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Z e i t s c h r i f t f ü r i n n o v a t i o n - Lemmens Medien GmbH

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G 21233<br />

14. Jahrgang · Heft 4<br />

Juli/August 2008<br />

Einzelpreis: 19,80 �<br />

ISSN 0947-9546<br />

4/08<br />

Wissenschafts<br />

management<br />

Z e i t s c h r i f t f <strong>ü</strong> r i n n o v a t i o n<br />

Finanzierung:<br />

evaluation leistungsbezogener<br />

Budgetierungsmodelle<br />

■<br />

Open Innovation:<br />

offene Kommunikation<br />

entscheidet <strong>ü</strong>ber erfolg<br />

■<br />

Innovationsmanagement:<br />

neue software integriert<br />

externes Wissen<br />

■<br />

Neue Serie:<br />

systeme zur<br />

forschungsinformation


Verlag<br />

G 21233<br />

14. Jahrgang · Heft 3<br />

Mai/Juni 2008<br />

Einzelpreis: 19,80 �<br />

ISSN 0947-9546<br />

3/08<br />

Wissenschafts<br />

management<br />

Z e i t s c h r i f t f <strong>ü</strong> r i n n o v a t i o n<br />

Aktuelle Studie:<br />

strukturelle hochschulentwicklung<br />

durch forschungsförderung<br />

�<br />

Prognose:<br />

regionale cluster<br />

fördern Wachstum<br />

�<br />

Karrieren:<br />

Personalentwicklung<br />

junger forschender<br />

�<br />

Industrie:<br />

innovationen gegen<br />

rohstoffknappheit<br />

Mit dem Magazin Wissenschaftsmanagement<br />

–<br />

Zeitschrift f<strong>ü</strong>r Innovation<br />

und den dazugehörigen, aber<br />

selbstständigen Specials<br />

wird bereits im 14. Jahr<br />

umfassend die Modernisierung<br />

und Internationalisierung<br />

der deutschsprachigen<br />

Hochschul- und Forschungs-<br />

systeme begleitet.<br />

Die Science Media Academy<br />

verbindet zwei Ansätze:<br />

Zum einen werden Wissenschaftler<br />

im Umgang<br />

mit allen gängigen <strong>Medien</strong>formaten<br />

von Print bis TV<br />

fortgebildet. Zum anderen<br />

erhalten Wirtschafts- und<br />

Wissenschaftsjournalisten<br />

Einblick in die j<strong>ü</strong>ngsten<br />

Forschungsergebnisse<br />

unterschiedlichster Wissenschafts-<br />

und Forschungsfelder.<br />

Dadurch wird das<br />

Verständnis zwischen <strong>Medien</strong>,<br />

Gesellschaft und Wissenschaft<br />

vertieft.<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong><br />

Wissenschafts<br />

management<br />

Z E I T S C H R I F T F Ü R I N N O V A T I O N<br />

Die Zeiten sind dynamisch, die Angebote<br />

Berater und Fortbilder im Überblick<br />

entwickeln sich: Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

sehen in Beratern<br />

und Anbietern von Fort- und Weiterbildungsprogrammen<br />

n<strong>ü</strong>tzliche Partner bei der Professionalisierung<br />

des eigenen Managements.<br />

Da fi nanzielle Ressourcen begrenzt sind,<br />

aber die externen Erwartungen stetig steigen,<br />

muss man rasch wissen, wer was und<br />

mit welcher Qualität anbietet. Der Branchen<strong>ü</strong>berblick<br />

bietet eine Auswahl und möchte so<br />

eine Orientierungshilfe geben.<br />

Die Themenhefte Wissenschaftsmanagement<br />

special<br />

behandeln jeweils eine<br />

grundlegende Fragestellung<br />

aus dem Hochschul-,<br />

Forschungs und Innovationsmanagement.<br />

Im Rahmen des MKW –<br />

Management Kreis Wissenschaft<br />

tauschen sich<br />

Forschungseinrichtungen,<br />

Hochschulen und Forschung<br />

betreibende Unternehmen<br />

rund um die Themen des<br />

Hochschul- und Forschungsmanagements<br />

aus. Im mode-<br />

rierten Gespräch werden<br />

gute nationale und internationale<br />

Management-<br />

Beispiele vorgestellt und<br />

zu den Erfahrungen der<br />

Teilnehmer in Beziehung<br />

gesetzt.<br />

2/2008<br />

Der Newsletter WITA -<br />

Wissenschafts- und Wirtschaftsthema<br />

greift in<br />

jeder Ausgabe ein Thema<br />

zu verschiedenen Aspekten<br />

auf: aus politischgesellschaftlicher,wirtschaftlicher<br />

und wissen-<br />

schaftlicher Perspektive.<br />

Ein bei <strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong><br />

seit Jahren bewährtes<br />

Konferenzmodell ist die<br />

Verbindung einer Veranstaltung<br />

mit anschließender<br />

Best-Practice-Tour. Dazu<br />

gehört unter anderem die<br />

Konferenzreihe Räume<br />

f<strong>ü</strong>r Wissensarbeit, die wir<br />

gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

anbieten.<br />

Hier wird die Diskussion zum<br />

Thema Forschungsarchi-<br />

tektur und Arbeitsprozesse<br />

jeweils mit der Präsentation<br />

mehrerer beispielhafter<br />

Gebäude kombiniert.<br />

Die Entwicklung eines professionellen<br />

Hochschul- und<br />

Forschungsmanagements<br />

wird von intensiven Debatten<br />

begleitet. Ihren Niederschlag<br />

findet die aktuelle<br />

Diskussion unter anderem in<br />

unserer Buchreihe Wissenschafts-<br />

und Forschungsmanagement.<br />

Experten<br />

vergleichen Systeme, analysieren<br />

Beispiele, kommentieren<br />

Trends und formulieren<br />

Empfehlungen f<strong>ü</strong>r die Praxis.<br />

Veranstaltungen Beratung<br />

www.lemmens.de<br />

Der Management-Brief<br />

SMART – Strategie, Marketing<br />

& Transfer informiert<br />

<strong>ü</strong>ber Best-Practice-Beispiele<br />

und Trends im Bildungs-,<br />

Forschungs- und Hochschulmarketing.<br />

Der Schwerpunkt<br />

der Berichterstattung liegt<br />

auf den Themen Strategie<br />

und deren Definition, Entwicklung<br />

und Umsetzung,<br />

dem Marketing mit all<br />

seinen Facetten sowie dem<br />

Dialog <strong>ü</strong>ber den gelungenen<br />

Transfer von Wissen.<br />

Die Dienstleistung Punkt<br />

& Komma – Service rund<br />

ums Wort bietet ein erprobtes<br />

Spektrum unterschiedlicher<br />

Instrumente: Vom<br />

Adressmanagement <strong>ü</strong>ber<br />

die klassische Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit bis<br />

hin zum Redenschreiben.<br />

Mit der Reihe Standortfaktor<br />

Wissenschaft bieten<br />

wir in loser Folge Beratungsgespräche<br />

an, die zu einer<br />

erfolgreichen Vernetzung<br />

von Bildung, Forschung und<br />

Wirtschaft beitragen. Ziel<br />

ist, mehrere Kunden aus<br />

Wissenschaft und Wirtschaft<br />

zusammenzubringen, den<br />

Dialog zu befördern und<br />

Lösungen aus der Mitte<br />

wissensintensiver Arbeit<br />

zu entwickeln.


Hochschulen als Unternehmen?<br />

Immer öfter hört man es, zuweilen als Zielstellung, meist als Vorwurf:<br />

Hochschulen sind Unternehmen. Oft wird unterstellt, die augenblickliche<br />

Reform wolle Hochschulen zu Unternehmen machen. In Wahrheit un-<br />

terscheiden sich Hochschulen von Wirtschaftsunternehmen in grundle-<br />

genden Aspekten. F<strong>ü</strong>r mich sind vier davon besonders relevant:<br />

Hochschulen sind langsame Einrichtungen. Wissenschaftliche Erkenntnis<br />

benötigt letztlich endlos Zeit, weil Erkenntnisgewinn niemals enden kann.<br />

Nur zwei Faktoren können f<strong>ü</strong>r Zeitdruck sorgen. Erstens die Konkurrenz<br />

unter Wissenschaftlern, etwas eher zu entdecken, zu beschreiben oder zu erklären und zweitens der<br />

Auftrag, konkrete Gesundheits- (Krebs, Aids) oder Menschheitsprobleme (Klimawandel) zu lösen. F<strong>ü</strong>r<br />

weite Teile des Hochschulsystems gelten beide Faktoren jedoch nicht, entweder weil kein Wettbe-<br />

werb sp<strong>ü</strong>rbar ist oder weil – zu Recht – nicht unmittelbar umsetzungsorientiert geforscht wird.<br />

Hochschulen haben eine sehr differenzierte (Fächer-)Kultur. Neben dem sehr allgemeinen, ge-<br />

meinsamen Organisationszweck, der Suche nach Wahrheit, gibt es sehr unterschiedliche Kulturen<br />

hinsichtlich der Methoden, der Arbeitsformen und des Leistungsausweises. Zwischen einem empi-<br />

rischen Naturwissenschaftler, der in Teams arbeitet und <strong>ü</strong>ber internationale Journale publiziert und<br />

einem Geisteswissenschaftler, der in Einsamkeit wirkt und <strong>ü</strong>ber muttersprachliche B<strong>ü</strong>cher kommuni-<br />

ziert, liegen Welten − auch des gegenseitigen Unverständnisses.<br />

Wissenschaftler haben eine spezifische Motivationsstruktur. Ohne sie verklären zu wollen, ist Geld<br />

keineswegs der dominierende Motivator. Eher sind das der Wunsch nach Erkenntnisgewinn und Pu-<br />

blikation, durchaus verbunden mit dem Drang nach Ruhm und Publizität. Zweitens gute Arbeitsbe-<br />

dingungen, was bei Berufungsverhandlungen eine – wenn nicht die bedeutendste – Rolle spielt.<br />

Hochschulen unterliegen besonderen Finanzierungsformen. Stärker als andere Organisationen finan-<br />

zieren sich Hochschulen <strong>ü</strong>ber einen differenzierten Mix an Quellen. Dabei ist die größte und (trotz aller<br />

Unzuverlässigkeiten) stabilste Finanzierungsquelle der staatliche Zuschuss, der von der Summe fixiert<br />

und letztlich einem Nullsummenspiel unterliegt. Zweite wesentliche Einnahmequelle sind Drittmittel,<br />

die aber in nennenswertem Umfang auf wenige Disziplinen (Natur- und Ingenieurwissenschaften) be-<br />

grenzt sind. Studiengeb<strong>ü</strong>hren sind (vorerst) weitestgehend extern definiert, was den Preis oder Aus-<br />

nahmetatbestände anbetrifft. Gelder privater Sponsoren oder Förderer spielen eine Sonderrolle. Im<br />

Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen sind all diese Einnahmequellen aber nur durch jeweils sehr<br />

unterschiedliche Handlungen der Hochschulen und ihrer Mitglieder zu beeinflussen.<br />

Auch wenn uns also viel von Wirtschaftsunternehmen unterscheidet, heißt das nicht, dass wir nicht<br />

unternehmerisch sein sollten oder dass Management an Hochschulen nicht Not täte. Zu einem Cur-<br />

riculum gehört die Koordination von Arbeitsteilung der verschiedenen Lehrenden. Mehrpersonenfor-<br />

schung erfordert Planung und Organisation. Entscheidungen <strong>ü</strong>ber das Was, Wie und Wann von Lehre<br />

wie Forschung m<strong>ü</strong>ssen getroffen werden. Gerade weil also Hochschulen oder Wissenschaftseinrich-<br />

tungen keine Unternehmen sind, benötigen wir ein auf unsere Belange zugeschnittenes Wissen-<br />

schaftsmanagement. Hoffentlich finden Sie im Heft, was Sie w<strong>ü</strong>nschen!<br />

Detlef M<strong>ü</strong>ller-Böling<br />

editorial 3<br />

14. Jahrgang · Heft 4 · Juli/August 2008 · Einzelpreis: 19,80 D<br />

news & facts<br />

4 Forschungsunion X<br />

Dienstleistungswirtschaft wächst<br />

7 Wissenswertes<br />

Aktuell und kompakt<br />

8 Gleichstellung<br />

Meilensteine f<strong>ü</strong>r die Wissenschaft<br />

wissenschaftsmanager<br />

10 Nachgefragt<br />

bei Dr. Fabrice Larat,<br />

Universität Mannheim<br />

management<br />

12 Finanzierung<br />

Evaluation leistungsbezogener<br />

Budgetierungsmodelle<br />

20 Wissenstransfer<br />

Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

30 Instrumente<br />

Open Innovation<br />

trifft Innovationsmanagement<br />

38 NEUE SERIE:<br />

Forschungsinformation I<br />

Informationssysteme<br />

zu Forschungsprojekten und<br />

Evaluationsforschung<br />

weiterbildung<br />

41 Aktueller Begriff<br />

Diversity Management<br />

buchbesprechung<br />

44 Olaf Bartz<br />

Der Wissenschaftsrat<br />

46 Buchmarkt<br />

46 Impressum<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


4 news & facts<br />

f o r s c h u n G s u n i o n X<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Dienstleistungswirtschaft wächst<br />

Wie die Forschungsunion das Thema Dienstleistungen<br />

in Deutschland forcieren will<br />

Deutschland hat heute eine maßgeblich<br />

von Dienstleistungen geprägte volkswirtschaft.<br />

Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet<br />

nach angaben des statistischen<br />

Bundesamtes mittlerweile 69,4 Prozent<br />

der Bruttowertschöpfung in Deutschland,<br />

auf das produzierende Gewerbe entfallen<br />

derzeit 25,8 Prozent (ohne Baugewerbe).<br />

Damit wuchs der anteil des Dienstleistungssektors<br />

seit 1991 um mehr als sieben<br />

Prozent.<br />

Zum ganz <strong>ü</strong>berwiegenden Teil wird die Wertschöpfung<br />

durch unternehmensbezogene<br />

Dienstleistungen erbracht, wie etwa die<br />

Unternehmens- und Rechtsberatung, Wirtschafts-<br />

und Steuerberatung, IT-Dienstleistungen,<br />

Telekommunikation, Ingenieurs- und<br />

technische Dienstleistungen, Forschungs- und<br />

Entwicklungsdienstleistungen, Logistik, Werbung,<br />

Messen, Finanzdienstleistungen und<br />

Sicherheitsdienstleistungen.<br />

Dienstleistungsinitiative der<br />

Forschungsunion<br />

Dienstleistungsmärkte wachsen weltweit und<br />

schaffen neue – auch hochqualifizierte und<br />

sehr gut bezahlte – Arbeitsplätze. Doch trotz<br />

seiner hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung<br />

und seines enormen Wachstumspotenzials<br />

wurde der Dienstleistungssektor in Deutschland<br />

lange Zeit unterschätzt. Dass die Hightech-Strategie<br />

der Bundesregierung neben<br />

den klassischen Technologiefeldern auch<br />

die Dienstleistungen als gleichberechtigtes<br />

Innovationsfeld benennt, ist ein wichtiges innovationspolitisches<br />

Signal. Im Rahmen der<br />

Forschungsunion wollen Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik diesen Impuls aufgreifen<br />

und durch ein im März 2008 verabschiedetes<br />

Maßnahmenpaket den Wandel zu einer von<br />

Dienstleistungen geprägten Gesellschaft beschleunigen.<br />

Dabei ist es der Forschungsunion wichtig,<br />

dass neben langfristig orientierten Perspektiven<br />

auch Aktionen angegangen werden,<br />

deren Umsetzung bereits kurz- bis mittelfristig<br />

erste messbare Ergebnisse erzielen kann.<br />

Ebenso notwendig ist es, alle Stakeholder<br />

einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft<br />

einzubeziehen. Daher hat die Forschungsunion<br />

verschiedene Aktionen beschlossen, die<br />

jeweils von der Wirtschaft, der Politik und der<br />

Wissenschaft vorangetrieben werden sollen.<br />

Dies soll allerdings nicht parallel, sondern koordiniert<br />

und ineinandergreifend ablaufen.<br />

Drei Impulsgeber f<strong>ü</strong>r<br />

mehr Dienstleistungen<br />

So hat der Impulsgeber Wirtschaft zum Beispiel<br />

die Initiative „6 bis 2012“ gestartet, die<br />

bis Ende 2012 sechs neue Stiftungslehrst<strong>ü</strong>hle<br />

mit dem Schwerpunkt „Unternehmensnahe<br />

Dienstleistungen“ einrichten will. Da die Unternehmen<br />

unmittelbar von den Ergebnissen<br />

einer verstärkten Dienstleistungsforschung<br />

profitieren, wollen sie hierzu auch aktiv beitragen.<br />

Weiterhin wird ein neues Dienstleistungsportal<br />

aufgebaut, um den praxisorientierten<br />

Austausch zum Thema Dienstleistungen unter<br />

Unternehmen zu verbessern. Das neue Portal<br />

soll also nicht nur aktuelle Ergebnisse der<br />

Dienstleistungsforschung zu präsentieren,<br />

sondern insbesondere auch Good und Best<br />

Practices im Bereich des dienstleistungsnahen<br />

Innovationsmanagements. Gerade im Hinblick<br />

auf die notwendige Steigerung des deutschen


Handel, Gastgewerbe<br />

und Verkehr<br />

18,0%<br />

Baugewerbe<br />

3,9%<br />

Produzierendes Bewerbe<br />

(ohne Baugewerbe)<br />

25,8%<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Dienstleistungsexports und den dazu erfor-<br />

derlichen Internationalisierungsstrategien<br />

muss der Erfahrungsaustausch zwischen den<br />

interessierten Unternehmen – insbesondere<br />

auch aus dem Mittelstand – forciert werden.<br />

Der Impulsgeber Politik hingegen will Dienst-<br />

leistungen sowohl in den Förderprogrammen<br />

als auch in die Aus- und Weiterbildung stär-<br />

ker verankern. Letzteres verdient besondere<br />

Beachtung, da speziell auf den wissensinten-<br />

siven Dienstleistungsbereich ausgerichtete<br />

Ausbildungen oder Studiengänge bislang nur<br />

im Ausnahmefall existieren. Als Beispiel dient<br />

hier die ITK-Wirtschaft: eine Erstausbildung<br />

zum vertriebsorientierten IT-Berater existiert<br />

nicht – trotz eines sich seit Jahren verschär-<br />

fenden Fachkräftemangels im Bereich der<br />

wissensintensiven Dienstleistungen. Hier be-<br />

steht die Aufgabe, sehr kurzfristig gen<strong>ü</strong>gend<br />

qualifizierte Beschäftigte f<strong>ü</strong>r diesen zukunfts-<br />

trächtigen Beschäftigungssektor bereitzustel-<br />

len. Daher plant die Forschungsunion, Dienst-<br />

leistungsmanagement als Gegenstand der<br />

akademischen Ausbildung und Weiterbildung<br />

in technischen und wirtschaftswissenschaft-<br />

lichen Disziplinen zu etablieren. Zudem sollen<br />

69,4%<br />

Fischerei, Land-<br />

und Forstwirtschaft<br />

0,9%<br />

Bruttowertschöpfung in Deutschland 200 (Quelle: Statistisches Bundesamt).<br />

Konzepte f<strong>ü</strong>r adaptierbare Weiterbildungsbau-<br />

steine f<strong>ü</strong>r mindestens zwei breit definierte<br />

Berufsfelder (z.B. IT/Elektroindustrie/Maschi-<br />

nenbau oder Chemie/Pharma/Biotechnologie)<br />

erstellt werden.<br />

Zuletzt ist der Impulsgeber Wissenschaft ge-<br />

fragt, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen<br />

und zuk<strong>ü</strong>nftig stärker auch dienstleistungso-<br />

rientiert zu forschen und zu entwickeln. Die<br />

Forschungsunion setzt sich daf<strong>ü</strong>r ein, dass<br />

sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein<br />

eigenständiger Wissenschaftszweig „Ser-<br />

vices Science“ etabliert – im Ansehen und der<br />

Bedeutung vergleichbar mit den Sozial- oder<br />

Ingenieurwissenschaften. Deswegen hat sich<br />

die Forschungsunion dazu entschlossen, eine<br />

Mitwirkung an dem im Aufbau befindlichen<br />

Expertenkreis „Services Science“ sowie der<br />

geplanten Explorationsstudie zum Potenzial<br />

einer eigenständigen Dienstleistungswissen-<br />

schaft zu pr<strong>ü</strong>fen.<br />

Taskforce Dienstleistungen<br />

Finanzierung, Vermietung<br />

und Unternehmensdienstleister<br />

29,1%<br />

Öffentliche und private<br />

Dienstleister<br />

22,3%<br />

Um diese sehr vielfältigen Maßnahmen – von<br />

denen hier nur einige genannt worden sind<br />

news & facts<br />

Die Forschungsunion setzt sich<br />

daf<strong>ü</strong>r ein, dass sich in den nächsten<br />

10 bis 1 Jahren ein eigenständiger<br />

Wissenschaftszweig<br />

„Services Science“ etabliert – im<br />

Ansehen und der Bedeutung vergleichbar<br />

mit den Sozial- oder<br />

Ingenieurwissenschaften.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


Autor:<br />

news & facts<br />

Willi Berchtold ist Mitglied des Vorstands der ZF<br />

Friedrichshafen AG und Promotor der Forschungsunion<br />

f<strong>ü</strong>r das Innovationsfeld Dienstleistungen.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

– zu priorisieren und zu koordinieren, hat sich<br />

im Mai 2008 die „Taskforce Dienstleistun-<br />

gen“ konstituiert, die sich aus Vertretern der<br />

Forschungsunion, aus Wirtschaftsverbänden,<br />

Unternehmen sowie der Wissenschaft zusam-<br />

mensetzt. Sie vertritt damit die Interessen von<br />

Dienstleistungswirtschaft und -wissenschaft<br />

im innovationspolitischen Raum. Die Taskfor-<br />

ce hat sich insbesondere das Ziel gesetzt,<br />

die von der Forschungsunion beschlossenen<br />

Handlungsempfehlungen mittelfristig um-<br />

zusetzen und langfristig eine strategische<br />

Allianz f<strong>ü</strong>r Dienstleistungen zu etablieren.<br />

Unter anderem engagieren sich dort die IBM<br />

Deutschland, der Bundesverband Deutscher<br />

Unternehmensberater, BASF, die ZF Fried-<br />

richshafen AG, das Bundesministerium f<strong>ü</strong>r<br />

Bildung und Forschung, die Fraunhofer-Ge-<br />

sellschaft, der Bundesverband der Deutschen<br />

Industrie sowie der Bundesverband Informa-<br />

tionswirtschaft, Telekommunikation und Neue<br />

<strong>Medien</strong>. Weiteren interessierten Partnern, die<br />

einen sichtbaren Beitrag liefern können, steht<br />

die Mitarbeit offen.<br />

Der Dienstleistungssektor wird auch in den<br />

kommenden Jahren weiter wachsen. Standar-<br />

disierung in der Dienstleistungsentwicklung,<br />

Modularisierung im Dienstleistungsangebot<br />

und Individualisierung in der Dienstleistungs-<br />

erbringung sind dabei die <strong>ü</strong>bergeordneten<br />

Trends und Ziele. Eine besonders dynamische<br />

Entwicklung ist dabei im Umfeld der neuen<br />

<strong>Medien</strong> sowie durch den demografischen<br />

Wandel der Gesellschaft zu erwarten. Deswe-<br />

gen ist es gut und wichtig, dass sich die For-<br />

schungsunion diesem Thema angenommen<br />

hat und der Dienstleistungswirtschaft damit<br />

die Bedeutung zukommen lässt, die ihr volks-<br />

wirtschaftlich zusteht. Nun sind Wirtschaft,<br />

Politik und Wissenschaft gefordert, diesen<br />

Impuls aufzugreifen und die Maßnahmen wir-<br />

kungsvoll umzusetzen.


