingte<br />

Änderungskündigung“ (RiBGH Dr.<br />

Ernst Fischermeier)<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher,<br />

Köln<br />

AG Internat. Rechtsverkehr<br />

Mitgliederversammlung<br />

der Arbeitsgemeinschaft<br />

Internationaler Rechtsverkehr<br />

am 20. Oktober 1999 in München<br />

Bericht der Vorsitzenden,<br />

Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel,<br />

Frankfurt<br />

Frau Dr. Seibel berichtet über den<br />

Zeitraum von der letzten Mitgliederversammlung<br />

im Mai 1998 bis zum<br />

heutigen Tage.<br />

Der Arbeitsgemeinschaft für Internationalen<br />

Rechtsverkehr im DAV gehören<br />

nunmehr ca. 650 Mitglieder an.<br />

Die Mitgliederzahl ist seit etwa zwei<br />

Jahren gleichbleibend.<br />

Die von der Mitgliederversammlung<br />

am 22.5.1998 beschlossene Satzung<br />

ist zwischenzeitlich vom Vorstand<br />

des Deutschen Anwaltvereins<br />

genehmigt worden. Anlässlich des<br />

zeitgleich stattgefundenen Anwaltstages<br />

ist seinerzeit Herr Kollege Dr.<br />

Streck als Präsident des DAV gewählt<br />

worden. Herr Dr. Streck hatte sich es<br />

zu einer seiner ersten Aufgaben gemacht,<br />

die Satzungen der Arbeitsgemeinschaften<br />

und diese auf ihre<br />

Stimmigkeit hin zu überprüfen. Als<br />

Ergebnis dieser Überprüfung wurde<br />

sodann eine Mustersatzung entworfen,<br />

die der nunmehr geltenden Satzung<br />

der Arbeitsgemeinschaft vom<br />

22.5.1998 an einigen Stellen widersprach.<br />

Der Geschäftsführende Ausschuss<br />

schlägt daher der Mitgliederversammlung<br />

bereits jetzt die Fassung für<br />

die nächste Mitgliederversammlung<br />

vor, die im Mai 2000 anlässlich des<br />

DAT in Berlin am 2. Juni 2000 stattfinden<br />

wird.<br />

Unabhängig von der geplanten Satzungsänderung,<br />

die nur einige Marginalien<br />

enthält, hat sich die finanzielle<br />

Situation der Arbeitsgemeinschaft insofern<br />

verändert, als der bestehende<br />

Überschuss abgebaut werden konnte.<br />

Gleichwohl haben die letzten Jahre gezeigt,<br />

dass die Seminarveranstaltungen<br />

wesentlich teurer geworden sind und<br />

dies bei einem gleichbleibenden Beitrag<br />

von 60 DM für die Arbeitsgemeinschaft<br />

im Jahr. In diesem Zusammenhang<br />

sei angemerkt, dass der<br />

Betrag von 60,00 DM dem Betrag entspricht,<br />

der im Jahre 1989 von der<br />

Gründungsversammlung beschlossen<br />

wurde. Auch im Vergleich zu den anderen<br />

Arbeitsgemeinschaften im DAV,<br />

deren Durchschnittsbeiträge zwischen<br />

100,00 und 150,00 DM liegen, ist es<br />

aus Sicht des Geschäftsführenden Ausschusses<br />

angemessen, den Beitrag auf<br />

100,00 DM zu erhöhen, um eine adäquate<br />

Durchführung der Arbeit zu ermöglichen.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

sei auch berücksichtigt, dass das Mit-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

teilungsblatt nunmehr in einer veränderten<br />

Form vorliegt und diese Form<br />

bereits einen gewissen Teil des Jahresbudgets<br />

besetzt.<br />

Der Geschäftsführende Ausschuss<br />

schlägt daher vor, auf der im Juni<br />

2000 stattfindenden Mitgliederversammlung<br />

eine rückwirkende Beitrittserhöhung<br />

zum 1.1.2000 auf DM 100,–<br />

zu beschließen. Dies wird den Mitgliedern<br />

bei der Einladung zur nächsten<br />

Mitgliederversammlung schriftlich angekündigt.<br />

Anfang Juli 1998 fand ein zweitägiges<br />

Seminar der Arbeitsgemeinschaft<br />

in Kooperation mit der AIJA und der<br />

lettischen Anwaltskammer statt. Thema<br />

war Reorganisation of companies –<br />

crisis management. Ein eingehender<br />

Bericht über die Veranstaltung befindet<br />

sich im Mitteilungsblatt 3/98 wieder.<br />

Am 2. Oktober 1998 fand in London<br />

die gemeinsame Veranstaltung der<br />

Arbeitsgemeinschaft mit der Europäischen<br />

Rechtsakademie in Trier (ERA)<br />

und der Law Society of England and<br />

Wales zum Thema Legal Aspects of<br />

the Introduction of the Euro and its<br />

Impact on Lawyes’ Activities statt.<br />

Ausgangspunkt für die gemeinsame<br />

Veranstaltung mit den englischen Anwälten<br />

waren die überaus positiven<br />

Erfahrungen mit Seminaren im<br />

deutsch-französischen Rechtsverkehr.<br />

Dank einer Teilnehmerzahl von fast 60<br />

Personen wurde die Veranstaltung zum<br />

vollen Erfolg. Dies war insofern erstaunlich,<br />

als nach Berichten unserer<br />

Kooperationspartner in Trier bereits<br />

mehrfach in der Bundesrepublik Veranstaltungen<br />

zum Thema Euro mangels<br />

einer ausreichenden Teilnehmerzahl<br />

abgesagt werden mussten. Ein<br />

ausführlicher Bericht über die Veranstaltung<br />

befindet sich im Mitteilungsblatt<br />

4/98.<br />

Im Berichtszeitraum fanden die<br />

Wiederholungsseminare mit der Deutschen<br />

Institution für Schiedsgerichtsbarkeit<br />

zu den Themenkreisen ,Ihr<br />

Mandat bei der Einschaltung staatlicher<br />

Gerichte vor, während und<br />

nach einem Schiedsgerichtsverfahren’,<br />

,Ihr Mandat als Schiedsrichter’.<br />

Ort der Veranstaltungen waren Wien<br />

am 26./27. März 1999, Bremen am 3./<br />

4. September 1999 sowie Würzburg<br />

am 11./12. Dezember 1998.<br />

Am 30. April und 1. Mai 1999 fand<br />

in Potsdam das dritte Seminar zu aktuellen<br />

Fragen im deutsch-französischen<br />

Rechtsverkehr statt. Die zweitägige<br />

Seminarveranstaltung, die bereits in<br />

einer gewissen deutsch-französischen


AnwBl 1/2000 41<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Tradition abgehalten wurde, zeichnete<br />

sich sowohl durch exzellente Referenten<br />

als auch durch eine erfreulich<br />

hohe Zahl an Teilnehmern aus beiden<br />

Ländern aus. Das Verhältnis der Teilnehmer<br />

aus Frankreich und Deutschland<br />

war nahezu paritätisch. Auch in<br />

diesem Jahr fand die Veranstaltung<br />

wieder in Kooperation mit der Europäischen<br />

Rechtsakademie Trier und<br />

der Association Française des Avocats<br />

Conseils d’Entreprise (ACE) statt.<br />

Nachdem die Teilnehmer durch die<br />

Präsidenten bzw. Vorsitzenden der beteiligten<br />

Organisationen und den Präsidenten<br />

des Deutschen Anwaltvereins,<br />

Herrn Rechtsanwalt Dr. Michael<br />

Streck, begrüßt worden waren, folgte<br />

eine rechtsvergleichende Studie zu<br />

Fragen der Gewährleistung und der<br />

allgemeinen Geschäftsbedingungen in<br />

Deutschland und Frankreich. Am<br />

Nachmittag folgten zwei Seminare<br />

zum Stand der EU-Richtlinien zur Vereinheitlichung<br />

des Gewährleistungsrechtes<br />

sowie zur neuesten Entwicklung<br />

im deutschen und französischen<br />

Urheberrecht. Abgerundet wurde der<br />

erste Tag mit einer Führung durch den<br />

historischen Teil des Schlosses Cecilienhof,<br />

in dessen Innern vom 17. Juli<br />

bis 2. August 1945 die Konferenz der<br />

alliierten Siegermächte stattgefunden<br />

hatte. Im Anschluss gab es bei einem<br />

gemeinsamen Abendessen ausreichend<br />

Gelegenheit für die Referenten und<br />

Teilnehmer, über die dargestellten<br />

Rechtsfragen weiter zu diskutieren<br />

und den Tag in einer angenehmen Atmosphäre<br />

ausklingen zu lassen.<br />

Der zweite Tag war durch Vorträge<br />

zum Arbeitsrecht und den Vorschlag<br />

zur Zweiten Richtlinie über die europäische<br />

Gesellschaft geprägt. Im Anschluss<br />

gab es eine Möglichkeit zur<br />

offenen Diskussion, die von den Teilnehmern<br />

sehr rege wahrgenommen<br />

wurde. Als gegen Mittag des zweiten<br />

Tages die Veranstaltung zu Ende ging,<br />

war der dominierende Eindruck, dass<br />

der weitaus größte Teil der Teilnehmer<br />

dies mit zufriedenen Gesichtern tat<br />

und ihren Wunsch zum Ausdruck<br />

brachte, auch im nächsten Jahr an der<br />

dann in Frankreich stattfindenden 4.<br />

deutsch-französischen Seminarveranstaltung<br />

teilzunehmen. Zur Zufriedenheit<br />

der Teilnehmer konnte diesen ausführliche<br />

Seminarunterlagen zur<br />

Verfügung gestellt werden. Am Ende<br />

des zweiten Tages lud der Vorsitzende<br />

der ACE, Maître André-Philippe Dupont-Champion,<br />

zum Seminar im<br />

nächsten Jahr nach Cap d’Antibes, Côte<br />

d’Azur, ein. Termin ist der 14./16.<br />

April 2000, und viele der Anwesenden<br />

bekundeten ihre Bereitschaft, auch im<br />

nächsten Jahr wieder zu erscheinen.<br />

Am 18./19. Juni 1999 fand in Berlin<br />

das Seminar zum Telekommunikationsrecht<br />

statt. Dieses wurde erstmalig<br />

in Zusammenarbeit mit der Industrieund<br />

Handelskammer zu Berlin und<br />

dem Deutschen Industrie- und Handelstag<br />

veranstaltet. Anlass für die<br />

Tagung waren Schätzungen, die davon<br />

ausgehen, dass im Jahr 2002 die Umsätze<br />

mit Internet- und online-Geschäften<br />

rund 430 Millionen Teilnehmer<br />

weltweit erreichen werden, so dass der<br />

Umsatz bei ca. 1 Billiarde liegen wird.<br />

Insgesamt hatten sich ca. 70 Personen<br />

angemeldet. Dies verwundert insbesondere<br />

vor dem Hintergrund, daß<br />

dieses Seminar mit leicht verändertem<br />

Inhalt bereits im Dezember 1997 ohne<br />

durchschlagenden Erfolg angesetzt<br />

worden war. Aus dieser Erfahrung heraus<br />

hatte die Arbeitsgemeinschaft beschlossen,<br />

die diesjährige Veranstaltung<br />

in Kooperation mit Industrie und<br />

Handwerk durchzuführen, was, wenn<br />

man sich die Provenienz der Teilnehmer<br />

ansah, offensichtlich eine gute<br />

Idee war. Inhaltlich beschäftigte sich<br />

die Veranstaltung mit den sprachlichen<br />

sowie visuellen Möglichkeiten der<br />

Darstellung des Telecommerce, Fragen<br />

nach Vertragsschluss im Internet, Einbeziehung<br />

der AGB, Anwendbarkeit<br />

des Verbraucherkreditgesetzes und des<br />

Haustür-Widerrufsgesetzes. Der Rahmen,<br />

den das Grand Hyatt Hotel in<br />

Berlin stellte, war für sich genommen<br />

ebenso futuristisch wie die Veranstaltung<br />

als solche.<br />

Ende September diesen Jahres hat<br />

die Arbeitsgemeinschaft Internationaler<br />

Rechtsverkehr im DAV in Zusammenarbeit<br />

mit dem Förderverein für<br />

freie Advokatur in Mittel- und Osteuropa,<br />

der IRZ Stiftung und den Anwaltskammern<br />

aus Litauen, Lettland<br />

und Estland drei jeweils 1tägige Seminarveranstaltungen<br />

in den drei Hauptstädten,<br />

d.h. in Vilnius (Litauen), Riga<br />

(Lettland) und Tallinn (Estland) durchgeführt.<br />

Das Seminar beschäftigte sich mit<br />

zwei grundsätzlichen Ansätzen: Zum<br />

einen mit der Frage nach dem Management<br />

einer Anwaltskanzlei, zum anderen<br />

mit den drei Anwaltsrichtlinien<br />

der Europäischen Union. Ersteres wurde<br />

von Herrn Rechtsanwalt Christoph<br />

Vaagt von AdvoConsult dargestellt,<br />

letzteres von Rechtsanwalt Andreas<br />

Klein. Die Veranstaltung wurde in englischer<br />

Sprache abgehalten, wobei in<br />

Litauen und Lettland jeweils eine Si-<br />

multanübersetzung in die dortigen<br />

Sprachen stattfand. Lediglich in Estland<br />

wurde aufgrund des nicht vorhandenen<br />

Bedürfnisses einer Übersetzung<br />

auf eine solche verzichtet. Finanziert<br />

wurden die drei Veranstaltungen zu<br />

zwei Dritteln vom Förderverein für<br />

freie Advokatur und zu einem Drittel<br />

von der IRZ-Stiftung. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

Internationaler Rechtsverkehr<br />

stellte zwar keine unmittelbaren<br />

Finanzmittel zur Verfügung, brachte<br />

allerdings durch den Unterzeichner<br />

personelles know-how mit und ließ die<br />

gesamte organisatorische Vorbereitung<br />

und Abwicklung über die Geschäftsstelle<br />

des DAV in Bonn ablaufen.<br />

Zielgruppe der Veranstaltungen war<br />

zwar jeweils die gesamte Anwaltschaft<br />

in den drei Staaten, aber realistischerweise<br />

beschränkt sich der Teilnehmerkreis<br />

auf die Hauptstädte und deren<br />

unmittelbares Einzugsgebiet. In Litauen<br />

gab es bei einer Gesamteinwohnerzahl<br />

von 4,5 Millionen und 700<br />

Rechtsanwälten 35 Teilnehmer. Die<br />

Zahlen für Lettland beliefen sich bei<br />

einer Gesamteinwohnerzahl von 3,7<br />

Millionen und 700 Rechtsanwälten auf<br />

knapp 40 Teilnehmer. In Estland nahmen<br />

bei einer Gesamteinwohnerzahl<br />

von 1,5 Millionen und 200 Rechtsanwälten<br />

22 Anwältinnen und Anwälte<br />

teil. Es wurde darauf verzichtet, den<br />

Anwaltskolleginnen und -kollegen vor<br />

Ort die Kosten für die Veranstaltung<br />

auf zu bürden. Lediglich in Lettland<br />

und Litauen wurde ein Betrag von 10<br />

Euro von den Teilnehmern bezahlt, mit<br />

dem die Kosten des gemeinsamen Mittagessens<br />

gedeckt werden konnten. Die<br />

Veranstaltungen waren nach Meinung<br />

der örtlichen Kammervertreter ebenso<br />

wie nach der Meinung der Teilnehmer<br />

gut besucht. Die Schüchternheit der<br />

Teilnehmer während der Seminarveranstaltung<br />

war spätestens während des<br />

gemeinsamen Mittagessen abgelegt, so<br />

dass bei dieser Gelegenheit abermals<br />

ein reger Austausch stattfinden konnte.<br />

Insgesamt bleibt fest zu halten,<br />

dass der Deutsche Anwaltverein nunmehr<br />

in den Baltischen Staaten der<br />

Anwaltschaft ein Begriff ist – eben so<br />

wie in Polen, wo eine vergleichbare<br />

Veranstaltungen in den Jahren 1994/<br />

1995 durchgeführt worden waren.<br />

Für den Außenstehenden besonders<br />

interessant war, dass die baltischen<br />

Saaten sehr unterschiedlich voneinander<br />

sein wollen, es aber auch tatsächlich<br />

sind. Letzteres zeigt sich insbesondere<br />

in der wirtschaftlichen Entwicklung,<br />

die in Litauen am schwierigsten<br />

verläuft, in Lettland bereits besser und<br />

+O +O


42<br />

in Estland sich mit Abstand am besten<br />

darstellt. Dies hat auch die Europäische<br />

Kommission zum Anlass genommen,<br />

Estland als einen derjenigen<br />

Staaten zu benennen, die bei der ersten<br />

Welle der Verhandlungen in Bezug auf<br />

einen EU-Beitritt vertreten sind, während<br />

Litauen und Lettland nicht dazu<br />

gehören. Selbstredend spielten auch<br />

die Verwirklichung rechtsstaatlicher<br />

Prinzipien, zu denen u.a. eine unabhängige<br />

Anwaltschaft gehört, bei der<br />

Entscheidung der Kommission eine<br />

große Rolle. Nimmt man den Umgang<br />

der staatlichen Obrigkeit mit dem Bürger<br />

als Maßstab für den Grad der<br />

Rechtsstaalichkeit, so sind insbesondere<br />

in Litauen noch gewaltige Defizite<br />

zu verzeichenen.<br />

Bemerkenswert war auch, dass ein<br />

Bedürfnis der dortigen Anwälte in<br />

Bezug auf eine Nachfolgeveranstaltung<br />

klar artikuliert wurde. Eine solche<br />

Veranstaltung sollte sich vorrangig mit<br />

Richtlinien der Europäischen Union<br />

im Bereich des Wirtschaftsrechts befassen,<br />

da diese Richtlinien auf lange<br />

Sicht auch für diese Staaten geltendes<br />

Recht würden – so auf jeden Fall die<br />

Hoffnung der dortigen Anwaltschaft.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Internationaler<br />

Rechtsverkehr hatte bereits im Vorfeld<br />

die Bereitschaft geäußert, eine solche<br />

Nachfolgeveranstaltung im Jahre<br />

2000 durchzuführen, sollten die Seminare<br />

im Jahr 1999 ein Erfolg werden.<br />

Daneben betont die Vorsitzende,<br />

dass es das 10jährige Jubiläum<br />

der Arbeitsgemeinschaft Internationaler<br />

Rechtsverkehr zu feiern gebe. Sie zitiert<br />

den damaligen Geschäftsführenden<br />

Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft<br />

und hebt das Engagement des Gründervaters,<br />

Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr.<br />

Rabe, hervor. Herr Prof. Dr. Rabe war<br />

seinerzeit das vom Vorstand des DAV<br />

delegierte natürliche Mitglied des Geschäftsführenden<br />

Ausschusses. Die Vorsitzende<br />

berichtet, dass die Mitgliederzahlen<br />

von anfangs ca. 250 auf heute<br />

fast 700 Mitglieder gestiegen sind.<br />

In Ergänzung zu obigem Bericht erläutert<br />

die Vorsitzende, dass der Geschäftsführende<br />

Ausschuss am Vortage<br />

die Seminarplanung für das Jahr 2000<br />

abgeschlossen hat. Es werden ein Seminar<br />

zum Wettbewerbsrecht in Wien im<br />

März 2000, ein deutsch-französisches<br />

Seminar im April in Frankreich und ein<br />

Seminar zum Verbraucherschutz im<br />

September 2000 in Budapest stattfinden.<br />

Daneben wird die Arbeitsgemeinschaft<br />

im Juni 2000 auf dem Anwaltstag<br />

zusammen mit der International Bar<br />

Association eine Veranstaltung durch-<br />

führen. Darüber hinaus wird Ende Juni<br />

2000 eine Seminarveranstaltung in Tallinn<br />

(Estland) als Folgeveranstaltung zu<br />

der Seminarreihe im September 1999<br />

stattfinden. Schließlich wird im Oktober<br />

2000 das Seminar in Krakau nachgeholt<br />

werden, das im Jahr 1999 nicht durchgeführt<br />

werden konnte.<br />

AG Verkehrsrecht<br />

Neues über die Internet-Präsentation<br />

der Arbeitsgemeinschaft<br />

Die Internet-Präsentation der Arbeitsgemeinschaft<br />

erfreut sich nach<br />

wie vor einer steigenden Beliebheit.<br />

Im Monat September 1999 erfolgten<br />

insgesamt 89.560 Zugriffe auf die<br />

Internet-Präsentation. Dabei entfielen<br />

allein 7.900 Zugriffe auf die Mitgliederliste<br />

bzw. die zu der Mitgliederliste<br />

erstellten Homepages. Man kann daher<br />

davon ausgehen, daß in weit über<br />

7.000 Fällen potentielle Mandanten<br />

sich über ihren Anwalt vor Ort anhand<br />

der Mitgliederliste der Arbeitsgemeinschaft<br />

im Internet informiert haben.<br />

Um die Attraktivität der Internet-<br />

Präsentation für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />

zu verbessern, wird<br />

zum Januar 2000 ein Diskussionforum<br />

eingerichtet. Gegenstand des Informationsforums<br />

soll der Gedankenaustausch<br />

zwischen den Mitgliedern der<br />

Arbeitsgemeinschaft sein. Hier können<br />

Fragen, welche im Zusammenhang mit<br />

der Abwicklung von Schäden entstehen,<br />

gestellt werden. Es können aber<br />

auch Tips oder Hinweise zum Regulierungsverhalten<br />

einzelner Versicherer<br />

gegeben werden. Der Phantasie sind<br />

hier keine Grenzen gesetzt.<br />

Den Zugang zum Diskussionsforum<br />

erhält jedoch nur derjenige, wer<br />

eine Homepage unterhält. Den Schlüssel<br />

zum Diskussionforum bildet dabei<br />

die Kundennummer des Homepage-Inhabers<br />

beim Provider SoftNet.<br />

Die technischen Einzelheiten zum<br />

Ablauf des Diskussionsforums wir die<br />

Firma SoftNet noch gesondert mitteilen.<br />

Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann,<br />

Erfurt<br />

Fortbildungsarbeit der AG<br />

Verkehrsrecht in den neuen<br />

Bundesländern<br />

Gleich nach der Wende, verstärkt<br />

nach der Wiedervereinigung, sah es<br />

AnwBl 1/2000<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

die Arbeitsgemeinschaft als ihre Aufgabe<br />

an, den Kolleginnen und Kollegen<br />

in den neuen Bundesländern das<br />

nach dem Einigungsvertrag nun auch<br />

dort geltende Verkehrsrecht zu vermitteln.<br />

Dies geschah ab Januar 1991 mit<br />

Einführungsveranstaltungen in Leipzig,<br />

Dresden, Cottbus, Berlin, Greifswald,<br />

Rostock, Schwerin und Magdeburg.<br />

Im 1. Halbjahr 1993 führte die<br />

Arbeitsgemeinschaft in Schwerin, Berlin<br />

und Halle/Saale Einführungslehrgänge<br />

durch und bezog die neuen<br />

Bundesländer ab dem 2. Halbjahr<br />

1993 in ihr laufendes Regionalfortbildungsprogramm,<br />

den „Wanderzirkus“,<br />

mit den Standorten in Neubrandenburg,<br />

Halle/Saale, nunmehr Leipzig<br />

und auch Erfurt ein. Daneben wurden<br />

und werden in den neuen Bundesländern<br />

wie in den alten Sonderveranstaltungen<br />

für junge Kollegen und Referendare<br />

durchgeführt, so in Erfurt,<br />

Dresden und Neubrandenburg 1 .<br />

Die Oberlandesgerichte in den neuen<br />

Bundesländern entwickelten sehr<br />

schnell nach Aufnahme ihrer Tätigkeit<br />

ein eigenes Selbstverständnis mit<br />

eigenständiger Rechtsprechung. Den<br />

regionalen Bezug kennenzulernen, ist<br />

für die Anwaltschaft vor Ort von erheblichem<br />

Interesse und Nutzen. Auch<br />

geht es darum, eine Verbundenheit mit<br />

„ihrem“ Oberlandesgericht zu entwikkeln.<br />

Ab 1995 führte die Arbeitsgemeinschaft<br />

Verkehrsrecht deshalb unter<br />

Beteiligung der DAV-Landesverbände<br />

und örtlichen Anwaltvereine verkehrsrechtliche<br />

Fortbildungsveranstaltungen<br />

auf OLG-Ebene durch, dies mit großem<br />

Erfolg. Konzipiert wurden sie zugleich<br />

als Werbeveranstaltungen auch<br />

für den DAV; dies schon dadurch, dass<br />

sämtliche im betreffenden neuen Bundesland<br />

zugelassenen Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte eine Einladung<br />

erhielten.<br />

Die erste Veranstaltung dieser Art<br />

fand in Brandenburg im September<br />

1995 2 statt , gefolgt im Herbst 1996<br />

von der in Thüringen und 1997 in<br />

Mecklenburg-Vorpommern 3 .<br />

Zwei weitere Fortbildungsseminare<br />

auf OLG-Ebene führte die Arbeitsgemeinschaft<br />

jetzt durch, nämlich eine<br />

1 Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen<br />

Anwaltvereins Festschrift und Dokumentation<br />

zum 20-jährigen Bestehen S. 97.<br />

2 AnwBl 95, 545.<br />

3 AnwBl 98, 26.


AnwBl 1/2000 43<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

zweite Veranstaltung in Brandenburg<br />

und eine weitere in Sachsen-Anhalt<br />

mit den Themen „Die verkehrsrechtliche<br />

Rechtsprechung des Brandenburgischen<br />

Oberlandesgerichts unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Rechtsprechung<br />

zum Schmerzensgeld“ und<br />

„Die verkehrsrechtliche Rechtsprechung<br />

des Oberlandesgerichts Naumburg“.<br />

1. Brandenburg<br />

Der Präsident des Brandenburgischen<br />

Oberlandesgerichts Dr. Peter Macke<br />

stellte als Gastgeber der Veranstaltung<br />

vom 29.9.1999 in Brandenburg/Havel im<br />

Gerichtsgebäude die erforderlichen<br />

Räumlichkeiten zur Verfügung.<br />

Persönlich angeschrieben und eingeladen<br />

wurden wiederum sämtliche im<br />

Land Brandenburg zugelassenen Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte. Es kamen<br />

mehr als 120, mithin fast 10 %. Zumal<br />

davon bisher nur ein geringer Teil<br />

dem DAV angehört, erschien die Gelegenheit<br />

günstig, ihn, d. h. seine Geschichte,<br />

seine Aufgaben, Organisation<br />

und Serviceleistungen, vorzustellen.<br />

Referent war der Vizepräsident des<br />

Brandenburgischen Oberlandesgerichts<br />

Dr. Wolfgang Farke, der die materiellund<br />

verfahrensrechtlichen Fragen bis<br />

in Einzelheiten gehend abhandelte,<br />

z. B. Funktion des Schmerzensgeldes,<br />

Abwägungsproblematik, Klageanträge,<br />

Verjährung u. a. m. Er orientierte sich<br />

an der höchstrichterlichen Rechtsprechung,<br />

aber insbesondere auch der des<br />

Brandenburgischen Oberlandesgerichts.<br />

Wie interessiert die Teilnehmer<br />

waren, zeigten die vielen Fragen und<br />

Diskussionsbeiträge nach Abschluss<br />

des Referats.<br />

Die Veranstaltung kann, nicht zuletzt<br />

auch durch die organisatorische<br />

Hilfe der Justiz, als voller Erfolg gewertet<br />

werden.<br />

2. Sachsen-Anhalt<br />

Am 30. Oktober 1999 fand die Veranstaltung<br />

in Naumburg statt. Das<br />

Interesse der in Sachsen-Anhalt<br />

zugelassenen Rechtsanwältinnen und<br />

Rechtsanwälte – wiederum wurden<br />

alle eingeladen – war mit 184 Anmeldungen,<br />

das sind 12% der gesamten<br />

Anwaltschaft, so groß, dass der im Plenarsaal<br />

des Oberlandesgerichts Naumburg<br />

zur Verfügung stehende Platz bei<br />

weitem nicht ausreichte und in den<br />

Ratskeller, am historischen Marktplatz<br />

gelegen, ausgewichen werden mußte.<br />

Nach der Eröffnung, in der der<br />

DAV, seine satzungsgemäßen Aufgaben,<br />

das Service-Angebot und die<br />

Arbeitsgemeinschaften ausführlich<br />

vorgestellt wurden, sprach der<br />

VRiOLG Albrecht Hennig in Vertretung<br />

der urlaubsbedingt abwesenden<br />

Chef-Präsidentin Grußworte.<br />

Am Vormittag referierte RiOLG<br />

Stefan Geib über die zivilrechtliche<br />

Rechtsprechung des Oberlandesgerichts<br />

Naumburg in Verkehrssachen, einschließlich<br />

Versicherungsrecht mit<br />

Schwerpunkten Unfallursachen, Haftungsquoten,<br />

Schadenposten sowie<br />

Probleme der Kaskoversicherung.<br />

Am Nachmittag erläuterte VRiOLG<br />

Albrecht Hennig die Judikatur in Verkehrsstraf-<br />

und Ordnungswidrigkeitensachen.<br />

Seine Ausführungen hatten die<br />

Schwerpunkte Alkoholdelikte, Verkehrsgefährdung<br />

– ohne Alkohol –,<br />

Verkehrsflucht, Schuldfähigkeit, Verkehrsordnungswidrigkeiten<br />

und ihre<br />

Folgen, dazu Verfahrensfragen. Die<br />

Diskussion im Anschluß an die Redebeiträge<br />

war rege. Unterbrochen wurden<br />

die Vorträge von einer Mittagspause,<br />

in der ein ausgezeichnetes kaltwarmes<br />

Buffet angeboten wurde, alles,<br />

zudem auch die Getränke, im Tagungspreis<br />

von 100 DM mitenthalten.<br />

Auch diese Veranstaltung war, nicht<br />

zuletzt wegen der Unterstützung durch<br />

das OLG Naumburg, ein voller Erfolg.<br />

Rechtsanwalt und Notar<br />

Dr. Georg Greißinger, Hildesheim<br />

Personalien<br />

Neue Vorsitzende von<br />

Anwaltvereinen<br />

Anwaltsverein Bocholt e.V.<br />

Vorsitzender: Rechtsanwalt Harald<br />

P i e t z onka , Salierstraße 4, 46395<br />

Bocholt<br />

Borkener Anwaltsverein<br />

Vorsitzender: Derk R ö t t g e r i n g ,<br />

Hauptstraße 10, 48712 Gescher<br />

Münchener Anwaltverein e.V.<br />

Vorsitzende: Rechtsanwältin Petra<br />

H e i n i c k e , Dachauer Straße 17,<br />

80335 München<br />

Buchhinweis<br />

Jobst-Hubertus Bauer: Arbeitsrechtliche<br />

Aufhebungsverträge, Arbeits-, Gesellschafts-,<br />

Steuer- und Sozialversicherungs-<br />

rechtliche Hinweise zur einvernehmlichen<br />

Beendigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen;<br />

6. neubearbeitete Auflage<br />

1999; Verlag C.H. Beck, München; XXXII<br />

und 613 Seiten, 90,– DM.<br />

Es ist Freude und Gewinn, die komplette<br />

Überarbeitung des Standardwerks per<br />

15. April 1999 anzuzeigen. Zu bescheiden<br />

spricht das Buch in seinem Untertitel nur<br />

von Hinweisen. Es behandelt vielmehr ein<br />

zentrales Instrument arbeits- und dienstvertraglichen<br />

Handelns und Disponierens<br />

vollständig und vor allem auf die Praxis<br />

zugeschnitten. In einer Zeit, in der<br />

die arbeitsrechtlichen, einschließlich der<br />

damit verknüpften sozialversicherungs- und<br />

steuerrechtlichen Rahmenbedingungen, die<br />

Innenpolitik und die Befindlichkeit der Gesellschaft<br />

nahezu vollständig bestimmen,<br />

kann der Wert einer derartig zuverlässigen<br />

Informationsquelle, wie sie das Werk bietet,<br />

schwerlich überschätzt werden. Es gefällt<br />

nach wie vor und wiederum verbessert die<br />

Versammlung zahlreicher Check-Listen,<br />

Muster und Beispielsfälle. Besondere<br />

Aktualitäten des Buches sind die<br />

Darstellungen zu den Fragen: Neuregelung<br />

der Entlassungsentschädigung im Sozialund<br />

Steuerrecht, Altersteilzeit, Frühpensionierung,<br />

steuerliche Neuregelungen ab<br />

1. Januar 1999.<br />

Im „Hüh und Hott“ der kürzlichen und<br />

gegenwärtigen gesetzgeberischen Leistungen<br />

ist das Buch eine unerläßliche Informationsquelle<br />

und Arbeitshilfe, die Orientierung<br />

für besonnene und über den Tag<br />

hinaus wirkende Entscheidungen ausstrahlt.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />

