Z e i t s c h r i f t f ü r i n n o v a t i o n - Lemmens Medien GmbH
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G 21233<br />
14. Jahrgang · Heft 4<br />
Juli/August 2008<br />
Einzelpreis: 19,80 �<br />
ISSN 0947-9546<br />
4/08<br />
Wissenschafts<br />
management<br />
Z e i t s c h r i f t f <strong>ü</strong> r i n n o v a t i o n<br />
Finanzierung:<br />
evaluation leistungsbezogener<br />
Budgetierungsmodelle<br />
■<br />
Open Innovation:<br />
offene Kommunikation<br />
entscheidet <strong>ü</strong>ber erfolg<br />
■<br />
Innovationsmanagement:<br />
neue software integriert<br />
externes Wissen<br />
■<br />
Neue Serie:<br />
systeme zur<br />
forschungsinformation
Verlag<br />
G 21233<br />
14. Jahrgang · Heft 3<br />
Mai/Juni 2008<br />
Einzelpreis: 19,80 �<br />
ISSN 0947-9546<br />
3/08<br />
Wissenschafts<br />
management<br />
Z e i t s c h r i f t f <strong>ü</strong> r i n n o v a t i o n<br />
Aktuelle Studie:<br />
strukturelle hochschulentwicklung<br />
durch forschungsförderung<br />
�<br />
Prognose:<br />
regionale cluster<br />
fördern Wachstum<br />
�<br />
Karrieren:<br />
Personalentwicklung<br />
junger forschender<br />
�<br />
Industrie:<br />
innovationen gegen<br />
rohstoffknappheit<br />
Mit dem Magazin Wissenschaftsmanagement<br />
–<br />
Zeitschrift f<strong>ü</strong>r Innovation<br />
und den dazugehörigen, aber<br />
selbstständigen Specials<br />
wird bereits im 14. Jahr<br />
umfassend die Modernisierung<br />
und Internationalisierung<br />
der deutschsprachigen<br />
Hochschul- und Forschungs-<br />
systeme begleitet.<br />
Die Science Media Academy<br />
verbindet zwei Ansätze:<br />
Zum einen werden Wissenschaftler<br />
im Umgang<br />
mit allen gängigen <strong>Medien</strong>formaten<br />
von Print bis TV<br />
fortgebildet. Zum anderen<br />
erhalten Wirtschafts- und<br />
Wissenschaftsjournalisten<br />
Einblick in die j<strong>ü</strong>ngsten<br />
Forschungsergebnisse<br />
unterschiedlichster Wissenschafts-<br />
und Forschungsfelder.<br />
Dadurch wird das<br />
Verständnis zwischen <strong>Medien</strong>,<br />
Gesellschaft und Wissenschaft<br />
vertieft.<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong><br />
Wissenschafts<br />
management<br />
Z E I T S C H R I F T F Ü R I N N O V A T I O N<br />
Die Zeiten sind dynamisch, die Angebote<br />
Berater und Fortbilder im Überblick<br />
entwickeln sich: Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
sehen in Beratern<br />
und Anbietern von Fort- und Weiterbildungsprogrammen<br />
n<strong>ü</strong>tzliche Partner bei der Professionalisierung<br />
des eigenen Managements.<br />
Da fi nanzielle Ressourcen begrenzt sind,<br />
aber die externen Erwartungen stetig steigen,<br />
muss man rasch wissen, wer was und<br />
mit welcher Qualität anbietet. Der Branchen<strong>ü</strong>berblick<br />
bietet eine Auswahl und möchte so<br />
eine Orientierungshilfe geben.<br />
Die Themenhefte Wissenschaftsmanagement<br />
special<br />
behandeln jeweils eine<br />
grundlegende Fragestellung<br />
aus dem Hochschul-,<br />
Forschungs und Innovationsmanagement.<br />
Im Rahmen des MKW –<br />
Management Kreis Wissenschaft<br />
tauschen sich<br />
Forschungseinrichtungen,<br />
Hochschulen und Forschung<br />
betreibende Unternehmen<br />
rund um die Themen des<br />
Hochschul- und Forschungsmanagements<br />
aus. Im mode-<br />
rierten Gespräch werden<br />
gute nationale und internationale<br />
Management-<br />
Beispiele vorgestellt und<br />
zu den Erfahrungen der<br />
Teilnehmer in Beziehung<br />
gesetzt.<br />
2/2008<br />
Der Newsletter WITA -<br />
Wissenschafts- und Wirtschaftsthema<br />
greift in<br />
jeder Ausgabe ein Thema<br />
zu verschiedenen Aspekten<br />
auf: aus politischgesellschaftlicher,wirtschaftlicher<br />
und wissen-<br />
schaftlicher Perspektive.<br />
Ein bei <strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong><br />
seit Jahren bewährtes<br />
Konferenzmodell ist die<br />
Verbindung einer Veranstaltung<br />
mit anschließender<br />
Best-Practice-Tour. Dazu<br />
gehört unter anderem die<br />
Konferenzreihe Räume<br />
f<strong>ü</strong>r Wissensarbeit, die wir<br />
gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
anbieten.<br />
Hier wird die Diskussion zum<br />
Thema Forschungsarchi-<br />
tektur und Arbeitsprozesse<br />
jeweils mit der Präsentation<br />
mehrerer beispielhafter<br />
Gebäude kombiniert.<br />
Die Entwicklung eines professionellen<br />
Hochschul- und<br />
Forschungsmanagements<br />
wird von intensiven Debatten<br />
begleitet. Ihren Niederschlag<br />
findet die aktuelle<br />
Diskussion unter anderem in<br />
unserer Buchreihe Wissenschafts-<br />
und Forschungsmanagement.<br />
Experten<br />
vergleichen Systeme, analysieren<br />
Beispiele, kommentieren<br />
Trends und formulieren<br />
Empfehlungen f<strong>ü</strong>r die Praxis.<br />
Veranstaltungen Beratung<br />
www.lemmens.de<br />
Der Management-Brief<br />
SMART – Strategie, Marketing<br />
& Transfer informiert<br />
<strong>ü</strong>ber Best-Practice-Beispiele<br />
und Trends im Bildungs-,<br />
Forschungs- und Hochschulmarketing.<br />
Der Schwerpunkt<br />
der Berichterstattung liegt<br />
auf den Themen Strategie<br />
und deren Definition, Entwicklung<br />
und Umsetzung,<br />
dem Marketing mit all<br />
seinen Facetten sowie dem<br />
Dialog <strong>ü</strong>ber den gelungenen<br />
Transfer von Wissen.<br />
Die Dienstleistung Punkt<br />
& Komma – Service rund<br />
ums Wort bietet ein erprobtes<br />
Spektrum unterschiedlicher<br />
Instrumente: Vom<br />
Adressmanagement <strong>ü</strong>ber<br />
die klassische Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit bis<br />
hin zum Redenschreiben.<br />
Mit der Reihe Standortfaktor<br />
Wissenschaft bieten<br />
wir in loser Folge Beratungsgespräche<br />
an, die zu einer<br />
erfolgreichen Vernetzung<br />
von Bildung, Forschung und<br />
Wirtschaft beitragen. Ziel<br />
ist, mehrere Kunden aus<br />
Wissenschaft und Wirtschaft<br />
zusammenzubringen, den<br />
Dialog zu befördern und<br />
Lösungen aus der Mitte<br />
wissensintensiver Arbeit<br />
zu entwickeln.
Hochschulen als Unternehmen?<br />
Immer öfter hört man es, zuweilen als Zielstellung, meist als Vorwurf:<br />
Hochschulen sind Unternehmen. Oft wird unterstellt, die augenblickliche<br />
Reform wolle Hochschulen zu Unternehmen machen. In Wahrheit un-<br />
terscheiden sich Hochschulen von Wirtschaftsunternehmen in grundle-<br />
genden Aspekten. F<strong>ü</strong>r mich sind vier davon besonders relevant:<br />
Hochschulen sind langsame Einrichtungen. Wissenschaftliche Erkenntnis<br />
benötigt letztlich endlos Zeit, weil Erkenntnisgewinn niemals enden kann.<br />
Nur zwei Faktoren können f<strong>ü</strong>r Zeitdruck sorgen. Erstens die Konkurrenz<br />
unter Wissenschaftlern, etwas eher zu entdecken, zu beschreiben oder zu erklären und zweitens der<br />
Auftrag, konkrete Gesundheits- (Krebs, Aids) oder Menschheitsprobleme (Klimawandel) zu lösen. F<strong>ü</strong>r<br />
weite Teile des Hochschulsystems gelten beide Faktoren jedoch nicht, entweder weil kein Wettbe-<br />
werb sp<strong>ü</strong>rbar ist oder weil – zu Recht – nicht unmittelbar umsetzungsorientiert geforscht wird.<br />
Hochschulen haben eine sehr differenzierte (Fächer-)Kultur. Neben dem sehr allgemeinen, ge-<br />
meinsamen Organisationszweck, der Suche nach Wahrheit, gibt es sehr unterschiedliche Kulturen<br />
hinsichtlich der Methoden, der Arbeitsformen und des Leistungsausweises. Zwischen einem empi-<br />
rischen Naturwissenschaftler, der in Teams arbeitet und <strong>ü</strong>ber internationale Journale publiziert und<br />
einem Geisteswissenschaftler, der in Einsamkeit wirkt und <strong>ü</strong>ber muttersprachliche B<strong>ü</strong>cher kommuni-<br />
ziert, liegen Welten − auch des gegenseitigen Unverständnisses.<br />
Wissenschaftler haben eine spezifische Motivationsstruktur. Ohne sie verklären zu wollen, ist Geld<br />
keineswegs der dominierende Motivator. Eher sind das der Wunsch nach Erkenntnisgewinn und Pu-<br />
blikation, durchaus verbunden mit dem Drang nach Ruhm und Publizität. Zweitens gute Arbeitsbe-<br />
dingungen, was bei Berufungsverhandlungen eine – wenn nicht die bedeutendste – Rolle spielt.<br />
Hochschulen unterliegen besonderen Finanzierungsformen. Stärker als andere Organisationen finan-<br />
zieren sich Hochschulen <strong>ü</strong>ber einen differenzierten Mix an Quellen. Dabei ist die größte und (trotz aller<br />
Unzuverlässigkeiten) stabilste Finanzierungsquelle der staatliche Zuschuss, der von der Summe fixiert<br />
und letztlich einem Nullsummenspiel unterliegt. Zweite wesentliche Einnahmequelle sind Drittmittel,<br />
die aber in nennenswertem Umfang auf wenige Disziplinen (Natur- und Ingenieurwissenschaften) be-<br />
grenzt sind. Studiengeb<strong>ü</strong>hren sind (vorerst) weitestgehend extern definiert, was den Preis oder Aus-<br />
nahmetatbestände anbetrifft. Gelder privater Sponsoren oder Förderer spielen eine Sonderrolle. Im<br />
Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen sind all diese Einnahmequellen aber nur durch jeweils sehr<br />
unterschiedliche Handlungen der Hochschulen und ihrer Mitglieder zu beeinflussen.<br />
Auch wenn uns also viel von Wirtschaftsunternehmen unterscheidet, heißt das nicht, dass wir nicht<br />
unternehmerisch sein sollten oder dass Management an Hochschulen nicht Not täte. Zu einem Cur-<br />
riculum gehört die Koordination von Arbeitsteilung der verschiedenen Lehrenden. Mehrpersonenfor-<br />
schung erfordert Planung und Organisation. Entscheidungen <strong>ü</strong>ber das Was, Wie und Wann von Lehre<br />
wie Forschung m<strong>ü</strong>ssen getroffen werden. Gerade weil also Hochschulen oder Wissenschaftseinrich-<br />
tungen keine Unternehmen sind, benötigen wir ein auf unsere Belange zugeschnittenes Wissen-<br />
schaftsmanagement. Hoffentlich finden Sie im Heft, was Sie w<strong>ü</strong>nschen!<br />
Detlef M<strong>ü</strong>ller-Böling<br />
editorial 3<br />
14. Jahrgang · Heft 4 · Juli/August 2008 · Einzelpreis: 19,80 D<br />
news & facts<br />
4 Forschungsunion X<br />
Dienstleistungswirtschaft wächst<br />
7 Wissenswertes<br />
Aktuell und kompakt<br />
8 Gleichstellung<br />
Meilensteine f<strong>ü</strong>r die Wissenschaft<br />
wissenschaftsmanager<br />
10 Nachgefragt<br />
bei Dr. Fabrice Larat,<br />
Universität Mannheim<br />
management<br />
12 Finanzierung<br />
Evaluation leistungsbezogener<br />
Budgetierungsmodelle<br />
20 Wissenstransfer<br />
Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
30 Instrumente<br />
Open Innovation<br />
trifft Innovationsmanagement<br />
38 NEUE SERIE:<br />
Forschungsinformation I<br />
Informationssysteme<br />
zu Forschungsprojekten und<br />
Evaluationsforschung<br />
weiterbildung<br />
41 Aktueller Begriff<br />
Diversity Management<br />
buchbesprechung<br />
44 Olaf Bartz<br />
Der Wissenschaftsrat<br />
46 Buchmarkt<br />
46 Impressum<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
4 news & facts<br />
f o r s c h u n G s u n i o n X<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Dienstleistungswirtschaft wächst<br />
Wie die Forschungsunion das Thema Dienstleistungen<br />
in Deutschland forcieren will<br />
Deutschland hat heute eine maßgeblich<br />
von Dienstleistungen geprägte volkswirtschaft.<br />
Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet<br />
nach angaben des statistischen<br />
Bundesamtes mittlerweile 69,4 Prozent<br />
der Bruttowertschöpfung in Deutschland,<br />
auf das produzierende Gewerbe entfallen<br />
derzeit 25,8 Prozent (ohne Baugewerbe).<br />
Damit wuchs der anteil des Dienstleistungssektors<br />
seit 1991 um mehr als sieben<br />
Prozent.<br />
Zum ganz <strong>ü</strong>berwiegenden Teil wird die Wertschöpfung<br />
durch unternehmensbezogene<br />
Dienstleistungen erbracht, wie etwa die<br />
Unternehmens- und Rechtsberatung, Wirtschafts-<br />
und Steuerberatung, IT-Dienstleistungen,<br />
Telekommunikation, Ingenieurs- und<br />
technische Dienstleistungen, Forschungs- und<br />
Entwicklungsdienstleistungen, Logistik, Werbung,<br />
Messen, Finanzdienstleistungen und<br />
Sicherheitsdienstleistungen.<br />
Dienstleistungsinitiative der<br />
Forschungsunion<br />
Dienstleistungsmärkte wachsen weltweit und<br />
schaffen neue – auch hochqualifizierte und<br />
sehr gut bezahlte – Arbeitsplätze. Doch trotz<br />
seiner hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung<br />
und seines enormen Wachstumspotenzials<br />
wurde der Dienstleistungssektor in Deutschland<br />
lange Zeit unterschätzt. Dass die Hightech-Strategie<br />
der Bundesregierung neben<br />
den klassischen Technologiefeldern auch<br />
die Dienstleistungen als gleichberechtigtes<br />
Innovationsfeld benennt, ist ein wichtiges innovationspolitisches<br />
Signal. Im Rahmen der<br />
Forschungsunion wollen Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik diesen Impuls aufgreifen<br />
und durch ein im März 2008 verabschiedetes<br />
Maßnahmenpaket den Wandel zu einer von<br />
Dienstleistungen geprägten Gesellschaft beschleunigen.<br />
Dabei ist es der Forschungsunion wichtig,<br />
dass neben langfristig orientierten Perspektiven<br />
auch Aktionen angegangen werden,<br />
deren Umsetzung bereits kurz- bis mittelfristig<br />
erste messbare Ergebnisse erzielen kann.<br />
Ebenso notwendig ist es, alle Stakeholder<br />
einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft<br />
einzubeziehen. Daher hat die Forschungsunion<br />
verschiedene Aktionen beschlossen, die<br />
jeweils von der Wirtschaft, der Politik und der<br />
Wissenschaft vorangetrieben werden sollen.<br />
Dies soll allerdings nicht parallel, sondern koordiniert<br />
und ineinandergreifend ablaufen.<br />
Drei Impulsgeber f<strong>ü</strong>r<br />
mehr Dienstleistungen<br />
So hat der Impulsgeber Wirtschaft zum Beispiel<br />
die Initiative „6 bis 2012“ gestartet, die<br />
bis Ende 2012 sechs neue Stiftungslehrst<strong>ü</strong>hle<br />
mit dem Schwerpunkt „Unternehmensnahe<br />
Dienstleistungen“ einrichten will. Da die Unternehmen<br />
unmittelbar von den Ergebnissen<br />
einer verstärkten Dienstleistungsforschung<br />
profitieren, wollen sie hierzu auch aktiv beitragen.<br />
Weiterhin wird ein neues Dienstleistungsportal<br />
aufgebaut, um den praxisorientierten<br />
Austausch zum Thema Dienstleistungen unter<br />
Unternehmen zu verbessern. Das neue Portal<br />
soll also nicht nur aktuelle Ergebnisse der<br />
Dienstleistungsforschung zu präsentieren,<br />
sondern insbesondere auch Good und Best<br />
Practices im Bereich des dienstleistungsnahen<br />
Innovationsmanagements. Gerade im Hinblick<br />
auf die notwendige Steigerung des deutschen
Handel, Gastgewerbe<br />
und Verkehr<br />
18,0%<br />
Baugewerbe<br />
3,9%<br />
Produzierendes Bewerbe<br />
(ohne Baugewerbe)<br />
25,8%<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
Dienstleistungsexports und den dazu erfor-<br />
derlichen Internationalisierungsstrategien<br />
muss der Erfahrungsaustausch zwischen den<br />
interessierten Unternehmen – insbesondere<br />
auch aus dem Mittelstand – forciert werden.<br />
Der Impulsgeber Politik hingegen will Dienst-<br />
leistungen sowohl in den Förderprogrammen<br />
als auch in die Aus- und Weiterbildung stär-<br />
ker verankern. Letzteres verdient besondere<br />
Beachtung, da speziell auf den wissensinten-<br />
siven Dienstleistungsbereich ausgerichtete<br />
Ausbildungen oder Studiengänge bislang nur<br />
im Ausnahmefall existieren. Als Beispiel dient<br />
hier die ITK-Wirtschaft: eine Erstausbildung<br />
zum vertriebsorientierten IT-Berater existiert<br />
nicht – trotz eines sich seit Jahren verschär-<br />
fenden Fachkräftemangels im Bereich der<br />
wissensintensiven Dienstleistungen. Hier be-<br />
steht die Aufgabe, sehr kurzfristig gen<strong>ü</strong>gend<br />
qualifizierte Beschäftigte f<strong>ü</strong>r diesen zukunfts-<br />
trächtigen Beschäftigungssektor bereitzustel-<br />
len. Daher plant die Forschungsunion, Dienst-<br />
leistungsmanagement als Gegenstand der<br />
akademischen Ausbildung und Weiterbildung<br />
in technischen und wirtschaftswissenschaft-<br />
lichen Disziplinen zu etablieren. Zudem sollen<br />
69,4%<br />
Fischerei, Land-<br />
und Forstwirtschaft<br />
0,9%<br />
Bruttowertschöpfung in Deutschland 200 (Quelle: Statistisches Bundesamt).<br />
Konzepte f<strong>ü</strong>r adaptierbare Weiterbildungsbau-<br />
steine f<strong>ü</strong>r mindestens zwei breit definierte<br />
Berufsfelder (z.B. IT/Elektroindustrie/Maschi-<br />
nenbau oder Chemie/Pharma/Biotechnologie)<br />
erstellt werden.<br />
Zuletzt ist der Impulsgeber Wissenschaft ge-<br />
fragt, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen<br />
und zuk<strong>ü</strong>nftig stärker auch dienstleistungso-<br />
rientiert zu forschen und zu entwickeln. Die<br />
Forschungsunion setzt sich daf<strong>ü</strong>r ein, dass<br />
sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein<br />
eigenständiger Wissenschaftszweig „Ser-<br />
vices Science“ etabliert – im Ansehen und der<br />
Bedeutung vergleichbar mit den Sozial- oder<br />
Ingenieurwissenschaften. Deswegen hat sich<br />
die Forschungsunion dazu entschlossen, eine<br />
Mitwirkung an dem im Aufbau befindlichen<br />
Expertenkreis „Services Science“ sowie der<br />
geplanten Explorationsstudie zum Potenzial<br />
einer eigenständigen Dienstleistungswissen-<br />
schaft zu pr<strong>ü</strong>fen.<br />
Taskforce Dienstleistungen<br />
Finanzierung, Vermietung<br />
und Unternehmensdienstleister<br />
29,1%<br />
Öffentliche und private<br />
Dienstleister<br />
22,3%<br />
Um diese sehr vielfältigen Maßnahmen – von<br />
denen hier nur einige genannt worden sind<br />
news & facts<br />
Die Forschungsunion setzt sich<br />
daf<strong>ü</strong>r ein, dass sich in den nächsten<br />
10 bis 1 Jahren ein eigenständiger<br />
Wissenschaftszweig<br />
„Services Science“ etabliert – im<br />
Ansehen und der Bedeutung vergleichbar<br />
mit den Sozial- oder<br />
Ingenieurwissenschaften.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
Autor:<br />
news & facts<br />
Willi Berchtold ist Mitglied des Vorstands der ZF<br />
Friedrichshafen AG und Promotor der Forschungsunion<br />
f<strong>ü</strong>r das Innovationsfeld Dienstleistungen.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
– zu priorisieren und zu koordinieren, hat sich<br />
im Mai 2008 die „Taskforce Dienstleistun-<br />
gen“ konstituiert, die sich aus Vertretern der<br />
Forschungsunion, aus Wirtschaftsverbänden,<br />
Unternehmen sowie der Wissenschaft zusam-<br />
mensetzt. Sie vertritt damit die Interessen von<br />
Dienstleistungswirtschaft und -wissenschaft<br />
im innovationspolitischen Raum. Die Taskfor-<br />
ce hat sich insbesondere das Ziel gesetzt,<br />
die von der Forschungsunion beschlossenen<br />
Handlungsempfehlungen mittelfristig um-<br />
zusetzen und langfristig eine strategische<br />
Allianz f<strong>ü</strong>r Dienstleistungen zu etablieren.<br />
Unter anderem engagieren sich dort die IBM<br />
Deutschland, der Bundesverband Deutscher<br />
Unternehmensberater, BASF, die ZF Fried-<br />
richshafen AG, das Bundesministerium f<strong>ü</strong>r<br />
Bildung und Forschung, die Fraunhofer-Ge-<br />
sellschaft, der Bundesverband der Deutschen<br />
Industrie sowie der Bundesverband Informa-<br />
tionswirtschaft, Telekommunikation und Neue<br />
<strong>Medien</strong>. Weiteren interessierten Partnern, die<br />
einen sichtbaren Beitrag liefern können, steht<br />
die Mitarbeit offen.<br />
Der Dienstleistungssektor wird auch in den<br />
kommenden Jahren weiter wachsen. Standar-<br />
disierung in der Dienstleistungsentwicklung,<br />
Modularisierung im Dienstleistungsangebot<br />
und Individualisierung in der Dienstleistungs-<br />
erbringung sind dabei die <strong>ü</strong>bergeordneten<br />
Trends und Ziele. Eine besonders dynamische<br />
Entwicklung ist dabei im Umfeld der neuen<br />
<strong>Medien</strong> sowie durch den demografischen<br />
Wandel der Gesellschaft zu erwarten. Deswe-<br />
gen ist es gut und wichtig, dass sich die For-<br />
schungsunion diesem Thema angenommen<br />
hat und der Dienstleistungswirtschaft damit<br />
die Bedeutung zukommen lässt, die ihr volks-<br />
wirtschaftlich zusteht. Nun sind Wirtschaft,<br />
Politik und Wissenschaft gefordert, diesen<br />
Impuls aufzugreifen und die Maßnahmen wir-<br />
kungsvoll umzusetzen.