Aktuell und kompakt<br />

ein einzigartiges verzeichnis deutscher<br />

Forschungseinrichtungen wurde jetzt online<br />

gestellt. Die neue Internet-Anwendung wurde<br />

unter dem Namen „Research Explorer“ ge-<br />

meinsam von der Deutschen Forschungsge-<br />

meinschaft (DFG) und dem Deutschen Akade-<br />

mischen Austauschdienst (DAAD) entwickelt.<br />

Der kostenlose Zugang erfolgt <strong>ü</strong>ber www.<br />

daad.de/research-explorer oder www.dfg.de/<br />

reasearch-explorer. Der Explorer steht auch<br />

in englischer Sprache zur Verf<strong>ü</strong>gung. Rund<br />

17.000 Forschungsrichtungen können nach<br />

fachlichen, regionalen oder strukturellen Kri-<br />

terien recherchiert werden, Kontaktdaten und<br />

Web-Adressen werden ständig <strong>ü</strong>berpr<strong>ü</strong>ft und<br />

aktualisiert.<br />

10,8 Milliarden euro wird im kommenden<br />

Jahr der Etat des Bundesministeriums f<strong>ü</strong>r Bildung<br />

und Forschung (BMBF) betragen, sofern<br />

der Deutsche Bundestag im Dezember dem<br />

Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister<br />

Peer Steinbr<strong>ü</strong>ck f<strong>ü</strong>r 2009 zustimmt. Das<br />

entspricht einer Anhebung um acht Prozent<br />

(730 Millionen Euro) gegen<strong>ü</strong>ber 2008. Damit<br />

wird der Etat f<strong>ü</strong>r Bildung und Forschung in der<br />

2009 auslaufenden Legislaturperiode um insgesamt<br />

2,5 Milliarden Euro gegen<strong>ü</strong>ber 2005<br />

angestiegen sein. Mit einem Anteil von 2,9<br />

Prozent am Bruttoinlandsprodukt f<strong>ü</strong>r 2009 nähert<br />

sich Deutschland den f<strong>ü</strong>r 2010 von den<br />

EU-Staats- und Regierungschefs beschlossenen<br />

3 Prozent.<br />

Bachelor-absolventen haben nach Überzeugung<br />

von Martin Leitner, Geschäftsf<strong>ü</strong>hrer der<br />

HIS Hochschul-Informations-System <strong>GmbH</strong>,<br />

die gleichen Berufsaussichten wie Absolventen<br />

mit einem Diplom. Allerdings wollten<br />

80 Prozent der Bachelor-Studierenden ihr<br />

Studium mit dem aufbauenden Master abschließen.<br />

In einem Fachgespräch des Bundestagsausschusses<br />

f<strong>ü</strong>r Bildung, Forschung<br />

und Technologiefolgenabschätzung betonte<br />

Leitner, dass der Bologna-Prozess „alternativlos“<br />

gewesen sei. Der Vizepräsident der<br />

Hochschulrektorenkonferenz Dieter Lenzen<br />

hingegen machte „mit Best<strong>ü</strong>rzung“ darauf<br />

aufmerksam, dass die Mobilität der Studierenden<br />

nach der Einf<strong>ü</strong>hrung von Bachelor und<br />

Master deutlich gesunken sei. Das liege auch<br />

an der Vielzahl von Veranstaltungen, die jetzt<br />

in sechs statt zuvor acht Semestern absolviert<br />

werden m<strong>ü</strong>ssten.<br />

2,167 Milliarden euro bewilligte die DFG im<br />

vergangenen Jahr f<strong>ü</strong>r 1.004 laufende Programme<br />

mit insgesamt 21.089 einzelnen<br />

Forschungsprojekten. Die Einnahmen der DFG<br />

beliefen sich in 2007 auf 1,733 Milliarden<br />

Euro. Davon entfielen auf den Bund 62,9 Prozent,<br />

auf die Länder 36,7 und 0,4 Prozent auf<br />

Stiftungen und privaten Zuwendungen. Dazu<br />

kamen Fördermittel, die sich <strong>ü</strong>ber mehrere<br />

Jahre verteilen. 38,5 Prozent der bewilligten<br />

Forschungsprojekte entfielen auf die Lebenswissenschaften,<br />

25,7 Prozent auf die Naturwissenschaften,<br />

21,6 Prozent auf die Ingenieur-<br />

und 14,2 Prozent auf die Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften.<br />

514.800 Personen waren Ende 2007 an deutschen<br />

Hochschulen und Hochschulkliniken<br />

tätig. Das waren 10.900 (2,2 Prozent) mehr<br />

als Ende 2006. Der Anteil der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in nichtwissenschaftlichen<br />

Bereichen (Verwaltung, Bibliothek, technischer<br />

Dienst und Pflegedienst) sank Ende<br />

2007 im Vergleich zum Vorjahr um einen halben<br />

Prozentpunkt auf 50 Prozent. Die Zahl der<br />

Professorinnen und Professoren betrug nach<br />

Angaben des Statistischen Bundesamtes Ende<br />

2007 37.700.<br />

K. R<strong>ü</strong>diger Durth<br />

news & facts<br />

W i s s e n s W e r t e s<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


8 news & facts<br />

G L e i c h s t e L L u n G Meilensteine f<strong>ü</strong>r die Wissenschaft<br />

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzt auf<br />

Selbstverpflichtung statt Quote. DFG-Präsident<br />

Matthias Kleiner findet die aktuellen Zahlen zum<br />

Frauenanteil in der Wissenschaft „beschämend“.<br />

Foto: Archiv<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

DFG-Jahresversammlung verabschiedet Gleichstellungsstandards<br />

BerLin. von frauenquoten hält der Präsi-<br />

dent der Deutschen forschungsgemein-<br />

schaft (DfG) Matthias Kleiner nicht viel.<br />

um so mehr aber von der Gleichstellung<br />

von frau und Mann in der Wissenschaft.<br />

ein Widerspruch? f<strong>ü</strong>r den DfG-Präsiden-<br />

ten keineswegs. er setzt auf sogenann-<br />

te Gleichstellungsstandards, die auf der<br />

DfG-Jahresversammlung 2008 zwar kontrovers<br />

diskutiert, aber dann einstimmig<br />

verabschiedet wurden: „Gleichstellungsstandards<br />

als selbstverpflichtung sind<br />

neu in der Geschichte der Wissenschaft in<br />

Deutschland.“ f<strong>ü</strong>r Professor Kleiner handelt<br />

es sich dabei um „Meilensteine“.<br />

Nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung<br />

von Mann und Frau, die vor genau<br />

einem halben Jahrhundert im Grundgesetz<br />

verankert wurde, sondern auch unter dem des<br />

Wissenschaftsmanagements kommen den<br />

forschungsorientierten Gleichstellungsstandards<br />

eine große Bedeutung zu. Im Schnitt<br />

aller Studienfächer belegen Frauen etwa die<br />

Hälfte der Plätze. Im Allgemeinen haben sie<br />

auch die besseren Abschl<strong>ü</strong>sse. Aber unter den<br />

Promovierten des Jahres 2006 waren nur 40<br />

Prozent Frauen. Der Anteil der Frauen an den<br />

Habilitierten lag knapp <strong>ü</strong>ber 20 Prozent und<br />

nur zehn Prozent der C4- und W3-Professuren<br />

stellen Frauen. Aber auch bei der Vergabe<br />

von Sitzen in wichtigen wissenschaftlichen<br />

Kommissionen oder der Vergabe von Preisen<br />

werden Frauen gern <strong>ü</strong>bersehen oder nur unzureichend<br />

ber<strong>ü</strong>cksichtigt.<br />

2014 werden <strong>ü</strong>ber ein Drittel aller Professoren<br />

in den Ruhestand gehen. Matthias Kleiner:<br />

„Die Universitäten brauchen die bisher ungenutzten<br />

intellektuellen Ressourcen der Frauen<br />

also mehr denn je.“ Mit gutem Beispiel geht<br />

die DFG bei der Gleichstellung selbst voran.<br />

So sind von den zehn Vizepräsidenten der<br />

DFG neuerdings drei Frauen. Auch die Zahl<br />

der Senatorinnen hat sich auf 14 von insgesamt<br />

39 erhöht. Auch sonst sei die Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft − so Bundesforschungsministerin<br />

Annette Schavan − die<br />

„Visitenkarte der deutschen Wissenschaft“,<br />

wenn es um die Erhöhung des Frauenanteils<br />

auf allen Ebenen gehe.<br />

Der DFG-Präsident: „Der geringe Frauenanteil<br />

bei den Professuren ist beschämend f<strong>ü</strong>r das<br />

deutsche Wissenschaftssystem und zugleich<br />

eine Verschwendung intellektueller Ressourcen.<br />

Hier muss ein Umdenken stattfinden.<br />

Chancengleichheit bedeutet Chancennutzung.<br />

Denn die deutsche Wissenschaft leidet unter<br />

erheblichem Nachwuchsmangel und muss<br />

schon aus diesem Grund Wissenschaftlerinnen<br />

mehr als bisher fördern.“ Der Leitgedanke ist<br />

es, „durchgängig, transparent f<strong>ü</strong>r Gleichstellung<br />

Sorge zu tragen“ (Kleiner). Zugleich soll<br />

eine Sammlung von bewährten Beispielen<br />

und Anregungen aus der Praxis aufgebaut und<br />

bereitgestellt weden, um die Umsetzung zu<br />

unterst<strong>ü</strong>tzen. Den Kern der Gleichstellungsstandards<br />

aber bildet das sogenannte Kaskadenmodell.<br />

Dahinter steht folgendes Prinzip:<br />

Jede wissenschaftliche Einrichtung setzt sich<br />

eigene Ziele f<strong>ü</strong>r die Erhöhung des Frauenanteils<br />

auf einer bestimmten Qualifikationsstufe.<br />

Diese Ziele sollten jeweils höher sein als der<br />

Anteil der Frauen auf der direkt darunter liegenden<br />

Stufe. Die Umsetzung folgt dem Prinzip<br />

der Freiwilligkeit und der Selbstverpflichtung<br />

und setzt damit auf die Autonomie der<br />

jeweiligen Forschungseinrichtung. Damit legen<br />

die Mitglieder der DFG selbst fest, wie<br />

und in welchem Zeittraum sie ihren Anteil an<br />

Postdoktorandinnen und Professorinnen fachund<br />

strukturspezifisch erhöhen wollen.


Ferner sollen Ressourcen innerhalb der Hoch-<br />

schulen stärker unter Gleichstellungsaspekten<br />

verteilt werden. So sollen herausragende Wis-<br />

senschaftlerinnen bei der Nominierung f<strong>ü</strong>r<br />

Preise ebenso ber<strong>ü</strong>cksichtigt werden wie ihre<br />

männlichen Kollegen. Alle Hochschulen haben<br />

nach Überzeugung von Professor Kleiner die<br />

Möglichkeit, ihre Personalentwicklung sowie<br />

ihre Angebote f<strong>ü</strong>r Frauen und Männer mit Kin-<br />

dern weiter zu verbessern. Daf<strong>ü</strong>r w<strong>ü</strong>rden sich<br />

beispielsweise Maßnahmen wie Wiederein-<br />

stiegsstipendien nach Familienpausen anbieten.<br />

Nachdem nun die Gleichstellungsstandards<br />

verabschiedet sind, soll auf der DFG-Mitglie-<br />

derversammlung 2009 eine Arbeitsgruppe<br />

eingesetzt werden, deren Aufgabe es sein<br />

wird, die Mitgliedseinrichtungen bei der Um-<br />

setzung der Gleichstellungsstandards zu be-<br />

gleiten sowie Empfehlungen auszusprechen.<br />

Im Fr<strong>ü</strong>hjahr 2011 sollen die ersten Zwischen-<br />

berichte zu Umsetzungen der Standards vor-<br />

liegen, die dann der Mitgliederversammlung<br />

Anzeige<br />

im gleichen Jahr vorgelegt werden. Im Fr<strong>ü</strong>h-<br />

jahr 2013 erfolgen die Abschlussberichte <strong>ü</strong>ber<br />

die Umsetzung der Standards, die zugleich<br />

von der DFG evaluiert werden. Man hofft, dass<br />

bis dahin viele DFG-Mitglieder (in erster Linie<br />

also die Hochschulen) ihre Selbstverpflich-<br />

tungen erf<strong>ü</strong>llt haben.<br />

Der DFG-Präsident machte darauf aufmerk-<br />

sam, dass der Förderantrag f<strong>ü</strong>r ein exzellentes<br />

Projekt nicht deshalb bei der DFG scheitere,<br />

weil Wissenschaftlerinnen nicht beteiligt seien.<br />

Aber die Einhaltung der Standards werde je-<br />

doch eines der entscheidungsrelevanten Kri-<br />

terien f<strong>ü</strong>r die Bewilligung von Forschungsver-<br />

b<strong>ü</strong>nden sein, bei denen Mitgliedseinrichtungen<br />

Antragsteller seien. Keineswegs verstehe man<br />

sich, so der DFG-Präsident, als „Gleichstel-<br />

lungs-TÜV“: „Entscheidend wird sein, welchen<br />

Beitrag die Mitglieder der DFG zur Gleichstel-<br />

lung selbst leisten wollen oder können.“<br />

K.R<strong>ü</strong>diger Durth<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> 2008<br />

300 seiten, kartoniert, 25,00 euro<br />

isBn 978-3-932306-90-7<br />

news & facts<br />

Seit 1997 finden zweimal jährlich an der Technischen Universität Darmstadt oder an der Universi-<br />

tät Kassel Gesprächsrunden statt, in denen sich engagierte Experten und Akteure treffen, um ak-<br />

tuelle Fragen der Hochschulreform und neue Lösungen zu diskutieren. In diesem Band wird das<br />

Wichtigste all dessen zusammengefasst, was in den Workshops von 2003 bis 2007 berichtet und<br />

diskutiert wurde. In dieser Zeit widmete sich die DAKS-Runde der gewandelten Rolle der Dekane angesichts ihrer wachsenden Entscheidungs-<br />

spielräume, der zunehmenden Bedeutung der „Hochschulprofessionen“ sowie der Internationalisierung, dem Thema Studienfinanzierung und der<br />

staatlichen Steuerung mittels Kontrakten. Weitere Themen waren: Was macht „fitte“ Präsidenten aus?; Profilierung der Hochschulen in der Balan-<br />

ce von Qualität, Relevanz und Effizienz; Profilbildung und horizontale Differenzierung des Hochschulsystems; Chancen und Probleme der „Mes-<br />

sung“ von Erträgen der Hochschulen.<br />

Barbara Kehm, evelies Mayer, ulrich teichler (hrsg.)<br />

hochschulen in neuer verantwortung<br />

strategisch, <strong>ü</strong>berlastet, divers?<br />

neuerscheinung<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


10 wissenschaftsmanager Larat – Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer<br />

n a c h G e f r a G t<br />

Dr. Fabrice Larat (42) sieht einen wachsenden Bedarf<br />

an interkultureller Kompetenz auf die Wissenschaftsmanager<br />

zukommen. Er selbst ist ein Beispiel f<strong>ü</strong>r die<br />

Öffnung der europäischen Wissenschaftslandschaft<br />

<strong>ü</strong>ber Ländergrenzen hinaus. Im September 2008<br />

wechselt er vom Mannheimer Zentrum f<strong>ü</strong>r Europäische<br />

Sozialforschung an das Centre Expertise et de<br />

Recherche Administrative der Ecole Nationale<br />

d’Administration in Strasbourg.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer<br />

Dr. Fabrice Larat, Projektmanager eines von der Europäischen Union<br />

finanzierten Exzellenznetzwerkes an der Universität Mannheim<br />

1 2<br />

Wie sind sie Wissenschaftsmanager<br />

geworden?<br />

Wie oft im Leben war es eine Mischung aus<br />

Zufall und Notwendigkeit. Vor acht Jahren<br />

war ich Assistent an der sozialwissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Mannheim. Als<br />

die Lehrstuhlinhaberin im Rahmen des Jean-<br />

Monnet-Programms der Europäischen Union<br />

(EU) Finanzmittel erhielt, wurde jemand gesucht,<br />

der sich um die Verwaltung der Mittel<br />

k<strong>ü</strong>mmern konnte. Ich <strong>ü</strong>bernahm die Aufgabe<br />

und zeigte offensichtlich ein gewisses Talent.<br />

Später war ich dann an verschiedenen Kooperationsprojekten<br />

mit dem Ausland beteiligt wie<br />

unter anderem auch an einem Forschungsprojekt<br />

im 5. EU-Rahmenprogramm. So konnte<br />

ich viele Erfahrungen im Projektmanagement<br />

sammeln: wie Einzelaktivitäten erfolgreich<br />

koordiniert werden können, wie die Zusammenarbeit<br />

mit Partnern verbessert werden<br />

kann oder wie Berichte zu erstellen sind. Wie<br />

wertvoll diese Kenntnisse waren, zeigte sich<br />

dann 2002, als ich gemeinsam mit der renommierten<br />

Politikwissenschaftlerin Prof. Dr.<br />

Beate Kohler-Koch einen Antrag auf die Finanzierung<br />

eines sogenannten Exzellenznetzwerkes<br />

durch das 6. EU-Rahmenprogramm<br />

vorbereitete. Als besondere Herausforderung<br />

empfand ich damals, weit <strong>ü</strong>ber die <strong>ü</strong>blichen<br />

Tätigkeiten eines Wissenschaftlers hinauszugehen.<br />

So musste ich mich beispielsweise um<br />

die Unterst<strong>ü</strong>tzung seitens der Universität und<br />

des zuständigen Wissenschaftsministeriums<br />

k<strong>ü</strong>mmern, ein Konsortium mit den Partnerorganisationen<br />

strategisch planen, aufbauen<br />

und erhalten oder die juristischen Rahmenbedingungen<br />

f<strong>ü</strong>r das Netzwerk in trockene<br />

T<strong>ü</strong>cher bringen.<br />

Worin besteht ihre aktuelle<br />

tätigkeit?<br />

Seit Juli 2004 bin ich zuständig f<strong>ü</strong>r das Management<br />

dieses internationalen Forschungsprojekts.<br />

CONNEX ist ein Netzwerk von 42<br />

Forschungseinrichtungen aus 23 Ländern mit<br />

einem Gesamtbudget von 3,5 Millionen Euro.<br />

Die Projektlaufzeit beträgt vier Jahre. Mehr als<br />

150 Spitzenwissenschaftler aus Politikwissenschaft,<br />

Verwaltungs- und Rechtswissenschaft,<br />

Soziologie und anderen Disziplinen sind<br />

daran beteiligt. Allein diese Eckdaten zeigen,<br />

wie vielseitig und anspruchsvoll die Aufgabe<br />

ist, ein solches Unternehmen zu managen.<br />

Neben dem finanziellen und administrativen<br />

Management gehören dazu Tätigkeiten wie<br />

die Unterst<strong>ü</strong>tzung der Projektkoordinatorin bei<br />

der Planung, Organisation und Implementierung<br />

der projektbezogenen Aktivitäten sowie<br />

die Kommunikation nach innen und außen.<br />

Gefragt sind Fähigkeiten, die nicht zum gängigen<br />

Anforderungsprofil f<strong>ü</strong>r Wissenschaftler<br />

gehören. Dies gilt insbesondere f<strong>ü</strong>r so unterschiedliche<br />

Kompetenzen wie Personalf<strong>ü</strong>hrung,<br />

Controlling oder Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Nat<strong>ü</strong>rlich sind auch Flexibilität und Kreativität,<br />

Lern- und Anpassungsfähigkeit gefragt.<br />

3Welche beruflichen<br />

Ziele haben sie?<br />

Ich möchte auch weiterhin im Wissenschaftsmanagement<br />

tätig sein. Als Franzose, der in<br />

der Schweiz und in Deutschland gelebt und<br />

gearbeitet hat, möchte ich auch k<strong>ü</strong>nftig in<br />

einem internationalen Umfeld arbeiten. Die<br />

fortgeschrittene Internationalisierung von Forschung<br />

und Lehre erfordert zunehmend interkulturelle<br />

Kompetenzen und Erfahrungen. Hier


sehe ich meine Aufgabe und auch Entwicklungsperspektiven.<br />

Als <strong>ü</strong>berzeugter Europäer<br />

möchte ich Br<strong>ü</strong>cken zwischen verschiedenen<br />

wissenschaftlichen Kulturen, zum Beispiel<br />

zwischen Frankreich und Deutschland, schlagen<br />

und damit einen Beitrag zum Aufbau des<br />

europäischen Wissenschaftsraums leisten.<br />

4ihr gelungenstes<br />

Projekt?<br />

Das dr<strong>ü</strong>ckt sich f<strong>ü</strong>r mich in der großen Zufriedenheit<br />

der Netzwerkbeteiligten aus, die anlässlich<br />

der Abschlusskonferenz des Projekts<br />

CONNEX im März 2008 formuliert wurde. Es<br />

ist auch ein persönlicher Erfolg f<strong>ü</strong>r mich, trotz<br />

struktureller Hindernisse Forschungsintegration<br />

auf höchstem wissenschaftlichen Niveau<br />

ermöglicht zu haben und dass ich mitwirken<br />

konnte, die passenden Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen. In diesem Zusammenhang konnte<br />

ich erfahren, wie der Einsatz von finanziellen<br />

aber auch von nicht materiellen Anreizen<br />

helfen kann, gemeinsame wissenschaftliche<br />

Ziele zu erreichen. Diese Gestaltungsaufgaben<br />

haben mir sehr gefallen.<br />

5Die größte herausforderung f<strong>ü</strong>r<br />

das Wissenschaftsmanagement?<br />

An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft<br />

(Forschung und Lehre) und Verwaltung angesiedelt,<br />

wird die Funktion des Wissenschaftsmanagements<br />

noch eine Weile um ihre Akzeptanz<br />

und Annerkennung kämpfen m<strong>ü</strong>ssen.<br />

Es geht zum Beispiel um Statusfragen der<br />

Beteiligten oder um die Abgrenzung von Kompetenzen.<br />

Diese erfordern nicht nur höchste<br />

Professionalität im Bereich des Managements,<br />

sondern auch ein gewisses wissenschaftliches<br />

„Standing“ und Legitimität. Schließlich<br />

muss man als Wissenschaftsmanager in der<br />

Lage sein, den Standpunkt und die Belange<br />

der Wissenschaftler zu verstehen.<br />

6Wohin wird sich das Wissenschaftsmanagement<br />

entwickeln?<br />

Wissenschaftsmanagement deckt ein breites<br />

Spektrum an Aufgaben und Funktionen ab.<br />

Larat – Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer wissenschaftsmanager 11<br />

Mit der Entwicklung der Hochschullandschaft<br />

insbesondere unter dem Gesichtspunkt der<br />

Internationalisierung werden sich vielseitige<br />

Aufgabenbereiche öffnen und zwar auf unterschiedlichen<br />

Ebenen: in Hochschulen und<br />

Forschungseinrichtungen aber auch im Hinblick<br />

auf das Wechselspiel zwischen Landes-,<br />

Bundes- , EU- und internationaler Ebene. Einerseits<br />

wird das zur Professionalisierung des<br />

Wissenschaftsmanagements f<strong>ü</strong>hren, im Sinne<br />

der Spezialisierung einer Berufsgruppe, andererseits<br />

zur Verbreitung von Praktiken und<br />

Wissensformen bei den Wissenschaftlern.<br />

Dies ist notwendig, weil Doktoranden, Post-<br />

Doktoranden und auch Professoren immer<br />

häufiger aufgefordert werden, Projekte auch<br />

selbst zu verwalten.<br />

7ihre Botschaft an die Kolleginnen<br />

und Kollegen?<br />

Professionalisierung sowie eine ständige Fortbildung<br />

sind erforderlich, um die Herausforderungen<br />

die sich an uns stellen, meistern zu<br />

können. Sozusagen als „sichtbare Beweise“<br />

sollten wir außerdem stärker die Bedeutung<br />

und N<strong>ü</strong>tzlichkeit des Wissenschaftsmanagements<br />

nach außen kommunizieren. Die Entwicklung<br />

des Wissenschaftsmanagements<br />

darf nämlich nicht als schleichender Versuch<br />

zur Etablierung einer neuen Technokratie gesehen<br />

werden, sondern muss als notwendiger<br />

Beitrag zur Modernisierung der Hochschulen<br />

und der Forschung verstanden werden.<br />

Als <strong>ü</strong>berzeugter Europäer möchte<br />

ich Br<strong>ü</strong>cken zwischen verschie-<br />

denen wissenschaftlichen Kul-<br />

turen, zum Beispiel zwischen<br />

Frankreich und Deutschland,<br />

schlagen und damit einen Beitrag<br />

zum Aufbau des europäischen<br />

Wissenschaftsraums leisten.<br />

Kontakt:<br />

Dr. Fabrice Larat<br />

Network Manager<br />

Mannheimer Zentrum f<strong>ü</strong>r<br />

Europäische Sozialforschung<br />

Universität Mannheim<br />

8131 Mannheim<br />

fabrice.larat@mzes.uni-mannheim.de<br />

www.connex-network.org<br />

Ab 1. September 2008:<br />

Directeur du Centre Expertise<br />

et de Recherche Adm<br />

nistrative<br />

Ecole Nationale d’Administration<br />

1 rue Sainte Marguerite<br />

F- 080 Strasbourg Cedex<br />

Tel. : +33 3 88214444<br />

Fabrice.Larat@ena.fr<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


12 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />

f i n a n Z i e r u n G<br />

Eine leistungsbezogene Budgetierung in Forschungseinrichtungen<br />

bedarf einer adäquaten Evaluation. Das<br />

Forschungszentrum Dresden-Rossendorf hat ein solches<br />

Instrument entwickelt und zur Anwendung gebracht.<br />

Foto: Alexander Stein/JOKER<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Bettina Gilge und Peter Joehnk<br />

Evaluation leistungsbezogener<br />

Budgetierungsmodelle<br />

Konzeption f<strong>ü</strong>r außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />

Wird die an öffentlich finanzierten außeruniversitären forschungseinrichtungen zuneh-<br />

mend wichtiger werdende Programmbudgetierung durch eine leistungsbezogene Bud-<br />

getierung ergänzt, kann die durch das neue steuerungsmodell geforderte Wirkungs-<br />

orientierung der ressourcenallokation forciert werden. Dar<strong>ü</strong>ber hinaus ermöglicht die<br />

<strong>ü</strong>bernahme von Kriterien der externen evaluierung in die budgetierungsrelevanten Leis-<br />

tungsindikatoren eine verkn<strong>ü</strong>pfung zwischen externen anforderungen der träger der ein-<br />

richtungen und internen Leistungsanreizen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird eine eva-<br />

luationskonzeption vorgestellt, mit welcher das leistungsbezogene Budgetierungsmodell<br />

einer öffentlich finanzierten außeruniversitären forschungseinrichtung bewertet sowie<br />

verbessert werden kann.<br />

Öffentlich finanzierte außeruniversitäre Forschungseinrichtungen budgetieren zunehmend programmorientiert,<br />

d.h. die Allokation finanzieller und personeller Ressourcen wird anhand von Zielsetzungen<br />

der jeweiligen Forschungsprogramme geplant. Dieses Budgetierungsverfahren kann<br />

durch eine leistungsbezogene Budgetierung (auch „anreizorientierte Budgetierung“, Görlitz 2006,<br />

S. 14) ergänzt werden, indem ein festgelegter Anteil des Gesamtbudgets auf der Basis von konkreten,<br />

messbaren, bereits erreichten und zwischen den Struktureinheiten (z.B. Instituten) vergleichbaren<br />

Leistungen vergeben wird. Durch diese indikatorbasierte Mittelzuweisung werden also<br />

gute Leistungen der Vergangenheit mit einer höheren Ressourcenzuteilung f<strong>ü</strong>r die Zukunft belohnt.<br />

Abbildung 1 verdeutlicht die Abgrenzung der leistungsbezogenen Budgetierungsmethode zu einer<br />

Auswahl gängiger Budgetierungsverfahren mittels einer Matrix. Dabei wird in der vertikalen Dimension<br />

unterschieden, ob sich das Budgetierungsverfahren am Input oder am Output der Leistungserstellung<br />

orientiert (K<strong>ü</strong>pper 2005, S. 348 ff.). Die horizontale Dimension differenziert zwischen dem<br />

Bezug des Verfahrens zur Vergangenheit oder Zukunft. Damit ist gemeint, inwiefern das Budgetierungsverfahren<br />

vom vergangenheitsgeprägten Istzustand ausgeht oder auf einen gew<strong>ü</strong>nschten<br />

Sollzustand in der Zukunft fokussiert.<br />

Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) wurde das leistungsbezogene Budgetierungsverfahren<br />

erstmals im Budgetjahr 2006 mit der Vergabe der Planungsreserve getestet. Diese wird zu<br />

Beginn eines Jahres f<strong>ü</strong>r Risiken, wie z.B. nicht vorhersehbare Ausgaben und Ersatzinvestitionen,<br />

sowie die Aufnahme neuer Aufgaben im Bereich Forschung und Entwicklung in Höhe eines definierten<br />

Anteils vom Gesamtbudget des FZD gebildet. Da Mitte des Jahres 2006 die Planungsreserve<br />

noch voll zur Verf<strong>ü</strong>gung stand, wurde sie vom Vorstand in einem leistungsorientierten Verfahren an<br />

die Struktureinheiten zur zielgerichteten Verwendung vergeben. Als Leistungsindikatoren wurden<br />

Parameter verwendet, die ohnehin im Berichtswesen des Jahres 2005 erfasst wurden, wie z.B. Artikel<br />

in referierten Zeitschriften oder Drittmittel pro Wissenschaftler.<br />

Da dieses junge Verfahren im FZD bis dato nur grob durchdacht wurde, beauftragte der Vorstand die<br />

Entwicklung einer systematischen Evaluationskonzeption f<strong>ü</strong>r das genutzte Budgetvergabeverfahren


Vergangenheitsbezug<br />

Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 13<br />

im Speziellen in Orientierung an Modellen der leistungsbezogenen Budgetierung im Allgemeinen.<br />

Diese Evaluationskonzeption sollte – insbesondere vor dem Hintergrund sich ständig ändernder<br />

Rahmenbedingungen – mittels einer Clusterung von verschiedenen Einzelkriterien die Beurtei-<br />

lung der Budgetierungsverfahren und die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen ermöglichen.<br />

Zudem sollte, da an Forschungseinrichtungen bis dato kaum Erfahrungen mit leistungsbezogenen<br />

Budgetierungsmodellen vorliegen (Brade 2005, S. 322), auf die Erfahrungen von deutschen Hoch-<br />

schulen zur<strong>ü</strong>ckgegriffen werden, die f<strong>ü</strong>r das Aufgabengebiet Forschung tätig sind und die formelge-<br />

bundene Mittelvergabe seit einigen Jahren praktizieren (Jäger 2006, S. 32).<br />

