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Das Kulturzentrum als Signal der Stadtentwicklung - Bauwelt

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20 Thema <strong>Kulturzentrum</strong> im Krisenland<br />

<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013<br />

<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013 21<br />

Oben: Academy Street mit<br />

Blick auf das <strong>Kulturzentrum</strong><br />

MAC von Westen; links die<br />

Universität, rechts im Vor<strong>der</strong>grund<br />

St. Anne’s Cathedral.<br />

Die weiße Fläche auf <strong>der</strong><br />

Brandwand des MAC dient<br />

für Projektionen. Rechte<br />

Seite: Der St. Anne’s Square<br />

im Block inneren<br />

Lageplan im Maßstab 1:5000<br />

Kleines Foto: ub<br />

Beispiel Belfast:<br />

<strong>Das</strong> <strong>Kulturzentrum</strong> <strong>als</strong> <strong>Signal</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Stadtentwicklung</strong><br />

Architekten Hackett Hall McKnight Text Ulrich Brinkmann Fotos Christian Richters<br />

Mit dem „Karfreitagsabkommen“ im April 1998 hat <strong>der</strong> Jahrzehnte<br />

währende Ausnahmezustand in Belfast ein Ende gefunden.<br />

<strong>Das</strong> von den Bomben des Zweiten Weltkriegs, <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungswut<br />

<strong>der</strong> sechziger Jahre und <strong>der</strong> Gewalt <strong>der</strong> „troubles“<br />

in den Siebzigern versehrte Stadtbild <strong>der</strong> nordirischen Hauptstadt<br />

hat sich erholen können. Neue Entwicklungen konzentrierten<br />

sich dabei auf die Uferzonen des Lagan und ehemalige<br />

Hafen­ und Werftareale. Mit <strong>der</strong> Eröffnung des Kunst­ und<br />

<strong>Kulturzentrum</strong>s „MAC“ im April letzten Jahres wurde nun ein<br />

großer Schritt hin zur Wie<strong>der</strong>belebung auch des nördlichen<br />

Zentrums unternommen. <strong>Das</strong> von den Belfaster Architekten<br />

Hall McKnight Hackett geplante Projekt – die drei Buchstaben<br />

stehen <strong>als</strong> Abkürzung für Metropolitan Arts Centre, sind aber<br />

auch <strong>als</strong> Ableitung vom alten Namen OMAC (Old Museum<br />

Arts Centre) zu verstehen – wird innerhalb <strong>der</strong> Belfaster Bevölkerung<br />

durchaus <strong>als</strong> stadtentwicklungspolitisches <strong>Signal</strong> verstanden.<br />

Mit dem Bau des <strong>Kulturzentrum</strong>s hat sich <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />

von Belfast verschoben, in Richtung <strong>der</strong> wirtschaftlich<br />

benachteiligten nördlichen Quartiere.<br />

<strong>Das</strong> Cathedral Quarter, wie dieser Teil <strong>der</strong> Stadt aufgrund<br />

<strong>der</strong> in Sichtweite zueinan<strong>der</strong> gelegenen protestantischen und<br />

katholischen Bischofskirchen heißt, bietet ein disparates Bild.<br />

Brachflächen wechseln sich ab mit verfallenden Altbauten, dazwischen<br />

Neues von wenig erheben<strong>der</strong> Qualität. Zwei solcher<br />

Neubauten rahmen das MAC, wenn man von <strong>der</strong> St. Anne’s<br />

Cathedral blickt: linkerhand, nördlich <strong>der</strong> Academy Street, das<br />

Gebäude <strong>der</strong> University of Ulster für die Design­ und Architekturfakultäten,<br />

rechterhand und direkt angrenzend <strong>der</strong> U­förmige<br />

Saint Anne’s Square mit Wohnungen, Geschäften und<br />

Gastronomie.<br />

<strong>Das</strong>s das MAC in dieser Nachbarschaft unübersehbar ins<br />

Auge fällt, ist aber nicht nur seiner an<strong>der</strong>en architektonischen<br />

Ambition, son<strong>der</strong>n auch einem Zufall zu verdanken: Bislang<br />

steht das MAC zur Universität hin frei; das benachbarte, brach<br />

liegende Grundstück wird lediglich <strong>als</strong> Parkplatz einer Behörde<br />

genutzt. Sollte es <strong>der</strong>einst bebaut werden und die lange,<br />

verklinkerte Brandwand des MAC verschwinden, wird dessen<br />

hervorstechendste Eigenschaft aber nur noch deutlicher: <strong>Das</strong><br />

<strong>Kulturzentrum</strong> ist das genaue Gegenteil eines solitären Gebäudes.<br />

Die Architekten Alastair Hall und Ian McKnight (im<br />

Wettbewerb 2007 noch in Partnerschaft mit Mark Hackett)<br />

haben das Gebäude vielmehr darauf angelegt, mit dem städti­


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<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013<br />