Aktuell und kompakt<br />
ein einzigartiges verzeichnis deutscher<br />
Forschungseinrichtungen wurde jetzt online<br />
gestellt. Die neue Internet-Anwendung wurde<br />
unter dem Namen „Research Explorer“ ge-<br />
meinsam von der Deutschen Forschungsge-<br />
meinschaft (DFG) und dem Deutschen Akade-<br />
mischen Austauschdienst (DAAD) entwickelt.<br />
Der kostenlose Zugang erfolgt <strong>ü</strong>ber www.<br />
daad.de/research-explorer oder www.dfg.de/<br />
reasearch-explorer. Der Explorer steht auch<br />
in englischer Sprache zur Verf<strong>ü</strong>gung. Rund<br />
17.000 Forschungsrichtungen können nach<br />
fachlichen, regionalen oder strukturellen Kri-<br />
terien recherchiert werden, Kontaktdaten und<br />
Web-Adressen werden ständig <strong>ü</strong>berpr<strong>ü</strong>ft und<br />
aktualisiert.<br />
10,8 Milliarden euro wird im kommenden<br />
Jahr der Etat des Bundesministeriums f<strong>ü</strong>r Bildung<br />
und Forschung (BMBF) betragen, sofern<br />
der Deutsche Bundestag im Dezember dem<br />
Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister<br />
Peer Steinbr<strong>ü</strong>ck f<strong>ü</strong>r 2009 zustimmt. Das<br />
entspricht einer Anhebung um acht Prozent<br />
(730 Millionen Euro) gegen<strong>ü</strong>ber 2008. Damit<br />
wird der Etat f<strong>ü</strong>r Bildung und Forschung in der<br />
2009 auslaufenden Legislaturperiode um insgesamt<br />
2,5 Milliarden Euro gegen<strong>ü</strong>ber 2005<br />
angestiegen sein. Mit einem Anteil von 2,9<br />
Prozent am Bruttoinlandsprodukt f<strong>ü</strong>r 2009 nähert<br />
sich Deutschland den f<strong>ü</strong>r 2010 von den<br />
EU-Staats- und Regierungschefs beschlossenen<br />
3 Prozent.<br />
Bachelor-absolventen haben nach Überzeugung<br />
von Martin Leitner, Geschäftsf<strong>ü</strong>hrer der<br />
HIS Hochschul-Informations-System <strong>GmbH</strong>,<br />
die gleichen Berufsaussichten wie Absolventen<br />
mit einem Diplom. Allerdings wollten<br />
80 Prozent der Bachelor-Studierenden ihr<br />
Studium mit dem aufbauenden Master abschließen.<br />
In einem Fachgespräch des Bundestagsausschusses<br />
f<strong>ü</strong>r Bildung, Forschung<br />
und Technologiefolgenabschätzung betonte<br />
Leitner, dass der Bologna-Prozess „alternativlos“<br />
gewesen sei. Der Vizepräsident der<br />
Hochschulrektorenkonferenz Dieter Lenzen<br />
hingegen machte „mit Best<strong>ü</strong>rzung“ darauf<br />
aufmerksam, dass die Mobilität der Studierenden<br />
nach der Einf<strong>ü</strong>hrung von Bachelor und<br />
Master deutlich gesunken sei. Das liege auch<br />
an der Vielzahl von Veranstaltungen, die jetzt<br />
in sechs statt zuvor acht Semestern absolviert<br />
werden m<strong>ü</strong>ssten.<br />
2,167 Milliarden euro bewilligte die DFG im<br />
vergangenen Jahr f<strong>ü</strong>r 1.004 laufende Programme<br />
mit insgesamt 21.089 einzelnen<br />
Forschungsprojekten. Die Einnahmen der DFG<br />
beliefen sich in 2007 auf 1,733 Milliarden<br />
Euro. Davon entfielen auf den Bund 62,9 Prozent,<br />
auf die Länder 36,7 und 0,4 Prozent auf<br />
Stiftungen und privaten Zuwendungen. Dazu<br />
kamen Fördermittel, die sich <strong>ü</strong>ber mehrere<br />
Jahre verteilen. 38,5 Prozent der bewilligten<br />
Forschungsprojekte entfielen auf die Lebenswissenschaften,<br />
25,7 Prozent auf die Naturwissenschaften,<br />
21,6 Prozent auf die Ingenieur-<br />
und 14,2 Prozent auf die Geistes- und<br />
Sozialwissenschaften.<br />
514.800 Personen waren Ende 2007 an deutschen<br />
Hochschulen und Hochschulkliniken<br />
tätig. Das waren 10.900 (2,2 Prozent) mehr<br />
als Ende 2006. Der Anteil der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in nichtwissenschaftlichen<br />
Bereichen (Verwaltung, Bibliothek, technischer<br />
Dienst und Pflegedienst) sank Ende<br />
2007 im Vergleich zum Vorjahr um einen halben<br />
Prozentpunkt auf 50 Prozent. Die Zahl der<br />
Professorinnen und Professoren betrug nach<br />
Angaben des Statistischen Bundesamtes Ende<br />
2007 37.700.<br />
K. R<strong>ü</strong>diger Durth<br />
news & facts<br />
W i s s e n s W e r t e s<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
8 news & facts<br />
G L e i c h s t e L L u n G Meilensteine f<strong>ü</strong>r die Wissenschaft<br />
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzt auf<br />
Selbstverpflichtung statt Quote. DFG-Präsident<br />
Matthias Kleiner findet die aktuellen Zahlen zum<br />
Frauenanteil in der Wissenschaft „beschämend“.<br />
Foto: Archiv<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
DFG-Jahresversammlung verabschiedet Gleichstellungsstandards<br />
BerLin. von frauenquoten hält der Präsi-<br />
dent der Deutschen forschungsgemein-<br />
schaft (DfG) Matthias Kleiner nicht viel.<br />
um so mehr aber von der Gleichstellung<br />
von frau und Mann in der Wissenschaft.<br />
ein Widerspruch? f<strong>ü</strong>r den DfG-Präsiden-<br />
ten keineswegs. er setzt auf sogenann-<br />
te Gleichstellungsstandards, die auf der<br />
DfG-Jahresversammlung 2008 zwar kontrovers<br />
diskutiert, aber dann einstimmig<br />
verabschiedet wurden: „Gleichstellungsstandards<br />
als selbstverpflichtung sind<br />
neu in der Geschichte der Wissenschaft in<br />
Deutschland.“ f<strong>ü</strong>r Professor Kleiner handelt<br />
es sich dabei um „Meilensteine“.<br />
Nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung<br />
von Mann und Frau, die vor genau<br />
einem halben Jahrhundert im Grundgesetz<br />
verankert wurde, sondern auch unter dem des<br />
Wissenschaftsmanagements kommen den<br />
forschungsorientierten Gleichstellungsstandards<br />
eine große Bedeutung zu. Im Schnitt<br />
aller Studienfächer belegen Frauen etwa die<br />
Hälfte der Plätze. Im Allgemeinen haben sie<br />
auch die besseren Abschl<strong>ü</strong>sse. Aber unter den<br />
Promovierten des Jahres 2006 waren nur 40<br />
Prozent Frauen. Der Anteil der Frauen an den<br />
Habilitierten lag knapp <strong>ü</strong>ber 20 Prozent und<br />
nur zehn Prozent der C4- und W3-Professuren<br />
stellen Frauen. Aber auch bei der Vergabe<br />
von Sitzen in wichtigen wissenschaftlichen<br />
Kommissionen oder der Vergabe von Preisen<br />
werden Frauen gern <strong>ü</strong>bersehen oder nur unzureichend<br />
ber<strong>ü</strong>cksichtigt.<br />
2014 werden <strong>ü</strong>ber ein Drittel aller Professoren<br />
in den Ruhestand gehen. Matthias Kleiner:<br />
„Die Universitäten brauchen die bisher ungenutzten<br />
intellektuellen Ressourcen der Frauen<br />
also mehr denn je.“ Mit gutem Beispiel geht<br />
die DFG bei der Gleichstellung selbst voran.<br />
So sind von den zehn Vizepräsidenten der<br />
DFG neuerdings drei Frauen. Auch die Zahl<br />
der Senatorinnen hat sich auf 14 von insgesamt<br />
39 erhöht. Auch sonst sei die Deutsche<br />
Forschungsgemeinschaft − so Bundesforschungsministerin<br />
Annette Schavan − die<br />
„Visitenkarte der deutschen Wissenschaft“,<br />
wenn es um die Erhöhung des Frauenanteils<br />
auf allen Ebenen gehe.<br />
Der DFG-Präsident: „Der geringe Frauenanteil<br />
bei den Professuren ist beschämend f<strong>ü</strong>r das<br />
deutsche Wissenschaftssystem und zugleich<br />
eine Verschwendung intellektueller Ressourcen.<br />
Hier muss ein Umdenken stattfinden.<br />
Chancengleichheit bedeutet Chancennutzung.<br />
Denn die deutsche Wissenschaft leidet unter<br />
erheblichem Nachwuchsmangel und muss<br />
schon aus diesem Grund Wissenschaftlerinnen<br />
mehr als bisher fördern.“ Der Leitgedanke ist<br />
es, „durchgängig, transparent f<strong>ü</strong>r Gleichstellung<br />
Sorge zu tragen“ (Kleiner). Zugleich soll<br />
eine Sammlung von bewährten Beispielen<br />
und Anregungen aus der Praxis aufgebaut und<br />
bereitgestellt weden, um die Umsetzung zu<br />
unterst<strong>ü</strong>tzen. Den Kern der Gleichstellungsstandards<br />
aber bildet das sogenannte Kaskadenmodell.<br />
Dahinter steht folgendes Prinzip:<br />
Jede wissenschaftliche Einrichtung setzt sich<br />
eigene Ziele f<strong>ü</strong>r die Erhöhung des Frauenanteils<br />
auf einer bestimmten Qualifikationsstufe.<br />
Diese Ziele sollten jeweils höher sein als der<br />
Anteil der Frauen auf der direkt darunter liegenden<br />
Stufe. Die Umsetzung folgt dem Prinzip<br />
der Freiwilligkeit und der Selbstverpflichtung<br />
und setzt damit auf die Autonomie der<br />
jeweiligen Forschungseinrichtung. Damit legen<br />
die Mitglieder der DFG selbst fest, wie<br />
und in welchem Zeittraum sie ihren Anteil an<br />
Postdoktorandinnen und Professorinnen fachund<br />
strukturspezifisch erhöhen wollen.
Ferner sollen Ressourcen innerhalb der Hoch-<br />
schulen stärker unter Gleichstellungsaspekten<br />
verteilt werden. So sollen herausragende Wis-<br />
senschaftlerinnen bei der Nominierung f<strong>ü</strong>r<br />
Preise ebenso ber<strong>ü</strong>cksichtigt werden wie ihre<br />
männlichen Kollegen. Alle Hochschulen haben<br />
nach Überzeugung von Professor Kleiner die<br />
Möglichkeit, ihre Personalentwicklung sowie<br />
ihre Angebote f<strong>ü</strong>r Frauen und Männer mit Kin-<br />
dern weiter zu verbessern. Daf<strong>ü</strong>r w<strong>ü</strong>rden sich<br />
beispielsweise Maßnahmen wie Wiederein-<br />
stiegsstipendien nach Familienpausen anbieten.<br />
Nachdem nun die Gleichstellungsstandards<br />
verabschiedet sind, soll auf der DFG-Mitglie-<br />
derversammlung 2009 eine Arbeitsgruppe<br />
eingesetzt werden, deren Aufgabe es sein<br />
wird, die Mitgliedseinrichtungen bei der Um-<br />
setzung der Gleichstellungsstandards zu be-<br />
gleiten sowie Empfehlungen auszusprechen.<br />
Im Fr<strong>ü</strong>hjahr 2011 sollen die ersten Zwischen-<br />
berichte zu Umsetzungen der Standards vor-<br />
liegen, die dann der Mitgliederversammlung<br />
Anzeige<br />
im gleichen Jahr vorgelegt werden. Im Fr<strong>ü</strong>h-<br />
jahr 2013 erfolgen die Abschlussberichte <strong>ü</strong>ber<br />
die Umsetzung der Standards, die zugleich<br />
von der DFG evaluiert werden. Man hofft, dass<br />
bis dahin viele DFG-Mitglieder (in erster Linie<br />
also die Hochschulen) ihre Selbstverpflich-<br />
tungen erf<strong>ü</strong>llt haben.<br />
Der DFG-Präsident machte darauf aufmerk-<br />
sam, dass der Förderantrag f<strong>ü</strong>r ein exzellentes<br />
Projekt nicht deshalb bei der DFG scheitere,<br />
weil Wissenschaftlerinnen nicht beteiligt seien.<br />
Aber die Einhaltung der Standards werde je-<br />
doch eines der entscheidungsrelevanten Kri-<br />
terien f<strong>ü</strong>r die Bewilligung von Forschungsver-<br />
b<strong>ü</strong>nden sein, bei denen Mitgliedseinrichtungen<br />
Antragsteller seien. Keineswegs verstehe man<br />
sich, so der DFG-Präsident, als „Gleichstel-<br />
lungs-TÜV“: „Entscheidend wird sein, welchen<br />
Beitrag die Mitglieder der DFG zur Gleichstel-<br />
lung selbst leisten wollen oder können.“<br />
K.R<strong>ü</strong>diger Durth<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> 2008<br />
300 seiten, kartoniert, 25,00 euro<br />
isBn 978-3-932306-90-7<br />
news & facts<br />
Seit 1997 finden zweimal jährlich an der Technischen Universität Darmstadt oder an der Universi-<br />
tät Kassel Gesprächsrunden statt, in denen sich engagierte Experten und Akteure treffen, um ak-<br />
tuelle Fragen der Hochschulreform und neue Lösungen zu diskutieren. In diesem Band wird das<br />
Wichtigste all dessen zusammengefasst, was in den Workshops von 2003 bis 2007 berichtet und<br />
diskutiert wurde. In dieser Zeit widmete sich die DAKS-Runde der gewandelten Rolle der Dekane angesichts ihrer wachsenden Entscheidungs-<br />
spielräume, der zunehmenden Bedeutung der „Hochschulprofessionen“ sowie der Internationalisierung, dem Thema Studienfinanzierung und der<br />
staatlichen Steuerung mittels Kontrakten. Weitere Themen waren: Was macht „fitte“ Präsidenten aus?; Profilierung der Hochschulen in der Balan-<br />
ce von Qualität, Relevanz und Effizienz; Profilbildung und horizontale Differenzierung des Hochschulsystems; Chancen und Probleme der „Mes-<br />
sung“ von Erträgen der Hochschulen.<br />
Barbara Kehm, evelies Mayer, ulrich teichler (hrsg.)<br />
hochschulen in neuer verantwortung<br />
strategisch, <strong>ü</strong>berlastet, divers?<br />
neuerscheinung<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
10 wissenschaftsmanager Larat – Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer<br />
n a c h G e f r a G t<br />
Dr. Fabrice Larat (42) sieht einen wachsenden Bedarf<br />
an interkultureller Kompetenz auf die Wissenschaftsmanager<br />
zukommen. Er selbst ist ein Beispiel f<strong>ü</strong>r die<br />
Öffnung der europäischen Wissenschaftslandschaft<br />
<strong>ü</strong>ber Ländergrenzen hinaus. Im September 2008<br />
wechselt er vom Mannheimer Zentrum f<strong>ü</strong>r Europäische<br />
Sozialforschung an das Centre Expertise et de<br />
Recherche Administrative der Ecole Nationale<br />
d’Administration in Strasbourg.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer<br />
Dr. Fabrice Larat, Projektmanager eines von der Europäischen Union<br />
finanzierten Exzellenznetzwerkes an der Universität Mannheim<br />
1 2<br />
Wie sind sie Wissenschaftsmanager<br />
geworden?<br />
Wie oft im Leben war es eine Mischung aus<br />
Zufall und Notwendigkeit. Vor acht Jahren<br />
war ich Assistent an der sozialwissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität Mannheim. Als<br />
die Lehrstuhlinhaberin im Rahmen des Jean-<br />
Monnet-Programms der Europäischen Union<br />
(EU) Finanzmittel erhielt, wurde jemand gesucht,<br />
der sich um die Verwaltung der Mittel<br />
k<strong>ü</strong>mmern konnte. Ich <strong>ü</strong>bernahm die Aufgabe<br />
und zeigte offensichtlich ein gewisses Talent.<br />
Später war ich dann an verschiedenen Kooperationsprojekten<br />
mit dem Ausland beteiligt wie<br />
unter anderem auch an einem Forschungsprojekt<br />
im 5. EU-Rahmenprogramm. So konnte<br />
ich viele Erfahrungen im Projektmanagement<br />
sammeln: wie Einzelaktivitäten erfolgreich<br />
koordiniert werden können, wie die Zusammenarbeit<br />
mit Partnern verbessert werden<br />
kann oder wie Berichte zu erstellen sind. Wie<br />
wertvoll diese Kenntnisse waren, zeigte sich<br />
dann 2002, als ich gemeinsam mit der renommierten<br />
Politikwissenschaftlerin Prof. Dr.<br />
Beate Kohler-Koch einen Antrag auf die Finanzierung<br />
eines sogenannten Exzellenznetzwerkes<br />
durch das 6. EU-Rahmenprogramm<br />
vorbereitete. Als besondere Herausforderung<br />
empfand ich damals, weit <strong>ü</strong>ber die <strong>ü</strong>blichen<br />
Tätigkeiten eines Wissenschaftlers hinauszugehen.<br />
So musste ich mich beispielsweise um<br />
die Unterst<strong>ü</strong>tzung seitens der Universität und<br />
des zuständigen Wissenschaftsministeriums<br />
k<strong>ü</strong>mmern, ein Konsortium mit den Partnerorganisationen<br />
strategisch planen, aufbauen<br />
und erhalten oder die juristischen Rahmenbedingungen<br />
f<strong>ü</strong>r das Netzwerk in trockene<br />
T<strong>ü</strong>cher bringen.<br />
Worin besteht ihre aktuelle<br />
tätigkeit?<br />
Seit Juli 2004 bin ich zuständig f<strong>ü</strong>r das Management<br />
dieses internationalen Forschungsprojekts.<br />
CONNEX ist ein Netzwerk von 42<br />
Forschungseinrichtungen aus 23 Ländern mit<br />
einem Gesamtbudget von 3,5 Millionen Euro.<br />
Die Projektlaufzeit beträgt vier Jahre. Mehr als<br />
150 Spitzenwissenschaftler aus Politikwissenschaft,<br />
Verwaltungs- und Rechtswissenschaft,<br />
Soziologie und anderen Disziplinen sind<br />
daran beteiligt. Allein diese Eckdaten zeigen,<br />
wie vielseitig und anspruchsvoll die Aufgabe<br />
ist, ein solches Unternehmen zu managen.<br />
Neben dem finanziellen und administrativen<br />
Management gehören dazu Tätigkeiten wie<br />
die Unterst<strong>ü</strong>tzung der Projektkoordinatorin bei<br />
der Planung, Organisation und Implementierung<br />
der projektbezogenen Aktivitäten sowie<br />
die Kommunikation nach innen und außen.<br />
Gefragt sind Fähigkeiten, die nicht zum gängigen<br />
Anforderungsprofil f<strong>ü</strong>r Wissenschaftler<br />
gehören. Dies gilt insbesondere f<strong>ü</strong>r so unterschiedliche<br />
Kompetenzen wie Personalf<strong>ü</strong>hrung,<br />
Controlling oder Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Nat<strong>ü</strong>rlich sind auch Flexibilität und Kreativität,<br />
Lern- und Anpassungsfähigkeit gefragt.<br />
3Welche beruflichen<br />
Ziele haben sie?<br />
Ich möchte auch weiterhin im Wissenschaftsmanagement<br />
tätig sein. Als Franzose, der in<br />
der Schweiz und in Deutschland gelebt und<br />
gearbeitet hat, möchte ich auch k<strong>ü</strong>nftig in<br />
einem internationalen Umfeld arbeiten. Die<br />
fortgeschrittene Internationalisierung von Forschung<br />
und Lehre erfordert zunehmend interkulturelle<br />
Kompetenzen und Erfahrungen. Hier
sehe ich meine Aufgabe und auch Entwicklungsperspektiven.<br />
Als <strong>ü</strong>berzeugter Europäer<br />
möchte ich Br<strong>ü</strong>cken zwischen verschiedenen<br />
wissenschaftlichen Kulturen, zum Beispiel<br />
zwischen Frankreich und Deutschland, schlagen<br />
und damit einen Beitrag zum Aufbau des<br />
europäischen Wissenschaftsraums leisten.<br />
4ihr gelungenstes<br />
Projekt?<br />
Das dr<strong>ü</strong>ckt sich f<strong>ü</strong>r mich in der großen Zufriedenheit<br />
der Netzwerkbeteiligten aus, die anlässlich<br />
der Abschlusskonferenz des Projekts<br />
CONNEX im März 2008 formuliert wurde. Es<br />
ist auch ein persönlicher Erfolg f<strong>ü</strong>r mich, trotz<br />
struktureller Hindernisse Forschungsintegration<br />
auf höchstem wissenschaftlichen Niveau<br />
ermöglicht zu haben und dass ich mitwirken<br />
konnte, die passenden Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen. In diesem Zusammenhang konnte<br />
ich erfahren, wie der Einsatz von finanziellen<br />
aber auch von nicht materiellen Anreizen<br />
helfen kann, gemeinsame wissenschaftliche<br />
Ziele zu erreichen. Diese Gestaltungsaufgaben<br />
haben mir sehr gefallen.<br />
5Die größte herausforderung f<strong>ü</strong>r<br />
das Wissenschaftsmanagement?<br />
An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft<br />
(Forschung und Lehre) und Verwaltung angesiedelt,<br />
wird die Funktion des Wissenschaftsmanagements<br />
noch eine Weile um ihre Akzeptanz<br />
und Annerkennung kämpfen m<strong>ü</strong>ssen.<br />
Es geht zum Beispiel um Statusfragen der<br />
Beteiligten oder um die Abgrenzung von Kompetenzen.<br />
Diese erfordern nicht nur höchste<br />
Professionalität im Bereich des Managements,<br />
sondern auch ein gewisses wissenschaftliches<br />
„Standing“ und Legitimität. Schließlich<br />
muss man als Wissenschaftsmanager in der<br />
Lage sein, den Standpunkt und die Belange<br />
der Wissenschaftler zu verstehen.<br />
6Wohin wird sich das Wissenschaftsmanagement<br />
entwickeln?<br />
Wissenschaftsmanagement deckt ein breites<br />
Spektrum an Aufgaben und Funktionen ab.<br />
Larat – Gestalter und Br<strong>ü</strong>ckenbauer wissenschaftsmanager 11<br />
Mit der Entwicklung der Hochschullandschaft<br />
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der<br />
Internationalisierung werden sich vielseitige<br />
Aufgabenbereiche öffnen und zwar auf unterschiedlichen<br />
Ebenen: in Hochschulen und<br />
Forschungseinrichtungen aber auch im Hinblick<br />
auf das Wechselspiel zwischen Landes-,<br />
Bundes- , EU- und internationaler Ebene. Einerseits<br />
wird das zur Professionalisierung des<br />
Wissenschaftsmanagements f<strong>ü</strong>hren, im Sinne<br />
der Spezialisierung einer Berufsgruppe, andererseits<br />
zur Verbreitung von Praktiken und<br />
Wissensformen bei den Wissenschaftlern.<br />
Dies ist notwendig, weil Doktoranden, Post-<br />
Doktoranden und auch Professoren immer<br />
häufiger aufgefordert werden, Projekte auch<br />
selbst zu verwalten.<br />
7ihre Botschaft an die Kolleginnen<br />
und Kollegen?<br />
Professionalisierung sowie eine ständige Fortbildung<br />
sind erforderlich, um die Herausforderungen<br />
die sich an uns stellen, meistern zu<br />
können. Sozusagen als „sichtbare Beweise“<br />
sollten wir außerdem stärker die Bedeutung<br />