Kommentar; begründet von Wilhelm<br />

Gerold\+, fortgeführt von Herbert<br />

Schmidt \+, Kurt von Eicken, Wolfgang<br />

Madert; 14. Auflage 1999; Verlag C.H.<br />

Beck;XXIV und 1560 Seiten;176,– DM.<br />

Das Standardwerk liegt nun wieder –<br />

höchst verdienstvoll – in neuer Auflage und<br />

aktuell auf dem Tisch. Die neueste Rechtsprechung,<br />

welche zahlreiche Streitfragen<br />

des Gebührenrechts abklärt, ist natürlich<br />

eingearbeitet. Bearbeitet sind auch die<br />

gesetzgeberischen Änderungen durch die<br />

zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung,<br />

das Kindschaftsrechtsreformgesetz<br />

vom 16. Dezember 1997, die zweite<br />

Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17. Dezember<br />

1999, das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz<br />

vom 22. Dezember 1997, die<br />

Änderungen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten<br />

vom 26. Januar 1998, das Kindesunterhaltsgesetz<br />

vom 6. April 1998, das<br />

Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 sowie<br />

das Betreuungsrechtsänderungsgesetz<br />

vom 25. Juni 1998. Es ist und bleibt klar,<br />

daß der Rechtsanwalt und die Rechtsanwältin<br />

mit diesem Buch rechnen können. Sie<br />

sollten es auch wirklich tun. Voraussetzung<br />

dafür ist, daß der Kommentar bei der täglichen<br />

Arbeit stets zur Hand ist.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln


44<br />

EUROPA<br />

Europa im Überblick<br />

Wöchentliche EU-Informationen des Deutschen Anwaltvereins,<br />

Büro Brüssel (Auswahl der 49. Woche)<br />

Elektronischer Geschäftsverkehr – Rat<br />

Der Rat der Europäischen Union hat sich über den geänderten<br />

Kommissionsvorschlag für die „Richtlinie über bestimmte<br />

rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs<br />

im Binnenmarkt“ (KOM(1999) 427 endg., s. EiÜ<br />

35-99) politisch geeinigt.<br />

Der neue RL-Vorschlag sieht weiterhin das auch vom<br />

Deutschen Anwaltverein (DAV) befürwortete Herkunftslandprinzip<br />

vor; dieses soll jedoch bspw. aus Gründen des<br />

Jugend- und Verbraucherschutzes eingeschränkt werden<br />

können. Der Vorschlag geht nun zur zweiten Lesung an das<br />

Europäische Parlament.<br />

Unternehmensübergang – EuGH-Urteil<br />

Der EuGH hat entschieden, daß die „Richtlinie zur Angleichung<br />

der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über<br />

die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang<br />

von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen“ (RL<br />

77/187/EWG v. 14.2.1977, EG-ABl. L 61 v. 5.3.1977, S. 26)<br />

auf einen Übergang zwischen zwei Gesellschaften desselben<br />

Konzerns angewendet werden könne (Urteil v. 2.12.1999,<br />

Rs. C-234/98, G. C. Allen u. a. / Amalgamated Construction<br />

Co. Ltd; im Internet abrufbar unter http://curia.eu.int).<br />

Entscheidend sei, daß die beiden Tochtergesellschaften<br />

gesonderte juristische Personen darstellten und jeweils spezifische<br />

Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern eingegangen<br />

seien. In diesem Fall sei selbst bei gemeinsamem<br />

Eigentümer und Management, gemeinsamen Gebäuden und<br />

gemeinsamer Arbeit zweier Tochtergesellschaften nicht notwendig<br />

ein einziges Unternehmen im Sinne der RL gegeben,<br />

so daß bei der Übertragung des wesentlichen Belegschaftsteils<br />

ein Unternehmensübergang vorliegen könne.<br />

Öffentliche Aufträge – EuGH-Urteil<br />

Unter Auslegung der „Richtlinie über die Koordinierung<br />

der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“<br />

(92/50/EWG v. 18.6.1992; EG-ABl. L 209, S. 1) entschied<br />

der EuGH, daß ein Dienstleistungserbringer sich für<br />

den Nachweis, daß er die nötigen Voraussetzungen für die<br />

Teilnahme an einem Vergabeverfahren hinsichtlich eines<br />

öffentlichen Dienstleistungsauftrags erfüllt, auf die Leistungsfähigkeit<br />

Dritter, die er bei Erhalt des Auftrags in<br />

Anspruch nehmen will, berufen dürfe. Er müsse jedoch<br />

nachweisen, daß er tatsächlich über die zur Auftragserfüllung<br />

nötigen Mittel verfügen kann (EuGH, Urteil v.<br />

2.12.1999, Rs. C-176/98, Holst Italia SpA / Comune di<br />

Cagliari; im Internet unter http://curia.eu.int).<br />

Dokumentenzugang – EuGH-Urteil<br />

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften darf<br />

den Zugang zu bestimmten Dokumenten, die im Rahmen<br />

einer reinen Verwaltungsangelegenheit erstellt worden sind,<br />

nicht verweigern (EuG-Urteil v. 7.12.1999, Rs. T-92/98,<br />

AnwBl 1/2000<br />

Interporc Im- und Export GmbH / Kommission der<br />

Europäischen Gemeinschaften; im Internet abrufbar unter:<br />

http://curia.eu.int).<br />

Das EuG bekräftigte jedoch, daß für Dokumente, die die<br />

Kommission für ein anhängiges Gerichtsverfahren erstellt<br />

habe, einschließlich des anwaltlichen Schriftverkehrs, eine<br />

Ausnahme von der Regel des möglichst umfassenden Informationszugangs<br />

gelte.<br />

91.Vollversammlung des CCBE am 12. und<br />

13. November 1999 in Athen<br />

Nach der Veröffentlichung der Satzung des CCBE im<br />

belgischen Gesetzblatt (Moniteur belge) ist diese nun formell<br />

in Kraft getreten, sodass auf der Vollversammlung in<br />

Athen erstmals die neuen Mehrheitsverhältnisse zur Anwendung<br />

kamen (vgl. für Details der Mehrheitsverhältnisse<br />

AnwBl 1999/104).<br />

Die Anwaltskammer von Estland hatte ebenso wie die<br />

polnischen Rechtsberater einen Antrag auf Aufnahme als<br />

Mitglied mit Beobachterstatus gestellt. Beobachterstaaten<br />

haben lediglich das Recht zur Teilnahme an den Vollversammlungen,<br />

ohne ein Stimmrecht zu haben. Allerdings<br />

können Beobachterstaaten in den verschiedenen Arbeitsgruppen<br />

des CCBE mitwirken, jedoch auch dort ohne<br />

Stimmrecht. Dem Antrag Estlands wurde ohne größere<br />

Aussprache einstimmig entsprochen. Der Abstimmung zur<br />

Aufnahme der polnischen Rechtsberater ging eine intensive<br />

Diskussion in der Vollversammlung voraus, die dadurch<br />

ausgelöst war, dass die polnischen Rechtsanwälte (Adwokaten)<br />

bereits einen Beobachterstatus haben. Die Rechtsberater<br />

unterscheiden sich von den Adwokaten insofern als sie<br />

nicht im Familien- und Strafrecht tätig werden dürfen. Ein<br />

weiterer Unterschied ist, dass die Adwokaten nicht in einem<br />

Angestelltenverhältnis arbeiten dürfen, was mit eine<br />

Ursache für die relativ große Zahl der Rechtsberater ist, da<br />

in Polen traditionell viele Juristen bei Unternehmen beschäftigt<br />

sind.<br />

Die schließlich getroffene Entscheidung zugunsten der<br />

Rechtsberater wurde mit der Maßgabe verknüpft, dass –<br />

entsprechend der CCBE-Satzung – Polen auf der nächsten<br />

Vollversammlung sich durch nur „eine physische Person“<br />

vertreten lassen darf.<br />

Nachdem der CCBE sich im Jahre 1996 letztmalig zu<br />

der Frage der multidisziplinären Partnerschaften geäußert<br />

hatte (die damalige Resolution kann auf der DAV-Geschäftsstelle<br />

angefragt werden oder in naher Zukunft auf der neu<br />

eingerichteten CCBE Web-site eingesehen werden), hatte<br />

der CCBE Anfang 1998 erneut eine Arbeitsgruppe MDP<br />

geschaffen. Diese Arbeitsgruppe legte in Athen einen Resolutionsentwurf<br />

vor. Der Entwurf wurde, nachdem er noch in<br />

der Vollversammlung leicht modifiziert worden war, einstimmig<br />

angenommen. Im Prinzip spricht sich die nunmehr<br />

vorliegende Resolution gegen die Möglichkeit von multidisziplinären<br />

Partnerschaften aus, ohne jene Jurisdiktionen, in<br />

denen es die Möglichkeit solcher beruflicher Kooperationen<br />

gibt, aufzufordern, dies zu ändern. Für diesen Fall spricht<br />

sich die Resolution dafür aus, dass „lawyer independence,<br />

client confidentiality and disciplinary supervision of con-


AnwBl 1/2000 45<br />

Mitteilungen l<br />

flict-of-interest rules must be safeguarded. Der englische<br />

Wortlaut kann jederzeit bei der Geschäftsstelle des DAV per<br />

Fax angefordert werden (0228 – 260757).<br />

Die Vollversammlung brachte erneut ihre ablehnende<br />

Haltung gegenüber dem Richtlinienentwurf zur geplanten<br />

Zweiten Geldwäscherichtlinie insoweit zum Ausdruck als<br />

der Entwurf die Rechtsanwälte in den Anwendungsbereich der<br />

Richtlinie mit einbezieht, wenn sie im Bereich von Finanztransaktionen<br />

tätig werden. Außerdem wurde Kritik an den<br />

unterschiedlichen Sprachfassungen geübt, die im Englischen<br />

und Französischen einen engeren Rahmen für Ausnahmetatbestände<br />

eröffnen als die deutsche Fassung. Während es in<br />

der deutschen Fassung von Artikel 6, Absatz 3, Unterabsatz<br />

2, Satz 1 heißt, dass „die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet<br />

sind, die in Absatz 1 niedergelegten Verpflichtungen auf<br />

selbständige Juristen anzuwenden, wenn es sich um Informationen<br />

handelt, die sie von einem Kunden zum Zwecke<br />

der Vertretung in einer Rechtssache oder im Rahmen einer<br />

Rechtsberatung erhalten“ ist im englischen Wortlaut an<br />

gleicher Stelle nur die Rede von „in legal proceedings“ und<br />

in der französischen Fassung von „dans une procédure judiciaire“,<br />

was den Gestaltungsspielraum wesentlich zuungunsten<br />

der Anwaltschaft einengt. Da nach dem EG-Vertrag sowie<br />

nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes<br />

(EuGH) alle elf Sprachen authentisch und damit<br />

gleichermaßen verbindlich sind, wäre der EuGH gezwungen,<br />

die entsprechende Stelle auszulegen. Dies geschähe unter<br />

Zugrundlegung aller Sprachfassungen, was, wenn die breite<br />

Mehrheit der Sprachen in die englische und französische<br />

Richtung tendiert, dazu führen müsste, dass die für die Anwaltschaft<br />

„bessere“ Lösung des deutschen Wortlautes nicht<br />

zum tragen käme. Daher wird der DAV sowohlmitseinen<br />

europäischen Partnern als auch im Rahmen des CCBE weiterhin<br />

dafür eintreten, die Anwaltschaft insgesamt aus dem<br />

Richtlinienentwurf zu streichen.<br />

6<br />

Justizreform<br />

Stellungnahme des Anwaltsverbandes<br />

Baden-Württemberg<br />

I.<br />

Sogenannte Beschleunigungsnovellen, Rechtspflegevereinfachungsgesetze<br />

und Rechtspflegeentlastungsgesetzte,<br />

die in der Vergangenheit in die Regelungen über den Zivilprozess<br />

eingriffen, haben überwiegend zu einem Abbau des<br />

Rechtsschutzsystems geführt. Die Anwaltschaft hat derartige<br />

punktuelle Maßnahmen, durch die die Rechtsstellung<br />

des Bürgers geschwächt wurde, aus diesem Grunde stets<br />

kritisiert, teilweise ausdrücklich abgelehnt.<br />

Wenn nun vom Bundesministerium der Justiz eine Große<br />

Justizreform angestrebt wird, die den Anspruch erhebt<br />

das Rechtsschutzsystem und die Bürgernähe der Justiz<br />

durch ein in sich stimmiges Konzept zu verbessern, so ist<br />

dieser Ansatz grundsätzlich überlegenswert.<br />

Die Delegationen teilten den Stand der Umsetzung der<br />

Niederlassungsrichtlinie in die nationalen Rechtsordnungen<br />

mit. Als einziges Land hat Schweden bereits den Gesetzgebungsprozess<br />

abgeschlossen. Die übrigen Mitgliedstaaten<br />

des CCBE, darunter auch die EWR-Staaten Norwegen und<br />

Island teilten mit, dass die Umsetzungsarbeiten entweder bis<br />

zum 14. März 2000 oder spätestens im Laufe des Frühsommers<br />

abgeschlossen sein werden. Einzige Ausnahme bildete<br />

Luxemburg, das bisher keinerlei Umsetzungsbemühungen<br />

unternommen hat, da es Klage gegen die Niederlassungsrichtlinie<br />

beim EuGH erhoben hat. Mit einer Entscheidung<br />

des EuGH wird nicht vor Mitte nächsten Jahres gerechnet<br />

und die Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung werden<br />

allgemein als nicht sehr hoch eingeschätzt. Es sei darauf hingewiesen,<br />

dass die Richtlinie mit Ablauf des Umsetzungsdatums<br />

14. März 2000 nach der Rechtsprechung des EuGH<br />

unmittelbare Wirkung in denjenigen Vorschriften entfaltet,<br />

aus denen subjektive Rechte für den einzelnen ohne weitere<br />

Auslegung abgeleitet werden können. Mit anderen Worten<br />

bedeutet dies, dass deutsche Anwälte mit Ablauf des 14.<br />

März 2000 in jedem anderen EU-Staat sich niederlassen und<br />

im Recht des Aufnahmestaates tätig werden können. Der<br />

deutsche Wortlaut der Richtlinie kann ebenso wie der Gesetzentwurf<br />

der Bundesregierung (BR Drucksache 567/99)<br />

bei der Geschäftsstelle des DAV abgefragt werden.<br />

Schließlich befasste sich die Vollversammlung mit dem<br />

Thema WTO/GATS 2000, ohne jedoch eine einheitliche<br />

Position zu verabschieden. Eine Festlegung des CCBE auf<br />

eine Position wird erst im ersten Halbjahr des neuen Jahres<br />

erfolgen, was ausreichend ist, da die Europäische Kommission,<br />

die im Rahmen der WTO-Gespräche die Verhandlungsführerschaft<br />

inne hat, frühestens Ende Juni 2000 eine<br />

erste Liste mit konkreten Forderungen an die WTO-Mitgliedstaaten<br />

stellen wird.<br />

Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />

Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das<br />

Reformvorhaben in Gestalt des bislang bekannten Berichts<br />

vom Juni 1999 den selbstgesteckten Ansprüchen nicht<br />

gerecht wird und vor allem der behauptete „unabweisbare<br />

Reformbedarf“, mit dem die Eile der Reformdurchsetzung<br />

begründet wird, nicht ersichtlich ist.<br />

Zweifel ergeben sich bereits aus dem Ansatz des<br />

Reformvorhabens. Das Grundübel des Zivilprozesses soll<br />

darin bestehen, dass die erste Instanz lediglich als „Durchgangssation“<br />

auf dem Weg in die Berufungsinstanz sei, in<br />

der das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werde. Diese<br />

„Entdeckung“ verwundert, nachdem das Grundkonzept des<br />

Rechtsschutzsystems seit weit über 100 Jahren in der jetzt<br />

noch geltenden Weise funktioniert.<br />

Die Anwaltschaft sieht keinen Reformbedarf. Sie kann<br />

trotz oder gerade wegen des Berichts zur Justizreform einen<br />

solchen nicht erkennen.<br />

II.<br />

Die Argumente, mit denen die Notwendigkeit einer Justizreform<br />

begründet wird, vermögen nicht zu überzeugen.


46<br />

l<br />

1. Ein Beschleunigungseffekt kann nicht erwartet werden.<br />

Die Verfahrensdauer von Zivilprozessen beträgt derzeit<br />

beim Amtsgericht 4,4 Monate, beim Landgericht 6,6<br />

Monate und beim Oberlandesgericht durchschnittlich acht<br />

bis neun Monate 1 . Zivilverfahren werden damit regelmäßig<br />

innerhalb weniger Monate erledigt. Damit nimmt die deutsche<br />

Zivilgerichtsbarkeit einen Spitzenwert im europäischen<br />

Vergleich ein.<br />

So lange im Übrigen die Zwangsvollstreckung durch<br />

Gerichtsvollzieher mindestens genauso lange dauert wie<br />

das gerichtliche Erkenntnisverfahren, wenn nicht noch länger,<br />

sieht die Anwaltschaft in Bezug auf die Verfahrensdauer<br />

der Zivilprozesse keinen Handlungsbedarf. Der rechtsuchende<br />

Bürger ist für die Durchsetzung seines Rechts auf<br />

das staatliche Gewaltmonopol sowohl in Bezug auf die<br />

Urteilsfindung als auch hinsichtlich der späteren Vollstrekkung<br />

angewiesen.<br />

2. Eine Kosteneinsparung, die offensichtlich mit der<br />

Justizreform verfolgt werden soll, ist nicht ersichtlich.<br />

Der Anteil der Justizhaushalte an den Gesamthaushalten<br />

der einzelnen Bundesländer schwankt zwischen 2,4%<br />

(Thüringen), 2,8% (Baden-Württemberg) und 4,2% (Hessen);<br />

lediglich Nordrhein-Westfalen nimmt insoweit als bevölkerungsreichstes<br />

Bundesland mit 5,9% eine Ausnahmestellung<br />

ein2 . Der Kostendeckungsgrad der ordentlichen<br />

Gerichtsbarkeit, deren Kosten nur einen Teil der vorgenannten<br />

Justizhaushalte ausmachen, betrug in Baden-Württemberg<br />

in den Jahren 1994 bis 1998 zwischen 90% und<br />

104,1% 3 . Selbst wenn insoweit lediglich eine Refinanzierungsquote<br />

über die Gerichtsgebühren lediglich in Höhe<br />

von 90% angenommen wird, so waren noch nicht einmal<br />

0,3% des Gesamthaushaltes des jeweiligen Bundeslandes<br />

betroffen. Bereits dieser Umstand lässt keine großen Einsparpotenziale<br />

vermuten.<br />

In diesem Zusammenhang ist die vergleichsweise geringe<br />

Anzahl der Rechtsmittelverfahren zu sehen, die kontinuierlich<br />

zurückgeht. 94% aller Verfahren werden endgültig<br />

bei den Amtsgerichten erledigt, 86% bei den Landgerichten.<br />

Lediglich die restlichen Verfahren werden im Berufungsweg<br />

weiterverfolgt.<br />

Angesichts dessen stellt sich für die Anwaltschaft mit<br />

Nachdruck die Frage, welches die möglichen Einsparpotentiale<br />

sein sollen, über die im Zusammenhang mit einer Einschränkung<br />

des Zugangs zum Berufungsrechtszug nachgedacht<br />

wird. Die Frage stellt sich umso drängender, als<br />

die durchschnittlichen Kosten eines Berufungsverfahrens<br />

unbekannt sind. Keiner der Länderjustizminister ist in der<br />

Lage, konkret zu beziffern, welche Kosten ein Berufungsverfahren<br />

durchschnittlich verursacht.<br />

An dieser Stelle ist Refinanzierungsquote durch Gerichtsgebühren<br />

ein weiteres Mal zu beachten. Es spricht<br />

eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass mit steigendem<br />

Streitwert auch die Bereitschaft der Parteien zunimmt, ein<br />

Rechtsmittel gegen ein ihnen ungünstiges Urteil einzulegen.<br />

Aus den hohen Streitwerten resultiert jedoch zugleich ein<br />

relativ hoher Anteil an den Einnahmen der Gerichtsgebühren.<br />

Eine Rechtsmittelbeschränkung führt somit zwangsläufig<br />

zu einer Verschlechterung der Refinanzierungsmöglichkeiten.<br />

Die Bundesrechtsanwaltskammer rechnet mit jährlichen<br />

Gebührenmindereinnahmen in Höhe von DM 28<br />

Mio. 4 . Zugleich wird aber geschätzt, dass die Justizreform<br />

allein Personalmehrkosten in Höhe von jährlich rund DM<br />

8,4 Mio. mit sich bringt5 .<br />

AnwBl 1/2000<br />

Mitteilungen<br />

Bei nüchterner Betrachtung ist deshalb mit einer Kosteneinsparung<br />

nicht zu rechnen.<br />

3. Weder eine größere Bürgernähe noch eine Verbesserung<br />

des Rechtsschutzes für den Bürger als Folge der<br />

Reform sind ersichtlich. Die als Rechtsvereinfachung<br />

gepriesene Konzentration der Berufungsmittel sowohl<br />

gegen amtsgerichtliche als auch gegen landgerichtliche<br />

Urteile beim Oberlandesgericht soll der Erhöhung der<br />

Transparenz der Gerichtsbarkeit und damit zugleich der<br />

Akzeptanz beim Bürger dienen. Hierbei handelt es sich aus<br />

der Sicht der Anwaltschaft um ein Scheinargument. Sämtliche<br />

Prozessbeteiligte – d. h. nicht nur Kläger und Beklagter,<br />

sondern regelmäßig auch alle Zeugen und Sachverständigen,<br />

sowie, etwa im Falle eines Ortstermins, auch das<br />

Gericht selbst – werden durch die großen räumlichen Entfernungen,<br />

die in der Mehrzahl der Verfahren überwandt<br />

werden müssen, ebenso belastet, wie in den Zweigen der<br />

Fachgerichtsbarkeit, in denen die Rechtsmittel bereits jetzt<br />

bei nur einem Gericht in jedem Bundesland konzentriert<br />

sind.<br />

Für die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen durch<br />

den Bürger ist vielmehr erforderlich, dass eine eingehende<br />

Auseinandersetzung mit dessen berechtigem Anliegen erfolgt.<br />

Ein gerichtliches Urteil kann nur dann tatsächlich die<br />

ihm zukommende befriedende Funktion erfüllen, wenn sich<br />

der rechsuchende Bürger mit seinem Begehren ernstgenommen<br />

fühlt und zu verstehen vermag, warum er damit ggf.<br />

nicht oder nur teilweise durchzudringen vermochte. Hieran<br />

fehlt es aber nach den jetzigen Reformvorschlägen, die eine<br />

ausdrückliche Annahme der Berufung erfordern und das<br />

Berufungsgericht zugleich an rechtsfehlerfreie Tatsachenfeststellungen<br />

der ersten Instanz binden wollen.<br />

Das Berufungsgericht soll nur dann nicht an die Beweiswürdigung<br />

der ersten Instanz gebunden sein, wenn diese<br />

rechtsfehlerhaft erfolgte. Dies wäre nur dann der Fall,<br />

wenn die beweisrelevanten Umstände entweder gar nicht<br />

oder nicht vollständig berücksichtigt wurden, oder aber<br />

wenn gegen Denk- bzw. Erfahrungssätze verstoßen wurde.<br />

In allen übrigen Fällen soll die Berufungsinstanz auf eine<br />

reine Rechtskontrolle beschränkt sein. Es wäre dem Berufungsgericht<br />

damit insbesondere versagt, sich selbst ein<br />

Bild der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit eines Zeugen<br />

zu machen, eine unvollständige oder mehrdeutige Zeugenaussage<br />

zu ergänzen oder zu konkretisieren oder etwa ein<br />

nachweislich falsches Sachverständigengutachten, das auf<br />

einer unzutreffenden Tatsachenermittlung des Sachverständigen<br />

beruht, vom erstinstanzlichen Gericht aber in seinem<br />

Ergebnis zutreffend verwertet würde, zu verwerfen.<br />

Angesichts der vielfach festzustellenden Unbeholfenheit,<br />

ja Hilflosigkeit von Richtern im Umgang mit Zeugen und<br />

Sachverständigen mangels ausreichender Kenntnis von Vernehmungstechniken<br />

und unzureichender Erfahrung mangels<br />

systematischer Auswertung von Sachverständigengutachten<br />

erscheint dies für die Anwaltschaft nicht hinnehmbar. Vor<br />

allem aber aus der Sicht des rechtsuchenden Bürgers ist zu<br />

berücksichtigen, dass die Rechtsverhältnisse immer komple-<br />

1 Vgl. allgemein Weiß, BRAK-Mitt. 1999, 61 (63); für Baden-Württemberg LT-<br />

Drs. BW 12/3687, S. 92 f.<br />

2 Vgl. LT-Drs. BW 12/3687, S. 10.<br />

3 Vgl. LT-Drs. BW 12/3687, S. 15.<br />

4 Vgl. Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Bericht der Rechtsmittelreform<br />

in Zivilsachen vom 7.10.99, S. 14.<br />

5 Vgl. Münchbach/Lotz, ZRP 1999, 374 (378).


AnwBl 1/2000 47<br />

Mitteilungen l<br />

xer werden. Eine der Hauptaufgaben der Anwaltschaft besteht<br />

darin, dem rechtunterworfenen Bürger das Recht bzw.<br />

die aufgrund dessen ergehenden Urteile verständlich zu vermitteln.<br />

Die hieraus resultierende Filterwirkung anwaltlicher<br />

Tätigkeit zeigt sich darin, dass es auf diese Weise gelingt,<br />

etwa 70% aller Streitfälle ohne Anrufung der<br />

Gerichte zu erledigen 6 .<br />

Der rechtsunterworfene Bürger vermag die rechtlichen<br />

Regelungen und Wertungen vielfach nicht nachzuvollziehen.<br />

Er versteht vielmehr in erster Linie die tatsächliche<br />

Seite seines Falles. Für ihn sind aus diesem Grunde Fehler<br />

der Beweisführung – seien sie tatsächlicher oder rechtlicher<br />

Art – zumindest gleichwertig; tendenziell muss sogar davon<br />

ausgegangen werden, dass aus seiner Sicht Fehlern tatsächlicher<br />

Natur weit größeres Gewicht zukommt, weil er<br />

sie ohne weiteres nachzuvollziehen vermag. Aus diesem<br />

Grunde ist ihm nicht zu vermitteln, dass gerade diese Fehler<br />

in tatsächlicher Hinsicht unberücksichtigt bleiben und<br />

nur die für ihn weit schwerer verständlichen Fehler rechtlicher<br />

Natur beachtlich sein sollen.<br />

Vor dem Hintergrund der jeweils angestrebten Einzelfallgerechtigkeit<br />

ist eine Unterscheidung zwischen einer rechtsfehlerhaften<br />

und einer in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaften<br />

Beweiserhebung nicht rechtfertigen. Die Beschränkung auf<br />

Rechtsfehler beruht offensichtlich auf der Annahme, diese<br />

seien leichter zu kontrollieren. Hieraus spricht allein eine für<br />

Juristen typische Überschätzung von Rechtsfragen und zugleich<br />

eine Unterschätzung der richterlichen Fähigkeiten,<br />

Sachverhalte in tatsächlicher Hinsicht zu durchdringen.<br />

In diesem Zusammenhang ist an eine Äußerung von<br />

Konrad Redeker im Vorfeld der 6. Novelle zur Verwaltungsgerichtsordnung<br />

zu erinnern:<br />

„Eine Novellierung sollte von dem ausgehen, was ist,<br />

nicht von dem, was sich Ministerialbeamte als Wirklichkeit<br />

vorstellen und in politischen Aktionismus umzusetzen<br />

haben“ 7 .<br />

4. Im Zusammenhang mit der Rechtsmittelbeschränkung<br />

durch Einführung einer Annahmeberufung fällt auf, dass<br />

seitens des Bundesministeriums der Justiz bereits ein unabweisbarer<br />

Reformbedarf behauptet wird, obwohl der<br />

abschließende Bericht des in Auftrag gegebenen Rechtstaatsachenforschungsvorhabens<br />

noch nicht vorliegt. Die<br />

Anwaltschaft vermisst darüber hinaus rechtsvergleichende<br />

Untersuchungen in den europäischen Nachbarländern.<br />

Auf völliges Unverständnis seitens der Anwaltschaft<br />

stößt vor allem der Umstand, dass die bislang gesammelten<br />

Erfahrungen mit der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen<br />

6. Novelle der Verwaltungsgerichtsordnung in keiner Weise<br />

Berücksichtigung gefunden haben, obwohl dort mit der Einführung<br />

der Zulassungsberufung eine ähnliche Rechtsmittelbeschränkung<br />

vorgenommen wurde, wie sie nun für den<br />

Zivilprozess beabsichtigt ist.<br />

Gerade aufgrund der Novelle wird im Verwaltungsprozess<br />

ein deutlicher Verlust an Rechtskultur sowohl von der<br />

Anwaltschaft als auch von der Richterschaft beklagt, der zu<br />

erheblichen Frustrationen führt. So hat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes<br />

