Spezielle Schmerztherapie - Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik ...
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<strong>Spezielle</strong> <strong>Schmerztherapie</strong><br />
als <strong>Berufsgenossenschaftliche</strong>s stationäres<br />
Heilverfahren<br />
an der <strong>Unfallklinik</strong> Murnau<br />
Definition und Problematik chronischer Schmerzen<br />
Die eingebundenen Fachdisziplinen<br />
Behandlungsziele<br />
Behandlungsinhalte<br />
Berichterstattung
1. Definition und Problematik chronischer Schmerzen<br />
Halten Schmerzen nach einer Verletzung mehr als drei Monate an, dann spricht man<br />
von einem „chronischen Schmerz“. Kritische Chronifizierungsprozesse können<br />
jedoch schon sieben bis zwölf Wochen nach einem schmerzauslösenden Ereignis<br />
ein. Die individuell unterschiedliche Schmerzempfindlichkeit ist u. a. von<br />
physiologischen Prädispositionen, psychophysiologischen und psychosozialen<br />
Faktoren, kognitiven Attributierungen und vergangenen Schmerzerfahrungen<br />
abhängig. Dies führt zu unterschiedlichem Leidensdruck der Patienten mit<br />
Dauerschmerzen, selbst wenn gleiche Schmerzreize oder Schmerzursachen zu<br />
Grunde liegen.<br />
2. Die eingebundenen Fachdisziplinen (Interdisziplinarität)<br />
Die biopsychosoziale Komplexität des Phänomens Schmerz, die sich in körperlicher<br />
Schonhaltung, psychischem Vermeidungsverhalten und sozialem Rückzug äußert,<br />
verlangt nach Einbindung mehrerer Fachdisziplinen bei der Prävention und<br />
Behandlung chronischer Schmerzen.<br />
2.1. Stationsärztliche Betreuung<br />
Die Stationsärzte erheben die somatischen Befunde und ermitteln in Erstgespräch<br />
und Schmerzanamnese den Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen (MPSS-<br />
Bogen). In den wöchentlichen interdisziplinären Teamsitzungen werden die Patienten<br />
mit (drohender) Schmerzchronifizierung von den Stationsärzten vorgestellt und unter<br />
ihrer Leitung die Therapiepläne mit Interventionen sowie Therapiezielen vom<br />
gesamten Team festgelegt.<br />
2.2. Ärztliche <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Die ärztliche <strong>Schmerztherapie</strong> wird von den Abteilungen für Anästhesie und<br />
Neurochirurgie geleistet. Sie ergänzt die stationsärztlichen Befunde um<br />
fachspezifische schmerzdiagnostische Informationen, um die medizinischen<br />
Aufgaben für den interdisziplinären Therapieplan zielführend festlegen zu können.<br />
2.3. Psychologische <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Nach heutigem Wissen spielen bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und<br />
Verschlimmerung chronischer Schmerzen auch biopsychosoziale Faktoren eine<br />
große Rolle. Sie können als Ursachen und/oder Folgen der Chronifizierung in<br />
individuell unterschiedlichem Ausmaß beteiligt sein. Die psychologische<br />
<strong>Schmerztherapie</strong> soll durch Identifikation und Modifikation dieser Faktoren einen<br />
nicht selten endlosen Teufelskreis zu durchbrechen helfen.
