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Das nächste große Ding<br />

Sehr big ist das Projekt, alleine die Aufzählung der<br />

Kulturhauptstadt-Partner ist ermüdend lang. Um es<br />

kurz zu machen: Mit Maastricht bewerben sich die<br />

euregionalen Städte und Provinzen um einen Titel,<br />

der verbunden ist mit politischen Visionen und<br />

einem großen Budget. Und damit sind viele Bürgermeister,<br />

Lenkungsgruppenmitglieder, Gouverneure,<br />

Wirtschaftsförderer, Beigeordnete und Kulturpolitiker<br />

im Spiel und am Tisch. Im Aufsichtsrat der für die<br />

Bewerbung gegründeten Stiftung sitzt Jürgen<br />

Linden. Wenn einer wisse, wie man mit der Initiative<br />

Erfolg hat, dann sei er das, heißt es im Stadthuis.<br />

Seit vor etwa einem Jahr eine Absichtserklärung<br />

aller Beteiligten unterzeichnet wurde, taucht das Thema<br />

gelegentlich in den Medien auf. Viel gibt’s noch<br />

nicht zu berichten, und wenn, dann geschieht das mit<br />

einem gewissen Misstrauen gegenüber toten Begriffen<br />

wie „grenzüberschreitend“, „einmalige Chance“,<br />

„richtungweisende internationale Zusammenarbeit“.<br />

Es gibt ein großes Bedürfnis nach inhaltlichen<br />

Aussagen – und leidliche Erfahrungen mit dem<br />

kommunalen Kleinklein, in dessen Mühlen so manche<br />

berauschende Idee zermalmt wurde. Die Gründe<br />

– siehe eben Euregionale 2008 – reichen von Großspurigkeit<br />

bis Einzelkämpfertum. Beispiel: Das<br />

Museumsprojekt „Bauhaus Europa“, der Leuchtturm,<br />

startete mit teuer bezahltem Input von Rem<br />

Koolhaas und Owkui Enzewor und endete <strong>als</strong> medial<br />

aufgemotzter Touristenrundgang. Berechtigt ist <strong>als</strong>o<br />

die Sorge, dass auch im Rahmen der Kulturhauptstadt<br />

groß getönt und wenig umgesetzt wird.<br />

Vor allem in Maastricht scharrt die Kulturszene<br />

schon kräftig mit den Hufen und schaut ungeduldig<br />

auf Guido Wevers, den künstlerischen Leiter. Vier<br />

Jahre vor der Entscheidung durch den Rat der Europäischen<br />

Union würden Agenturen und Künstler am<br />

liebsten schon Förderanträge stellen, man rechnet<br />

mit 100 Millionen Euro von der EU. Gepaart mit<br />

zusätzlich akquirierten Fördermitteln der einzelnen<br />

Länder könnte sich das Budget sogar verdoppeln.<br />

Aber dem Belgier, der <strong>als</strong> Schauspieldirektor und<br />

Regisseur am Vrijthof gearbeitet hat, geht die<br />

Diskussion über die zu verteilenden Kuchenstücke<br />

deutlich zu schnell: „Wir werden natürlich auch<br />

ökonomische Impulse setzen, aber mein Ziel ist,<br />

dass die Menschen am Ende den kulturellen Reichtum<br />

der Region fühlen.“<br />

Anders <strong>als</strong> die Kulturhauptstadt-Konkurrenten<br />

Den Haag, Utrecht und Almere hält Wevers sich für<br />

Maastricht auch zurück mit der Nennung von<br />

großen Themen oder gar einem Motto. Er pocht mit<br />

seinem Bewerbungskonzept „Via2018“ auf einen<br />

bürgernahen Entwicklungsprozess, für den er sich<br />

zwei Jahre Zeit nehmen will. „Ich will und kann noch<br />

keine endgültige Richtung festlegen. Ich sehe das<br />

auch nicht <strong>als</strong> meine Aufgabe an.“<br />

In einem „Bidbook“, einer Art Blaupause für die<br />

Bewerbung, sollen bis 2012 „Bilder der Euregio“<br />

gesammelt werden. Gemeint sind Geschichten in<br />

Form von Kunstwerken, etwa Musikstücke, Bilder<br />

und Theater- oder Architekturprojekte. Kulturschaffende<br />

sollen so von der Identität der Menschen<br />

erzählen, sagt Wevers: „Bislang verstehen wir doch<br />

stadtgespräch<br />

Großprojekte ächten, das scheint in Zeiten von Stuttgart 21 recht und billig. Und uns, <strong>als</strong>o regional, packt bei der Ankündigung<br />

von dollen Mega-Events mit Jahreszahlen im Namen auch nicht unbedingt die Euphorie. Eine Folge der Euregionale 2008.<br />