und N<strong>ü</strong>tzlichkeit des Wissenschaftsmanagements<br />
nach außen kommunizieren. Die Entwicklung<br />
des Wissenschaftsmanagements<br />
darf nämlich nicht als schleichender Versuch<br />
zur Etablierung einer neuen Technokratie gesehen<br />
werden, sondern muss als notwendiger<br />
Beitrag zur Modernisierung der Hochschulen<br />
und der Forschung verstanden werden.<br />
Als <strong>ü</strong>berzeugter Europäer möchte<br />
ich Br<strong>ü</strong>cken zwischen verschie-<br />
denen wissenschaftlichen Kul-<br />
turen, zum Beispiel zwischen<br />
Frankreich und Deutschland,<br />
schlagen und damit einen Beitrag<br />
zum Aufbau des europäischen<br />
Wissenschaftsraums leisten.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Fabrice Larat<br />
Network Manager<br />
Mannheimer Zentrum f<strong>ü</strong>r<br />
Europäische Sozialforschung<br />
Universität Mannheim<br />
8131 Mannheim<br />
fabrice.larat@mzes.uni-mannheim.de<br />
www.connex-network.org<br />
Ab 1. September 2008:<br />
Directeur du Centre Expertise<br />
et de Recherche Adm<br />
nistrative<br />
Ecole Nationale d’Administration<br />
1 rue Sainte Marguerite<br />
F- 080 Strasbourg Cedex<br />
Tel. : +33 3 88214444<br />
Fabrice.Larat@ena.fr<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
12 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />
f i n a n Z i e r u n G<br />
Eine leistungsbezogene Budgetierung in Forschungseinrichtungen<br />
bedarf einer adäquaten Evaluation. Das<br />
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf hat ein solches<br />
Instrument entwickelt und zur Anwendung gebracht.<br />
Foto: Alexander Stein/JOKER<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Bettina Gilge und Peter Joehnk<br />
Evaluation leistungsbezogener<br />
Budgetierungsmodelle<br />
Konzeption f<strong>ü</strong>r außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />
Wird die an öffentlich finanzierten außeruniversitären forschungseinrichtungen zuneh-<br />
mend wichtiger werdende Programmbudgetierung durch eine leistungsbezogene Bud-<br />
getierung ergänzt, kann die durch das neue steuerungsmodell geforderte Wirkungs-<br />
orientierung der ressourcenallokation forciert werden. Dar<strong>ü</strong>ber hinaus ermöglicht die<br />
<strong>ü</strong>bernahme von Kriterien der externen evaluierung in die budgetierungsrelevanten Leis-<br />
tungsindikatoren eine verkn<strong>ü</strong>pfung zwischen externen anforderungen der träger der ein-<br />
richtungen und internen Leistungsanreizen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird eine eva-<br />
luationskonzeption vorgestellt, mit welcher das leistungsbezogene Budgetierungsmodell<br />
einer öffentlich finanzierten außeruniversitären forschungseinrichtung bewertet sowie<br />
verbessert werden kann.<br />
Öffentlich finanzierte außeruniversitäre Forschungseinrichtungen budgetieren zunehmend programmorientiert,<br />
d.h. die Allokation finanzieller und personeller Ressourcen wird anhand von Zielsetzungen<br />
der jeweiligen Forschungsprogramme geplant. Dieses Budgetierungsverfahren kann<br />
durch eine leistungsbezogene Budgetierung (auch „anreizorientierte Budgetierung“, Görlitz 2006,<br />
S. 14) ergänzt werden, indem ein festgelegter Anteil des Gesamtbudgets auf der Basis von konkreten,<br />
messbaren, bereits erreichten und zwischen den Struktureinheiten (z.B. Instituten) vergleichbaren<br />
Leistungen vergeben wird. Durch diese indikatorbasierte Mittelzuweisung werden also<br />
gute Leistungen der Vergangenheit mit einer höheren Ressourcenzuteilung f<strong>ü</strong>r die Zukunft belohnt.<br />
Abbildung 1 verdeutlicht die Abgrenzung der leistungsbezogenen Budgetierungsmethode zu einer<br />
Auswahl gängiger Budgetierungsverfahren mittels einer Matrix. Dabei wird in der vertikalen Dimension<br />
unterschieden, ob sich das Budgetierungsverfahren am Input oder am Output der Leistungserstellung<br />
orientiert (K<strong>ü</strong>pper 2005, S. 348 ff.). Die horizontale Dimension differenziert zwischen dem<br />
Bezug des Verfahrens zur Vergangenheit oder Zukunft. Damit ist gemeint, inwiefern das Budgetierungsverfahren<br />
vom vergangenheitsgeprägten Istzustand ausgeht oder auf einen gew<strong>ü</strong>nschten<br />
Sollzustand in der Zukunft fokussiert.<br />
Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) wurde das leistungsbezogene Budgetierungsverfahren<br />
erstmals im Budgetjahr 2006 mit der Vergabe der Planungsreserve getestet. Diese wird zu<br />
Beginn eines Jahres f<strong>ü</strong>r Risiken, wie z.B. nicht vorhersehbare Ausgaben und Ersatzinvestitionen,<br />
sowie die Aufnahme neuer Aufgaben im Bereich Forschung und Entwicklung in Höhe eines definierten<br />
Anteils vom Gesamtbudget des FZD gebildet. Da Mitte des Jahres 2006 die Planungsreserve<br />
noch voll zur Verf<strong>ü</strong>gung stand, wurde sie vom Vorstand in einem leistungsorientierten Verfahren an<br />
die Struktureinheiten zur zielgerichteten Verwendung vergeben. Als Leistungsindikatoren wurden<br />
Parameter verwendet, die ohnehin im Berichtswesen des Jahres 2005 erfasst wurden, wie z.B. Artikel<br />
in referierten Zeitschriften oder Drittmittel pro Wissenschaftler.<br />
Da dieses junge Verfahren im FZD bis dato nur grob durchdacht wurde, beauftragte der Vorstand die<br />
Entwicklung einer systematischen Evaluationskonzeption f<strong>ü</strong>r das genutzte Budgetvergabeverfahren
Vergangenheitsbezug<br />
Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 13<br />
im Speziellen in Orientierung an Modellen der leistungsbezogenen Budgetierung im Allgemeinen.<br />
Diese Evaluationskonzeption sollte – insbesondere vor dem Hintergrund sich ständig ändernder<br />
Rahmenbedingungen – mittels einer Clusterung von verschiedenen Einzelkriterien die Beurtei-<br />
lung der Budgetierungsverfahren und die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen ermöglichen.<br />
Zudem sollte, da an Forschungseinrichtungen bis dato kaum Erfahrungen mit leistungsbezogenen<br />
Budgetierungsmodellen vorliegen (Brade 2005, S. 322), auf die Erfahrungen von deutschen Hoch-<br />
schulen zur<strong>ü</strong>ckgegriffen werden, die f<strong>ü</strong>r das Aufgabengebiet Forschung tätig sind und die formelge-<br />
bundene Mittelvergabe seit einigen Jahren praktizieren (Jäger 2006, S. 32).<br />
Überblick <strong>ü</strong>ber die Evaluationskonzeption<br />
Das Verfahren der Evaluationskonzeption (siehe Abbildung 2) gliedert sich neben der Start- und Ab-<br />
schlussphase in folgende vier Hauptphasen:<br />
u Inhaltsanalyse der Dokumente,<br />
u Bewertung der Leistungsindikatoren und der Berechnungssystematik,<br />
u Bewertung der Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit und<br />
u Pr<strong>ü</strong>fung der Akzeptanz.<br />
Fortschreibungsbudgetierung<br />
Formelgebundene<br />
Mittelvergabe<br />
Leistungsbezogene<br />
Budgetierung<br />
Abb. 1: Gliederungsmatrix f<strong>ü</strong>r Budgetierungsverfahren.<br />
F<strong>ü</strong>r diese Hauptphasen wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen ein Evaluator das<br />
leistungsbezogene Budgetierungsmodell Phase f<strong>ü</strong>r Phase pr<strong>ü</strong>ft und mittels eines Punktbewertungs-<br />
schemas mit den Merkmalswerten 1 (nicht erf<strong>ü</strong>llt), 2 (teilweise erf<strong>ü</strong>llt), 3 (mehrheitlich erf<strong>ü</strong>llt) und 4<br />
(vollständig erf<strong>ü</strong>llt) bewertet. Das Evaluationsverfahren kann dabei auch als Selbstevaluation (sys-<br />
tematische Eigenbewertung und -beschreibung, DeGEval 2004, S. 4) durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, d. h.<br />
der Evaluator ist Mitglied der Organisation, welche die zu evaluierenden Interventionsprogramme<br />
durchf<strong>ü</strong>hrt. In diesem Falle gilt es jedoch zur Vermeidung einer interessegeleiteten Verzerrung der<br />
Evaluationsergebnisse ein Organisationsmitglied als Evaluator zu bestimmen, welches von der Mit-<br />
telverteilung nicht betroffen ist. Im FZD bot sich daf<strong>ü</strong>r zum Beispiel die Stabsstelle Controlling an,<br />
welche dem kaufmännischen Vorstandsbereich zugeordnet ist und von den Auswirkungen der leis-<br />
tungsbezogenen Budgetierung nicht betroffen ist.<br />
Inputorientierung<br />
Produktbudgetierung<br />
Programmbudgetierung<br />
Outputorientierung<br />
Wertanalytische<br />
Verfahren<br />
Zero-Based-<br />
Budgetierung<br />
Zukunftsbezug<br />
Im Forschungszentrum Dresden-<br />
Rossendorf (FZD) wurde das<br />
leistungsbezogene Budgetie-<br />
rungsverfahren erstmals im Budgetjahr<br />
200 mit der Vergabe der<br />
Planungsreserve getestet. Diese<br />
wird zu Beginn eines Jahres f<strong>ü</strong>r<br />
Risiken, wie z.B. nicht vorhersehbare<br />
Ausgaben und Ersatzinvestitionen,<br />
sowie die Aufnahme<br />
neuer Aufgaben im Bereich Forschung<br />
und Entwicklung in Höhe<br />
eines definierten Anteils vom<br />
Gesamtbudget des FZD gebildet.<br />
Stichwörter<br />
Außeruniversitäre Forschung<br />
Budgetierung<br />
Anreizorientierung<br />
Management von Forschungsein-<br />
richtungen<br />
Leistungsbezogene Budgetierung<br />
Evaluationskonzeption<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
14 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />
keywords<br />
governmental research institutes<br />
budgeting<br />
incentives<br />
management of research insti-<br />
tutes<br />
performance-based budgeting<br />
evaluation design<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Abb. 2: Ablauf des Evaluationskonzeptes.<br />
Abriss der Phasen<br />
Startphase<br />
In die Startphase fallen neben der Beauftragung des Evaluators auch die Festlegung von Mindestan-<br />
forderungen an das leistungsorientierte Budgetierungsmodell und Gewichtungen f<strong>ü</strong>r die Einzelkri-<br />
terien der Phasen 1 bis 4 durch die Leitungsebene der Forschungseinrichtung. Damit wird eine<br />
Mindest-variante f<strong>ü</strong>r die Ausprägung der Einzelkriterien festgelegt, die in der Abschlussphase als<br />
Basis f<strong>ü</strong>r die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen dient. Zudem wird in dieser Phase durch<br />
den Evaluator eine Kontextanalyse durchgef<strong>ü</strong>hrt, bei der die Rahmenbedingungen – z.B. politische,<br />
ökonomische, soziale und kulturelle Faktoren und Zusammenhänge der Organisation und des Um-<br />
feldes – identifiziert und dokumentiert werden.<br />
Phase 1: Inhaltsanalyse der Dokumente<br />
In der ersten Phase recherchiert der Evaluator, welche Dokumente <strong>ü</strong>ber das angewandte Modell<br />
der leistungsbezogenen Budgetierung in Papierform sowie in digitaler Form vorliegen. Allgemein<br />
ist dabei zunächst zu pr<strong>ü</strong>fen, ob die vorliegenden Dokumente aktuell sind und ob alle Mitarbeiter<br />
der Forschungseinrichtung auf die Dokumente zugreifen können. Weiterhin ist im Rahmen der In-<br />
haltsanalyse zu untersuchen, ob eine verständliche, eindeutige und vollständige Beschreibung der<br />
Verfahrensweise f<strong>ü</strong>r die leistungsbezogene Budgetierung vorliegt. Zudem ist in dieser Phase der<br />
Evaluation der mit diesem Verfahren zu vergebene Budgetanteil zu erheben. Dabei ist zu pr<strong>ü</strong>fen,<br />
ob mittels des Verfahrens der leistungsbezogenen Budgetierung ein relevanter Budgetanteil ver-<br />
geben wird, der zum einen den Aufwand der Durchf<strong>ü</strong>hrung dieses Verfahrens rechtfertigt und auf<br />
der anderen Seite den erweiterten Budgetierungsfunktionen (z.B. Motivation, Leistungsbereitschaft,<br />
Eigeninitiative; Homann 2005, S. 152) gerecht wird. Abbildung 3 listet die Kriterien der 1. Phase in<br />
Kurzform auf.<br />
Auftrag durch<br />
die Leitungsebene<br />
Startphase<br />
Inhaltsanalyse<br />
der<br />
Dokumente<br />
Ziel:<br />
Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />
P U N K T B E W E R T U N G<br />
Bewertung Bewertung<br />
Leistungs- der<br />
indikatorenInformations- und<br />
Berechnungssystematikverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />
E V A L U A T I O N S B E R I C H T<br />
Pr<strong>ü</strong>fung<br />
der<br />
Akzeptanz<br />
Abschlussphase
Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />
Phase 1: Inhaltsanalyse der Dokumente<br />
A1: Aktualität und Zugriff<br />
A1.1: Die Dokumente sind aktuell.<br />
A1.2: Die Dokumente sind den Mitarbeitern der Einrichtung zugänglich.<br />
A2: Qualität der Beschreibung<br />
Es liegt eine verständliche, eindeutige und vollständige Beschreibung vor, der/des …<br />
A2.1: Indikatoren<br />
A2.2: Berechnungssystematik<br />
A2.3: Einbettung ins gesamte Budgetierungsverfahren<br />
A2.4: Verantwortlichkeit f<strong>ü</strong>r die Durchf<strong>ü</strong>hrung des Verfahrens<br />
A2.5: Zeitpunktes der Durchf<strong>ü</strong>hrung des Verfahrens<br />
A2.6: Datenherkunft der Indikatoren<br />
A2.7: Verantwortlichkeit f<strong>ü</strong>r Änderungen am Verfahren<br />
A3: Vergabe eines relevanten Budgetanteils<br />
Es wird im Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung ein relevanter Budget-<br />
anteil im Hinblick auf das Gesamtbudgets vergeben. (1: _1% & 3% & 5%).<br />
Abb. 3: Einzelkriterien Phase 1 – Inhaltsanalyse der Dokumente.<br />
Phase 2: Bewertung der Leistungsindikatoren und der Berechnungssystematik<br />
In dieser Phase bewertet der Evaluator die in der vorangegangenen Phase erhobenen Informati-<br />
onen <strong>ü</strong>ber die f<strong>ü</strong>r die leistungsbezogene Budgetierung genutzten Indikatoren und Berechnungs-<br />
verfahren. Da die Forschungsaufgaben in den einzelnen Forschungseinrichtungen verschieden<br />
sind (z.B. unterschiedliche Wissenschaftsgebiete, Unterscheidung zwischen Grundlagen- und<br />
anwendungsorientierter Forschung) und Forschungsleistungen besondere Wesensmerkmale<br />
(z.B. immaterieller Charakter, Einmaligkeit der Aufgabenstellung, Unsicherheit bez<strong>ü</strong>glich des<br />
Erfolges und Langfristigkeit des Erkenntnisprozesses; Ebert/Pleschak/Sabisch 1992, S. 140 ff.)<br />
aufweisen, sollen hier keine konkreten, f<strong>ü</strong>r alle Einrichtung g<strong>ü</strong>ltigen „Ideal“-Indikatoren pos-<br />
tuliert werden. Die Einzelkriterien der Evaluationskonzeption (siehe Abbildung 4) sollen jedoch<br />
die Überpr<strong>ü</strong>fung ermöglichen, ob die von der Einrichtung verwendeten Indikatoren besser oder<br />
schlechter geeignet sind, den Ziel- und Leistungsbezug herzustellen und f<strong>ü</strong>r eine gerechte,<br />
transparente und motivierende Mittelverteilung zu sorgen.<br />
Mit dem ersten Kriteriencluster werden allgemeine Anforderungen an Indikatoren bewertet, die<br />
zum einen aus der Ähnlichkeit von Indikatoren zu Kennzahlen und zum anderen aus der Bedeu-<br />
tung von Indikatoren f<strong>ü</strong>r die Funktionen der Budgetierung abgeleitet werden. So sollen Indika-<br />
toren beispielsweise einfach, objektiv nachpr<strong>ü</strong>fbar und in ihrer Anzahl sinnvoll begrenzt sein, die<br />
Ziele bzw. Zielerreichungsgrade erfassen, somit als Outputindikatoren gelten und durch klar de-<br />
finierte Verantwortliche beeinflussbar sein. Im zweiten Cluster wird der Bezug der verwendeten<br />
Indikatoren zum Zielsystem der Organisation gepr<strong>ü</strong>ft. Dies kann zum einen unter Zuhilfenahme<br />
der Strategie der Forschungseinrichtung und zum anderen mittels der Verkn<strong>ü</strong>pfung zur externen<br />
Evaluierung von Forschungseinrichtungen geschehen. Kriterien des dritten Clusters pr<strong>ü</strong>fen zum<br />
einen, ob die Berechnungssystematik zur Ermittlung der Budgetanteile einfach, verständlich und<br />
transparent ist. Zum anderen wird untersucht, ob Beziehungszahlen verwendet werden, die auf-<br />
Bettina Gilge, MPA<br />
(Master of Public Administration),<br />
ist Mitarbeiterin<br />
im Controlling des<br />
Forschungszentrums<br />
Dresden-Rossendorf.<br />
Prof. e. h. (TU Izhevsk)<br />
Dr. Dr. h. c. Peter<br />
Joehnk ist Kaufmännischer<br />
Vorstand des<br />
Forschungszentrums<br />
Dresden-Rossendorf.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
1 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />
Diese dritte Phase der Evaluation<br />
hat zwei Ziele: Zum einen soll<br />
beurteilt werden, inwieweit die<br />
Daten, die zur Berechnung der<br />
leistungsbezogenen Budgetie-<br />
rung notwendig sind, mit einem<br />
angemessenen Aufwand aus den<br />
IT-Systemen der Forschungsein-<br />
richtung abrufbar sind. Zum an-<br />
deren soll gepr<strong>ü</strong>ft werden, ob die<br />
Leiter der Struktureinheiten diese<br />
Informationen entweder jeder-<br />
zeit selbst und einfach abrufen<br />
können oder ob ihnen diese in<br />
regelmäßigen Abständen zur Ver-<br />
f<strong>ü</strong>gung gestellt werden m<strong>ü</strong>ssen,<br />
um auch unterjährig steuernd<br />
eingreifen zu können.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
grund des verhältnisvergleichenden Vorgehens geeignet sind, zwei verschiedenartige Größen,<br />
zwischen denen ein sachlicher Zusammenhang besteht, ins Verhältnis zueinander zu setzen<br />
(z.B. Drittmittel je Wissenschaftler oder Publikationen je Wissenschaftler; K<strong>ü</strong>pper 2005, S. 359).<br />
Phase 2: Indikatoren und Berechnungssystematik<br />
B1: Allgemeine Anforderungen an Indikatoren<br />
Die Indikatoren …<br />
B1.1: sind einfach, objektiv nachpr<strong>ü</strong>fbar und in ihrer Anzahl sinnvoll begrenzt,<br />
B1.2: stehen in sinnvoller Beziehung zueinander, d.h. sie ergänzen sich gegen-<br />
Phase 3: Bewertung der Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />
Diese dritte Phase der Evaluation hat zwei Ziele: Zum einen soll beurteilt werden, inwieweit die<br />
Daten, die zur Berechnung der leistungsbezogenen Budgetierung notwendig sind, mit einem<br />
angemessenen Aufwand aus den IT-Systemen der Forschungseinrichtung abrufbar sind. Zum<br />
anderen soll gepr<strong>ü</strong>ft werden, ob die Leiter der Struktureinheiten diese Informationen entweder<br />
jederzeit selbst und einfach abrufen können oder ob ihnen diese in regelmäßigen Abständen zur<br />
Verf<strong>ü</strong>gung gestellt werden m<strong>ü</strong>ssen, um auch unterjährig steuernd eingreifen zu können. Abbil-<br />
dung 5 zeigt die Einzelkriterien der Phase 3. Die notwendigen Informationen erzeugt das FZD<br />
leistungsseitig mit der Eigenentwicklung „Leistungsmodul“ und kostenseitig mit dem Produkt<br />
„PROMAN-W ® “, einem speziellen Projektmanagementsystem f<strong>ü</strong>r die Bed<strong>ü</strong>rfnisse wissenschaft-<br />
licher Einrichtungen.<br />
seitig und informieren gemeinsam <strong>ü</strong>ber einen Sachverhalt ausgewogen,<br />
nicht widerspr<strong>ü</strong>chlich, möglichst <strong>ü</strong>berschneidungsfrei und unabhängig<br />
voneinander,<br />
B1.3: erfassen die Ziele der Forschungseinrichtung bzw. die Zielerreichungsgrade<br />
und gelten somit als Outputindikatoren,<br />
B1.4: sind durch klar definierte Verantwortliche beeinflussbar,<br />
B1.5: sind in ihrer Ausprägung messbar, transparent und nachvollziehbar und<br />
ermöglichen damit eine Dokumentation und Kontrolle.<br />
B2: Zielbezug der Indikatoren<br />
B2.1: Die strategischen Ziele der Forschungseinrichtung spiegeln sich in den<br />
Leistungsindikatoren wider und werden dadurch operationalisiert.<br />
B2.2: Die Leistungsindikatoren stellen eine deutliche Verkn<strong>ü</strong>pfung zur externen<br />
Evaluierung der Forschungseinrichtung her.<br />
B2.3: Mittels der Leistungsindikatoren werden, so vorhanden, Anmerkungen<br />
und Empfehlungen vergangener Evaluierungen aufgegriffen und als Leistungs-<br />
anreize umgesetzt.<br />
B3: Berechnungssystematik<br />
B3.1: Die Leistungsindikatoren werden mittels Verhältniszahlen berechnet,<br />
deren Nenner in einem sachlichen Zusammenhang zum Indikator (Zähler) steht.<br />
B3.2: Um Budgetsicherheit zu gewährleisten, wird mit der Erreichung einer<br />
bestimmten Wertausprägung der Leistungsindikatoren ein entsprechender<br />
Budgetanteil verkn<strong>ü</strong>pft, der der Struktureinheit garantiert zur Verf<strong>ü</strong>gung steht.<br />
B3.3: Die Berechnungssystematik ist einfach, verständlich und transparent.<br />
Abb. 4: Einzelkriterien Phase 2 – Leistungsindikatoren und Berechnungssystematik.