2.4. Physiotherapie bei chronischem Schmerz<br />
Physiotherapie in einer stress- und angstfreien Behandlungssituation unterstützt die<br />
individuelle Schmerzverarbeitung auf körperlicher Ebene. Das Lernen von Übungen<br />
zur Minderung von Schmerzreizen und deren Umsetzung in den Alltag soll zur<br />
Unterbrechung des Schmerzkreislaufs beitragen.<br />
2.5. Ergotherapie bei chronischem Schmerz<br />
Ziel der Ergotherapie ist es, ergonomische Arbeitsweisen und -haltungen so<br />
einzuüben und in den Arbeitsablauf zu integrieren und zu automatisieren, dass die<br />
Patienten im schmerzfreien (tolerablen) Bereich in ihrer Aktivität zunehmend<br />
gefördert werden.<br />
3. Behandlungsziele<br />
Der chronische Schmerzpatient ist ein schwieriger Patient, seine Erwartungen<br />
schwanken von großer Hoffnung bis zur Hoffnungslosigkeit. Im Regelfall ist die<br />
Diagnostik der Unfallfolgen abgeschlossen und die Erkenntnis gewonnen, dass<br />
durch chirurgisch/orthopädische Eingriffe eine Beschwerdelinderung nicht zu erzielen<br />
ist. Die interdisziplinären Behandlungsziele sind:<br />
• Erstellen eines langfristigen multimodalen Behandlungsplanes<br />
• Reduktion der Schmerzempfindung<br />
• Patienten-Information zum chronischen Schmerz<br />
• Aktive Schmerzbewältigung des Patienten<br />
• Vermittlung von Selbsthilfemaßnahmen<br />
• Adäquate Medikamenteneinnahme bzw. –Reduktion<br />
• Zeitkontingente statt schmerzkontingente Interventionen<br />
• Planung der beruflichen Wiedereingliederung oder Hilfestellung bei der<br />
Bewältigung des Berufsalltages.<br />
4. Behandlungsinhalte<br />
4.1. Ärztliche <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Schmerz- und Medikamentenanamnese; Überprüfung und Reduktion oder<br />
Einstellung der Schmerzmedikation; nach Maßgabe der jeweiligen Indikations-<br />
Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile: die kontrollierte Gabe von Analgetika<br />
(Nichtopioide, WHO-Stufe I; Opioide WHO-Stufen II-III;) und Adjuvantien; Nerven-<br />
und Wurzelblockade; Periphere Regionalanästhesie (Plexusblockade);<br />
Sympathikusblockade; Spinale Opioidanalgesie; Beitrag zur interdisziplinären<br />
Planung und Durchführung von Schmerzmedikamentenentwöhnung und -entzug;<br />
Aufklärung der Patienten über Dauer und Wirkung der schmerzärztlichen<br />
Maßnahmen; Verlaufskontrolle der Visuellen Analogskala (VAS) im<br />
Schmerzkalender; regelmäßige interdisziplinäre Teambesprechungen.
4.2. Psychologische <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Psychologische Unfall- und Schmerzanamnese, Verhaltensanalyse,<br />
Psychodiagnostik; Psychoedukation; Erarbeiten eines adäquaten Erklärungs-<br />
/Krankheitsmodells; Vermittlung von Selbstkontrolltechniken bezüglich Kognitionen,<br />
Emotionen und Verhalten; Verhaltenstherapeutische Interventionen bei typischen<br />
Problembereichen (reaktive Depression, sozialer Rückzug, Passivität, Schonhaltung,<br />
sekundärer Krankheitsgewinn, Schlafstörung, Angststörung usw.); Motivation und<br />
Anleitung zu aktiver und selbstverantwortlicher Schmerzbewältigung; Erstellen von<br />
Streßprofilen und Vermittlung von psychophysiologischen Selbstkontrolltechniken<br />
über Biofeedback (sEMG, Atmung, Herzrate, Durchblutung, Temperatur,<br />
Hautleitwert); Verlaufskontrolle der VAS im Schmerzkalender; regelmäßige<br />
interdisziplinäre Teambesprechungen.<br />
4.3. <strong>Schmerztherapie</strong> in der Physiotherapie<br />
Verschiedene physiotherapeutische Techniken (z.B. Manuelle Therapie, Behandlung<br />