Überblick <strong>ü</strong>ber die Evaluationskonzeption<br />

Das Verfahren der Evaluationskonzeption (siehe Abbildung 2) gliedert sich neben der Start- und Ab-<br />

schlussphase in folgende vier Hauptphasen:<br />

u Inhaltsanalyse der Dokumente,<br />

u Bewertung der Leistungsindikatoren und der Berechnungssystematik,<br />

u Bewertung der Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit und<br />

u Pr<strong>ü</strong>fung der Akzeptanz.<br />

Fortschreibungsbudgetierung<br />

Formelgebundene<br />

Mittelvergabe<br />

Leistungsbezogene<br />

Budgetierung<br />

Abb. 1: Gliederungsmatrix f<strong>ü</strong>r Budgetierungsverfahren.<br />

F<strong>ü</strong>r diese Hauptphasen wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen ein Evaluator das<br />

leistungsbezogene Budgetierungsmodell Phase f<strong>ü</strong>r Phase pr<strong>ü</strong>ft und mittels eines Punktbewertungs-<br />

schemas mit den Merkmalswerten 1 (nicht erf<strong>ü</strong>llt), 2 (teilweise erf<strong>ü</strong>llt), 3 (mehrheitlich erf<strong>ü</strong>llt) und 4<br />

(vollständig erf<strong>ü</strong>llt) bewertet. Das Evaluationsverfahren kann dabei auch als Selbstevaluation (sys-<br />

tematische Eigenbewertung und -beschreibung, DeGEval 2004, S. 4) durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, d. h.<br />

der Evaluator ist Mitglied der Organisation, welche die zu evaluierenden Interventionsprogramme<br />

durchf<strong>ü</strong>hrt. In diesem Falle gilt es jedoch zur Vermeidung einer interessegeleiteten Verzerrung der<br />

Evaluationsergebnisse ein Organisationsmitglied als Evaluator zu bestimmen, welches von der Mit-<br />

telverteilung nicht betroffen ist. Im FZD bot sich daf<strong>ü</strong>r zum Beispiel die Stabsstelle Controlling an,<br />

welche dem kaufmännischen Vorstandsbereich zugeordnet ist und von den Auswirkungen der leis-<br />

tungsbezogenen Budgetierung nicht betroffen ist.<br />

Inputorientierung<br />

Produktbudgetierung<br />

Programmbudgetierung<br />

Outputorientierung<br />

Wertanalytische<br />

Verfahren<br />

Zero-Based-<br />

Budgetierung<br />

Zukunftsbezug<br />

Im Forschungszentrum Dresden-<br />

Rossendorf (FZD) wurde das<br />

leistungsbezogene Budgetie-<br />

rungsverfahren erstmals im Budgetjahr<br />

200 mit der Vergabe der<br />

Planungsreserve getestet. Diese<br />

wird zu Beginn eines Jahres f<strong>ü</strong>r<br />

Risiken, wie z.B. nicht vorhersehbare<br />

Ausgaben und Ersatzinvestitionen,<br />

sowie die Aufnahme<br />

neuer Aufgaben im Bereich Forschung<br />

und Entwicklung in Höhe<br />

eines definierten Anteils vom<br />

Gesamtbudget des FZD gebildet.<br />

Stichwörter<br />

Außeruniversitäre Forschung<br />

Budgetierung<br />

Anreizorientierung<br />

Management von Forschungsein-<br />

richtungen<br />

Leistungsbezogene Budgetierung<br />

Evaluationskonzeption<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


14 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />

keywords<br />

governmental research institutes<br />

budgeting<br />

incentives<br />

management of research insti-<br />

tutes<br />

performance-based budgeting<br />

evaluation design<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Abb. 2: Ablauf des Evaluationskonzeptes.<br />

Abriss der Phasen<br />

Startphase<br />

In die Startphase fallen neben der Beauftragung des Evaluators auch die Festlegung von Mindestan-<br />

forderungen an das leistungsorientierte Budgetierungsmodell und Gewichtungen f<strong>ü</strong>r die Einzelkri-<br />

terien der Phasen 1 bis 4 durch die Leitungsebene der Forschungseinrichtung. Damit wird eine<br />

Mindest-variante f<strong>ü</strong>r die Ausprägung der Einzelkriterien festgelegt, die in der Abschlussphase als<br />

Basis f<strong>ü</strong>r die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen dient. Zudem wird in dieser Phase durch<br />

den Evaluator eine Kontextanalyse durchgef<strong>ü</strong>hrt, bei der die Rahmenbedingungen – z.B. politische,<br />

ökonomische, soziale und kulturelle Faktoren und Zusammenhänge der Organisation und des Um-<br />

feldes – identifiziert und dokumentiert werden.<br />

Phase 1: Inhaltsanalyse der Dokumente<br />

In der ersten Phase recherchiert der Evaluator, welche Dokumente <strong>ü</strong>ber das angewandte Modell<br />

der leistungsbezogenen Budgetierung in Papierform sowie in digitaler Form vorliegen. Allgemein<br />

ist dabei zunächst zu pr<strong>ü</strong>fen, ob die vorliegenden Dokumente aktuell sind und ob alle Mitarbeiter<br />

der Forschungseinrichtung auf die Dokumente zugreifen können. Weiterhin ist im Rahmen der In-<br />

haltsanalyse zu untersuchen, ob eine verständliche, eindeutige und vollständige Beschreibung der<br />

Verfahrensweise f<strong>ü</strong>r die leistungsbezogene Budgetierung vorliegt. Zudem ist in dieser Phase der<br />

Evaluation der mit diesem Verfahren zu vergebene Budgetanteil zu erheben. Dabei ist zu pr<strong>ü</strong>fen,<br />

ob mittels des Verfahrens der leistungsbezogenen Budgetierung ein relevanter Budgetanteil ver-<br />

geben wird, der zum einen den Aufwand der Durchf<strong>ü</strong>hrung dieses Verfahrens rechtfertigt und auf<br />

der anderen Seite den erweiterten Budgetierungsfunktionen (z.B. Motivation, Leistungsbereitschaft,<br />

Eigeninitiative; Homann 2005, S. 152) gerecht wird. Abbildung 3 listet die Kriterien der 1. Phase in<br />

Kurzform auf.<br />

Auftrag durch<br />

die Leitungsebene<br />

Startphase<br />

Inhaltsanalyse<br />

der<br />

Dokumente<br />

Ziel:<br />

Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />

P U N K T B E W E R T U N G<br />

Bewertung Bewertung<br />

Leistungs- der<br />

indikatorenInformations- und<br />

Berechnungssystematikverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />

E V A L U A T I O N S B E R I C H T<br />

Pr<strong>ü</strong>fung<br />

der<br />

Akzeptanz<br />

Abschlussphase


Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />

Phase 1: Inhaltsanalyse der Dokumente<br />

A1: Aktualität und Zugriff<br />

A1.1: Die Dokumente sind aktuell.<br />

A1.2: Die Dokumente sind den Mitarbeitern der Einrichtung zugänglich.<br />

A2: Qualität der Beschreibung<br />

Es liegt eine verständliche, eindeutige und vollständige Beschreibung vor, der/des …<br />

A2.1: Indikatoren<br />

A2.2: Berechnungssystematik<br />

A2.3: Einbettung ins gesamte Budgetierungsverfahren<br />

A2.4: Verantwortlichkeit f<strong>ü</strong>r die Durchf<strong>ü</strong>hrung des Verfahrens<br />

A2.5: Zeitpunktes der Durchf<strong>ü</strong>hrung des Verfahrens<br />

A2.6: Datenherkunft der Indikatoren<br />

A2.7: Verantwortlichkeit f<strong>ü</strong>r Änderungen am Verfahren<br />

A3: Vergabe eines relevanten Budgetanteils<br />

Es wird im Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung ein relevanter Budget-<br />

anteil im Hinblick auf das Gesamtbudgets vergeben. (1: _1% & 3% & 5%).<br />

Abb. 3: Einzelkriterien Phase 1 – Inhaltsanalyse der Dokumente.<br />

Phase 2: Bewertung der Leistungsindikatoren und der Berechnungssystematik<br />

In dieser Phase bewertet der Evaluator die in der vorangegangenen Phase erhobenen Informati-<br />

onen <strong>ü</strong>ber die f<strong>ü</strong>r die leistungsbezogene Budgetierung genutzten Indikatoren und Berechnungs-<br />

verfahren. Da die Forschungsaufgaben in den einzelnen Forschungseinrichtungen verschieden<br />

sind (z.B. unterschiedliche Wissenschaftsgebiete, Unterscheidung zwischen Grundlagen- und<br />

anwendungsorientierter Forschung) und Forschungsleistungen besondere Wesensmerkmale<br />

(z.B. immaterieller Charakter, Einmaligkeit der Aufgabenstellung, Unsicherheit bez<strong>ü</strong>glich des<br />

Erfolges und Langfristigkeit des Erkenntnisprozesses; Ebert/Pleschak/Sabisch 1992, S. 140 ff.)<br />

aufweisen, sollen hier keine konkreten, f<strong>ü</strong>r alle Einrichtung g<strong>ü</strong>ltigen „Ideal“-Indikatoren pos-<br />

tuliert werden. Die Einzelkriterien der Evaluationskonzeption (siehe Abbildung 4) sollen jedoch<br />

die Überpr<strong>ü</strong>fung ermöglichen, ob die von der Einrichtung verwendeten Indikatoren besser oder<br />

schlechter geeignet sind, den Ziel- und Leistungsbezug herzustellen und f<strong>ü</strong>r eine gerechte,<br />

transparente und motivierende Mittelverteilung zu sorgen.<br />

Mit dem ersten Kriteriencluster werden allgemeine Anforderungen an Indikatoren bewertet, die<br />

zum einen aus der Ähnlichkeit von Indikatoren zu Kennzahlen und zum anderen aus der Bedeu-<br />

tung von Indikatoren f<strong>ü</strong>r die Funktionen der Budgetierung abgeleitet werden. So sollen Indika-<br />

toren beispielsweise einfach, objektiv nachpr<strong>ü</strong>fbar und in ihrer Anzahl sinnvoll begrenzt sein, die<br />

Ziele bzw. Zielerreichungsgrade erfassen, somit als Outputindikatoren gelten und durch klar de-<br />

finierte Verantwortliche beeinflussbar sein. Im zweiten Cluster wird der Bezug der verwendeten<br />

Indikatoren zum Zielsystem der Organisation gepr<strong>ü</strong>ft. Dies kann zum einen unter Zuhilfenahme<br />

der Strategie der Forschungseinrichtung und zum anderen mittels der Verkn<strong>ü</strong>pfung zur externen<br />

Evaluierung von Forschungseinrichtungen geschehen. Kriterien des dritten Clusters pr<strong>ü</strong>fen zum<br />

einen, ob die Berechnungssystematik zur Ermittlung der Budgetanteile einfach, verständlich und<br />

transparent ist. Zum anderen wird untersucht, ob Beziehungszahlen verwendet werden, die auf-<br />

Bettina Gilge, MPA<br />

(Master of Public Administration),<br />

ist Mitarbeiterin<br />

im Controlling des<br />

Forschungszentrums<br />

Dresden-Rossendorf.<br />

Prof. e. h. (TU Izhevsk)<br />

Dr. Dr. h. c. Peter<br />

Joehnk ist Kaufmännischer<br />

Vorstand des<br />

Forschungszentrums<br />

Dresden-Rossendorf.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


1 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />

Diese dritte Phase der Evaluation<br />

hat zwei Ziele: Zum einen soll<br />

beurteilt werden, inwieweit die<br />

Daten, die zur Berechnung der<br />

leistungsbezogenen Budgetie-<br />

rung notwendig sind, mit einem<br />

angemessenen Aufwand aus den<br />

IT-Systemen der Forschungsein-<br />

richtung abrufbar sind. Zum an-<br />

deren soll gepr<strong>ü</strong>ft werden, ob die<br />

Leiter der Struktureinheiten diese<br />

Informationen entweder jeder-<br />

zeit selbst und einfach abrufen<br />

können oder ob ihnen diese in<br />

regelmäßigen Abständen zur Ver-<br />

f<strong>ü</strong>gung gestellt werden m<strong>ü</strong>ssen,<br />

um auch unterjährig steuernd<br />

eingreifen zu können.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

grund des verhältnisvergleichenden Vorgehens geeignet sind, zwei verschiedenartige Größen,<br />

zwischen denen ein sachlicher Zusammenhang besteht, ins Verhältnis zueinander zu setzen<br />

(z.B. Drittmittel je Wissenschaftler oder Publikationen je Wissenschaftler; K<strong>ü</strong>pper 2005, S. 359).<br />

Phase 2: Indikatoren und Berechnungssystematik<br />

B1: Allgemeine Anforderungen an Indikatoren<br />

Die Indikatoren …<br />

B1.1: sind einfach, objektiv nachpr<strong>ü</strong>fbar und in ihrer Anzahl sinnvoll begrenzt,<br />

B1.2: stehen in sinnvoller Beziehung zueinander, d.h. sie ergänzen sich gegen-<br />

Phase 3: Bewertung der Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />

Diese dritte Phase der Evaluation hat zwei Ziele: Zum einen soll beurteilt werden, inwieweit die<br />

Daten, die zur Berechnung der leistungsbezogenen Budgetierung notwendig sind, mit einem<br />

angemessenen Aufwand aus den IT-Systemen der Forschungseinrichtung abrufbar sind. Zum<br />

anderen soll gepr<strong>ü</strong>ft werden, ob die Leiter der Struktureinheiten diese Informationen entweder<br />

jederzeit selbst und einfach abrufen können oder ob ihnen diese in regelmäßigen Abständen zur<br />

Verf<strong>ü</strong>gung gestellt werden m<strong>ü</strong>ssen, um auch unterjährig steuernd eingreifen zu können. Abbil-<br />

dung 5 zeigt die Einzelkriterien der Phase 3. Die notwendigen Informationen erzeugt das FZD<br />

leistungsseitig mit der Eigenentwicklung „Leistungsmodul“ und kostenseitig mit dem Produkt<br />

„PROMAN-W ® “, einem speziellen Projektmanagementsystem f<strong>ü</strong>r die Bed<strong>ü</strong>rfnisse wissenschaft-<br />

licher Einrichtungen.<br />

seitig und informieren gemeinsam <strong>ü</strong>ber einen Sachverhalt ausgewogen,<br />

nicht widerspr<strong>ü</strong>chlich, möglichst <strong>ü</strong>berschneidungsfrei und unabhängig<br />

voneinander,<br />

B1.3: erfassen die Ziele der Forschungseinrichtung bzw. die Zielerreichungsgrade<br />

und gelten somit als Outputindikatoren,<br />

B1.4: sind durch klar definierte Verantwortliche beeinflussbar,<br />

B1.5: sind in ihrer Ausprägung messbar, transparent und nachvollziehbar und<br />

ermöglichen damit eine Dokumentation und Kontrolle.<br />

B2: Zielbezug der Indikatoren<br />

B2.1: Die strategischen Ziele der Forschungseinrichtung spiegeln sich in den<br />

Leistungsindikatoren wider und werden dadurch operationalisiert.<br />

B2.2: Die Leistungsindikatoren stellen eine deutliche Verkn<strong>ü</strong>pfung zur externen<br />

Evaluierung der Forschungseinrichtung her.<br />

B2.3: Mittels der Leistungsindikatoren werden, so vorhanden, Anmerkungen<br />

und Empfehlungen vergangener Evaluierungen aufgegriffen und als Leistungs-<br />

anreize umgesetzt.<br />

B3: Berechnungssystematik<br />

B3.1: Die Leistungsindikatoren werden mittels Verhältniszahlen berechnet,<br />

deren Nenner in einem sachlichen Zusammenhang zum Indikator (Zähler) steht.<br />

B3.2: Um Budgetsicherheit zu gewährleisten, wird mit der Erreichung einer<br />

bestimmten Wertausprägung der Leistungsindikatoren ein entsprechender<br />

Budgetanteil verkn<strong>ü</strong>pft, der der Struktureinheit garantiert zur Verf<strong>ü</strong>gung steht.<br />

B3.3: Die Berechnungssystematik ist einfach, verständlich und transparent.<br />

Abb. 4: Einzelkriterien Phase 2 – Leistungsindikatoren und Berechnungssystematik.


Phase 3: Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />

Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />

C1: Verf<strong>ü</strong>gbarkeit der Daten in den IT-Systemen, Aktualität und Zugriff<br />

C1.1: Die Informationsnachfrage (Leistungsindikatoren und Verhältniszahl je<br />

Struktureinheit) stimmt mit dem Informationsangebot in den IT-Systemen<br />

der Forschungseinrichtung <strong>ü</strong>berein.<br />

C1.2: Die genannten Informationen sind mit einem angemessenen Aufwand<br />

aus den IT-Systemen abrufbar.<br />

C2: Information der Leitung der Struktureinheiten<br />

Die Leitung der Struktureinheit kann sich bzw. wird regelmäßig <strong>ü</strong>ber die Ausprägung<br />

der Leistungsindikatoren und Verhältniszahlen informiert, um entsprechend steuern<br />

zu können.<br />

Abb. : Einzelkriterien Phase 3 – Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit.<br />

Phase 4: Pr<strong>ü</strong>fung der Akzeptanz<br />

Da Akzeptanz (Bereitschaft, etwas zu akzeptieren) ein latentes Merkmal ist, also weder direkt<br />

noch indirekt beobachtbar ist, muss in dieser Phase der Evaluation versucht werden, solche<br />

Merkmale zu messen, aus denen auf die Ausprägung der Akzeptanz geschlossen werden kann<br />

(Schumann 2006, S. 52). Dazu wird zum einen gepr<strong>ü</strong>ft, ob die leistungsbezogene Budgetierung<br />

nach Ansicht der Leitung der Struktureinheiten den Ziel- und Leistungsbezug herstellt und ob<br />

sie ein gerechtes und motivierendes Budgetinstrument darstellt (Abbildung 6). Zum anderen soll<br />

<strong>ü</strong>ber die reine Akzeptanz der leistungsbezogenen Budgetierung hinaus versucht werden, die<br />

Stimmung in der Forschungseinrichtung diesbez<strong>ü</strong>glich einzufangen und direkt Verbesserungs-<br />

ansätze zu erfragen. Daf<strong>ü</strong>r werden ein im Rahmen der Entwicklung der Evaluationskonzeption<br />

aufgestellter standardisierter Fragebogen sowie ein Leitfadeninterview verwendet.<br />

Phase 4: Akzeptanz<br />

D1: Ziel- und Leistungsbezug<br />

Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />

wird als geeignet angesehen, den Ziel- und Leistungsbezug zu den Zielen der<br />

Struktureinheiten herzustellen.<br />

D2: Gerechte Verteilung der Mittel<br />

Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />

wird als gerecht bez<strong>ü</strong>glich der Verteilung der Mittel gemessen mit dem Leistungsmaß-<br />

stab angesehen.<br />

D3: Motivierende Wirkung<br />

Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />

wird als motivierend angesehen.<br />

Abb. : Einzelkriterien Phase 4 – Akzeptanz.<br />

Abschlussphase<br />

Um mit dieser Evaluationskonzeption auch den Gestaltungsaspekt der Evaluation zu ber<strong>ü</strong>ck-<br />

sichtigen, werden in der Abschlussphase der Evaluation Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet.<br />

Dabei gilt es – unter Ber<strong>ü</strong>cksichtigung des f<strong>ü</strong>r die Umsetzung solcher Maßnahmen notwen-<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


18 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />

Literatur:<br />

Bortz, J./Döring, N., Forschungsmethoden und Eva-<br />

luation f<strong>ü</strong>r Sozialwissenschaftler, 2. Aufl., Berlin/<br />

Heidelberg 1 .<br />

Brade, J., Strategisches Management in der außeruniversitären<br />

Forschung. Entwicklung einer Konzeption<br />

am Beispiel der Helmholtz Gesellschaft,<br />

Wiesbaden 200 .<br />

DeGEval, Empfehlungen zur Anwendung der Standards<br />

f<strong>ü</strong>r Evaluation im Handlungsfeld der Selbst-<br />

evaluation, 2004, Internet: http://www.degeval.de/<br />

index.php?class=Calimero_Article&id=2<br />

(Abruf: 30.11.200 ).<br />

Ebert, G./Pleschak, F./Sabisch, H., Aktuelle Aufgaben<br />

des Forschungs- und Entwicklungs-Controlling in Industrieunternehmen,<br />

in: Gem<strong>ü</strong>nden, H. G./Pleschak,<br />

F. (Hrsg.), Innovationsmanagement und Wettbewerbsfähigkeit,<br />

Wiesbaden 1 2, S. 13 -1 .<br />

Görlitz, J., Budgetierung bei programmorientierter<br />

Forschung. Vorschlag f<strong>ü</strong>r ein leistungs- und anreizorientiertes<br />

Budgetierungskonzept, In: Wissenschaftsmanagement<br />

12 (200 ) , S.10- 14.<br />

Homann, K., Verwaltungscontrolling. Grundlagen –<br />

Konzept – Anwendung, Wiesbaden 200 .<br />

Jäger, M., Leistungsbezogene Budgetierung an deutschen<br />

Universitäten. Umsetzung und Perspektiven,<br />

In: Wissenschaftsmanagement 12 (200 ) 3, S. 30-3 .<br />

K<strong>ü</strong>pper, H.-U., Controlling. Konzeption, Aufgaben und<br />

Instrumente, 4. Aufl., Stuttgart 200 .<br />

Schumann, S., Repräsentative Umfrage – praxis-<br />

orientierte Einf<strong>ü</strong>hrung in empirische Methoden<br />

und statistische Analyseverfahren, 4. Aufl.,<br />

M<strong>ü</strong>nchen/Wien 200 .<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

digen Ressourceneinsatzes – die wichtigsten Ansatzpunkte f<strong>ü</strong>r mögliche Verbesserungen des<br />

Modells der leistungsbezogenen Budgetierung herauszufiltern. Dazu wird die Differenz zwischen<br />

der Mindestvariante (Festlegung durch die Leitungsebene in der Startphase) und der istvariante<br />

(Bewertung der Einzelkriterien in den Phasen 1 bis 4 durch den Evaluator) unter Hinzuziehung<br />

der eingangs definierten Gewichtung gebildet. Die höchsten Abweichungswerte zeigen dabei die<br />

höchsten Prioritäten an, f<strong>ü</strong>r die der evaluator verbesserungsmaßnahmen erarbeiten sollte.<br />

F<strong>ü</strong>r die Maßnahmenfindung können u.a. auch die in Phase 4 gef<strong>ü</strong>hrten Leitfadeninterviews<br />

mit den Leitern der Struktureinheiten identifizierten Verbesserungsansätze genutzt werden. Als<br />

Endergebnis des beschriebenen Evaluationsverfahrens steht ein Evaluationsbericht, welcher der<br />

Leitungsebene der Forschungseinrichtung <strong>ü</strong>bergeben wird. Aus diesem gehen im Wesentlichen<br />

die folgenden Punkte hervor:<br />

u Auftrag der Leitungsebene und Ergebnisse der Kontextanalyse<br />

– erteilt durch, am<br />

– Besonderheiten/Schwerpunkte/Einschränkungen<br />

– Ergebnisse der Kontextanalyse<br />

u Ergebnisse der Bewertungen der Einzelkriterien<br />

– verbale Beschreibung des Modells der leistungsbezogenen Budgetierung<br />

– detailliertes Punktbewertungsmodell<br />

– nicht beabsichtigte Wirkungen der leistungsbezogenen Budgetierung<br />

u Verbesserungsmaßnahmen<br />

Es wird anhand der Abweichungen im Punktbewertungsmodells<br />

(Mindest- vs. Istvariante) ein Ranking erstellt. Zu den aufgef<strong>ü</strong>hrten Einzelkriterien<br />

werden Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet.<br />

Insbesondere mit Hilfe des zuletzt aufgef<strong>ü</strong>hrten Rankings der Verbesserungsmaßnahmen kann<br />

die Leitungsebene der Forschungseinrichtung nun entscheiden, welche Maßnahmen tatsächlich<br />

umgesetzt werden, um so mit möglichst geringem Aufwand die von ihnen gew<strong>ü</strong>nschte Verbesserung<br />

des leistungsbezogenen Budgetierungsmodells zu erzielen.<br />

Praktische Anwendung<br />

Wie eingangs erwähnt, wurde das Modell der leistungsbezogenen Budgetierung im FZD vom<br />

Vorstand mit Zustimmung der Leitung der wissenschaftlichen Institute im Jahr 2006 entwickelt<br />

und gestestet. Parallel zur vom kaufmännischen Vorstand beauftragten systematischen Evaluation<br />

wurde das Modell im Jahr 2007 erstmals vollständig angewandt. Die Evaluation konnte somit<br />

auf aktuelle Erfahrungen mit dem Modell zur<strong>ü</strong>ckgreifen und f<strong>ü</strong>hrte zum einen zu dem Ergebnis,<br />

dass die Verkn<strong>ü</strong>pfung des FZD-Modells zur externen Evaluierung gegeben ist. Zum anderen erf<strong>ü</strong>llt<br />

das im FZD angewandte leistungsbezogene Budgetierungsmodell die Bewertungskriterien<br />

der hier vorgestellten Evaluationskonzeption weitgehend. F<strong>ü</strong>r einige von der Sollvorgabe abweichende<br />

Kriterien wurden entsprechende Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die nun durch die<br />

Leitungsebene der Einrichtung zu begutachten und umzusetzen sind. Hier sollen zwei dieser<br />

Beispiele abschließend angef<strong>ü</strong>hrt werden. So wurde beispielsweise vor dem Hintergrund der<br />

angestrebten motivierenden Wirkung (Einzelkriterium D3) eines solchen Budgetierungsschrittes<br />

kritisiert, dass die jährliche Ermittlung der leistungsbezogenen Budgetanteile nicht transparent<br />

kommuniziert wird. Daher wurde empfohlen, bei Bekanntgabe der leistungsbezogenen Budgetanteile<br />

die vollständige Berechnung dieser, inklusive aller Daten der Indikatoren und Berechnungsschritte<br />

schriftlich an die Institute zu kommunizieren, um so die Transparenz, Akzeptanz


Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />

und damit auch die motivierende Wirkung des Verfahrens zu erhöhen. Weiterhin ergab das Ein-<br />

zelkriterium „Zielbezug der Indikatoren – Strategische Ziele der Einrichtung“ (Einzelkriterium B<br />

2.1) einen signifikanten Abweichungswert. Um den Aspekt der Anwendungsorientierung in den<br />

Indikatoren besser abzubilden wurde empfohlen, einen zusätzlicher Indikator, beispielsweise Li-<br />

zenzverträge, Patente oder Industriekooperationen, aufzunehmen.<br />

Ausblick<br />

Zuk<strong>ü</strong>nftig soll die vorgestellte Evaluationskonzeption f<strong>ü</strong>r leistungsbezogene Budgetierungsmo-<br />

delle in weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen angewandt werden, um diese<br />

durch die Anwendung in verschiedenen Organisationskontexten weiter zu verbessern. Dar<strong>ü</strong>ber<br />

hinaus könnte in einem nächsten Schritt eine summative Evaluation des leistungsbezogenen<br />

Budgetierungsmodells erfolgen. Denn diese Modelle stellen eine recht neue, bereits laufende<br />

Maßnahme dar und können derzeit weder sinnvoll auf ihre Wirkung noch ihren Nutzen f<strong>ü</strong>r den<br />

Forschungsoutput untersucht werden (Bortz/Döring 1995, S. 107), weshalb die hier vorgestellte<br />

Evaluationskonzeption zunächst als formatives Verfahren genutzt wird. Eine summative Evalu-<br />

ation sollte erst nach mehrjähriger Anwendung eines leistungsbezogenen Budgetierungsmo-<br />

dells in einer oder mehreren außeruniversitären Forschungseinrichtungen unter Nutzung eines<br />

entsprechend angepassten Kriterienkatalogs durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, der sicher Anhaltspunkte<br />

im hier vorgestellten Kriterienraster finden kann. Jedoch m<strong>ü</strong>sste zusätzlich untersucht werden,<br />

ob Forschungseinrichtungen, die einen Teil ihrer Budgets leistungsbezogen vergeben, einen hö-<br />

heren bzw. besseren Forschungsoutput haben als Einrichtungen ohne eine solche Mittelvergabe<br />