<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013 23<br />

Die Oberflächen <strong>der</strong> Halle sind<br />

analog zu den Außenfassaden<br />

gestaltet. Die Schalung<br />

<strong>der</strong> Betonfläche spielt an<br />

auf den brutalistischen Erweiterungsbau<br />

des Ulster Museum<br />

aus den 1960er Jahren<br />

(siehe Inhaltsseite).<br />

schen Gefüge zu verschmelzen und dabei außen wie innen<br />

Gassen, Straßen und Plätze zu bilden, die unterschiedlichsten<br />

Ereignissen Raum geben können.<br />

Der Reichtum an Eindrücken, den das Gebäude bereit<br />

hält, überrascht umso mehr, bedenkt man, dass zum Zeitpunkt<br />

des Wettbewerbs quasi keinerlei Kontext existierte: Die<br />

umgebende Bebauung war schon Jahre zuvor abgerissen worden,<br />

vage Anhaltspunkte waren allein eine historische Wegeverbindung,<br />

die ungefähr entlang <strong>der</strong> nördlichen Grundstücksgrenze<br />

durch den Block führte, und die Planung für den<br />

St. Anne’s Square. Auch ohne diese Information aber merkt<br />

<strong>der</strong> Betrachter schnell, dass er hier vor dem Werk eines jungen<br />

Büros steht, das den Ehrgeiz hatte, ein architektonisches Manifest<br />

zu realisieren, vom Städtebau bis ins Detail: ein Manifest<br />

für den öffentlichen Raum, welchem in <strong>der</strong> noch immer<br />

von kilometerlangen „peace walls“ durchschnittenen Stadt<br />

Belfast eine beson<strong>der</strong>e Dringlichkeit erwächst.<br />

Multiple Maßstäbe für vielfältiges Programm<br />

„We select, create and mix up music, theatre, dance and art“,<br />

verkündet das MAC auf seiner Website. <strong>Das</strong> für diesen multi­<br />

disziplinären Ansatz nötige Raumprogramm – ein Theater für<br />

350 Zuschauer und eines für 120, Ausstellungsräume, Tanzsäle,<br />

Werkstätten, Gastronomie, Stipendiatenstudios – haben die<br />

Architekten auf drei Baukörper verteilt, welche eine halböffentliche,<br />

gebäudehohe Wegeverbindung von <strong>der</strong> St. Anne’s<br />

Cathedral zum St. Anne’s Sqare modulieren. Nach den ersten<br />

Monaten Betrieb scheint diese Verbindung <strong>als</strong> öffentlicher<br />

Raum voll angenommen zu sein: von Familien ebenso wie von<br />

älteren Menschen und Studenten; von Besuchern, die sich für<br />

eine <strong>der</strong> Ausstellungen o<strong>der</strong> Veranstaltungen interessieren,<br />

ebenso wie von Gästen, die nur für eine Verabredung o<strong>der</strong><br />

zum Essen gekommen sind.<br />

Die Inszenierung dieses Raums ist eindrucksvoll. Nach<br />

dem schmalen Fassadenabschnitt, mit dem sich das MAC hinter<br />

dem Chor <strong>der</strong> Kathedrale zum Stadtzentrum wendet, tritt<br />

<strong>der</strong> Besucher durch eine niedrige Tür und steht zunächst vor<br />

dem etwas tiefer liegenden Raum für Wechselausstellungen.<br />

Erst mit einer Wendung nach links gelangt er in die Halle. Der<br />

hohe Raum ist das Herz des Gebäudes. Hier beginnen die Treppen<br />

hinauf zu den Theaterrängen, den Ausstellungsräumen,<br />

Werkstätten und Studios, hierhin orientieren sich aber auch<br />

Der Weg durchs Haus führt<br />

durch eine große Halle,<br />

die sich nach Westen, zur<br />

St. Anne’s Cathedral, mit<br />

einem großen Fenster öffnet.<br />

Rechts: Schnittperspektive<br />

durch Theater und Halle mit<br />

Blick nach Süden<br />

die drei Gebäudevolumen mit <strong>als</strong> Fassaden gestalteten Wänden.<br />

Noch von ganz oben, aus dem Ausstellungsraum über<br />

dem großen Theater, blickt man durch eine Pfeilerordnung in<br />

diese Halle, und zwei Balkone in <strong>der</strong> Südostecke verlängern<br />

die Foyers in den Obergeschossen in diesen Raum.<br />

Doch ebenso, wie die einzelnen Räume versuchen, mit<br />

dem „öffentlichen Raum“ im Inneren des MAC in Beziehung<br />

zu treten, suchen sie auch den Kontakt mit <strong>der</strong> Außenwelt.<br />

Die Terrasse über dem Eingang vom St. Anne’s Square beweist<br />

den Sinn <strong>der</strong> Architekten für das theatralische Potenzial dieser<br />