Nun steht die Bewerbung für den Titel Kulturhauptstadt Maastricht 2018 an. Von Lutz Bernhardt<br />

Herbst 2009:<br />

Unterzeichnung<br />

der Absichtserklärung<br />

der Partner<br />

Herbst 2012:<br />

Fertigstellung des<br />

Bidbooks. Offizieller<br />

Bewerbungsschluss<br />

Guido Wevers, Künstlerischer Leiter<br />

Frühjahr 2014:<br />

Bekanntgabe des<br />

Titelträgers durch den Rat<br />

der Europäischen Union<br />

ehrlicherweise die Euregio nur <strong>als</strong> intellektuelle Konstruktion.<br />

Wir sehen sie aber nicht mit dem Herzen.<br />

Aber genau das müssen wir erreichen, wir müssen<br />

deshalb in den Alltag der Leute rein.“ Funktionieren<br />

soll das über eine sehr direkte Ansprache der<br />

Bevölkerung.<br />

Wevers setzt zum Beispiel auf Blogs und eine<br />

breite Vernetzung durch soziale Medien, durch die<br />

Herbst 2018:<br />

Feierlichkeiten und<br />

ganzjähriges Programm der<br />

Kulturhauptstadt Europas<br />

er zur Beteiligung aufrufen und den Prozess transparent<br />

machen will. Gleichzeitig – und damit hat er<br />

schon begonnen – bereist er die Gemeinden der fünf<br />

Regionen, sucht den Dialog. Viele Pläne, zum<br />

Beispiel für ein Songprojekt, lägen schon in den<br />

Schubladen. Und wenn demnächst auch der<br />

geschäftsführende Direktor für die Bewerbungsinitiative<br />

fest steht, soll es richtig losgehen.<br />

Im Maastrichter Rathaus, wo man nach Rezepten<br />

gegen die Überalterung Süd-Limburgs sucht, wo<br />

man damit rechnet, dass der Anteil der arbeitenden<br />

Bevölkerung in Zukunft um ein Drittel schrumpft,<br />

da wird manchem Politiker die Kulturhauptstadt<br />

tatsächlich wie die Lösung vieler Probleme vorkommen<br />

– in Sachen Identität und Aufschwung. Identität,<br />

weil viele junge Menschen immer weniger Gründe<br />

sehen, in ihrer Heimat zu bleiben. Wenn sie blieben,<br />

hier studierten und Existenzen gründeten, wäre das<br />

schon mal ein Teil des Aufschwungs. „Schauen Sie<br />

nach Lille“, sagt Jacques Costongs, Beigeordneter<br />

für Kultur und Haushalt, „nach dem es Kulturhauptstadt<br />

wurde, waren die Menschen wieder stolz auf<br />

ihre Stadt.“ Und dann verspricht man sich von dem<br />

Imagegewinn natürlich touristische Effekte und am<br />

Ende auch Unternehmensansiedlungen.<br />

Guido Wevers nennt die Phase bis zur Erstellung<br />

des Bidbooks eine „Expedition“. Dass die Kommunen<br />

die Kultur <strong>als</strong> Motor für gesellschaftlichen Fortschritt<br />

erkannt haben und entsprechend fördern,<br />

das sei eine wichtige Entwicklung. Aber man spürt<br />

auch sein Unbehagen, das Thema Kunst und die<br />

Kulturhauptstadt speziell nur <strong>als</strong> Vehikel für Prosperität<br />

zu betrachten. Vor allem wenn es in dem<br />

Anspruch auf eine kulturelle Deutungshoheit der<br />

Politiker münde. Nein, die Menschen, so solle man<br />

das sehen, die Menschen bilden das kulturelle Kapital.<br />

Und das muss jetzt erstmal gefunden werden. ///<br />

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