(Organisationsvergleich). Ein weiterer möglicher Ansatz wäre, zu pr<strong>ü</strong>fen, ob einzelne Einrich-<br />

tungen ihren Forschungsoutput durch Einf<strong>ü</strong>hrung einer leistungsbezogenen Budgetierung stei-<br />

gern konnten (Zeitvergleich).<br />

Fazit<br />

Kritisch reflektierend möchten die Autoren aus ihrer Erfahrung mit der Einf<strong>ü</strong>hrung des leistungs-<br />

bezogenen Budgetierungsmodells im FZD abschließend anmerken, dass die durch das Neue<br />

Steuerungsmodell geforderte Wirkungsorientierung der Ressourcenallokation zwar durchaus<br />

forciert werden kann. Insbesondere während der Befragung in Evaluationsphase 4 konnten<br />

wir nachhaltige Anhaltspunkte daf<strong>ü</strong>r gewinnen, dass die kulturellen Voraussetzungen durchaus<br />

vorhanden sind, um durch die outputorientierte Budgetsteuerung wettbewerbliche Energien<br />

– innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin – freizusetzen. Jedoch muss diese Energie durch<br />

die Leitungsgremien der Forschungseinrichtung mit sicherer Hand in eine strategische Rich-<br />

tung geleitet werden. Denn durch einen „Indikatorenopportunismus“, d.h. die Anpassung an die<br />

outputmessenden Indikatoren, könnte die Erf<strong>ü</strong>llung des primären Organisationszwecks, also in<br />

unserem Falle der anwendungsorientierten Grundlagenforschung, unterlaufen werden. Das leis-<br />

tungsbezogene Budgetierungsmodell, als ein auf vergangenheitsbezogenen Indikatoren begr<strong>ü</strong>n-<br />

detes Steuerungsinstrument, kann diese grundsätzlichen strategischen Entscheidungen nicht<br />

ersetzen. Es kann allerdings wertvolle Hinweise f<strong>ü</strong>r eventuelle Handlungsbedarfe liefern. Zudem<br />

ermöglicht dieses Instrument durch den Einbezug von Evaluierungskriterien in die Leistungsindi-<br />

katoren eine Verkn<strong>ü</strong>pfung zwischen externen Anforderungen an die Forschungseinrichtung und<br />

internen Leistungsanreizen. Dadurch gewinnt das strategische Management ein bedeutendes<br />

Legitimationsmittel zur Allokation der knappen Ressourcen nach außen und innen.<br />

summary<br />

There is an increasing need to<br />

improve the efficiency and<br />

effectiveness of governmental<br />

research institutes. One possible<br />

instrument to support this quest<br />

is to use performance-based bud-<br />

geting in addition to the widely<br />

established programme-oriented<br />

budgeting. In this paper a con-<br />

cept for the evaluation and im-<br />

provement of such performance-<br />

based budgeting–models is pre-<br />

sented.<br />

Kontakt:<br />

Bettina Gilge<br />

Stabsstelle Controlling<br />

Forschungszentrum Dresden-Rossendorf e.V.<br />

Bautzner Landstraße 128<br />

01328 Dresden<br />

Tel.: +4 3 1 2 0-234<br />

Fax: +4 3 1 2 0-34<br />

Email: b.gilge@fzd.de<br />

Internet: www.fzd.de<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


20 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

W i s s e n s t r a n s f e r<br />

Apple ist heute ein Weltkonzern und „Innovation<br />

Leader“ – auch oder sogar vor allem dank seiner<br />

Innovationskultur. Schon der erste Heimcomputer,<br />

den Apple-Gr<strong>ü</strong>nder Steve Wozniaks baute, war das<br />

Produkt eines fr<strong>ü</strong>hes Verständnisses von Open Innovation.<br />

Foto: de.wikipedia.org/wiki/Apple_I<br />

(CC-BY-SA-2.0-Lizenz)<br />

Abb. 1: Auszug aus einer europaweiten Umfrage zum<br />

Wissen der B<strong>ü</strong>rger <strong>ü</strong>ber Biotechnologie. Erstmals<br />

wurden hierbei in allen 2 Mitgliedsstaaten Befragungen<br />

durchgef<strong>ü</strong>hrt; Quelle: Gaskell 200 (London<br />

School of Economics).<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Alexander Gerber<br />

Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

Eine offene Kommunikation ist entscheidend f<strong>ü</strong>r den Erfolg<br />

von Open Innovation<br />

Keine innovation ohne Kommunikation – so einfach ist das. oder vielleicht doch nicht?<br />

Wie aktuelle studien belegen, haben Kommunikationsstrategie und innovationsmanager<br />

oft geradezu gegensätzliche vorstellungen, und nur in jedem zehnten unternehmen sind<br />

die jeweiligen Prozesse systematisch miteinander verzahnt. sicher ist es kein Zufall, dass<br />

ausgerechnet die Marktf<strong>ü</strong>hrer eine vergleichsweise offene Kommunikation in ihren un-<br />

ternehmen pflegen.<br />

Jeder dritte Europäer glaubt tatsächlich, „normale Tomaten enthalten keine Gene, während genetisch<br />

modifizierte welche haben” (Gaskell 2006), und nur 41% aller Europäer wissen demnach, dass das<br />

Unsinn ist – immerhin sechs Prozent mehr als noch vor zehn Jahren (Abbildung 1). Wie viel, fragt man<br />

sich, muss in der Kommunikation biotechnologischer Innovation schief gelaufen sein, damit sich solch<br />

ein Irrglaube in der Öffentlichkeit ungehindert verbreiten konnte? Im Grunde genommen wird die Ab-<br />

lehnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, f<strong>ü</strong>r die es ja durchaus auch fundierte Argumente gibt,<br />

damit geradezu zur logischen Konsequenz misslungener Kommunikation. Im schlimmsten Fall kann<br />

sich dies zu einer wahren Technophobie auswachsen – so wie damals, als die ersten Kernkraftwerke<br />

ans Netz gingen und ein beträchtlicher Teil der Deutschen meinte, der neue Atomstrom, der da aus<br />

der Steckdose komme, sei „verstrahlt“ und somit gefährlicher als Strom aus konventionellen Kraft-<br />

werken. Angesichts solcher Beispiele drängt sich Unternehmen branchen<strong>ü</strong>bergreifend die nicht selten<br />

existenzielle Frage auf, wie sich die öffentliche Meinungsbildung fr<strong>ü</strong>hzeitig erkennen und im Sinne<br />

der eigenen Sache beeinflussen lässt. Beantworten lässt sich diese Frage weder mit traditionellen<br />

PR-Instrumenten noch mit Millionen-Investitionen in politischen Lobbyismus, wie etliche neue Studien<br />

zur Innovationskommunikation zeigen. Demnach liegt die Antwort vielmehr in einer viel engeren Ver-<br />

zahnung des Innovationsmanagements mit einer deutlich offeneren Kommunikation, die sich nicht nur<br />

als Sprachrohr versteht, sondern auch als Moderator und Themenscout.<br />

Wie unterschiedlich das Verständnis beider Seiten ist und wie sich dies in der strategischen Ausrich-<br />

tung und Umsetzung widerspiegelt, zeigt eine Befragung von 70 Praktikern aus 41 Unternehmen so-<br />

genannter Zukunftsbranchen im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Universität Leipzig (Lehrstuhl<br />

Prof. Dr. Ansgar Zerfaß) mit der PR-Agentur Fink & Fuchs. Aufschlussreich sind die Ergebnisse vor


Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 21<br />

allem deshalb, weil Entscheider beider Unternehmensbereiche befragt und die Ergebnisse in Bezie-<br />

hung zueinander gesetzt wurden. Zwar ist die Untersuchung nicht repräsentativ, bezieht sich haupt-<br />

sächlich auf große Technologiekonzerne und lässt somit kleine und mittelständische Unternehmen<br />

(KMU) als die eigentlichen Innovatoren eher außen vor (siehe hierzu die Ergebnisse einer Wiener<br />

Studie im hinteren Teil dieses Beitrags). Trotzdem sind einige <strong>ü</strong>berraschende Trends empirisch derart<br />

signifikant, dass man sie zumindest genauer betrachten sollte. Außerdem verstehen sich zwei Drittel<br />

der Befragten als „Innovation Leader“ ihrer jeweiligen Branche, was einen umfassenden Blick auf<br />

„Best Practice“ in der Industrie erlaubt.<br />

40% dieser Unternehmen setzen bereits heute auf „Open Innovation“, also auf die Einbeziehung von<br />

Kunden, Partnern oder sogar Konkurrenten in die eigenen Entwicklungsprozesse, wie sie erstmals von<br />

Henry Chesbrough (2003) gefordert wurde. Vielfach beschränkt sich dieses Engagement der Unter-<br />

nehmen aber auf die Strategie, während erforderliche Strukturen fehlen – wie etwa interdisziplinäre<br />

Teams, Weiterbildung und Kommunikations-Coaching der Mitarbeiter oder eine integrierte Kunden-<br />

kommunikation. Unterschiedlich beantworten Innovations- und Kommunikationsverantwortliche die<br />

Frage, ob eigenes Know-how vor Wettbewerbern gesch<strong>ü</strong>tzt werden sollte und ob eigene Ideen auch<br />

an externe Partner verkauft oder lizenziert werden sollten: Die PR begegnet diesen Ansätzen f<strong>ü</strong>r of-<br />

fenere Innovationsprozesse mit mehr Skepsis als das Innovationsmanagement, so ein Ergebnis der<br />

Studie. Zudem wird diese Offenheit eher als Einbahnstraße verstanden, auf der weitaus mehr externes<br />

Know-how eingebunden als internes Know-how geteilt werden soll. Diese offenbar weit verbreitete<br />

Skepsis ist vermutlich eine Folge mangelnden Vertrauens: „Die Bereitschaft, Wissen zu teilen sowie<br />

Macht und Kompetenzen abzugeben“, ist nach Hoewner et al. (2008) die elementare Voraussetzung<br />

f<strong>ü</strong>r eine Öffnung der Prozesse. Eine anschauliche Anekdote hierzu ist die Entstehung des Weltkon-<br />

zerns Apple: Entwickler Steve Wozniak, der später mit Steve Jobs das Unternehmen gr<strong>ü</strong>ndete, hatte<br />

die Konstruktionspläne seines ersten Apple-Computers damals noch frei an andere Bastler auf dem<br />

Campus von Stanford verteilt, die sich regelmäßig im „Homebrew Computer Club“ trafen. Denn Infor-<br />

mationstechnologie war damals noch derart unerforscht, dass die „Homebrewer“ davon <strong>ü</strong>berzeugt<br />

waren, allein durch den vorwettbewerblichen Austausch von Entwicklungsergebnissen das ganze Po-<br />

tenzial der Technologie erschließen zu können. Somit ist also der erste Heimcomputer sozusagen das<br />

Produkt eines fr<strong>ü</strong>hes Verständnisses von Open Innovation. Als jedoch in der Runde nach und nach<br />

immer mehr marktfähige Produkte entwickelt wurden, standen sich die Clubmitglieder plötzlich als<br />

Konkurrenten gegen<strong>ü</strong>ber, schotteten sich und ihre Ideen zunehmend gegeneinander ab, bis der Club<br />

schließlich 1986 aufgelöst werden musste (Osterloh et al. 2006). Die individuellen Innovationspro-<br />

zesse der Einzelnen wurden wieder nach außen hin geschlossen.<br />

Die wichtigsten Quellen neuer Ideen sind laut der Leipziger Studie die eigenen Mitarbeiter und beste-<br />

hende Kunden (Abbildung 2). Wie in vielen vergleichbaren Untersuchungen zeigt auch die vorliegende<br />

Studie eine erschreckend geringe Einbindung von Forschungseinrichtungen, womit auch gleich das<br />

größte Potenzial deutlich wird. Diese Ergebnisse sprechen allerdings mehr die Sprache von Großkon-<br />

zernen als von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Immerhin: Bei den „Innovation Leaders“<br />

kommt inzwischen fast die Hälfte der Ideen von „Draußen“. Während die PR-Leute auffallend deutlich<br />

die Bedeutung der eigenen Forschung und Entwicklung (F&E) als Ideengeber <strong>ü</strong>berbewerten, sieht das<br />

Innovationsmanagement hier vor allem Geschäftspartner sowie die Fachcommunity und sogar die ei-<br />

genen Wettbewerber als wichtig an und setzt auf neue Wissenszugänge.<br />

Kommunikation von gestern f<strong>ü</strong>r Produkte von morgen?<br />

Die Forderung nach einer Öffnung des Innovationsprozesses ist bei weitem nicht so neu, wie sie sich<br />

möglicherweise anhört; lediglich die daf<strong>ü</strong>r verwendeten Methoden und Werkzeuge sind es. Schon<br />

Alexander Gerber ist<br />

Informationswissenschaftler<br />

und verantwortet<br />

seit 2003 die<br />

Innovationskommunikation<br />

im größten Institutsverbund<br />

der Fraunhofer-Gesellschaft.<br />

Er ist außerdem Chefredakteur<br />

des Wirtschaftsmagazins<br />

„Inno-<br />

Visions“ und leitet eine<br />

Kommunikations-Agentur<br />

in Berlin.<br />

Wie in vielen vergleichbaren<br />

Untersuchungen zeigt auch die<br />

vorliegende Studie eine erschre-<br />

ckend geringe Einbindung von<br />

Forschungseinrichtungen, womit<br />

auch gleich das größte Potenzial<br />

deutlich wird. Diese Ergebnisse<br />

sprechen allerdings mehr die<br />

Sprache von Großkonzernen als<br />

von kleinen und mittelständi-<br />

schen Unternehmen.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


22 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

interne Quellen<br />

Mitarbeiter<br />

Die Bedeutung externer Ideengeber wird von Innovationsmanagern deutlicher<br />

als von PR-Profis erkannt<br />

Mitarbeiter<br />

Abteilung Forschung &<br />

Abteilung Forschung & Entwicklung<br />

Entwicklung<br />

Abteilung Vertrieb/<br />

Service<br />

externe Quellen<br />

Kunden<br />

Abteilung Vertrieb/Service<br />

Geschäftspartner<br />

Kunden<br />

Geschäftspartner<br />

Forschungseinricht./<br />

Hochschulen<br />

Berater<br />

Forschungseinrichtungen/Hochschulen<br />

Wettbewerber<br />

Wettbewerber<br />

Messen/Tagungen/<br />

Kongresse<br />

Messen/Tagungen/Kongresse<br />

<strong>Medien</strong>/Internet<br />

<strong>Medien</strong>/Internet<br />

Interessenverbände<br />

Interessenverbände<br />

Berater<br />

3,3%<br />

10,0%<br />

6,7%<br />

5,0%<br />

5,0%<br />

6,7%<br />

Zerfaß/Ernst 2008 (n = 70). F8: Mit wem arbeitet Ihr Unternehmen bei der Entwicklung von neuen Produkten<br />

und Dienstleistungen zusammen? Von was lässt man sich inspirieren? Nennen Sie bitte die<br />

© 2008 Universität Leipzig<br />

f<strong>ü</strong>r Ihr Unternehmen drei wichtigsten Quellen f<strong>ü</strong>r innovative Ideen.<br />

Abb. 2: Die wichtigsten Quellen neuer Ideen in deutschen<br />

Großunternehmen; Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />

(Uni Leipzig).<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

20,0%<br />

13,3%<br />

10,0%<br />

16,7%<br />

28,0%<br />

23,3%<br />

20,0%<br />

Henry Ford meinte, dass das Geheimnis seines Erfolges darin liege, „den Standpunkt des anderen<br />

zu verstehen und dabei immer genau die Fähigkeiten zu haben, die gerade gefragt sind.“ Außerdem<br />

erkannte Ford, dass Innovation weniger darin besteht, einzelne Probleme zu lösen, sondern vor allem<br />

darin, diese Probleme <strong>ü</strong>berhaupt erst einmal zu erkennen, was eine besondere Form des Zuhörens<br />

erfordere: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie wohl ,schnellere Pferde‘<br />

gesagt.“<br />

33,3%<br />

33,0%<br />

46,7%<br />

58,0%<br />

60,0%<br />

65,0%<br />

66,7%<br />

68,0%<br />

0% 20% 40% 60% 80%<br />

Kommunikationsverantwortliche Innovationsverantwortliche<br />

� signifikanter Zusammenhang, Quantität & Kausalität nicht nachweisbar<br />

Auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach Henry Ford wird Innovationskommunikation vor allem<br />

als „Megaphon“ und weniger als „Stethoskop“ verstanden. Noch haben Forschung und Unterneh-<br />

mens-PR meist grundlegend unterschiedliche Kommunikations-Paradigmen: Während die traditio-<br />

nelle („persuasive“) PR die Innovationskommunikation hauptsächlich als Branding-Werkzeug sieht,<br />

also vornehmlich zur Imagepflege nutzt (mit 83% als primäres Ziel immer noch unangefochten auf<br />

Platz 1), setzt eine strategische Innovationskommunikation nicht nur darauf, eigene Ergebnisse und<br />

Themen aufzubereiten und f<strong>ü</strong>r die Markteinf<strong>ü</strong>hrung zu unterst<strong>ü</strong>tzen, sondern beobachtet auch die<br />

Meinungsbildung bei wichtigen Bezugsgruppen, managt den Fluss interner und externer Informati-<br />

onen und moderiert den Dialog zwischen dem eigenen Unternehmen und seinen Innovationspartnern.<br />

Hier liegen demnach die Erwartungen des Innovationsmanagements und das Selbstverständnis der<br />

PR weit auseinander, so die Autoren der Leipziger Studie.<br />

-13,8%<br />

-5,8%<br />

-6,4%<br />

Die Instrumente externer Kommunikation sind dabei ähnlich klassisch wie vor 20 Jahren: Pressemit-<br />

teilungen, Messen und Eigenveranstaltungen. Die Innovationsverantwortlichen wiederum stehen völlig<br />

allein mit ihrer Forderung nach mehr „direkter persönlicher Kommunikation“.<br />

�<br />

�<br />

-0,7%<br />

-3,8%<br />

-4,3%<br />

-2,4%<br />

-1,9%<br />

-2,9%<br />

-0,7%<br />

-1,4%<br />

1,0%<br />

2,9%<br />

3,2%<br />

1,8%<br />

1,4%<br />

1,0%<br />

1,9%<br />

10,4%<br />

7,6%<br />

3,0%<br />

8,6%


Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 23<br />

Aus diesen Ergebnissen leiten die Autoren der Studie f<strong>ü</strong>nf spezifische „Typen“ der Innovationskom-<br />

munikation ab – eine Typologie, die zumindest große Unterschiede in den Konzepten und Strategien<br />

aufzeigt (Abbildung 3):<br />

u „traditionalisten“ sehen sich vorrangig als Sprachrohr des Unternehmens und wollen <strong>ü</strong>ber Inno-<br />

vationen die eigene Marke aufwerten. Sie sind selten oder <strong>ü</strong>berhaupt nicht in Innovationsprozesse<br />

eingebunden, glauben nur zu einem Drittel, dass Kommunikation den Innovationserfolg steigern<br />

kann und haben zudem nur selten Prozesse daf<strong>ü</strong>r entwickelt.<br />

u Auch „strategen“ haben ein eher traditionelles, „geschlossenes“ Verständnis von Innovation. Im<br />

Vergleich zur ersten Gruppe kommunizieren „Strategen“ allerdings deutlich dialogorientierter, um<br />

die Innovationskultur im Unternehmen zu stärken und neue Märkte zu erschließen. Forschungsein-<br />

richtungen und Fachmedien rangieren hinter Publikumsmedien und der breiten Öffentlichkeit. Nur<br />

jeder vierte „Stratege“ ist regelmäßig in Innovationsprozesse eingebunden.<br />

u „taktiker“ haben nach Ansicht der Autoren erkannt, wie wichtig es ist, externe Partner einzubin-<br />

den. Trotz dieses Verständnisses f<strong>ü</strong>r Open Innovation setzt auch dieser „Typus“ einseitig auf Image-<br />

bildung, Verkaufsförderung und auf die Erschließung neuer Märkte. Dabei werden zwar Entwick-<br />

lungspartner und Forschungseinrichtungen vergleichsweise stark adressiert, allerdings zu Lasten<br />

interner Zielgruppen. Insgesamt setzt die Kommunikation somit zu spät im Innovationsprozess an.<br />

Immerhin sind „Taktiker“ zu etwa 50% regelmäßig in Innovationsprozesse eingebunden, die sie zu<br />

75% mit einer systematischen Kommunikationsstrategie begleiten.<br />

u Auch die Gruppe der „spielmacher“ hat Open Innovation verinnerlicht und bindet die so genann-<br />

ten „Stakeholder“ oft und fr<strong>ü</strong>hzeitig ein. Kommunikation ist dabei keine Einbahnstraße, sondern<br />

wird als Dialog zum Wissenstransfer in beide Richtungen verstanden, bei dem keine relevante Ziel-<br />

gruppe außen vor bleibt. Vorrangige Ziele sind die Erschließung neuer Märkte und die Kunden-<br />

bindung. Ursache oder Konsequenz dieser offenen und strategischen Innovationskommunikation<br />

könnte die Tatsache sein, dass drei von vier „Spielmachern“ regelmäßig in Innovationsprozesse<br />

eingebunden sind. Sie glauben unisono, dass Kommunikation den Innovationserfolg steigern kann<br />

und haben deshalb auch <strong>ü</strong>berwiegend systematische Prozesse daf<strong>ü</strong>r etabliert. Interessant ist, dass<br />

sich dieser „Typus“ vor allem in der ITK-Branche findet.<br />

Stichwörter<br />

Innovationskommunikation<br />

Open Innovation<br />

Wissenstransfer<br />

Enterprise 2.0<br />

Abb. 3: Typologie nach Innovations- und Kommunikationsverständnis;<br />

Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />

(Universität Leipzig).<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


24 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

keywords<br />

innovation communication<br />

open innovation<br />

knowledge transfer<br />

Enterprise 2.0<br />

Abb. 4: Verzahnung von Innovations- und Kommunikationsmanagement;<br />

Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />

(Universität Leipzig).<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

u Eine große Gruppe von „allroundern“ schwankt unentschieden zwischen den einzelnen Paradig-<br />

men. Intern wird vergleichsweise stark die F&E-Abteilung adressiert, wobei Mitarbeiter und Pro-<br />

duktion etwas auf der Strecke bleiben. Extern werden vor allem Geschäftspartner, Berater, Exper-<br />

ten und Fachmedien angesprochen. Internet und auch Web 2.0 kommen dabei oft zum Einsatz.<br />

Aufgrund dieser Typologie könnte man kurzerhand zu der Schlussfolgerung kommen, der „Spielma-<br />

cher“ sei das Ideal eines Kommunikationschefs; doch genau diesen Schluss ziehen die Autoren nicht:<br />

Schließlich m<strong>ü</strong>sse die Kommunikation letztlich an der Unternehmensstrategie ausgerichtet und auf<br />

die jeweilige Branche abgestimmt sein. Als Innovationsbremse erweisen sich vielmehr die in einigen<br />

Fällen deutlich zu Tage getretenen Widerspr<strong>ü</strong>che zwischen Innovations- und Kommunikationsma-<br />

nagement: Konträre Konzepte verhindern unter Umständen eine effektive Umsetzung der Unterneh-<br />

mensstrategie. Wenig ratsam sei außerdem die Rolle des „Allrounders“.<br />

Kernergebnisse der Leipziger Studie<br />

u Einbahnstraße:<br />

Einerseits befindet sich das Innovationsverständnis eindeutig im Wandel, denn vier von zehn Unter-<br />

nehmen setzen bereits auf Open Innovation. Andererseits fehlt es an den daf<strong>ü</strong>r notwendigen Struk-<br />

turen und Informationskanälen zu Partnern. Leider geht es dabei außerdem stärker um Einbindung<br />

als um Abgabe von Wissen.<br />

u Taube Ohren:<br />

Durch vorwiegend „persuasive“ Kommunikation konzentriert sich die PR darauf, Themen aufzube-<br />

reiten und Botschaften zu positionieren. Innovationsmanager hingegen w<strong>ü</strong>nschen sich mehr Unter-<br />

st<strong>ü</strong>tzung darin, die öffentliche Meinungsbildung zu verfolgen.<br />

u Getrennte Welten:<br />

Obwohl fast jedes zweite Unternehmen aus dem Bereich „Zukunftstechnologien“ eigene Res-<br />

sourcen f<strong>ü</strong>r Innovationskommunikation geschaffen und spezifische Strategien entwickelt hat, sind<br />

diese im Innovationsmanagement oftmals gar nicht bekannt, und die jeweiligen Prozesse sind nur<br />

in jedem zehnten Unternehmen systematisch miteinander verzahnt (Abbildung 4). Der Einfluss von<br />

Kommunikation auf den Innovationserfolg wird folglich vielfach nicht erkannt.


u Widerspr<strong>ü</strong>chliche Paradigmen:<br />

Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />

PR- und Innovationsverantwortliche haben bisweilen geradezu gegensätzliche Vorstellungen von<br />

einer effektiven Innovationskommunikation. Die jeweiligen Paradigmen auf Seiten der Kommuni-<br />

kation lassen sich nach f<strong>ü</strong>nf unterschiedlichen Typen charakterisieren (Traditionalisten, Strategen,<br />

Taktiker, Allrounder, Spielmacher).<br />

Von Vorbildern und Verlierern: Innovationskommunikation im Mittelstand<br />

Bedenkt man, dass bei der Leipziger Studie knapp 93% der Teilnehmer Unternehmen vertreten, die<br />

einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro haben, dann ergibt die empirische Basis sozu-<br />

sagen zwangsläufig ein gewisses Zerrbild der Istsituation. Die identifizierten „Trendaussagen“ gelten<br />

hauptsächlich f<strong>ü</strong>r große Technologiekonzerne oder können höchstens als „Best Practice“ auf KMU<br />

<strong>ü</strong>bertragen werden. In Wirklichkeit sind Beratungsbedarf und Kommunikationsdefizite in der deut-<br />

schen Wirtschaft wohl weitaus stärker ausgeprägt, als es hier den Eindruck hat. Gibt es beispielswei-<br />

se in einem Kleinbetrieb <strong>ü</strong>berhaupt keinen „Innovationsmanager“, sondern macht das der Juniorchef<br />

kurzerhand noch mit, d<strong>ü</strong>rfte dies das gesamte Bewertungsschema sprengen.<br />

Dass gerade mittelständische Unternehmen mit ihren meist flexibleren Strukturen vergleichsweise<br />

leicht Wettbewerbsvorteile aus einer Öffnung ihrer Innovationsprozesse generieren können, gilt in-<br />

zwischen als empirisch belegt. Andererseits ist das Spektrum der Professionalität in Sachen Inno-<br />

vationsmanagement im Mittelstand wesentlich größer als es bei Konzernen der Fall ist: „Sie finden<br />

im Mittelstand sowohl Betriebe mit einer atemberaubenden Wendigkeit und Flexibilität, andererseits<br />

aber auch unglaublich antiquierte, ja versteinerte Einstellungen zu Innovation, wobei diese Unterneh-<br />

men immer stärker unter Druck geraten und zum großen Teil wohl auch vom Markt verschwinden<br />

werden,“ prognostiziert Nikolaus Franke, Leiter des Instituts f<strong>ü</strong>r Entrepreneurship und Innovation an<br />

der Wirtschaftsuniversität Wien. Er f<strong>ü</strong>hrt zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Rationali-<br />

sierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft (RKW), dem Verband der Elektrotechnik<br />

Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) und dem Verein deutscher Ingenieure (VDI) die jährliche Ver-<br />

gleichsstudie „Top 100“ durch.<br />

Ein Vergleich der aktuellen Ergebnisse mit den Vorjahreszahlen belegt eine große Dynamik im Mittel-<br />

stand. So kooperieren inzwischen vier F<strong>ü</strong>nftel der „besten Hundert“ (im Vorjahr waren es noch zwei<br />

Drittel) kontinuierlich mit Forschungseinrichtungen und Universitäten. Etwa die Hälfte der Top-Unter-<br />

nehmen bindet auch Wettbewerber mit ein, was sogar einer Verdopplung gegen<strong>ü</strong>ber dem Vorjahr und<br />

ungefähr dem Zehnfachen des Durchschnittswerts im deutschen Mittelstand entspricht. Kommunika-<br />

tion ist hierbei der wahrscheinlich wichtigste Erfolgsfaktor:<br />

u In mittleren Unternehmen ist die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitung ver-<br />

gleichsweise direkt und informell, was ein „wesentlich flexibleres und dynamischeres Verhalten“<br />

ermöglicht.<br />

u Während das Marketing in den „Top 100“-Unternehmen durchschnittlich 50% seiner Arbeitszeit<br />

f<strong>ü</strong>r Innovationen aufwendet, kommt der durchschnittliche mittelständische Betrieb bei Vergleichs-<br />

studien gerade einmal auf 12%.<br />

u Die Einbindung des Marketings in Innovationsprozesse ist mit 92% mehr als doppelt so ausgeprägt<br />

wie beim Durchschnitt (40%).<br />

u Best Practice in Sachen Innovationskommunikation bedeutet auch, dass zur Ideenfindung immer<br />

öfter gezielt Techniken eingesetzt werden (Abbildung 5), wobei auch hier zwischen den Vorreitern<br />

und dem Durchschnitt Welten liegen.<br />

Literatur/Links:<br />

Beerens, J./Goldbrunner, T. / Hauser, R. / List, G.,<br />

Mastering the Innovation Challenge – Results of the<br />

Booz Allen Hamilton European Innovation Survey,<br />

Amsterdam 200 .<br />

Chesbrough, H., Open Innovation – The New Imperative<br />

for Creating and Profiting from Technology, Boston:<br />

Harvard Business School Press 2003.<br />

Dufft, N./Bohn, P., Enterprise 2.0 in Deutschland –<br />

Verbreitung, Chancen und Herausforderungen, Berlin<br />

200 [kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter www.berlecon.de/<br />

topics/?we_objectID=3 ].<br />

Gaskell, G. et al., Europeans and Biotechnology:<br />

Patterns and Trends – Final report on Eurobarometer<br />

4.3, Br<strong>ü</strong>ssel 200 [kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter<br />

ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_244b_<br />

en.pdf].<br />

Hippel, E. v., Democratizing Innovation, MIT 200<br />

[kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter web.mit.edu/evhippel/<br />

www/democ1.htm].<br />

Hippel, E. v., Lead Users – A Source of novel product<br />

concepts, in: Management Science, Vol. 32, S. 1-<br />

80 , University of Michigan 1 8 .<br />

Hoewner, J./Jansen, M./Jantke, K., Von der Spinnovation<br />

zur Sinnovation, M<strong>ü</strong>nster 2008 [Gegen Registrierung<br />

auch kostenfrei herunterzuladen unter www.kzwoelf.com].<br />

Lakhani, K./Jeppesen, K./Lohse, P./Panetta, J., The<br />

Value of Openness in Scientific Problem Solving, in:<br />

HBS Working Knowledge, Boston: Harvard Business<br />

School 200 [kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter hbswk.hbs.<br />

edu/item/ 12.html].<br />

Mast, C./Huck, S./Zerfaß, A., Innovationskommunikation<br />

in dynamischen Märkten – Empirische Ergebnisse<br />

und Fallstudien, Berlin 200 .<br />

Osterloh, M./Rota, S./L<strong>ü</strong>thi, R., Collective Invention<br />

als neues Innovationsmodell?, in: Rötzer, F. (Hrsg.),<br />

Die wunderbare Wissensvermehrung – Wie Open Innovation<br />

unsere Welt revolutioniert, Hannover: Telepolis/Heise<br />

200 .<br />

[kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter www.wissensgesellschaft.<br />

org/themen/wissensoekonomie/OpenInnovation.pdf]<br />

Späth, L. (Hrsg.), Top 100 – Die 100 innovativsten Unternehmen<br />

im Mittelstand, M<strong>ü</strong>nchen: Redline 2008.<br />

[erscheint offiziell im Juli 2008; Ergebniszusammenfassung<br />

f<strong>ü</strong>r die Kategorie „Innovationsmarketing“<br />

unter www.top100.de/documents_top100/innovationsmarketing.asp]<br />

Zerfaß, A./Ernst, N., Kommunikation als Erfolgsfaktor<br />

im Innovationsmanagement – Ergebnisse einer Studie<br />

in deutschen Zukunftstechnologie-Branchen, Leipzig<br />

2008.<br />

[Ergebnispräsentation ( 8 Seiten), Pressemitteilung<br />

und weitere Hintergr<strong>ü</strong>nde unter www.communicationmanagement.de;<br />

Beginn einer Diskussion zur Studie<br />

unter www.mediacoffee.de/stephanfink/item/481;<br />

Hintergrundinformationen auf den Webseiten von<br />

FFPR: www.innovationskommunikation.net]<br />

Zerfaß, A./Huck, S, Innovation, Communication, and<br />

Leadership – New Developments in Strategic Communication,<br />

in: International Journal of Strategic Communication,<br />

1 (2), 10 -122, Philadelphia: LEA 200 .<br />

Zerfaß, A./Van Ruler, B. / Rogojinaru, A / Verčič, D. /<br />

Hamrefors, S., European Communication Monitor<br />

200 – Trends in Communication Management and<br />

Public Relations – Results and Implications, Uni Leipzig<br />

200 [Ergebnispräsenation des Forschungsprojekts<br />

unter www.communicationmonitor.eu; Ergebnisse<br />

einer zweiten Befragung sollen im Herbst 2008<br />

erscheinen.].<br />

Englischsprachige Deklaration von „Knowledge 4 Innovation“<br />

(30.04.2008): www.knowledge4innovation.<br />

eu/ [> Event Documenation].<br />

Beispiele f<strong>ü</strong>r Open Innovation-Marktplätze: www.innocentive.com;<br />

www.fellowforce.com<br />

Community zu Open Innovation: www.openinnovators.<br />

de [kein Mitgliedsbeitrag; noch wenig Aktivität].<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


2 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

summary<br />

Most innovation managers are<br />

left alone with their demand for a<br />

stronger and earlier involvement<br />

of external partners in the devel-<br />

opment process. Furthermore,<br />

market trends and public opinion<br />

are not sufficiently investigated,<br />

whereas best practice has long<br />

proven that an open policy in<br />

innovation communication al-<br />

most inevitably improves the<br />

company’s competitiveness.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

u Interessant ist auch die Entwicklung, dass die IT-Branche inzwischen unter den innovativsten 100<br />

Mittelständlern gleichgezogen hat mit dem langjährigen Platzhirsch Maschinenbau. Die neuesten<br />

Zahlen zu den „Top 100“ f<strong>ü</strong>r 2008 wurden am 4. Juli in D<strong>ü</strong>sseldorf offiziell bekannt gegeben.<br />

Abb. : Verbreitung von Instrumenten f<strong>ü</strong>r eine offenere Innovationskommunikation im deutschen Mittelstand;<br />

Quelle: Späth 2008.<br />

Nikolaus Franke warnt eindringlich davor, die Mitarbeiter im Unternehmen als Quelle neuer Ideen zu<br />

ignorieren: „Innovation lässt sich den Beschäftigten ja nicht einfach verordnen. Um ihre Kreativität<br />

erschließen zu können, m<strong>ü</strong>ssen Autonomie und Risikobereitschaft gefördert, Freiräume gewährt, Wei-<br />

terentwicklung ermöglicht und Ideen honoriert werden.“ So verf<strong>ü</strong>gen der Studie zufolge fast alle der<br />

„Top 100“ <strong>ü</strong>ber ein institutionalisiertes Anreizsystem, was im Durchschnitt zu sieben neuen Ideen<br />

pro Mitarbeiter und Jahr f<strong>ü</strong>hrt, von denen erstaunliche 59% auch tatsächlich umgesetzt wurden oder<br />

werden sollen. „Die Schwächen einer traditionellen Innovationskommunikation, die sich bestenfalls<br />

als ,Absatzförderung’ versteht, m<strong>ü</strong>ssten eigentlich offensichtlich sein“, so Franke: „Die eigentliche<br />

Kunst liegt ja darin, die richtigen Ideen aufzusp<strong>ü</strong>ren, also muss eine effektive Kommunikation auch<br />

das Ohr beim Kunden haben und den gesamten Prozess von der Idee bis zur Diffusion begleiten.“<br />

Wie heterogen in der Praxis Innovationskommunikation im Mittelstand betrieben wird, zeigt bei-<br />

spielsweise die Einbindung von „Lead-Usern“. Bei dieser Methode des MIT-Professors Eric von Hip-<br />

pel werden nicht nur Trends in einem bestimmten Bereich recherchiert, sondern auch die jeweiligen<br />

Trendsetter identifiziert – meist „Visionäre mit Bodenhaftung“, wie es Gerald Fliegel, Innovationschef<br />

bei Siemens Austria einmal ausdr<strong>ü</strong>ckte. In der Regel handelt es sich dabei typischerweise gar nicht<br />

um Hersteller oder Fachleute, sondern eher um vielleicht sogar branchenferne Anwender, bei denen<br />

das Bewusstsein f<strong>ü</strong>r ein bestimmtes Problem einfach so groß wurde, dass sie selbst daf<strong>ü</strong>r eine Lö-<br />

sung erdacht haben. Die Automobilindustrie beispielsweise hat sich auf diesem Weg lange Zeit an<br />

Problemlösungen der Luft- und Raumfahrt orientiert. Die Methode, solche „Lead User“ strukturiert<br />

aufzusp<strong>ü</strong>ren und in Workshops zu vernetzen, wird heute bei 82% der „Top 100“-Unternehmen ein


Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />

gesetzt, beim durchschnittlichen Mittelständler hingegen gerade einmal zu 7% (Abbildung 5). Ähnlich<br />

verhält es sich bei weiteren Werkzeugen einer betont offenen Innovationskommunikation, wie etwa<br />

dem Quality-Function-Deployment, der Conjoint-Analyse oder den Toolkits f<strong>ü</strong>r User-Innovationen.<br />

Genauso wichtig wie die Identifikation und Einbindung der wichtigsten externen Meinungsf<strong>ü</strong>hrer ist<br />

nat<strong>ü</strong>rlich auch die Suche nach den informellen Meinungsf<strong>ü</strong>hrern und „Whistleblowern“ im eigenen<br />

Unternehmen. Auf etwa ein Drittel schätzt Klaus Burmeister, Geschäftsf<strong>ü</strong>hrer der Corporate-Foresight-<br />

Beratung „Z-punkt“, den Anteil jener Vorreiter im Mittelstand, die „unter denselben Bedingungen ar-<br />

beiten wie die Großen“ (in: Hoewner 2008). Doch auch diese Betriebe stehen seiner Meinung nach<br />

schon vor der nächsten Herausforderung: „Es wird verstärkt darum gehen, neue Kooperationen und<br />

Wertschöpfungswege zu finden – einzelne Unternehmen werden das immer seltener leisten können!“<br />

Burmeister warnt außerdem davor, dass der Mittelstand nach wie vor wichtige Entwicklungen verpas-<br />

se, weil er sich zu stark auf die heutigen und zu wenig auf k<strong>ü</strong>nftige Wettbewerber konzentriere: „Was<br />

es braucht, ist eine neue Art des Denkens, die das Umfeld von Unternehmen stärker einbezieht und<br />

sich <strong>ü</strong>ber enge Zeiträume hinaus orientiert.“<br />

Erste „Marktplätze“ f<strong>ü</strong>r Open Innovation im Internet, die besonders von kleineren Unternehmen ge-<br />

nutzt werden, entwickeln sich sogar schon zu wahren Communities, wie etwa „Innocentive“ oder<br />

„Fellowforce“. Hier werden Probleme förmlich „ausgeschrieben“ und deren Lösung mit Preisen be-<br />

lohnt. Das Potenzial solcher Marktplätze wurde sogar schon empirisch belegt: Etwa ein Drittel der auf<br />

Innocentive extern veröffentlichten und bislang in der jeweiligen hauseigenen Forschungsabteilung<br />

ungelösten „Probleme“ lasse sich auf diesem Weg lösen (Lakhani et al. 2007). Im Rahmen der Studie<br />

versuchten sich durchschnittlich immerhin 240 interessierte Nutzer an jedem Problem, und pro Aus-<br />

schreibung gab es letztlich etwa zehn Lösungsvorschläge.<br />

Im Allgemeinen werden die Potenziale sogenannter Web-2.0-Werkzeuge f<strong>ü</strong>r eine offenere Unterneh-<br />

menskommunikation – beispielsweise Blogs, Social Bookmarks, Wikis oder RSS Feeds – von PR- und<br />

F&E-Abteilung sehr unterschiedlich bewertet, so das Marktforschungsunternehmen Berlecon in einer<br />

repräsentativen Auftragsstudie f<strong>ü</strong>r Coremedia: Während das Innovationsmanagement zu 58% einen<br />

Nutzen derartiger Werkzeuge in der internen Vernetzung der Mitarbeiter sieht, halten dies lediglich<br />

35% der PR-Verantwortlichen f<strong>ü</strong>r wichtig (Abbildung 6). Sicherlich ist es keine neue Erkenntnis, dass<br />

der strukturierte Wissenstransfer sowohl im als auch zwischen Unternehmen in der Praxis noch weit-<br />

gehend ungelöst ist, doch die Defizite auf diesem Gebiet haben in den vergangenen Jahren offenbar<br />

sogar weiter zugenommen, wie die Studie zeigt: Annähernd 90% der Befragten gaben an, dass die<br />

Anforderungen an eine effiziente Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen gestiegen sind,<br />

sehen sich dabei aber nur unzureichend unterst<strong>ü</strong>tzt. Besonders brisant wird dies offenbar in der Kom-<br />

munikationsabteilung gesehen (Abbildung 7).<br />

Erste „Marktplätze“ f<strong>ü</strong>r Open<br />

Innovation im Internet, die beson-<br />

ders von kleineren Unternehmen<br />

genutzt werden, entwickeln sich<br />

sogar schon zu wahren Communi-<br />

ties, wie etwa „Innocentive“ oder<br />

„Fellowforce“. Hier werden Pro-<br />

bleme förmlich „ausgeschrieben“<br />

und deren Lösung mit Preisen<br />

belohnt. Das Potenzial solcher<br />

Marktplätze wurde sogar schon<br />

empirisch belegt: Etwa ein Drit-<br />

tel der auf Innocentive extern<br />

veröffentlichten und bislang in<br />

der jeweiligen hauseigenen For-<br />

schungsabteilung ungelösten<br />

„Probleme“ lasse sich auf diesem<br />

Weg lösen.<br />

Abb. : Nutzen von Web-2.0-Werkzeugen aus Sicht<br />

der PR und der F+E; Quelle: Duft/Bohn 200 (Berlecon<br />

Research).<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


28 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />

Abb. : Wahrgenommene Anforderungen an den Wissenstranfer<br />

aus Sicht von Marketing und F+E; Quelle:<br />

Duft/Bohn 200 (Berlecon Research).<br />

Wie stark das Thema Innovationskommunikation<br />

von der internationalen<br />

Politik forciert wird,<br />

zeigen nicht nur die seit Jahren<br />

durchgef<strong>ü</strong>hrten Untersuchungen<br />

und die EU-Manifeste zu Technologieakzeptanz,<br />

sondern auch das<br />

aktuelle Programm „Knowledge 4<br />

Innovation“, das einen „Pakt f<strong>ü</strong>r<br />

Wissen und Innovation“ voran<br />

treibt, der f<strong>ü</strong>r mehr Wissenstransfer<br />

durch Kommunikation zwischen<br />

Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und Politik sorgen soll.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Innovationskommunikation als internationale Herausforderung<br />

Viele dieser Ergebnisse scheinen auch auf den gesamten europäischen Markt <strong>ü</strong>bertragbar zu sein,<br />

wie die erste repräsentative, transnationale PR-Studie f<strong>ü</strong>r Europa im Jahr 2007 zeigte („European<br />

Communication Monitor“). Die Befragung von mehr als 1.000 Praktikern aus 22 Ländern ergab, dass<br />

gerade einmal 18% der PR-Manager das Thema „Innovation“ als strategisch wichtiges Thema f<strong>ü</strong>r sich<br />

sehen. Auch auf europäischer Ebene ist gerade einmal jeder 3. Kommunikations-Verantwortliche in<br />

Innovationsprozesse eingebunden. Erwartungsgemäß sehen allerdings genau diese PR-Leute deutlich<br />

größere Chancen darin, externe Partner mit einzubinden. Unabhängig vom Kontext der „Innovation“<br />

gaben erstaunlicherweise neun von zehn PR-Profis an, dass eine authentische, dialogorientierte und<br />

offene Kommunikation entscheidend f<strong>ü</strong>r den Aufbau und die Pflege von Vertrauen in ein Unternehmen<br />

sei. Was die Innovationsprozesse anbelangt, warnen die Autoren der Studie vor einer Kluft zwischen<br />

Kommunikationsabteilung und Geschäftsf<strong>ü</strong>hrung, denn die Vorstände nehmen das Thema Innovation<br />

drei- bis f<strong>ü</strong>nfmal so wichtig (je nach Branche zu 48% bis 100%, so Beerens et al. 2005). Wichtigster<br />

Hebel f<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Umsetzung von Innovationen sind aus Sicht des Top-Managements <strong>ü</strong>bri-<br />

gens auch hier ein möglichst gutes Verständnis der Kundenbed<strong>ü</strong>rfnisse, während die Unzufriedenheit<br />

am größten bei der eigenen Innovationskultur ist. Ähnlich wie die F&E-Abteilungen hat auch das Top-<br />

Management erkannt, dass die meisten und wertvollsten Ideen von Partnern und Kunden kommen.<br />

Andere Partner wie etwa Hochschulen oder Wettbewerber rangieren allerdings auch hier ganz am<br />

Ende der Skala. Leider kommt auch die Booz-Allen-Studie zu dem eindeutigen Fazit, dass „Marketing<br />

und R&D nicht effektiv miteinander kollaborieren“.<br />

Wie stark das Thema Innovationskommunikation von der internationalen Politik forciert wird, zeigen<br />

nicht nur die seit Jahren durchgef<strong>ü</strong>hrten Untersuchungen und die EU-Manifeste zu Technologieak-<br />

zeptanz, sondern auch das aktuelle Programm „Knowledge 4 Innovation“, das einen „Pakt f<strong>ü</strong>r Wissen<br />

und Innovation“ vorantreibt, der f<strong>ü</strong>r mehr Wissenstransfer durch Kommunikation zwischen Wissen-<br />

schaft, Wirtschaft und Politik sorgen soll. Mit einer Deklaration wiesen die Projektpartner vor wenigen<br />

Wochen neben der standortpolitischen Bedeutung von Innovation besonders eindringlich auf die ge-<br />

sellschaftliche Bedeutung der Kommunikation in Innovationsprozessen hin.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Die Mehrzahl der deutschen Unternehmen befindet sich zwar auf dem Weg zu offeneren In-<br />

novationsprozessen, aber während Geschäftsf<strong>ü</strong>hrung und Innovationsmanagement die neuen<br />

Paradigmen oft schon leben oder zumindest einfordern, verharrt die Kommunikation nach wie


vor in eher traditionellen Mustern. Vor allem im Mittelstand tut sich hier eine wahre Kluft auf<br />

– zwischen einer kleinen Schar von Vorreitern einerseits und der großen Masse der Traditiona-<br />

listen andererseits. Leider ist sogar bei den großen „Innovation Leadern“ die PR eher Bremser<br />

als Treiber f<strong>ü</strong>r „Open Innovation“. Europaweit wird dem Wunsch des Innovationsmanagements<br />

noch immer unzureichend Rechnung getragen, mit Kunden und externen Partnern stärker und<br />

fr<strong>ü</strong>her im Entwicklungsprozess zu kooperieren sowie Marktentwicklungen und öffentliche Mei-<br />

nungsbildung gezielt und strukturiert zu verfolgen – ganz im Sinne eines „Themenradars“, das<br />

sich bestenfalls sogar als Fr<strong>ü</strong>hwarnsystem automatisieren lässt. Dieser Widerstand ist umso<br />

erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Investitionen in die Unternehmenskommunikation ei-<br />

gentlich immer deutlich weniger Ressourcen kosten als in Forschung und Entwicklung. Auch an<br />

Best-Practice-Beispielen mangelt es nicht, denn mit einer buchstäblich „innovativen“, weil of-<br />

feneren Kommunikation erzielen Unternehmen schon heute nachweislich Wettbewerbsvorteile.<br />

Gliedert man die PR-Verantwortlichen in f<strong>ü</strong>nf „Typen“, so verfolgt lediglich einer von ihnen mit<br />

regelmäßiger Einbindung in Innovationsprozesse konsequent eine offene und strategische Inno-<br />

vationskommunikation. Da der Erfolg letztlich davon abhängt, inwieweit sich das Kommunika-<br />

tions-Paradigma mit der jeweiligen Unternehmensstrategie vereinbaren lässt, sollte das Thema<br />

Innovationskommunikation unbedingt zur Chefsache erklärt werden. Getrieben wird es mehr<br />

denn je von der rasanten Entwicklung neuer IT-basierter Werkzeuge und Dienste – etwa f<strong>ü</strong>r das<br />

Web 2.0. Offen bleibt dabei allerdings vorerst, ob sich die heutigen Kommunikations-Manager<br />

diese neue Rolle des „IT-kundigen Innovations-Moderators“ in ihren Unternehmen erkämpfen,<br />

oder ob hier vielleicht sogar ein völlig neues Berufsfeld als Querschnitt zwischen CIO, CTO, Mar-<br />

keting, PR und Innovationsmanagement entsteht.<br />

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Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />

english-taught Programmes in european higher education<br />

The picture in 2007<br />

International students have long favoured Anglophone countries as study destinations. And<br />

it goes without saying that the role of English as the lingua franca has been instrumental in<br />

attracting foreign students. In the last years of the past century, continental European higher<br />

education institutions started to teach in the English language, too, seeking to overcome<br />

Kontakt:<br />

Alexander Gerber<br />

Fraunhofer-Verbund<br />

Informations- und Kommunikationstechnik<br />

Innovationskommunikation<br />

Friedrichstraße 0<br />

1011 Berlin<br />

Tel.: (030) 2 1 0<br />

Fax: (030) 2 1 1<br />

E-Mail: Alexander.Gerber@iuk.fraunhofer.de<br />

www.iuk.fraunhofer.de<br />

www.innovisions-magazin.de<br />

Bernd Wächter, Friedhelm Maiworm<br />

English-Taught Programmes<br />

in European Higher Education<br />

The Picture in 2007<br />

ACA Papers on<br />

International Cooperation in Education<br />

their linguistic drawback. In 2002, the Academic Cooperation Association (ACA) produced the first ever analysis of the phenomenon.<br />

The study, found that English-medium tuition in continental Europe was still a ‘marginal phenomenon’ then. How has the situation<br />

developed since? The present book provides the answer to this question. Drawing a detailed European map of English-medium tuition<br />

in 27 European countries, it is essential reading for anyone interested in curricular internationalisation – and not least for those<br />

from English-speaking countries challenged by Europe’s English-taught provision.<br />

<strong>Lemmens</strong><br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


30 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />

i n s t r u M e n t e<br />

Erfolgreiche Innovationsprozesse integrieren internes<br />

und externes Wissen. Kunden und auch Konkurrenten<br />

liefern wichtige Impulse.<br />

Foto: Archiv<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Dirk L<strong>ü</strong>ttgens und Uwe Gross<br />

Open Innovation trifft Innovations-<br />

management<br />

Mit der Software WiPro wird externes Wissen in den Innovationsprozess<br />

integriert<br />

open innovation stellt neue Methoden und ansätze zur verf<strong>ü</strong>gung, um besseren Zugang<br />

zu externer Bed<strong>ü</strong>rfnis- und Lösungsinformation zu bekommen und so die effizienz und<br />

effektivität im innovationsprozess zu steigern. Die große herausforderung dabei ist exter-<br />

nes Wissen in den Produktentstehungsprozess einzubinden und mit bereits bestehendem<br />

unternehmensinternem Wissen zu verkn<strong>ü</strong>pfen. Die neuartige software WiPro ist ein instrument<br />

f<strong>ü</strong>r die Gestaltung wissensintensiver innovationsprozesse mit der einbeziehung<br />

von open-innovation-Methoden.<br />

Die Strategie, die heute zur Leitidee vieler Unternehmen wird, heißt Open Innovation. Statt sich<br />

nur auf die Fähigkeiten der eigenen Forscher und Entwickler zu verlassen, werden externe Problemlöser<br />

in den Innovationsprozess integriert. Der klassische Ansatz im Innovationsmanagement<br />

f<strong>ü</strong>hrt nach wie vor zu hohen Flopraten. Franke (2007) beziffert die Rate der Produkte, die<br />

nach Ihrer Einf<strong>ü</strong>hrung keinen nachhaltigen Erfolg auf dem Markt erreichen können auf 90%<br />

und berichtet zudem von unzähligen Neuproduktentwicklungen, die es gar nicht erst bis zur<br />

Markteinf<strong>ü</strong>hrung schaffen. Ursache hierf<strong>ü</strong>r sind zwei fundamentale Probleme der Neuproduktentwicklung,<br />

die wissenschaftlich untersucht und belegt sind:<br />

u Forscher und Entwickler konzentrieren sich zu sehr auf Ihre eigenen Fähigkeiten und den<br />

ihnen bekannten Lösungsraum („local search bias“) (Luchins 1942, Duncker 1945, Saugstad<br />

1955, Allen/Marquis 1964, Helfat 1992, Podolny/Stuart 1995, Sorensen/Stuart 2000) und<br />

u externe Akteure und vor allem Kunden verf<strong>ü</strong>gen <strong>ü</strong>ber Bed<strong>ü</strong>rfnisinformationen, die allerdings<br />

den Charakter von implizitem Wissen haben und damit kaum zu externalisieren, sprich f<strong>ü</strong>r<br />

Unternehmen zugänglich sind („sticky information“) (Reichwald/Piller 2006, Nelson 1982,<br />

Riggs/von Hippel 1994, von Hippel 1994, Ogawa 1998, Szulanski 2003).<br />

Um diese Hindernisse zu <strong>ü</strong>berwinden, setzen Unternehmen immer häufiger Methoden des Open<br />

Innovation ein. Open Innovation bezeichnet dabei einen Innovationsprozess, der in der Interaktion<br />

mit einem breiten und (relativ) offenen horizontalen oder vertikalen Netzwerk externer Partner<br />

wie Universitäten, Start-ups, Lieferanten, Kunden oder auch Wettbewerbern stattfindet. Ziel<br />

ist die Überwindung der Grenzen des lokalen Wissens und der effiziente Zugang zu externer Bed<strong>ü</strong>rfnis-<br />

und Lösungsinformation f<strong>ü</strong>r den Innovationsprozess. Dabei kommt es oft zu einer völlig<br />

neuen Organisation des Wertschöpfungsprozesses im Innovationsmanagement.<br />

Der Hebeleffekt von Open Innovation beruht vor allem auf der Erweiterung der Spannbreite<br />

der Ideen- und Lösungsfindung. Ziel von Open Innovation ist es, mittels Lösungsinformationen<br />

von externen Akteuren den beschränkten Lösungsraum der unternehmenseigenen Entwickler<br />

zu erweitern und zum anderen Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation in den Neuproduktentwicklungsprozess<br />

zu integrieren. Die Methoden des Open Innovation lassen sich in Methoden zur Generierung