Baden-Württemberg, Prof. Dr. Meissner,<br />

auf dem Triberger Symposium im November 1998 über<br />

die Erfahrungen mit dem beschränkten Zugang zur Berufungsinstanz<br />

durch die 6. Novelle zur Verwaltungsgerichtsordnung<br />

beklagt, dass die verminderte Kontrolle der erstinstanzlichen<br />

Richter dazu geführt habe, „dass die Qualität<br />

der erstinstanzlichen Entscheidungen – jedenfalls was Baden-Württemberg<br />

betrifft – deutlich zurückgegangen ist“ 8 .<br />

Auch der Präsident des Bundesgerichtshofs, Geiß, hat in<br />

der Vergangenheit festgestellt, dass Rechtsmittel unverkennbar<br />

ein Stück sachlicher Qualitätskontrolle und Qualitätsdurchsetzung<br />

seien, die in dem Maße zurückgingen, in<br />

dem Rechtsmittel beschnitten würden 9 .<br />

Der Verlust an Rechtsqualität durch Einführung der Zulassungsberufung<br />

im Verwaltungsprozess lässt sich daran<br />

ablesen, dass – bezogen auf Baden-Württemberg – im Jahre<br />

1996 vor In-Kraft-Treten der 6. Novelle zur Verwaltungsgerichtsordnung<br />

59,2% aller Berufungen zurückgewiesen<br />

wurden, 8,2% hatten in vollem Umfang Erfolg, 2,5% führten<br />

immerhin zu einem teilweisen Erfolg. Die restlichen<br />

Berufungsverfahren endeten durch Verwerfung, Rücknahme,<br />

Erledigung oder Verbindung zweier oder mehrerer<br />

Verfahren zu einem. Werden die ganz oder teilweise erfolgreichen<br />

Berufungen mit den Erledigungen zusammengenommen,<br />

so kann davon ausgegangen werden, dass in<br />

rund einem Drittel aller Berufungsverfahren die erstinstanzliche<br />

Entscheidung keinen Bestand hatte.<br />

Nach In-Kraft-Treten der 6. Novelle zur Verwaltungsgerichtsordnung<br />

bedarf die Berufung der vorherigen Zulassung.<br />

Im Jahre 1997 hatten lediglich 17,5% aller Zulassungsanträge<br />

Erfolg, im Jahre 1998 20,4 %. Damit ist noch<br />

keine Aussage darüber getroffen, wie das Verfahren aufgrund<br />

der zugelassenen Berufung enden wird. Festgehalten<br />

werden kann jedoch, dass eine weit geringere Anzahl an<br />

Verfahren zur Zulassung der Berufung führt als vor der<br />

Novelle zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung<br />

führte. Danach ergibt sich bereits rein rechnerisch ein<br />

erhebliches Defizit an Einzelfallgerechtigkeit.<br />

Derzeit führen rund 50% aller Berufungen im Zivilprozess<br />

zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.<br />

Aufgrund der Erfahrungen im Verwaltungsprozess ist zu<br />

befürchten, dass infolge der Einführung der Annahmeberufung<br />

nun auch eine deutlich geringere Zahl der eingelegten<br />

Berufung zur Entscheidung angenommen wird, als vor der<br />

Reform im Ergebnis zu einer Änderung der erstinstanzlichen<br />

Entscheidung führten.<br />

Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsprozess<br />

vom Amtsermittlungsgrundsatz, der Zivilprozess<br />

aber vom Beibringungsgrundsatz beherrscht wird.<br />

Das Verwaltungsgericht, das den Sachverhalt von Amts wegen<br />

ermitteln muss, kann und wird somit Defizite des Vortrags<br />

der Parteien ausgleichen, während das Zivilgericht<br />

darauf angewiesen ist, dass die Prozessparteien alles ihnen<br />

günstige vortragen.<br />

5. Hieraus resultieren angesichts der hypertrophierenden<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwaltshaftung<br />

erhebliche Risiken für die Anwaltschaft. Wenn der Bundesgerichtshof<br />

dem Rechtsanwalt bereits eine Mitverantwortung<br />

dafür anlastet, dass ein mit immerhin drei Berufsrichtern<br />

besetzter Senat eines Oberlandesgerichts in Verkennung<br />

der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem rechtlich<br />

nicht haltbaren Ergebnis gelangt 10 , so ist eine erhebliche<br />

Ausweitung der Anwaltshaftung zu befürchten, wenn<br />

6 Vgl. Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Bericht zur Rechtsmittelreform<br />

in Zivilsachen vom 7.10.1999, S. 4.<br />

7 Redeker, NVwZ 1996, 521 (526).<br />

8 Symposium „Rechtsstaat-Rechtsmittelstaat“ am 19./20.11.1998 in Triberg, S. 158.<br />

9 Geiß, BRAK-Mitt. 1997, 46 (48).<br />

10 BGH, Urteil vom 2.4.1998, NJW 1998, 2048.


48<br />

l<br />

das Berufungsgericht weitgehend an Feststellungen der<br />

ersten Instanz gebunden ist.<br />

Es geht jedoch nicht an, dass das Rechtsschutzsystem<br />

auf diese Weise auf Kosten der Anwaltschaft abgebaut<br />

wird. Vielmehr ist mit Nachdruck zu betonen, dass die Parteien<br />

des Zivilprozesses auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche<br />

durch das staatliche Gewaltmonopol, und das heißt<br />

hier: durch die Gerichte, angewiesen sind. Aus diesem<br />

Grunde muss der Staat fehlerhafte Rechtsprechung entweder<br />

korrigieren oder kompensieren.<br />

Als Korrekturmöglichkeiten können nur Rechtsmittel dienen,<br />

deren Gebrauch durch die beabsichtigte Justizreform jedoch<br />

gerade eingeschränkt werden soll. Eine Kompensation<br />

ist jedoch gegenwärtig nicht gegeben, nachdem eine Amtshaftung<br />

für fehlerhafte Gerichtsentscheidungen regelmäßig<br />

durch das sogenannte Spruchrichterprivileg ausgeschlossen<br />

ist. Dieses Spruchrichterprivileg dient der Erhaltung der Unabhängigkeit<br />

der rechtsprechenden Gewalt, weshalb es auch<br />

von der Anwaltschaft für sinnvoll und notwendig erachtet<br />

wird. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Freistellung<br />

des Richters von einer Haftung für pflichtwidrig gesprochene<br />

Fehlurteile erst durch § 839 Abs. 2 BGB eingeführt<br />

wurde 11 , und zwar in Kenntnis eines ausgefeilten Rechtsschutzsystems<br />

durch Berufung und Revision, durch die ein<br />

angemessener und wirkungsvoller Ausgleich für den Haftungsausschluss<br />

beider spruchrichterlichen Tätigkeit geschaffen<br />

wurde. Es besteht somit ein evidentes Regelungsgleichgewicht,<br />

dass empfindlich gestört wird, wenn der Zugang zu<br />

den Rechtsmitteln eingeschränkt wird. Aus diesem Grunde<br />

wird dann das Spruchrichterprivileg bei fahrlässig falschen<br />

Entscheidungen nicht mehr zu rechtfertigen sein.<br />

III.<br />

Zusammenfassend lässt sich deshalb feststellen, dass die<br />

Anwaltschaft bereit ist, an einer Reform mitzuarbeiten,<br />

wenn der Reformbedarf tatsächlich besteht und nachgewiesen<br />

wird, und darüber hinaus Einigkeit über das Ziel einer<br />

solchen Reform besteht, dass nur in einer Verbesserung des<br />

Rechtsschutzes für den Bürger gesehen werden kann.<br />

Eine solche Reform muss dann jedoch gemeinsam mit<br />

den Praktikern, nämlich mit der Richterschaft und der Anwaltschaft<br />

erarbeitet werden.<br />

Eine Reform jedoch, die lediglich Sparmaßnahmen in<br />

ein rechtspolitisches Deckmäntelchen einzuhüllen und von<br />

einem Abbau des Rechtsschutzsystems abzulenken versucht,<br />

wird von der Anwaltschaft abgelehnt.<br />

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr.<br />

Peter Kothe, Vorsitzender des Anwaltsverbandes Baden-<br />

Württemberg<br />

11 Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Band II, 1896,<br />

S. 819 ff.<br />

Freie Mitarbeiter /Scheinselbständigkeit<br />

Korrektur des Korrekturgesetzes:<br />

Neues vom freien Mitarbeiter<br />

Im Januarheft 1999 hatte ich über das unmittelbar zuvor<br />

in Kraft getretene Korrekturgesetz berichtet, welches sich<br />

auch mit den Scheinselbständigen und den arbeitnehmer-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Mitteilungen<br />

ähnlichen Selbständigen befaßt hat. Nachdem dieses Gesetz<br />

schon im April durch das 630-Mark-Gesetz geringfügig geändert<br />

worden war, setzt der Gesetzgeber uns auch für das<br />

Januarheft 2000 unter Zugzwang.<br />

Zur Erinnerung: nach etwa zweimonatiger Ladehemmung<br />

war im Frühjahr letzten Jahres über das Gesetz eine<br />

Diskussion in Politik und Wirtschaft hereingebrochen, wie<br />

sie bisher kaum ein Gesetz ausgelöst hat. Zahllose Fortbildungsveranstaltungen<br />

waren angesagt. Die Spitzenorganisation<br />

der Sozialversicherungsträger sahen sich veranlaßt,<br />

sich schon früh in einem Rundschreiben vom 19. Januar<br />

1999, dann zur Jahresmitte am 16.6.1999 und in einer korrigierten<br />

Fassung am 18.8.1999 umfangreich zu äußern.<br />

Mehrere Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht wurden<br />

angestrengt, alle mit negativem Erfolg. Die Bundesregierung<br />

hat eine Kommission unter Führung des ehemaligen<br />

BAG-Präsidenten zur Prüfung eines Änderungsbedarfs<br />

eingesetzt. Ab Mitte Oktober wurde ein interner Entwurf<br />

des zuständigen Ministeriums bekannt. Mitte November<br />

wurde das Gesetz in dritter Lesung im Bundestag beraten.<br />

Es ist anzunehmen, daß es bei Druck dieses <strong>Heft</strong>es bereits<br />

im Bundesgesetzblatt steht.<br />

Der Gesetzgeber beschreitet den Weg feiner Ironie: er<br />

nennt sein Gesetz nämlich „Gesetz zur Förderung der<br />

Selbständigkeit“. Es erweckt bei oberflächlicher Betrachtung<br />

den Eindruck, als wäre man vor der politischen Diskussion<br />

in die Knie gegangen. In den Zeitungen konnte<br />

man deswegen auch lesen, die gesetzliche Vermutung –<br />

Hauptgegenstand aller Kritik – sei gestrichen worden. Davon<br />

kann allerdings keine Rede sein. Tatsächlich enthält<br />

das Gesetz eine Reihe von wichtigen Änderungen, von denen<br />

einige – jedenfalls aus dogmatischer Sicht – durchaus<br />

als sensationell bezeichnet werden können. Dem Tiger ist<br />

aber der Zahn nicht gezogen: es wird vielmehr notwendig<br />

sein, sich das Gesetz sehr genau anzusehen. Im Rahmen<br />

dieses kurzen Beitrages sollen nur einige Hinweise gegeben<br />

werden.<br />

Zunächst sind die sattsam bekannten vier Tatbestandsmerkmale<br />

des § 7 Abs. 4 SGB IV teilweise geändert, vor allem<br />

durch ein fünftes Merkmal ergänzt worden. Nun müssen<br />

drei davon erfüllt sein. Der Effekt wird eine geringere<br />

„Streubreite“ sein; der Ausstoßwinkel der Schrotflinte ist<br />

schmaler geworden, es werden voraussichtlich weniger Unbeteiligte<br />

getroffen. Die Getroffenen haben dann gegen die<br />

Vermutung anzukämpfen. Hier gibt es nichts Neues: Die<br />

Vermutung greift erst, wenn die im Bereich der Sozialversicherung<br />

vorgegebene Ermittlung von Amts wegen keine<br />

Klarheit erbringt. Die Vermutung kann dann Anwendung<br />

finden, wenn die „erwerbsmäßig tätige Person“ ihren Aufklärungs-<br />

und Mitteilungspflichten nicht nachkommt. Vorsicht:<br />

gemeint ist der Beschäftigte, also der freie Mitarbeiter!<br />

Diese Lösung hat der Gesetzgeber offensichtlich in<br />

letzter Minute gewählt; im vorangegangenen inoffiziellen<br />

Entwurf war noch von den Konsequenzen die Rede, die eintreten,<br />

wenn beide Teile (Auftraggeber und -nehmer) „mauern“.<br />

Jetzt kommt es allein auf den Auftragnehmer an. Ob<br />

das eine Verbesserung ist? Ich habe den Eindruck, daß die<br />

Stellung des Scheinselbständigen damit eher gestärkt ist.<br />

Als sensationell bezeichnet werden kann, was sich der<br />

Gesetzgeber im neuen § 7 a SGB IV ausgedacht hat. Dort<br />

ist nämlich der Beginn einer Versicherungspflicht erst mit<br />

dem Zeitpunkt statuiert, in welchem der Sozialversicherungsträger<br />

die entsprechende Feststellung trifft. Das heißt<br />

im Ergebnis: es sind keine Zahlungen nach „rückwärts“<br />

mehr nötig. Sozialrechtlich wäre das neu: eine Person ist


AnwBl 1/2000 49<br />

Mitteilungen l<br />

entweder abhängig beschäftigt oder sie ist es nicht – dann<br />

könnte es nicht darauf ankommen, wann die Obrigkeit das<br />

feststellt. Aber auch hier Vorsicht: die Rückschlagsperre<br />

wirkt nur, wenn der Auftraggeber innerhalb eines Monats<br />

nach Beginn des Auftragsverhältnisses einen Prüfantrag gestellt<br />

hat, wenn der Arbeitnehmer anderweitig vorgesorgt<br />

hat und – erneut! – wenn der Beschäftigte zustimmt. Ob er<br />

dies tut, wenn zwischen den beiden Beteiligten Streit entstanden<br />

ist, kann bezweifelt werden. Wird der eine oder<br />

der andere seine Zustimmung erkaufen wollen?<br />

Damit nicht genug: Widerspruch und Klage haben aufschiebende<br />

Wirkung. Das ist im Rahmen des Beitragsrechts<br />

ein höchst ungewöhnliches Novum. Wenn man weiß, wie<br />

lange Widerspruchsverfahren und Sozialgerichtsklagen<br />

dauern, wird man die Prognose wagen können, daß diese<br />

Bestimmung die Flucht ins Verfahren schon wegen des langen<br />

Suspensiveffektes provozieren wird. – Es folgen einige<br />

im einzelnen nicht unkomplizierte Bestimmungen über andere<br />

Verfahrensarten und die Behandlung der Übergangsfälle.<br />

Auch hier gibt es eine Überraschung. Die Wirkungen<br />

des Gesetzes treten rückwirkend zum 1.1.1999 in Kraft!<br />

Die Regelung über die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen<br />

wird geändert und hier auch verbessert. Zunächst gibt<br />

es eine dreijährige Karenzfrist für Existenzgründer, die der<br />

Gesetzgeber für jede Person sogar zweimal im Leben<br />

zuläßt – eine Art sozialversicherungsrechtlicher Freischuß.<br />

Ergraute Existenzgründer (ab 58. Lebensjahr) sind bei Erstgründung<br />

ausgenommen – wenn sie nach einer vorangegangenen<br />

Selbständigkeit erstmals dem Gesetz unterfallen würden.<br />

Die Befreiungs- und Anpassungssperren sind um ein<br />

Jahr auf den 30.6.2000 verlängert worden; die Anpassungsmöglichkeiten<br />

wurden auch inhaltlich erweitert. Dies kann<br />

auch das Zusammenspiel mit der Befreiungsmöglichkeit<br />

zugunsten des Versorgungswerks erleichtern.<br />

Es sei noch angefügt: viel Kritik hat die Doppelprüfung<br />

hervorgerufen. Erst prüfte die Krankenkasse nach § 28 h<br />

SGB IV, später der Rentenversicherungsträger nach § 28 p<br />

SGB IV. Jetzt ist die Prüfung auch zu § 28 h SGB IV auf<br />

die BfA (und die LVA‘s) übergegangen. Das heißt: das Nebeneinander<br />

der Zuständigkeiten ist beseitigt. Künftig ist<br />

eine einzige Zentrale für alles zuständig – das Verfahren<br />

wird effektiver. Gleichzeitig wird (wie man hört) der Personalbestand<br />

der Kontrolleure aufgestockt, so daß nach heutigem<br />

Erkenntnisstand jeder Arbeitgeber damit rechnen muß,<br />

innerhalb von vier Jahren geprüft worden zu sein, und zwar<br />

von BfA oder LVA.<br />

Im Ergebnis heißt dies:<br />

a) Die Vermutung ist nicht abgeschafft. Ihr Damoklesschwert<br />

liegt in der möglicherweise gestaltenden Hand des<br />

abhängig Beschäftigten. Die neuen Tatbestandsmerkmale<br />

verringern nur die Streubreite der gesetzgeberischen<br />

Schrotflinte.<br />

b) Die Musik spielt künftig im Verfahren. Der schützende<br />

Effekt der „Rückschlagsperre“ ist von der Zustimmung<br />

des freien Mitarbeiters abhängig. Der Beratungsbedarf beginnt<br />

bereits bei Aufnahme des Auftragsverhältnisses; Vertretungsbedarf<br />

besteht vor allem dann, wenn der Prüfer erscheint.<br />

Das neue Gesetz hat die rechtliche Situation eher<br />

kompliziert.<br />

c) Der alleinunternehmende selbständige Existenzgründer<br />

genießt eine dreijährige Erprobungsphase – dies zweimal<br />

im Leben. Ist er über 58, wird er – wenn vorher selbständig<br />

– nicht mehr behelligt.<br />

d) Über Frequenz und Intensität der Kontrollmaßnahmen<br />

nach dem erneut gestärkten § 28 p SGB IV hofft der<br />

Gesetzgeber, die Scheinselbständigen restlos aufzuspüren.<br />

e) Die Hoffnung, mit dem neuen Gesetz könne das Kapitel<br />

Scheinselbständigkeit ad acta gelegt werden, ist vergeblich.<br />

Die Merkwürdigkeit eines arbeitnehmerähnlichen<br />

Selbständigen bleibt uns ohnehin erhalten.<br />

Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Tübingen<br />

Geldwäsche _. Europa<br />

Einbeziehung von Rechtsanwälten in die Meldepflicht<br />

der Geldwäsche-Richtlinie?<br />

– Bericht über einen inakzeptablen Brüsseler Plan<br />

Am 14.7.1999 hat die Kommission einen Vorschlag zur<br />

Änderung der Geldwäsche-Richtlinie vom 10.6.1991 vorgelegt.<br />

Danach sollen „Notare und andere selbständige<br />

Juristen“ bei bestimmten Tätigkeiten denselben Verpflichtungen<br />

unterliegen wie der sogenannte Finanzsektor. Gemeint<br />

ist insbesondere eine Meldepflicht bei dem Verdacht<br />

von Aktivitäten im Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen<br />

oder von Straftaten zum Nachteil der Europäischen<br />

Gemeinschaften.<br />

Diese Meldepflicht, die sich gegen Mandanten richten<br />

soll, ist vorgesehen, wenn die genannten Berufsträger ihre<br />

Klienten „bei den folgenden Tätigkeiten unterstützen oder<br />

vertreten“: Kauf und Verkauf von Grundstücken oder Gewerbebetrieben;<br />

Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder<br />

sonstigen Vermögensgegenständen; Verwaltung von Bank-,<br />

Spar- oder Wertpapierkonten; Gründung, Betrieb oder Verwaltung<br />

von Gesellschaften, Treuhandgesellschaften oder<br />

ähnlichen Strukturen; Ausführung von Finanzgeschäften.<br />

Den Mitgliedstaaten soll auferlegt werden, für eine Zusammenarbeit<br />

der betroffenen Berufsträger mit den zur<br />

Bekämpfung von Geldwäsche zuständigen Behörden zu<br />

sorgen. Diese Zusammenarbeit soll darin bestehen, dass<br />

die Betroffenen „von sich aus über alle Tatsachen, die ein<br />

Indiz für eine Geldwäsche sein könnten, unterrichten“ und<br />

auf Verlangen „alle erforderlichen Auskünfte erteilen.“<br />

Im Falle der „selbständigen Juristen“ enthält der Entwurf<br />

eine Option für die Mitgliedstaaten, „die Anwaltskammer<br />

oder die entsprechende Selbstverwaltungseinrichtung<br />

der betreffenden Berufsgruppe“ als Behörde zu<br />

benennen und „die angemessenen Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen diesen und den anderen Behörden, die für<br />

die Bekämpfung von Geldwäsche zuständig sind, nieder(zu)legen.“<br />

Erteilte Informationen dürfen nach dem Richtlinien-Vorschlag<br />

„nur zur Bekämpfung der Geldwäsche benutzt werden.<br />

Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass<br />

diese Informationen auch für andere Zwecke verwendet<br />

werden.“<br />

Im übrigen gestattet der Entwurf den Mitgliedstaaten<br />

eine Sonderregelung, wonach die Meldepflicht entfallen<br />

soll, wenn die „selbständigen Juristen“ die Informationen<br />

„zum Zwecke der Vertretung in einer Rechtssache oder im<br />

Rahmen einer Rechtsberatung erhalten.“ Diese Ausnahme<br />

soll indes nicht gelten, wenn „der Verdacht besteht, dass<br />

Erkundigungen, die auf die Erleichterung der Geldwäsche<br />

gerichtet sind, eingeholt werden.“


50<br />

l<br />

Der DAV ist seit langem in enger Zusammenarbeit mit<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer bemüht, der Kommission<br />

zu verdeutlichen, dass die beabsichtigte Regelung bei<br />

Rechtsanwälten verfassungsrechtlich unzulässig und<br />

rechtspolitisch untragbar wäre. Die CCBE hat sich ähnlich<br />

geäussert. Auch innerhalb der zuständigen Ressorts der<br />

Bundesregierung gibt es vermutlich eine Unterstützung unserer<br />

Position; doch beruht der Entwurf auf einem sogenannten<br />

Aktionsplan, den der Europäische Rat am<br />

28.4.1997 angenommen und in Amsterdam im Juni 1997<br />

gebilligt hat. Danach ist die Meldepflicht „auf alle Strafsachen<br />

im Zusammenhang mit schweren Verbrechen und auf<br />

andere Personen und Berufszweige als die in der Richtlinie<br />

genannten Kredit- und Finanzinstitute“ auszudehnen.<br />

Am 23.11.1999 hat beim Europäischen Parlament in<br />

Brüssel der Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der<br />

Bürger, Justiz und Innere Angelegenheiten über den Vorschlag<br />

der Kommission beraten. Berichterstatter des Ausschusses<br />

ist der Abgeordnete Rechtsanwalt Klaus-Heiner<br />

Lehne, Düsseldorf. Weiterhin gehört zu den Mitgliedern<br />

des Ausschusses der Abgeordnete Rechtsanwalt Dr. Rainer<br />

Wieland, Gerlingen. Ausserdem ist der Abgeordnete<br />

Rechtsanwalt Willy Rothley, Kaiserslautern, als Mitglied<br />

des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt zu nennen.<br />

Zu der Sitzung am 23.11.1999 hatte der Ausschuss<br />

Sachverständige geladen. Dazu gehörte, als einziger Angehöriger<br />

der Freien Berufe, Franz Salditt, Mitglied im Strafrechtsausschuss<br />

des DAV.<br />

Salditt erhielt im Ausschuss das Wort für eine auf zehn<br />

Minuten bemessene Erklärung und konnte danach auf Fragen<br />

antworten. Der deutsche Text seiner Erklärung, die<br />

aus Sicht des Ausschusses mehr den rechtstechnischen Details<br />

und weniger der Grundsatzfrage zu widmen war, hat<br />

den folgenden Wortlaut:<br />

I. Die Strafbarkeit wegen Geldwäsche reicht in<br />

Deutschland sehr weit. Der Kreis der Vortaten ist mehrfach<br />

ausdehnt worden, für die Bestrafung genügt Leichtfertigkeit.<br />

Deshalb ist Geldwäsche in der öffentlichen Diskussion<br />

bei uns heute fast ein Synonym für ein allgemeines Instrument<br />

der Verbrechensbekämpfung.<br />

Eine Verpflichtung der Anwaltschaft, eigene Mandanten<br />

wegen Verdachte von Geldwäsche zur Anzeige zu bringen,<br />

träfe das Selbstverständnis dieses Berufs im Kern. Die<br />

Schweigepflicht der Anwälte hat aus deutscher Sicht – im<br />

Sinne eines Grundrechts der zu schützenden Bürger – Verfassungsqualität,<br />

ebenso die Unschuldsvermutung zugunsten<br />

des Mandanten, als deren Hüter die Anwaltschaft sich<br />

versteht. Dies hat auch mit der bedrückenden Erinnerung<br />

an die staatliche Vereinnahmung von Anwalten in der NS-<br />

Zeit und in der DDR zu tun. Das historische Fundament unseres<br />

Berufs ist dünn und zerbrechlich. Der Schaden, der<br />

aus der Auferlegung einer Anzeigepflicht folgen würde,<br />

wäre bedrohlich. Aus den Erfahrungen der Finanz- und<br />

Kreditinstitute ist bekannt, dass das rechnerische Verhältnis<br />

unbegründeter Verdachtsanzeigen zu den begründeten mit<br />

99:1 noch eher beschönigt wird.<br />

II. Ich will damit die Grundsatzdiskussion nicht erneut<br />

beginnen. Doch liegt mir daran, verständlich zu machen,<br />

warum eine äusserst enge Begrenzung der beabsichtigten<br />

Richtlinie unerlässlich wäre.<br />

1. Der Entwurf hat nicht etwa vorgesehen, dass eine Anzeigepflicht<br />

nur entstehen kann, sofern „bestimmte Tatsachen“<br />

auf Geldwäsche hindeuten. Es darf und kann aber<br />

keine Verpflichtung des Anwalts geben, Untersuchungen ge-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Mitteilungen<br />

gen den Mandanten zu führen, und deshalb liesse sich eine<br />

Mitteilungspflicht weder aus Vermutungen noch aus einem<br />

blossen Anfangsverdacht ableiten.<br />

2. Nach Art. 2a Abs. 5 des Entwurfs tritt die dort geregelte<br />

Anzeigepflicht des Rechtsanwalts ein, wenn er bei<br />

den Transaktionen dem Mandanten „assistiert“ oder wenn<br />

er diesen dabei „vertritt“. Der blosse Rechtsrat darf nicht<br />

hierunter eingeordnet werden, weil jedenfalls er keine finanzielle<br />

(bankähnliche) Dienstleistung ist. Bislang fehlt es<br />

an einer entsprechenden Klarstellung.<br />

3. Durch ein Verwertungsverbot muss über Art. 6 Abs.<br />

4 hinaus abgesichert sein, dass die Verwendung der Angaben<br />

allenfalls zur Prävention, also zur Verhinderung von<br />

Geldwäsche, zulässig sein kann, nicht aber als Beweismittel<br />

oder Ermittlungsansatz zur Strafverfolgung. An dieser<br />

zentralen Stelle entscheidet sich, ob Rechtsanwälte in den<br />

Dienst der Strafverfolgung genommen werden sollen oder<br />

ob es nur darum geht, dem Missbrauch ihrer Dienstleistungen<br />

zur Geldwäsche vorzubeugen. Im übrigen erstaunt es,<br />

dass der Entwurf die Verwertbarkeit nicht einmal auf Fälle<br />

schwerer organisierter Kriminalität begrenzen will.<br />

4. Dem Rechtsanwalt darf – im Gegensatz zum Entwurf<br />

– nicht auferlegt werden, eine Anzeige vor seinem<br />

Mandanten zu verbergen. Er kann nicht nach aussen Ratgeber<br />

und hinter der Fassade Gegner des Mandanten sein.<br />

5. Da die Anwaltschaft das Recht durch den vertrauensvollen<br />

und vertraulichen Kontakt mit dem Mandanten gewährleistet,<br />

muss sich jede Anzeige erübrigen, wenn der<br />

Anwalt die Aufgabe aus eigener Kraft bewältigt:<br />

a) wenn nämlich die befürchtete Geldwäsche unterbleibt,<br />

weil der Anwalt darauf hinwirken konnte;<br />

b) oder wenn der Anwalt des Mandat niederlegt, bevor<br />

seine Hinzuziehung die vermutete Geldwäsche förderte.<br />

6. Von elementarer Tragweite erscheint es, dass dem<br />

nationalen Gesetzgeber freigestellt bleibt, die öffentlichrechtlichen<br />

Rechtsanwaltskammern als alleinige Adressaten<br />

der Anzeige zu bestimmen. Eine andere Regelung wäre aus<br />

deutscher Sicht ein massiver Grundrechtsverstoß. Der von<br />

der Richtlinie überlassene Spielraum muss grosszügig sein,<br />

weil nur der nationale Gesetzgeber zwischen den Besonderheiten<br />

der unterschiedlichen beratenden Berufe in notwendiger<br />

Weise differenzieren kann. Vor diesem Hintergrund<br />

sollte es den Berufskammern obliegen, durch die erforderlichen<br />

Abklärungen dazu beizutragen, dass die Dienstleistungen<br />

der Rechtsanwälte nicht zum Zwecke der Geldwäsche<br />

missbraucht werden können. Bei Verletzung der<br />

Berufspflichten kämen berufsrechtliche Massnahmen in Betracht.<br />

Eine Verpflichtung der Kammern, die staatlichen Behörden<br />

über die eingehenden Informationen zu unterrichten,<br />

ist auszuschliessen. Nur eine solche Regelung könnte<br />

mit der Verfassung in Einklang stehen und würde dazu beitragen,<br />

dass Rechtsanwälte sich in Zweifelsfällen an die<br />

Kammer wenden. Nur eine solche Regelung dient erfolgreicher<br />

Prävention.<br />

III. Ich bin lange in der Berufsgerichtsbarkeit der Anwaltschaft<br />

tätig. Dabei ist mir bislang kein einziger Fall<br />

eines Anwalts bekanntgeworden, dem die Mitwirkung an<br />

einer Geldwäsche vorgeworfen wird. Aus anderen Quellen<br />

habe ich vage von einer Handvoll einschlägiger Fälle gehört,<br />

bei denen es typischerweise um Verteidiger geht,<br />

deren Honorar aus bemakelten Mitteln stammen soll.<br />

Dies wirft die Frage auf, ob es überhaupt hinreichenden<br />

Anlass für eine allgemeine Anordnung einschlägiger Mitteilungen<br />

geben kann, die ein eklatanter Bruch der beruflichen


AnwBl 1/2000 51<br />

Mitteilungen l<br />

Verschwiegenheit wären. Auf der Grundlage einer Richtlinie,<br />

die Mitteilungen an die Behörden verlangt oder zulässt,<br />

würde der Anwaltsstand als Spion der Polizei betrachtet.<br />

Dann wäre die Gelegenheit, den Mandanten im vertraulichen<br />

Gespräch zu beeinflussen und zum Recht anzuhalten,<br />

verloren.<br />

Dieses Parlament muss eine Abwägung versuchen – zwischen<br />

der geringen Chance, die Verfolgung von Geldwäsche<br />

durch eine behördliche Heranziehung der Anwälte zu verbessern,<br />

und dem grossen Schaden, der einem Berufsstand<br />

droht, dessen Nutzen für die Gesellschaft davon abhängt,<br />

dass die berufliche Verschwiegenheit erhalten bleibt. Stellen<br />

Sie sich die öffentliche Wirkung vor, falls ein Rechtsanwalt,<br />

der eine ihm auferlegte Anzeigepflicht erfüllt hat, als Belastungszeuge<br />

gegen den eigenen Mandanten vor Gericht auftreten<br />

muss. Eine Mitteilungspflicht könnte in dem betroffenen<br />

Bereich die Berufsverschwiegenheit und damit das<br />

Zeugnisverweigerungsrecht aufheben – Rechtsanwälte wären<br />

an der Seite der Strafverfolgung angelangt.<br />

Ein solches Szenario wäre für den Berufsstand und die<br />

Bürgerrechte eine wahrhaftige Bedrohung – eine Herausforderung,<br />

gegen die sich die Anwaltschaft mit allen Anstrengungen<br />

bei den nationalen und internationalen Gerichten<br />

zur Wehr setzen muss. Die von mir eingangs erwähnten<br />

technischen Punkte dürfen daher nur als verzweifelter Versuch<br />

verstanden werden, das möglicherweise drohende<br />

Übel zu begrenzen, in keinem Fall aber als Zustimmung zu<br />

einer Lösung, die mit diesem Beruf unvereinbar ist. Die<br />

deutsche Anwaltschaft hält sich in ihren Gremien, über deren<br />

Einschätzung ich unterrichtet bin, für verantwortlich,<br />

den Berufsstand zu schützen und damit zugleich die Fähigkeit<br />

des Berufsstands zu bewahren, dem Recht zu dienen.<br />

Mitgeteilt vom Deutschen Anwaltverein<br />

Haftpflichtfragen<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Allianz Versicherungs-AG München<br />