Phase 3: Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit<br />
Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />
C1: Verf<strong>ü</strong>gbarkeit der Daten in den IT-Systemen, Aktualität und Zugriff<br />
C1.1: Die Informationsnachfrage (Leistungsindikatoren und Verhältniszahl je<br />
Struktureinheit) stimmt mit dem Informationsangebot in den IT-Systemen<br />
der Forschungseinrichtung <strong>ü</strong>berein.<br />
C1.2: Die genannten Informationen sind mit einem angemessenen Aufwand<br />
aus den IT-Systemen abrufbar.<br />
C2: Information der Leitung der Struktureinheiten<br />
Die Leitung der Struktureinheit kann sich bzw. wird regelmäßig <strong>ü</strong>ber die Ausprägung<br />
der Leistungsindikatoren und Verhältniszahlen informiert, um entsprechend steuern<br />
zu können.<br />
Abb. : Einzelkriterien Phase 3 – Informationsverf<strong>ü</strong>gbarkeit.<br />
Phase 4: Pr<strong>ü</strong>fung der Akzeptanz<br />
Da Akzeptanz (Bereitschaft, etwas zu akzeptieren) ein latentes Merkmal ist, also weder direkt<br />
noch indirekt beobachtbar ist, muss in dieser Phase der Evaluation versucht werden, solche<br />
Merkmale zu messen, aus denen auf die Ausprägung der Akzeptanz geschlossen werden kann<br />
(Schumann 2006, S. 52). Dazu wird zum einen gepr<strong>ü</strong>ft, ob die leistungsbezogene Budgetierung<br />
nach Ansicht der Leitung der Struktureinheiten den Ziel- und Leistungsbezug herstellt und ob<br />
sie ein gerechtes und motivierendes Budgetinstrument darstellt (Abbildung 6). Zum anderen soll<br />
<strong>ü</strong>ber die reine Akzeptanz der leistungsbezogenen Budgetierung hinaus versucht werden, die<br />
Stimmung in der Forschungseinrichtung diesbez<strong>ü</strong>glich einzufangen und direkt Verbesserungs-<br />
ansätze zu erfragen. Daf<strong>ü</strong>r werden ein im Rahmen der Entwicklung der Evaluationskonzeption<br />
aufgestellter standardisierter Fragebogen sowie ein Leitfadeninterview verwendet.<br />
Phase 4: Akzeptanz<br />
D1: Ziel- und Leistungsbezug<br />
Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />
wird als geeignet angesehen, den Ziel- und Leistungsbezug zu den Zielen der<br />
Struktureinheiten herzustellen.<br />
D2: Gerechte Verteilung der Mittel<br />
Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />
wird als gerecht bez<strong>ü</strong>glich der Verteilung der Mittel gemessen mit dem Leistungsmaß-<br />
stab angesehen.<br />
D3: Motivierende Wirkung<br />
Das in der Einrichtung angewandte Verfahren der leistungsbezogenen Budgetierung<br />
wird als motivierend angesehen.<br />
Abb. : Einzelkriterien Phase 4 – Akzeptanz.<br />
Abschlussphase<br />
Um mit dieser Evaluationskonzeption auch den Gestaltungsaspekt der Evaluation zu ber<strong>ü</strong>ck-<br />
sichtigen, werden in der Abschlussphase der Evaluation Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet.<br />
Dabei gilt es – unter Ber<strong>ü</strong>cksichtigung des f<strong>ü</strong>r die Umsetzung solcher Maßnahmen notwen-<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
18 management Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle<br />
Literatur:<br />
Bortz, J./Döring, N., Forschungsmethoden und Eva-<br />
luation f<strong>ü</strong>r Sozialwissenschaftler, 2. Aufl., Berlin/<br />
Heidelberg 1 .<br />
Brade, J., Strategisches Management in der außeruniversitären<br />
Forschung. Entwicklung einer Konzeption<br />
am Beispiel der Helmholtz Gesellschaft,<br />
Wiesbaden 200 .<br />
DeGEval, Empfehlungen zur Anwendung der Standards<br />
f<strong>ü</strong>r Evaluation im Handlungsfeld der Selbst-<br />
evaluation, 2004, Internet: http://www.degeval.de/<br />
index.php?class=Calimero_Article&id=2<br />
(Abruf: 30.11.200 ).<br />
Ebert, G./Pleschak, F./Sabisch, H., Aktuelle Aufgaben<br />
des Forschungs- und Entwicklungs-Controlling in Industrieunternehmen,<br />
in: Gem<strong>ü</strong>nden, H. G./Pleschak,<br />
F. (Hrsg.), Innovationsmanagement und Wettbewerbsfähigkeit,<br />
Wiesbaden 1 2, S. 13 -1 .<br />
Görlitz, J., Budgetierung bei programmorientierter<br />
Forschung. Vorschlag f<strong>ü</strong>r ein leistungs- und anreizorientiertes<br />
Budgetierungskonzept, In: Wissenschaftsmanagement<br />
12 (200 ) , S.10- 14.<br />
Homann, K., Verwaltungscontrolling. Grundlagen –<br />
Konzept – Anwendung, Wiesbaden 200 .<br />
Jäger, M., Leistungsbezogene Budgetierung an deutschen<br />
Universitäten. Umsetzung und Perspektiven,<br />
In: Wissenschaftsmanagement 12 (200 ) 3, S. 30-3 .<br />
K<strong>ü</strong>pper, H.-U., Controlling. Konzeption, Aufgaben und<br />
Instrumente, 4. Aufl., Stuttgart 200 .<br />
Schumann, S., Repräsentative Umfrage – praxis-<br />
orientierte Einf<strong>ü</strong>hrung in empirische Methoden<br />
und statistische Analyseverfahren, 4. Aufl.,<br />
M<strong>ü</strong>nchen/Wien 200 .<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
digen Ressourceneinsatzes – die wichtigsten Ansatzpunkte f<strong>ü</strong>r mögliche Verbesserungen des<br />
Modells der leistungsbezogenen Budgetierung herauszufiltern. Dazu wird die Differenz zwischen<br />
der Mindestvariante (Festlegung durch die Leitungsebene in der Startphase) und der istvariante<br />
(Bewertung der Einzelkriterien in den Phasen 1 bis 4 durch den Evaluator) unter Hinzuziehung<br />
der eingangs definierten Gewichtung gebildet. Die höchsten Abweichungswerte zeigen dabei die<br />
höchsten Prioritäten an, f<strong>ü</strong>r die der evaluator verbesserungsmaßnahmen erarbeiten sollte.<br />
F<strong>ü</strong>r die Maßnahmenfindung können u.a. auch die in Phase 4 gef<strong>ü</strong>hrten Leitfadeninterviews<br />
mit den Leitern der Struktureinheiten identifizierten Verbesserungsansätze genutzt werden. Als<br />
Endergebnis des beschriebenen Evaluationsverfahrens steht ein Evaluationsbericht, welcher der<br />
Leitungsebene der Forschungseinrichtung <strong>ü</strong>bergeben wird. Aus diesem gehen im Wesentlichen<br />
die folgenden Punkte hervor:<br />
u Auftrag der Leitungsebene und Ergebnisse der Kontextanalyse<br />
– erteilt durch, am<br />
– Besonderheiten/Schwerpunkte/Einschränkungen<br />
– Ergebnisse der Kontextanalyse<br />
u Ergebnisse der Bewertungen der Einzelkriterien<br />
– verbale Beschreibung des Modells der leistungsbezogenen Budgetierung<br />
– detailliertes Punktbewertungsmodell<br />
– nicht beabsichtigte Wirkungen der leistungsbezogenen Budgetierung<br />
u Verbesserungsmaßnahmen<br />
Es wird anhand der Abweichungen im Punktbewertungsmodells<br />
(Mindest- vs. Istvariante) ein Ranking erstellt. Zu den aufgef<strong>ü</strong>hrten Einzelkriterien<br />
werden Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet.<br />
Insbesondere mit Hilfe des zuletzt aufgef<strong>ü</strong>hrten Rankings der Verbesserungsmaßnahmen kann<br />
die Leitungsebene der Forschungseinrichtung nun entscheiden, welche Maßnahmen tatsächlich<br />
umgesetzt werden, um so mit möglichst geringem Aufwand die von ihnen gew<strong>ü</strong>nschte Verbesserung<br />
des leistungsbezogenen Budgetierungsmodells zu erzielen.<br />
Praktische Anwendung<br />
Wie eingangs erwähnt, wurde das Modell der leistungsbezogenen Budgetierung im FZD vom<br />
Vorstand mit Zustimmung der Leitung der wissenschaftlichen Institute im Jahr 2006 entwickelt<br />
und gestestet. Parallel zur vom kaufmännischen Vorstand beauftragten systematischen Evaluation<br />
wurde das Modell im Jahr 2007 erstmals vollständig angewandt. Die Evaluation konnte somit<br />
auf aktuelle Erfahrungen mit dem Modell zur<strong>ü</strong>ckgreifen und f<strong>ü</strong>hrte zum einen zu dem Ergebnis,<br />
dass die Verkn<strong>ü</strong>pfung des FZD-Modells zur externen Evaluierung gegeben ist. Zum anderen erf<strong>ü</strong>llt<br />
das im FZD angewandte leistungsbezogene Budgetierungsmodell die Bewertungskriterien<br />
der hier vorgestellten Evaluationskonzeption weitgehend. F<strong>ü</strong>r einige von der Sollvorgabe abweichende<br />
Kriterien wurden entsprechende Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die nun durch die<br />
Leitungsebene der Einrichtung zu begutachten und umzusetzen sind. Hier sollen zwei dieser<br />
Beispiele abschließend angef<strong>ü</strong>hrt werden. So wurde beispielsweise vor dem Hintergrund der<br />
angestrebten motivierenden Wirkung (Einzelkriterium D3) eines solchen Budgetierungsschrittes<br />
kritisiert, dass die jährliche Ermittlung der leistungsbezogenen Budgetanteile nicht transparent<br />
kommuniziert wird. Daher wurde empfohlen, bei Bekanntgabe der leistungsbezogenen Budgetanteile<br />
die vollständige Berechnung dieser, inklusive aller Daten der Indikatoren und Berechnungsschritte<br />
schriftlich an die Institute zu kommunizieren, um so die Transparenz, Akzeptanz
Gilge/Joehnk – Evaluation leistungsbezogener Budgetierungsmodelle management 1<br />
und damit auch die motivierende Wirkung des Verfahrens zu erhöhen. Weiterhin ergab das Ein-<br />
zelkriterium „Zielbezug der Indikatoren – Strategische Ziele der Einrichtung“ (Einzelkriterium B<br />
2.1) einen signifikanten Abweichungswert. Um den Aspekt der Anwendungsorientierung in den<br />
Indikatoren besser abzubilden wurde empfohlen, einen zusätzlicher Indikator, beispielsweise Li-<br />
zenzverträge, Patente oder Industriekooperationen, aufzunehmen.<br />
Ausblick<br />
Zuk<strong>ü</strong>nftig soll die vorgestellte Evaluationskonzeption f<strong>ü</strong>r leistungsbezogene Budgetierungsmo-<br />
delle in weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen angewandt werden, um diese<br />
durch die Anwendung in verschiedenen Organisationskontexten weiter zu verbessern. Dar<strong>ü</strong>ber<br />
hinaus könnte in einem nächsten Schritt eine summative Evaluation des leistungsbezogenen<br />
Budgetierungsmodells erfolgen. Denn diese Modelle stellen eine recht neue, bereits laufende<br />
Maßnahme dar und können derzeit weder sinnvoll auf ihre Wirkung noch ihren Nutzen f<strong>ü</strong>r den<br />
Forschungsoutput untersucht werden (Bortz/Döring 1995, S. 107), weshalb die hier vorgestellte<br />
Evaluationskonzeption zunächst als formatives Verfahren genutzt wird. Eine summative Evalu-<br />
ation sollte erst nach mehrjähriger Anwendung eines leistungsbezogenen Budgetierungsmo-<br />
dells in einer oder mehreren außeruniversitären Forschungseinrichtungen unter Nutzung eines<br />
entsprechend angepassten Kriterienkatalogs durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, der sicher Anhaltspunkte<br />
im hier vorgestellten Kriterienraster finden kann. Jedoch m<strong>ü</strong>sste zusätzlich untersucht werden,<br />
ob Forschungseinrichtungen, die einen Teil ihrer Budgets leistungsbezogen vergeben, einen hö-<br />
heren bzw. besseren Forschungsoutput haben als Einrichtungen ohne eine solche Mittelvergabe<br />
(Organisationsvergleich). Ein weiterer möglicher Ansatz wäre, zu pr<strong>ü</strong>fen, ob einzelne Einrich-<br />
tungen ihren Forschungsoutput durch Einf<strong>ü</strong>hrung einer leistungsbezogenen Budgetierung stei-<br />
gern konnten (Zeitvergleich).<br />
Fazit<br />
Kritisch reflektierend möchten die Autoren aus ihrer Erfahrung mit der Einf<strong>ü</strong>hrung des leistungs-<br />
bezogenen Budgetierungsmodells im FZD abschließend anmerken, dass die durch das Neue<br />
Steuerungsmodell geforderte Wirkungsorientierung der Ressourcenallokation zwar durchaus<br />
forciert werden kann. Insbesondere während der Befragung in Evaluationsphase 4 konnten<br />
wir nachhaltige Anhaltspunkte daf<strong>ü</strong>r gewinnen, dass die kulturellen Voraussetzungen durchaus<br />
vorhanden sind, um durch die outputorientierte Budgetsteuerung wettbewerbliche Energien<br />
– innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin – freizusetzen. Jedoch muss diese Energie durch<br />
die Leitungsgremien der Forschungseinrichtung mit sicherer Hand in eine strategische Rich-<br />
tung geleitet werden. Denn durch einen „Indikatorenopportunismus“, d.h. die Anpassung an die<br />
outputmessenden Indikatoren, könnte die Erf<strong>ü</strong>llung des primären Organisationszwecks, also in<br />
unserem Falle der anwendungsorientierten Grundlagenforschung, unterlaufen werden. Das leis-<br />
tungsbezogene Budgetierungsmodell, als ein auf vergangenheitsbezogenen Indikatoren begr<strong>ü</strong>n-<br />
detes Steuerungsinstrument, kann diese grundsätzlichen strategischen Entscheidungen nicht<br />
ersetzen. Es kann allerdings wertvolle Hinweise f<strong>ü</strong>r eventuelle Handlungsbedarfe liefern. Zudem<br />
ermöglicht dieses Instrument durch den Einbezug von Evaluierungskriterien in die Leistungsindi-<br />
katoren eine Verkn<strong>ü</strong>pfung zwischen externen Anforderungen an die Forschungseinrichtung und<br />
internen Leistungsanreizen. Dadurch gewinnt das strategische Management ein bedeutendes<br />
Legitimationsmittel zur Allokation der knappen Ressourcen nach außen und innen.<br />
summary<br />
There is an increasing need to<br />
improve the efficiency and<br />
effectiveness of governmental<br />
research institutes. One possible<br />
instrument to support this quest<br />
is to use performance-based bud-<br />
geting in addition to the widely<br />
established programme-oriented<br />
budgeting. In this paper a con-<br />
cept for the evaluation and im-<br />
provement of such performance-<br />
based budgeting–models is pre-<br />
sented.<br />
Kontakt:<br />
Bettina Gilge<br />
Stabsstelle Controlling<br />
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf e.V.<br />
Bautzner Landstraße 128<br />
01328 Dresden<br />
Tel.: +4 3 1 2 0-234<br />
Fax: +4 3 1 2 0-34<br />
Email: b.gilge@fzd.de<br />
Internet: www.fzd.de<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
20 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
W i s s e n s t r a n s f e r<br />
Apple ist heute ein Weltkonzern und „Innovation<br />
Leader“ – auch oder sogar vor allem dank seiner<br />
Innovationskultur. Schon der erste Heimcomputer,<br />
den Apple-Gr<strong>ü</strong>nder Steve Wozniaks baute, war das<br />
Produkt eines fr<strong>ü</strong>hes Verständnisses von Open Innovation.<br />
Foto: de.wikipedia.org/wiki/Apple_I<br />
(CC-BY-SA-2.0-Lizenz)<br />
Abb. 1: Auszug aus einer europaweiten Umfrage zum<br />
Wissen der B<strong>ü</strong>rger <strong>ü</strong>ber Biotechnologie. Erstmals<br />
wurden hierbei in allen 2 Mitgliedsstaaten Befragungen<br />
durchgef<strong>ü</strong>hrt; Quelle: Gaskell 200 (London<br />
School of Economics).<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Alexander Gerber<br />
Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
Eine offene Kommunikation ist entscheidend f<strong>ü</strong>r den Erfolg<br />
von Open Innovation<br />
Keine innovation ohne Kommunikation – so einfach ist das. oder vielleicht doch nicht?<br />
Wie aktuelle studien belegen, haben Kommunikationsstrategie und innovationsmanager<br />
oft geradezu gegensätzliche vorstellungen, und nur in jedem zehnten unternehmen sind<br />
die jeweiligen Prozesse systematisch miteinander verzahnt. sicher ist es kein Zufall, dass<br />
ausgerechnet die Marktf<strong>ü</strong>hrer eine vergleichsweise offene Kommunikation in ihren un-<br />
ternehmen pflegen.<br />
Jeder dritte Europäer glaubt tatsächlich, „normale Tomaten enthalten keine Gene, während genetisch<br />
modifizierte welche haben” (Gaskell 2006), und nur 41% aller Europäer wissen demnach, dass das<br />
Unsinn ist – immerhin sechs Prozent mehr als noch vor zehn Jahren (Abbildung 1). Wie viel, fragt man<br />
sich, muss in der Kommunikation biotechnologischer Innovation schief gelaufen sein, damit sich solch<br />
ein Irrglaube in der Öffentlichkeit ungehindert verbreiten konnte? Im Grunde genommen wird die Ab-<br />
lehnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, f<strong>ü</strong>r die es ja durchaus auch fundierte Argumente gibt,<br />
damit geradezu zur logischen Konsequenz misslungener Kommunikation. Im schlimmsten Fall kann<br />
sich dies zu einer wahren Technophobie auswachsen – so wie damals, als die ersten Kernkraftwerke<br />
ans Netz gingen und ein beträchtlicher Teil der Deutschen meinte, der neue Atomstrom, der da aus<br />
der Steckdose komme, sei „verstrahlt“ und somit gefährlicher als Strom aus konventionellen Kraft-<br />
werken. Angesichts solcher Beispiele drängt sich Unternehmen branchen<strong>ü</strong>bergreifend die nicht selten<br />
existenzielle Frage auf, wie sich die öffentliche Meinungsbildung fr<strong>ü</strong>hzeitig erkennen und im Sinne<br />
der eigenen Sache beeinflussen lässt. Beantworten lässt sich diese Frage weder mit traditionellen<br />
PR-Instrumenten noch mit Millionen-Investitionen in politischen Lobbyismus, wie etliche neue Studien<br />
zur Innovationskommunikation zeigen. Demnach liegt die Antwort vielmehr in einer viel engeren Ver-<br />
zahnung des Innovationsmanagements mit einer deutlich offeneren Kommunikation, die sich nicht nur<br />
als Sprachrohr versteht, sondern auch als Moderator und Themenscout.<br />
Wie unterschiedlich das Verständnis beider Seiten ist und wie sich dies in der strategischen Ausrich-<br />
tung und Umsetzung widerspiegelt, zeigt eine Befragung von 70 Praktikern aus 41 Unternehmen so-<br />
genannter Zukunftsbranchen im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Universität Leipzig (Lehrstuhl<br />
Prof. Dr. Ansgar Zerfaß) mit der PR-Agentur Fink & Fuchs. Aufschlussreich sind die Ergebnisse vor
Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 21<br />
allem deshalb, weil Entscheider beider Unternehmensbereiche befragt und die Ergebnisse in Bezie-<br />
hung zueinander gesetzt wurden. Zwar ist die Untersuchung nicht repräsentativ, bezieht sich haupt-<br />
sächlich auf große Technologiekonzerne und lässt somit kleine und mittelständische Unternehmen<br />
(KMU) als die eigentlichen Innovatoren eher außen vor (siehe hierzu die Ergebnisse einer Wiener<br />
Studie im hinteren Teil dieses Beitrags). Trotzdem sind einige <strong>ü</strong>berraschende Trends empirisch derart<br />
signifikant, dass man sie zumindest genauer betrachten sollte. Außerdem verstehen sich zwei Drittel<br />
der Befragten als „Innovation Leader“ ihrer jeweiligen Branche, was einen umfassenden Blick auf<br />
„Best Practice“ in der Industrie erlaubt.<br />
40% dieser Unternehmen setzen bereits heute auf „Open Innovation“, also auf die Einbeziehung von<br />
Kunden, Partnern oder sogar Konkurrenten in die eigenen Entwicklungsprozesse, wie sie erstmals von<br />
Henry Chesbrough (2003) gefordert wurde. Vielfach beschränkt sich dieses Engagement der Unter-<br />
nehmen aber auf die Strategie, während erforderliche Strukturen fehlen – wie etwa interdisziplinäre<br />
Teams, Weiterbildung und Kommunikations-Coaching der Mitarbeiter oder eine integrierte Kunden-<br />
kommunikation. Unterschiedlich beantworten Innovations- und Kommunikationsverantwortliche die<br />
Frage, ob eigenes Know-how vor Wettbewerbern gesch<strong>ü</strong>tzt werden sollte und ob eigene Ideen auch<br />
an externe Partner verkauft oder lizenziert werden sollten: Die PR begegnet diesen Ansätzen f<strong>ü</strong>r of-<br />
fenere Innovationsprozesse mit mehr Skepsis als das Innovationsmanagement, so ein Ergebnis der<br />
Studie. Zudem wird diese Offenheit eher als Einbahnstraße verstanden, auf der weitaus mehr externes<br />
Know-how eingebunden als internes Know-how geteilt werden soll. Diese offenbar weit verbreitete<br />
Skepsis ist vermutlich eine Folge mangelnden Vertrauens: „Die Bereitschaft, Wissen zu teilen sowie<br />
Macht und Kompetenzen abzugeben“, ist nach Hoewner et al. (2008) die elementare Voraussetzung<br />
f<strong>ü</strong>r eine Öffnung der Prozesse. Eine anschauliche Anekdote hierzu ist die Entstehung des Weltkon-<br />
zerns Apple: Entwickler Steve Wozniak, der später mit Steve Jobs das Unternehmen gr<strong>ü</strong>ndete, hatte<br />
die Konstruktionspläne seines ersten Apple-Computers damals noch frei an andere Bastler auf dem<br />
Campus von Stanford verteilt, die sich regelmäßig im „Homebrew Computer Club“ trafen. Denn Infor-<br />
mationstechnologie war damals noch derart unerforscht, dass die „Homebrewer“ davon <strong>ü</strong>berzeugt<br />
waren, allein durch den vorwettbewerblichen Austausch von Entwicklungsergebnissen das ganze Po-<br />
tenzial der Technologie erschließen zu können. Somit ist also der erste Heimcomputer sozusagen das<br />
Produkt eines fr<strong>ü</strong>hes Verständnisses von Open Innovation. Als jedoch in der Runde nach und nach<br />
immer mehr marktfähige Produkte entwickelt wurden, standen sich die Clubmitglieder plötzlich als<br />
Konkurrenten gegen<strong>ü</strong>ber, schotteten sich und ihre Ideen zunehmend gegeneinander ab, bis der Club<br />
schließlich 1986 aufgelöst werden musste (Osterloh et al. 2006). Die individuellen Innovationspro-<br />
zesse der Einzelnen wurden wieder nach außen hin geschlossen.<br />
Die wichtigsten Quellen neuer Ideen sind laut der Leipziger Studie die eigenen Mitarbeiter und beste-<br />
hende Kunden (Abbildung 2). Wie in vielen vergleichbaren Untersuchungen zeigt auch die vorliegende<br />
Studie eine erschreckend geringe Einbindung von Forschungseinrichtungen, womit auch gleich das<br />
größte Potenzial deutlich wird. Diese Ergebnisse sprechen allerdings mehr die Sprache von Großkon-<br />
zernen als von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Immerhin: Bei den „Innovation Leaders“<br />
kommt inzwischen fast die Hälfte der Ideen von „Draußen“. Während die PR-Leute auffallend deutlich<br />
die Bedeutung der eigenen Forschung und Entwicklung (F&E) als Ideengeber <strong>ü</strong>berbewerten, sieht das<br />
Innovationsmanagement hier vor allem Geschäftspartner sowie die Fachcommunity und sogar die ei-<br />
genen Wettbewerber als wichtig an und setzt auf neue Wissenszugänge.<br />
Kommunikation von gestern f<strong>ü</strong>r Produkte von morgen?<br />
Die Forderung nach einer Öffnung des Innovationsprozesses ist bei weitem nicht so neu, wie sie sich<br />
möglicherweise anhört; lediglich die daf<strong>ü</strong>r verwendeten Methoden und Werkzeuge sind es. Schon<br />
Alexander Gerber ist<br />
Informationswissenschaftler<br />
und verantwortet<br />
seit 2003 die<br />
Innovationskommunikation<br />
im größten Institutsverbund<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft.<br />
Er ist außerdem Chefredakteur<br />
des Wirtschaftsmagazins<br />
„Inno-<br />
Visions“ und leitet eine<br />
Kommunikations-Agentur<br />
in Berlin.<br />
Wie in vielen vergleichbaren<br />
Untersuchungen zeigt auch die<br />
vorliegende Studie eine erschre-<br />
ckend geringe Einbindung von<br />
Forschungseinrichtungen, womit<br />
auch gleich das größte Potenzial<br />
deutlich wird. Diese Ergebnisse<br />
sprechen allerdings mehr die<br />
Sprache von Großkonzernen als<br />
von kleinen und mittelständi-<br />
schen Unternehmen.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
22 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
interne Quellen<br />
Mitarbeiter<br />
Die Bedeutung externer Ideengeber wird von Innovationsmanagern deutlicher<br />
als von PR-Profis erkannt<br />
Mitarbeiter<br />
Abteilung Forschung &<br />
Abteilung Forschung & Entwicklung<br />
Entwicklung<br />
Abteilung Vertrieb/<br />
Service<br />
externe Quellen<br />
Kunden<br />
Abteilung Vertrieb/Service<br />
Geschäftspartner<br />
Kunden<br />
Geschäftspartner<br />
Forschungseinricht./<br />
Hochschulen<br />
Berater<br />
Forschungseinrichtungen/Hochschulen<br />
Wettbewerber<br />
Wettbewerber<br />
Messen/Tagungen/<br />
Kongresse<br />
Messen/Tagungen/Kongresse<br />
<strong>Medien</strong>/Internet<br />
<strong>Medien</strong>/Internet<br />
Interessenverbände<br />
Interessenverbände<br />
Berater<br />
3,3%<br />
10,0%<br />
6,7%<br />
5,0%<br />
5,0%<br />
6,7%<br />
Zerfaß/Ernst 2008 (n = 70). F8: Mit wem arbeitet Ihr Unternehmen bei der Entwicklung von neuen Produkten<br />
und Dienstleistungen zusammen? Von was lässt man sich inspirieren? Nennen Sie bitte die<br />
© 2008 Universität Leipzig<br />
f<strong>ü</strong>r Ihr Unternehmen drei wichtigsten Quellen f<strong>ü</strong>r innovative Ideen.<br />
Abb. 2: Die wichtigsten Quellen neuer Ideen in deutschen<br />
Großunternehmen; Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />
(Uni Leipzig).<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
20,0%<br />
13,3%<br />
10,0%<br />
16,7%<br />
28,0%<br />
23,3%<br />
20,0%<br />
Henry Ford meinte, dass das Geheimnis seines Erfolges darin liege, „den Standpunkt des anderen<br />
zu verstehen und dabei immer genau die Fähigkeiten zu haben, die gerade gefragt sind.“ Außerdem<br />
erkannte Ford, dass Innovation weniger darin besteht, einzelne Probleme zu lösen, sondern vor allem<br />
darin, diese Probleme <strong>ü</strong>berhaupt erst einmal zu erkennen, was eine besondere Form des Zuhörens<br />
erfordere: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie wohl ,schnellere Pferde‘<br />
gesagt.“<br />
33,3%<br />
33,0%<br />
46,7%<br />
58,0%<br />
60,0%<br />
65,0%<br />
66,7%<br />
68,0%<br />
0% 20% 40% 60% 80%<br />
Kommunikationsverantwortliche Innovationsverantwortliche<br />
� signifikanter Zusammenhang, Quantität & Kausalität nicht nachweisbar<br />
Auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach Henry Ford wird Innovationskommunikation vor allem<br />
als „Megaphon“ und weniger als „Stethoskop“ verstanden. Noch haben Forschung und Unterneh-<br />
mens-PR meist grundlegend unterschiedliche Kommunikations-Paradigmen: Während die traditio-<br />
nelle („persuasive“) PR die Innovationskommunikation hauptsächlich als Branding-Werkzeug sieht,<br />
also vornehmlich zur Imagepflege nutzt (mit 83% als primäres Ziel immer noch unangefochten auf<br />
Platz 1), setzt eine strategische Innovationskommunikation nicht nur darauf, eigene Ergebnisse und<br />
Themen aufzubereiten und f<strong>ü</strong>r die Markteinf<strong>ü</strong>hrung zu unterst<strong>ü</strong>tzen, sondern beobachtet auch die<br />
Meinungsbildung bei wichtigen Bezugsgruppen, managt den Fluss interner und externer Informati-<br />
onen und moderiert den Dialog zwischen dem eigenen Unternehmen und seinen Innovationspartnern.<br />
Hier liegen demnach die Erwartungen des Innovationsmanagements und das Selbstverständnis der<br />
PR weit auseinander, so die Autoren der Leipziger Studie.<br />
-13,8%<br />
-5,8%<br />
-6,4%<br />
Die Instrumente externer Kommunikation sind dabei ähnlich klassisch wie vor 20 Jahren: Pressemit-<br />
teilungen, Messen und Eigenveranstaltungen. Die Innovationsverantwortlichen wiederum stehen völlig<br />
allein mit ihrer Forderung nach mehr „direkter persönlicher Kommunikation“.<br />
�<br />
�<br />
-0,7%<br />
-3,8%<br />
-4,3%<br />
-2,4%<br />
-1,9%<br />
-2,9%<br />
-0,7%<br />
-1,4%<br />
1,0%<br />
2,9%<br />
3,2%<br />
1,8%<br />
1,4%<br />
1,0%<br />
1,9%<br />
10,4%<br />
7,6%<br />
3,0%<br />
8,6%
Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 23<br />
Aus diesen Ergebnissen leiten die Autoren der Studie f<strong>ü</strong>nf spezifische „Typen“ der Innovationskom-<br />
munikation ab – eine Typologie, die zumindest große Unterschiede in den Konzepten und Strategien<br />
aufzeigt (Abbildung 3):<br />
u „traditionalisten“ sehen sich vorrangig als Sprachrohr des Unternehmens und wollen <strong>ü</strong>ber Inno-<br />
vationen die eigene Marke aufwerten. Sie sind selten oder <strong>ü</strong>berhaupt nicht in Innovationsprozesse<br />
eingebunden, glauben nur zu einem Drittel, dass Kommunikation den Innovationserfolg steigern<br />
kann und haben zudem nur selten Prozesse daf<strong>ü</strong>r entwickelt.<br />
u Auch „strategen“ haben ein eher traditionelles, „geschlossenes“ Verständnis von Innovation. Im<br />
Vergleich zur ersten Gruppe kommunizieren „Strategen“ allerdings deutlich dialogorientierter, um<br />
die Innovationskultur im Unternehmen zu stärken und neue Märkte zu erschließen. Forschungsein-<br />
richtungen und Fachmedien rangieren hinter Publikumsmedien und der breiten Öffentlichkeit. Nur<br />
jeder vierte „Stratege“ ist regelmäßig in Innovationsprozesse eingebunden.<br />
u „taktiker“ haben nach Ansicht der Autoren erkannt, wie wichtig es ist, externe Partner einzubin-<br />
den. Trotz dieses Verständnisses f<strong>ü</strong>r Open Innovation setzt auch dieser „Typus“ einseitig auf Image-<br />
bildung, Verkaufsförderung und auf die Erschließung neuer Märkte. Dabei werden zwar Entwick-<br />
lungspartner und Forschungseinrichtungen vergleichsweise stark adressiert, allerdings zu Lasten<br />
interner Zielgruppen. Insgesamt setzt die Kommunikation somit zu spät im Innovationsprozess an.<br />
Immerhin sind „Taktiker“ zu etwa 50% regelmäßig in Innovationsprozesse eingebunden, die sie zu<br />
75% mit einer systematischen Kommunikationsstrategie begleiten.<br />
u Auch die Gruppe der „spielmacher“ hat Open Innovation verinnerlicht und bindet die so genann-<br />
ten „Stakeholder“ oft und fr<strong>ü</strong>hzeitig ein. Kommunikation ist dabei keine Einbahnstraße, sondern<br />
wird als Dialog zum Wissenstransfer in beide Richtungen verstanden, bei dem keine relevante Ziel-<br />
gruppe außen vor bleibt. Vorrangige Ziele sind die Erschließung neuer Märkte und die Kunden-<br />
bindung. Ursache oder Konsequenz dieser offenen und strategischen Innovationskommunikation<br />
könnte die Tatsache sein, dass drei von vier „Spielmachern“ regelmäßig in Innovationsprozesse<br />
eingebunden sind. Sie glauben unisono, dass Kommunikation den Innovationserfolg steigern kann<br />
und haben deshalb auch <strong>ü</strong>berwiegend systematische Prozesse daf<strong>ü</strong>r etabliert. Interessant ist, dass<br />
sich dieser „Typus“ vor allem in der ITK-Branche findet.<br />
Stichwörter<br />
Innovationskommunikation<br />
Open Innovation<br />
Wissenstransfer<br />
Enterprise 2.0<br />
Abb. 3: Typologie nach Innovations- und Kommunikationsverständnis;<br />
Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />
(Universität Leipzig).<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
24 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
keywords<br />
innovation communication<br />
open innovation<br />
knowledge transfer<br />
Enterprise 2.0<br />
Abb. 4: Verzahnung von Innovations- und Kommunikationsmanagement;<br />
Quelle: Zerfaß/Ernst 2008<br />
(Universität Leipzig).<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
u Eine große Gruppe von „allroundern“ schwankt unentschieden zwischen den einzelnen Paradig-<br />
men. Intern wird vergleichsweise stark die F&E-Abteilung adressiert, wobei Mitarbeiter und Pro-<br />
duktion etwas auf der Strecke bleiben. Extern werden vor allem Geschäftspartner, Berater, Exper-<br />
ten und Fachmedien angesprochen. Internet und auch Web 2.0 kommen dabei oft zum Einsatz.<br />
Aufgrund dieser Typologie könnte man kurzerhand zu der Schlussfolgerung kommen, der „Spielma-<br />
cher“ sei das Ideal eines Kommunikationschefs; doch genau diesen Schluss ziehen die Autoren nicht:<br />
Schließlich m<strong>ü</strong>sse die Kommunikation letztlich an der Unternehmensstrategie ausgerichtet und auf<br />
die jeweilige Branche abgestimmt sein. Als Innovationsbremse erweisen sich vielmehr die in einigen<br />
Fällen deutlich zu Tage getretenen Widerspr<strong>ü</strong>che zwischen Innovations- und Kommunikationsma-<br />
nagement: Konträre Konzepte verhindern unter Umständen eine effektive Umsetzung der Unterneh-<br />
mensstrategie. Wenig ratsam sei außerdem die Rolle des „Allrounders“.<br />
Kernergebnisse der Leipziger Studie<br />
u Einbahnstraße:<br />
Einerseits befindet sich das Innovationsverständnis eindeutig im Wandel, denn vier von zehn Unter-<br />
nehmen setzen bereits auf Open Innovation. Andererseits fehlt es an den daf<strong>ü</strong>r notwendigen Struk-<br />
turen und Informationskanälen zu Partnern. Leider geht es dabei außerdem stärker um Einbindung<br />
als um Abgabe von Wissen.<br />
u Taube Ohren:<br />
Durch vorwiegend „persuasive“ Kommunikation konzentriert sich die PR darauf, Themen aufzube-<br />
reiten und Botschaften zu positionieren. Innovationsmanager hingegen w<strong>ü</strong>nschen sich mehr Unter-<br />
st<strong>ü</strong>tzung darin, die öffentliche Meinungsbildung zu verfolgen.<br />
u Getrennte Welten:<br />
Obwohl fast jedes zweite Unternehmen aus dem Bereich „Zukunftstechnologien“ eigene Res-<br />
sourcen f<strong>ü</strong>r Innovationskommunikation geschaffen und spezifische Strategien entwickelt hat, sind<br />
diese im Innovationsmanagement oftmals gar nicht bekannt, und die jeweiligen Prozesse sind nur<br />
in jedem zehnten Unternehmen systematisch miteinander verzahnt (Abbildung 4). Der Einfluss von<br />
Kommunikation auf den Innovationserfolg wird folglich vielfach nicht erkannt.