L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 31<br />

von Lösungswissen und zur Externalisierung von Bed<strong>ü</strong>rfniswissen unterscheiden. In Abbildung<br />

1 sind diese Methoden entlang des Innovationsprozesses dargestellt (Reichwald/Piller 2006,<br />

S. 155-189).<br />

Lösungsinformation<br />

Launching Customer<br />

Klassische Methoden<br />

bspw. Shadowing<br />

Communities<br />

Die Frage nach<br />

dem Wie?<br />

Development<br />

Communities<br />

Broadcasting<br />

of Problems<br />

Lead Experts<br />

Toolkits<br />

Fokusgruppen<br />

– Kontinuierliche Co-Entwicklung –<br />

Markteinf<strong>ü</strong>hrung<br />

Produkte<br />

entwickeln<br />

Abb. 1: Methoden des Open Innovation (Piller et al. 2008).<br />

Bed<strong>ü</strong>rfnisse<br />

identifizieren<br />

Produktideen<br />

generieren<br />

Im Rahmen des Open Innovation zeigen sich insbesondere die Lead-User-Methode, die Initiierung<br />

eines Ideenwettbewerbes oder die Bildung von Communities als geeignete Instrumente, da hier-<br />

durch Kundenbed<strong>ü</strong>rfnisse sehr gut identifiziert werden können. So ermöglicht die Zusammenar-<br />

beit mit sogenannten Lead-Usern die Identifikation von spezifischen zuk<strong>ü</strong>nftigen Bed<strong>ü</strong>rfnissen,<br />

die der Massenmarkt erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt. Die Verwendung von Toolkits,<br />

um den Nutzern eine direkte Übertragung Ihrer Bed<strong>ü</strong>rfnisse in konkrete Produktkonzepte zu er-<br />

möglichen, ist ein weiteres Instrument des Open Innovation (vgl. Reichwald/Piller 2006 S. 100ff).<br />

Vereinigung von Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation und Lösungsinformation<br />

Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation<br />

Ideenwettbewerbe<br />

Lead User<br />

Toolkits<br />

Communities<br />

Die Frage nach<br />

dem Was?<br />

Lead User<br />

Ideenwettbewerbe<br />

Open Innovation setzt die Interaktion mit externen Informations- und Wissensquellen voraus.<br />

Dies geschieht nicht in Form klassischer Forschungs- und Entwicklungskooperationen oder der<br />

Beauftragung von Ingenieurdienstleistern, sondern durch einen offenen Aufruf zur Mitwirkung<br />

an ein großes, undefiniertes Netzwerk an Akteuren. Eine ganz zentrale Rolle in solchen offenen<br />

Innovationsprozessen spielt der Kunde. Seine starke Integration hat sich f<strong>ü</strong>r viele Unternehmen<br />

zum zentralen Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement erwiesen (Möslein/Piller 2004). Durch<br />

die aktive Integration von Kunden und Nutzern in die Produktentstehung können Bed<strong>ü</strong>rfnisin-<br />

formationen besser erhoben werden als mit klassischen Maßnahmen der Marktforschung oder<br />

eines Trendscoutings. Eine wesentliche Aufgabe im Innovationsmanagement ist das Zusam-<br />

menbringen von Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation und Lösungsinformation, denn um Bed<strong>ü</strong>rfnisinformati-<br />

onen zuk<strong>ü</strong>nftiger Kunden in ein konkretes, marktfähiges Leistungsangebot zu <strong>ü</strong>bersetzen, sind<br />

Lösungsinformationen notwendig (Reichwald/Piller 2006, S. 108). „F<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Wert-<br />

schöpfung m<strong>ü</strong>ssen beide Informationsarten (Bed<strong>ü</strong>rfnis- und Lösungsinformation, Anm. d. A.) an<br />

einem Ort (beim Anbieter, Anm. d. A.) zusammengef<strong>ü</strong>hrt werden.“ (Reichwald/Piller 2006, S. 55).<br />

Das Unternehmen, das Open Innovation f<strong>ü</strong>r sich nutzbar machen will, muss <strong>ü</strong>ber die geeigneten<br />

Mechanismen verf<strong>ü</strong>gen, extern vorhandene Information als verwertbares Wissen aufzunehmen.<br />

Stichwörter<br />

Open Innovation<br />

Innovationsprozess<br />

Integration von externem Wissen<br />

multimedialer Methodenbau-<br />

kasten<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


32 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />

keywords<br />

open innovation<br />

innovation process<br />

integration of external knowledge<br />

multimedia toolbox<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Beim Autohersteller BMW ist einer dieser Mechanismen bereits erprobt. Der Autobauer erhält<br />

pro Jahr mehr als 1.000 innovative Ideen von seinen Kunden <strong>ü</strong>ber seine virtuelle Innovations-<br />

agentur. Mit dem „Customer Innovation Lab“ gibt das Unternehmen jedem Kunden und Interes-<br />

senten, allen externen und internen Mitarbeitern die Möglichkeit, Ideen schnell und unproblema-<br />

tisch einzubringen und zur Diskussion zu stellen. Vorstellungen, Innovationen und Visionen jeder<br />

Art zu den Themen Fahrer, Fahrzeug und Umwelt können <strong>ü</strong>ber die Internetplattform an die BMW<br />

Group <strong>ü</strong>bermittelt werden. Bei Einreichung einer Idee werden aussagekräftige Angaben und gar<br />

Funktionsmodelle vom Kunden verlangt. Damit steht ein völlig neuer Kommunikationskanal f<strong>ü</strong>r<br />

visionäre Ideen offen. Gleichzeitig vermittelt die BMW Group auf diese innovative Art Kundennähe<br />

und schafft zu klaren Konditionen einen Link zu den Innovationsprozessen des Unternehmens.<br />

Trotz der Vielzahl der eingereichten Ideen, verhindern zwei wesentliche Herausforderungen den<br />

Erfolg dieses Open Innovation Ansatzes:<br />

u Obwohl eine Bewertung der eingereichten Ideen durch ein internes Expertenteam stattfindet,<br />

ist die Relevanz der einzelnen Ideen, deren Neuheitsgrad und Exklusivität nur sehr schwer<br />

verlässlich zu beurteilen.<br />

u Das aus der Literatur bekannte „Not-Invented-Here“-Syndrom (NIH-Syndrom) trägt dazu bei,<br />

dass extern generierte und von außen, z.B. von Kunden, in das Unternehmen eingebrachte<br />

Ideen aufgrund ihrer Herkunft nicht akzeptiert und deshalb verworfen werden (Katz/Allen<br />

1982, Huff/Möslein 2004).<br />

Über diesen Fall hinaus liegt im Open Innovation die zentrale Herausforderung darin, die richtige<br />

Open-Innovation-Methode in der richtigen Phase des Innovationsprozesses einzusetzen, um so<br />

die größtmögliche Effektivität und Effizienz zu erreichen. Dazu bedarf es eines vordefinierten<br />

Innovationsprozesses, der auf eine bestehende Wissensbasis zur<strong>ü</strong>ckgreift und die Einbindung<br />

von neuem internem und externem Wissen durch geeignete Prozessstrukturen ber<strong>ü</strong>cksichtigt<br />

(Abbildung 2).<br />

Externes Wissen<br />

Ideen-<br />

-<br />

generierung &<br />

-auswahl<br />

Abb. 2: Wissen im Innovationsprozess.<br />

Produkt-<br />

-<br />

konzept &<br />

Projektplan<br />

Open Innovation<br />

Produkt-<br />

-<br />

entwicklung<br />

Wissensbasis<br />

Wissen<br />

Produktion<br />

Produktion<br />

und<br />

Marktein Markt- -<br />

einf<strong>ü</strong>hrung f<strong>ü</strong>hrung<br />

Nutzung<br />

und<br />

Entsorgung<br />

Gestaltung interner Innovationsprozesse als Vorraussetzung f<strong>ü</strong>r die Umsetzung von<br />

Open Innovation<br />

Grundsätzlich basiert jede Innovation auf der erfolgreichen Kombination von externem und in-<br />

ternem Wissen <strong>ü</strong>ber Kundenanforderungen, Konkurrenzangebote, Technologien, Produktions-<br />

verfahren usw. Da aufgrund der Ein- und Erstmaligkeit von Innovationsprojekten der Bedarf an<br />

Internes Wissen


L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 33<br />

Wissen zwischen Projekten stark variiert, ist es notwendig, dass der Erwerb, die Verteilung und<br />

die Nutzung von Wissen schnell und flexibel erfolgen. Nur so kann angesichts veränderlicher<br />

Märkte und rapider technologischer Entwicklung sichergestellt werden, dass f<strong>ü</strong>r die Innovation<br />

relevantes und aktuelles Wissen erkannt, erworben und genutzt wird. Kurze Innovationszyklen<br />

erfordern zudem, dass Erfahrungswissen projekt<strong>ü</strong>bergreifend aufgebaut und auf andere (Pro-<br />

dukt-)Innovationen <strong>ü</strong>bertragen werden kann.<br />

Mit diesen Herausforderungen f<strong>ü</strong>r das Innovationsmanagement sind nicht nur Großunternehmen,<br />

sondern auch produzierende kleine und mittlere Unternehmen (KMU) konfrontiert. Ihre Entwick-<br />

lungsaktivitäten spielen f<strong>ü</strong>r die gesamtwirtschaftliche Innovationskraft und Wettbewerbsfähig-<br />

keit eine entscheidende Rolle (Foyn 2001, IW 2002). Die systematische Steuerung von Wissens-<br />

erwerb, -verteilung und -nutzung ist derzeit allerdings problematisch (KPMG 2001) und in Bezug<br />

auf Innovationsprojekte eher Ausnahme als Regelfall (KINX 2002).<br />

Um die Prozesssicht des Innovationsmanagements zu ermöglichen, muss Wissen nicht nur als<br />

In- und Output von Prozessen, sondern auch als Bestandsgröße verstanden werden: In jedem<br />

Unternehmen existiert eine F<strong>ü</strong>lle spezifischen Wissens, als Fachwissen (z.B. Physik, Elektrotech-<br />

nik), Prozesswissen (u.a. <strong>ü</strong>ber den Innovationsprozess) und Systemwissen (z.B. <strong>ü</strong>ber den An-<br />

wendungskontext von Produkten oder <strong>ü</strong>ber das generelle Unternehmensumfeld) (Iansiti 1998).<br />

Dieses Wissen liegt in der sogenannten Wissensbasis vor: in den Köpfen von Mitarbeitern, in<br />

Abläufen oder in Dokumenten. Sie ist in Inhalt und Zusammensetzung von Konkurrenten schwer<br />

imitierbar und hat damit das Potenzial, langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die Wissens-<br />

basis stellt einerseits Wissen f<strong>ü</strong>r innovative Prozesse bereit und wird andererseits durch neues<br />

intern oder extern generiertes Wissen erweitert, das f<strong>ü</strong>r bzw. durch Innovationsprojekte erwor-<br />

ben wird oder projektunabhängig in das Unternehmen gelangt (Peritsch 2002, S. 236 ff). Damit<br />

wird die Wissensbasis eines Unternehmens zur notwendigen Voraussetzung f<strong>ü</strong>r die Umsetzung<br />

des Open Innovation. Dies f<strong>ü</strong>hrt zu Wettbewerbsvorteilen, wenn die folgenden Bedingungen er-<br />

f<strong>ü</strong>llt werden:<br />

u Wissensverteilung: Der Inhalt der Wissensbasis muss transparent und zugänglich sein, damit<br />

vorhandenes Wissen in neuen Innovationsprojekten genutzt und neues (externes) Wissen<br />

identifiziert und bewertet werden können.<br />

u Sicherung der Wissensbasis: Wissen, das durch Innovationsprojekte oder unabhängig davon<br />

(z.B. <strong>ü</strong>ber eine virtuelle Innovationsagentur) erworben wurde, muss in der Wissensbasis be-<br />

wahrt werden, damit es f<strong>ü</strong>r andere Projekte und <strong>ü</strong>ber das Projektende hinaus zur Verf<strong>ü</strong>gung<br />

steht.<br />

u Wissensnutzung: Vorhandenes Wissen muss eingesetzt, Hemmnisse, die einer Nutzung der<br />

Wissensbasis entgegenstehen (z.B. Aufwand, Not-Invented-Here-Syndrom, etc.) m<strong>ü</strong>ssen ab-<br />

gebaut werden.<br />

Daher ist die erfolgreiche Gestaltung von Wissensfl<strong>ü</strong>ssen, diese umfasst die systematische<br />

Steuerung von Wissenserwerb, -verteilung und -nutzung, den Abbau von Hemmnissen sowie die<br />

Schaffung geeigneter Organisationsstrukturen, die Vorraussetzung zur erfolgreichen Hervorbrin-<br />

gung von Innovationen.<br />

Innovationsprozesse sind Wissensgenerierungsprozesse (Clark/Fujimoto 1991): Über die Ideen-<br />

gewinnung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung, die f<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Problemlösung<br />

innerhalb eines Innovationsprozesses notwendig sind, wird Wissen generiert. Dieses Wissen<br />

wird im Wissensmanagementprozess gefiltert (Wissenscontrolling), wieder verwendet (Wissens-<br />

Dirk L<strong>ü</strong>ttgens ist wissenschaftlicherMitarbeiter<br />

und Doktorand<br />

am Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Technologie-<br />

und Innovationsmanagement<br />

der<br />

RWTH Aachen.<br />

Uwe Gross ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter<br />

am Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Technologie-<br />

und Innovationsmanagement<br />

der<br />

RWTH Aachen.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


34 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />

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- 0.<br />

Fortsetzung Seite 3<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Innovationsprozess<br />

Produktidee<br />

Grobkonzept Prototyp<br />

Wissensprozess<br />

Abb. 3: Wissensprozess als Bestandteil jeder Innovationsphase.<br />

Vorserienprodukt<br />

Serienprodukt<br />

Produktbetrieb<br />

einsatz) und schließlich in die Wissensbasis der Unternehmung <strong>ü</strong>bernommen (Wissensaufbau)<br />

(Sch<strong>ü</strong>ppel 1999, S. 147ff). Dabei wird jede Phase des Innovationsprozesses als eigener Wissens-<br />

prozess verstanden (Abbildung 3).<br />

Insgesamt resultieren daraus die folgenden Anforderungen zur Umsetzung des Open Innovation<br />

Ansatzes:<br />

u Open Innovation muss in das bereits existierende Innovationsmanagement integriert werden.<br />

u Der Innovationsprozess muss so gestaltet sein, dass Unternehmen in die Lage versetzt wer-<br />

den, die Wissensfl<strong>ü</strong>sse innerhalb und zwischen den unterschiedlichen Innovationsphasen und<br />

ganzen Innovationsprojekten sowie <strong>ü</strong>ber Unternehmensgrenzen hinweg zu steuern.<br />

u Aus der Vielzahl der Methoden aus dem Innovations- und Wissensmanagement (inkl. Open<br />

Innovation) m<strong>ü</strong>ssen geeignete Methoden ausgewählt und den einzelnen Phasen des Innova-<br />

tionsprozesses zugeordnet werden.<br />

WiPro: ein Instrument zur Gestaltung von wissensintensiven Innovationsprozessen<br />

Das Softwareprogramm WiPro unterst<strong>ü</strong>tzt die Integration von internem und externem Wissen<br />

in den Innovationsprozess mittels einer multimedialen Vermittlung wesentlicher Methoden aus<br />

dem Innovations- und Wissensmanagement. Neben den klassischen Methoden werden zudem<br />

Methoden aus dem Open Innovation ber<strong>ü</strong>cksichtigt.<br />

Hierbei unterst<strong>ü</strong>tzt WiPro die Umsetzung durch drei wesentliche Komponenten:<br />

u selbstanalyse und referenzprozessauswahl: Vom Nutzer werden Parameter erfragt, auf<br />

deren Grundlage WiPro das der Unternehmenssituation entsprechende Referenzmodell vor-<br />

schlägt. Der Referenzprozess wird visualisiert und kontextsensitiv durch multimediale Tech-<br />

niken erläutert.<br />

u individualisierung des referenzprozessmodells: Das durch Selbstanalyse ermittelte Re-<br />

ferenzprozessmodell wird als Template genutzt und vom Anwender unternehmensspezifisch<br />

angepasst. Dazu kann er Prozessmodule entsprechend der unternehmensspezifischen Gepflo-<br />

genheiten umbenennen, vorgeschlagene Methoden, die er nicht nutzen will, verwerfen und<br />

eigene Methoden durch Uploads von Dokumenten oder Links auf Applikationen ergänzen.<br />

u Methodenauswahl und -anwendung: Der Anwender arbeitet mit den im WiPro enthaltenen<br />

Referenzprozessen, indem er sich die bei den einzelnen Prozessschritten hinterlegten Metho-<br />

den anzeigen und multimedial erläutern lässt, um sie fundiert auswählen und selbst anwen-<br />

den zu können. Methoden können hierbei sowohl in Form von Vorgehensbeschreibungen und<br />

Checklisten als auch in Form von Applikationen hinterlegt sein.


Das theoretische Fundament von WiPro<br />

L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 3<br />

Als Basis f<strong>ü</strong>r die Integration von Methoden aus dem klassischen Innovationsmanagement und<br />

dem Open Innovation in die Forschung und Entwicklung dient im Rahmen von WiPro der be-<br />

triebliche Innovationsprozess – hier verstanden als der Prozess der Entstehung und Umsetzung<br />

existierender oder neuer Erkenntnisse in (marktfähige) neue Problemlösungen (Staudt 1996, S.<br />

5). Der Prozess besteht aus einer Vielzahl von Aktivitäten, d.h. Verrichtungen an Objekten, die<br />

inhaltlich miteinander verkn<strong>ü</strong>pft sind (Hauschild 2004, S. 445). Bei ihrer Durchf<strong>ü</strong>hrung wird be-<br />

stehendes internes und externes Wissen (Input) in neues Wissen (Output) transformiert.<br />

F<strong>ü</strong>r die Konfiguration des Innovationsprozesses sind vier Kriteriengruppen zu unterscheiden:<br />

konstituierende, ordnende, ausf<strong>ü</strong>hrungsbestimmende und ressourcenbedingte Kriterien.<br />

Umwelt<br />

Unternehmen<br />

Projekt<br />

Konstituierende<br />

Kriterien<br />

Ordnende<br />

Kriterien<br />

Ausf<strong>ü</strong>hrende<br />

bestimmende<br />

Kriterien<br />

Ressourcenbestimmende<br />

Kriterien<br />

Produktkonzipierung<br />

Projektdimensionierung/<br />

-strategie<br />

UnternehmensspezifischerInnovationsprozess<br />

ProjektspezifischerInnovationsprozess<br />

Tatsächlicher<br />

Produkterfolg<br />

Tatsächlicher<br />

Projekterfolg<br />

Abb. 4: Einordnung des Kriterienkatalogs in einen kontingenztheoretischen Bezugsrahmen (Thiel 200 ).<br />

Die konstituierenden Kriterien bestimmen die Bestandteile des Produktinnovationsprozesses<br />

(PIP), d.h. die in den Prozess aufzunehmenden Innovationsphasen und die in den Phasen auszu-<br />

f<strong>ü</strong>hrenden Aktivitäten. Zu dieser Kriteriengruppe zählen z.B. die Art des Innovationsobjektes (z.B.<br />

Produkt, Dienstleistung, Prozess/Verfahren), die Wertschöpfungstiefe des Unternehmens und die<br />

beteiligten Fachdisziplinen. Letztere sind durch die Branche bereits im Grundsatz festgelegt.<br />

Die ordnenden Kriterien bestimmen die Reihenfolge in der die Innovationsphasen im PIP an-<br />

geordnet sind. In Anlehnung an das Konzept von Backhaus (2003, S. 299ff.) werden hier nach<br />

der Spezifität der Leistung, Anzahl der Käufer und Charakteristik des Kaufprozesses vier Ge-<br />

schäftstypen unterschieden: Das Produkt-, Anlagen-, Zulieferer- und Systemgeschäft. Sie unter-<br />

scheiden sich in der Anordnung ihrer Phasen im PIP. Im Anlagengeschäft z.B. erfolgt die Auftrags-<br />

erteilung vor der eigentlichen kundenspezifischen Entwicklung und Fertigung, während beim<br />

Produktgeschäft das Innovationsobjekt auf der Basis von Recherchen zu einem anonymen Kun-<br />

densegment zunächst gefertigt und erst anschließend die Auftragsabwicklung erfolgt.<br />

Die ausf<strong>ü</strong>hrungsbestimmenden Kriterien haben einen Einfluss auf die Dauer der Aktivitäten und<br />

ihre inhaltliche Ausrichtung. Wesentliche Einflussgröße ist hier die Unsicherheit, die mit der spe-<br />

zifischen Entwicklungsaufgabe in Zusammenhang steht. Bestimmungsgrößen der Unsicherheit<br />

sind in Anlehnung an Thom (1980, S. 31) der Neuheitsgrad einer spezifischen Entwicklungs-<br />

Fortsetzung von Seite 3<br />

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Lernbarrieren, Wiesbaden, 1 .<br />

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Bochum, 1 .<br />

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in the firm, London, 2003.<br />

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im Wissensmanagement f<strong>ü</strong>r Produktinnovationsprozesse<br />

in KMU der Mechatronik, in: Tagungsband<br />

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Thom, N., Grundlagen betrieblichen Innovationsmanagements,<br />

2. Aufl., Königstein/Ts, 1 80.<br />

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80 (2002) 4, S. 4-81.<br />

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von Hippel, E., Democratizing innovation, Cambridge,<br />

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Wohinz, J.W., Zum Wissensmanagement in Innovationsprozessen,<br />

in: Schwarz, E.J. (Hrsg.), Nachhaltiges<br />

Innovationsmanagement, Wiesbaden, 2004, S. 1 -<br />

213.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


3 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />

summary<br />

Open Innovation is a new ap-<br />

proach to obtain external know-<br />

ledge. But when they have to<br />

integrate it into the innovation<br />

process most companies fail.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

aufgabe (Ausmaß der Neuheit der Elemente), die Komplexität (Anzahl, Verschiedenartigkeit, Ver-<br />

kn<strong>ü</strong>pftheit von Elementen) sowie die Dynamik (Anzahl, Häufigkeit, Stärke, Regelmäßigkeit von<br />

Änderungen). Unterkriterien dieser Dimensionen sind auf verschiedenen Ebenen zu finden: im<br />

Unternehmen und in seiner Umwelt sowie im Innovationsprojekt und dessen Ergebnis, d.h. im<br />

Produkt. Aus der projektspezifischen Bewertung dieser Dimensionen ergeben sich Entwick-<br />

lungsaufgaben mit unterschiedlichen Unsicherheitsgraden, die sich in einem unterschiedlichen<br />

Einsatz von Innovations- und Wissensmanagementmethoden ausdr<strong>ü</strong>cken. Im Wesentlichen be-<br />

trifft dies z.B. die inhaltliche Ausrichtung auf markt- oder technikorientierte Methoden sowie ex-<br />

plorativer oder quantitativer Methoden.<br />

Mit Hilfe der ressourcenbestimmenden Kriterien werden schließlich die Anwendungsvorausset-<br />

zungen einer Methode mit den f<strong>ü</strong>r ein Projekt in einem bestimmten Unternehmen vorhandenen<br />

Möglichkeiten abgeglichen. In dieser Kriteriengruppe wird unterschieden in personengebundene<br />

und nicht-personengebundene Kriterien. Zu Ersteren zählen Kriterien wie Know-how-Vorausset-<br />

zungen, -Stand, -Weiterentwicklungspotenzial und -Akzeptanz. Zu Letzteren gehören Kriterien<br />

wie Aufgabenfristigkeit, unterst<strong>ü</strong>tzende Materialien, IT-Umsetzbarkeit und Organisationsverän-<br />

derung.<br />

Das 3W-Konzept<br />

WiPro, das zur Unterst<strong>ü</strong>tzung des klassischen Innovationsmanagements entwickelt wurde, gibt<br />

zum einen Empfehlungen, wann im Produktinnovationsprozess welche Methoden eingesetzt<br />

werden können, zum anderen werden durch eine bedarfsgerechte Wissensvermittlung – von<br />

multimedialen Methodenpräsentationen bis hin zu ausf<strong>ü</strong>hrlichen, mehrseitigen Anleitungen und<br />

Checklisten - Hinweise gegeben, wie die Methoden angewendet werden können. Abbildung 5<br />

zeigt zusammenfassend das dreistufige Vorgehenskonzept von WiPro.<br />

1. Stufe:<br />

Prozessablauf<br />

„Wann“<br />

Abb. : Das 3W-Konzept von WiPro.<br />

Wissen<br />

Innovationsprojekt<br />

Prozess-<br />

Fragebogen<br />

2. Stufe:<br />

Methodenauswahl<br />

„Welche“<br />

3. Stufe:<br />

Methodenanwendung<br />

„Wie“<br />

Methode Kurzbeschreibung Durchf<strong>ü</strong>hrung<br />

Brainstorming<br />

Yellow P ages<br />

Conjoint-<br />

Analyse<br />

+<br />

Brainstorming ist eine Methode zur Ideengenerierung innerhalb einer Gruppe. Um eine Lösung zu einer bestimmten Problemstellung zu finden, wird das Wissen von mehreren<br />

Personen genutzt. Es eignet sich besonders f<strong>ü</strong>r einfache, klare Fragestellungen. Dabei sollen <strong>ü</strong>bliche Denkschemata verlassen werden.<br />

Gelbe Seiten sind eine besondere Form der Wissenskarten, die den Mitarbeitern als Wegweiser zu den f<strong>ü</strong>r ihre Arbeit relevanten Wissensträgern dienen. Die G elb e n S e i t e n<br />

enthalten folgenden Mitarbeiter-Informationen: Name, Bereich/Abteilung/Gruppe …<br />

Die C onjoint-Analyse umfasst eine Zahl von statistischen Verfahren um mit Hilfe von Probandenbefragungen und Marktanalysen, bestimmte Produkte und Dienstleistungen zu<br />

bewerten. Ziel ist es die Produktentwicklung an den Kundenbed<strong>ü</strong>rfnissen auszurichten …<br />

Das Brainstorming sollte nach 4 Regeln durchgef<strong>ü</strong>hrt werden: 1. Jegliche Kritik oder Wertung von Vorschlägen gehört in eine gesonderte Bewertungsphase am Ende<br />

des Brainstormings.2. Ideen anderer Teilnehmer sollen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. 3. Jeder Teilnehmer …<br />

Die Verzeichnisse m<strong>ü</strong>ssen laufend aktualisiert werden. Diese Verzeichnisse werden meist im Intranet der Unternehmen gepflegt, wobei jeder einzelne Mitarbeiter /<br />

Vorgesetze seine persönlichen Qualifikationen und Kenntnisse aktualisieren kann/soll …<br />

1. Auswahl der relevanten Produktmerkmale 2. Festlegung der Merkmalsausprägung 3. Auswahl der Datenerhebungstechnik 4. Durchf<strong>ü</strong>hrung der Datenerhebung 5.<br />

Schätzung der Teilnutzwerte 6. A ggregation der Teilnutzwerte zu einem Gesamtnutzwert<br />

Methoden-<br />

Fragebogen<br />

Wann: WiPro ermittelt auf Basis einer fragebogengest<strong>ü</strong>tzten, zweistufigen Selbstanalyse zu-<br />

nächst die innovationsprojektspezifische Ablaufstruktur (Prozess-Fragebogen) sowie die zur<br />