Anwalt 2000<br />

Das Schlagwort „2000“ stand viele Jahre für Fortschrittlichkeit,<br />

hohen technischen Standard und überhaupt für das<br />

„bessere Konzept“. Nun ist das Jahr 2000 erreicht, und tatsächlich<br />

ist auch im Leben der Rechtsanwälte ein veränderter<br />

Standard zu erkennen. Über die Änderungen des Berufsbildes<br />

ist schon viel geäußert, auch geklagt worden – daß<br />

sich die Tätigkeit in vielerlei Hinsicht in der jüngeren Vergangenheit<br />

stark verändert hat und weiter verändern wird,<br />

steht jedoch fest. Auch haftungsrechtlich sind die Entwicklungen<br />

nicht ohne Konsequenzen geblieben.<br />

1. Sozietätshaftung<br />

Das seit langem anerkannte Prinzip der gesamtschuldnerischen<br />

Haftung aller in einer Sozietät zusammengeschlossenen<br />

Rechtsanwälte gilt auch heute noch unverändert. Gerade<br />

unlängst (mit Urt. v. 8.7.99, NJW 99, 3040) hat der<br />

BGH dies wieder deutlich gemacht und insbesondere die<br />

Voraussetzungen der Haftung von „Scheinsozien“, also auf<br />

dem Briefkopf erscheinender, aber nicht gesellschaftsrechtlich<br />

verbundener Rechtsanwälte erörtert, nach denen die Sozietätsvermutung<br />

nur sehr schwer widerlegbar ist.<br />

Haftungsrechtliche Auswirkungen haben die neuen Formen<br />

der Sozietät: War noch vor wenigen Jahren eine<br />

Rechtsanwaltssozietät immer als Gesellschaft bürgerlichen<br />

Rechts ausgestaltet, so sind nun die Partnerschaftsgesellschaft<br />

und die GmbH anerkannt. Bei der Partnerschaft ergeben<br />

sich haftungsrechtlich an sich kaum Besonderheiten, da<br />

grundsätzlich ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung<br />

vorgesehen ist (§ 8 Abs. 1 PartGG). Zu beachten ist hier<br />

derzeit aber noch das Problem der Postulationsfähigkeit:<br />

Vor dem BFH (z. B. BRAK-Mitt. 99, 152) wurde der Partnerschaft<br />

die Prozeßführungsbefugnis abgesprochen. Wie<br />

dies vor den Zivilgerichten ist, ist derzeit noch offen; eine<br />

ausdrückliche Bestimmung im Gesetz wird aber angestrebt.<br />

Bis eine ausdrückliche Regelung erfolgt ist, sollte aber aus<br />

Sicherheitsgründen immer (auch) ein zugelassener Rechtsanwalt<br />

im eigenen Namen handeln.<br />

Durch Einfügung der §§ 59 c ff. in die BRAO ist nun<br />

nach heftiger Diskussion die Rechtsanwalts-GmbH als zulässige<br />

Rechtsform anerkannt worden. Hier kann tatsächlich<br />

die persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter<br />

ausgeschlossen werden. Eine persönliche Haftung kommt<br />

nur für die Verantwortlichen wegen Nichteinhaltung der<br />

Pflicht zum Abschluß einer – sehr weitgehenden – Haftpflichtversicherung<br />

(§ 59 j Abs. 4 BRAO) in Betracht. Falls<br />

die Versicherung jedoch – z. B. wegen einer wissentlichen<br />

Pflichtverletzung des handelnden Sozius – keine Leistungen<br />

erbringt, entfällt die persönliche Haftung gleichwohl<br />

(vgl. z. B. Feuerich/Braun, BRAO § 59 Rdz. 6). Es verbleibt<br />

allenfalls eine deliktische Haftung des handelnden<br />

Rechtsanwaltes.<br />

Neu ist schließlich auch die Sozietät in Form einer<br />

„GbR mbH“. In einem aktuellen Urteil vom 27.9.99 (NJW<br />

99, 3483) macht der BGH in Abkehr von der bisherigen<br />

Rechtsprechung deutlich, daß eine Haftungsbegrenzung nur<br />

durch eine Individualvereinbarung erreicht werden kann.<br />

Eine einseitige Erklärung reicht auch bei Erkennbarkeit der<br />

eingeschränkten Vertretungsbefugnis nicht aus.<br />

2. Erweiterte Postulationsfähigkeit<br />

Neu ist seit 1.1.2000 die Postulationsfähigkeit aller in<br />

Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte bei allen Landgerichten<br />

(zumindest in „ihrer“ Hälfte Deutschlands – diese<br />

Problematik war bei Verfassen des Beitrags noch nicht ausgestanden,<br />

vgl. dazu z.B. die Beiträge in BRAK-Mitt. 99,<br />

199 ff). Bis Klarheit herrscht, ist daher jeder Rechtsanwalt<br />

gehalten, auf „Nummer sicher“ zu gehen und sich auf die<br />

Prozeßführung in der einen Hälfte Deutschlands zu beschränken.<br />

Die neue Freiheit birgt allerdings auch neue Haftungsrisiken,<br />

die sich daraus ergeben, daß man als ortsfremder<br />

Anwalt die Gepflogenheiten des jeweiligen Gerichts nicht<br />

kennt. Die Möglichkeiten der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“<br />

zwischen Gerichten und Anwaltschaft, einer der<br />

Rechtfertigungen für die einschränkende Wirkung des<br />

Lokalisationsprinzips, darf man nicht unterschätzen. Sie ist<br />

gerade zur Korrektur bereits gemachter Fehler sehr wichtig:<br />

Ein Richter wird beispielsweise eher geneigt sein, einen<br />

ihm aus zahlreichen Prozessen bekannten ortsansässigen<br />

Anwalt kurz anzurufen, um ihn auf noch korrigierbare<br />

Unstimmigkeiten hinzuweisen. Aber auch die Kenntnis der<br />

„örtlichen“ Rechtsprechung zu bestimmten Rechtsproblemen<br />

kann aus haftungsrechtlicher Sicht von entscheidender<br />

Bedeutung sein: Jedenfalls das Kammergericht hatte (MDR<br />

1993, 179) die Ansicht geäußert, der Anwalt hätte sich zu-


52<br />

l<br />

vor über die Rechtsprechung des LG Berlin in Mietsachen<br />

konkret informieren und seine Prozeßführung daran ausrichten<br />

müssen.<br />

3. Globalisierung und Spezialisierung<br />

Die Erwartungshaltung der Mandanten hat sich sicher<br />

auch in bezug auf das Fachwissen des beauftragten Anwalts<br />

geändert. Mandate kommen zu immer neuen Rechsgebieten,<br />

die sich aber jeweils auch rasant weiterentwickeln.<br />

Gefragt und im Vormarsch sind demzufolge die Großkanzleien,<br />

die die volle Bandbreite des Rechts bieten können<br />

und gleichzeitig für fast jedes Gebiet auch über Spezialisten<br />

verfügen. Der von einer solchen Kanzlei angebotene Service<br />

ist naturgemäß für viele Mandanten, gerade im wirtschaftsrechtlichen<br />

Bereich, attraktiver. Diese Entwicklung<br />

kann bedenklich sein im Hinblick auf den von der Rechtsprechung<br />

angelegten Sorgfaltsmaßstab des „durchschnittlichen“<br />

Rechtsanwalts. Eine kaum spezialisierte Allgemeinkanzlei<br />

kann den Standard von Großkanzleien naturgemäß<br />

nicht erreichen. Sollte die Rechtsprechung die Anforderungen<br />

z. B. bei der Rechtsprüfung, entsprechend höher<br />

schrauben, so besteht die Gefahr, daß viele Anwälte ihnen<br />

nicht mehr gerecht werden können.<br />

Ein großer Schritt ist getan worden in bezug auf die<br />

„Globalisierung“: Gerade wirtschaftsrechtlich ausgerichtete<br />

Rechtsanwälte können sich nicht mehr auf die Beratung zum<br />

deutschen Recht zurückziehen, sondern sind wegen der<br />

grenzüberschreitenden Tätigkeit ihres Mandanten gefordert,<br />

auch ausländisches, europäisches und internationales Recht<br />

anzuwenden. Der Anwalt muß also insbesondere sämtliche<br />

internationalen Abkommen kennen, die für den Fall einschlägig<br />

sind (OLG Koblenz, NJW 89, 2699) und richtig anwenden,<br />

was durchaus seine Tücken hat, da die Rechtsbegriffe<br />

dort vielfach eine andere Bedeutung haben können als im<br />

deutschen Recht. Ist kein internationales Abkommen einschlägig,<br />

muß der Rechtsanwalt die internationalprivatrechtliche<br />

Prüfung durchführen. Findet danach ausländisches<br />

Recht Anwendung, muß der Rechtsanwalt entscheiden, ob<br />

er sich selbst damit befaßt, oder einen ausländischen Kollegen<br />

beauftragt. Da den Rechtsanwälten bei Anwendung ausländischen<br />

Rechts dieselben Pflichten obliegen wie im deutschen,<br />

sollte sich jeder Anwalt an diesem Punkt ernsthaft<br />

fragen, ob er dazu wirklich in der Lage ist. In jedem Fall<br />

sollte geprüft werden, ob der Versicherungsschutz ausreicht.<br />

4. Anwalt und Technik<br />

Zum Thema „2000“ gehört schließlich auch und insbesondere<br />

der Einfluß der technischen Fortentwicklung auf<br />

die Arbeit der Rechtsanwälte. Ein Anwaltsbüro ohne PC<br />

und Fax ist heutzutage kaum noch denkbar, die Vorteile<br />

sind unbestreitbar. Aus haftungsrechtlicher Sicht sind die<br />

sich aus der Verwendung solcher Hilfsmittel ergebenden<br />

Pflichten zu beachten, die sich im einzelnen aus der bereits<br />

ergangenen Rechtsprechung, insbesondere zur Wiedereinsetzung,<br />

ergeben.<br />

Grundsätzlich ist inzwischen anerkannt, daß fristwahrende<br />

Schriftsätze per Fax an das Gericht übermittelt werden können<br />

(BGH NJW 1997, 250). Dem Anwalt werden dabei allerdings<br />

erhebliche Sorgfaltspflichten in bezug auf die tatsächliche<br />

Übermittlung auferlegt, z. B. Kontrolle der zutreffenden<br />

Faxnummer (BGH NJW 99, 583), der übermittelten Seitenzahl,<br />

eigenes Einschreiten bei Übermittlungsproblemen<br />

(BGH NJW-RR 98, 1361; vgl. ausführlich Laghzaoui/Wirges,<br />

AnwBl 99, 253). Die durch Faxübertragung „kopierte“<br />

Unterschrift reicht hier aus, anders als bei der Einhaltung des<br />

Schriftformerfordernisses bei Willenserklärungen und Verträgen:<br />

Dort ist nach bisheriger Auffassung (z. B. BGH NJW<br />

97, 3169) nur die „echte“ Unterschrift wirksam.<br />

Die neueste Entwicklung hat die Rechtsprechung hingegen<br />

noch nicht mitvollzogen: den Einsatz von Computerfax<br />

und Übermittlung per Internet. Die Rechtsprechung hat<br />

hier bislang noch Probleme mit der eingescannten Unterschrift<br />

(s. dazu Borgmann, AnwBl 99, 50). Über den Vorlagebeschluß<br />

des BGH vom 29.9.98 war bei Verfassen dieses<br />

Beitrages noch nicht entschieden. Die Rechtsprechung wird<br />

sich indes den neuen Möglichkeiten nicht verschließen können.<br />

War mit der Anerkennung der Faxunterschrift erst einmal<br />

eine „kopierte“ Unterschrift gültig, so ist nicht erkennbar,<br />

warum eine eingescannte Unterschrift anders zu bewerten<br />

wäre. Wie wären demgegenüber beispielsweise mit Hilfe<br />

eines Grafikprogrammes unterzeichnete Computerschriftsätze<br />

zu bewerten? Die technische Entwicklung<br />

hat die Rechtsprechung offenbar bereits überholt. Sofern,<br />

was zu erwarten ist, durch eine europäische Richtlinie oder<br />

auch durch eine deutsche Gesetzesänderung die Wahrung<br />

der Schriftform durch Computerschriftsätze anerkannt wird,<br />

wird sich die weitere Diskussion erübrigen. Die durch die<br />

Benutzung des Internet sich ergebenden Probleme mit der<br />

Vertraulichkeit des Schriftstücks (§ 43 a BRAO bzw. § 203<br />

Abs. 1 Nr. 3 StGB) werden hierdurch allerdings nicht gelöst.<br />

Buchhinweis<br />

AnwBl 1/2000<br />

Mitteilungen<br />

Wilhelm E. Feuerich, Anton Braun: Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />

Recht für Anwälte auf dem Gebiet der Europäischen Union,<br />

Kommentar; 4. Auflage 1999; Verlag Franz Vahlen GmbH<br />

München;1447 Seiten, 238,– DM<br />

Das bestens eingeführte und seit langem bewährte große Werk bedarf<br />

zum Zwecke seiner Verbreitung keiner erläuternden Worte.<br />

Seine Wertschätzung ist mit Recht allenthalben unbestritten. Mit<br />

Genugtuung und Freude ist hier nur zu vermerken, daß erstmals die<br />

jüngere Entwicklung des Berufsrechts in gewohnt ausgreifender,<br />

dichter und erschöpfender Kommentierung und Versammlung der<br />

Rechtsquellen dargeboten wird. Das gilt eben z.B. für die Berufsordnung<br />

und die Fachanwaltsordnung, erfaßt in geglückter Verknüpfung<br />

mit den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />

zu deren Konkretisierung sie aufrufen; für die genaue Nachzeichnung<br />

der Arbeit der Satzungsversammlung; für die Novellierung<br />

des Jahres 1998, welche die Errichtung der Rechtsanwalts-GmbH<br />

und die Neuerungen des Zulassungsverfahrens brachte. Schon dokumentiert<br />

ist die EU-Niederlassungsrichtlinie vom 16. Februar<br />

1998, deren Bedeutung für die künftige Berufsausübung kaum<br />

überschätzt werden kann. Jahrzehntelanger Vorbereitungen hat die<br />

Richtlinie bedurft. Die Bundesregierung hebt soeben zu einer hoffentlich<br />

nicht (wie früher) zu engherzigen Umsetzung in das nationale<br />

Recht an. Wohltuend und zeitsparend ist die Sammlung und<br />

Bündelung der Entwicklungslinien des anwaltlichen Werberechts<br />

sowie der modernen Instrumentarien anwaltlichen Wirkens. Unzählige,<br />

weiterführende, klärende, aber oft auch kuriose Fälle des Lebens<br />

aus Rechtsprechung und Literatur galt es in Reih’ und Glied<br />

zu bringen. Es bleibt so, wie es war: Wer sich mit anwaltlichem<br />

Berufsrecht befassen muß, nebenbei: das muß anders als früher<br />

heute jeder Anwalt und jede Anwältin, dem bleibt nichts anderes<br />

übrig, als mit Lust und Freude auch, und in vielen Fällen vornehmlich<br />

zum „Feuerich/Braun“ nicht nur zu greifen, sondern auch darin<br />

zu lesen.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln


AnwBl 1/2000 53<br />

7<br />

Berufsrecht<br />

FAO § 3; RAFachBezG § 7Abs. 2<br />

Eine dreijährige ununterbrochene Zulassung und Tätigkeit als<br />

Rechtsanwalt ist als Voraussetzung für die Verleihung der Bezeichnung<br />

„Fachanwalt für Verwaltungsrecht“ auch dann maßgeblich,<br />

wenn der Antragsteller über 30 Jahre alsVerwaltungsbeamter,<br />

davon 25 Jahre als städtischer Beigeordneter und<br />

Rechtsdezernent tätig war, aber erst zehn Wochen als Rechtsanwalt<br />

zugelassen ist. (LS der Red.)<br />

AnwGH NRW, Beschl. v. 2.10.1998 – 1 ZU 41/98 AGH Hamm<br />

Aus den Gründen: Der Antragsteller hat unter dem 2.4.1997<br />

bei der Antragsgegnerin beantragt, die Führung der Bezeichnung<br />

„Fachanwalt für Verwaltungsrecht“ zu gestatten.<br />

Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt erst zehn Wochen<br />

als Rechtsanwalt zugelassen. Der Antragsteller, der 1931 geboren<br />

ist, war in den Jahren von 1962 bis 1996 als Verwaltungsbeamter,<br />

davon in der Zeit von 1971 bis zu seiner Pensionierung im Jahre<br />

1996 als Beigeordneter tätig, und zwar in dieser Eigenschaft auch<br />

als Rechtsdezernent.<br />

Der Antragsteller weist darauf hin, daß er auf allen Gebieten<br />

des Verwaltungsrechtes in dieser Stellung tätig war und darüber<br />

hinaus auch in erheblichem Umfange Aufsätze und Urteilsanmerkungen<br />

geschrieben hat.<br />

Die Antragsgegnerin ist auf diese Frage offensichtlich nicht<br />

weiter eingegangen, obwohl der Antragsteller weder die Vorlage<br />

der erforderlichen Fälle, noch die Vorlage der Kursbescheinigung<br />

veranlaßt hatte. Offensichtlich ist die Antragsgegnerin der Auffassung,<br />

daß grundsätzlich die erforderlichen praktischen und theoretischen<br />

Kenntnisse für die Führung des Fachanwaltstitels bei dem<br />

Antragsteller vorliegen. Die Antragsgegnerin hat jedoch, worauf<br />

sie von vornherein hingewiesen hat, mit Bescheid v. 30.6.1998 den<br />

Antrag zurückgewiesen, da der Antragsteller die erforderliche Voraussetzung<br />

der ununterbrochenen dreijährigen Zulassung und Tätigkeit<br />

als Rechtsanwalt vor Antragserteilung nicht darlegen und<br />

nachweisen kann, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung erst<br />

zehn Wochen Anwalt war und auch zum Zeitpunkt des Ausspruchs<br />

der ablehnenden Entscheidung erst knapp 18 Monate.<br />

Nach Auffassung der Antragsgegnerin sind Ausnahmen vom<br />

Erfordernis der dreijährigen ununterbrochenen Zulassung und Tätigkeit<br />

als Rechtsanwalt vor Antragstellung nicht vorgesehen und<br />

daher auch nicht zulässig. Die Entscheidung ist dem Antragsteller<br />

am 2.7.1998 zugestellt worden. Mit Schriftsatz v. 7. 7.1998, eingegangen<br />

beim Anwaltsgerichtshof am 9.7.1998, hat der Antragsteller<br />

gerichtliche Entscheidung beantragt.<br />

Der Antrag ist form- und fristgerecht angebracht, er ist jedoch<br />

nicht begründet. Mit Recht hat die Antragsgegnerin unter Hinweis<br />

auf § 3 FAO den Antrag auf Gestaltung der Fachbezeichnung zurückgewiesen.<br />

Diese Entscheidung hat nichts mit der Frage der<br />

praktischen oder theoretischen Kenntnisse, die nachgewiesen werden<br />

müssen, zu tun. § 3 FAO bestimmt vielmehr, daß eine dreijährige<br />

ununterbrochene Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt<br />

Voraussetzung für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ist.<br />

Von dieser Vorschrift gibt es ersichtlich keine Ausnahmen. Die<br />

Satzungsversammlung hat die Bestimmung anders formuliert, als<br />

die alte Regelung des § 7 Abs. II des RAFachBezG, wonach der<br />

Bewerber in der Regel mindestens zwei Jahre als Rechtsanwalt<br />

tätig gewesen sein muß. Während die Formulierung des RAFach-<br />

BezG eine Zeit von nur zwei Jahren und auch eine Ausnahme<br />

durch die Formulierung „in der Regel“ zuließ, ist § 3 der Fachanwaltsordnung<br />

insoweit eindeutig.<br />

Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers beziehen sich<br />

die Ausführungen bei Hartung Holl, § 3, Rdnr. 11 u. 12 auch nur<br />

l<br />

auf die Fragen der Unterbrechung der vorherigen anwaltlichen Tätigkeit,<br />

nicht aber auf den Grundsatz.<br />

Die vorliegende Problematik, daß höhere Verwaltungsbeamte,<br />

Justitiare und sonstige auf den Sonderrechtsgebieten besonders tätige<br />

Personen, die in Ruhestand gehen oder den Beruf wechseln, auf<br />

ihrem Hauptgebiet Fachanwalt werden wollen, ist allen Beteiligten<br />

aus der Rechtsprechung der Vergangenheit bekannt gewesen. Wenn<br />

der Satzungsgesetzgeber in diesem Falle so eindeutig formuliert,<br />

hat diese Fristbestimmung auch ihren Sinn. Die Anwaltstätigkeit<br />

ist gegenüber allen anderen erhebliche Kenntnisse auf dem Fachgebiet<br />

verlangenden Tätigkeiten eben von der Arbeitsweise und der<br />

Aufgabe völlig anders. Wenn mit Billigung der Rechtsanwaltskammer<br />

daher ein Bewerber die Bezeichnung „Fachanwalt“ erhalten<br />

soll, ist auch eine längere nachgewiesene anwaltliche Tätigkeit erforderlich,<br />

wenn die Fachbezeichnung nicht letztlich in der Bevölkerung<br />

an Wert verlieren soll.<br />

Jedenfalls drückt diese Bestimmung des § 3 FAO ein legitimes<br />

Ziel aus, so daß die Antragsgegnerin mit Recht von dieser Bestimmung<br />

nicht abgewichen ist. Diese Bestimmung ist auch nicht unwirksam,<br />

weil die Fachanwaltsordnung insgesamt wegen Veröffentlichungsfehler<br />

unwirksam sei. Der Senat, der diese Frage<br />

bereits entschieden hat, ist der Auffassung, daß die Fachanwaltsordnung<br />

mit der Berufsordnung wirksam in Kraft getreten ist.<br />

Nach alledem bleibt dem Antrag der Erfolg zu versagen, wobei<br />

offenbleibt, ob und inwieweit die Antragsgegnerin die praktischen<br />

Kenntnisse und theoretischen Kenntnisse zu prüfen gehabt hätten,<br />

wenn die Zurückweisung nicht schon wegen § 3 der Fachanwaltsordnung<br />

notwendig gewesen wäre.<br />

Nach alledem war der Antrag zurückzuweisen.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 BRAO. Die Festsetzung<br />

des Geschäftswertes (Anm. der Red.: 25 000 DM) beruht auf<br />

der ständigen Rechtsprechung des Senates.<br />

StBerG § 57a; BOStB § 11 Abs. 1; UWG § 1<br />

Die drucktechnische Hervorhebung einer Werbeangabe in der<br />

Zeitungsanzeige einer Steuerberatungsgesellschaft durch eine<br />

6 x 1 cm breitflächige, grüne Unterlegung ist nicht berufs- und<br />

wettbewerbswidrig.<br />

OLG Dresden, Urt. v. 20.4.1999 – 14 U 3257/97<br />

Aus den Gründen: Die Berufung ist begründet. Die angegriffene<br />

Zeitungsanzeige kann nicht als berufswidrige, gegen § 1<br />

UWG verstoßende Werbung untersagt werden.<br />

1. Die berufsrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Werbeanzeige<br />

beurteilt sich nach §§ 57 Abs. 1, 57a StBerG. Nach § 57<br />

Abs. 1 StBerG haben Steuerberater ihren Beruf unter Verzicht auf<br />

berufswidrige Werbung auszuüben. Dieses Werbeverbot wurde mit<br />

Einfügung des § 57a StBerG durch das Sechste Gesetz zur Änderung<br />

des Steuerberatungsgesetzes vom 24.6.1994 (BGBl. I, 1387)<br />

gelockert. Danach ist die Werbung eines Steuerberaters erlaubt, soweit<br />

sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich<br />

unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall<br />

gerichtet ist. Ziel der Novellierung war es, die Werbebefugnis<br />

der freien rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe maßvoll<br />

zu erweitern, ohne dabei das Bild der klassischen freien<br />

Berufsausübung in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen (BT-Ds.<br />

12/6753, s. 17). Ein reklamehaftes Anpreisen oder Verwenden von<br />

Werbemethoden, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich<br />

sind, sollte jedoch nach wie vor ausgeschlossen bleiben (BGH,<br />

NJW 1998, 1965).<br />

Für die Beurteilung, ob ein Werbeverhalten diese vom Gesetz<br />

gezogenen Grenzen für eine berufswidrige Werbung überschreitet,<br />

ist auch die Auffassung des beteiligten Berufsstandes, die hier in<br />

der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer v. 2.6.1997<br />

(BOStB) ihren Niederschlag gefunden hat, zu berücksichtigen


54<br />

l<br />

(BGH, WRP 1999, 824, 826 – Steuerberaterwerbung auf Fachmessen).<br />

Zwar hat der Satzungsgeber der BOStB für Zeitungsanzeigen<br />

keine Vorgaben hinsichtlich Form, Farbe und/oder Größe sowie<br />

sonstiger Gestaltungsmittel gemacht. In Bezug auf die Aufmachung<br />

eines Inserats bestimmt § 11 Abs. 1 BOStB jedoch ähnlich<br />

wie früher Nr. 34 Abs. 4 der Standesrichtlinien, daß Anzeigen<br />

keine übertriebene, auffällige oder in sonstiger Weise reklamehafte<br />

Form haben dürfen.<br />

2. Auf dieser Grundlage ergibt sich, daß die angegriffene Werbeanzeige<br />

nach ihrer Form und Gestaltung nicht gegen das Sachlichkeitsgebot<br />

des § 57a StBerG verstößt. Ein Unterlassungsanspruch<br />

aus § 1 UWG steht dem Kl deshalb nicht zu.<br />

a) Die Grenze zu einer reklamehaften und damit berufswidrigen<br />

Gestaltung einer Werbeanzeige ist im Einzelfall danach zu bestimmen,<br />

ob die Anzeige nach ihrem Gesamteindruck vom Standpunkt<br />

der angesprochenen Verkehrskreise aus unlauter erscheint (BGH,<br />

WRP 1999, 824, 826 – Steuerberaterwerbung auf Fachmessen).<br />

Von Bedeutung ist insoweit nicht nur die Formulierung und Abfassung<br />

des Textes, sondern auch die Verwendung einer bestimmten<br />

Schrifttype, die grafische und farbliche Gestaltung und die Größe<br />

und Raumaufteilung der Werbefläche. All dies sind zulässige Mittel<br />

zum Ausdruck des eigenen Selbstverständnisses und der Identität<br />

des Werbenden (vgl. BVerfG, MDR 1997, 984, 985; OLG Dresden,<br />

WRP 1998, 317, 322 – Zeitungsanzeige). Ihre übertriebene<br />

Verwendung gehört zwar zu den vom Gesetzgeber für die Angehörigen<br />

der steuerberatenden Berufe mißbilligten Werbemethoden der<br />

gewerblichen Wirtschaft. So liegt der Fall hier jedoch nicht.<br />

b) Ohne Erfolg beanstandet der Kl, daß die Bekl die Angabe<br />

„Lohnsteuerberatung“ durch eine farbliche Unterlegung drucktechnisch<br />

hervorgehoben hat.<br />

Mit der Neuregelung des § 57a StBerG hat der Gesetzgeber beabsichtigt,<br />

eine Ausuferung der Werbemethoden im Sinne einer unsachlichen,<br />

über eine berufsbezogene Information hinausgehenden<br />

Beeinflussung zu verhindern, die mit dem klassischen Berufsbild der<br />

freien steuerberatenden Berufe nicht mehr vereinbar wäre (vgl. BT-<br />

DS. 12/6753). Zugleich sollten die Wettbewerbschancen der steuerberatenden<br />

Berufe – auch im internationalen Vergleich – verbessert<br />

und eine sachbezogene, dienstleistungsorientierte Unterrichtung der<br />

Bevölkerung über das vorhandene Angebot gewährleistet werden<br />

(aaO). Gemessen an diesem Gesetzeszweck verbieten §§ 57a<br />

StBerG, 11 Abs. 1 BOStB nicht jegliche Verwendung von werbewirksamen<br />

Ausdrucksformen. Eine zulässige Selbstdarstellung umfaßt<br />

auch den maßvollen Einsatz von Gestaltungsmitteln, die zu einer<br />

erkennbaren Abgrenzung des eigenen Angebots von denjenigen<br />

der Mitbewerber führt. Mit einer begrenzten farblichen und grafischen<br />

Gestaltung ist eine berufswidrige Reklamehaftigkeit nicht notwendig<br />

verbunden. Eine von individuellen Gestaltungsmerkmalen<br />

freie Darstellung zu fordern, widerspräche der vom Gesetzgeber beabsichtigten<br />