nach McKenzie, PNF, Behandlung im Schlingentisch); Gelenktechniken;<br />
Muskeldehntechniken; Nervenmobilisation; Triggerpunkt-Behandlung; verschiedene<br />
Massageformen (z.B. Querfriktionen, Ausstreichungen, BGM,<br />
Fußreflexzonenmassage); Gruppenprogramme (z.B. Entspannungsgruppe, Gruppen<br />
entsprechend der Verletzungsart, Schulung von Alltagsbewegungen und<br />
Entlastungshaltungen); Wassertherapie; Elektrotherapie (z.B. TENS, Feedback<br />
gekoppelt mit Schwellstrom, unterschiedlich wirkende Reizströme, Ultraschall);<br />
Thermotherapie; Medizinische Trainingstherapie (z.B. Kraft- und Ausdauertraining);<br />
Biofeedback; regelmäßige interdisziplinäre Teambesprechungen.<br />
4.4. <strong>Schmerztherapie</strong> in der Ergotherapie<br />
Schonhaltungen werden bewusst gemacht und durch physiologisch sinnvolle<br />
Bewegungsabläufe ersetzt. Wichtig sind außerdem der effiziente Einsatz und die<br />
praxisnahe Gestaltung von (Mikro-) Pausen zur sofortigen Schmerzreduktion<br />
während des Übungs- bzw. Arbeitsprozesses.<br />
Ergotherapeutische Behandlungsmaßnahmen zur Schmerzreduktion werden<br />
außerdem eingesetzt bei Hypersensibilität (thermische Anwendungen mit Aerodyn,<br />
Vibrationen, Gemüsebäder, Bürstungen) und chronischem Phantomschmerz<br />
(Spiegeltraining).<br />
4.5. Kommunikation<br />
• Teamsitzungen (Therapieplan; Therapieziel; Therapieschritte; Erfolgskontrolle)<br />
• Konsilscheine<br />
• Ärztliche Verordnungen<br />
• Tel. Kontaktaufnahme, v.a. bei Problemfällen
4.6. Weitere Fachdisziplinen<br />
Bei fachspezifischen Problemfällen können weitere Fachdisziplinen des Hauses über<br />
Konsilschein hinzugezogen werden: Chirurgie, Orthopädie, Neurologie, Radiologie,<br />
Innere Medizin, Urologie.<br />
5. Berichterstattung<br />
Nach einer stationären speziellen <strong>Schmerztherapie</strong> sind zwei wesentliche Fragen zu<br />
beantworten:<br />
1. Besteht im Rahmen der vorhandenen und behandelten Schmerzen<br />
Arbeitsfähigkeit für den konkreten Arbeitsplatz – oder Vermittelbarkeit in einen<br />
geeigneten Arbeitsplatz?<br />
2. Wie sieht die weitere Behandlung aus und wer ist federführend für die<br />
Weiterbehandlung verantwortlich?<br />
Der Abschlußbericht enthält im Anhang Kopien aller während des Aufenthaltes<br />
erstellter Dokumente:<br />
• Therapieplan<br />
• Dokumentation auf grünem Patientenlaufbogen<br />
• Schmerzkalender, VAS<br />
• Abschlußberichte<br />
Der Berichttext setzt sich nicht mit der Vorgeschichte und nicht mit Kausalitätsfragen<br />
auseinander, er beschreibt den Zustand des Patienten zum Ende der stationären<br />
Behandlung und ergibt Hinweise zur Prognose. Der Bericht enthält Angaben zur<br />
Spezifikation und Dosis der pharmakologischen <strong>Schmerztherapie</strong>, bei Opiaten<br />
zusätzlich Hinweise zur Verkehrstüchtigkeit. Ist eine medikamentöse Schmerz-<br />
Therapie verzichtbar, enthält der Bericht Hinweise, durch welche Maßnahmen eine<br />
Schmerzlinderung erzielt wurde. Neben dem Original an den Kostenträger erhalten<br />
der Einweiser, der örtlich zuständige D-Arzt und der Versicherte jeweils eine Kopie<br />
des Berichtes.<br />
6. Ansprechpartner am UKM<br />
Ärztliche <strong>Schmerztherapie</strong>: Dr. J. Breitbarth, Fachärztin Anästhesie, 4259<br />
OA B. Robert, Facharzt Neurochirurgie, 4184<br />
Psychol. <strong>Schmerztherapie</strong>: Dipl.-Psych. J. Arneth-Graf, Psychotherapeutin / VT<br />
Physiotherapie: Hr. U. Ernst, 2579<br />
Ergotherapie: Fr. Kechele, 414