u Widerspr<strong>ü</strong>chliche Paradigmen:<br />
Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />
PR- und Innovationsverantwortliche haben bisweilen geradezu gegensätzliche Vorstellungen von<br />
einer effektiven Innovationskommunikation. Die jeweiligen Paradigmen auf Seiten der Kommuni-<br />
kation lassen sich nach f<strong>ü</strong>nf unterschiedlichen Typen charakterisieren (Traditionalisten, Strategen,<br />
Taktiker, Allrounder, Spielmacher).<br />
Von Vorbildern und Verlierern: Innovationskommunikation im Mittelstand<br />
Bedenkt man, dass bei der Leipziger Studie knapp 93% der Teilnehmer Unternehmen vertreten, die<br />
einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro haben, dann ergibt die empirische Basis sozu-<br />
sagen zwangsläufig ein gewisses Zerrbild der Istsituation. Die identifizierten „Trendaussagen“ gelten<br />
hauptsächlich f<strong>ü</strong>r große Technologiekonzerne oder können höchstens als „Best Practice“ auf KMU<br />
<strong>ü</strong>bertragen werden. In Wirklichkeit sind Beratungsbedarf und Kommunikationsdefizite in der deut-<br />
schen Wirtschaft wohl weitaus stärker ausgeprägt, als es hier den Eindruck hat. Gibt es beispielswei-<br />
se in einem Kleinbetrieb <strong>ü</strong>berhaupt keinen „Innovationsmanager“, sondern macht das der Juniorchef<br />
kurzerhand noch mit, d<strong>ü</strong>rfte dies das gesamte Bewertungsschema sprengen.<br />
Dass gerade mittelständische Unternehmen mit ihren meist flexibleren Strukturen vergleichsweise<br />
leicht Wettbewerbsvorteile aus einer Öffnung ihrer Innovationsprozesse generieren können, gilt in-<br />
zwischen als empirisch belegt. Andererseits ist das Spektrum der Professionalität in Sachen Inno-<br />
vationsmanagement im Mittelstand wesentlich größer als es bei Konzernen der Fall ist: „Sie finden<br />
im Mittelstand sowohl Betriebe mit einer atemberaubenden Wendigkeit und Flexibilität, andererseits<br />
aber auch unglaublich antiquierte, ja versteinerte Einstellungen zu Innovation, wobei diese Unterneh-<br />
men immer stärker unter Druck geraten und zum großen Teil wohl auch vom Markt verschwinden<br />
werden,“ prognostiziert Nikolaus Franke, Leiter des Instituts f<strong>ü</strong>r Entrepreneurship und Innovation an<br />
der Wirtschaftsuniversität Wien. Er f<strong>ü</strong>hrt zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Rationali-<br />
sierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft (RKW), dem Verband der Elektrotechnik<br />
Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) und dem Verein deutscher Ingenieure (VDI) die jährliche Ver-<br />
gleichsstudie „Top 100“ durch.<br />
Ein Vergleich der aktuellen Ergebnisse mit den Vorjahreszahlen belegt eine große Dynamik im Mittel-<br />
stand. So kooperieren inzwischen vier F<strong>ü</strong>nftel der „besten Hundert“ (im Vorjahr waren es noch zwei<br />
Drittel) kontinuierlich mit Forschungseinrichtungen und Universitäten. Etwa die Hälfte der Top-Unter-<br />
nehmen bindet auch Wettbewerber mit ein, was sogar einer Verdopplung gegen<strong>ü</strong>ber dem Vorjahr und<br />
ungefähr dem Zehnfachen des Durchschnittswerts im deutschen Mittelstand entspricht. Kommunika-<br />
tion ist hierbei der wahrscheinlich wichtigste Erfolgsfaktor:<br />
u In mittleren Unternehmen ist die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitung ver-<br />
gleichsweise direkt und informell, was ein „wesentlich flexibleres und dynamischeres Verhalten“<br />
ermöglicht.<br />
u Während das Marketing in den „Top 100“-Unternehmen durchschnittlich 50% seiner Arbeitszeit<br />
f<strong>ü</strong>r Innovationen aufwendet, kommt der durchschnittliche mittelständische Betrieb bei Vergleichs-<br />
studien gerade einmal auf 12%.<br />
u Die Einbindung des Marketings in Innovationsprozesse ist mit 92% mehr als doppelt so ausgeprägt<br />
wie beim Durchschnitt (40%).<br />
u Best Practice in Sachen Innovationskommunikation bedeutet auch, dass zur Ideenfindung immer<br />
öfter gezielt Techniken eingesetzt werden (Abbildung 5), wobei auch hier zwischen den Vorreitern<br />
und dem Durchschnitt Welten liegen.<br />
Literatur/Links:<br />
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Mastering the Innovation Challenge – Results of the<br />
Booz Allen Hamilton European Innovation Survey,<br />
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Harvard Business School Press 2003.<br />
Dufft, N./Bohn, P., Enterprise 2.0 in Deutschland –<br />
Verbreitung, Chancen und Herausforderungen, Berlin<br />
200 [kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter www.berlecon.de/<br />
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Hippel, E. v., Democratizing Innovation, MIT 200<br />
[kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter web.mit.edu/evhippel/<br />
www/democ1.htm].<br />
Hippel, E. v., Lead Users – A Source of novel product<br />
concepts, in: Management Science, Vol. 32, S. 1-<br />
80 , University of Michigan 1 8 .<br />
Hoewner, J./Jansen, M./Jantke, K., Von der Spinnovation<br />
zur Sinnovation, M<strong>ü</strong>nster 2008 [Gegen Registrierung<br />
auch kostenfrei herunterzuladen unter www.kzwoelf.com].<br />
Lakhani, K./Jeppesen, K./Lohse, P./Panetta, J., The<br />
Value of Openness in Scientific Problem Solving, in:<br />
HBS Working Knowledge, Boston: Harvard Business<br />
School 200 [kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter hbswk.hbs.<br />
edu/item/ 12.html].<br />
Mast, C./Huck, S./Zerfaß, A., Innovationskommunikation<br />
in dynamischen Märkten – Empirische Ergebnisse<br />
und Fallstudien, Berlin 200 .<br />
Osterloh, M./Rota, S./L<strong>ü</strong>thi, R., Collective Invention<br />
als neues Innovationsmodell?, in: Rötzer, F. (Hrsg.),<br />
Die wunderbare Wissensvermehrung – Wie Open Innovation<br />
unsere Welt revolutioniert, Hannover: Telepolis/Heise<br />
200 .<br />
[kostenfrei verf<strong>ü</strong>gbar unter www.wissensgesellschaft.<br />
org/themen/wissensoekonomie/OpenInnovation.pdf]<br />
Späth, L. (Hrsg.), Top 100 – Die 100 innovativsten Unternehmen<br />
im Mittelstand, M<strong>ü</strong>nchen: Redline 2008.<br />
[erscheint offiziell im Juli 2008; Ergebniszusammenfassung<br />
f<strong>ü</strong>r die Kategorie „Innovationsmarketing“<br />
unter www.top100.de/documents_top100/innovationsmarketing.asp]<br />
Zerfaß, A./Ernst, N., Kommunikation als Erfolgsfaktor<br />
im Innovationsmanagement – Ergebnisse einer Studie<br />
in deutschen Zukunftstechnologie-Branchen, Leipzig<br />
2008.<br />
[Ergebnispräsentation ( 8 Seiten), Pressemitteilung<br />
und weitere Hintergr<strong>ü</strong>nde unter www.communicationmanagement.de;<br />
Beginn einer Diskussion zur Studie<br />
unter www.mediacoffee.de/stephanfink/item/481;<br />
Hintergrundinformationen auf den Webseiten von<br />
FFPR: www.innovationskommunikation.net]<br />
Zerfaß, A./Huck, S, Innovation, Communication, and<br />
Leadership – New Developments in Strategic Communication,<br />
in: International Journal of Strategic Communication,<br />
1 (2), 10 -122, Philadelphia: LEA 200 .<br />
Zerfaß, A./Van Ruler, B. / Rogojinaru, A / Verčič, D. /<br />
Hamrefors, S., European Communication Monitor<br />
200 – Trends in Communication Management and<br />
Public Relations – Results and Implications, Uni Leipzig<br />
200 [Ergebnispräsenation des Forschungsprojekts<br />
unter www.communicationmonitor.eu; Ergebnisse<br />
einer zweiten Befragung sollen im Herbst 2008<br />
erscheinen.].<br />
Englischsprachige Deklaration von „Knowledge 4 Innovation“<br />
(30.04.2008): www.knowledge4innovation.<br />
eu/ [> Event Documenation].<br />
Beispiele f<strong>ü</strong>r Open Innovation-Marktplätze: www.innocentive.com;<br />
www.fellowforce.com<br />
Community zu Open Innovation: www.openinnovators.<br />
de [kein Mitgliedsbeitrag; noch wenig Aktivität].<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
2 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
summary<br />
Most innovation managers are<br />
left alone with their demand for a<br />
stronger and earlier involvement<br />
of external partners in the devel-<br />
opment process. Furthermore,<br />
market trends and public opinion<br />
are not sufficiently investigated,<br />
whereas best practice has long<br />
proven that an open policy in<br />
innovation communication al-<br />
most inevitably improves the<br />
company’s competitiveness.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
u Interessant ist auch die Entwicklung, dass die IT-Branche inzwischen unter den innovativsten 100<br />
Mittelständlern gleichgezogen hat mit dem langjährigen Platzhirsch Maschinenbau. Die neuesten<br />
Zahlen zu den „Top 100“ f<strong>ü</strong>r 2008 wurden am 4. Juli in D<strong>ü</strong>sseldorf offiziell bekannt gegeben.<br />
Abb. : Verbreitung von Instrumenten f<strong>ü</strong>r eine offenere Innovationskommunikation im deutschen Mittelstand;<br />
Quelle: Späth 2008.<br />
Nikolaus Franke warnt eindringlich davor, die Mitarbeiter im Unternehmen als Quelle neuer Ideen zu<br />
ignorieren: „Innovation lässt sich den Beschäftigten ja nicht einfach verordnen. Um ihre Kreativität<br />
erschließen zu können, m<strong>ü</strong>ssen Autonomie und Risikobereitschaft gefördert, Freiräume gewährt, Wei-<br />
terentwicklung ermöglicht und Ideen honoriert werden.“ So verf<strong>ü</strong>gen der Studie zufolge fast alle der<br />
„Top 100“ <strong>ü</strong>ber ein institutionalisiertes Anreizsystem, was im Durchschnitt zu sieben neuen Ideen<br />
pro Mitarbeiter und Jahr f<strong>ü</strong>hrt, von denen erstaunliche 59% auch tatsächlich umgesetzt wurden oder<br />
werden sollen. „Die Schwächen einer traditionellen Innovationskommunikation, die sich bestenfalls<br />
als ,Absatzförderung’ versteht, m<strong>ü</strong>ssten eigentlich offensichtlich sein“, so Franke: „Die eigentliche<br />
Kunst liegt ja darin, die richtigen Ideen aufzusp<strong>ü</strong>ren, also muss eine effektive Kommunikation auch<br />
das Ohr beim Kunden haben und den gesamten Prozess von der Idee bis zur Diffusion begleiten.“<br />
Wie heterogen in der Praxis Innovationskommunikation im Mittelstand betrieben wird, zeigt bei-<br />
spielsweise die Einbindung von „Lead-Usern“. Bei dieser Methode des MIT-Professors Eric von Hip-<br />
pel werden nicht nur Trends in einem bestimmten Bereich recherchiert, sondern auch die jeweiligen<br />
Trendsetter identifiziert – meist „Visionäre mit Bodenhaftung“, wie es Gerald Fliegel, Innovationschef<br />
bei Siemens Austria einmal ausdr<strong>ü</strong>ckte. In der Regel handelt es sich dabei typischerweise gar nicht<br />
um Hersteller oder Fachleute, sondern eher um vielleicht sogar branchenferne Anwender, bei denen<br />
das Bewusstsein f<strong>ü</strong>r ein bestimmtes Problem einfach so groß wurde, dass sie selbst daf<strong>ü</strong>r eine Lö-<br />
sung erdacht haben. Die Automobilindustrie beispielsweise hat sich auf diesem Weg lange Zeit an<br />
Problemlösungen der Luft- und Raumfahrt orientiert. Die Methode, solche „Lead User“ strukturiert<br />
aufzusp<strong>ü</strong>ren und in Workshops zu vernetzen, wird heute bei 82% der „Top 100“-Unternehmen ein
Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />
gesetzt, beim durchschnittlichen Mittelständler hingegen gerade einmal zu 7% (Abbildung 5). Ähnlich<br />
verhält es sich bei weiteren Werkzeugen einer betont offenen Innovationskommunikation, wie etwa<br />
dem Quality-Function-Deployment, der Conjoint-Analyse oder den Toolkits f<strong>ü</strong>r User-Innovationen.<br />
Genauso wichtig wie die Identifikation und Einbindung der wichtigsten externen Meinungsf<strong>ü</strong>hrer ist<br />
nat<strong>ü</strong>rlich auch die Suche nach den informellen Meinungsf<strong>ü</strong>hrern und „Whistleblowern“ im eigenen<br />
Unternehmen. Auf etwa ein Drittel schätzt Klaus Burmeister, Geschäftsf<strong>ü</strong>hrer der Corporate-Foresight-<br />
Beratung „Z-punkt“, den Anteil jener Vorreiter im Mittelstand, die „unter denselben Bedingungen ar-<br />
beiten wie die Großen“ (in: Hoewner 2008). Doch auch diese Betriebe stehen seiner Meinung nach<br />
schon vor der nächsten Herausforderung: „Es wird verstärkt darum gehen, neue Kooperationen und<br />
Wertschöpfungswege zu finden – einzelne Unternehmen werden das immer seltener leisten können!“<br />
Burmeister warnt außerdem davor, dass der Mittelstand nach wie vor wichtige Entwicklungen verpas-<br />
se, weil er sich zu stark auf die heutigen und zu wenig auf k<strong>ü</strong>nftige Wettbewerber konzentriere: „Was<br />
es braucht, ist eine neue Art des Denkens, die das Umfeld von Unternehmen stärker einbezieht und<br />
sich <strong>ü</strong>ber enge Zeiträume hinaus orientiert.“<br />
Erste „Marktplätze“ f<strong>ü</strong>r Open Innovation im Internet, die besonders von kleineren Unternehmen ge-<br />
nutzt werden, entwickeln sich sogar schon zu wahren Communities, wie etwa „Innocentive“ oder<br />
„Fellowforce“. Hier werden Probleme förmlich „ausgeschrieben“ und deren Lösung mit Preisen be-<br />
lohnt. Das Potenzial solcher Marktplätze wurde sogar schon empirisch belegt: Etwa ein Drittel der auf<br />
Innocentive extern veröffentlichten und bislang in der jeweiligen hauseigenen Forschungsabteilung<br />
ungelösten „Probleme“ lasse sich auf diesem Weg lösen (Lakhani et al. 2007). Im Rahmen der Studie<br />
versuchten sich durchschnittlich immerhin 240 interessierte Nutzer an jedem Problem, und pro Aus-<br />
schreibung gab es letztlich etwa zehn Lösungsvorschläge.<br />
Im Allgemeinen werden die Potenziale sogenannter Web-2.0-Werkzeuge f<strong>ü</strong>r eine offenere Unterneh-<br />
menskommunikation – beispielsweise Blogs, Social Bookmarks, Wikis oder RSS Feeds – von PR- und<br />
F&E-Abteilung sehr unterschiedlich bewertet, so das Marktforschungsunternehmen Berlecon in einer<br />
repräsentativen Auftragsstudie f<strong>ü</strong>r Coremedia: Während das Innovationsmanagement zu 58% einen<br />
Nutzen derartiger Werkzeuge in der internen Vernetzung der Mitarbeiter sieht, halten dies lediglich<br />
35% der PR-Verantwortlichen f<strong>ü</strong>r wichtig (Abbildung 6). Sicherlich ist es keine neue Erkenntnis, dass<br />
der strukturierte Wissenstransfer sowohl im als auch zwischen Unternehmen in der Praxis noch weit-<br />
gehend ungelöst ist, doch die Defizite auf diesem Gebiet haben in den vergangenen Jahren offenbar<br />
sogar weiter zugenommen, wie die Studie zeigt: Annähernd 90% der Befragten gaben an, dass die<br />
Anforderungen an eine effiziente Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen gestiegen sind,<br />
sehen sich dabei aber nur unzureichend unterst<strong>ü</strong>tzt. Besonders brisant wird dies offenbar in der Kom-<br />
munikationsabteilung gesehen (Abbildung 7).<br />
Erste „Marktplätze“ f<strong>ü</strong>r Open<br />
Innovation im Internet, die beson-<br />
ders von kleineren Unternehmen<br />
genutzt werden, entwickeln sich<br />
sogar schon zu wahren Communi-<br />
ties, wie etwa „Innocentive“ oder<br />
„Fellowforce“. Hier werden Pro-<br />
bleme förmlich „ausgeschrieben“<br />
und deren Lösung mit Preisen<br />
belohnt. Das Potenzial solcher<br />
Marktplätze wurde sogar schon<br />
empirisch belegt: Etwa ein Drit-<br />
tel der auf Innocentive extern<br />
veröffentlichten und bislang in<br />
der jeweiligen hauseigenen For-<br />
schungsabteilung ungelösten<br />
„Probleme“ lasse sich auf diesem<br />
Weg lösen.<br />
Abb. : Nutzen von Web-2.0-Werkzeugen aus Sicht<br />
der PR und der F+E; Quelle: Duft/Bohn 200 (Berlecon<br />
Research).<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
28 management Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen<br />
Abb. : Wahrgenommene Anforderungen an den Wissenstranfer<br />
aus Sicht von Marketing und F+E; Quelle:<br />
Duft/Bohn 200 (Berlecon Research).<br />
Wie stark das Thema Innovationskommunikation<br />
von der internationalen<br />
Politik forciert wird,<br />
zeigen nicht nur die seit Jahren<br />
durchgef<strong>ü</strong>hrten Untersuchungen<br />
und die EU-Manifeste zu Technologieakzeptanz,<br />
sondern auch das<br />
aktuelle Programm „Knowledge 4<br />
Innovation“, das einen „Pakt f<strong>ü</strong>r<br />
Wissen und Innovation“ voran<br />
treibt, der f<strong>ü</strong>r mehr Wissenstransfer<br />
durch Kommunikation zwischen<br />
Wissenschaft, Wirtschaft<br />
und Politik sorgen soll.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Innovationskommunikation als internationale Herausforderung<br />
Viele dieser Ergebnisse scheinen auch auf den gesamten europäischen Markt <strong>ü</strong>bertragbar zu sein,<br />
wie die erste repräsentative, transnationale PR-Studie f<strong>ü</strong>r Europa im Jahr 2007 zeigte („European<br />
Communication Monitor“). Die Befragung von mehr als 1.000 Praktikern aus 22 Ländern ergab, dass<br />
gerade einmal 18% der PR-Manager das Thema „Innovation“ als strategisch wichtiges Thema f<strong>ü</strong>r sich<br />
sehen. Auch auf europäischer Ebene ist gerade einmal jeder 3. Kommunikations-Verantwortliche in<br />
Innovationsprozesse eingebunden. Erwartungsgemäß sehen allerdings genau diese PR-Leute deutlich<br />
größere Chancen darin, externe Partner mit einzubinden. Unabhängig vom Kontext der „Innovation“<br />
gaben erstaunlicherweise neun von zehn PR-Profis an, dass eine authentische, dialogorientierte und<br />
offene Kommunikation entscheidend f<strong>ü</strong>r den Aufbau und die Pflege von Vertrauen in ein Unternehmen<br />
sei. Was die Innovationsprozesse anbelangt, warnen die Autoren der Studie vor einer Kluft zwischen<br />
Kommunikationsabteilung und Geschäftsf<strong>ü</strong>hrung, denn die Vorstände nehmen das Thema Innovation<br />
drei- bis f<strong>ü</strong>nfmal so wichtig (je nach Branche zu 48% bis 100%, so Beerens et al. 2005). Wichtigster<br />
Hebel f<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Umsetzung von Innovationen sind aus Sicht des Top-Managements <strong>ü</strong>bri-<br />
gens auch hier ein möglichst gutes Verständnis der Kundenbed<strong>ü</strong>rfnisse, während die Unzufriedenheit<br />
am größten bei der eigenen Innovationskultur ist. Ähnlich wie die F&E-Abteilungen hat auch das Top-<br />
Management erkannt, dass die meisten und wertvollsten Ideen von Partnern und Kunden kommen.<br />
Andere Partner wie etwa Hochschulen oder Wettbewerber rangieren allerdings auch hier ganz am<br />
Ende der Skala. Leider kommt auch die Booz-Allen-Studie zu dem eindeutigen Fazit, dass „Marketing<br />
und R&D nicht effektiv miteinander kollaborieren“.<br />
Wie stark das Thema Innovationskommunikation von der internationalen Politik forciert wird, zeigen<br />
nicht nur die seit Jahren durchgef<strong>ü</strong>hrten Untersuchungen und die EU-Manifeste zu Technologieak-<br />
zeptanz, sondern auch das aktuelle Programm „Knowledge 4 Innovation“, das einen „Pakt f<strong>ü</strong>r Wissen<br />
und Innovation“ vorantreibt, der f<strong>ü</strong>r mehr Wissenstransfer durch Kommunikation zwischen Wissen-<br />
schaft, Wirtschaft und Politik sorgen soll. Mit einer Deklaration wiesen die Projektpartner vor wenigen<br />
Wochen neben der standortpolitischen Bedeutung von Innovation besonders eindringlich auf die ge-<br />
sellschaftliche Bedeutung der Kommunikation in Innovationsprozessen hin.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Die Mehrzahl der deutschen Unternehmen befindet sich zwar auf dem Weg zu offeneren In-<br />
novationsprozessen, aber während Geschäftsf<strong>ü</strong>hrung und Innovationsmanagement die neuen<br />
Paradigmen oft schon leben oder zumindest einfordern, verharrt die Kommunikation nach wie
vor in eher traditionellen Mustern. Vor allem im Mittelstand tut sich hier eine wahre Kluft auf<br />
– zwischen einer kleinen Schar von Vorreitern einerseits und der großen Masse der Traditiona-<br />
listen andererseits. Leider ist sogar bei den großen „Innovation Leadern“ die PR eher Bremser<br />
als Treiber f<strong>ü</strong>r „Open Innovation“. Europaweit wird dem Wunsch des Innovationsmanagements<br />
noch immer unzureichend Rechnung getragen, mit Kunden und externen Partnern stärker und<br />
fr<strong>ü</strong>her im Entwicklungsprozess zu kooperieren sowie Marktentwicklungen und öffentliche Mei-<br />
nungsbildung gezielt und strukturiert zu verfolgen – ganz im Sinne eines „Themenradars“, das<br />
sich bestenfalls sogar als Fr<strong>ü</strong>hwarnsystem automatisieren lässt. Dieser Widerstand ist umso<br />
erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Investitionen in die Unternehmenskommunikation ei-<br />
gentlich immer deutlich weniger Ressourcen kosten als in Forschung und Entwicklung. Auch an<br />
Best-Practice-Beispielen mangelt es nicht, denn mit einer buchstäblich „innovativen“, weil of-<br />
feneren Kommunikation erzielen Unternehmen schon heute nachweislich Wettbewerbsvorteile.<br />
Gliedert man die PR-Verantwortlichen in f<strong>ü</strong>nf „Typen“, so verfolgt lediglich einer von ihnen mit<br />
regelmäßiger Einbindung in Innovationsprozesse konsequent eine offene und strategische Inno-<br />
vationskommunikation. Da der Erfolg letztlich davon abhängt, inwieweit sich das Kommunika-<br />
tions-Paradigma mit der jeweiligen Unternehmensstrategie vereinbaren lässt, sollte das Thema<br />
Innovationskommunikation unbedingt zur Chefsache erklärt werden. Getrieben wird es mehr<br />
denn je von der rasanten Entwicklung neuer IT-basierter Werkzeuge und Dienste – etwa f<strong>ü</strong>r das<br />