– maßvollen – Erweiterung der Wettbewerbschancen<br />

der Berufskammer-Angehörigen. Denn eine werbende Aussage über<br />

die eigenen Leistungen liefe Gefahr, ihren Zweck zu verfehlen,<br />

wenn die dabei zulässigen Ausdrucksformen derart reduziert wären,<br />

daß dem Verkehr im Wesentlichen gleichgestaltete Zeitungsanzeigen<br />

gegenüberträten. Dies würde es erschweren, Angeboten durch Beilegung<br />

eines individuellen Charakters Werbekraft zu verleihen, sie<br />

wiederzuerkennen und zu vergleichen.<br />

Zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschätzten Freiheit der Berufsausübung<br />

gehört auch die berufliche Außendarstellung einschließlich<br />

der Werbung für die Inanspruchnahme der angebotenen<br />

Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248, 256). Die Schwere eines Eingriffs<br />

in diesen grundrechtlichen Schutzbereich ist bei der Annahme einer<br />

der Form nach unzulässigen – nämlich eindeutig reklamehaften<br />

und damit unsachlichen – Werbung zu berücksichtigen. Ihrer Form<br />

nach unsachlich ist die Werbung eines Angehörigen der steuerberatenden<br />

Berufe – vergleichbar der anwaltlichen Werbung nach<br />

§ 43b BRAO (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 1282) – im Falle eines<br />

marktschreierischen Werbungsstils, der jedoch bei einer zweifarbigen<br />

Gestaltung wie hier nicht zum Tragen kommt.<br />

Die angegriffene Anzeige weist neben dem grünen Logo mit<br />

der klarstellenden Firmenbezeichnung der Bekl lediglich eine<br />

grüne Linie am Kopfende der Werbeanzeige und die vom Kl vorrangig<br />

beanstandete grüne Unterlegung der Angabe „Lohnsteuerbe-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

ratung“ auf. Diese zurückhaltende farbliche Unterlegung dient nur<br />

dazu, das Angebot einer besonderen Dienstleistung zu unterstreichen.<br />

Eine weitergehende Werbewirkung kommt dieser Hervorhebung<br />

nicht zu. Der angesprochene Verkehr entnimmt der grünen<br />

Unterlegung des Schlagsworts „Lohnsteuerberatung“ entgegen der<br />

Auffassung des Kl auch keinen Bezug zur redaktionellen Berichterstattung<br />

auf der gleichen Seite, die mit einer Überschrift in<br />

gleichem Grün versehen ist. Die erforderliche Trennung vom redaktionellen<br />

Teil ergibt sich bereits aus der Einrahmung der Werbeanzeige<br />

und ist auf den ersten Blick erkennbar. Durch die gleiche<br />

Farbgebung wirkt die farbliche Unterlegung darüber hinaus eher<br />

zurückhaltend.<br />

Diese verwendeten Ausdrucksmittel erscheinen nicht derart<br />

übertrieben und aufdringlich, daß ihre Untersagung gerechtfertigt<br />

ist. Das Verbot berufswidriger Werbung dient dem Zweck, eine<br />

Verfälschung des jeweiligen Berufsbildes durch Verwendung kommerzieller<br />

Werbemethoden zu verhindern (vgl. BVerfGE 85, 248,<br />

260) Dies liegt im Interesse einer wirksamen Steuerrechtspflege<br />

als einem wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl. BVerfG, NJW-RR<br />

1996, 439, 440). Das Ziel einer geordneten Steuerrechtspflege und<br />

der Erhaltung des mit den Werbemethoden der gewerblichen Wirtschaft<br />

nicht zu vereinbarenden Berufsbildes des Steuerberaters erfordert<br />

und gebietet jedoch keine Einschränkung der Verwendung<br />

solcher Ausdrucksmittel, die zwar mehr als unbedingt nötig, aber<br />

nicht übertrieben oder reklamehaft auf das Dienstleistungsangebot<br />

der Bekl aufmerksam machen.<br />

c) Auch die weiteren Gestaltungsmerkmale der beanstandeten<br />

Werbeanzeige führen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht<br />

dazu, daß die Anzeige als eine mit dem Berufsbild des Steuerberaters<br />

nicht zu vereinbarende Reklame einzuordnen wäre.<br />

Zwar werden durch Groß- und Fettdruck u. a. die Anschrift der<br />

Bekl und deren Sprechzeiten hervorgehoben. Auch das Logo am<br />

rechten Rand der Anzeige weist eine grafische Gestaltung auf. Der<br />

übrige Text ist jedoch kleingedruckt, übersichtlich angeordnet und<br />

nicht auffällig gestaltet. Die mit der Hervorhebung durch die farbliche<br />

Unterlegung, den Groß- und Fettdruck und das Logo verbundene<br />

Werbewirkung geht nicht über das Maß hinaus, welches ein<br />

Steuerberater zur Selbstdarstellung und Information über sein berufliches<br />

Dienstleistungsangebot einsetzen darf. Sie ist weder aufdringlich,<br />

noch erscheint sie dem inzwischen auch an anlaßunabhängige,<br />

zurückhaltende Werbehinweise von Angehörigen der<br />

freien Berufe gewöhnten Betrachter als besonders außergewöhnlich<br />

(vgl. OLG Dresden, WRP 1998, 317, 322 – Zeitungsanzeige).<br />

Die Bekl hat aus der Vielzahl von Werbe- und Ausdrucksformen<br />

nur solche Darstellungsmittel gewählt, die zwar durchaus zur<br />

optischen Hervorhebung geeignet sind, sich aber im Rahmen der<br />

den Betrachtern insgesamt begegnenden Werbehinweise als maßvoll<br />

und zurückhaltend erweisen und nicht als besonders auffällig<br />

angesehen werden können. Eine besondere Art der Gestaltung,<br />

durch die eine über den sachlichen Inhalt des Textes hinausgehende<br />

Werbebotschaft vermittelt wird, weist die Anzeige nicht auf<br />

(vgl. OLG Nürnberg, MDR 1998, 684). Auch eine besonders aufwendige<br />

Gestaltung der Anzeige ist nicht ersichtlich, so daß durch<br />

diese Werbung der Wettbewerb um Mandate nicht mit den Mitteln<br />

des Kapitaleinsatzes für Reklame ausgetragen wird (vgl. OLG<br />

Nürnberg, Urt. v. 17.3.1998 – 3 U 3571/97).<br />

Die von der Bekl gewählte Gestaltungsform steht mit dem Berufsbild<br />

der kammerangehörigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten<br />

in Einklang, zumal die Anzeige selbst mit den Maßen<br />

von 20 cm x 9 cm hinsichtlich ihrer Größe keinen Bedenken unterliegt<br />

(vgl. OLG Dresden, WRP 1998, 317 – Zeitungsanzeige). Die<br />

vorhandenen Freiflächen legen zwar nahe, daß der Text der Anzeige<br />

ohne weiteres auch auf kleinerem Raum hätte untergebracht<br />

werden können. § 11 BOStB erlaubt den Angehörigen der steuerberatenden<br />

Berufe jedoch, auch ohne besonderen Anlaß und ohne<br />

Beschränkung auf die notwendigen Angaben in Anzeigen über ihre<br />

berufliche Tätigkeit sachlich zu unterrichten. Eine Eingrenzung der<br />

beanspruchten Fläche auf den unbedingt benötigten Raum ist deshalb<br />

in Abkehr von den früheren Standesrichtlinien nicht mehr erforderlich.<br />

Mitgeteilt von den Mitgliedern des 14. Zivilsenats des<br />

OLG Dresden


AnwBl 1/2000 55<br />

Rechtsprechung l<br />

ZPO § 233<br />

Ein Rechtsanwalt ist zwar nicht verpflichtet, die Vollständigkeit<br />

der in einem fristwahrenden Schriftsatz angegebenen Anschrift<br />

des Gerichts zu prüfen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische<br />

Maßnahmen sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter die<br />

für ein Gericht bestimmten Sendungen vollständig adressieren.<br />

BGH, Urt. v. 15.10.1999 – V ZR 50/99<br />

Aus den Gründen: ... II. Es kann dahingestellt bleiben, ob der<br />

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig gestellt<br />

wurde, insbesondere ob der Prozessbevollmächtigte der Kl,<br />

bei der Unterzeichnung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist<br />

verpflichtet war, die Einhaltung der Berufungsfrist<br />

zu prüfen (offen gelassen BGH, Beschl. v. 22.1.1997,<br />

XII ZB 195/96, NJW-RR 1997, 759, 760). Einer Entscheidung im<br />

Sinne der Kl steht jedenfalls entgegen, dass auf der Grundlage ihres<br />

Vorbringens nicht auszuschließen ist, dass ihr Prozessbevollmächtigter<br />

schuldhaft eine zurechenbare Ursache für die Verspätung<br />

der Auslieferung der nach ihrer Darstellung am 15.4.1998 zur<br />

Post gegebenen Berufungsschrift gesetzt hat, so dass die Verzögerung<br />

nicht mehr unverschuldet ist (BverfGE 50, 1, 4; BVerfG NJW<br />

1992, 38; BGHZ 105, 116, 118). Denn bei der angegebenen Anschrift<br />

des OLG fehlte die Postleitzahl. Damit musste die Sendung<br />

aus der automatischen Sortierung ausgesondert und dem Ermittlungsdienst<br />

der Post zur Vervollständigung der Anschrift zugeleitet<br />

werden. Die Technik der Postsortierung hat insoweit in den letzten<br />

Jahren einen grundlegenden Wandel erfahren.<br />

Auch wenn die Einschaltung des Ermittlungsdienstes bei Sendungen<br />

innerhalb Düsseldorfs regelmäßig nicht zu einer Verzögerung<br />

der Zustellung um mehr als zwei Tage führen mag, bestand<br />

für ein Vertrauen hierauf zumindest am 15.4.1998 keine hinreichende<br />

Grundlage. Es gibt weder eine allgemeine Aussage der<br />

Post zur Dauer der Arbeit Ihrer Ermittlungsdienste, noch konnte<br />

am 15.4. mit einer Nachbearbeitung der unvollständig adressierten<br />

Sendung gerechnet werden, auf Grund deren die Zustellung bis<br />

zum Ablauf der Berufungsfrist am 20.4., einem Montag, zu erwarten<br />

war. Um eine Zustellung bis zu diesem Tage zu ermöglichen,<br />

musste die Vervollständigung der Anschrift am Donnerstag, dem<br />

16.4., oder Freitag, dem 17.4.1998, erfolgen. Schon das war nicht<br />

gewährleistet. Bei der Woche vom 12. bis 19.4.1998 handelte es<br />

sich überdies um die Woche nach Ostern. Diese Woche wird häufig<br />

für Urlaub genutzt, was erfahrungsgemäß zu Verzögerungen führt.<br />

Der Prozessbevollmächtigte der Kl war bei der Unterzeichnung<br />

der Berufungsschrift zwar nicht verpflichtet, die Vollständigkeit<br />

der in dieser angegebenen Anschrift des OLG zu prüfen (BGH,<br />

Beschl. v. 2.5.1990, XII ZIB 17/90, BGHR ZPO § 233, Büropersonal<br />

3; v. 23.3.1995, VII ZB 19/94, BGHR ZPO § 233, Telekopie 1),<br />

er hatte jedoch durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass<br />

fristwahrende Schriftsätze von den Mitarbeitern seines Büros vollständig<br />

adressiert werden (BGH, Beschl. v. 10.3.1993, VIII ZB<br />

1/93, VersR 1994, 75; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 233<br />

Rdnr. 79). Hierzu hat die Kl nichts vorgebracht. Die Tatsache, dass<br />

auch die Berufungsbegründung vom 24.6.1998 in derselben Weise<br />

wie die Berufungsschrift unvollständig adressiert ist, rechtfertigt<br />

vielmehr die Annahme, dass organisatorische Vorkehrungen fehlen,<br />

die Versäumnissen bei der Adressierung von für das OLG bestimmten<br />

Schriftsätzen zuverlässig entgegen wirken.<br />

Gebührenrecht<br />

BRAGO § 15 Abs. 1<br />

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß § 15 Abs. 1<br />

BRAGO dann nicht anzuwenden ist, wenn das Betragsverfahren<br />

nach dem Berufungsverfahren über das Grundurteil weitergeführt<br />

wird (Bestätigung des Beschl.v. 22.10.1993 – 11W 2422/93 –,<br />

Rpfleger 1994, 272 = JurBüro 1994, 543 = OLGR 1994, 95).<br />

OLG München, Beschl. v. 17.9.1998 – 11 W 2282/98<br />

Aus den Gründen: I. Die Parteien streiten über die Frage, ob<br />

bei der Bestätigung eines Grundurteils durch die Rechtsmittel-<br />

instanzen wegen des in der ersten Instanz verbliebenen Betragsverfahrens<br />

§ 15 BRAGO anzuwenden ist mit der Folge, daß die<br />

anwaltlichen Verhandlungs- und Beweisgebühren sowie die Auslagenpauschale<br />

nach § 26 BRAGO erneut anfallen. ...<br />

II. Die form- und fristgerechte Erinnerung der Kl, die nach<br />

Nichtabhilfe und Vorlage an das OLG als zulässige sofortige Beschwerde<br />

zu behandeln ist (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 und 2<br />

RPflG), hat keinen Erfolg.<br />

Der Senat bleibt nach Überprüfung bei seiner im Beschl. v.<br />

22.10.1993 niedergelegten Rechtsansicht, daß das an ein Grundurteil<br />

und das hierauf bezogene Berufungsverfahren anschließende<br />

Betragsverfahren nicht als neuer Rechtszug i. S. v. § 15 Abs. 1<br />

BRAGO zu werten ist (Senat, OLGR 1994, 95 = Rpfleger 1994,<br />

272 = JurBüro 1994, 543).<br />

1. Der Rechtsauffassung des Senats steht § 538 Abs. 1 Nr. 3<br />

ZPO nicht entgegen. Bei richtiger Auslegung bedeutet die Vorschrift<br />

nur, daß eine Sache, die auch beim Berufungsgericht anhängig<br />

geworden ist, zurückzuverweisen ist. Bereits die vereinigten<br />

Senate des Reichsgerichts (RGZ 70, 179, 183) haben ausgesprochen,<br />

daß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO den hier gegebenen Fall nicht<br />

betrifft, weil der Streit über den Betrag von vornherein in der ersten<br />

Instanz anhängig geblieben ist. Die Vorschrift solle insbesondere<br />

den Fall erfassen, daß, wenn bei einem nach Grund und Betrag<br />

streitigen Anspruch die Klage in erster Instanz abgewiesen<br />

worden ist, das Berufungsgericht bei Bejahung des Grundes nicht<br />

nach § 537 ZPO genötigt ist, auch über den Betrag zu entscheiden.<br />

Der BGH hat sich der Meinung des Reichsgerichts angeschlossen<br />

(BGHZ 27, 15, 27).<br />

In diesem Zusammenhang ist das Argument, das Berufungsgericht<br />

könne auch das Betragsverfahren an sich ziehen, wenn es<br />

inzwischen entscheidungsreif oder leicht entscheidungsreif zu<br />

machen sei, unbehelflich. Denn in diesem zulässigen Fall wird die<br />

Sache nach dem Willen des Berufungsgerichts nachträglich auch<br />

bezüglich des Betragsverfahren bei ihm rechtshängig. Dann wird<br />

das vorher in der ersten Instanz anhängig gewesene Verfahren<br />

durch eine Entscheidung des Berufungsgerichts erledigt, so daß<br />

schon deswegen keine weiteren Gebühren in der ersten Instanz anfallen<br />

können.<br />

2. Gegen die Anwendung des § 15 Abs. 1 BRAGO spricht, daß<br />

nach § 304 Abs. 2 Hs. 2 ZPO in erster Instanz über den Betrag<br />

trotz des Rechtsmittelverfahrens über den Grund weiterverhandelt<br />

werden und die Sache durch Endurteil abgeschlossen werden kann<br />

(vgl. RGZ aaO). Theoretisch wäre damit denkbar, daß über den Betrag<br />

in erster Instanz bis zur Entscheidungsreife verhandelt ist und<br />

danach das angefochtene Grundurteil, das den Anspruch zugesprochen<br />

hatte, rechtskräftig wird. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ereignis<br />

nicht dazu führen könnte, daß die Prozeßbevollmächtigten<br />

ihre Gebühren nur wegen der inzwischen eingetretenen Rechtskraft<br />

des Berufungsurteils noch einmal verdienen würden.<br />

3. Eine Anwendung des § 15 Abs. 1 BRAGO auf den vorliegenden<br />

Fall aus Billigkeitsüberlegungen ist nicht geboten. Daß für<br />

die Prozeßbevollmächtigten nach Bestätigung des Grundurteils für<br />

die Bearbeitung des in erster Instanz anhängig gebliebenen Betragsverfahrens<br />

im Hinblick auf die Begründung des bestätigenden<br />

Urteils wegen geänderter Verfahrensbasis regelmäßig ein erheblicher<br />

zusätzlicher Arbeitsaufwand entstehen würde, ist eine durch<br />

nichts belegte Behauptung. In vielen Fällen wird das Gegenteil der<br />

Fall sein. Im übrigen ist eine solche Veränderung der Verfahrensbasis<br />

in jedem Prozeß zu jedem Zeitpunkt möglich, weil das<br />

Gericht jederzeit seine Rechtsansicht ändern und entsprechende<br />

aufklärende Hinweise geben kann oder weil eine neue geänderte<br />

höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten ist.<br />

4. Die – wie der Senat nicht verkennt – wohl herrschende<br />

Gegenauffassung übersieht, daß § 15 Abs. 1 BRAGO dem Umstand<br />

Rechnung trägt, daß der Rechtszug und damit der konkrete<br />

Auftrag erledigt ist, soweit die erste Instanz über den Klageanspruch<br />

entschieden hat. Ein neuer Rechtszug durch Zurückverweisung<br />

wird daher insoweit eröffnet, als über Streitgegenstände<br />

nochmals zu entscheiden ist, über die bereits mit Urteil entschieden<br />

war. Nach Bestätigung des Grundurteils ist aber nur das noch anhängige<br />

Verfahren, dessentwegen der Rechtszug eben nicht beendet<br />

war, fortzusetzen.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Rönnebeck, München


56<br />

l<br />

BRAGO § 99<br />

Es wird nur in der Regel geboten sein, sich der Einschätzung<br />

des Vorsitzenden bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem<br />

Verfahren um ein „besonders schwieriges“ i. S.v. § 99 BRA-<br />

GO gehandelt hat, anzuschließen; ist die Einschätzung des Vorsitzenden<br />

nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, kommt ein<br />

Anschluß nicht in Betracht.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.1998 – 2 (s) Sbd. 5 – 245/98<br />

Aus den Gründen: Dem Antragsteller war gem. § 99 Abs. 1<br />

BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einem „besonders<br />

umfangreichen“ Verfahren tätig geworden ist. Zur Begründung<br />

wird, insbesondere auch wegen der von dem Antragsteller für<br />

den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten, zur Vermeidung<br />

von Wiederholungen auf die Stellungnahme des Leiters<br />

des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm v.<br />

16.11.1998 Bezug genommen. Diese ist dem Antragsteller bekannt.<br />

Der Senat ist allerdings nicht der Auffassung, daß das Verfahren<br />

auch „besonders schwierig“ i. S. v. § 99 Abs. 1 BRAGO war.<br />

Zwar hat der Vorsitzende des Schwurgerichts in seiner Stellungnahme<br />

angegeben, daß das Verfahren besonders Schwierigkeiten in<br />

rechtlicher Hinsicht geboten habe. Dieser Einschätzung hat der<br />

Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung nicht<br />

widersprochen. Er hat sich dabei auf die ständige Rechtsprechung<br />

des Senats bezogen, wonach es wegen der besonderen Sachnähe<br />

des Gerichtsvorsitzenden in der Regel geboten sein wird, sich dieser<br />

Einschätzung anzuschließen (vgl. Senatsbeschluß in 2 (s) Sbd.<br />

5 – 245/98 v. 15.1.1998 in AnwBl 1998, 416 = Anwaltsgebühren-<br />

Spezial 1998, 104 = ZAP EN-Nr. 609/98). Dazu ist folgendes anzumerken:<br />

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, weist aber darauf<br />

hin, daß es, wie er auch schon in seinem Beschl. v. 15.1.1998 ausgeführt<br />

hat, nur in der Regel geboten sein wird, sich der Einschätzung<br />

des Vorsitzenden anzuschließen. Ist diese aufgrund der Aktenlage<br />

nicht nachvollziehbar, kommt ein Anschluß nicht in<br />

Betracht. Davon ist vorliegend auszugehen. Die Überprüfung des<br />

Verfahrensstoffs hat für den Senat keine Anhaltspunkte ergeben,<br />

die eine Beurteilung des Verfahrens als „besonders schwierig“ als<br />

angebracht erscheinen ließen. Es handelt sich um ein „normales“<br />

Totschlagsverfahren, in dem der ehemalige Angeklagte von Anfang<br />

an geständig war. Auch die ihm zusätzlich noch vorgeworfenen<br />

Verstöße gegen das WaffenG rechtfertigen eine Beurteilung als<br />

„besonders schwierig“ nicht. Der Gerichtsvorsitzende hat zudem<br />

mit keinem Wort begründet, warum das Verfahren rechtlich besonders<br />

schwierig war. Bei der vom Senat somit vorgenommenen Einordnung<br />

des Verfahrens als „normales“ Schwurgerichtsverfahren<br />

ist, worauf auch noch einmal hinzuweisen und was vom Vertreter<br />

der Staatskasse auch nicht verkannt worden ist, zudem von besonderem<br />

Belang gewesen, daß der Gesetzgeber dem in der Regel höheren<br />

Schwierigkeitsgrad (und größerem Umfang) von<br />

Schwurgerichtssachen bereits durch erheblich höhere gesetzliche<br />

Gebühren gegenüber sonstigen Strafsachen, die vor einer großen<br />

Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat. Ließe<br />

man das unberücksichtigt, wäre jedes vor dem Schwurgericht verhandelte<br />

Verfahren „besonders schwierig“ mit der Folge, daß in allen<br />

Schwurgerichtsverfahren eine Pauschvergütung nach § 99<br />

BRAGO zu gewähren wäre. Das entspricht jedoch nicht dem Sinn<br />

und Zweck der Pauschvergütung.<br />

Nach allem war dem Antragsteller somit nur wegen des „besonderen<br />

Umfangs“ des Verfahrens eine Pauschvergütung nach § 99<br />

Abs. 1 BRAGO zu bewilligen. Bei deren Bemessung hat der Senat<br />

alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Danach erschien eine<br />

Pauschvergütung von 4100 DM, was einer Gebühr von etwa<br />

700 DM unter der Mittelgebühr eines Wahlverteidigers entspricht,<br />

angemessen, aber auch ausreichend. Der Senat hat bei der Bemessung<br />

dieser Pauschvergütung die auch für ein Verfahren vor dem<br />

Schwurgericht schon überdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine,<br />

die durchschnittlich sieben Stunden gedauert haben,<br />

wie insbesondere auch die Tätigkeit des Antragstellers im Revisionsverfahren<br />

berücksichtigt. Der Senat hat diese jedoch nur als<br />

durchschnittlich angesehen. Die Frage, ob die Tätigkeit im Revisionsverfahren<br />

schon, wie der Leiter des Dezernats 10 meint, überdurchschnittlich<br />

war, konnte dahinstehen. Denn selbst wenn das der<br />

Fall wäre, wäre unter Berücksichtigung der sonstigen Tätigkeiten<br />

des Antragstellers eine höhere Pauschvergütung nicht zu gewähren<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

gewesen. Das gilt auch, soweit der Antragsteller vorgetragen hat,<br />

er habe den ehemaligen Angeklagten mehrfach in der Justizvollzugsanstalt<br />

besucht. Diesem unsubstantiierten Vortrag läßt sich<br />

nämlich, worauf der Leiter des Dezernats 10 in seiner dem Antragsteller<br />

bekannten Stellungnahme zutreffend hinweist, nicht entnehmen,<br />

wieviel Besuche und wielange unternommen worden sind.<br />

Damit kann der Senat nicht beurteilen, ob der Antragsteller insoweit<br />

mehr an Tätigkeiten für den ehemaligen Angeklagten erbracht<br />

hat, als in Verfahren, in denen der Angeklagte inhaftiert ist, üblich<br />

ist (vgl. dazu Beschl. des Senats v. 15.5.1998 – 2 (s) Sbd. 5-98/98,<br />

in NStZ-RR 1998, 254 = StraFo 1998, 321, 356 = Anwaltsgebühren-Spezial<br />

1998, 140). Nur diese Tätigkeiten können aber bei der<br />

Bemessung der Pauschvergütung erhöhend berücksichtigt werden.<br />

Zu Gunsten des Antragstellers hat der Senat aber die Teilnahme<br />

des Antragstellers an einem Haftprüfungstermin, an dem der Antragsteller<br />

noch neben mehrfachen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt<br />

teilgenommen hat, als pauschvergütungserhöhend einbezogen.<br />

Nach allem erschien damit die gewährte Pauschvergütung von<br />

4100 DM ausreichend und angemessen.<br />

Der weitergehende, bei weitem übersetzte Antrag des Antragstellers,<br />

der eine Pauschvergütung etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr<br />

beantragt hat, war demgemäß abzulehnen. Eine<br />

Pauschvergütung in dieser Höhe kommt nach ständiger Rechtsprechung<br />

des Senats nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller<br />

durch die Tätigkeit im Verfahren über einen längeren Zeitraum<br />

ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen<br />

worden wäre (vgl. u. a. zuletzt Senat in JurBüro 1997, 84). Das ist<br />

hier aber indes nicht der Fall.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg<br />

BRAGO §§ 99, 97<br />

Der besondere Umfang einer Strafsache mit 1450 Blättern und<br />

besonderer Beanspruchung des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren<br />

rechtfertigt keine höhere Pauschvergütung<br />

als die Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren auf 1200 DM.<br />

(LS der Redaktion)<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.1.1999 – ARs 1256/98<br />

Aus den Gründen: Mit zutreffender Begründung, die der ständigen<br />

Rechtsprechung des Senats entspricht, hat der Bezirksrevisor<br />

bei dem OLG Nürnberg in seiner Stellungnahme vom 5.11.1998<br />

ausgeführt, daß wegen des besonderen Umfanges der Strafsache<br />

mit 1450 Blätter bis zur Einstellung vom 6.11.1997 und der besonderen<br />

Beanspruchung des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren<br />

eine Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren auf 1200<br />

DM angemessen und vertretbar erscheint und im übrigen keine<br />

Kriterien vorliegen, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten<br />

des Einzelfalls eine höhere Pauschvergütung rechtfertigen könnten.<br />

Diese Bewertung gibt weder in tatsächlicher noch in rechtlicher<br />

Hinsicht Anlaß zur Beanstandung und wird auch nicht durch die<br />

Gegenäußerung des Pflichtverteidigers, die in akribischer Form<br />

den Schriftwechsel mit dem Verurteilten auflistet, entkräftet.<br />

Insoweit weist der Senat darauf hin, daß die Gebühren des<br />

Pflichtverteidigers in erster Linie nicht nach dem tatsächlich geleisteten<br />

Aufwand, sondern nach dem System der Wert- und Rahmengebühren<br />

berechnet werden. Die Pauschvergütung muß auch nicht<br />

kostendeckend sein; sie soll nur das dem Pflichtverteidiger auferlegte<br />

Opfer mildern.<br />

Insgesamt war eine Pauschvergütung von 1200 DM zu bewilligen<br />

und im übrigen der Antrag zurückzuweisen.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ulrich Bias, Ausbach<br />

BRAGO § 128 Abs. 4, § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 613<br />

Dem Entstehen einer Beweisgebühr auch zur Folgesache elterlicher<br />

Sorge steht nicht entgegen, daß es an einer förmlichen Anordnung<br />

fehlt und das Protokoll auch die Durchführung der Anhörung<br />

nicht eindeutig erweist. (LS der Red.)<br />

KG, Beschl. v. 1.7.1999 – 19 WF 2978/99


AnwBl 1/2000 57<br />

Rechtsprechung l<br />

Aus den Gründen: Die gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige<br />

Beschwerde ist begründet.<br />

Der Beschwerdeführer macht mit seiner Beschwerde mit Erfolg<br />

geltend, daß sich die Beweisgebühr gem. §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 3,<br />

