EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland
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alle Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger als e<strong>in</strong> wesentliches Ziel gesellschaftlichen Handelns.<br />
Dabei versteht sie die Option für die Armen nicht nur als Bekämpfung extremer<br />
materieller Armut, sondern als Sicherung des sozio-kulturellen Existenzm<strong>in</strong>imums.<br />
Der E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel für diese Zwecke steht der Gestaltungsfreiheit der<br />
E<strong>in</strong>zelnen nicht entgegen. Denn auch Armut und Ausgrenzung müssen als Verletzung<br />
der Freiheit verstanden werden, weil sie e<strong>in</strong>en Mangel an Verwirklichungschancen<br />
bedeuten. Um Teilhabemöglichkeiten für alle zu gewährleisten, müssen<br />
bestimmte Aufgaben vom Staat übernommen und bestimmte Güter als öffentliche<br />
Güter bereitgestellt werden. Dass dies wiederum allen dient, lässt sich im Vergleich<br />
verschiedener europäischer Volkswirtschaften feststellen: Länder, die mit ihrer<br />
Politik e<strong>in</strong>en starken Fokus auf Armutsbekämpfung legen können, werden dadurch<br />
nicht geschwächt, sondern s<strong>in</strong>d tendenziell leistungsstärker als solche, die e<strong>in</strong> sehr<br />
starkes Ause<strong>in</strong>anderklaffen von Armut und Reichtum h<strong>in</strong>nehmen.<br />
(13) Damit er<strong>in</strong>nert die evangelische <strong>Kirche</strong> zugleich daran, dass Besitz und<br />
Gew<strong>in</strong>n nicht nur der eigenen Existenzsicherung und dem persönlichen Nutzen dienen.<br />
Biblisch verstanden, s<strong>in</strong>d Talente, Wohlstand und Reichtum anvertraute Güter,<br />
die wir nutzen sollen, um auch anderen Lebensmöglichkeiten zu eröffnen und ihnen<br />
<strong>in</strong> Not und Krisensituationen zur Seite zu stehen. Das hält auch die Verfassung der<br />
Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit dem H<strong>in</strong>weis auf die soziale Verpflichtung des<br />
Eigentums fest. Dies rechtfertigt e<strong>in</strong>e angemessen hohe Besteuerung der Leistungsfähigen,<br />
die damit ihren Beitrag zur sozialen Umverteilung leisten. Daneben haben<br />
Stiftungen und Spenden e<strong>in</strong>e ergänzende Funktion im Sozialen, <strong>in</strong> der Kultur und<br />
im Umweltschutz. Die jüngst bekannt gewordene große Zahl von wohlhabenden<br />
Steuerpflichtigen, die Gestaltungsspielräume bis zum letzten ausnutzen oder sich<br />
der Steuerzahlung gänzlich entzogen haben, kennzeichnet e<strong>in</strong>e skandalöse Situation.<br />
E<strong>in</strong> solches Verhalten wirtschaftlich Starker dient vielen anderen als Rechtfertigung<br />
dafür, dass auch sie den Staat z.B. durch Schwarzarbeit umgehen und<br />
betrügen können. Beides ist nicht h<strong>in</strong>zunehmen. Die ehrliche Erklärung und Entrichtung<br />
der Steuern ist Ausdruck der Solidaritätsverpflichtung aller. Es gehört zur<br />
bürgerlichen Selbstachtung, das Geme<strong>in</strong>wesen zu stärken, <strong>in</strong> dem wir leben. E<strong>in</strong><br />
konstruktives Beispiel ist die österreichische Kampagne „Ich b<strong>in</strong> Steuerzahler“, die<br />
die Bedeutung von Steuern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
rückt.<br />
(14) Mit den vorliegenden Überlegungen will die evangelische <strong>Kirche</strong> deshalb<br />
nicht zuletzt e<strong>in</strong>en Beitrag zur Stärkung der Steuermoral leisten. Das Besondere an<br />
der Steuermoral liegt dar<strong>in</strong>, dass sie im Alltag weit h<strong>in</strong>ter den allgeme<strong>in</strong>en Moralvorstellungen<br />
rangiert. Menschen, die sonst für sich e<strong>in</strong>e hohe Moralität beanspruchen<br />
und auch leben, orientieren sich als Steuerzahler an ganz anderen (niedrigeren)<br />
Handlungsmaximen. Wenn e<strong>in</strong>e derartige Attitüde um sich greift und Ausdruck<br />
der Steuermentalität größerer Bevölkerungskreise oder der Gesamtbevölkerung<br />
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