Förderung des Projekterfolges in Frage kommenden, Innovations- und Wissensmanagementme-<br />

thoden (Methoden-Fragebogen). Mit Hilfe des Prozess-Fragebogens wird zunächst der projekt-<br />

spezifische Innovationsprozess f<strong>ü</strong>r das betrachtete Innovationsprojekt konfiguriert. Je weniger<br />

f<strong>ü</strong>r die Hervorbringung, Umsetzung und Einf<strong>ü</strong>hrung des neuen Produktes auf im Unternehmen<br />

+<br />

+


L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 3<br />

− z.B. in Form vorhandener Produktideen, Grob- und Feinkonzepte oder Prototypen − bereits<br />

vorhandenes Wissen, zur<strong>ü</strong>ckgegriffen werden kann, desto mehr Aktivitäten m<strong>ü</strong>ssen in dem be-<br />

treffenden Innovationsprozess durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, um die Wissensl<strong>ü</strong>cke zu schließen.<br />

Ergebnis dieser ersten fragebogengest<strong>ü</strong>tzten Prozesskonfiguration ist ein projektspezifischer<br />

Innovationsprozess mit einem Vorschlag prinzipiell geeigneter Methoden des Wissensmanage-<br />

ments zur Unterst<strong>ü</strong>tzung der einzelnen Aktivitäten.<br />

Welche: Auch die Anzahl der prinzipiell geeigneten Methoden kann mit Hilfe eines Fragebogens<br />

in ein Ranking gebracht werden. Der WiPro-User kann durch die Beantwortung verschiedener<br />

Fragen einen Filter setzen. Durch die Angabe der zur Verf<strong>ü</strong>gung stehenden Ressourcen und der<br />

Anwendungsbed<strong>ü</strong>rfnisse werden dem WiPro-Nutzer die Methoden in Form einer Topliste prä-<br />

sentiert. Zusätzlich werden Methoden, die aufgrund der im Fragebogen ausgewählten Ressour-<br />

cen nicht durchf<strong>ü</strong>hrbar sind als „ausgeschlossen“ angezeigt. Der Filter kann dann durch den<br />

WiPro-User jederzeit neu gesetzt werden, falls sich die zur Verf<strong>ü</strong>gung stehenden Ressourcen<br />

oder Durchf<strong>ü</strong>hrungsbedingungen ändern sollten.<br />

Wie: Die darauf folgende Wissensvermittlung <strong>ü</strong>ber die ausgewählten Methoden erfolgt in meh-<br />

reren Stufen, die der Nutzer je nach den eignen Bed<strong>ü</strong>rfnissen selbst bestimmen kann: Von einer<br />

dreizeiligen Definition <strong>ü</strong>ber eine einseitige Kurzbeschreibung bis hin zu mehrseitigen detaillier-<br />

ten Anwendungsanleitungen und multimedialen Präsentationen.<br />

WiPro f<strong>ü</strong>hrt seine Nutzer auf diese Weise Schritt f<strong>ü</strong>r Schritt durch einen „maßgeschneiderten“<br />

Innovationsprozess. Unterst<strong>ü</strong>tzt durch multimediale Präsentationen, ausf<strong>ü</strong>hrliche Anwendungs-<br />

Leitfäden und -Checklisten sowie Tutorial und Glossar zum wissensbasierten Innovationsma-<br />

nagement können Entscheider das vorgeschlagene Vorgehen im eigenen Unternehmen direkt<br />

umsetzen. Weiterhin besteht f<strong>ü</strong>r die Nutzer die Möglichkeit, WiPro bedarfsgerecht anzupassen:<br />

Zum einen können die im Unternehmen verwendeten Begrifflichkeiten in WiPro <strong>ü</strong>bernommen<br />

werden und zum anderen kann durch das Hochladen eigener Dokumente und Checklisten jede<br />

Methode individuell erweitert und angepasst werden.<br />

Fazit<br />

Viele Unternehmen scheitern an der Umsetzung des Open Innovation Ansatzes, da sie diesen<br />

nicht in ihr bereits etabliertes Innovationsmanagement integrieren können. Kritische Erfolgsfak-<br />

toren hierbei sind:<br />

u Auswahl und Anwendung geeigneter Methoden,<br />

u Integration des externen Wissens in die Wissensbasis,<br />

u Einbettung in den projektspezifischen Innovationsprozess.<br />

WiPro als Werkzeug zur Unterst<strong>ü</strong>tzung des klassischen Innovationsmanagements hilft Entschei-<br />

dungsträgern in Innovationsprojekten zum einen den geeigneten Innovationsprozess zu konfi-<br />

gurieren und zum anderen geeignete Methoden auszuwählen, zu erlernen und schließlich im<br />

Unternehmen anzuwenden. Hierdurch wird die Umsetzung des Open Innovation Ansatzes er-<br />

leichtert. WiPro schlägt dem Entscheidungsträger geeignete Methoden zur Beschaffung und In-<br />

tegration von externem Wissen vor und hilft durch die Konfiguration des Innovationsprozesses<br />

diese situationsspezifisch anzuwenden. WiPro ist ein Instrument, das Unternehmen in die Lage<br />

versetzt Open Innovation ins klassische Innovationsmanagement zu integrieren und so die Vor-<br />

teile des Open Innovation f<strong>ü</strong>r sich nutzbar zu machen.<br />

Kontakt:<br />

Dipl.-Kfm. Dirk L<strong>ü</strong>ttgens<br />

Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Betriebswirtschaftslehre<br />

Technologie- und Innovationsmanagement<br />

Templergraben 4<br />

20 2 Aachen<br />

Tel.: +4 241 80- 3 11<br />

Fax: +4 241 80- 23<br />

luettgens@tim.rwth-aachen.de<br />

www.tim.rwth-aachen.de<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


38 forschungsinformation I<br />

forschungsinformation<br />

neue Wissenschaftsmanagement-serie<br />

Mit diesem Heft startet Wissenschaftsmanagement gemeinsam mit dem Institut f<strong>ü</strong>r Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ)<br />

eine Serie mit dem Ziel, den State-of-the-Art zum Thema Forschungsinformationssysteme zu skizzieren.<br />

Im Zuge der Internationalisierung von Forschung und angesichts der gesteigerten Nachfrage nach einer qualitativen Bewertung von For-<br />

schungsleistung ist der Bedarf an aussagekräftigen und belastbaren Daten enorm gestiegen. Forschungsinformationen bilden die Grund-<br />

lage f<strong>ü</strong>r wissenschaftlichen Austausch − auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Gleichzeitig können sie f<strong>ü</strong>r Evaluierungen,<br />

f<strong>ü</strong>r Rankings und Ratings die entscheidenden Bewertungskriterien liefern. Nicht zuletzt der Open-Access-Ansatz hat den Blick auf und die<br />

Anforderungen an Forschungsinformation verändert.<br />

Im Anschluss an einen einleitenden Artikel werden in den kommenden Heften namhafte Experten die folgende Aspekte des Themas be-<br />

leuchten: Forschungsinformationssysteme an Hochschulen; Akzeptanz, Erfahrung mit und Nutzung von Forschungsdatenbanken; Vernet-<br />

zung, Informationsportale, Advanced Techniques; Open Access Repositories.<br />

Wir w<strong>ü</strong>nschen Ihnen eine informative Lekt<strong>ü</strong>re!<br />

Ihre Redaktion Wissenschaftsmanagement<br />

wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008<br />

J<strong>ü</strong>rgen Krause<br />

Informationssysteme zu Forschungsprojekten<br />

und Evaluationsforschung<br />

Neue Anforderungen und Synergien<br />

informationssysteme zu forschungsprojekten − „current research information sys-<br />

tems“ (cris) − haben eine lange tradition. in europa dr<strong>ü</strong>ckt sich diese am besten durch<br />

die vereinigung eurocris aus, die mittlerweile seit 16 Jahren regelmäßig internationale<br />

Konferenzen zu den aktuellen themen von cris abhält (adamczak/nase 2002, asserson/<br />

simons 2006, Magalhaes et al. 2006). forschungsinformation dient heute mehr und mehr<br />

auch dazu, Datengrundlagen f<strong>ü</strong>r die Leistungsbemessung zu generieren.<br />

Die in den regelmäßigen Konferenzen widergespiegelte Entwicklung der Leitgedanken bei Auf-<br />

bau und Betrieb von Forschungsinformationssystemen und die Beobachtung der bestehenden<br />

Systeme zeigen, dass CRIS heute ein etabliertes und in seinen Produkten ausgereiftes Ent-<br />

wicklungsgebiet ist. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher CRIS in den einzelnen europäischen<br />

Ländern; die Standardisierung und Harmonisierung sind weit fortgeschritten; es gibt Datenaus-<br />

tauschformate und eine gut funktionierende Infrastruktur zur Verbreitung der CRIS-Informa-<br />

tionen <strong>ü</strong>ber das Web.<br />

Aktuelle Fragestellungen, die zwar erkannt sind, f<strong>ü</strong>r deren Beantwortung aber weiterhin einige<br />

Entwicklungsarbeit zu leisten ist, betreffen vor allem den Überstieg traditioneller technologischer<br />

Basissysteme, die in der Regel auf zentrale (relationale) Informationssysteme ausgelegt sind, in


die neue Welt der Web-Suchmaschinen wie z. B. FAST und die Herausforderung einer weltweiten<br />

Vernetzung der CRIS-Daten mit anderen Informationstypen (Text-Faktenintegration, Verbindung<br />

zu Literaturdatenbanken und Primärdaten, Verkn<strong>ü</strong>pfung mit Expertendateien u.ä.; siehe Krau-<br />

se 2006, Stempfhuber 2006). Ein Beispiel f<strong>ü</strong>r diese Entwicklung ist das sozialwissenschaftliche<br />

Fachportal sowiport (www.sowiport.de) im Rahmen von vascoda (www.vascoda.de).<br />

F<strong>ü</strong>r CRIS ergeben sich jedoch, <strong>ü</strong>ber diese – erkannten und diskutierten – Entwicklungsgebiete<br />

hinaus, weitergehende Veränderungen und ein Anpassungsdruck hin zu neuen, innovativen Lö-<br />

sungen. Impulsgebend ist hier die Bedeutung von CRIS f<strong>ü</strong>r die Qualitätssicherung der Wissen-<br />

schaftssysteme (Hornbostel 2006). Europaweit wird der Evaluation von wissenschaftlichen Leis-<br />

tungen, von Forscherinnen und Forschern ebenso wie von wissenschaftlichen Einrichtungen eine<br />

hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Drittmittelprojekte und interne Projektaktivitäten einschließlich<br />

ihrer (Open-Access-) Erstpublikationen neuer Ergebnisse spielen schon heute bei den <strong>ü</strong>ber-<br />

wiegend peer-gesteuerten qualitativen Verfahren der Evaluation eine große Rolle. Es ist davon<br />

auszugehen, dass sich der Trend zur flächendeckenden Evaluation in allen wissenschaftlichen<br />

Fachgebieten in den nächsten Jahren noch deutlich verstärken wird.<br />

Mittelfristig verspricht die Vernetzung des Fachgebiets der Evaluationsforschung mit CRIS erheb-<br />

liche Synergieeffekte und ein großes Veränderungspotenzial f<strong>ü</strong>r die gegenwärtigen Formen. CRIS<br />

aufzubauen und zu verbreiten. Zwei mögliche Synergieeffekte zeigen dies besonders deutlich.<br />

Scientometrische, evaluationsrelevante Maßzahlen und „information retrieval“<br />

Die Experten sind sich heute darin einig, dass die bisher verwendeten quantitativen Leistungs-<br />

indikatoren bei Evaluationen nicht ausreichen, den Besonderheiten der Leistungsmessung von<br />

Wissenschaftlern gerecht zu werden, besonders hinsichtlich der Unterschiede zwischen den ein-<br />

zelnen Wissenschaftsdisziplinen (Neidhardt 2006). Deshalb werden jetzt komplexe Maßzahlen<br />

angestrebt, wie sie in einem anderen Kontext die Scientometrie zur Verf<strong>ü</strong>gung stellt. Eine solche<br />

umfassendere Datengewinnung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu beitragen, Portalsoft-<br />

ware durch die zusätzlichen Informationen, aber auch durch neuartige intelligente Werkzeuge<br />

der Recherche zu verbessern. Ein Beispiel f<strong>ü</strong>r diesen synergetischen Zusammenhang in Bezug<br />

auf Literatur- und Forschungsprojektdatenbanken sind Autoren-Netzwerke (Mutschke 2004).<br />

Sie errechnen die Struktur von Kooperationen der wissenschaftlichen Akteure und ihre strate-<br />

gische Position (Wichtigkeit, Einfluss) durch netzwerkanalytische Verfahren. Urspr<strong>ü</strong>nglich als<br />

bibliometrische Maßzahlen entwickelt und heute f<strong>ü</strong>r Evaluationszwecke genutzt (siehe Mutsch-<br />

ke/Stahl 2005), werden sie z. B. in infoconnex (www.infoconnex.de) als zusätzliche Suchkom-<br />

ponente eines intelligenten „information retrievals“ eingesetzt. Der Mehrwertdienst infoconnex<br />

von vascoda erlaubt die interdisziplinäre Suche <strong>ü</strong>ber die Fachgebiete Bildung, Psychologie und<br />

Sozialwissenschaften und bereitet sie durch spezifische Mapping-Komponenten speziell f<strong>ü</strong>r die<br />

Interdisziplinarität auf. Findet ein Benutzer mit seinen Suchbegriffen zu wenig Nachweise, kann<br />

er die Suche auf das Autorennetzwerk eines zentralen Autors dieses Bereichs ausdehnen bzw.<br />

die Zugehörigkeit zu diesem Netzwerk durch eine höhere Gewichtung der dort aufzufindenden<br />

Deskriptoren nutzen. Dies f<strong>ü</strong>hrt – wie in infoconnex nachvollziehbar – bei bestimmten Such-<br />

konstellationen zu einer Verbesserung der Ergebnisliste.<br />

Fachevaluation und Selbstmeldung der Wissenschaftler<br />

Werden CRIS-Daten f<strong>ü</strong>r Evaluationen herangezogen, ergibt sich das gleiche Problem wie bei der<br />

Auswertung von Literaturdatenbanken: Die (nationale und internationale) Vollständigkeit kann<br />

forschungsinformation I 3<br />

Literatur<br />

Adamczak, W./Nase, A. (eds.), Gaining Insight from<br />

Research Information: Proceedings of the th International<br />

Conference on Current Research Information<br />

Systems, University of Kassel, August 2 -31, 2002.<br />

Kassel 2002.<br />

Asserson, A. G. S./Simons, E. J. (eds.), Enabling Interaction<br />

and Quality: Beyond the Hanseatic League. 8th<br />

International Conference on Current Research Information<br />

Systems. Leuven 200 .<br />

Hornbostel, S., From CRIS to CRIS: Integration and Interoperability.<br />

In: Asserson, A. G. S.; Simons, E. J.<br />

(eds.): Enabling Interaction and Quality: Beyond the<br />

Hanseatic League. 8th International Conference on<br />

Current Research Information Systems. Leuven, University<br />

Press 200 , pp. 2 -38.<br />

Krause, J., Current Research Information as Part of<br />

Digital Libraries and the Heterogeneity Problem: Integrated<br />

Searches in the Context of Databases with different<br />

Content Analyses. In: Adamczak, Wolfgang;<br />

Nase, Annemarie (Hrsg.): Gaining Insight from Research<br />

Information: Proceedings of the th International<br />

Conference on Current Research Information Systems,<br />

University of Kassel, August 2 -31, 2002. Kassel<br />

2002, S. 21-31.<br />

Krause, J., Shell Model, Semantic Web and Web Information<br />

Retrieval, in: Harms, I./Luckhardt, H.-D./Giessen,<br />

H. W. (Hrsg.), Information und Sprache. Beiträge<br />

zu Informationswissenschaft, Computerlinguistik, Bibliothekswesen<br />

und verwandten Fächern, Festschrift<br />

f<strong>ü</strong>r Harald H. Zimmermann. M<strong>ü</strong>nchen 200 , S. -<br />

10 .<br />

Magalhães, de S. T./Santos, L./Stempfhuber, M./Fugl,<br />

L./Alrø, B. (eds.), CRIS-IR 200 , Proceedings of the International<br />

Workshop on Information Retrieval on<br />

Current Research Information Systems, Copenhagen,<br />

Denmark, th November 200 , Minho (Portugal)<br />

200 .<br />

Mutschke, P., Autorennetzwerke: Netzwerkanalyse<br />

als Mehrwertdienst f<strong>ü</strong>r Informationssysteme, in: Bekavac,<br />

B./Herget, J./Rittberger, M. (Hrsg.), Information<br />

zwischen Kultur und Marktwirtschaft, Proceedings<br />

des . Internationalen Symposiums f<strong>ü</strong>r Informationswissenschaft<br />

(ISI 2004), Chur, .-8. Oktober 2004.<br />

Konstanz 2004, S. 141-1 2.<br />

Mutschke, P./Stahl, M., Kooperationsnetzwerke und<br />

Akteurszentralität im Forschungsfeld Bildung, in:<br />

Engel, U. (Hrsg.), Bildung und soziale Ungleichheit:<br />

methodologische und strukturelle Analysen, Bonn<br />

200 , S. 121-140.<br />

Neidhardt, F., Forschungsevaluation, in: Soziologie 3<br />

(200 ) 4, S. 41 -42 .<br />

Stempfhuber, M., Data Integration in Current Research<br />

Information Systems. In: Magalhães, de S. T.;<br />

Santos, L.; Stempfhuber, M.; Fugl, L.; Alrø, B. (eds.):<br />

CRIS-IR 200 . Proceedings of the International Workshop<br />

on Information Retrieval on Current Research<br />

Information Systems. Copenhagen, Denmark, th November<br />

200 . Minho (Portugal) 200 , pp. 2 - 1.<br />

wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008


40 forschungsinformation I<br />

Kontakt:<br />

Prof. Dr. J<strong>ü</strong>rgen Krause<br />

Stellvertretender Präsident GESIS<br />

Leiter der Abteilung<br />

Informationszentrum Sozialwissenschaften<br />

Lennéstraße 30<br />

3113 Bonn<br />

Tel.: +4 228 2281-14<br />

Telefax: +4 228 2281-121<br />

E-Mail: juergen.krause@gesis.org<br />

www.gesis.org/iz<br />

wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008<br />

f<strong>ü</strong>r eine instituts- und personenbezogene Bewertung bei den heutigen Systemen nicht gewähr-<br />

leistet werden. Konkret liegt bei CRIS eine Schwierigkeit im unzureichenden Meldeverhalten der<br />

Wissenschaftler. Auch angesichts des großen Aufwands etwa von Fragebogenaktionen und pa-<br />

ralleler intellektueller Sichtung durch den Vergleich mit Webauftritten wissenschaftlicher Institu-<br />

tionen verbleiben L<strong>ü</strong>cken, die f<strong>ü</strong>r die Qualitätssicherung zu groß sind. Daran ändert die Tatsache<br />

nichts, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihrer Informationssuche f<strong>ü</strong>r Lehre<br />

und Forschung mit den in CRIS enthaltenen Angeboten meist zufrieden sind.<br />

Es liegt auf der Hand, dass sich die Vollständigkeit der erfassten Informationen deutlich erhöhen<br />

ließe, wenn die Wissenschaftler die Erschließungsarbeit in Teilbereichen eigenverantwortlich und<br />

zuverlässig <strong>ü</strong>bernehmen w<strong>ü</strong>rden. Diese Grundidee ist so alt wie die Information und Dokumenta-<br />

tion selbst. Die meisten CRIS arbeiten deshalb mit einer umfragegest<strong>ü</strong>tzten Erhebungsstrategie.<br />

Sie scheitert aber in Bezug auf die Vollständigkeit der Daten in der Regel an dem fehlenden bzw.<br />

im Zeitverlauf erlahmenden Willen der Wissenschaftler, diese Aufgabe zu <strong>ü</strong>bernehmen.<br />

Aus heutiger Sicht ergeben sich durch die Verbreitung fachbezogener Evaluationen neue Mög-<br />

lichkeiten, die mehr Erfolg versprechen. Sind CRIS-Daten anerkannte und eingesetzte Leis-<br />

tungsindikatoren und gelingt es CRIS-Systemen, diesen Baustein der Evaluation zu unterst<strong>ü</strong>tzen<br />

und iterativ die Ergebnisse der Selbstmeldungen der Wissenschaftler im Evaluationskontext f<strong>ü</strong>r<br />

die CRIS-Systeme zu nutzen, ist ein wesentlicher Schritt zur Leistungsverbesserung f<strong>ü</strong>r beide<br />

Systeme – Evaluation und CRIS – erreicht. Da die Ergebnismeldungen f<strong>ü</strong>r Evaluationen direkten<br />

– auch finanziellen – Einfluss auf die weitere Arbeit der Wissenschaftler haben werden, könnte<br />

in der Zukunft von einem annähernd „idealen“ Meldeverhalten und somit von validen Daten<br />

ausgegangen werden. Entsprechendes gilt f<strong>ü</strong>r die Literaturdatenbanken.<br />

Fazit<br />

K<strong>ü</strong>nftige „Current Research Information Systems“ (CRIS), die einerseits wie bisher Informations-<br />

quelle f<strong>ü</strong>r die wissenschaftliche Forschung und Lehre sind, andererseits aber auch als Basis zur<br />

Bestimmung von Leistungsindikatoren einer Evaluation dienen, werden sich im Systemaufbau und<br />

partiell auch in den Inhalten von den heutigen Systemen unterscheiden. Die Synergie zwischen bei-<br />

den Verwendungskontexten − Erhebung zur Information und Evaluation − verspricht bessere Leis-<br />

tungen f<strong>ü</strong>r beide Bereiche. Sollten CRIS mit „open access repositories“ der Forschungsberichte und<br />

ggf. auch des inhaltichen Teils der Projektanträge erweitert werden, w<strong>ü</strong>rde <strong>ü</strong>ber die in den Daten-<br />

sammlungen offen zugänglichen Projektberichte der Open-Access-Gedanke insgesamt gestärkt.


Daniela De Ridder, Hannah Leichsenring<br />

und Thimo von Stuckrad<br />

Diversity Management<br />

Der Begriff Diversity Management (DiM) bezeichnet urspr<strong>ü</strong>nglich einen ansatz des Per-<br />

sonal- und Kommunikationsmanagements, der von der produktiven vielfalt der attribute<br />

der Mitglieder einer organisation ausgeht und diese heterogenität zum individuellen und<br />

zum vorteil der organisation nutzt. Klassische heterogenitätskategorien sind sozioöko-<br />

nomische und Bildungshintergr<strong>ü</strong>nde, Geschlecht, sprache und kulturelle und religiöse<br />

Differenz.<br />

In der klassischen betriebswirtschaftlichen Lesart zielte Diversity Management zunächst auf die<br />

Entwicklung von Instrumenten, die bei der Verminderung von differenzbedingten individuellen<br />

Defiziten helfen (z.B. Integrationsmaßnahmen). Es ging also zunächst um die Integration hete-<br />

rogener AkteurInnen und Akteursgruppen in homogene (oder homogen wahrgenommene) Or-<br />

ganisationszusammenhänge. Mit starkem politischen Willen wurden beispielsweise in den USA<br />

die ‚Affirmative Action’-Programme initiiert, die vor allem Frauen und ethnischen Minderheiten<br />

adressierten. Der Begr<strong>ü</strong>ndungszusammenhang der „sozialen Gerechtigkeit“ provozierte jedoch<br />

nach einiger Zeit Widerspruch von Personen, die sich durch den Ausschluss aus diesen Pro-<br />

grammen diskriminiert sahen, und stellte dadurch den Ansatz insgesamt in Frage.<br />

Moderne DiM-Programme wollen den defizitorientierten Ansatz vermeiden, indem Diversität als<br />

eine Ressource f<strong>ü</strong>r Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung angesehen und eingesetzt wird.<br />

Ausgehend von der Beobachtung, dass die Anforderungen an die Leistungen einer Organisa-<br />

tion immer vielfältiger werden, soll durch Vielfalt innerhalb ihrer Mitglieder mehr „Problemlö-<br />

sungspotenzial“ bereit gestellt und damit der Organisationszweck besser erreicht werden. Aus<br />

institutionellen Zielsystemen werden heterogenitätsbezogene Veränderungsbedarfe abgeleitet,<br />

Analyseraster definiert, problembezogene Instrumente entwickelt, so dass Diversity Manage-<br />

ment wesentliche strategische Relevanz auf unterschiedlichen organisationalen Ebenen erhält.<br />

Der spezifische Vorzug von Instrumenten des Diversity Management besteht darin, dass eine<br />

praktische Konkordanz zwischen gesellschaftspolitischen – wie z.B. dem Abbau von Diskrimi-<br />

nierungen im Wirtschaftssystem – und unternehmerischen Zielen – insbesondere die Erhöhung<br />

der Produktivität und Innovationskraft – hergestellt werden kann.<br />

De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management weiterbildung 41<br />

Heterogenität findet sich auch in und zwischen allen Mitgliedergruppen der Organisation Hoch-<br />

schule. Diversity Management an Hochschulen ist sowohl mit Bezug auf den klassischen An-<br />

wendungsbereich des Personalmanagements als auch in Bezug auf verschiedene Zielgruppen<br />

(u.a. Studierende) von Relevanz. Instrumente des Diversity Management zielen entweder auf die<br />

Nivellierung von differenzbegr<strong>ü</strong>ndeten Schwellen oder auf die Akzentuierung von Vielfalt (z.B:<br />

in Forschungsgruppen) zur Nutzung von Leistungsreserven. Moderne, strategiegekoppelte DiM-<br />

Ansätze fallen an Hochschulen auf fruchtbaren Boden, denn sie entsprechen dem im Hochschul-<br />

system beobachtbaren Trend zur Stärkung strategiegeleiteter institutioneller Managementstruk-<br />

turen und sind sowohl mit den politischen Anforderung einer möglichst weitgehenden Öffnung<br />

der Hochschulen („Bildungsgerechtigkeit“) als auch mit einer Exzellenzorientierung kompatibel.<br />

a K t u e L L e r B e G r i f f<br />

Diversität ist eine Ressource f<strong>ü</strong>r Innovationsfähigkeit<br />

– auch in der Wissenschaft. Deshalb sollte Diversity<br />

Management im Leitbild einer Hochschule fest<br />

verankert sein.<br />

Foto: Peter Albaum/JOKER<br />

wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008


42 weiterbildung De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit und mit der Einsicht, dass wissenschaftliche Nach-<br />

wuchsförderung mit dem Studium beginnt, ist Diversität f<strong>ü</strong>r die deutschen Hochschulen im Be-<br />

reich des Studierendenrecruitments kein neues Thema: Programme wie BAföG und Härtefall-<br />

regelungen waren von Anfang an dazu gedacht, Gruppen mit abweichenden sozioökonomischen<br />

und Bildungsvoraussetzungen Chancengleichheit zu ermöglichen und damit Leistung als hinrei-<br />

chende Bedingung f<strong>ü</strong>r Bildungsteilnahme und Studienerfolg zu etablieren. Die Wirksamkeit die-<br />

ser Ansätze wurde indes nicht konsequent evaluiert und j<strong>ü</strong>ngste Erkenntnisse legen nahe, dass<br />

weiterhin Verzerrungen bei der Bildungsteilnahme nach klassischen Heterogenitätskategorien<br />

herrschen.<br />

Diversity Management an Hochschulen muss als institutionelles strategisches Management<br />

angelegt sein, das problemorientiert vorgeht: Fragestellungen m<strong>ü</strong>ssen auf Verzerrungen durch<br />

Heterogenitätsmerkmale hin analysiert und geeignete Instrumente entwickelt werden. Denkbar<br />

ist auch, dass eine Hochschule im Zuge ihrer Profilbildung Diversität zum <strong>ü</strong>bergreifenden strate-<br />

gischen Ziel erklärt und Managementinstrumente entsprechend ausrichtet. Diversität verspricht<br />

Vorteile sowohl f<strong>ü</strong>r den institutionellen Output als auch f<strong>ü</strong>r die Organisationskultur:<br />

u Problemlösungskompetenz: innovativere und kreativere Problemlösungen durch heterogene<br />

Gruppen (analog zum wissenschaftlichen Methodenpluralismus),<br />

u Kostensenkung durch Steigerung von Motivation und Zufriedenheit der Minderheiten sowie<br />

Reduktion von Reibungsverlusten und Diskriminierungen,<br />

u Flexibilität: flexiblerer Umgang mit Umweltveränderungen durch Abbau des Konformitäts-<br />

drucks und Reduktion der „Betriebsblindheit“,<br />

u Marketing: Diversität als Voraussetzung, sich auf die W<strong>ü</strong>nsche der Kundschaft einzustellen.<br />

Eine Grundvoraussetzung f<strong>ü</strong>r Vielfalt an der Hochschule ist das Leistungsgebot: Knappe Res-<br />

sourcen wie Studienplätze und Stipendien, Beschäftigungsverhältnisse oder Professuren m<strong>ü</strong>s-<br />

sen nach (wissenschaftlicher) Leistung und inhaltlich-strategischer Passung vergeben werden,<br />

es gilt das Qualitäts- und Qualifikationsgebot. Es ist jedoch bekannt, dass das Leistungsgebot<br />

durch Verfahren und Strukturen vielfach unterlaufen wird, und dies zumeist zuungunsten be-<br />

stimmter Gruppen: So ist bekannt, dass beispielsweise Sch<strong>ü</strong>lerInnen aus bildungsfernen oder<br />

sozial schwachen Familien deutlich seltener ein Studium aufnehmen, Personen mit Migra-<br />

tionshintergrund mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit das Studium abbrechen und beide<br />

Personenkreise seltener eine wissenschaftliche Karriere anstreben als Kinder aus akademisch<br />

geprägten Haushalten. Bekannt ist auch die sinkende Zahl von Frauen bei fortschreitender Wis-<br />

senschaftskarriere. F<strong>ü</strong>r den deutschen Kontext kommt erschwerend hinzu, dass die stärksten<br />

Exklusionsmechanismen bereits in unserem stark selektierenden Schulsystem greifen.<br />

Anders als die bisherigen Ansätze zur Unterst<strong>ü</strong>tzung benachteiligter Gruppen erfordert Diversity<br />

Management einen stringenten Wandel in den Strukturen und Verfahren der Hochschulen selbst.<br />

Um nicht in einen Katalog kleinteiliger und unzusammenhängender Maßnahmen zu m<strong>ü</strong>nden,<br />

muss Diversität in das Zielsystem der Hochschule eingepasst werden. Abhängig von einer spezi-<br />

fischen strategischen Zielstellung − etwa Studierendengewinnung, Senkung der Abbruchquoten,<br />

die Gewinnung exzellenter NachwuchswissenschaftlerInnen oder die Einhaltung internationaler<br />

Standards (bspw. anhand Gender Action Plans) − muss ein Analyseprogramm definiert werden,<br />

das heterogenitätsbedingte Verzerrungen auf einer bestimmten Ebene (Hochschule, Fachbe-<br />

reiche, einzelne Studiengänge etc.) sichtbar macht und so eine problemorientierte Umsetzung<br />

von Maßnahmen ermöglicht.


