06.08.2013 Aufrufe

EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

alle Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger als e<strong>in</strong> wesentliches Ziel gesellschaftlichen Handelns.<br />

Dabei versteht sie die Option für die Armen nicht nur als Bekämpfung extremer<br />

materieller Armut, sondern als Sicherung des sozio-kulturellen Existenzm<strong>in</strong>imums.<br />

Der E<strong>in</strong>satz öffentlicher Mittel für diese Zwecke steht der Gestaltungsfreiheit der<br />

E<strong>in</strong>zelnen nicht entgegen. Denn auch Armut und Ausgrenzung müssen als Verletzung<br />

der Freiheit verstanden werden, weil sie e<strong>in</strong>en Mangel an Verwirklichungschancen<br />

bedeuten. Um Teilhabemöglichkeiten für alle zu gewährleisten, müssen<br />

bestimmte Aufgaben vom Staat übernommen und bestimmte Güter als öffentliche<br />

Güter bereitgestellt werden. Dass dies wiederum allen dient, lässt sich im Vergleich<br />

verschiedener europäischer Volkswirtschaften feststellen: Länder, die mit ihrer<br />

Politik e<strong>in</strong>en starken Fokus auf Armutsbekämpfung legen können, werden dadurch<br />

nicht geschwächt, sondern s<strong>in</strong>d tendenziell leistungsstärker als solche, die e<strong>in</strong> sehr<br />

starkes Ause<strong>in</strong>anderklaffen von Armut und Reichtum h<strong>in</strong>nehmen.<br />

(13) Damit er<strong>in</strong>nert die evangelische <strong>Kirche</strong> zugleich daran, dass Besitz und<br />

Gew<strong>in</strong>n nicht nur der eigenen Existenzsicherung und dem persönlichen Nutzen dienen.<br />

Biblisch verstanden, s<strong>in</strong>d Talente, Wohlstand und Reichtum anvertraute Güter,<br />

die wir nutzen sollen, um auch anderen Lebensmöglichkeiten zu eröffnen und ihnen<br />

<strong>in</strong> Not und Krisensituationen zur Seite zu stehen. Das hält auch die Verfassung der<br />

Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit dem H<strong>in</strong>weis auf die soziale Verpflichtung des<br />

Eigentums fest. Dies rechtfertigt e<strong>in</strong>e angemessen hohe Besteuerung der Leistungsfähigen,<br />

die damit ihren Beitrag zur sozialen Umverteilung leisten. Daneben haben<br />

Stiftungen und Spenden e<strong>in</strong>e ergänzende Funktion im Sozialen, <strong>in</strong> der Kultur und<br />

im Umweltschutz. Die jüngst bekannt gewordene große Zahl von wohlhabenden<br />

Steuerpflichtigen, die Gestaltungsspielräume bis zum letzten ausnutzen oder sich<br />

der Steuerzahlung gänzlich entzogen haben, kennzeichnet e<strong>in</strong>e skandalöse Situation.<br />

E<strong>in</strong> solches Verhalten wirtschaftlich Starker dient vielen anderen als Rechtfertigung<br />

dafür, dass auch sie den Staat z.B. durch Schwarzarbeit umgehen und<br />

betrügen können. Beides ist nicht h<strong>in</strong>zunehmen. Die ehrliche Erklärung und Entrichtung<br />

der Steuern ist Ausdruck der Solidaritätsverpflichtung aller. Es gehört zur<br />

bürgerlichen Selbstachtung, das Geme<strong>in</strong>wesen zu stärken, <strong>in</strong> dem wir leben. E<strong>in</strong><br />

konstruktives Beispiel ist die österreichische Kampagne „Ich b<strong>in</strong> Steuerzahler“, die<br />

die Bedeutung von Steuern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

rückt.<br />

(14) Mit den vorliegenden Überlegungen will die evangelische <strong>Kirche</strong> deshalb<br />

nicht zuletzt e<strong>in</strong>en Beitrag zur Stärkung der Steuermoral leisten. Das Besondere an<br />

der Steuermoral liegt dar<strong>in</strong>, dass sie im Alltag weit h<strong>in</strong>ter den allgeme<strong>in</strong>en Moralvorstellungen<br />

rangiert. Menschen, die sonst für sich e<strong>in</strong>e hohe Moralität beanspruchen<br />

und auch leben, orientieren sich als Steuerzahler an ganz anderen (niedrigeren)<br />

Handlungsmaximen. Wenn e<strong>in</strong>e derartige Attitüde um sich greift und Ausdruck<br />

der Steuermentalität größerer Bevölkerungskreise oder der Gesamtbevölkerung<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!