26.07.2013 Aufrufe

PONTISCHE VASEN - L'Erma di Bretschneider

PONTISCHE VASEN - L'Erma di Bretschneider

PONTISCHE VASEN - L'Erma di Bretschneider

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts darstellen, haben ein festeres und bestimmteres Profil. Die pontischen<br />

haben gleichsam einen Anflug von Bescheidenheit, gleichzeitig aber auch vo n Weichheit. Und <strong>di</strong>ese Weich-<br />

heit ist kleinasiatisch-jonisch.<br />

Die Dekoration ist in folgender für <strong>di</strong>e pontischen Vasen charakteristischen Weise gesetzt : auf dem Hals<br />

Ornament, auf der Schulter das geteilte Bild, in der Zone des größten Umfangs Ornament, weiter unten<br />

Fries mit wilden und fantastischen Tieren, danach Strahlenkranz. Der schwarze Firnis mit seinem Metall-<br />

glanz erscheint nur an Mündung, Fuß, Henkeln, deren Umgebung; so empfängt man den Eindruck einer<br />

fröhlichen Buntheit, eines lebhaften Durcheinanders verschiedener Farben: an erster Stelle das Gelbrot<br />

des Tons, dann das Schwarz des Firnis, von Weiß und lebhaftem Rot. Das ist ein Gegensatz zu der Strenge<br />

attischer Vasen, <strong>di</strong>e ganz oder großenteils auf <strong>di</strong>e Wirkung des schwarzen Metallglanzes gestellt sind; statt<br />

dessen hier <strong>di</strong>e Vorliebe für <strong>di</strong>e koloristische Wirkung, für das laute und pretiöse, d ie nicht nur eine j οni-<br />

sche, sondern auch eine etruskische Eigenheit ist. Und <strong>di</strong>eser Eindruck des lebhaften bestätigt und ver-<br />

stärkt sich in uns, wenn wir nun von einer Gesamtbetrachtung zu einer genaueren Musterung von Schmuck<br />

und Bild übergehen.<br />

Die Ornamente auf dem Hals und um den Leib, abwechselnd Mäanderglieder und Sterne, sind in der<br />

Unτegelmäßigkeit ihrer Züge weniger kunst- und ausdrucksvoll, als Äußerung eines unbefangenen spin-<br />

tanen Geistes und haben den Charakter einer geschickten Bewegung. Das tierische und dämonische Wesen,<br />

das einst im orientalisierenden Stil völlig dominierte, ist hier auf <strong>di</strong>e Unterzone verbannt. Wir werden sehen,<br />

wie <strong>di</strong>ese Elemente, auf einigen pontischen Vasen vorherrschend, sogar alleinherrschend bleiben. Die wilden<br />

und Wundertiere sind von rechts nach links bewegt: in der Mitte ein Seelenvogel, von dem nach beiden<br />

Seiten Lotosranken wachsen, beiderseits folgen je ein Löwe mit geöffnetem Rachen, ein Panter mit spitzem<br />

Kopf in Vorderansicht und ein Greif mit geschlossenem Schnabel und rotem Halslappen, <strong>di</strong>es eine Selten-<br />

heit in jonischer Kunst. Unterstrichen wird <strong>di</strong>e Monotonie und Gleichförmigkeit der beiden Dreiergruppen<br />

dadurch, daß einmal der Greif, einmal der Panter d ie rechte Vorderpfote erhebt. Bemerkenswert ist der<br />

weiße Bauchstreifen der Tiere; er erscheint häufig auf pontischen Vasen.<br />

Das Hauptinteresse ruht beim Figurenbild. Ein Mythos: Hera, Athena, Aphro<strong>di</strong>te, ihnen voraus nicht<br />

nur Hermes, unbärtig (ein jonischer Zug) sondern auch ein Greis, charakterisiert durch <strong>di</strong>e Weiße des langen<br />

Haupt- und Baarthaares, des Schnurrbarts und der Augenbrauen, also Ρriam οs7, nahen sich dem könig-<br />

lichen Hirten Paris. Er ist unbärtig und steht bereit, <strong>di</strong>e ungewöhnliche Gesellschaft, <strong>di</strong>e auf den Ida ge-<br />

stiegen ist, zu begrüßen. Hinter ihm drängt sich das Rindvieh, auf der Kruppe des einen Tieres sitzt ein<br />

Rabe. Der gute Hirtenhund sitzt und wendet den Kopf, <strong>di</strong>e Zunge hängt ihm aus dem Maul, man hört ihn<br />

mühsam und laut atmen; im Gegensatz dazu steht <strong>di</strong>e gedul<strong>di</strong>ge Stille der Rinder. Das Tierstück ist von einer<br />

unbefangenen Natürlichkeit und klarem Ausdruck. Man beachte auch den vorgestreckten Rabenschnabel!<br />

Dies Bild des Parisurteils hebt sich aus allen anderen Darstellungen <strong>di</strong>eses Mythos durch einen Akzent<br />

von Humor heraus; er liegt in den Gesichtszügen, Haltungen, Gesten der beteiligten Personen. Es ist <strong>di</strong>e<br />

Darstellung eines leben<strong>di</strong>gen caustischen Geistes, der den olympischen und heroischen Personen • der Szene<br />

einen betont menschlichen Zug verleiht. Das Drama ist zur Köm ο<strong>di</strong>e gewandelt. Aus göttlicher und heroi-<br />

scher Größe ist eine bürgerliche, etwas karikierte, fast lächerliche Unbefangenheit geworden. Also waren<br />

Er trägt ein Kerykeion, Boetzkes, Das Kerykcion (Diss. Gießen 1913) S. 12. B. nennt ihn daher Zeus. Das doppelt geflochtene<br />

Kerykrion ist bekanntlich jonisch und jono-etruskisch.<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!