De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management weiterbildung 43<br />

Zu den operativen Umsetzungen eines solchen Ansatzes gehören daher insbesondere:<br />

u die Verankerung in der Hochschulleitung (z.B. VizepräsidentIn als BeauftragteR),<br />

u ein Monitoring-System als Datengrundlage <strong>ü</strong>ber die derzeitige und die zuk<strong>ü</strong>nftige Entwick-<br />

lung der Vielfalt (Hochschulangehörige, BewerberInnen, im (inter-)nationalen Vergleich),<br />

u die Zuständigkeiten in der Organisation (Personalabteilung, F<strong>ü</strong>hrung in Hochschule, Verwal-<br />

tung und Fakultäten, Hochschulmarketing und -PR),<br />

u die Implementierung in bestehende Weiterbildungen und Trainings (f<strong>ü</strong>r Auswahl- und Beru-<br />

fungskommissionen, F<strong>ü</strong>hrungspersonal, didaktische Angebote...).<br />

Die Herausforderung f<strong>ü</strong>r ein Diversity Management besteht letztlich darin, die strategische Pla-<br />

nung unter Diversitätsgesichtspunkten zu bedenken. Ausgangspunkt muss es sein, Vielfalt als<br />

Teil der Hochschulkultur zu bejahen und zu einem wesentlichen strategischen Orientierungs-<br />

punkt zu machen.<br />

Die Anforderungen sind, abhängig von den gesetzten strategischen Zielen, vielfältig und betref-<br />

fen alle Ebenen der Hochschule. Beispielhaft zu nennen sind dabei folgende Bereiche und Maß-<br />

nahmen:<br />

organisations-, Leitungs- und entscheidungsstrukturen: Die Bandbreite möglicher Maßnahmen<br />

reicht von der Einrichtung eines Diversity-Ressorts im Präsidium/Rektorat bis hin zur Ber<strong>ü</strong>cksichtigung<br />

von Diversity-Aspekten bei der Mittelverteilung und Budgetplanung.<br />

Qualitätsentwicklung und -sicherung: Beginnend mit einem Monitoringsystem und einem<br />

entsprechenden Berichtswesen bis hin zur Entwicklung eines Diversity-Controlling.<br />

Diversity-aspekte können beim Studierendenrecruiting und bei Auswahlverfahren, bei der Anrechnung<br />

von beruflichen Kompetenzen oder Ausbildungsinhalten bis hin zur Studiengangs- und<br />

Modulgestaltung zum Tragen kommen. Notwendig sind flankierende Maßnahmen wie die Einrichtung<br />

von Service-, Beratungs- und Informationsangeboten (Studienberatung, Br<strong>ü</strong>ckenkurse<br />

zum wissenschaftlichen Arbeiten, Sprachangebote, Career Center, Beratungsangebote f<strong>ü</strong>r studierende<br />

Eltern, Informationsangebote zur Studienfinanzierung etc.).<br />

Kommunikation und hochschulmarketing: Das Selbstbild als Diversity-Hochschule muss<br />

nach außen wie nach innen hin vermittelt werden, sei es bei der Entwicklung der Corporate<br />

Identity, oder bei der internen Prozesstransparenz und -kommunikation.<br />

Personal- und Berufungswesen: Dieser Ursprungsbereich des Diversity-Managements muss<br />

auch bei Hochschulen im Sinne der Ermöglichung von Vielfalt weiterentwickelt werden. Sowohl<br />

im wissenschaftlichen als auch im Verwaltungsbereich m<strong>ü</strong>ssen die Prozesse und Strukturen der<br />

Personalauswahl, der Personalentwicklung, der internen Anreizsysteme sowie der Personalf<strong>ü</strong>hrung<br />

geeignet sein, Leistung zu fördern und Vielfalt zu ermöglichen.<br />

Die Herausforderung f<strong>ü</strong>r ein<br />

Diversity Management besteht<br />

letztlich darin, die strategische<br />

Planung unter Diversitätsgesichtspunkten<br />

zu bedenken. Ausgangspunkt<br />

muss es sein, Vielfalt als<br />

Teil der Hochschulkultur zu bejahen<br />

und zu einem wesentlichen<br />

strategischen Orientierungspunkt<br />

zu machen.<br />

Dr. Daniela De Ridder, Hannah Leichsenring und<br />

Thimo von Stuckrad sind bei CHE Consult in G<strong>ü</strong>tersloh<br />

tätig u.a. in den Bereichen Organisations- und<br />

Personalentwicklung, Fakultätsmanagement, Auswahlverfahren,<br />

Hochschulsteuerung, Familie in der<br />

Hochschule, Demografischer Wandel und Kapazitätsplanung<br />

im deutschen Hochschulsystem.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


44 buchbesprechung Olaf Bartz – Der Wissenschaftsrat<br />

Olaf Bartz<br />

Der Wissenschaftsrat<br />

Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />

in der Bundesrepublik Deutschland 1957–2007<br />

Geschichte<br />

Franz Steiner Verlag<br />

Bartz, Olaf: Der Wissenschaftsrat.<br />

Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />

in der Bundesrepublik Deutschland 1 -200<br />

Franz Steiner Verlag, Stuttgart 200 , 312 S,<br />

44,00 Euro, ISBN 8-3- 1 -0 0 4-2<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Olaf Bartz<br />

Der Wissenschaftsrat<br />

Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />

in der Bundesrepublik Deutschland 1957-2007<br />

„Wissenschaftsgeschichte ist en vogue, Politikgeschichte wird laufend betrieben, aber<br />

studien zur Geschichte der Wissenschaftspolitik sind rar. Der vorliegende Band untersucht<br />

dieses Problemfeld f<strong>ü</strong>r die Bundesrepublik Deutschland entlang der Geschichte des<br />

1957 gegr<strong>ü</strong>ndeten Wissenschaftsrates, der seit f<strong>ü</strong>nfzig Jahren als einflussreiches, nach<br />

außen hin aber zur<strong>ü</strong>ckhaltendes Gremium agiert.“ Diese den einband zierenden Worte<br />

mögen als innere rechtfertigung des in der form der untersuchung einzigartigen Buches<br />

von olaf Bartz dienen. Das Werk bringt dem Leser jedoch nicht nur funktion und Wirkungsweise<br />

des Wissenschaftsrates näher, sondern bietet mehr: einen umfangreichen<br />

einblick in die einzelnen epochen deutscher hochschulentwicklung von 1945 bis heute.<br />

Der vorliegende Band ist eine erweiterte Fassung der Dissertationsschrift, mit der Olaf Bartz<br />

an der Universität zu Köln promoviert worden ist. Wer angesichts der in der Danksagung vom<br />

Autor angesprochenen DFG-Förderung des Bandes mit Blick auf mögliche Verquickungen von<br />

DFG und Wissenschaftsrat bef<strong>ü</strong>rchtet, ein eher unkritisches Werk in den Händen zu halten, wird<br />

enttäuscht. Bartz gelingt es, ein differenziertes Bild der Institution Wissenschaftsrat und der Auswirkungen<br />

seiner Empfehlungen zu zeichnen. Dass er sich hierbei auf die hochschulpolitischen<br />

Empfehlungen konzentriert und die außeruniversitäre Forschung, abgesehen von den Aktivitäten<br />

des Wissenschaftsrates im Zuge der Wiedervereinigung, ausklammert, erscheint angesichts des<br />

erheblichen Umfangs dieser Teilbereiche mehr als sinnvoll.<br />

Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel und orientiert sich an den f<strong>ü</strong>r den Wissenschaftsrat markanten<br />

Entwicklungslinien, die mit den etablierten Zäsuren der politischen Geschichte nur teilweise<br />

zusammenfallen. Ausgangspunkt der Untersuchung sind der Zustand der deutschen Wissenschaftslandschaft<br />

nach dem zweiten Weltkrieg und die Gr<strong>ü</strong>ndungsphase des Wissenschaftsrates zwischen<br />

1956 und 1958. Das mit seiner Gr<strong>ü</strong>ndung verbundene Hauptanliegen war eine Lösung der seit 1949<br />

aus den föderalen Kompetenzauseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern erwachsenden<br />

Probleme bei der Neuordnung der Wissenschaftslandschaft. Als Behelfsinstrument konzipiert, sollte<br />

der Wissenschaftsrat in einem geregelten Verfahren primär die Übersch<strong>ü</strong>sse aus dem Bundeshaushalt<br />

(„Juliusturm“) in die Förderung der wissenschaftlichen Forschung leiten, indem er jährlich ein<br />

Dringlichkeitsprogramm aufzustellen hatte. Weitere Koordinationsaufgaben, die ihm bis heute obliegen,<br />

sind die Erstellung eines Gesamtplanes aus Einzelplänen des Bundes und der Länder zur<br />

Förderung der Wissenschaft und die Erarbeitung von Empfehlungen f<strong>ü</strong>r die Verwendung derjenigen<br />

Mittel, die in den staatlichen Haushaltsplänen f<strong>ü</strong>r die Wissenschaftsförderung verf<strong>ü</strong>gbar waren. Hieraus<br />

resultiert das im Wissenschaftsrat bis heute einzigartige konsensorientierte Zusammenwirken<br />

von Vertretern des Bundes, der Länder und (mehrheitlich) der Wissenschaft, mit dem er sich <strong>ü</strong>ber<br />

die Jahrzehnte hinweg in nicht wenigen Fällen als mächtiger Taktgeber f<strong>ü</strong>r die Wissenschaftspolitik<br />

etablierte, zeitweise aber auch (unfreiwillig) ins zweite Glied zur<strong>ü</strong>cktreten musste.


Sein Durchbruch und seine besondere Anerkennung gr<strong>ü</strong>ndet auf der sog. „Blauen Bibel“, in der<br />

der Wissenschaftsrat im Jahr 1960 seine „Empfehlungen zum Ausbau der Wissenschaftlichen<br />

Einrichtungen. Teil I: Die Hochschulen“ veröffentlichte. Die seinerzeit zutage getretenen Pro-<br />

blemkomplexe lesen sich fast wie die wissenschaftsministerielle Agenda des Jahres 2008: Be-<br />

stimmung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen, Festlegung der zu erwar-<br />

tenden Studentenzahl, Hochschulneugr<strong>ü</strong>ndungen (man denke an die in Nordrhein-Westfalen ge-<br />

planten Fachhochschulneugr<strong>ü</strong>ndungen), Neuregelung des Hochschulzugangs, die Verbesserung<br />

der Betreuungsrelation von Professoren zu Studierenden etc. Die Untersuchung macht bereits an<br />

dieser Stelle deutlich, dass ein ganzer Kanon von Problemstellungen mit schöner Regelmäßig-<br />

keit unter leicht veränderten Umständen wiederkehrt. Seien es steigende Studierendenzahlen,<br />

Finanznot der Hochschulen, deren Suche nach ihrem Selbstverständnis oder mangelnde Quali-<br />

tätssicherung in Forschung und Lehre. Lesenswert im Zusammenhang mit der Suche nach dem<br />

hochschulischen Selbstverständnis ist der Exkurs, den Bartz dem von ihm so getauften „Hum-<br />

boldtianismus“ widmet und kritisch der Frage nachgeht, ob Humboldts Gedankengut f<strong>ü</strong>r die ihm<br />

zugeschriebenen allgegenwärtigen Leitgedanken <strong>ü</strong>berhaupt fruchtbar gemacht werden kann.<br />

Im Anschluss verfolgt Bartz die Entwicklung des Wissenschaftsrates durch f<strong>ü</strong>r ihn schwere<br />

Zeiten der Bildungsexpansion um 1970, seine Konsolidierungsphase bis Ende der 1970er-Jahre,<br />

seine eher theorielastige Hintergrundarbeit in den 1980er-Jahren, seine bedeutende Rolle als<br />

Evaluierer bei der Neuordnung der Wissenschaftslandschaft im Zuge der Wiedervereinigung<br />

Anfang der 1990er-Jahre und schließlich den Aufbruch in das heute vorherrschende Wettbe-<br />

werbsparadigma seit Beginn den neuen Jahrtausends.<br />

Ein besonderer Verdienst des Bandes ist es, die hochschulpolitische Entwicklung in toto auf<br />

eine Art und Weise nachzuzeichnen, dass die heutige Situation als zwingendes und logisches<br />

Resultat erscheint. So hatte der Wissenschaftsrat bereits Ende der 1970er-Jahre zur „Vertei-<br />

lung, Verwendung und Kontrolle des Mitteleinsatzes an Hochschulen“ Leitbegriffe wie Evaluati-<br />

on, Wettbewerb, Qualität oder Effizienz herausgearbeitet. Wurden diese auch erst in den letzten<br />

Jahren zu beherrschenden Topoi der Hochschulpolitik, kann das Wirken des Wissenschaftsrates<br />

durchaus als erster Anstoß f<strong>ü</strong>r die nunmehr schnell voranschreitende Autonomisierung der<br />

Hochschulen unter dem verstärkten Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente und Methoden<br />

angesehen werden. Ebenfalls zu nennen ist die Einf<strong>ü</strong>hrung konsekutiver Studiengänge, die der<br />

Wissenschaftsrat bereits im Jahr 1966 als Reaktion auf die begonnene Bildungsexpansion und<br />

die Entwicklung von der Eliteuniversität (!) hin zur Massenuniversität ähnlich den heutigen BA/<br />

MA-Studiengängen nach dem Bolognaprozess empfahl.<br />

Überhaupt mag folgender (Neben)Aspekt der Untersuchung f<strong>ü</strong>r Wissenschaftsmanager, den viel-<br />

leicht größten Erkenntniswert bergen: Welche den heutigen Problemlagen ähnlichen Entwicklun-<br />

gen sind in den letzten f<strong>ü</strong>nf Jahrzehnten bereits so oder ähnlich durchlaufen worden und welche<br />

Reaktionen haben sich als weiterf<strong>ü</strong>hrend oder als Fehler erwiesen? Wie sind letztere heute zu<br />

vermeiden? Und welche Imponderabilien gibt es?<br />

Bartz ist es gelungen, eine fl<strong>ü</strong>ssig geschriebene und gut lesbare Untersuchung zu einer der wich-<br />

tigsten Institutionen in der deutschen Wissenschaftslandschaft vorzulegen, deren besonderer<br />

(Mehr)Wert f<strong>ü</strong>r den Nichthistoriker darin liegt, dass sie en passant die allgemeine Entwicklung des<br />

deutschen Hochschulwesens der letzten f<strong>ü</strong>nf Jahrzehnte vor dem Hintergrund sich verändernder<br />

Leitbildprämissen nachzeichnet. Hieraus immer noch bessere Lösungsmöglichkeiten abzuleiten<br />

d<strong>ü</strong>rfte eine lohnende Aufgabe f<strong>ü</strong>r alle Wissenschaftspolitiker und Wissenschaftsmanager sein.<br />

Olaf Bartz – Der Wissenschaftsrat buchbesprechung 4<br />

Jörn Hohenhaus<br />

Message<br />

Die Untersuchung zeichnet en<br />

passant die allgemeine Entwick-<br />

lung des deutschen Hochschul-<br />

wesens der letzten f<strong>ü</strong>nf Jahr-<br />

zehnte vor dem Hintergrund sich<br />

verändernder Leitbildprämissen<br />

nach.<br />

Dr. Jörn Hohenhaus ist Persönlicher Referent<br />

des Kanzlers der Universität zu Köln.<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008


4 buchmarkt<br />

www.wissenschaftsmanagement.de<br />

Impressum<br />

Geschäftsf<strong>ü</strong>hrende herausgeber<br />

Dr. Markus <strong>Lemmens</strong>,<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />

Prof. Dr. Detlef M<strong>ü</strong>ller-Böling,<br />

Centrum f<strong>ü</strong>r Hochschulentwicklung, G<strong>ü</strong>tersloh<br />

Dr. Johannes Neyses, Universität zu Köln<br />

Prof. Dr. Frank Ziegele, Centrum f<strong>ü</strong>r Hochschulentwicklung,<br />

G<strong>ü</strong>tersloh, und Fachhochschule Osnabr<strong>ü</strong>ck<br />

herausgeberbeirat<br />

Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger,<br />

Fraunhofer-Gesellschaft, M<strong>ü</strong>nchen<br />

Dr. iur. Dietmar Ertmann,<br />

Universität Karlsruhe (TH)<br />

Prof. Dr. Cornelius Herstatt,<br />

Technische Universität Hamburg-Harburg<br />

Prof. Dr. Péter Horváth,<br />

IPRI International Performance Research Institute g<strong>GmbH</strong><br />

und Universität Stuttgart<br />

Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer,<br />

Ludwig-Maximilians-Universität M<strong>ü</strong>nchen<br />

Prof. Dr. Hanns H. Seidler,<br />

Zentrum f<strong>ü</strong>r Wissenschaftsmanagement e.V., Speyer<br />

Dr. Horst Soboll, Union des Industries de la Communauté<br />

Européenne (UNICE)<br />

Prof. Dr.-Ing. Hartmut Weule, Institut f<strong>ü</strong>r Werkzeugmaschinen<br />

und Betriebstechnik, Universität Karlsruhe<br />

chefredakteur<br />

Dr. Felix Gr<strong>ü</strong>tzner<br />

Telefon: +49 228 42137-12<br />

E-Mail: gruetzner@lemmens.de<br />

redaktion Bonn<br />

Klaudia Gerhardt, M.A.<br />

Telefon: +49 228 42137-16<br />

E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />

redaktion Berlin<br />

K. R. Durth<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong> – B<strong>ü</strong>ro Berlin<br />

Hannoversche Str. 15<br />

10115 Berlin<br />

Telefon: +49 30 28045-144<br />

E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />

verlag und anzeigen<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Matthias-Gr<strong>ü</strong>newald-Str. 1-3, 53175 Bonn<br />

Telefon: +49 228 42137-0<br />

Telefax: +49 228 42137-29<br />

E-Mail: info@lemmens.de<br />

Internet: www.lemmens.de<br />

Bezugsbedingungen:<br />

Jahresabonnement (6 Ausgaben) e 114,50 inkl. MwSt.<br />

zzgl. Versandkosten (Inland e 10,50; Ausland e 13,75)<br />

Einzelheft e 19,80 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten<br />

(Inland e 1,40; Ausland e 3,00)<br />

Erscheinungsweise zweimonatlich; Bestellungen <strong>ü</strong>ber Buchhandel<br />

oder Verlag; Anzeigenpreisliste Nr. 10 (2008); Inhalte sind urheberrechtlich<br />

gesch<strong>ü</strong>tzt. Das Abonnement kann mit einer dreimonatigen<br />

Frist jeweils zum Jahresende gek<strong>ü</strong>ndigt werden.<br />

herstellung Courir-Media <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />

ISSN 0947-9546<br />

wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />

Alfred Kuß, Torsten Tomczak, Sven Reinecke<br />

Marketingplanung<br />

Einf<strong>ü</strong>hrung in die marktorientierte Unternehmens- und Geschäftsplanung<br />

2007, 5., vollst. <strong>ü</strong>berarb. Aufl., broschiert, 329 Seiten, 29,90 Euro, Gabler Verlag,<br />

ISBN 978-3-8349-0355-6<br />

In dieser 5. Auflage gesellt sich Sven Reinecke zu den beiden anderen Autoren des Lehrbuches,<br />

Alfred Kuß und Torsten Tomczak. Die Autoren leiten systematisch in die Grundlagen ein und vollf<strong>ü</strong>hren<br />

den idealtypischen Verlauf der Marketingplanung. Unternehmens- und Geschäftsfeldplanung,<br />

Marketing-Mix-Planung sowie Marktimplementierung und -controlling vervollständigen<br />

den Überblick <strong>ü</strong>ber das Thema. Viele Fallbeispiele erhellen die Theorie und bieten direkte Ankn<strong>ü</strong>pfungspunkte<br />

an die Praxis im Beruf. Das Lehrbuch richtet sich an Vertreter und Mitglieder<br />

der Wirtschaft genauso wie der Hochschulen.<br />

Karl Heinrich Oppenländer (Hrsg.)<br />

regionen als Wachstumsmotor<br />

Was leisten Cluster f<strong>ü</strong>r Innovationen? – Ludwigsburger Gespräche 2007<br />

2007, 197 Seiten, broschiert, kostenlos zu beziehen unter www.wuestenrot-stiftung.de,<br />

W<strong>ü</strong>stenrot Stiftung, ISBN 978-3-933249-64-3<br />

Wie können Innovationen angestoßen und durch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen unterst<strong>ü</strong>tzt<br />

werden? So lautete die Leitfrage, unter der sich Experten aus Forschung, Politik und Wirtschaft<br />

zum Ludwigsburger Gespräch der W<strong>ü</strong>stenrot Stiftung trafen. Innovationen sind der Motor der Wirtschaft.<br />

Fehlendes Risikokapital, mangelnde Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und <strong>ü</strong>berwuchernde<br />

B<strong>ü</strong>rokratie sind nur einige der Faktoren, die das deutsche Innovationspotential hemmen – und somit<br />

die deutsche Wirtschaft. Cluster aus Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen können<br />

diesen Innovationsstau auflösen. Die verantwortlichen Stellen der Politik können regional attraktive<br />

Bedingungen schaffen, einen Standort der Innovationen als Wachstumsmotor.<br />

Tobias Kollmann<br />

e-Business<br />

Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse in der Net Economy<br />

2007, 2. <strong>ü</strong>berarb. u. erw. Aufl., 573 Seiten, broschiert, 39,90 Euro, Gabler Verlag,<br />

ISBN 978-3-8349-0680-9<br />

Das vorliegende Lehrbuch bringt nicht nur Dozenten und Studierenden der Betriebswirtschaftslehre<br />

und Informatik das Thema des E-Business nahe. Auch Berater und Investoren der Praxis<br />

erhalten wertvolle Tipps. Kollmann konzentriert sich auf die drei Kernbereiche des Einkaufs,<br />

Verkaufs und Handels, die inzwischen in fast allen Branchen auch oder ausschließlich mit Hilfe<br />

elektronischer Geschäftsprozesse ausgef<strong>ü</strong>hrt werden. Grundlagen, Prozesse, Management und<br />

Marketing des E-Procurements, E-Shops und E-Marketplaces werden theoretisch dargelegt und<br />

praxisorientiert erklärt. Kollmann beantwortet, welche technischen Rahmenbedingungen ber<strong>ü</strong>cksichtig<br />

werden m<strong>ü</strong>ssen, wie sich die elektronische Wertschöpfung gestaltet und wie Beschaffungs-<br />

und Absatzprozesse elektronisch unterst<strong>ü</strong>tzt werden können.<br />

Gerhard Wolff


Wissenschaftsmanagement – Zeitschrift f<strong>ü</strong>r Innovation<br />

unterst<strong>ü</strong>tzt Sie bei Ihrer F<strong>ü</strong>hrungsaufgabe in<br />

Wissenschaft, Forschung und Entwicklung.<br />

hiermit bestelle ich Wissenschaftsmanagement – Zeitschrift f<strong>ü</strong>r innovation ...<br />

als kostenloses Probe-exemplar als Probe-abonnement<br />

(3 Hefte) 45,00 Euro<br />

Firma, Institution:<br />

Name, Vorname:<br />

Straße, Postfach:<br />

PLZ, Ort:<br />

Datum, 1. Unterschrift:<br />

Ich weiß, dass ich diese Bestellung innerhalb einer Frist von 14 Tagen schriftlich bei der <strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong> widerrufen kann.<br />

Zur Wahrung der Frist gen<strong>ü</strong>gt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.<br />

Datum, 2. Unterschrift:<br />

Inkl. Mehrwertsteuer und Versand: Inland 9,75 Euro; Ausland<br />

13,75 Euro. Das Probe-Abonnement endet automatisch nach<br />

dem Erhalt des 3. Heftes.<br />

als Jahres-abonnement<br />

(6 Ausgaben pro Jahr) 114,50 Euro<br />

Inkl. Mehrwertsteuer, zzgl. Versandkosten: Inland 9,75 Euro;<br />

Ausland 13,75 Euro.<br />

Bitte per Post oder fax an:<br />

<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Matthias-Gr<strong>ü</strong>newald-Str. 1-3 · 53175 Bonn<br />

fax: +49 2 28 4 21 37-29<br />

oder senden sie uns eine e-Mail an:<br />

wissenschaftsmanagement@lemmens.de

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