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EKD-Text 106 - Evangelische Kirche in Deutschland

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hohe „Produktivität“ der Rechtsprechung, die den Gesetz- und Verordnungsgeber<br />

zu ständigen Korrekturen <strong>in</strong> der Steuergesetzgebung zw<strong>in</strong>gt. Obwohl die Veränderungen<br />

häufig dazu dienen sollen, Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung zu vermeiden,<br />

ist das Gerechtigkeitsempf<strong>in</strong>den der Bevölkerung nicht zufrieden gestellt.<br />

Zwei Drittel der Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung, die soziale Gerechtigkeit<br />

im Lande habe <strong>in</strong> den letzten Jahren abgenommen, wobei neben anderen<br />

Faktoren die Ansichten zur Steuergerechtigkeit e<strong>in</strong> nicht unerhebliches Gewicht<br />

haben dürften. Das Gefühl vieler, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie für den Staat zu arbeiten, muss<br />

durch Ausgabentransparenz und e<strong>in</strong>e gerechte Steuerpolitik überwunden werden.<br />

(4) Die christliche Sozialethik thematisiert Fragen e<strong>in</strong>er verantwortbaren Gestaltung<br />

sozialer Strukturen und Ordnungen. In Entsprechung zu den gesellschaftlichen<br />

Differenzierungen hat sich auch die Sozialethik <strong>in</strong> verschiedene Bereichsethiken<br />

ausdifferenziert (z.B. Wirtschafts- oder Bioethik), wobei e<strong>in</strong>e Kommunikation zwischen<br />

den Bereichsethiken bis h<strong>in</strong> zu verb<strong>in</strong>denden Netzwerken unerlässlich ist.<br />

„Soziale Gerechtigkeit“ könnte <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne aufgegliedert werden <strong>in</strong> Chancengerechtigkeit,<br />

Bedarfsgerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Risikogerechtigkeit,<br />

Geschlechter-, Leistungs-, Familien-, Bildungsgerechtigkeit u.a.m.. In Fragen<br />

der Steuergerechtigkeit jedoch geht es darum, die verschiedenen Perspektiven so<br />

aufe<strong>in</strong>ander zu beziehen, dass die Addition unterschiedlicher Bezüge nicht zu<br />

immer mehr Differenzierung und Unüberschaubarkeit führt, sondern stattdessen<br />

e<strong>in</strong> Gesamtsystem entsteht, das möglichst vielen gerecht wird und für alle Gutwilligen<br />

e<strong>in</strong>sichtig ist.<br />

1.2. Biblische Grundlagen<br />

(5) Steuern und Abgaben s<strong>in</strong>d seit den Zeiten des Alten Testaments e<strong>in</strong> zentrales<br />

Instrument des gesellschaftlichen Zusammenhalts; sie s<strong>in</strong>d aber auch Thema der<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung. Beim Nachdenken über die biblischen Grundlagen für unser<br />

heutiges Handeln muss selbstverständlich berücksichtigt werden, dass sich die Vorstellungen<br />

über das Verhältnis von menschlichem Handeln und göttlichem Segen,<br />

oder von staatlicher und religiöser Verantwortung, seit biblischen Zeiten erheblich<br />

verändert haben. So ist das Alte Testament durch die Vorstellung geprägt, für das<br />

Gel<strong>in</strong>gen und Gedeihen des eigenen Handelns sei es notwendig, die Gabe des Landes<br />

und den Segen der Erträge – dabei handelte es sich <strong>in</strong> der Frühzeit vor allem um die<br />

Erstgeburt des Viehs und die Erstl<strong>in</strong>gsfrüchte – pars pro toto wieder loszulassen und<br />

Gott als dem Geber aller Gaben anzuvertrauen. „Man soll nicht mit leeren Händen<br />

vor me<strong>in</strong>em Angesicht ersche<strong>in</strong>en“, heißt es deshalb an drei Stellen im Alten Testament<br />

(Ex. 23,15, 34,20 und Dtn. 16,16). Damit wird die Bereitschaft zu Abgaben im<br />

Rahmen der kultisch begangenen Jahresfeste mit Nachdruck e<strong>in</strong>geschärft.<br />

Aus den frühen Formen der Natural-Abgabe entwickelte sich nach und nach die<br />

Institutionalisierung des sogenannten „Zehnten“, die als e<strong>in</strong>e Art Naturalsteuer auf<br />

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