Web 2.0. Offen bleibt dabei allerdings vorerst, ob sich die heutigen Kommunikations-Manager<br />
diese neue Rolle des „IT-kundigen Innovations-Moderators“ in ihren Unternehmen erkämpfen,<br />
oder ob hier vielleicht sogar ein völlig neues Berufsfeld als Querschnitt zwischen CIO, CTO, Mar-<br />
keting, PR und Innovationsmanagement entsteht.<br />
Anzeige<br />
Bernd Wächter, friedhelm Maiworm<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> 2008<br />
96 pages, paperback, 24,80 euro<br />
isBn 978-3-932306-89-1<br />
Gerber – Antennen m<strong>ü</strong>ssen auf Empfang stehen management 2<br />
english-taught Programmes in european higher education<br />
The picture in 2007<br />
International students have long favoured Anglophone countries as study destinations. And<br />
it goes without saying that the role of English as the lingua franca has been instrumental in<br />
attracting foreign students. In the last years of the past century, continental European higher<br />
education institutions started to teach in the English language, too, seeking to overcome<br />
Kontakt:<br />
Alexander Gerber<br />
Fraunhofer-Verbund<br />
Informations- und Kommunikationstechnik<br />
Innovationskommunikation<br />
Friedrichstraße 0<br />
1011 Berlin<br />
Tel.: (030) 2 1 0<br />
Fax: (030) 2 1 1<br />
E-Mail: Alexander.Gerber@iuk.fraunhofer.de<br />
www.iuk.fraunhofer.de<br />
www.innovisions-magazin.de<br />
Bernd Wächter, Friedhelm Maiworm<br />
English-Taught Programmes<br />
in European Higher Education<br />
The Picture in 2007<br />
ACA Papers on<br />
International Cooperation in Education<br />
their linguistic drawback. In 2002, the Academic Cooperation Association (ACA) produced the first ever analysis of the phenomenon.<br />
The study, found that English-medium tuition in continental Europe was still a ‘marginal phenomenon’ then. How has the situation<br />
developed since? The present book provides the answer to this question. Drawing a detailed European map of English-medium tuition<br />
in 27 European countries, it is essential reading for anyone interested in curricular internationalisation – and not least for those<br />
from English-speaking countries challenged by Europe’s English-taught provision.<br />
<strong>Lemmens</strong><br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
30 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />
i n s t r u M e n t e<br />
Erfolgreiche Innovationsprozesse integrieren internes<br />
und externes Wissen. Kunden und auch Konkurrenten<br />
liefern wichtige Impulse.<br />
Foto: Archiv<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Dirk L<strong>ü</strong>ttgens und Uwe Gross<br />
Open Innovation trifft Innovations-<br />
management<br />
Mit der Software WiPro wird externes Wissen in den Innovationsprozess<br />
integriert<br />
open innovation stellt neue Methoden und ansätze zur verf<strong>ü</strong>gung, um besseren Zugang<br />
zu externer Bed<strong>ü</strong>rfnis- und Lösungsinformation zu bekommen und so die effizienz und<br />
effektivität im innovationsprozess zu steigern. Die große herausforderung dabei ist exter-<br />
nes Wissen in den Produktentstehungsprozess einzubinden und mit bereits bestehendem<br />
unternehmensinternem Wissen zu verkn<strong>ü</strong>pfen. Die neuartige software WiPro ist ein instrument<br />
f<strong>ü</strong>r die Gestaltung wissensintensiver innovationsprozesse mit der einbeziehung<br />
von open-innovation-Methoden.<br />
Die Strategie, die heute zur Leitidee vieler Unternehmen wird, heißt Open Innovation. Statt sich<br />
nur auf die Fähigkeiten der eigenen Forscher und Entwickler zu verlassen, werden externe Problemlöser<br />
in den Innovationsprozess integriert. Der klassische Ansatz im Innovationsmanagement<br />
f<strong>ü</strong>hrt nach wie vor zu hohen Flopraten. Franke (2007) beziffert die Rate der Produkte, die<br />
nach Ihrer Einf<strong>ü</strong>hrung keinen nachhaltigen Erfolg auf dem Markt erreichen können auf 90%<br />
und berichtet zudem von unzähligen Neuproduktentwicklungen, die es gar nicht erst bis zur<br />
Markteinf<strong>ü</strong>hrung schaffen. Ursache hierf<strong>ü</strong>r sind zwei fundamentale Probleme der Neuproduktentwicklung,<br />
die wissenschaftlich untersucht und belegt sind:<br />
u Forscher und Entwickler konzentrieren sich zu sehr auf Ihre eigenen Fähigkeiten und den<br />
ihnen bekannten Lösungsraum („local search bias“) (Luchins 1942, Duncker 1945, Saugstad<br />
1955, Allen/Marquis 1964, Helfat 1992, Podolny/Stuart 1995, Sorensen/Stuart 2000) und<br />
u externe Akteure und vor allem Kunden verf<strong>ü</strong>gen <strong>ü</strong>ber Bed<strong>ü</strong>rfnisinformationen, die allerdings<br />
den Charakter von implizitem Wissen haben und damit kaum zu externalisieren, sprich f<strong>ü</strong>r<br />
Unternehmen zugänglich sind („sticky information“) (Reichwald/Piller 2006, Nelson 1982,<br />
Riggs/von Hippel 1994, von Hippel 1994, Ogawa 1998, Szulanski 2003).<br />
Um diese Hindernisse zu <strong>ü</strong>berwinden, setzen Unternehmen immer häufiger Methoden des Open<br />
Innovation ein. Open Innovation bezeichnet dabei einen Innovationsprozess, der in der Interaktion<br />
mit einem breiten und (relativ) offenen horizontalen oder vertikalen Netzwerk externer Partner<br />
wie Universitäten, Start-ups, Lieferanten, Kunden oder auch Wettbewerbern stattfindet. Ziel<br />
ist die Überwindung der Grenzen des lokalen Wissens und der effiziente Zugang zu externer Bed<strong>ü</strong>rfnis-<br />
und Lösungsinformation f<strong>ü</strong>r den Innovationsprozess. Dabei kommt es oft zu einer völlig<br />
neuen Organisation des Wertschöpfungsprozesses im Innovationsmanagement.<br />
Der Hebeleffekt von Open Innovation beruht vor allem auf der Erweiterung der Spannbreite<br />
der Ideen- und Lösungsfindung. Ziel von Open Innovation ist es, mittels Lösungsinformationen<br />
von externen Akteuren den beschränkten Lösungsraum der unternehmenseigenen Entwickler<br />
zu erweitern und zum anderen Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation in den Neuproduktentwicklungsprozess<br />
zu integrieren. Die Methoden des Open Innovation lassen sich in Methoden zur Generierung
L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 31<br />
von Lösungswissen und zur Externalisierung von Bed<strong>ü</strong>rfniswissen unterscheiden. In Abbildung<br />
1 sind diese Methoden entlang des Innovationsprozesses dargestellt (Reichwald/Piller 2006,<br />
S. 155-189).<br />
Lösungsinformation<br />
Launching Customer<br />
Klassische Methoden<br />
bspw. Shadowing<br />
Communities<br />
Die Frage nach<br />
dem Wie?<br />
Development<br />
Communities<br />
Broadcasting<br />
of Problems<br />
Lead Experts<br />
Toolkits<br />
Fokusgruppen<br />
– Kontinuierliche Co-Entwicklung –<br />
Markteinf<strong>ü</strong>hrung<br />
Produkte<br />
entwickeln<br />
Abb. 1: Methoden des Open Innovation (Piller et al. 2008).<br />
Bed<strong>ü</strong>rfnisse<br />
identifizieren<br />
Produktideen<br />
generieren<br />
Im Rahmen des Open Innovation zeigen sich insbesondere die Lead-User-Methode, die Initiierung<br />
eines Ideenwettbewerbes oder die Bildung von Communities als geeignete Instrumente, da hier-<br />
durch Kundenbed<strong>ü</strong>rfnisse sehr gut identifiziert werden können. So ermöglicht die Zusammenar-<br />
beit mit sogenannten Lead-Usern die Identifikation von spezifischen zuk<strong>ü</strong>nftigen Bed<strong>ü</strong>rfnissen,<br />
die der Massenmarkt erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt. Die Verwendung von Toolkits,<br />
um den Nutzern eine direkte Übertragung Ihrer Bed<strong>ü</strong>rfnisse in konkrete Produktkonzepte zu er-<br />
möglichen, ist ein weiteres Instrument des Open Innovation (vgl. Reichwald/Piller 2006 S. 100ff).<br />
Vereinigung von Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation und Lösungsinformation<br />
Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation<br />
Ideenwettbewerbe<br />
Lead User<br />
Toolkits<br />
Communities<br />
Die Frage nach<br />
dem Was?<br />
Lead User<br />
Ideenwettbewerbe<br />
Open Innovation setzt die Interaktion mit externen Informations- und Wissensquellen voraus.<br />
Dies geschieht nicht in Form klassischer Forschungs- und Entwicklungskooperationen oder der<br />
Beauftragung von Ingenieurdienstleistern, sondern durch einen offenen Aufruf zur Mitwirkung<br />
an ein großes, undefiniertes Netzwerk an Akteuren. Eine ganz zentrale Rolle in solchen offenen<br />
Innovationsprozessen spielt der Kunde. Seine starke Integration hat sich f<strong>ü</strong>r viele Unternehmen<br />
zum zentralen Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement erwiesen (Möslein/Piller 2004). Durch<br />
die aktive Integration von Kunden und Nutzern in die Produktentstehung können Bed<strong>ü</strong>rfnisin-<br />
formationen besser erhoben werden als mit klassischen Maßnahmen der Marktforschung oder<br />
eines Trendscoutings. Eine wesentliche Aufgabe im Innovationsmanagement ist das Zusam-<br />
menbringen von Bed<strong>ü</strong>rfnisinformation und Lösungsinformation, denn um Bed<strong>ü</strong>rfnisinformati-<br />
onen zuk<strong>ü</strong>nftiger Kunden in ein konkretes, marktfähiges Leistungsangebot zu <strong>ü</strong>bersetzen, sind<br />
Lösungsinformationen notwendig (Reichwald/Piller 2006, S. 108). „F<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Wert-<br />
schöpfung m<strong>ü</strong>ssen beide Informationsarten (Bed<strong>ü</strong>rfnis- und Lösungsinformation, Anm. d. A.) an<br />
einem Ort (beim Anbieter, Anm. d. A.) zusammengef<strong>ü</strong>hrt werden.“ (Reichwald/Piller 2006, S. 55).<br />
Das Unternehmen, das Open Innovation f<strong>ü</strong>r sich nutzbar machen will, muss <strong>ü</strong>ber die geeigneten<br />
Mechanismen verf<strong>ü</strong>gen, extern vorhandene Information als verwertbares Wissen aufzunehmen.<br />
Stichwörter<br />
Open Innovation<br />
Innovationsprozess<br />
Integration von externem Wissen<br />
multimedialer Methodenbau-<br />
kasten<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
32 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />
keywords<br />
open innovation<br />
innovation process<br />
integration of external knowledge<br />
multimedia toolbox<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Beim Autohersteller BMW ist einer dieser Mechanismen bereits erprobt. Der Autobauer erhält<br />
pro Jahr mehr als 1.000 innovative Ideen von seinen Kunden <strong>ü</strong>ber seine virtuelle Innovations-<br />
agentur. Mit dem „Customer Innovation Lab“ gibt das Unternehmen jedem Kunden und Interes-<br />
senten, allen externen und internen Mitarbeitern die Möglichkeit, Ideen schnell und unproblema-<br />
tisch einzubringen und zur Diskussion zu stellen. Vorstellungen, Innovationen und Visionen jeder<br />
Art zu den Themen Fahrer, Fahrzeug und Umwelt können <strong>ü</strong>ber die Internetplattform an die BMW<br />
Group <strong>ü</strong>bermittelt werden. Bei Einreichung einer Idee werden aussagekräftige Angaben und gar<br />
Funktionsmodelle vom Kunden verlangt. Damit steht ein völlig neuer Kommunikationskanal f<strong>ü</strong>r<br />
visionäre Ideen offen. Gleichzeitig vermittelt die BMW Group auf diese innovative Art Kundennähe<br />
und schafft zu klaren Konditionen einen Link zu den Innovationsprozessen des Unternehmens.<br />
Trotz der Vielzahl der eingereichten Ideen, verhindern zwei wesentliche Herausforderungen den<br />
Erfolg dieses Open Innovation Ansatzes:<br />
u Obwohl eine Bewertung der eingereichten Ideen durch ein internes Expertenteam stattfindet,<br />
ist die Relevanz der einzelnen Ideen, deren Neuheitsgrad und Exklusivität nur sehr schwer<br />
verlässlich zu beurteilen.<br />
u Das aus der Literatur bekannte „Not-Invented-Here“-Syndrom (NIH-Syndrom) trägt dazu bei,<br />
dass extern generierte und von außen, z.B. von Kunden, in das Unternehmen eingebrachte<br />
Ideen aufgrund ihrer Herkunft nicht akzeptiert und deshalb verworfen werden (Katz/Allen<br />
1982, Huff/Möslein 2004).<br />
Über diesen Fall hinaus liegt im Open Innovation die zentrale Herausforderung darin, die richtige<br />
Open-Innovation-Methode in der richtigen Phase des Innovationsprozesses einzusetzen, um so<br />
die größtmögliche Effektivität und Effizienz zu erreichen. Dazu bedarf es eines vordefinierten<br />
Innovationsprozesses, der auf eine bestehende Wissensbasis zur<strong>ü</strong>ckgreift und die Einbindung<br />
von neuem internem und externem Wissen durch geeignete Prozessstrukturen ber<strong>ü</strong>cksichtigt<br />
(Abbildung 2).<br />
Externes Wissen<br />
Ideen-<br />
-<br />
generierung &<br />
-auswahl<br />
Abb. 2: Wissen im Innovationsprozess.<br />
Produkt-<br />
-<br />
konzept &<br />
Projektplan<br />
Open Innovation<br />
Produkt-<br />
-<br />
entwicklung<br />
Wissensbasis<br />
Wissen<br />
Produktion<br />
Produktion<br />
und<br />
Marktein Markt- -<br />
einf<strong>ü</strong>hrung f<strong>ü</strong>hrung<br />
Nutzung<br />
und<br />
Entsorgung<br />
Gestaltung interner Innovationsprozesse als Vorraussetzung f<strong>ü</strong>r die Umsetzung von<br />
Open Innovation<br />
Grundsätzlich basiert jede Innovation auf der erfolgreichen Kombination von externem und in-<br />
ternem Wissen <strong>ü</strong>ber Kundenanforderungen, Konkurrenzangebote, Technologien, Produktions-<br />
verfahren usw. Da aufgrund der Ein- und Erstmaligkeit von Innovationsprojekten der Bedarf an<br />
Internes Wissen
L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 33<br />
Wissen zwischen Projekten stark variiert, ist es notwendig, dass der Erwerb, die Verteilung und<br />
die Nutzung von Wissen schnell und flexibel erfolgen. Nur so kann angesichts veränderlicher<br />
Märkte und rapider technologischer Entwicklung sichergestellt werden, dass f<strong>ü</strong>r die Innovation<br />
relevantes und aktuelles Wissen erkannt, erworben und genutzt wird. Kurze Innovationszyklen<br />
erfordern zudem, dass Erfahrungswissen projekt<strong>ü</strong>bergreifend aufgebaut und auf andere (Pro-<br />
dukt-)Innovationen <strong>ü</strong>bertragen werden kann.<br />
Mit diesen Herausforderungen f<strong>ü</strong>r das Innovationsmanagement sind nicht nur Großunternehmen,<br />
sondern auch produzierende kleine und mittlere Unternehmen (KMU) konfrontiert. Ihre Entwick-<br />
lungsaktivitäten spielen f<strong>ü</strong>r die gesamtwirtschaftliche Innovationskraft und Wettbewerbsfähig-<br />
keit eine entscheidende Rolle (Foyn 2001, IW 2002). Die systematische Steuerung von Wissens-<br />
erwerb, -verteilung und -nutzung ist derzeit allerdings problematisch (KPMG 2001) und in Bezug<br />
auf Innovationsprojekte eher Ausnahme als Regelfall (KINX 2002).<br />
Um die Prozesssicht des Innovationsmanagements zu ermöglichen, muss Wissen nicht nur als<br />
In- und Output von Prozessen, sondern auch als Bestandsgröße verstanden werden: In jedem<br />
Unternehmen existiert eine F<strong>ü</strong>lle spezifischen Wissens, als Fachwissen (z.B. Physik, Elektrotech-<br />
nik), Prozesswissen (u.a. <strong>ü</strong>ber den Innovationsprozess) und Systemwissen (z.B. <strong>ü</strong>ber den An-<br />
wendungskontext von Produkten oder <strong>ü</strong>ber das generelle Unternehmensumfeld) (Iansiti 1998).<br />
Dieses Wissen liegt in der sogenannten Wissensbasis vor: in den Köpfen von Mitarbeitern, in<br />
Abläufen oder in Dokumenten. Sie ist in Inhalt und Zusammensetzung von Konkurrenten schwer<br />
imitierbar und hat damit das Potenzial, langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die Wissens-<br />
basis stellt einerseits Wissen f<strong>ü</strong>r innovative Prozesse bereit und wird andererseits durch neues<br />
intern oder extern generiertes Wissen erweitert, das f<strong>ü</strong>r bzw. durch Innovationsprojekte erwor-<br />
ben wird oder projektunabhängig in das Unternehmen gelangt (Peritsch 2002, S. 236 ff). Damit<br />
wird die Wissensbasis eines Unternehmens zur notwendigen Voraussetzung f<strong>ü</strong>r die Umsetzung<br />
des Open Innovation. Dies f<strong>ü</strong>hrt zu Wettbewerbsvorteilen, wenn die folgenden Bedingungen er-<br />
f<strong>ü</strong>llt werden:<br />
u Wissensverteilung: Der Inhalt der Wissensbasis muss transparent und zugänglich sein, damit<br />
vorhandenes Wissen in neuen Innovationsprojekten genutzt und neues (externes) Wissen<br />
identifiziert und bewertet werden können.<br />
u Sicherung der Wissensbasis: Wissen, das durch Innovationsprojekte oder unabhängig davon<br />
(z.B. <strong>ü</strong>ber eine virtuelle Innovationsagentur) erworben wurde, muss in der Wissensbasis be-<br />
wahrt werden, damit es f<strong>ü</strong>r andere Projekte und <strong>ü</strong>ber das Projektende hinaus zur Verf<strong>ü</strong>gung<br />
steht.<br />
u Wissensnutzung: Vorhandenes Wissen muss eingesetzt, Hemmnisse, die einer Nutzung der<br />
Wissensbasis entgegenstehen (z.B. Aufwand, Not-Invented-Here-Syndrom, etc.) m<strong>ü</strong>ssen ab-<br />
gebaut werden.<br />
Daher ist die erfolgreiche Gestaltung von Wissensfl<strong>ü</strong>ssen, diese umfasst die systematische<br />
Steuerung von Wissenserwerb, -verteilung und -nutzung, den Abbau von Hemmnissen sowie die<br />
Schaffung geeigneter Organisationsstrukturen, die Vorraussetzung zur erfolgreichen Hervorbrin-<br />
gung von Innovationen.<br />
Innovationsprozesse sind Wissensgenerierungsprozesse (Clark/Fujimoto 1991): Über die Ideen-<br />
gewinnung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung, die f<strong>ü</strong>r eine erfolgreiche Problemlösung<br />
innerhalb eines Innovationsprozesses notwendig sind, wird Wissen generiert. Dieses Wissen<br />
wird im Wissensmanagementprozess gefiltert (Wissenscontrolling), wieder verwendet (Wissens-<br />
Dirk L<strong>ü</strong>ttgens ist wissenschaftlicherMitarbeiter<br />
und Doktorand<br />
am Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Technologie-<br />
und Innovationsmanagement<br />
der<br />
RWTH Aachen.<br />
Uwe Gross ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter<br />
am Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Technologie-<br />
und Innovationsmanagement<br />
der<br />
RWTH Aachen.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
34 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />
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store industry, in: Research Policy, 2 (1 8) -8, S.<br />
- 0.<br />
Fortsetzung Seite 3<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Innovationsprozess<br />
Produktidee<br />
Grobkonzept Prototyp<br />
Wissensprozess<br />
Abb. 3: Wissensprozess als Bestandteil jeder Innovationsphase.<br />
Vorserienprodukt<br />
Serienprodukt<br />
Produktbetrieb<br />
einsatz) und schließlich in die Wissensbasis der Unternehmung <strong>ü</strong>bernommen (Wissensaufbau)<br />
(Sch<strong>ü</strong>ppel 1999, S. 147ff). Dabei wird jede Phase des Innovationsprozesses als eigener Wissens-<br />
prozess verstanden (Abbildung 3).<br />
Insgesamt resultieren daraus die folgenden Anforderungen zur Umsetzung des Open Innovation<br />
Ansatzes:<br />
u Open Innovation muss in das bereits existierende Innovationsmanagement integriert werden.<br />
u Der Innovationsprozess muss so gestaltet sein, dass Unternehmen in die Lage versetzt wer-<br />
den, die Wissensfl<strong>ü</strong>sse innerhalb und zwischen den unterschiedlichen Innovationsphasen und<br />
ganzen Innovationsprojekten sowie <strong>ü</strong>ber Unternehmensgrenzen hinweg zu steuern.<br />
u Aus der Vielzahl der Methoden aus dem Innovations- und Wissensmanagement (inkl. Open<br />
Innovation) m<strong>ü</strong>ssen geeignete Methoden ausgewählt und den einzelnen Phasen des Innova-<br />
tionsprozesses zugeordnet werden.<br />
WiPro: ein Instrument zur Gestaltung von wissensintensiven Innovationsprozessen<br />
Das Softwareprogramm WiPro unterst<strong>ü</strong>tzt die Integration von internem und externem Wissen<br />
in den Innovationsprozess mittels einer multimedialen Vermittlung wesentlicher Methoden aus<br />
dem Innovations- und Wissensmanagement. Neben den klassischen Methoden werden zudem<br />
Methoden aus dem Open Innovation ber<strong>ü</strong>cksichtigt.<br />
Hierbei unterst<strong>ü</strong>tzt WiPro die Umsetzung durch drei wesentliche Komponenten:<br />
u selbstanalyse und referenzprozessauswahl: Vom Nutzer werden Parameter erfragt, auf<br />
deren Grundlage WiPro das der Unternehmenssituation entsprechende Referenzmodell vor-<br />
schlägt. Der Referenzprozess wird visualisiert und kontextsensitiv durch multimediale Tech-<br />
niken erläutert.<br />
u individualisierung des referenzprozessmodells: Das durch Selbstanalyse ermittelte Re-<br />
ferenzprozessmodell wird als Template genutzt und vom Anwender unternehmensspezifisch<br />
angepasst. Dazu kann er Prozessmodule entsprechend der unternehmensspezifischen Gepflo-<br />
genheiten umbenennen, vorgeschlagene Methoden, die er nicht nutzen will, verwerfen und<br />
eigene Methoden durch Uploads von Dokumenten oder Links auf Applikationen ergänzen.<br />
u Methodenauswahl und -anwendung: Der Anwender arbeitet mit den im WiPro enthaltenen<br />
Referenzprozessen, indem er sich die bei den einzelnen Prozessschritten hinterlegten Metho-<br />
den anzeigen und multimedial erläutern lässt, um sie fundiert auswählen und selbst anwen-<br />
den zu können. Methoden können hierbei sowohl in Form von Vorgehensbeschreibungen und<br />
Checklisten als auch in Form von Applikationen hinterlegt sein.