Verbindung; die großen Fenster, mit denen <strong>der</strong> Ausstellungsbereich<br />

im zweiten und dritten Obergeschoss auf diesen Platz<br />

und zur Kathedrale blickt, zeigt eine eher beiläufige Version<br />

dieses Interesses.<br />

Innen­ und Außenfassaden sind folglich analog geglie<strong>der</strong>t:<br />

aufbauend auf einem Muster aus vertikalen Streifen, das<br />

mal ein Relief bildet, mal eine Fensterverteilung organisiert,<br />

mal <strong>als</strong> Pfeilerstruktur in Erscheinung tritt. Gewöhnliche Materialien<br />

– Beton und <strong>der</strong> die Stadt weithin prägende Backstein<br />

– bilden die Oberflächen; einzig für den „Campanile“ und die<br />

angrenzende Sockelzone am St. Anne’s Square wurde Edleres<br />

Diesem Manifest für den öffentlichen<br />

Raum erwächst in <strong>der</strong><br />

noch immer von „peace walls“<br />

durchschnittenen Stadt eine<br />

beson<strong>der</strong>e Dringlichkeit


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<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013<br />

<strong>Bauwelt</strong> 13 | 2013 25<br />

<strong>Das</strong> große Auditorium erfüllt<br />

alle Anfor<strong>der</strong>ungen an Flexibilität<br />

und Werkstattatmosphäre,<br />

verfügt mit seinen, auf<br />

<strong>der</strong> einen Seite <strong>als</strong> Loggia,<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>als</strong> Terrasse,<br />

gestalteten Rängen aber auch<br />

über eigenen Raumcharakter<br />

Grundrisse im Maßstab 1:750<br />

verwendet: ein – ebenfalls lokal gewonnener – Basalt von fünf<br />

Zentimeter Dicke, dessen seidig­weich polierte Oberfläche unweigerlich<br />

zum Darüberstreichen animiert.<br />

18 Millionen Pfund Sterling, rund 20,5 Millionen Euro,<br />

hat <strong>der</strong> Bau des MAC gekostet, finanziert zum überwiegenden<br />

Teil durch das nordirische Department for Culture Arts & Leisure,<br />

das Department for Social Development und das Arts<br />

Council of Northern Ireland, zum kleineren durch örtliche<br />

Unternehmen und Verbände. <strong>Das</strong> Arts Council war es auch,<br />

das vor rund zehn Jahren das Projekt eines Zentrums für die<br />

verschiedenen, über die Stadt verstreuten Kunst­ und Kulturträger<br />

ersonnen hat. Unter diesen erwies sich das OMAC <strong>als</strong><br />

<strong>der</strong> engagierteste Partner, <strong>der</strong> das Bau­ und Veranstaltungsprogramm<br />

formulieren half und die Mitwirkung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Gruppen koordinierte. Die räumliche Vielgliedrigkeit, mit <strong>der</strong><br />

das <strong>Kulturzentrum</strong> dem Besucher gegenübertritt, ist mithin<br />

auch ein Spiegel <strong>der</strong> Geschichte, <strong>der</strong> Finanzierung und <strong>der</strong><br />

Trägerschaft des MAC. Sein Erfolg dürfte in <strong>der</strong>en Kleinteiligkeit<br />

mitbegründet liegen – ein von Gemeinsinn durchwirkter<br />

Antisolitär auch in dieser Hinsicht. ▪<br />

1 Foyer<br />

2 Café<br />

3 Kasse/Shop<br />

4 Bar<br />

5 Ausstellung<br />

6 Auditorium<br />

7 Gar<strong>der</strong>obe<br />

4. OG<br />

3. OG<br />

10 5<br />

12<br />

7<br />

1. OG<br />

EG<br />

7<br />

13<br />

12 11<br />

8<br />

13<br />

7<br />

8 Bühnenbild<br />

9 Studiobühne<br />

10 Projektraum<br />

11 Lager<br />

12 Verwaltung<br />

13 Werkstatt<br />

14 Stipendiaten<br />

11<br />

1<br />

10<br />

14<br />

7 2<br />

6 3 4<br />

1<br />

1<br />

9<br />

5<br />

5<br />

1<br />

4<br />

2<br />

Architekten<br />

Hackett Hall McKnight,<br />

Belfast<br />

Mitarbeiter<br />

David Black, Susie Carson,<br />

Kate Doherty, Richard<br />

Dough erty, Matthew McCrum,<br />

William McGonigle, Nigel<br />

Murray, Anna Nowacka,<br />

Niall O Hare, Will Thornton,<br />

Mark Todd, Ronan Watts<br />

Tragwerksplanung, Haustechnik<br />

und Akustik<br />

Buro Happold, London<br />

Bauherr<br />

Metropolitan Arts Centre,<br />

Belfast<br />

Hersteller<br />

Licht Erco, Zumtobel<br />

Verglasung Schüco<br />

Akustikdecken Sto<br />

Stoffe Kvadrat<br />

▸ www.bauwelt.de/herstellerindex<br />

Der Ausstellungsraum im<br />

vierten Obergeschoss öffnet<br />

sich in die zentrale Halle<br />

und erhält durch Oberlichter<br />

Tageslicht.<br />

Nebenstehend <strong>der</strong> Tanzsaal,<br />

darunter ein Projekt- und<br />

Werkstattraum.

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