123 BRAGO nach einem Gebührenstreitwert von 6.500 DM bestimmt.<br />

In der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung des § 613<br />

Abs. 1 S. 2 ZPO ist bestimmt, daß das Gericht die Ehegatten auch<br />

zur elterlichen Sorge anzuhören hat, wenn gemeinschaftliche Kinder<br />

vorhanden sind. Die persönliche Anhörung gem. § 613 ZPO ist<br />

keine Maßnahme der Beweisaufnahme und ist mit einer solchen<br />

auch nicht vergleichbar. Sie bezweckt vielmehr neben der Aufklärung<br />

des Sachverhaltes auch die Sicherstellung, daß über höchstpersönliche<br />

Angelegenheiten wie hier die Regelung der elterlichen<br />

Sorge nicht entschieden wird, ohne daß sich die Parteien persönlich<br />

geäußert haben. Es ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 613<br />

Abs. 1 S. 2 ZPO noch dem des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ein Anhaltspunkt<br />

dafür, daß die Auslösung einer Beweisgebühr auf die<br />

Anhörung der Parteien zum Vorliegen zu den Scheidungsvoraussetzungen<br />

beschränkt sein soll.<br />

Dem Entstehen einer Beweisgebühr auch zur Folgesache elterliche<br />

Sorge steht nicht entgegen, daß es an einer förmlichen Anordnung<br />

fehlt und das Protokoll auch die Durchführung der Anhörung<br />

nicht eindeutig erweist. Die Anhörung nach § 613 ZPO<br />

bedarf um die Beweisgebühr auszulösen, keiner ausdrücklichen<br />

förmlichen Anordnung (siehe KG; JurBüro 1986, 1530 f.; Zöller/<br />

Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 613 Rdnr. 10 mit weiteren Nachweisen),<br />

wenngleich eine solche Anordnung zur Vermeidung von Zweifeln<br />

auch zweckmäßig ist. Der Feststellung, daß eine Anhörung auch<br />

zur elterlichen Sorge nach § 613 ZPO stattgefunden hat, steht auch<br />

nicht § 165 ZPO entgegen, wonach die Beachtung der für die<br />

mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur<br />

durch das Protokoll bewiesen werden kann. Der Begriff der Förmlichkeit<br />

ist eng auszulegen. Auch wenn man annähme, daß die Anhörung<br />

einer Partei nach § 613 ZPO wie die Aussagen im Falle einer<br />

Parteivernehmung nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO im Protokoll<br />

festzustellen sei, hätte der Verstoß gegen die Protokollierungspflicht<br />

nicht zur Folge, daß die Durchführung der Anhörung zur elterlichen<br />

Sorge nicht auf andere Weise festgestellt werden könnte.<br />

Denn zu den Förmlichkeiten im Sinne des § 165 ZPO gehören die<br />

Fälle des § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht (siehe Zöller/Stöber, ZPO,<br />

21. Aufl., § 165 Rdnr. 2). Entscheidend ist mithin allein, ob tatsächlich<br />

eine Anhörung nach § 613 ZPO stattgefunden hat. Dies<br />

ergibt sich aber eindeutig aus dem Tatbestand und Entscheidungsgründen<br />

des am 5.10.1995 verkündeten Urteils des AG Tempelhof-<br />

Kreuzberg. Dort ist ausdrücklich erwähnt, daß eine Anhörung der<br />

Mutter zur elterlichen Sorge erfolgt ist.<br />

Dem Beschwerdeführer ist daher antragsgemäß eine Beweisgebühr<br />

in Höhe von 375 DM nebst anteiliger Umsatzsteuer zu erstatten.<br />

Die Landeskasse hat dem Beschwerdeführer den insgesamt<br />

begehrten Betrag von 1.351,40 DM zu erstatten.<br />

Die Nebenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.<br />

BRAGO § 132 Abs. 3, § 24<br />

Die Erledigungsgebühr nach § 152 Abs. 3 BRAGO fällt schon<br />

dann an, wenn ein von dem Rechtsanwalt eingelegter Widerspruch<br />

zur Erledigung führt; besondere Bemühungen um die<br />

Erledigung sind nicht erforderlich. (LS des Einsenders)<br />

LG Aachen, Beschl. v. 16.9.1998 – 3 T 192/98<br />

Aus den Gründen: Die gem. §§ 133, 128 Abs. 4 BRAGO statthafte<br />

und auch im übrigen zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors<br />

hat in der Sache selbst keinen Erfolg.<br />

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. steht dem Beteiligten<br />

zu 1. die vom ihm geltend gemachte Erledigungsgebühr<br />

gem. § 132 Abs. 3 BRAGO zu. Nach dieser Vorschrift erhält der<br />

Rechtsanwalt eine gesonderte Gebühr in Höhe von 135,00 DM,<br />

wenn seine nach § 132 Abs. 2 Satz 1 BRAGO vergütete Tätigkeit<br />

zu einer Erledigung der Rechtssache i. S. v. § 24 BRAGO geführt<br />

hat. Diese Voraussetzungen für die Entstehung der Erledigungsgebühr<br />

liegen hier vor. Der Beteiligte zu 1. hat hinreichend schlüssig<br />

dargelegt und glaubhaft gemacht, daß seine Tätigkeit nach § 132<br />

Abs. 1 Satz 1 BRAGO zu einer Erledigung der Sache geführt hat.<br />

Der Beteiligte zu 1. hat durch Vorlage von Urkunden (Bl. 3 ff.<br />

d. A.) hinreichend glaubhaft gemacht, daß er gegen den Bescheid<br />

des Sozialamtes der Stadt Aachen vom betreffend die Sozialhilfeleistungen<br />

für Frau mit Schriftsatz vom 7.7.1997 Widerspruch eingelegt<br />

hat und das dem Widerspruch durch Bescheid des Sozialamtes<br />

vom 17.7.1997 abgeholfen worden ist. Die Erledigung der<br />

Rechtssache ist mit der Abhilfeentscheidung eingetreten. Mit der<br />

Einlegung des Widerspruchs hat der Beteiligte zu 1. eine Tätigkeit<br />

nach § 132 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ausgeführt.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. etwa<br />

Beschl. v. 30.11.1992 – 3 T 281/92 –; Beschl. v. 8.12.1997 – 3 T<br />

363/97 –) reicht es aus, wenn diese Tätigkeit zu einer Erledigung<br />

der Rechtssache geführt hat. An dieser Rechtsauffassung hält die<br />

Kammer nach erneuter Überprüfung im vorliegenden Verfahren<br />

fest.<br />

Die Frage, ob für den Anfall der Gebühr des § 132 Abs. 3<br />

BRAGO jede Tätigkeit nach § 132 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, also<br />

jede der in § 118 BRAGO bezeichneten Tätigkeiten und damit<br />

auch die bloße Einlegung und Begründung eines Widerspruchs im<br />

Verwaltungsverfahren, ausreicht, oder ob neben Einlegung und Begründung<br />

des Widerspruchs ein zusätzliches, auf die außergerichtliche<br />

Erledigung des Rechtsstreits gerichtetes Tätigwerden des<br />

Rechtsanwaltes, ein besonderes Einwirken des Rechtsanwaltes auf<br />

die Verwaltungsbehörde, erforderlich ist, wird in Rechtsprechung<br />

und Literatur unterschiedlich gesehen (vgl. einerseits Klinge, <strong>Anwaltsblatt</strong><br />

1981, 166, 167; Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe<br />

und Beratungshilfe, Fußnote 32 zu Rdnr. 1000; andererseits LG<br />

Frankfurt, JurBüro 1986, 886; LG Koblenz, JurBüro 1996, 378;<br />

Schoreit/Dehn, Beratungshilfe und Prozeßkostenhilfe, 5. Aufl.,<br />

§ 132 BRAGO Rdnr. 45; Göttlich/Mümmler, Bundesgebührenordnung<br />

für Rechtsanwälte, 19. Aufl., Beratungshilfe Anm. 6.12c).<br />

Der klare Wortlaut des § 132 Abs. 3 BRAGO spricht für die von<br />

der Kammer vertretene Auffassung. Danach muß „die Tätigkeit<br />

des Rechtsanwaltes nach Absatz 2 Satz 1“ zu einem Vergleich oder<br />

einer Erledigung der Rechtssache führen. Da Absatz 2 Satz 1 auf<br />

„die in § 118 BRAGO bezeichneten Tätigkeiten“ verweist, ist jede<br />

der dort bezeichneten Tätigkeiten für den Gebührenanfall ausreichend,<br />

wenn diese nur für die Erledigung der Rechtssache ursächlich<br />

war („führt“). Darüber, daß die Einlegung und Begründung<br />

eines Widerspruchs eine Tätigkeit i. S. v. § 118 BRAGO ist,<br />

herrscht kein Streit. Weitergehende Anforderungen für das Anfallen<br />

der Gebühr ergeben sich auch nicht daraus, daß der Gesetzgeber<br />

in § 132 Abs. 3 BRAGO nach den Worten „Vergleich oder Erledigung<br />

der Rechtssache“ den Klammerzusatz „§§ 23, 24“<br />

aufgenommen hat. Nach richtiger Auffassung werden durch diesen<br />

Klammerzusatz die §§ 23, 24 BRAGO nicht in vollem Umfang für<br />

anwendbar erklärt. Vielmehr wird dadurch lediglich für die Begriffe<br />

„Vergleich“ und „Erledigung“ auf die genannten Vorschriften<br />

verwiesen, nicht jedoch zugleich auf die übrigen Voraussetzungen<br />

für die Erfüllung des Gebührentatbestandes. Diese Voraussetzungen<br />

ergeben sich vielmehr unmittelbar aus § 132 Abs. 3 BRAGO<br />

(so zu Recht auch Schoreit/Dehn, Beratungshilfe und Prozeßkostenhilfe,<br />

5. Aufl., § 132 BRAGO Rdnr. 31; vgl. ferner Kalthoener/<br />

Büttner, Beratungshilfe und Prozeßkostenhilfe, Rdnr. 998; Lindemann/Trenk-Hinterberger,<br />

Beratungshilfegesetz, § 10 Rdnr. 20). Im<br />

Hinblick darauf kann hier auch dahinstehen, welche Tätigkeiten<br />

für einen Anfall der Gebühr nach § 24 BRAGO erforderlich sind<br />

(vgl. dazu BVerwG, JurBüro 1986, 215, welches auf den in § 24<br />

BRAGO, nicht aber in § 132 Abs. 3 BRAGO enthaltenen Begriff<br />

der „Mitwirkung“ abstellt).<br />

Nach dem Inhalt der Akte steht für die Kammer schließlich<br />

außer Frage, daß die Einlegung des Widerspruchs durch den Beteiligten<br />

zu 1. ursächlich für den Abhilfebescheid des Sozialamtes<br />

vom 17.7.1997 war. Ausreichend ist bereits eine Mitursächlichkeit<br />

(vgl. Schoreit/Dehn, Beratungshilfe und Prozeßkostenhilfe, 5. Aufl.,<br />

§ 132 BRAGO Rdnr. 48; Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl.,<br />

§ 132 BRAGO Rdnr. 18). Zumindest diese ist hier gegeben. Zwar<br />

spricht – worauf der Oberbürgermeister der Stadt Aachen in seinem<br />

Schreiben vom 29.1.1998 (Bl. 20 d. A.) hinweist – keine rechtliche<br />

Vermutung für die Ursächlichkeit der Tätigkeit des Rechtsanwalts.<br />

Jedoch ist die Ursächlichkeit tatsächlich zu vermuten, wenn der<br />

Rechtsanwalt – wie hier – mit dem Ziel der Abänderung des Verwaltungsaktes<br />

tätig geworden ist und wenn die Verwaltungsbehörde<br />

daraufhin den Verwaltungsakt aufhebt oder abändert. Im vorliegen-


58<br />

l<br />

den Fall ist durch den Inhalt des vorgelegten Bescheides des<br />

Sozialamtes vom 17.7.1997 die Ursächlichkeit zudem belegt.<br />

Mitgeteilt von Richter am LG Dr. Volker Voormann, Köln<br />

Beratungshilfe<br />

BeratHG § 4 Abs. 1 S. 1; BRAGO § 133 S. 3<br />

Wechselt der Rechtsuchende nach der Inanspruchnahme von<br />

Beratungshilfe seinen Wohnsitz, so ist bei der Bestimmung der<br />

örtlichen Zuständigkeit des AG auf den Wohnsitz des Antragstellers<br />

bei Auftreten des Bedürfnisses der Beratungshilfe abzustellen.<br />

(LS der Redaktion)<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.1998 – 15 Sbd. 32/98<br />

Aus den Gründen: Die Beteiligten zu 1) haben in dem Zeitraum<br />

ab August bis September 1997 die Beratungshilfe der Beteiligten<br />

zu 2) in Anspruch genommen mit dem Ziel, von der Gemeinde H,<br />

ihrem damaligen Wohnsitz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz<br />

zu erhalten. Die Beteiligten zu 1) sind zeitlich nachfolgend<br />

nach B umgezogen. Sie haben nunmehr bei dem AG B mit<br />

Datum vom 17.9.1998 die nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe<br />

beantragt. Gleichzeitig haben die Beteiligten zu 2) die<br />

Festsetzung einer Vergütung für ihre Tätigkeit gem. § 132 BRAGO<br />

beantragt.<br />

Das AG B, das sich’ für örtlich unzuständig hält, hat die Sache<br />

an das AG D abgegeben. Das AG D hat mit Verfügung vom<br />

16.10.1998 die Übernahme der Sache abgelehnt, weil es das AG B<br />

für örtlich zuständig hält. Die Rpflegerin des AG B hat nunmehr<br />

mit Beschl. v. 29.10.1998 die Sache dem Senat zur Bestimmung<br />

des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.<br />

Der Senat ist nach den §§ 5 Beratungshilfegesetz, 5 Abs. 1 S. 1<br />

FGG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen.<br />

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor, weil zwischen<br />

den beteiligten AG B und D Streit darüber besteht, welches der<br />

beiden Gerichte zur Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche<br />

Bewilligung von Beratungshilfe sowie den Vergütungsfestsetzungantrag<br />

örtlich zuständig ist.<br />

In der Sache hat der Senat das AG D als örtlich zuständiges<br />

Gericht bestimmt.<br />

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Beratungshilfegesetz entscheidet über den<br />

Antrag auf Beratungshilfe dasjenige AG, in dessen Bezirk der<br />

Rechtssuchende seinen allgemeinen Gerichtsstand, also seinen<br />

Wohnsitz (§§ 13 ZPO, 7 BGB), hat. Dieselbe Zuständigkeit gilt<br />

nach § 133 S. 3 BRAGO für die Entscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag<br />

der Beteiligten zu 2). Der Wortlaut der<br />

gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 Beratungshilfegesetz<br />

regelt nicht ausdrücklich, wie zu verfahren ist, wenn der Rechtsuchende<br />

nach der Inanspruchnahme von Beratungshilfe seinen<br />

Wohnsitz gewechselt hat. Der Senat hat bereits durch Beschl. v.<br />

10.1.1995 (Rpfleger 1995, 365) entschieden, daß bei der Bestimmung<br />

der örtlichen Zuständigkeit auf den Wohnsitz des Antragstellers<br />

bei Auftreten des Bedürfnisses der Beratungshilfe abzustellen<br />

ist. Allerdings hat das BayObLG zeitlich später durch Beschl. v.<br />

16.2.1995 (JurBüro 1995, 366 = Rpfleger 1996, 93 L S) den gegenteiligen<br />

Standpunkt eingenommen und die örtliche Zuständigkeit<br />

ausschließlich nach dem Wohnsitz des Antragstellers zum Zeitpunkt<br />

des Eingangs des Antrags bei Gericht abgestellt (ebenso<br />

Schoreit/Dehm, Beratungshilfegesetz, 6. Auflage, § 4 Rdnr. 2; wie<br />

hier Geißinger <strong>Anwaltsblatt</strong> 1996, 609).<br />

Der Senat hält nach erneuter Überprüfung an seiner bisherigen<br />

Rechtsprechung fest. Richtig ist zwar, daß die Zuständigkeitsregelung<br />

in § 4 Abs. 1 S. 1 Beratungshilfegesetz im Gegensatz zu der<br />

Sonderregelung in § 4 Abs. 1 S. 2 Beratungshilfegesetz nicht ausdrücklich<br />

auf den Zeitpunkt abstellt, in dem das Bedürfnis für die<br />

Beratungshilfe auftritt. Der Senat ist indessen weiterhin der<br />

Ansicht, daß die vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Neufassung<br />

des § 133 S. 3 BRAGO durch Artikel 7 des Kostenrechtsänderungsgesetz<br />

1994 vom 24.6.1994 (BGBl. I Seite 1325) beabsichtigte<br />

Zuständigkeitskonzentration am Wohnsitzgericht des<br />

Rechtsuchenden dafür spricht, maßgebend auf den Zeitpunkt abzu-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

stellen, in dem das Bedürfnis für die Beratungshilfe auftritt. Diese<br />

gilt insbesondere unter dem auch vom BayObLG hervorgehobenen<br />

Gesichtspunkt, einem Mißbrauch der Inanspruchnahme von Beratungshilfe<br />

entgegenzutreten. Nach § 7 Beratungshilfegesetz hat der<br />

Rechtsuchende zu versichern, daß ihm in derselben Angelegenheit<br />

Beratungshilfe bisher weder gewährt noch durch „das“ AG versagt<br />

worden ist. Die sachliche Nachprüfung der Richtigkeit dieser Erklärung<br />

wäre erschwert, wenn es der Antragsteller in der Hand<br />

hätte, nach Inanspruchnahme der Beratungshilfe durch einen<br />

Wohnsitzwechsel die örtliche Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts<br />

zu begründen.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Birgit Hanke, Bielefeld<br />

BRAGO § 132; BerHG § 1<br />

Die Bewilligung von Beratungshilfe für die „Beratung wegen<br />

Unterhalt – elterlicher Sorge“ erfaßt auch die Beratung über<br />

die Aussichten eines Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe,<br />

erstreckt sich jedoch nicht auf die Vertretung im Bewilligungsverfahren.<br />

OLG München, Beschl. v. 17.2.1998 – 11 WF 1093/97<br />

Aus den Gründen: Nach der überwiegenden Auffassung kann<br />

für das Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahren grundsätzlich<br />

keine Prozeßkostenhilfe gewährt werden (vgl. BGH JurBüro 1994,<br />

1349 = AnwBl. 1985, 216 = NJW 1984, 2106; Gerold/Schmidt/<br />

Madert, 13. Aufl., Rdnr. 5 vor § 131). Streitig ist, ob für die Einleitung<br />

eines solchen Verfahrens oder für die weitere Vertretung in<br />

diesem Verfahren Beratungshilfe gewährt werden kann. Der BGH<br />

(aaO) hat hierzu ausgeführt, daß die Interessen des Antragstellers<br />

hinreichend dadurch gewahrt sind, daß er sich im Rahmen der Beratungshilfe<br />

über die Aussichten eines Antrags auf Bewilligung<br />

von Prozeßkostenhilfe beraten lassen, diesen jedoch selbst stellen<br />

kann. Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, daß dem Antragsteller<br />

Beratungshilfe für die Vertretung im Bewilligungsverfahren<br />

gewährt werden müsse, damit der anwaltliche Vertreter auch dieses<br />

Verfahren steuern könne (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, aaO;<br />

Schoreit-Dehn, 5. Aufl., Rdnr. 13; Lindemann/Trenk-Hinterberger,<br />

Rdnr. 11 je zu § 1 BerHG; AG Arnsberg JurBüro 1991, 803).<br />

Dieser Meinung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen.<br />

Nach § 1 BerHG beschränkt sich die Beratungshilfe auf die<br />

Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.<br />

Das Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahren (§ 118 ZPO)<br />

ist ein gerichtliches Verfahren in diesem Sinne (Mümmler JurBüro<br />

1990, 1419; Hansens JurBüro 1986, 1610; AG Arnsberg 1991,<br />

803). Allerdings steht die Anhängigkeit eines Verfahrens der Beratungshilfe<br />

nicht entgegen, wenn der Rechtsanwalt nur außergerichtlich<br />

tätig wird, beispielsweise über die Aussichten einer Rechtsverteidigung<br />

gegen die Klage berät (vgl. Gerold/Schmidt-Madert,<br />

aaO; OLG Frankfurt JurBüro 1990, 1610). Keineswegs kann jedoch<br />

von einer Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens<br />

i. S. v. § 1 BerHG gesprochen werden, wenn der Anwalt seine Partei<br />

im Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahren vertritt, insbesondere<br />

den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe stellt. Zu<br />

Unrecht beruft sich die Gegenmeinung (vgl. AG Arnsberg JurBüro<br />

1991, 803) auf die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BerHG, wonach die<br />

Beratungshilfe in Beratung und soweit erforderlich in Vertretung<br />

besteht. Im Hinblick auf § 1 BerHG kann es sich hier nur um eine<br />

außergerichtliche Vertretung handeln.<br />

Sowohl die Stellung des Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe<br />

vom 14.10.1996 als auch die Zurücknahme dieses<br />

Antrags vom 31.10.1996 sind damit durch die bewilligte Beratungshilfe<br />

für „Unterhalt – elterliche Sorge“ nicht gedeckt. Allerdings<br />

kann davon ausgegangen werden, daß die Anwälte der<br />

Antragstellerin diese vorher über die Aussichten eines Antrags auf<br />

Prozeßkostenhilfe im Zusammenhang mit der Beratung über die<br />

Durchsetzung des Sorgerechts beraten haben. Insoweit handelt es<br />

sich jedoch zusammen mit der Beratung und Vertretung hinsichtlich<br />

der Unterhaltsansprüche um dieselbe Angelegenheit.<br />

Wie der Senat bereits entschieden (vgl. JurBüro 1988, 593 =<br />

MDR 1988, 330), betreffen die Beratung über eine beabsichtigte<br />

Ehescheidung und ihre Auswirkungen (z. B. elterliche Sorge; Ver-


AnwBl 1/2000 59<br />

Rechtsprechung l<br />

sorgungsausgleich; Unterhalt; Vermögensauseinandersetzung) sowie<br />

die außergerichtliche Vertretung in dieser Sache dieselbe Angelegenheit,<br />

so daß die Gebühren des Rechtsanwalts für die Beratungshilfe<br />

nur einmal entstehen. In den Gründen dieser<br />

Entscheidung hat der Senat auch ausgesprochen, daß dasselbe auch<br />

bezüglich einer Beratung über die Regelung des durch eine bereits<br />

erfolgte Trennung der Ehegatten entstandenen Zustandes gilt (Hdb.<br />

FamRZ Müller-Rabe, 15. Kapitel, Rdnr. 101 S. 1068). Es handelt<br />

sich damit um dieselbe Angelegenheit, soweit anläßlich einer Trennung<br />

der Ehegatten der Rechtsanwalt eine Partei über die daraus<br />

entstehenden Ansprüche berät oder wegen dieser Ansprüche mit<br />

dem Antragsgegner oder dessen Bevollmächtigten korrespondiert.<br />

Damit ist für die Tätigkeit der Rechtsanwälte Dr. Sch. und E. im<br />

Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahren eine Gebühr nach § 132<br />

Abs. 2 BRAGO nicht festsetzbar.<br />

Mitgeteilt von dem 11. Zivilsenat des OLG München<br />

Prozesskostenhilfe<br />

ZPO §§ 114, 127<br />

Prozeßkostenhilfe für die Vorinstanz kann das Beschwerdegericht<br />

der bedürftigen Partei grundsätzlich nicht (mehr) gewähren,<br />

wenn und soweit sie in der Hauptsache – jedenfalls zwischenzeitlich<br />

– rechtskräftig unterlegen ist.<br />

OLG Dresden, Beschl. v. 22.4.1999 – 8 W 288/99<br />

Aus den Gründen: I. Das LG hat der unter anderem gegen die<br />

Beschwerdeführerin erhobenen Zahlungsklage stattgegeben und<br />

ihrem Prozeßkostenhilfegesuch wegen fehlender Erfolgsaussicht<br />

nicht entsprochen. Urteil und – drei Tage vor dessen Verkündung<br />

begründungsgleich gefaßter – Versagungsbeschluß wurden ihr am<br />

26.1.1999 zugestellt. Während die Beschwerdeführerin ihre Verurteilung<br />

hingenommen hat, erstrebt sie mit der Beschwerde die<br />

rückwirkende Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die erste Instanz.<br />

Sie meint, der vom Gläubiger in Anspruch genommene Bürge<br />

habe Anspruch darauf, seinen Fall anhand der gewandelten<br />

höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Bürgschaftsrecht überprüfen<br />

zu lassen. Zudem habe sich das LG nicht hinreichend mit ihrem<br />

tatsächlichen Vorbringen auseinandergesetzt.<br />

Die Beschwerde muß schon deswegen erfolglos bleiben, weil<br />

die Hauptsacheentscheidung, die Verurteilung der Beschwerdeführerin,<br />

mittlerweile unanfechtbar geworden ist. Nach einhelliger<br />

Ansicht, der der Senat beitritt, kann das Beschwerdegericht der bedürftigen<br />

Partei keine Prozeßkostenhilfe für die Vorinstanz gewähren,<br />

wenn und soweit sie in der Hauptsache – jedenfalls zwischenzeitlich<br />

– rechtskräftig unterlegen ist (OLG Frankfurt, MDR 1998,<br />

494; OLG Köln, NJW-RR 1998, 511; JurBüro 1996, 254 und MDR<br />

1994, 950 f.; OLG Bamberg, JurBüro 1996, 254 f; OLG Düsseldorf,<br />

JurBüro 1994, 176; OLG München, OLGR München 1994,<br />

46; Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 119 Rdnr. 47 m. w. N.). ...<br />

Mitgeteilt von Richter am AG Bokern, Dresden<br />

§§ 114, 254 ZPO<br />

1. Werden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche im<br />

Wege der Stufenklage geltend gemacht, bezieht sich die vorbehaltslose<br />

Prozeßkostenbewilligung auf sämtliche Stufen.<br />

2. Dennoch besteht für die Staatskasse nicht die Gefahr, für die<br />

Kosten überhöhter Zahlungsanträge aufkommen zu müssen. Die<br />

Prozeßkostenhilfe ist auf den Antrag beschränkt, der sich aus<br />

der Auskunft ergibt. Sofern der Kl mehr fordert, als die Auskunft<br />

ergibt, erstreckt sich die Prozeßkostenhilfe nicht auf die<br />

Mehrforderung.<br />

3. Das Gericht kann sich in der ersten Entscheidung über die<br />

Prozeßkostenhilfe vorbehalten, nach Bezifferung des Klageantrags<br />

erneut über die Prozeßkostenhilfe zu entscheiden. Auch<br />

wenn ein solcher Vorbehalt fehlt, kann das Gericht nach der Bezifferung<br />

durch Beschluß klarstellen, wie weit der neue Antrag<br />

von der Prozeßkostenhilfebewilligung gedeckt ist. Dem Kl ist die<br />

Möglichkeit einzuräumen, Klarstellung zu schaffen, in dem er<br />

für den bezifferten Antrag erneut Prozeßkostenhilfe beantragt.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.4.1999 – 7 W 29/99<br />

Aus den Gründen: Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.<br />

Das LG hat mit zutreffender Begründung der Kl Prozeßkostenhilfe<br />

lediglich für eine Gesamtforderung von 22.621,30 DM bewilligt.<br />

... Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.<br />

Dem Kl ist zunächst durch Beschluß der Kammer vom<br />

1.1.1998 für die von ihm eingereichte Klage ohne sachliche Einschränkung<br />

Prozeßkostenhilfe bewilligt werden. Da der Kl Pflichtteils-<br />

und Pflichtteilsergänzungsansprüche im Wege der Stufenklage<br />

geltend machte, bezog sich die Prozeßkostenhilfebewilligung<br />

zutreffend auf sämtliche Stufen (vgl. auch OLG Karlsruhe, FamRZ<br />

1984, 501; OLG Koblenz, FamRZ 1985, 953; OLG Frankfurt,<br />

FamRZ 1991, 1458; OLG München, FamRZ 1993, 340 und 1184;<br />

OLG Hamm, FamRZ 1994, 312; OLG Köln, NJW RR 1995, 707;<br />

OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 417; 87, 1281). Bei der Bewilligung<br />

stand der Wert des letzten Antrages der Stufenklage – unbezifferter<br />

Leistungsantrag – noch nicht endgültig fest. Damit der<br />

beigeordnete Anwalt seinen Gebührenvorschußanspruch geltend<br />

machen konnte, hat das LG zutreffend mit der Bewilligung den<br />

Streitwert für die gesamte Stufenklage vorläufig festgesetzt. Dabei<br />

ist der unbezifferte Leistungsantrag zunächst mit 126.680,45 DM<br />

bewertet worden. Dennoch bestand für die Staatskasse nicht die<br />

Gefahr, für die Kosten überhöhter Zahlungsanträge aufkommen zu<br />

müssen. Die Prozeßkostenhilfe ist nämlich auf den Antrag beschränkt,<br />

der sich aus der Auskunft ergibt (vgl. OLG Karlsruhe,<br />

FamRZ 1984, 501 und FamRZ 1995, 1504; OLG Koblenz, FamRZ<br />

1985, 953; OLG Köln, NJW RR 1995, 707; Zöller-Philippi, 20.<br />

Aufl., § 114 ZPO Rdnr. 37; Münchner Kommentar-Wachs, § 114<br />

ZPO Rdnr. 13). Soweit der Kl mehr fordert, als die Auskunft ergibt,<br />

erstreckt die Prozeßkostenhilfe sich nicht auf die Mehrforderung.<br />

Das Gericht kann sich in der ersten Prozeßkostenhilfebewilligung<br />

vorbehalten, nach Bezifferung des Klageantrags erneut über<br />

die Prozeßkostenhilfe zu entscheiden. Auch wenn – wie hier – ein<br />

solcher Vorbehalt fehlt, kann das Gericht nach der Bezifferung<br />

durch Beschluß klarstellen, wie weit der neue Antrag von der<br />

Prozeßkostenhilfebewilligung gedeckt ist (vgl; OLG Hamm,<br />

FamRZ 1994, 312; OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 1504). Vorliegend<br />

ist weder ein Vorbehalt gemacht worden noch ist eine Klarstellung<br />

durch die Kammer erfolgt, daß es den bezifferten Leistungsantrag<br />

nur zum Teil für berechtigt erachtet. Dem Kl ist aber<br />

die Möglichkeit einzuräumen, hier Klarstellung zu schaffen, in<br />

dem er – wie hier – für den bezifferten Antrag erneut Prozeßkostenhilfe<br />

beantragt (vgl. hierzu OLG Frankfurt, FamRZ 1991,<br />

1458; OLG München, FamRZ 1993, 340 und 1184; vgl. auch OLG<br />

Karlsruhe, FamRZ 1984, 501 sowie OLG Koblenz, FamRZ 1985,<br />

953). Diesem Antrag hat das LG mit zutreffender Begründung nur<br />

für eine geltend gemachte Gesamtforderung von 22.621,30 DM<br />

entsprochen.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG H. C. Ibold, Düsseldorf<br />

ZPO §§ 114 ff., § 270 Abs. 3<br />

Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter gleichzeitiger<br />

Einreichung eines Entwurfs der Klageschrift und vollständiger<br />

Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse des Antragstellers wahrt rückwirkend eine tarifliche<br />

Ausschlußfrist, die die gerichtliche Geltendmachung eines<br />

Anspruchs verlangt, sofern unverzüglich nach positiver oder<br />

negativer rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf<br />

Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die Klage zugestellt wird.<br />

LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.3.1999 - 16a Ta 119/99<br />

Aus den Gründen: B. ... 2. Die Zahlungsansprüche des Antragstellers<br />

für September und Oktober 1998 sind noch nicht verfallen.<br />

Mit seinem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat er<br />

(vorläufig) auch die Ausschlußfrist des § 54 Zf. 2 RTV gewahrt.<br />

Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG, § 270 Abs. 3 ZPO.