Das theoretische Fundament von WiPro<br />
L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 3<br />
Als Basis f<strong>ü</strong>r die Integration von Methoden aus dem klassischen Innovationsmanagement und<br />
dem Open Innovation in die Forschung und Entwicklung dient im Rahmen von WiPro der be-<br />
triebliche Innovationsprozess – hier verstanden als der Prozess der Entstehung und Umsetzung<br />
existierender oder neuer Erkenntnisse in (marktfähige) neue Problemlösungen (Staudt 1996, S.<br />
5). Der Prozess besteht aus einer Vielzahl von Aktivitäten, d.h. Verrichtungen an Objekten, die<br />
inhaltlich miteinander verkn<strong>ü</strong>pft sind (Hauschild 2004, S. 445). Bei ihrer Durchf<strong>ü</strong>hrung wird be-<br />
stehendes internes und externes Wissen (Input) in neues Wissen (Output) transformiert.<br />
F<strong>ü</strong>r die Konfiguration des Innovationsprozesses sind vier Kriteriengruppen zu unterscheiden:<br />
konstituierende, ordnende, ausf<strong>ü</strong>hrungsbestimmende und ressourcenbedingte Kriterien.<br />
Umwelt<br />
Unternehmen<br />
Projekt<br />
Konstituierende<br />
Kriterien<br />
Ordnende<br />
Kriterien<br />
Ausf<strong>ü</strong>hrende<br />
bestimmende<br />
Kriterien<br />
Ressourcenbestimmende<br />
Kriterien<br />
Produktkonzipierung<br />
Projektdimensionierung/<br />
-strategie<br />
UnternehmensspezifischerInnovationsprozess<br />
ProjektspezifischerInnovationsprozess<br />
Tatsächlicher<br />
Produkterfolg<br />
Tatsächlicher<br />
Projekterfolg<br />
Abb. 4: Einordnung des Kriterienkatalogs in einen kontingenztheoretischen Bezugsrahmen (Thiel 200 ).<br />
Die konstituierenden Kriterien bestimmen die Bestandteile des Produktinnovationsprozesses<br />
(PIP), d.h. die in den Prozess aufzunehmenden Innovationsphasen und die in den Phasen auszu-<br />
f<strong>ü</strong>hrenden Aktivitäten. Zu dieser Kriteriengruppe zählen z.B. die Art des Innovationsobjektes (z.B.<br />
Produkt, Dienstleistung, Prozess/Verfahren), die Wertschöpfungstiefe des Unternehmens und die<br />
beteiligten Fachdisziplinen. Letztere sind durch die Branche bereits im Grundsatz festgelegt.<br />
Die ordnenden Kriterien bestimmen die Reihenfolge in der die Innovationsphasen im PIP an-<br />
geordnet sind. In Anlehnung an das Konzept von Backhaus (2003, S. 299ff.) werden hier nach<br />
der Spezifität der Leistung, Anzahl der Käufer und Charakteristik des Kaufprozesses vier Ge-<br />
schäftstypen unterschieden: Das Produkt-, Anlagen-, Zulieferer- und Systemgeschäft. Sie unter-<br />
scheiden sich in der Anordnung ihrer Phasen im PIP. Im Anlagengeschäft z.B. erfolgt die Auftrags-<br />
erteilung vor der eigentlichen kundenspezifischen Entwicklung und Fertigung, während beim<br />
Produktgeschäft das Innovationsobjekt auf der Basis von Recherchen zu einem anonymen Kun-<br />
densegment zunächst gefertigt und erst anschließend die Auftragsabwicklung erfolgt.<br />
Die ausf<strong>ü</strong>hrungsbestimmenden Kriterien haben einen Einfluss auf die Dauer der Aktivitäten und<br />
ihre inhaltliche Ausrichtung. Wesentliche Einflussgröße ist hier die Unsicherheit, die mit der spe-<br />
zifischen Entwicklungsaufgabe in Zusammenhang steht. Bestimmungsgrößen der Unsicherheit<br />
sind in Anlehnung an Thom (1980, S. 31) der Neuheitsgrad einer spezifischen Entwicklungs-<br />
Fortsetzung von Seite 3<br />
Podolny, J. M./Stuart T.E., A Role-Based Ecology of<br />
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Piller, F.T., Von Open Source zu Open Innovation, in:<br />
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D<strong>ü</strong>sseldorf, 2008.<br />
Reichwald, R./Piller, F.T., Interaktive Wertschöpfung:<br />
Open Innovation, Individualisierung und neue Formen<br />
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Riggs, W./von Hippel, E., Incentives to innovate and<br />
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Thom, N., Grundlagen betrieblichen Innovationsmanagements,<br />
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213.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
3 management L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement<br />
summary<br />
Open Innovation is a new ap-<br />
proach to obtain external know-<br />
ledge. But when they have to<br />
integrate it into the innovation<br />
process most companies fail.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
aufgabe (Ausmaß der Neuheit der Elemente), die Komplexität (Anzahl, Verschiedenartigkeit, Ver-<br />
kn<strong>ü</strong>pftheit von Elementen) sowie die Dynamik (Anzahl, Häufigkeit, Stärke, Regelmäßigkeit von<br />
Änderungen). Unterkriterien dieser Dimensionen sind auf verschiedenen Ebenen zu finden: im<br />
Unternehmen und in seiner Umwelt sowie im Innovationsprojekt und dessen Ergebnis, d.h. im<br />
Produkt. Aus der projektspezifischen Bewertung dieser Dimensionen ergeben sich Entwick-<br />
lungsaufgaben mit unterschiedlichen Unsicherheitsgraden, die sich in einem unterschiedlichen<br />
Einsatz von Innovations- und Wissensmanagementmethoden ausdr<strong>ü</strong>cken. Im Wesentlichen be-<br />
trifft dies z.B. die inhaltliche Ausrichtung auf markt- oder technikorientierte Methoden sowie ex-<br />
plorativer oder quantitativer Methoden.<br />
Mit Hilfe der ressourcenbestimmenden Kriterien werden schließlich die Anwendungsvorausset-<br />
zungen einer Methode mit den f<strong>ü</strong>r ein Projekt in einem bestimmten Unternehmen vorhandenen<br />
Möglichkeiten abgeglichen. In dieser Kriteriengruppe wird unterschieden in personengebundene<br />
und nicht-personengebundene Kriterien. Zu Ersteren zählen Kriterien wie Know-how-Vorausset-<br />
zungen, -Stand, -Weiterentwicklungspotenzial und -Akzeptanz. Zu Letzteren gehören Kriterien<br />
wie Aufgabenfristigkeit, unterst<strong>ü</strong>tzende Materialien, IT-Umsetzbarkeit und Organisationsverän-<br />
derung.<br />
Das 3W-Konzept<br />
WiPro, das zur Unterst<strong>ü</strong>tzung des klassischen Innovationsmanagements entwickelt wurde, gibt<br />
zum einen Empfehlungen, wann im Produktinnovationsprozess welche Methoden eingesetzt<br />
werden können, zum anderen werden durch eine bedarfsgerechte Wissensvermittlung – von<br />
multimedialen Methodenpräsentationen bis hin zu ausf<strong>ü</strong>hrlichen, mehrseitigen Anleitungen und<br />
Checklisten - Hinweise gegeben, wie die Methoden angewendet werden können. Abbildung 5<br />
zeigt zusammenfassend das dreistufige Vorgehenskonzept von WiPro.<br />
1. Stufe:<br />
Prozessablauf<br />
„Wann“<br />
Abb. : Das 3W-Konzept von WiPro.<br />
Wissen<br />
Innovationsprojekt<br />
Prozess-<br />
Fragebogen<br />
2. Stufe:<br />
Methodenauswahl<br />
„Welche“<br />
3. Stufe:<br />
Methodenanwendung<br />
„Wie“<br />
Methode Kurzbeschreibung Durchf<strong>ü</strong>hrung<br />
Brainstorming<br />
Yellow P ages<br />
Conjoint-<br />
Analyse<br />
+<br />
Brainstorming ist eine Methode zur Ideengenerierung innerhalb einer Gruppe. Um eine Lösung zu einer bestimmten Problemstellung zu finden, wird das Wissen von mehreren<br />
Personen genutzt. Es eignet sich besonders f<strong>ü</strong>r einfache, klare Fragestellungen. Dabei sollen <strong>ü</strong>bliche Denkschemata verlassen werden.<br />
Gelbe Seiten sind eine besondere Form der Wissenskarten, die den Mitarbeitern als Wegweiser zu den f<strong>ü</strong>r ihre Arbeit relevanten Wissensträgern dienen. Die G elb e n S e i t e n<br />
enthalten folgenden Mitarbeiter-Informationen: Name, Bereich/Abteilung/Gruppe …<br />
Die C onjoint-Analyse umfasst eine Zahl von statistischen Verfahren um mit Hilfe von Probandenbefragungen und Marktanalysen, bestimmte Produkte und Dienstleistungen zu<br />
bewerten. Ziel ist es die Produktentwicklung an den Kundenbed<strong>ü</strong>rfnissen auszurichten …<br />
Das Brainstorming sollte nach 4 Regeln durchgef<strong>ü</strong>hrt werden: 1. Jegliche Kritik oder Wertung von Vorschlägen gehört in eine gesonderte Bewertungsphase am Ende<br />
des Brainstormings.2. Ideen anderer Teilnehmer sollen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. 3. Jeder Teilnehmer …<br />
Die Verzeichnisse m<strong>ü</strong>ssen laufend aktualisiert werden. Diese Verzeichnisse werden meist im Intranet der Unternehmen gepflegt, wobei jeder einzelne Mitarbeiter /<br />
Vorgesetze seine persönlichen Qualifikationen und Kenntnisse aktualisieren kann/soll …<br />
1. Auswahl der relevanten Produktmerkmale 2. Festlegung der Merkmalsausprägung 3. Auswahl der Datenerhebungstechnik 4. Durchf<strong>ü</strong>hrung der Datenerhebung 5.<br />
Schätzung der Teilnutzwerte 6. A ggregation der Teilnutzwerte zu einem Gesamtnutzwert<br />
Methoden-<br />
Fragebogen<br />
Wann: WiPro ermittelt auf Basis einer fragebogengest<strong>ü</strong>tzten, zweistufigen Selbstanalyse zu-<br />
nächst die innovationsprojektspezifische Ablaufstruktur (Prozess-Fragebogen) sowie die zur<br />
Förderung des Projekterfolges in Frage kommenden, Innovations- und Wissensmanagementme-<br />
thoden (Methoden-Fragebogen). Mit Hilfe des Prozess-Fragebogens wird zunächst der projekt-<br />
spezifische Innovationsprozess f<strong>ü</strong>r das betrachtete Innovationsprojekt konfiguriert. Je weniger<br />
f<strong>ü</strong>r die Hervorbringung, Umsetzung und Einf<strong>ü</strong>hrung des neuen Produktes auf im Unternehmen<br />
+<br />
+
L<strong>ü</strong>ttgens/Gross – Open Innovation trifft Innovationsmanagement management 3<br />
− z.B. in Form vorhandener Produktideen, Grob- und Feinkonzepte oder Prototypen − bereits<br />
vorhandenes Wissen, zur<strong>ü</strong>ckgegriffen werden kann, desto mehr Aktivitäten m<strong>ü</strong>ssen in dem be-<br />
treffenden Innovationsprozess durchgef<strong>ü</strong>hrt werden, um die Wissensl<strong>ü</strong>cke zu schließen.<br />
Ergebnis dieser ersten fragebogengest<strong>ü</strong>tzten Prozesskonfiguration ist ein projektspezifischer<br />
Innovationsprozess mit einem Vorschlag prinzipiell geeigneter Methoden des Wissensmanage-<br />
ments zur Unterst<strong>ü</strong>tzung der einzelnen Aktivitäten.<br />
Welche: Auch die Anzahl der prinzipiell geeigneten Methoden kann mit Hilfe eines Fragebogens<br />
in ein Ranking gebracht werden. Der WiPro-User kann durch die Beantwortung verschiedener<br />
Fragen einen Filter setzen. Durch die Angabe der zur Verf<strong>ü</strong>gung stehenden Ressourcen und der<br />
Anwendungsbed<strong>ü</strong>rfnisse werden dem WiPro-Nutzer die Methoden in Form einer Topliste prä-<br />
sentiert. Zusätzlich werden Methoden, die aufgrund der im Fragebogen ausgewählten Ressour-<br />
cen nicht durchf<strong>ü</strong>hrbar sind als „ausgeschlossen“ angezeigt. Der Filter kann dann durch den<br />
WiPro-User jederzeit neu gesetzt werden, falls sich die zur Verf<strong>ü</strong>gung stehenden Ressourcen<br />
oder Durchf<strong>ü</strong>hrungsbedingungen ändern sollten.<br />
Wie: Die darauf folgende Wissensvermittlung <strong>ü</strong>ber die ausgewählten Methoden erfolgt in meh-<br />
reren Stufen, die der Nutzer je nach den eignen Bed<strong>ü</strong>rfnissen selbst bestimmen kann: Von einer<br />
dreizeiligen Definition <strong>ü</strong>ber eine einseitige Kurzbeschreibung bis hin zu mehrseitigen detaillier-<br />
ten Anwendungsanleitungen und multimedialen Präsentationen.<br />
WiPro f<strong>ü</strong>hrt seine Nutzer auf diese Weise Schritt f<strong>ü</strong>r Schritt durch einen „maßgeschneiderten“<br />
Innovationsprozess. Unterst<strong>ü</strong>tzt durch multimediale Präsentationen, ausf<strong>ü</strong>hrliche Anwendungs-<br />
Leitfäden und -Checklisten sowie Tutorial und Glossar zum wissensbasierten Innovationsma-<br />
nagement können Entscheider das vorgeschlagene Vorgehen im eigenen Unternehmen direkt<br />
umsetzen. Weiterhin besteht f<strong>ü</strong>r die Nutzer die Möglichkeit, WiPro bedarfsgerecht anzupassen:<br />
Zum einen können die im Unternehmen verwendeten Begrifflichkeiten in WiPro <strong>ü</strong>bernommen<br />
werden und zum anderen kann durch das Hochladen eigener Dokumente und Checklisten jede<br />
Methode individuell erweitert und angepasst werden.<br />
Fazit<br />
Viele Unternehmen scheitern an der Umsetzung des Open Innovation Ansatzes, da sie diesen<br />
nicht in ihr bereits etabliertes Innovationsmanagement integrieren können. Kritische Erfolgsfak-<br />
toren hierbei sind:<br />
u Auswahl und Anwendung geeigneter Methoden,<br />
u Integration des externen Wissens in die Wissensbasis,<br />
u Einbettung in den projektspezifischen Innovationsprozess.<br />
WiPro als Werkzeug zur Unterst<strong>ü</strong>tzung des klassischen Innovationsmanagements hilft Entschei-<br />
dungsträgern in Innovationsprojekten zum einen den geeigneten Innovationsprozess zu konfi-<br />
gurieren und zum anderen geeignete Methoden auszuwählen, zu erlernen und schließlich im<br />
Unternehmen anzuwenden. Hierdurch wird die Umsetzung des Open Innovation Ansatzes er-<br />
leichtert. WiPro schlägt dem Entscheidungsträger geeignete Methoden zur Beschaffung und In-<br />
tegration von externem Wissen vor und hilft durch die Konfiguration des Innovationsprozesses<br />
diese situationsspezifisch anzuwenden. WiPro ist ein Instrument, das Unternehmen in die Lage<br />
versetzt Open Innovation ins klassische Innovationsmanagement zu integrieren und so die Vor-<br />
teile des Open Innovation f<strong>ü</strong>r sich nutzbar zu machen.<br />
Kontakt:<br />
Dipl.-Kfm. Dirk L<strong>ü</strong>ttgens<br />
Lehrstuhl f<strong>ü</strong>r Betriebswirtschaftslehre<br />
Technologie- und Innovationsmanagement<br />
Templergraben 4<br />
20 2 Aachen<br />
Tel.: +4 241 80- 3 11<br />
Fax: +4 241 80- 23<br />
luettgens@tim.rwth-aachen.de<br />
www.tim.rwth-aachen.de<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
38 forschungsinformation I<br />
forschungsinformation<br />
neue Wissenschaftsmanagement-serie<br />
Mit diesem Heft startet Wissenschaftsmanagement gemeinsam mit dem Institut f<strong>ü</strong>r Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ)<br />
eine Serie mit dem Ziel, den State-of-the-Art zum Thema Forschungsinformationssysteme zu skizzieren.<br />
Im Zuge der Internationalisierung von Forschung und angesichts der gesteigerten Nachfrage nach einer qualitativen Bewertung von For-<br />
schungsleistung ist der Bedarf an aussagekräftigen und belastbaren Daten enorm gestiegen. Forschungsinformationen bilden die Grund-<br />
lage f<strong>ü</strong>r wissenschaftlichen Austausch − auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Gleichzeitig können sie f<strong>ü</strong>r Evaluierungen,<br />
f<strong>ü</strong>r Rankings und Ratings die entscheidenden Bewertungskriterien liefern. Nicht zuletzt der Open-Access-Ansatz hat den Blick auf und die<br />
Anforderungen an Forschungsinformation verändert.<br />
Im Anschluss an einen einleitenden Artikel werden in den kommenden Heften namhafte Experten die folgende Aspekte des Themas be-<br />
leuchten: Forschungsinformationssysteme an Hochschulen; Akzeptanz, Erfahrung mit und Nutzung von Forschungsdatenbanken; Vernet-<br />
zung, Informationsportale, Advanced Techniques; Open Access Repositories.<br />
Wir w<strong>ü</strong>nschen Ihnen eine informative Lekt<strong>ü</strong>re!<br />
Ihre Redaktion Wissenschaftsmanagement<br />
wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008<br />
J<strong>ü</strong>rgen Krause<br />
Informationssysteme zu Forschungsprojekten<br />
und Evaluationsforschung<br />
Neue Anforderungen und Synergien<br />
informationssysteme zu forschungsprojekten − „current research information sys-<br />
tems“ (cris) − haben eine lange tradition. in europa dr<strong>ü</strong>ckt sich diese am besten durch<br />
die vereinigung eurocris aus, die mittlerweile seit 16 Jahren regelmäßig internationale<br />
Konferenzen zu den aktuellen themen von cris abhält (adamczak/nase 2002, asserson/<br />
simons 2006, Magalhaes et al. 2006). forschungsinformation dient heute mehr und mehr<br />
auch dazu, Datengrundlagen f<strong>ü</strong>r die Leistungsbemessung zu generieren.<br />
Die in den regelmäßigen Konferenzen widergespiegelte Entwicklung der Leitgedanken bei Auf-<br />
bau und Betrieb von Forschungsinformationssystemen und die Beobachtung der bestehenden<br />
Systeme zeigen, dass CRIS heute ein etabliertes und in seinen Produkten ausgereiftes Ent-<br />
wicklungsgebiet ist. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher CRIS in den einzelnen europäischen<br />
Ländern; die Standardisierung und Harmonisierung sind weit fortgeschritten; es gibt Datenaus-<br />
tauschformate und eine gut funktionierende Infrastruktur zur Verbreitung der CRIS-Informa-<br />
tionen <strong>ü</strong>ber das Web.<br />
Aktuelle Fragestellungen, die zwar erkannt sind, f<strong>ü</strong>r deren Beantwortung aber weiterhin einige<br />
Entwicklungsarbeit zu leisten ist, betreffen vor allem den Überstieg traditioneller technologischer<br />
Basissysteme, die in der Regel auf zentrale (relationale) Informationssysteme ausgelegt sind, in
die neue Welt der Web-Suchmaschinen wie z. B. FAST und die Herausforderung einer weltweiten<br />
Vernetzung der CRIS-Daten mit anderen Informationstypen (Text-Faktenintegration, Verbindung<br />
zu Literaturdatenbanken und Primärdaten, Verkn<strong>ü</strong>pfung mit Expertendateien u.ä.; siehe Krau-<br />
se 2006, Stempfhuber 2006). Ein Beispiel f<strong>ü</strong>r diese Entwicklung ist das sozialwissenschaftliche<br />
Fachportal sowiport (www.sowiport.de) im Rahmen von vascoda (www.vascoda.de).<br />
F<strong>ü</strong>r CRIS ergeben sich jedoch, <strong>ü</strong>ber diese – erkannten und diskutierten – Entwicklungsgebiete<br />
hinaus, weitergehende Veränderungen und ein Anpassungsdruck hin zu neuen, innovativen Lö-<br />
sungen. Impulsgebend ist hier die Bedeutung von CRIS f<strong>ü</strong>r die Qualitätssicherung der Wissen-<br />
schaftssysteme (Hornbostel 2006). Europaweit wird der Evaluation von wissenschaftlichen Leis-<br />
tungen, von Forscherinnen und Forschern ebenso wie von wissenschaftlichen Einrichtungen eine<br />
hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Drittmittelprojekte und interne Projektaktivitäten einschließlich<br />
ihrer (Open-Access-) Erstpublikationen neuer Ergebnisse spielen schon heute bei den <strong>ü</strong>ber-<br />
wiegend peer-gesteuerten qualitativen Verfahren der Evaluation eine große Rolle. Es ist davon<br />
auszugehen, dass sich der Trend zur flächendeckenden Evaluation in allen wissenschaftlichen<br />
Fachgebieten in den nächsten Jahren noch deutlich verstärken wird.<br />
Mittelfristig verspricht die Vernetzung des Fachgebiets der Evaluationsforschung mit CRIS erheb-<br />
liche Synergieeffekte und ein großes Veränderungspotenzial f<strong>ü</strong>r die gegenwärtigen Formen. CRIS<br />
aufzubauen und zu verbreiten. Zwei mögliche Synergieeffekte zeigen dies besonders deutlich.<br />
Scientometrische, evaluationsrelevante Maßzahlen und „information retrieval“<br />
Die Experten sind sich heute darin einig, dass die bisher verwendeten quantitativen Leistungs-<br />
indikatoren bei Evaluationen nicht ausreichen, den Besonderheiten der Leistungsmessung von<br />
Wissenschaftlern gerecht zu werden, besonders hinsichtlich der Unterschiede zwischen den ein-<br />
zelnen Wissenschaftsdisziplinen (Neidhardt 2006). Deshalb werden jetzt komplexe Maßzahlen<br />
angestrebt, wie sie in einem anderen Kontext die Scientometrie zur Verf<strong>ü</strong>gung stellt. Eine solche<br />
umfassendere Datengewinnung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu beitragen, Portalsoft-<br />
ware durch die zusätzlichen Informationen, aber auch durch neuartige intelligente Werkzeuge<br />
der Recherche zu verbessern. Ein Beispiel f<strong>ü</strong>r diesen synergetischen Zusammenhang in Bezug<br />
auf Literatur- und Forschungsprojektdatenbanken sind Autoren-Netzwerke (Mutschke 2004).<br />
Sie errechnen die Struktur von Kooperationen der wissenschaftlichen Akteure und ihre strate-<br />
gische Position (Wichtigkeit, Einfluss) durch netzwerkanalytische Verfahren. Urspr<strong>ü</strong>nglich als<br />
bibliometrische Maßzahlen entwickelt und heute f<strong>ü</strong>r Evaluationszwecke genutzt (siehe Mutsch-<br />
ke/Stahl 2005), werden sie z. B. in infoconnex (www.infoconnex.de) als zusätzliche Suchkom-<br />
ponente eines intelligenten „information retrievals“ eingesetzt. Der Mehrwertdienst infoconnex<br />
von vascoda erlaubt die interdisziplinäre Suche <strong>ü</strong>ber die Fachgebiete Bildung, Psychologie und<br />
Sozialwissenschaften und bereitet sie durch spezifische Mapping-Komponenten speziell f<strong>ü</strong>r die<br />
Interdisziplinarität auf. Findet ein Benutzer mit seinen Suchbegriffen zu wenig Nachweise, kann<br />
er die Suche auf das Autorennetzwerk eines zentralen Autors dieses Bereichs ausdehnen bzw.<br />
die Zugehörigkeit zu diesem Netzwerk durch eine höhere Gewichtung der dort aufzufindenden<br />
Deskriptoren nutzen. Dies f<strong>ü</strong>hrt – wie in infoconnex nachvollziehbar – bei bestimmten Such-<br />
konstellationen zu einer Verbesserung der Ergebnisliste.<br />
Fachevaluation und Selbstmeldung der Wissenschaftler<br />
Werden CRIS-Daten f<strong>ü</strong>r Evaluationen herangezogen, ergibt sich das gleiche Problem wie bei der<br />
Auswertung von Literaturdatenbanken: Die (nationale und internationale) Vollständigkeit kann<br />
forschungsinformation I 3<br />
Literatur<br />
Adamczak, W./Nase, A. (eds.), Gaining Insight from<br />
Research Information: Proceedings of the th International<br />
Conference on Current Research Information<br />
Systems, University of Kassel, August 2 -31, 2002.<br />
Kassel 2002.<br />
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Magalhães, de S. T./Santos, L./Stempfhuber, M./Fugl,<br />
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Mutschke, P., Autorennetzwerke: Netzwerkanalyse<br />
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(ISI 2004), Chur, .-8. Oktober 2004.<br />
Konstanz 2004, S. 141-1 2.<br />
Mutschke, P./Stahl, M., Kooperationsnetzwerke und<br />
Akteurszentralität im Forschungsfeld Bildung, in:<br />
Engel, U. (Hrsg.), Bildung und soziale Ungleichheit:<br />
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CRIS-IR 200 . Proceedings of the International Workshop<br />
on Information Retrieval on Current Research<br />
Information Systems. Copenhagen, Denmark, th November<br />
200 . Minho (Portugal) 200 , pp. 2 - 1.<br />
wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008
40 forschungsinformation I<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. J<strong>ü</strong>rgen Krause<br />
Stellvertretender Präsident GESIS<br />
Leiter der Abteilung<br />
Informationszentrum Sozialwissenschaften<br />
Lennéstraße 30<br />
3113 Bonn<br />
Tel.: +4 228 2281-14<br />
Telefax: +4 228 2281-121<br />
E-Mail: juergen.krause@gesis.org<br />
www.gesis.org/iz<br />
wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008<br />
f<strong>ü</strong>r eine instituts- und personenbezogene Bewertung bei den heutigen Systemen nicht gewähr-<br />
leistet werden. Konkret liegt bei CRIS eine Schwierigkeit im unzureichenden Meldeverhalten der<br />
Wissenschaftler. Auch angesichts des großen Aufwands etwa von Fragebogenaktionen und pa-<br />
ralleler intellektueller Sichtung durch den Vergleich mit Webauftritten wissenschaftlicher Institu-<br />
tionen verbleiben L<strong>ü</strong>cken, die f<strong>ü</strong>r die Qualitätssicherung zu groß sind. Daran ändert die Tatsache<br />
nichts, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihrer Informationssuche f<strong>ü</strong>r Lehre<br />
und Forschung mit den in CRIS enthaltenen Angeboten meist zufrieden sind.<br />
Es liegt auf der Hand, dass sich die Vollständigkeit der erfassten Informationen deutlich erhöhen<br />
ließe, wenn die Wissenschaftler die Erschließungsarbeit in Teilbereichen eigenverantwortlich und<br />
zuverlässig <strong>ü</strong>bernehmen w<strong>ü</strong>rden. Diese Grundidee ist so alt wie die Information und Dokumenta-<br />
tion selbst. Die meisten CRIS arbeiten deshalb mit einer umfragegest<strong>ü</strong>tzten Erhebungsstrategie.<br />
Sie scheitert aber in Bezug auf die Vollständigkeit der Daten in der Regel an dem fehlenden bzw.<br />
im Zeitverlauf erlahmenden Willen der Wissenschaftler, diese Aufgabe zu <strong>ü</strong>bernehmen.<br />
Aus heutiger Sicht ergeben sich durch die Verbreitung fachbezogener Evaluationen neue Mög-<br />
lichkeiten, die mehr Erfolg versprechen. Sind CRIS-Daten anerkannte und eingesetzte Leis-<br />
tungsindikatoren und gelingt es CRIS-Systemen, diesen Baustein der Evaluation zu unterst<strong>ü</strong>tzen<br />
und iterativ die Ergebnisse der Selbstmeldungen der Wissenschaftler im Evaluationskontext f<strong>ü</strong>r<br />
die CRIS-Systeme zu nutzen, ist ein wesentlicher Schritt zur Leistungsverbesserung f<strong>ü</strong>r beide<br />
Systeme – Evaluation und CRIS – erreicht. Da die Ergebnismeldungen f<strong>ü</strong>r Evaluationen direkten<br />
– auch finanziellen – Einfluss auf die weitere Arbeit der Wissenschaftler haben werden, könnte<br />
in der Zukunft von einem annähernd „idealen“ Meldeverhalten und somit von validen Daten<br />
ausgegangen werden. Entsprechendes gilt f<strong>ü</strong>r die Literaturdatenbanken.<br />
Fazit<br />
K<strong>ü</strong>nftige „Current Research Information Systems“ (CRIS), die einerseits wie bisher Informations-<br />
quelle f<strong>ü</strong>r die wissenschaftliche Forschung und Lehre sind, andererseits aber auch als Basis zur<br />
Bestimmung von Leistungsindikatoren einer Evaluation dienen, werden sich im Systemaufbau und<br />
partiell auch in den Inhalten von den heutigen Systemen unterscheiden. Die Synergie zwischen bei-<br />
den Verwendungskontexten − Erhebung zur Information und Evaluation − verspricht bessere Leis-<br />
tungen f<strong>ü</strong>r beide Bereiche. Sollten CRIS mit „open access repositories“ der Forschungsberichte und<br />
ggf. auch des inhaltichen Teils der Projektanträge erweitert werden, w<strong>ü</strong>rde <strong>ü</strong>ber die in den Daten-<br />
sammlungen offen zugänglichen Projektberichte der Open-Access-Gedanke insgesamt gestärkt.