60<br />

l<br />

§ 54 Zf. 2 RTV bestimmt: Lehnt die Gegenpartei den schriftlich<br />

geltend gemachten Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb<br />

von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs,<br />

so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei<br />

Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend<br />

gemacht wird. ...<br />

Der Antragsteller hat seine Zahlungsansprüche für September<br />

und Oktober 1998 gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben<br />

vom 9.11.1998 geltend gemacht. Dieses Schreiben kann frühestens<br />

am 10.11.1998 zugegangen sein. Die zweite Stufe der tariflichen<br />

Ausschlußfrist begann somit frühestens am 25.11.1998 zu laufen<br />

und lief frühestens am Montag, dem 25.1.1999, ab. Mit seinem bereits<br />

am 20.1.1999 beim ArbG eingegangenen Antrag auf Bewilligung<br />

von Prozeßkostenhilfe hat der Antragsteller diese Frist (vorläufig)<br />

gewahrt.<br />

a) Der Antragsteller hat im Schriftsatz vom 18.1.1999 erklärt,<br />

die Klage solle erst nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erhoben<br />

werden. Er hat damit eindeutig klargestellt, daß er den Klagantrag<br />

nur unter der Bedingung stellen wolle, daß ihm Prozeßkostenhilfe<br />

bewilligt werde und er zunächst lediglich eine Entscheidung<br />

über das Prozeßkostenhilfegesuch begehre. Die<br />

Zahlungsansprüche, für deren Durchsetzung der Antragsteller Bewilligung<br />

von Prozeßkostenhilfe begehrt, sind deshalb durch die<br />

Einreichung des Schrittsatzes vom 18.1.1999 am 20.1.1999 und<br />

dessen formlose Übersendung an die Antragsgegnerin zur Stellungnahme<br />

nicht rechtshängig geworden (vgl. OLG Dresden,<br />

19.9.1997, 6 W 1000/97, MDR 1998, S. 181 ; Zöller-Philippi,<br />

ZPO, 21. Aufl., 1999, § 117, Rdnr. 7 . m. w. N.).<br />

b) Die Stellung des Prozeßkostenhilfeantrags am 20.1.1999<br />

unter gleichzeitiger Einreichung der Klageschrift und vollständiger<br />

Prozeßkostenhilfeunterlagen wahrt jedoch rückwirkend die zweite<br />

Stufe der tariflichen Ausschlußfrist, sofern unverzüglich nach positiver<br />

oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe<br />

die Klage zugestellt wird. Dies ergibt sich aus einer<br />

verfassungskonformen Auslegung des § 270 Abs. 3 ZPO.<br />

aa) Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO tritt die fristwahrende Wirkung<br />

der Zustellung der Klage bereits mit der Einreichung des Antrags<br />

ein, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Vorschrift soll<br />

denjenigen begünstigen, der darauf angewiesen ist, sich der Mitwirkung<br />

der Gerichte zu bedienen, um bestimmte Fristen zu wahren<br />

(BAG, 4.11.1969, 1 AZR 141/69, AP Nr. 3 zu § 496 ZPO<br />

). Sie findet daher nicht nur bei gesetzlichen Fristen,<br />

sondern bei sämtlichen Fristen, die die gerichtliche Geltendmachung<br />

eines Anspruchs verlangen, Anwendung (vgl. Münch-<br />

Komm-Lüke, ZPO, 3. Aufl., 1992, § 270, Rdnr. 21 f.), also auch<br />

bei tariflichen Ausschlußfristen, die zur Fristwahrung die gerichtliche<br />

Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis<br />

verlangen. Lediglich bei tariflichen Ausschlußfristen, die zur Fristwahrung<br />

die mündliche oder schriftliche Geltendmachung ausreichen<br />

lassen, gilt § 270 Abs. 3 ZPO nicht (BAG, AP Nr. 3 zu § 496<br />

ZPO; BAG, 18.1.1974, 3 AZR 3/73, AP Nr. 4 zu § 345 ZPO ; BAG, 8.3.1976, 5 AZR 361/75, AP Nr. 4 zu § 496 ZPO<br />

).<br />

bb) Eine Zustellung erfolgt i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO „demnächst“,<br />

wenn sie innerhalb einer nach den Umständen angemessenen,<br />

selbst längeren Frist bewirkt wird und die Partei und ihr Prozeßbevollmächtigter<br />

unter Berücksichtigung der Gesamtsituation<br />

alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben (BGH,<br />

21.3.1991, III ZR 94/89, NJW 1991, S. 1745 ). Auch<br />

die Verzögerung durch ein Prozeßkostenhilfeverfahren ist nach diesen<br />

Grundsätzen einer unbemittelten Partei nicht zuzurechnen,<br />

wenn bereits mit dem Antrag der Entwurf der Klageschrift eingereicht<br />

wird und dem Antrag vollständige Prozeßkostenhilfeunterlagen<br />

beigefügt sind. Dann haben die unbemittelte Partei und ihr<br />

Prozeßbevollmächtigter das ihnen Zumutbare getan, um für eine<br />

alsbaldige Zustellung Sorge zu tragen (vgl. BGH, 1.10.1986, IVa<br />

ZR 108/85, NJW 1987, S. 255 ).<br />

(1) Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG<br />

geregelten Rechtsstaatsgrundsatz gebieten eine weitgehende Angleichung<br />

der Situation der bemittelten und der unbemittelten<br />

Partei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Der Rechtsstaatsgrundsatz<br />

verwehrt es den Parteien grundsätzlich, ihre Rechtsansprüche<br />

eigenmächtig durchzusetzen, und verweist sie auf die<br />

Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte. Dies bedingt im Um-<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

kehrschluß die Pflicht des Staates, Gerichte zur Durchsetzung privatrechtlicher<br />

Ansprüche einzurichten und den Zugang zu diesen<br />

jedermann in grundsätzlich gleicher Weise zu eröffnen. Daraus<br />

folgt, daß der Staat Vorkehrungen treffen muß, die auch unbemittelten<br />

Parteien einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen.<br />

Derartige Vorkehrungen sind durch die Möglichkeit der<br />

Gewährung von Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) getroffen.<br />

Diese Vorschriften verhindern, daß eine Partei lediglich aus wirtschaftlichen<br />

Gründen daran gehindert wird, ihr Recht vor Gericht<br />

zu suchen (BVerfG, 13.3.1930, 2 BvR 94/88 u. a., 3VerfGE 81, 344<br />

m. w. N.).<br />

(2) Die Fachgerichte, die an die Grundrechte als unmittelbar<br />

geltendes Recht gebunden sind (Art. 1 Abs. 3 GG), haben bei der<br />

Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Zivilrechts diesen<br />

sich aus der Verfassung ergebenden Zweck der Prozeßkostenhilfe<br />

zu beachten, denn das Grundgesetz enthält in seinem Grundrechtsabschnitt<br />

verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche<br />

des Rechts, die die Fachgerichte zu wahren haben (BVerfG,<br />

15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 )<br />

(3) Bei Anwendung dieser Grundsätze gebieten es Art. 3 Abs.<br />

1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG geregelten Rechtsstaatsgrundsatz,<br />

die Verzögerung durch ein Prozeßkostenhilfeverfahren<br />

der unbemittelten Partei, die für die Durchsetzung ihrer Ansprüche<br />

aus dem Arbeitsverhältnis infolge einer zweistufigen<br />

Ausschlußfrist auf eine gerichtliche Geltendmachung angewiesen<br />

ist, nicht zum Nachteil gereichen zu lassen. Sie kann auch im Gegensatz<br />

zur Auffassung des ArbG nicht darauf verwiesen werden,<br />

den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe so frühzeitig zu<br />

stellen, daß unter normalen Umständen mit seiner Bescheidung vor<br />

Ablauf der Ausschlußfrist zu rechnen ist. Dies würde zum einen<br />

die tarifliche Ausschlußfrist für den unbemittelten Arbeitnehmer<br />

verkürzen, während ein bemittelter Arbeitnehmer die Frist bis zum<br />

letzten Tag ausnutzen könnte. Zum anderen bestünde die Gefahr,<br />

daß der Arbeitgeber, der bereits durch das Gericht einen Schriftsatz,<br />

mit dem Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Zahlungsklage<br />

begehrt wird, zur Stellungnahme zugeleitet bekommt,<br />

nicht mehr freiwillig zahlt, sondern es auf eine gerichtliche Klärung<br />

ankommen läßt. Der unbemittelte Arbeitnehmer wäre also einem<br />

erhöhten Risiko ausgesetzt, sein Recht gerichtlich durchsetzen<br />

zu müssen. Schließlich erlegt diese Auffassung dem unbemittelten<br />

Arbeitnehmer ein erhebliches Risiko auf. Er muß prognostizieren,<br />

innerhalb welcher Frist unter normalen Umständen mit einer Bescheidung<br />

seines Antrags zu rechnen ist, und muß befürchten, daß<br />

sich seine Prognose nachträglich als falsch erweist und die Frist<br />

daher versäumt ist. Diese unverhältnismäßige Erschwerung der<br />

Durchsetzung der Ansprüche des unbemittelten Arbeitnehmers aus<br />

dem Arbeitsverhältnis widerspricht dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe.<br />

Auch dem unbemittelten Arbeitnehmer muß es<br />

daher möglich sein, die tarifliche Ausschlußfrist bis zum letzten<br />

Tag auszunutzen (vgl. BGH, 19.1.1978, II ZR 124/76, MDR 1978,<br />

S. 472 ; BGH, NJW 1987, S. 255 ).<br />

Der unbemittelte Arbeitnehmer kann auch nicht darauf verwiesen<br />

werden, vor dem ArbG unter Zuhilfenahme der Rechtsantragsstelle<br />

kostenfrei Klage zu erheben und bei mangelnder Erfolgsaussicht<br />

nach rechtlichem Hinweis vor Eintritt in die streitige Verhandlung<br />

kostenfrei die Klage zurückzunehmen (so aber LAG<br />

Köln, 8.10.1997, 2 Sa 587/97, LAGE Nr. 45 zu § 4 TVG – Ausschlußfristen).<br />

Angesichts des zunehmend komplizierter werdenden<br />

Arbeitsrechts, das zudem ständigen Änderungen durch Rechtsprechung<br />

und Gesetzgebung unterworfen ist, sind zahlreiche Fälle<br />

denkbar, in denen einem Arbeitnehmer nur unter Hinzuziehung eines<br />

Rechtsanwalts eine aussichtsreiche gerichtliche Durchsetzung<br />

seiner Ansprüche möglich ist. Dabei ist auch zu beachten, daß vor<br />

den Arbeitsgerichten die Dispositionsmaxime gilt, so daß die Bedeutung<br />

der Vertretung durch einen Rechtsanwalt anders als in Verfahren<br />

mit Offizialmaxime nicht zurücktritt (vgl. dazu BVerfG,<br />

22.1.1959, 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124 ). Bei Rücknahme<br />

der Klage vor streitiger Verhandlung entfallen jedoch nur die Gerichtskosten,<br />

der Gebührenanspruch des vom Arbeitnehmer beauftragten<br />

Rechtsanwalts bleibt davon unberührt. Aus Gründen der<br />

Rechtssicherheit ist aber eine Differenzierung zwischen einfachen<br />

Fällen, in denen ein durchschnittlicher Arbeitnehmer ohne Hinzuziehung<br />

eines Rechtsanwalts seinen Zahlungsanspruch selbst vor<br />

Gericht durchsetzen kann, also eine Verzögerung durch ein Prozeßkostenhilfeverfahren<br />

ihm zum Nachteil gereicht, und schwierigen


AnwBl 1/2000 61<br />

Rechtsprechung l<br />

Fällen, in denen er sich eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung seiner<br />

Interessen bedienen kann, in denen daher ein Prozeßkostenhilfeantrag<br />

das Verfahren nicht verzögert und dieser daher die zweite<br />

Stufe einer tariflichen Ausschlußfrist wahrt, nicht möglich. Der unbemittelten<br />

Partei kann es somit nicht verwehrt werden, sich zur<br />

effektiven Durchsetzung ihrer dem Geltungsbereich einer zweistufigen<br />

tariflichen Ausschlußfrist unterfallenden Ansprüche eines<br />

Rechtsanwalts zu bedienen und zur Minimierung ihres Kostenrisikos<br />

vor Durchführung des Erkenntnisverfahrens zunächst einen<br />

Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu stellen.<br />

c) Der Antragsteller hat auch im Anschluß an die Einreichung<br />

seines ordnungsgemäßen Prozeßkostenhilfeantrags alles Zumutbare<br />

getan, damit die Zustellung „demnächst“ i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO<br />

erfolgen kann. Er hat innerhalb von zwei Wochen Beschwerde gegen<br />

den Beschluß des ArbG, durch den ihm die beantragte Prozeßkostenhilfe<br />

verweigert worden ist, erhoben. Er hat damit innerhalb<br />

des Zeitraums, der Frist Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange<br />

des Gegners als angemessen angesehen wird, das Verfahren vorangetrieben<br />

(vgl. BGH, NJW 1987, S. 255 ). ...<br />

Mitgeteilt von dem LAG Niedersachsen<br />

ZPO § 114; GKG § 58 Abs. 2, § 65 Abs. 1<br />

Der Kl erhält im Falle des Obsiegens gegen eine Prozeßkostenhilfepartei<br />

die von ihm bereits gezahlten Gerichtskosten undVorschüsse<br />

von der Staatskasse zurück.<br />

(Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Senatsrechtsprechung –<br />

JurBüro 1994, 109 – im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG<br />

vom 23.6.1999, Az. 1 BvR 984/89<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.1999 – 10 WF 26/99<br />

Das gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG<br />

n. F. als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der<br />

Bekl führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die<br />

Bekl ist als die in dem Verfahren (vor dem) AG Neuss unterlegene<br />

Partei infolge der Prozeßkostenhilfebewilligung gem. § 58 Abs. 2<br />

Satz 2 GKG davor geschützt, im Wege der Kostenausgleichung die<br />

durch den obsiegenden Kl in Höhe von 1.425 DM geleistete Vorauszahlung<br />

auf die Gerichtsgebühr für das Verfahren im allgemeinen<br />

(§ 65 Abs. 1 GKG) erstatten zu müssen. Aus diesem Grund ist<br />

der angefochtene Beschluß, der sich allein über diese Ausgleichungsverpflichtung<br />

der Bekl verhält, ersatzlos aufzuheben. Der<br />

obsiegende und nach dem amtsgerichtlichen Urteil mit keinen<br />

Kosten belastete Kl ist bezüglich seiner Vorauszahlung auf eine insoweit<br />

bestehende Rückerstattungsverpflichtung der Landeskasse<br />

zu verweisen.<br />

1. Die Kostenfrage, ob der Kl als Gegner der Prozeßkostenhilfepartei<br />

die von ihm bereits gezahlten Gerichtskosten und Vorschüsse<br />

im Falle des Obsiegens von der Staatskasse zurückerhält, wird in<br />

der Rechtsprechung einerseits und im Schrifttum andererseits unterschiedlich<br />

behandelt. Nach der in Übereinstimmung mit der gefestigten<br />

Rechtsprechung der OLG stehenden früheren Auffassung<br />

des Senats erfaßt die Vorschrift des § 58 Abs. 2 GKG nur die im<br />

Zeitpunkt des Eintritts der Erstschuldnerhaftung der PKH-Partei<br />

noch nicht gezahlten Gebühren, Auslagen und Vorschüsse, die dann<br />

im Sinne dieser Bestimmung nicht mehr durch die Landeskasse<br />

geltend gemacht werden dürfen. Dementsprechend soll eine Befreiung<br />

von der Zweitschuldnerhaftung nach dieser Vorschrift für die<br />

bereits entrichteten Gebühren, Auslagen und Vorschüsse ausgeschlossen<br />

sein mit der Folge der insoweit bestehenden Rückgriffsmöglichkeit<br />

des obsiegenden Kl gegen den als PKH-Partei unterlegenen<br />

Bekl (Senat Rpfleger 1978, 4<strong>64</strong> = JurBüro 1978, 1702 =<br />

KostRspr. GKG § 58 Nr. 11; Senat JurBüro 1994, 109 = FamRZ<br />

1995, 494; OLG Oldenburg JurBüro 1998, 654; OLG Zweibrücken<br />

JurBüro 1998, 595; OLG Koblenz JurBüro 1998, 368; OLG Nürnberg<br />

FamRZ 1997, 755; OLG Braunschweig MDR 1997, 1071;<br />

OLG Hamm JurBüro 1994, 679, OLG Hamburg JurBüro 1984,<br />

894; OLG Köln Rpfleger 1981, 243; OLG München JurBüro 1979,<br />

871; OLG Frankfurt MDR 1978, 413; KG JurBüro 1978, 1702;<br />

OLG Bamberg JurBüro 1978, 1362, Oestreich/Winter/Hellstab,<br />

Kommentar zum GKG, § 58, Anm. 16; anderer Ansicht: OLG<br />

Hamm NJW 1977, 2081; Markl/Meyer, Kommentar zum GKG,<br />

3. Aufl., § 58, Rdnr. 27; Lappe Kommentar zum GKG, 58, Rdnr. 9;<br />

Wax in Münchener Kommentar zur ZPO, § 122, Rdnr. 29; Bork in<br />

Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., § 123 Rdnr. 5; Zöller/<br />

Philippi, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., § 122, Rdnr. 25).<br />

2. Im Hinblick auf den Beschluß des BVerfG vom 23.6.1999,<br />

Az. 1 BvR 984/89 (bisher noch nicht veröffentlicht) zum Umfang<br />

des Schutzes der im Rechtsstreit unterlegenen mittellosen beklagten<br />

Partei nach Maßgabe des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG sieht sich<br />

der Senat veranlaßt, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben<br />

und im vorliegenden Fall eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin<br />

als PKH-Partei zur Erstattung bereits durch den Beschwerdegegner<br />

als Kl verauslagter Gerichtskosten zu verneinen.<br />

a) Nach der Entscheidung des BVerfG dürfen im Rechtsstreit<br />

durch Urteil unterlegene Bekl, denen Prozeßkostenhilfe bewilligt<br />

worden ist, wegen Art. 3 Abs. 1 GG ohne rechtfertigende Gründe<br />

bei der Festsetzung der konkret entstandenen Gerichtskosten nicht<br />

anders behandelt werden als Kl in vergleichbarer prozessualer<br />

Lage, denen ebenfalls Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist. Ein<br />

durch eine unbeschränkte Prozeßkostenhilfeanordnung unterstützter<br />

unterlegener Kl muß weder an die Landeskasse (§ 122 ZPO)<br />

noch an die obsiegende Gegenpartei Gerichtskosten zahlen, weil<br />

diese wegen der einstweiligen Befreiung von Gerichtskosten bis<br />

zur gerichtlichen Kostenentscheidung (§ 122 Abs. 2 ZPO) insoweit<br />

keinen Erstattungsanspruch nach § 123 ZPO hat. Im Hinblick darauf<br />

besteht nach Auffassung des BVerfG das Gebot einer Anwendung<br />

des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG dahingehend, daß der in ihm enthaltene<br />

Haftungsausschluß sämtliche Gerichtskosten –<br />

einschließlich schon gezahlter Gerichtskostenvorschüsse – umfaßt,<br />

um eine grundrechtsverletztende Ungleichbehandlung der unterlegenen<br />

beklagten PKH-Partei zu vermeiden. Als Folge einer solchen<br />

Auslegung nimmt das BVerfG eine Rückerstattungspflicht der<br />

Landeskasse hinsichtlich schon verauslagter Gerichtskostenvorschüsse<br />

gegenüber einem durch gerichtliche Entscheidung obsiegenden<br />

Kl an, dessen Prozeßgegner Prozeßkostenhilfe bewilligt<br />

worden ist.<br />

b) In Anbetracht der gebotenen verfassungskonformen Auslegung<br />

der Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG ist im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

kein Raum für eine Inanspruchnahme der<br />

unterlegenen und durch eine Prozeßkostenhilfebewilligung unterstützten<br />

Beschwerdeführerin durch den Beschwerdegegner wegen<br />

der durch ihn verauslagten Gebühr für das Verfahren im allgemeinen<br />

(§ 65 Abs. 1 GKG; Nr. 1220 KV-GKG) in Höhe von 1.425 DM.<br />

Insoweit besteht eine Erstattungsverpflichtung der Landeskasse.<br />

ZPO § 116<br />

Der Umstand, daß am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich<br />

Beteiligte nicht bereit sind, sich an den Kosten des Rechtsstreits<br />

zu beteiligen, hat nicht zur Folge, daß dem Konkursverwalter<br />

Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist.<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.1.1998 – 14 w 79/97<br />

Aus den Gründen: Zu den Voraussetzungen dafür, daß einer<br />

Partei kraft Amtes – eine solche ist der Antragsteller als Konkursverwalter<br />

– die von ihr beantragte Prozeßkostenhilfe zu gewähren<br />

ist, gehört, daß zum einen die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse<br />

nicht aufgebracht werden kann und zum anderen den<br />

am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht<br />

zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO).<br />

Daß es im vorliegenden Fall an letzterem fehlt, hat das LG zutreffend<br />

ausgeführt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere<br />

Beurteilung.<br />

a) „Wirtschaftlich beteiligt“ am Gegenstand des Rechtsstreits<br />

sind im Sinne der genannten Vorschrift all diejenigen Konkursgläubiger,<br />

deren Befriedigungsaussichten sich im Falle des Obsiegens<br />

des Konkursverwalters im Prozeß verbessern würden (vgl. die<br />

Nachweise bei Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl. 1997, Rdnr. 6 zu<br />

§ 116). Bei dem vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsstreit sind<br />

dies sämtliche im Gläubigerverzeichnis vom 9.4.1997 (AS 29/35)<br />

genannte Gläubiger, die Antrag auf Anmeldung zur Konkurstabelle<br />

gestellt haben: Einerseits könnten angesichts der Dürftigkeit der<br />

verwalteten Vermögensmasse auch bevorrechtigte Gläubiger ohne


62<br />

l<br />

Führung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht mit auch nur teilweiser<br />

Befriedigung rechnen; und andererseits würden sich im<br />

Hinblick darauf, daß sich die bekannten Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin<br />

auf weniger als bekannten Verbindlichkeiten der<br />

Gemeinschuldnerin auf weniger als 700000 DM belaufen, nach<br />

der Beurteilung durch den Antragsteller aber ein Verkauf des mit<br />

der beabsichtigten Klage zurückzufordernden Patents zu einem<br />

Preis von ca. 1 Mio. DM realistisch ist, die Befriedigungsaussichten<br />

sämtlicher Beteiligter – unabhängig von der Rangstellung –<br />

entscheidend verbessern.<br />

b) „Zumutbar“ i. S. v. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO ist einem wirtschaftlich<br />

Beteiligten die Aufbringung der Prozeßführungskosten<br />

jedenfalls dann, wenn er leistungsfähig ist (hierzu Zöller/Philippi,<br />

aaO, Rdnr. 8 zu § 116), seine Forderung vom Konkursverwalter<br />

nicht bestritten ist (Zöller/Philippi, aaO, Rdnr. 7) und der erforderliche<br />

Einsatz den bei der Verteilung der Masse zu erwartenden Betrag<br />

übersteigt (vgl. Wax in: Münchener Kommentar zur ZPO,<br />

1992, Rdnr. 18 zu § 116; auch Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl.<br />

1994, Rdnr. 31 zu § 6). Daß all diese Voraussetzungen jedenfalls<br />

bei den auf S. 3 (letzter Abschnitt) des angefochtenen Beschlusses<br />

genannten Gläubigern erfüllt sind, steht außer Zweifel und wird –<br />

abgesehen von dem in dieser Undifferenziertheit nicht richtigen<br />

und vom Verweis auf BGH NJW 1993, S. 135 ff., 136 auch nicht<br />

getragenen Einwand, öffentlich-rechtlichen Gläubigern sei eine<br />

Vorschußleistung unzumutbar – auch nicht in Abrede gestellt. Der<br />

Umstand, daß einige der genannten Großgläubiger dem Antragsteller<br />

mitgeteilt haben, sie wollten sich an der Kostentragung nicht<br />

beteiligen, ist nicht gleichbedeutend damit, daß diesen Gläubigern<br />

die Kostenaufbringung unzumutbar ist. Fehlende Zahlungswilligkeit<br />

der wirtschaftlich Beteiligten, denen Kostentragung zumutbar<br />

ist, führt nicht zur Gewährung von Prozeßkostenhilfe (Zöller/Philippi,<br />

aaO, Rdnr. 7 zu § 116; auch Kuhn/Uhlenbruck, aaO, Rdnr.<br />

31b zu § 6). ...<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Ernst-Friedrich Krauß,<br />

Freiburg<br />

ZPO § 119<br />

1. PKH kann i. d. R. rückwirkend nur auf den Zeitpunkt bewilligt<br />

werden, in dem der Antrag mit der Formularerklärung über<br />

die pers. und wirtsch.Verhältnisse sowie den erforderlichen Belegen<br />

versehen war.<br />

2. Über diesen Zeitpunkt hinaus kann PKH ausnahmsweise<br />

rückwirkend auch auf den Zeitpunkt einer nur unvollständigen<br />

Antragstellung bewilligt werden, wenn das Gericht hierfür einen<br />

Vertrauenstatbestand geschaffen hat.<br />

3. Dies ist in dem durch kurze Fristen und Beschleunigungsgrundsatz<br />

geprägten Arbeitsgerichtsverfahren, in dem ein Großteil<br />

der Rechtsstreite bereits in der Güteverhandlung endet,<br />

jedenfalls dann der Fall, wenn in das Protokoll der Güteverhandlung<br />

vor Erlass eines Versäumnisurteils ohne weiteren Hinweis<br />

aufgenommen wird, dass der Prozeßbevollmächtigte des Kl<br />

(und Antragstellers) verspreche, die Erklärung über die persönlichen<br />

und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nachzureichen.<br />

LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 7.12.1998 – 8 Ta 176/98<br />

Aus den Gründen: Die Beschwerde des Kl ist begründet.<br />

1. Das Arbeitsgericht hat dem Kl Prozeßkostenhilfe nicht mit<br />

Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern lediglich<br />

mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt bewilligt, in dem der gestellte<br />

Antrag zusätzlich vollständig begründet und korrekt belegt<br />

war. Dies war der 13.10.1998. Ein solches Vorgehen entspricht der<br />

ganz herrschenden Meinung (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl.,<br />

§ 119, Rdnr. 28 m. w. N.; BGH Beschl. v. 30.9.1981 – IV b ZR<br />

694/80 – zum Armenrecht).<br />

2. Etwas anderes nimmt die herrschende Meinung jedoch an,<br />

wenn das Gericht einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt<br />

hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn es den Antragsteller<br />

zur Glaubhaftmachung auffordert uns sein Prozeßbevollmächtigter<br />

im Vertrauen hierauf einen gebührenpflichtigen Tatbestand<br />

setzt (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO, Rdnr. 28 m. w. N., insbesondere<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

Fn. 81). Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist dieser<br />

Fall hier gegeben. Dies folgt zum einen aus dem Sitzungsprotokoll<br />

der Güteverhandlung und zum anderen aus einer besonderen Fürsorgepflicht<br />

des Gerichts im arbeitsgerichtlichen Verfahren wegen<br />

der dort geltenden Beschleunigungsmaxime.<br />

a) Gem. § 61a Abs. 2 ArbGG soll die Güteverhandlung innerhalb<br />

von 2 Wochen nach Klageerhebung stattfinden. Tatsächlich<br />

findet die Güteverhandlung in der Praxis wenige Wochen nach<br />

Klageerhebung statt. Die dazwischenliegende Zeit ist oft nicht ausreichend<br />

für die Prüfung des Prozeßkostenhilfeantrages und die<br />

Einreichung ergänzender Unterlagen nach Auflage des Gerichts.<br />

Im Gütetermin erledigt sich jedoch ein hoher Anteil aller Verfahren.<br />

In dieser Lage würde dem Antragsteller – erst recht, wenn es<br />

sich um die beklagte Partei handelt – regelmäßig Prozeßkostenhilfe<br />

zu versagen sein, wenn nicht sämtliche erforderlichen Erklärungen<br />

in der richtigen Form sowie alle notwendigen Belege eingereicht<br />

sind. Hat er indessen im Vertrauen auf die Bewilligung von<br />

Prozeßkostenhilfe einen Rechtsanwalt beauftragt, müßte er die Kosten<br />

hierfür selbst aufbringen, wenn sich der Rechtsstreit im Gütetermin<br />

erledigt. Die Prozeßkostenhilfe begehrende Partei und ihr<br />

Rechtsanwalt stehen daher vor der Wahl, den Rechtsstreit im Gütetermin<br />

ohne Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu beenden oder<br />

dies erst in einem weiteren Termin nach vollständiger Einreichung<br />

der erforderlichen Unterlagen zu tun, um die nicht geplanten<br />

Rechtsverfolgungskosten abwenden zu können.<br />

Auf diese besondere Lage muß das Gericht Rücksicht nehmen.<br />

Nimmt es ins Protokoll ausdrücklich die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten<br />

des Antragstellers auf, daß er „verspricht, die Erklärung<br />

über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

des Kl umgehend nachzureichen“, so darf der Prozeßbevollmächtigte<br />

und damit der Kl regelmäßig darauf vertrauen, daß das Gericht<br />

die Nachreichung der Unterlagen noch als ausreichend ansieht.<br />

Dies folgt insbesondere aus den Worten „versprechen“ und<br />

„nachreichen“, die eine Verpflichtung der Partei zur Nachreichung<br />

begründen, was aber keinen Sinn macht, wenn das Gericht erst ab<br />

Einreichung der Unterlagen Prozeßkostenhilfe bewilligen wollte.<br />

Eine solche Absicht hätte das Gericht in dieser Lage unmißverständlich<br />

deutlich machen müssen. Dann hätte der Prozeßbevollmächtigte<br />

die Wahl gehabt, den gebührenpflichtigen Tatbestand<br />

nicht im Gütetermin zu verwirklichen, sondern erst in einem weiteren<br />

Termin nach Vervollständigung der Unterlagen.<br />

Danach durfte der Prozeßbevollmächtigte des Kl darauf vertrauen,<br />

daß das Gericht die nachzureichenden Unterlagen noch als<br />

rechtzeitig anerkennen werde. Im Vertrauen hierauf hat er die gebührenauslösende<br />

und letztlich instanzbeendende Handlung, nämlich<br />

die Beantragung des Versäumnisurteils, vorgenommen. In diesem<br />

Vertrauen darf das Gericht den Rechtsuchenden nicht<br />

enttäuschen.<br />

Mitgeteilt von dem Präsidenten des LAG Sachsen-Anhalt<br />

ZPO § 119 Ab. 2, § 121 Abs. 2<br />

Auch nach dem 1.1.1999 ist dem Gläubiger im Wege der Prozeßkostenhilfe<br />

für das Verfahren der Zwangsvollstreckung in das<br />

bewegliche Vermögen kein Rechtsanwalt beizuordnen.<br />

(LS des Einsenders)<br />

LG Ulm, Beschl. v. 22.2.1999 – 5 T 29/99<br />

Aus den Gründen: I. Mit Schriftsatz vom 28.1.1999 begehrte<br />

der Antragsteller Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten<br />

für die Zwangsvollstreckung gegen N. N., gegen<br />

die er eine Forderung aus Versäumnisurteil des AG Nürtingen<br />

vom 4.12.1998 in einer Gesamthöhe von 9.594,83 DM hat. Mit<br />

Beschl. v. 2.2.1999 bewilligte der Rechtspfleger beim AG Göppingen<br />

die Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Zwangsvollstreckung<br />

in das bewegliche Vermögen. Er lehnte jedoch die beantragte<br />

Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten ab, weil dies nicht<br />

erforderlich sei. Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen<br />

könne nicht als so schwierig angesehen werden, daß eine<br />

rechtlich nicht geübte Person nicht auch mit Hilfe der Rechtsantragsstelle<br />

beim AG die jeweils erforderlichen angemessenen<br />

Maßnahmen rechtzeitig treffen könne. Gegen diesen Beschluß er-


AnwBl 1/2000 63<br />

Rechtsprechung l<br />

hob der Antragsteller am 10.2.1999 Beschwerde, soweit die Beiordnung<br />

abgelehnt wurde. Zur Begründung trägt er vor, § 119 ZPO<br />

sei mit Wirkung vom 1.1.1999 dahingehend geändert worden, daß<br />

nunmehr über die Prozeßkostenhilfe für das gesamte Vollstrekkungsverfahren<br />

zu entscheiden sei. Es könne nicht davon ausgegangen<br />

werden, daß vorliegend die Zwangsvollstreckung mit einem<br />

Mobiliarvollstreckungsauftrag und einem Antrag auf Termin<br />

zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erledigt sein würde.<br />

Der Antragsteller sei rechtlich ungeübt und nicht in der Lage, z. B.<br />

Forderungsaufstellungen zu berechnen. Die Beiordnung eines Anwalts<br />

sei daher geboten, damit die Zwangsvollstreckung durchgeführt<br />

und ggf. weitere Anträge rasch gestellt werden könnten, z. B.<br />

Kontenpfändung etc.<br />

Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen.<br />

II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen<br />

Erfolg.<br />

Nach der am 1.1.1999 in Kraft getretenen Bestimmung des<br />

§ 119 Abs. 2 ZPO umfaßt die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe<br />

für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen alle<br />

Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts<br />

einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.<br />

Diese Vorschrift führt zu keiner neuen Rechtslage.<br />

Vielmehr schließt sich der Gesetzgeber damit der bisher herrschenden<br />

Meinung an, daß jedes Gericht im Umfang seiner Zuständigkeit<br />

pauschal Prozeßkostenhilfe für die Vollstreckung bewilligen<br />

darf. Diese Frage war streitig, nachdem das Prozeßkostenhilfegesetz<br />

von 1980 die bis dahin geltende Regelung des<br />

§ 119 Abs. 1 ZPO beseitigte, wonach die Prozeßkostenhilfe für<br />

die erste Instanz auch für die Zwangsvollstreckung galt. Danach<br />

wurde streitig, ob Prozeßkostenhilfe weiterhin pauschal für die<br />

gesamte Zwangsvollstreckung oder nur für jede einzelne Vollstreckungsmaßnahme<br />

zu bewilligen sei (Zöller, 21. Aufl., § 119<br />

ZPO,Rdnr.33m.w.N.).<br />

Die Frage der Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist zu unterscheiden<br />

von der Frage, ob im Parteiprozeß die Vertretung durch<br />

einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 121 Abs. 2 ZPO. Die<br />

Gewährung von Prozeßkostenhilfe und damit insbesondere die<br />

Freistellung von den damit verbunden Kosten und Vorschüssen für<br />

die gesamte Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen bedeutet<br />

nicht, daß damit auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts<br />

für jede einzelne Vollstreckungshandlung notwendig ist.<br />

Die Kammer schließt sich der hierzu vertretenen Auffassung<br />

an, daß die Partei bei der Mobiliarzwangsvollstreckung in der<br />

Regel keinen Anwalt benötigt, um den Gerichtsvollzieher zu beauftragen<br />

oder eine eidesstattliche Versicherung zu beantragen.<br />

Hierfür ist die Mithilfe der Rechtsantragsstelle weiterhin ausreichend.<br />

Sollten sich im Laufe des Zwangsvollstreckungsverfahrens<br />

Maßnahmen als notwendig erweisen, die anwaltliche Hilfestellung<br />

erforderlich machen, z. B. Einstellungsanträge des Schuldners, Beschwerden<br />

etc., ist eine spätere Beiordnung eines Anwalts immer<br />

noch möglich. Insofern bedarf es jedoch weiterhin einer Begründung<br />

des Antragstellers im einzelnen.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Georg Cless, Göppingen<br />

ZPO § 120 Abs. 3 Nr. 2, § 127Abs. 2 S. 2<br />

Gegen die vorläufige Einstellung der bei Bewilligung der Prozeßkostenhilfe<br />

auferlegten Ratenzahlungen ist eine Beschwerde<br />

der Landeskasse statthaft.<br />

SchlHOLG, Beschl. v. 15.12.1998 – 9 W 194/98<br />

Aus den Gründen: Die gem. §§ 11 Abs. 3 RPflG a. F., 127 Abs.<br />

2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.<br />

Die Beschwerde der durch die Bezirksrevisorin vertretenen<br />

Landeskasse ist statthaft. Die Bestimmung der vorläufigen Einstellung<br />

der auf die Prozeßkosten zu leistenden Ratenzahlungen nach<br />

§ 120 Abs. 3 Nr. 2 ZPO gehört zu den Entscheidungen, gegen die<br />

die Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO stattfindet.<br />

Unter § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die vorläufige Einstellung<br />

der Ratenzahlungen schon begrifflich nicht eingeordnet werden.<br />

Auch spricht ihr vorläufiger Charakter, der bei Unpfändbarkeit des<br />

Prozeßgegners eine Rückgängigmachung zuläßt (vgl. BGH NJW-<br />

RR 1991, 827; Bischof AnwBl 1981, 234; HansOLG Hamburg<br />

MDR 1985, 941), dagegen, sie mit der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe<br />

gleichzusetzen.<br />

Damit fällt die Anordnung nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aber<br />

ohne weiteres unter § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Vorschrift ist<br />

nämlich nicht auf solche Entscheidungen beschränkt, die im<br />

Gegensatz zu Satz 1 eine Verweigerung der Prozeßkostenhilfe zum<br />

Inhalt haben, wozu die vorläufige Einstellung der Ratenzahlungen<br />

sicher nicht gehören würde. Denn nach ihrem Wortlaut (“im übrigen„)<br />

und ihrer Entstehungsgeschichte soll sie alle anderen als bewilligende<br />

PKH-Entscheidungen erfassen (vgl. OLG Hamm<br />

FamRZ 1989, 412 ; OLG Celle Rpfleger 1989, 290; a. A.<br />

OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 1230 f.).<br />

Ist die Beschwerde bei Entscheidungen nach § 120 Abs. 3 Nr.<br />

2 ZPO überhaupt statthaft, dann steht sie auch der Landeskasse zu<br />

(vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Auflage,<br />

§ 127 Rdnr. 78; OLG Köln FamRZ 1986, 926). Dabei macht es<br />

keinen Unterschied, daß die vorläufige Einstellung der Ratenzahlungen<br />

hier darauf beruht, daß das LG die vom Rechtspfleger am<br />

22.4.1998 aufgehobene Einstellungsentscheidung wieder rückgängig<br />

gemacht hat.<br />

Die Beschwerde ist auch zulässig, weil die Landeskasse durch<br />

die Entscheidung beschwert ist (vgl. zur Beschwer des beigeordneten<br />

Rechtsanwalts: OLG Frankfurt a. M. JurBüro 1985, 1728;<br />

OLG Hamm FamRZ 1989, 412). Nach § 130 BRAGO sind die<br />

Ansprüche des der Bekl beigeordneten Rechtsanwaltes gegen<br />

seine Mandantin und gegen den Prozeßgegner (§ 126 BRAGO)<br />

auf die Landeskasse übergegangen, soweit sie an ihn Zahlungen<br />

in Höhe von 1.860,70 DM geleistet hat. Wegen dieser Kosten hat<br />

sie sich im Hinblick auf den für den Kl ungünstigen Prozeßausgang<br />

wegen des Ausgleichs vorrangig an diesen als Entscheidungsschuldner<br />

zu halten (§ 130 Abs. 2 BRAGO i. V. m. §§ 58<br />

Abs. 2, 54 Nr. 1 GKG). Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG können<br />

nachrangige Kostenschuldner, zu denen die Bekl infolge des<br />

Überganges des ihrem Rechtsanwalt gegen sie zustehenden<br />

Vergütungsanspruchs auf die Landeskasse gehört (§ 130 Abs. 1<br />

BRAGO), aber wieder in Anspruch genommen werden, wenn die<br />

Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Entscheidungsschuldners<br />

erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint<br />

(§ 58 Abs. 2 Satz 2 GKG steht dem nicht entgegen, vgl.<br />

OLG Oldenburg JurBüro 1987, 1834; OLG Köln FamRZ 1986,<br />

926). Die Einstellung der Ratenzahlungen erschwert für diesen<br />

Fall aber das Rückgriffsrecht der Landeskasse.<br />

Die Beschwerde ist jedoch aus den zutreffenden Gründen der<br />

angefochtenen Entscheidung und des Nichtabhilfebeschlusses des<br />

LG vom 29.10.1998 nicht begründet.<br />

Die Wiederaufnahme der Zahlungen – als actus contrarius<br />

zur Einstellung nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 ZPO – ist anzuordnen,<br />

wenn die Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren<br />

Beteiligten nicht geltend machen kann. Das kann gem.<br />

§ 58 Abs. 2 Satz 1 GKG der Fall sein, wenn die Zwangsvollstreckung<br />

gegen den Prozeßgegner erfolglos geblieben ist oder<br />

aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen können hier nicht<br />

festgestellt werden. Zwar war die Landeskasse nicht verpflichtet,<br />

wie das LG meint, mehrere Vollstreckungsversuche zu unternehmen<br />

(SchlHOLG SchlHA 1984, 167 ). Zutreffend hat das<br />

LG jedoch in seinem Nichtabhilfebeschluß darauf hingewiesen,<br />

daß es bislang überhaupt keinen Vollstreckungsversuch gegeben<br />

hat.<br />

Auch konnte auf der Grundlage der vom Kl mit Schriftsatz seiner<br />

Prozeßbevollmächtigten vom 9.4.1998 vorgelegten Unterlagen<br />

über seine finanziellen Verhältnisse nicht davon ausgegangen werden,<br />

daß eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen aussichtslos<br />

sei. Abgesehen davon, daß in der vorgelegten Erklärung vom<br />

6.4.1998 keine Angaben über das bewegliche Vermögen gemacht<br />

wurden, ergab sich aus der daraus ersichtlichen Differenz von<br />

monatlichem Bruttoeinkommen (3.973,81 DM) und monatlichen<br />

Nettobelastungen (1.977,06 DM) unter Berücksichtigung von Steuern<br />

und Sozialversicherungsabgaben kein Betrag, der die Annahme<br />

verbot, der Kl verfüge nicht über nennenswertes bewegliches Vermögen.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG E. Staben, Schleswig


<strong>64</strong><br />

l<br />

ZPO § 124, § 122 Abs. 2; GKG § 58<br />

Vor Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung ist auch der<br />

Prozeßgegner zu hören, wenn er durch die Aufhebung die Vergünstigungen<br />

der §§ 122 ZPO, 58 II 2 GKG verlieren kann.<br />

LG Koblenz, Beschl. v. 28.8.1997 – 6 T 82/97, 6 T 83/97<br />

Aus den Gründen: Die zulässigen Rechtsmittel (§ 5 Abs. 2<br />

Satz 1 GKG) bleiben in der Sache ohne Erfolg.<br />

Als Antragsteller i. S. d. § 49 GKG haftet der Kl – gem. § 58<br />

Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner mit dem Bekl – für die gerichtlichen<br />

Kosten des Verfahrens mit der Maßgabe, daß seine Haftung<br />

nur geltend gemacht werden soll, wenn eine Inanspruchnahme des<br />

„Erstschuldners“ erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint<br />

(§ 58 Abs. 2 Satz 1 GKG).<br />

Jedenfalls von der Aussichtslosigkeit einer Zwangsvollstrekkung<br />

gegen den Bekl geht auch der Kl aus, wenn er in seinem<br />

Schriftsatz vom 10.7.1997 diesbezüglich ausführt:<br />

„Daß jemand, der in der JVA einsitzt, dann, wenn er bereits zuvor<br />

nicht in der Lage war, die Prozeßkosten aufzubringen, auch<br />

dann nicht in der Lage sein würde, die Prozeßkosten aufzubringen,<br />

bedarf sicherlich keiner näheren Darlegung. Richtig ist, daß der<br />

Bekl schlicht und einfach vermögenslos ist...“<br />

Der Kl kann seine Beschwerden gegen die Inanspruchnahme<br />

als Zweitschuldner nicht mit Erfolg auf die von ihm behauptete<br />

Tatsache stützen, die Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung<br />

betreffend den Bekl sei in verfahrensfehlerhafterweise erfolgt.<br />

Zu Recht wendet der Kl allerdings ein, der Rpfleger des AG<br />

habe ihn bei Überprüfung der rechtlichen Voraussetzungen für den<br />

Fortbestand der zu Gunsten des Bekl getroffenen Entscheidung<br />

über die Zahlungsbestimmung (§ 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO) nicht angehört.<br />

Vor Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung gem.<br />

§ 124 Nr. 2 ZPO war der Kl anzuhören (vgl. Zöller-Philippi, ZPO,<br />

20. Auflage, § 124, Rdnr. 21).<br />

Dieser Verfahrensverstoß im Rahmen des Aufhebungsverfahrens<br />

nach § 124 ZPO führt indes nicht zur Begründetheit der Beschwerden.<br />

Ungeachtet der Tatsache, daß die die Prozeßkostenhilfebewilligung<br />

aufhebende Entscheidung nur die hilfsbedürftige Partei beschwert,<br />

der Gegner indes weder beteiligt noch betroffen ist (vgl.<br />

Zöller-Philippi, aaO § 127 Rdnr. 43), hat die Kammer die fehlende<br />

Anhörung des Kl im Beschwerdeverfahren nachgeholt; sie hat die<br />

Einwände des Kl bei ihrer Überprüfung der angefochtenen Entscheidung<br />

berücksichtigt.<br />

Gleichwohl führen die (unbefristeten) Beschwerden des Kl<br />

nicht zum Erfolg.<br />

Nach Aufhebung des die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Beschlusses<br />

stehen einer Inanspruchnahme des Kl als Zweitschuldner<br />

keine gesetzlichen Hindernisse entgegen; der Kl haftet unter den<br />

Voraussetzungen der §§ 49 Abs. 1, 58 Abs. 2 GKG.<br />

Dem steht auch der Einwand des Kl, die mittellose Partei habe<br />

es so stets in der Hand, durch nachlässiges Verhalten willkürlich<br />

(z. B. durch Nichterteilung der geforderten Auskünfte) die Voraussetzungen<br />

einer Aufhebung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe<br />

zu schaffen und somit Eintritt der Zweitschuldnerhaftung herbeizuführen.<br />

Diese aus der Sicht des Zweitschuldners als unbillig erscheinende<br />

Folge hat der Gesetzgeber in Kauf genommen.<br />

Nichts anderes würde auch dann gelten, wenn die arme Partei<br />

trotz ihrer Leistungsunfähigkeit keinen Antrag auf Bewilligung<br />

von Prozeßkostenhilfe stellt, jedenfalls für solche von ihr veranlaßten<br />

gerichtlichen Kosten, für die eine Vorschußpflicht nicht besteht<br />

oder sich der geleistete Vorschuß nicht als ausreichend erweist.<br />

§ 58 Abs. 2 Satz 2 GKG, der den Zweitschuldner von einer<br />

Kostenhaftung freistellt, soweit dem nach § 54 Nr. 1 GKG verpflichteten<br />

Kostenschuldner Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, dient<br />

ausschließlich dem Schutz der bedürftigen Partei.<br />

Würde der leistungsfähige Prozeßgegner auf Zahlung von<br />

Gerichtskosten in Anspruch genommen, für die der mittellose Partei<br />

Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, so könnte er, wenn der die Prozeßkostenhilfe<br />

besitzenden Partei durch gerichtliche Entscheidung<br />

die Kosten des Verfahrens auferlegt werden (§ 54 Nr. 1 GKG), Erstattung<br />

der von ihm geleisteten gerichtlichen Auslagen verlangen;<br />

AnwBl 1/2000<br />

Rechtsprechung<br />

die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat auf die Verpflichtung<br />

zur Erstattung der dem Gegner erwachsenen Kosten keinen Einfluß<br />

(§ 125 ZPO). Dies hätte zur Folge, daß der Schutz, der dem Prozeßkostenhilfebegünstigten<br />

gewährt werden soll, unterlaufen würde,<br />

da er von seiten des Zweitschuldners letztlich doch in Anspruch<br />

genommen werden könnte. Um dies zu verhindern,<br />

bestimmt § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG, daß die Haftung des Zweitschuldners<br />

entgegen § 49 Abs. 1 GKG nicht geltend gemacht werden<br />

soll, wenn dem primärhaftenden Kostenschuldner Prozeßkostenhilfe<br />

bewilligt ist. Ist der Sekundärhaftende nicht zur Zahlung<br />

verpflichtet, erwirbt er auch keinen Erstattungsanspruch gegen die<br />

hilfsbedürftige Partei mit der Folge, daß letztere auch in Anbetracht<br />

der Regelung des § 125 ZPO geschützt bleibt (zur Problematik<br />

vgl. Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, 3. Auflage, § 58 Rdnr.<br />

26).<br />

Aus den vorgenannten Erwägungen folgt weiter, daß die dem<br />

Zweitschuldner durch § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG gewährte Begünstigung<br />

entfällt, wenn ein Schutzbedürfnis für die mittellose Partei<br />

nicht mehr besteht. Der dem Zweitschuldner zuteil gewordene Vorteil<br />

stellt lediglich einen Reflex des zu Gunsten der armen Partei<br />

bezweckten Schutzes dar. Wird die Prozeßkostenhilfe nachträglich<br />

aufgehoben, so vermag sie auch keine Reflexwirkung in bezug auf<br />

den leistungsfähigen Gegner zu bewirken.<br />

Nach allem entspricht die angefochtene Entscheidung der Sachund<br />

Rechtslage; die Beschwerden sind daher zurückzuweisen.<br />

Gemäß § 5 Abs. 6 GKG ergeht die Entscheidung über die Beschwerdeverfahren<br />

gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten<br />

werden nicht erstattet.<br />

Mitgeteilt von Justizamtsrat Günter Müller, Koblenz<br />

impressum<br />

Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e. V., Adenauerallee 106,<br />

53113 Bonn, Tel. 0228/2607-0, Fax 0228/ 260746, e-Mail:<br />

dav@anwaltverein.de. Schriftleitung: Dr. Peter Hamacher (v. i. S.<br />

d. P.) und Udo Henke, Rechtsanwälte, Anschrift des Herausgebers.<br />

Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft<br />

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0228/9191123; Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr. 17532458,<br />

BLZ 38050000. Anzeigen: MD Medien Dienste GmbH, Ingrid<br />

Oestreich (v. i. S. d. P.), Baumweg 19, 60316 Frankfurt a. M.,<br />

Tel. 069/943331-0, Fax 069/4990386. Technische Herstellung:<br />

Hans Soldan GmbH, Bocholder Str. 259, 45356 Essen, Tel. 0201/<br />

8612208, Fax 0201/8612241. Erscheinungsweise: Monatlich zur<br />

Monatsmitte. Bezugspreis: Jährlich 198,– DM (inkl. MWSt.) zzgl.<br />

Versandkosten, Einzelpreis 18,– DM (inkl. MWSt.). Für Mitglieder<br />

des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />

enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim<br />

Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres<br />

beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Schriftleitung<br />

bestimmte Zuschriften sind nur an die Adresse des Herausgebers<br />

zu richten. Honorare werden nur bei ausdrücklicher<br />

Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs- und<br />

Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen<br />

von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz<br />

gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen.<br />

Sie bedürfen zur Auswertung ausdrücklich der Einwilligung<br />

des Herausgebers. ISSN 0171-7227.<br />

w


XVIII<br />

4<br />

9 Eine Suchmaschine zum Thema Finanzen<br />

bereichert nun die große Anzahl<br />

bereits vorhandener Suchinstrumente.<br />

Dieser von der financial.de AG betreute<br />

Service namens FinanzRadar basiert<br />

ähnlich Yahoo auf einem moderierten<br />

und ständig aktualisierten Themenkatalog.<br />

Kategorien sind beispielsweise Börsen,<br />

Geld-Zahlungsverkehr, Gewerbliche<br />

Anlageberatung, Going-Public, Immobilien,<br />

Versicherungen. Registrierte Nutzer<br />

werden einmal die Woche über neue<br />

Adressen benachrichtigt.<br />

http://www.finanzradar.de (HIT)<br />

9 Mit dem kostenlosen SMS-Gateway<br />

von TeldaFax lassen sich per WWW-Formular<br />

Kurznachrichten von bis zu 120<br />

Zeichen Länge an Handy-Nutzer verschicken.<br />

Die Nachricht erscheint dann<br />

auf dem Display des Handys, egal ab<br />

dieses sich im D1-, D2-, E-Plus- oder<br />

E2-Netz operiert. Eine Einwilligung in<br />

Adressdatenspeicherung und Verwendung<br />

zu Werbungszwecken muß allerdings<br />

mit abgegeben werden.<br />

http://www.teldafax.de/deut/share/faco/<br />

sms.htm<br />

Ähnliche Dienste werden angeboten<br />

von:<br />

Beyond The Net (T-Mobil, D2, E-Plus,<br />

VIAG, Swisscom, diAx, Orange)<br />

http://sms-kostenlos.btn.de/<br />

SMS to (D1, D2)<br />

http://send.sms.to/free.asp<br />

mtnsms.com (D1, D2, E-Plus, E2; sowie<br />

weltweit in rund 42 Länder; auf der<br />

WWW-Site fehlte allerdings Deutschland)<br />

http://www.mtnsms.com/ (HIT)<br />

9 Weiter etabliert haben sich „providerlose“<br />

Internet-Zugänge im Call-by-<br />

Call-Verfahren. Die Tarife liegen zur<br />

Zeit (12/99) ab etwa DM 0,04 für die<br />

online-Minute inklusive Telefonkosten<br />

(und ohne Grund- oder Volumengebühren).<br />

Bei preiswert-telefonieren.de werden<br />

über 60 Dienstleister mit ihren Einwahlnummern<br />

geführt, darunter aber<br />

auch viele, die kein echtes Call-by-Call<br />

anbieten, z. B. T-Online.<br />

http://www.preiswert-telefonieren.de/<br />

(HIT)<br />

9 Auf Anhieb billiger, in jedem Fall<br />

aber schneller ist das neue T-ISDN-dsl-<br />

Angebot der Deutschen Telekom AG.<br />

Bei diesem Internet- und T-Online-<br />

Zugang fallen minütlich nur noch<br />

DM 0,0248 an.<br />

Internet –Aktuell<br />

Zum Einsatz kommt aktuelle DSL-Kommunikationstechnik,<br />

die auf Anwenderseite<br />

lediglich einen ISDN-Zugang sowie<br />

T-DSL-Modem und Splitter voraussetzt.<br />

Das einmalige Bereitstellungsentgelt beträgt<br />

allerdings DM 229, dann monatliche<br />

DM 99 Grundgebühr. Der Vorteil<br />

liegt in der überragenden Datentransferrate<br />

von 768 kbit/s (downloads). Das<br />

entspricht einer 12-fachen Rate des<br />

simplen ISDN.<br />

Noch höhere Transferraten werden mit<br />

den Produkten T-InterConnect dsl oder<br />

T-ATM dsl angeboten.<br />

http://www.dtag.de/angebot/bba/right.htm<br />

(HIT)<br />

9 Für Schlagzeilen sorgte ein Gesetzesentwurf<br />

der britischen Regierung zur<br />

elektronischen Kommunikation, wonach<br />

Nutzer auf Anforderung der Polizei<br />

gezwungen werden können, Paßwörter,<br />

private Schlüssel oder Daten in Klarform<br />

herauszugeben. Wer weder Schlüssel<br />

noch Daten in Klarform vorweisen<br />

könne, sei mit Gefängnis von bis zu<br />

zwei Jahren bestrafbar. Demnach müßten<br />

unter Verdacht stehende Personen ihre<br />

Unschuld beweisen, nicht der Staat die<br />

Schuld. Die Meldung ist unter anderem<br />

bei heise online im News-Archiv vom<br />

13.7.99 nachlesbar).<br />

http://www.heise.de/newsticker/data/<br />

ame-13.07.99-000/ (HIT)<br />

9 Die Jura-Data GmbH München hat<br />

ihr Angebot an juristischen Internet-<br />

Seminaren erweitert. Gleichzeitig ist<br />

man mit einem langjährigen Partner zusammen<br />

gegangen und firmiert nun unter<br />

united-systems GmbH. Seminartermine<br />

für das 1. Halbjahr 2000 (grunds. Tagesseminare):<br />

Einführung Internet für Juristen: Fr.<br />

21.1., Do. 24.2., Sa. 18.3., Di. 11.4.,<br />

Fr. 19.5., Do. 29.6.;<br />

Einführung Internet für Steuerberater:<br />

Di. 25.1., Mi. 29.3., Sa. 27.5.;<br />

Wie finde ich juristische Informationen<br />

im Internet?: Fr. 25.2., Mi. 12.4., Sa.<br />

20.5.;<br />

E-Commerce und Online-Zahlungssysteme:<br />

Fr. 4.2., Sa. 8.4., Do. 8.6.;<br />

Kennzeichenschutz im Internet: Di.<br />

18.1., Fr. 3.3., Do. 18.5. (jew. 19.00 –<br />

22.00 Uhr).<br />

Weitere Infos unter: united-systems<br />

GmbH, Abt. juristische Informationssysteme,<br />

Nailastraße 11, 81737 München,<br />

Telefon: 0 89/ 63005181, Fax: 0 89/<br />

63005100<br />

http://www.united-systems.de (HIT)<br />

9 BVerfG im Internet: Ab dem 20. September<br />

1999 ist das BVerfG unter der<br />

Adresse http://www.bundesverfassungsgericht.de<br />

mit einer eigenen Homepage<br />

im Internet vertreten.<br />

Das Gericht nutzt damit die moderne<br />

Technik, um interessierte Bürgerinnen<br />

und Bürger auch auf diesem „schnellen“<br />

Weg über seine Entscheidungen, seine<br />

Organisation und die Richterinnen und<br />

Richter zu informieren.<br />

Die Homepage ist in Kooperation<br />

mit dem Institut für Rechtsinformatik<br />

der Universität Saarbrücken (http://<br />

www.jura.uni-sb.de) entwickelt worden<br />

und wird von diesem auch zukünftig<br />

technisch betreut.<br />

Das BVerfG ist das erste Gericht in der<br />

Bundesrepublik, das alle seine Entscheidungen<br />

in vollständiger Fassung (rückwirkend<br />

ab 1. Januar 1998) in das Internet<br />

einstellt. Eine elektronische Signatur<br />

gewährleistet die Authentizität der Texte<br />

und bietet die Möglichkeit, BVerfG-Entscheidungen<br />

in der Internet-Fassung zu<br />

zitieren.<br />

Neben den Entscheidungen können folgende<br />

Informationen (ab Oktober z. T.<br />

auch in englischer und französischer<br />

Sprache) abgerufen werden:<br />

– Aufgaben, Verfahren und Organisation,<br />

– Lebensläufe der derzeit amtierenden<br />

Richterinnen und Richter,<br />

– Pressemitteilungen,<br />

– Bibliothek,<br />

– ausländische Oberste Gerichte und internationale<br />

Gerichte.<br />

Diese Informationen stehen über eine<br />

„Braille-Tastatur“ auch blinden Internet-<br />

Nutzern zur Verfügung. (Quelle: Pressemitteilung<br />

Nr. 99/99 der Pressestelle des<br />

BVerfG vom 20.9.1999) (HEN)<br />

9 Ein Großteil der bisherigen Internet-<br />

Beiträge dieser Seite kann im Internet<br />

abgerufen werden. Ohne Gewähr für<br />

Aktualität und Richtigkeit zum heutigen<br />

Zeitpunkt.<br />

http://www.hitzfeld.de/veroef.htm (HIT)<br />

Zusammengestellt von Rechtsanwalt<br />

Timm Hitzfeld, Augsburg (HIT)<br />

und Rechtsanwalt Udo Henke, DAV,<br />

Bonn (HEN).

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