Daniela De Ridder, Hannah Leichsenring<br />
und Thimo von Stuckrad<br />
Diversity Management<br />
Der Begriff Diversity Management (DiM) bezeichnet urspr<strong>ü</strong>nglich einen ansatz des Per-<br />
sonal- und Kommunikationsmanagements, der von der produktiven vielfalt der attribute<br />
der Mitglieder einer organisation ausgeht und diese heterogenität zum individuellen und<br />
zum vorteil der organisation nutzt. Klassische heterogenitätskategorien sind sozioöko-<br />
nomische und Bildungshintergr<strong>ü</strong>nde, Geschlecht, sprache und kulturelle und religiöse<br />
Differenz.<br />
In der klassischen betriebswirtschaftlichen Lesart zielte Diversity Management zunächst auf die<br />
Entwicklung von Instrumenten, die bei der Verminderung von differenzbedingten individuellen<br />
Defiziten helfen (z.B. Integrationsmaßnahmen). Es ging also zunächst um die Integration hete-<br />
rogener AkteurInnen und Akteursgruppen in homogene (oder homogen wahrgenommene) Or-<br />
ganisationszusammenhänge. Mit starkem politischen Willen wurden beispielsweise in den USA<br />
die ‚Affirmative Action’-Programme initiiert, die vor allem Frauen und ethnischen Minderheiten<br />
adressierten. Der Begr<strong>ü</strong>ndungszusammenhang der „sozialen Gerechtigkeit“ provozierte jedoch<br />
nach einiger Zeit Widerspruch von Personen, die sich durch den Ausschluss aus diesen Pro-<br />
grammen diskriminiert sahen, und stellte dadurch den Ansatz insgesamt in Frage.<br />
Moderne DiM-Programme wollen den defizitorientierten Ansatz vermeiden, indem Diversität als<br />
eine Ressource f<strong>ü</strong>r Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung angesehen und eingesetzt wird.<br />
Ausgehend von der Beobachtung, dass die Anforderungen an die Leistungen einer Organisa-<br />
tion immer vielfältiger werden, soll durch Vielfalt innerhalb ihrer Mitglieder mehr „Problemlö-<br />
sungspotenzial“ bereit gestellt und damit der Organisationszweck besser erreicht werden. Aus<br />
institutionellen Zielsystemen werden heterogenitätsbezogene Veränderungsbedarfe abgeleitet,<br />
Analyseraster definiert, problembezogene Instrumente entwickelt, so dass Diversity Manage-<br />
ment wesentliche strategische Relevanz auf unterschiedlichen organisationalen Ebenen erhält.<br />
Der spezifische Vorzug von Instrumenten des Diversity Management besteht darin, dass eine<br />
praktische Konkordanz zwischen gesellschaftspolitischen – wie z.B. dem Abbau von Diskrimi-<br />
nierungen im Wirtschaftssystem – und unternehmerischen Zielen – insbesondere die Erhöhung<br />
der Produktivität und Innovationskraft – hergestellt werden kann.<br />
De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management weiterbildung 41<br />
Heterogenität findet sich auch in und zwischen allen Mitgliedergruppen der Organisation Hoch-<br />
schule. Diversity Management an Hochschulen ist sowohl mit Bezug auf den klassischen An-<br />
wendungsbereich des Personalmanagements als auch in Bezug auf verschiedene Zielgruppen<br />
(u.a. Studierende) von Relevanz. Instrumente des Diversity Management zielen entweder auf die<br />
Nivellierung von differenzbegr<strong>ü</strong>ndeten Schwellen oder auf die Akzentuierung von Vielfalt (z.B:<br />
in Forschungsgruppen) zur Nutzung von Leistungsreserven. Moderne, strategiegekoppelte DiM-<br />
Ansätze fallen an Hochschulen auf fruchtbaren Boden, denn sie entsprechen dem im Hochschul-<br />
system beobachtbaren Trend zur Stärkung strategiegeleiteter institutioneller Managementstruk-<br />
turen und sind sowohl mit den politischen Anforderung einer möglichst weitgehenden Öffnung<br />
der Hochschulen („Bildungsgerechtigkeit“) als auch mit einer Exzellenzorientierung kompatibel.<br />
a K t u e L L e r B e G r i f f<br />
Diversität ist eine Ressource f<strong>ü</strong>r Innovationsfähigkeit<br />
– auch in der Wissenschaft. Deshalb sollte Diversity<br />
Management im Leitbild einer Hochschule fest<br />
verankert sein.<br />
Foto: Peter Albaum/JOKER<br />
wissenschaftsmanagement 2 • mai/juni • 2008
42 weiterbildung De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit und mit der Einsicht, dass wissenschaftliche Nach-<br />
wuchsförderung mit dem Studium beginnt, ist Diversität f<strong>ü</strong>r die deutschen Hochschulen im Be-<br />
reich des Studierendenrecruitments kein neues Thema: Programme wie BAföG und Härtefall-<br />
regelungen waren von Anfang an dazu gedacht, Gruppen mit abweichenden sozioökonomischen<br />
und Bildungsvoraussetzungen Chancengleichheit zu ermöglichen und damit Leistung als hinrei-<br />
chende Bedingung f<strong>ü</strong>r Bildungsteilnahme und Studienerfolg zu etablieren. Die Wirksamkeit die-<br />
ser Ansätze wurde indes nicht konsequent evaluiert und j<strong>ü</strong>ngste Erkenntnisse legen nahe, dass<br />
weiterhin Verzerrungen bei der Bildungsteilnahme nach klassischen Heterogenitätskategorien<br />
herrschen.<br />
Diversity Management an Hochschulen muss als institutionelles strategisches Management<br />
angelegt sein, das problemorientiert vorgeht: Fragestellungen m<strong>ü</strong>ssen auf Verzerrungen durch<br />
Heterogenitätsmerkmale hin analysiert und geeignete Instrumente entwickelt werden. Denkbar<br />
ist auch, dass eine Hochschule im Zuge ihrer Profilbildung Diversität zum <strong>ü</strong>bergreifenden strate-<br />
gischen Ziel erklärt und Managementinstrumente entsprechend ausrichtet. Diversität verspricht<br />
Vorteile sowohl f<strong>ü</strong>r den institutionellen Output als auch f<strong>ü</strong>r die Organisationskultur:<br />
u Problemlösungskompetenz: innovativere und kreativere Problemlösungen durch heterogene<br />
Gruppen (analog zum wissenschaftlichen Methodenpluralismus),<br />
u Kostensenkung durch Steigerung von Motivation und Zufriedenheit der Minderheiten sowie<br />
Reduktion von Reibungsverlusten und Diskriminierungen,<br />
u Flexibilität: flexiblerer Umgang mit Umweltveränderungen durch Abbau des Konformitäts-<br />
drucks und Reduktion der „Betriebsblindheit“,<br />
u Marketing: Diversität als Voraussetzung, sich auf die W<strong>ü</strong>nsche der Kundschaft einzustellen.<br />
Eine Grundvoraussetzung f<strong>ü</strong>r Vielfalt an der Hochschule ist das Leistungsgebot: Knappe Res-<br />
sourcen wie Studienplätze und Stipendien, Beschäftigungsverhältnisse oder Professuren m<strong>ü</strong>s-<br />
sen nach (wissenschaftlicher) Leistung und inhaltlich-strategischer Passung vergeben werden,<br />
es gilt das Qualitäts- und Qualifikationsgebot. Es ist jedoch bekannt, dass das Leistungsgebot<br />
durch Verfahren und Strukturen vielfach unterlaufen wird, und dies zumeist zuungunsten be-<br />
stimmter Gruppen: So ist bekannt, dass beispielsweise Sch<strong>ü</strong>lerInnen aus bildungsfernen oder<br />
sozial schwachen Familien deutlich seltener ein Studium aufnehmen, Personen mit Migra-<br />
tionshintergrund mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit das Studium abbrechen und beide<br />
Personenkreise seltener eine wissenschaftliche Karriere anstreben als Kinder aus akademisch<br />
geprägten Haushalten. Bekannt ist auch die sinkende Zahl von Frauen bei fortschreitender Wis-<br />
senschaftskarriere. F<strong>ü</strong>r den deutschen Kontext kommt erschwerend hinzu, dass die stärksten<br />
Exklusionsmechanismen bereits in unserem stark selektierenden Schulsystem greifen.<br />
Anders als die bisherigen Ansätze zur Unterst<strong>ü</strong>tzung benachteiligter Gruppen erfordert Diversity<br />
Management einen stringenten Wandel in den Strukturen und Verfahren der Hochschulen selbst.<br />
Um nicht in einen Katalog kleinteiliger und unzusammenhängender Maßnahmen zu m<strong>ü</strong>nden,<br />
muss Diversität in das Zielsystem der Hochschule eingepasst werden. Abhängig von einer spezi-<br />
fischen strategischen Zielstellung − etwa Studierendengewinnung, Senkung der Abbruchquoten,<br />
die Gewinnung exzellenter NachwuchswissenschaftlerInnen oder die Einhaltung internationaler<br />
Standards (bspw. anhand Gender Action Plans) − muss ein Analyseprogramm definiert werden,<br />
das heterogenitätsbedingte Verzerrungen auf einer bestimmten Ebene (Hochschule, Fachbe-<br />
reiche, einzelne Studiengänge etc.) sichtbar macht und so eine problemorientierte Umsetzung<br />
von Maßnahmen ermöglicht.
De Ridder/Leichsenring/von Stuckrad – Diversity Management weiterbildung 43<br />
Zu den operativen Umsetzungen eines solchen Ansatzes gehören daher insbesondere:<br />
u die Verankerung in der Hochschulleitung (z.B. VizepräsidentIn als BeauftragteR),<br />
u ein Monitoring-System als Datengrundlage <strong>ü</strong>ber die derzeitige und die zuk<strong>ü</strong>nftige Entwick-<br />
lung der Vielfalt (Hochschulangehörige, BewerberInnen, im (inter-)nationalen Vergleich),<br />
u die Zuständigkeiten in der Organisation (Personalabteilung, F<strong>ü</strong>hrung in Hochschule, Verwal-<br />
tung und Fakultäten, Hochschulmarketing und -PR),<br />
u die Implementierung in bestehende Weiterbildungen und Trainings (f<strong>ü</strong>r Auswahl- und Beru-<br />
fungskommissionen, F<strong>ü</strong>hrungspersonal, didaktische Angebote...).<br />
Die Herausforderung f<strong>ü</strong>r ein Diversity Management besteht letztlich darin, die strategische Pla-<br />
nung unter Diversitätsgesichtspunkten zu bedenken. Ausgangspunkt muss es sein, Vielfalt als<br />
Teil der Hochschulkultur zu bejahen und zu einem wesentlichen strategischen Orientierungs-<br />
punkt zu machen.<br />
Die Anforderungen sind, abhängig von den gesetzten strategischen Zielen, vielfältig und betref-<br />
fen alle Ebenen der Hochschule. Beispielhaft zu nennen sind dabei folgende Bereiche und Maß-<br />
nahmen:<br />
organisations-, Leitungs- und entscheidungsstrukturen: Die Bandbreite möglicher Maßnahmen<br />
reicht von der Einrichtung eines Diversity-Ressorts im Präsidium/Rektorat bis hin zur Ber<strong>ü</strong>cksichtigung<br />
von Diversity-Aspekten bei der Mittelverteilung und Budgetplanung.<br />
Qualitätsentwicklung und -sicherung: Beginnend mit einem Monitoringsystem und einem<br />
entsprechenden Berichtswesen bis hin zur Entwicklung eines Diversity-Controlling.<br />
Diversity-aspekte können beim Studierendenrecruiting und bei Auswahlverfahren, bei der Anrechnung<br />
von beruflichen Kompetenzen oder Ausbildungsinhalten bis hin zur Studiengangs- und<br />
Modulgestaltung zum Tragen kommen. Notwendig sind flankierende Maßnahmen wie die Einrichtung<br />
von Service-, Beratungs- und Informationsangeboten (Studienberatung, Br<strong>ü</strong>ckenkurse<br />
zum wissenschaftlichen Arbeiten, Sprachangebote, Career Center, Beratungsangebote f<strong>ü</strong>r studierende<br />
Eltern, Informationsangebote zur Studienfinanzierung etc.).<br />
Kommunikation und hochschulmarketing: Das Selbstbild als Diversity-Hochschule muss<br />
nach außen wie nach innen hin vermittelt werden, sei es bei der Entwicklung der Corporate<br />
Identity, oder bei der internen Prozesstransparenz und -kommunikation.<br />
Personal- und Berufungswesen: Dieser Ursprungsbereich des Diversity-Managements muss<br />
auch bei Hochschulen im Sinne der Ermöglichung von Vielfalt weiterentwickelt werden. Sowohl<br />
im wissenschaftlichen als auch im Verwaltungsbereich m<strong>ü</strong>ssen die Prozesse und Strukturen der<br />
Personalauswahl, der Personalentwicklung, der internen Anreizsysteme sowie der Personalf<strong>ü</strong>hrung<br />
geeignet sein, Leistung zu fördern und Vielfalt zu ermöglichen.<br />
Die Herausforderung f<strong>ü</strong>r ein<br />
Diversity Management besteht<br />
letztlich darin, die strategische<br />
Planung unter Diversitätsgesichtspunkten<br />
zu bedenken. Ausgangspunkt<br />
muss es sein, Vielfalt als<br />
Teil der Hochschulkultur zu bejahen<br />
und zu einem wesentlichen<br />
strategischen Orientierungspunkt<br />
zu machen.<br />
Dr. Daniela De Ridder, Hannah Leichsenring und<br />
Thimo von Stuckrad sind bei CHE Consult in G<strong>ü</strong>tersloh<br />
tätig u.a. in den Bereichen Organisations- und<br />
Personalentwicklung, Fakultätsmanagement, Auswahlverfahren,<br />
Hochschulsteuerung, Familie in der<br />
Hochschule, Demografischer Wandel und Kapazitätsplanung<br />
im deutschen Hochschulsystem.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
44 buchbesprechung Olaf Bartz – Der Wissenschaftsrat<br />
Olaf Bartz<br />
Der Wissenschaftsrat<br />
Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />
in der Bundesrepublik Deutschland 1957–2007<br />
Geschichte<br />
Franz Steiner Verlag<br />
Bartz, Olaf: Der Wissenschaftsrat.<br />
Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />
in der Bundesrepublik Deutschland 1 -200<br />
Franz Steiner Verlag, Stuttgart 200 , 312 S,<br />
44,00 Euro, ISBN 8-3- 1 -0 0 4-2<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Olaf Bartz<br />
Der Wissenschaftsrat<br />
Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik<br />
in der Bundesrepublik Deutschland 1957-2007<br />
„Wissenschaftsgeschichte ist en vogue, Politikgeschichte wird laufend betrieben, aber<br />
studien zur Geschichte der Wissenschaftspolitik sind rar. Der vorliegende Band untersucht<br />
dieses Problemfeld f<strong>ü</strong>r die Bundesrepublik Deutschland entlang der Geschichte des<br />
1957 gegr<strong>ü</strong>ndeten Wissenschaftsrates, der seit f<strong>ü</strong>nfzig Jahren als einflussreiches, nach<br />
außen hin aber zur<strong>ü</strong>ckhaltendes Gremium agiert.“ Diese den einband zierenden Worte<br />
mögen als innere rechtfertigung des in der form der untersuchung einzigartigen Buches<br />
von olaf Bartz dienen. Das Werk bringt dem Leser jedoch nicht nur funktion und Wirkungsweise<br />
des Wissenschaftsrates näher, sondern bietet mehr: einen umfangreichen<br />
einblick in die einzelnen epochen deutscher hochschulentwicklung von 1945 bis heute.<br />
Der vorliegende Band ist eine erweiterte Fassung der Dissertationsschrift, mit der Olaf Bartz<br />
an der Universität zu Köln promoviert worden ist. Wer angesichts der in der Danksagung vom<br />
Autor angesprochenen DFG-Förderung des Bandes mit Blick auf mögliche Verquickungen von<br />
DFG und Wissenschaftsrat bef<strong>ü</strong>rchtet, ein eher unkritisches Werk in den Händen zu halten, wird<br />
enttäuscht. Bartz gelingt es, ein differenziertes Bild der Institution Wissenschaftsrat und der Auswirkungen<br />
seiner Empfehlungen zu zeichnen. Dass er sich hierbei auf die hochschulpolitischen<br />
Empfehlungen konzentriert und die außeruniversitäre Forschung, abgesehen von den Aktivitäten<br />
des Wissenschaftsrates im Zuge der Wiedervereinigung, ausklammert, erscheint angesichts des<br />
erheblichen Umfangs dieser Teilbereiche mehr als sinnvoll.<br />
Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel und orientiert sich an den f<strong>ü</strong>r den Wissenschaftsrat markanten<br />
Entwicklungslinien, die mit den etablierten Zäsuren der politischen Geschichte nur teilweise<br />
zusammenfallen. Ausgangspunkt der Untersuchung sind der Zustand der deutschen Wissenschaftslandschaft<br />
nach dem zweiten Weltkrieg und die Gr<strong>ü</strong>ndungsphase des Wissenschaftsrates zwischen<br />
1956 und 1958. Das mit seiner Gr<strong>ü</strong>ndung verbundene Hauptanliegen war eine Lösung der seit 1949<br />
aus den föderalen Kompetenzauseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern erwachsenden<br />
Probleme bei der Neuordnung der Wissenschaftslandschaft. Als Behelfsinstrument konzipiert, sollte<br />
der Wissenschaftsrat in einem geregelten Verfahren primär die Übersch<strong>ü</strong>sse aus dem Bundeshaushalt<br />
(„Juliusturm“) in die Förderung der wissenschaftlichen Forschung leiten, indem er jährlich ein<br />
Dringlichkeitsprogramm aufzustellen hatte. Weitere Koordinationsaufgaben, die ihm bis heute obliegen,<br />
sind die Erstellung eines Gesamtplanes aus Einzelplänen des Bundes und der Länder zur<br />
Förderung der Wissenschaft und die Erarbeitung von Empfehlungen f<strong>ü</strong>r die Verwendung derjenigen<br />
Mittel, die in den staatlichen Haushaltsplänen f<strong>ü</strong>r die Wissenschaftsförderung verf<strong>ü</strong>gbar waren. Hieraus<br />
resultiert das im Wissenschaftsrat bis heute einzigartige konsensorientierte Zusammenwirken<br />
von Vertretern des Bundes, der Länder und (mehrheitlich) der Wissenschaft, mit dem er sich <strong>ü</strong>ber<br />
die Jahrzehnte hinweg in nicht wenigen Fällen als mächtiger Taktgeber f<strong>ü</strong>r die Wissenschaftspolitik<br />
etablierte, zeitweise aber auch (unfreiwillig) ins zweite Glied zur<strong>ü</strong>cktreten musste.
Sein Durchbruch und seine besondere Anerkennung gr<strong>ü</strong>ndet auf der sog. „Blauen Bibel“, in der<br />
der Wissenschaftsrat im Jahr 1960 seine „Empfehlungen zum Ausbau der Wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen. Teil I: Die Hochschulen“ veröffentlichte. Die seinerzeit zutage getretenen Pro-<br />
blemkomplexe lesen sich fast wie die wissenschaftsministerielle Agenda des Jahres 2008: Be-<br />
stimmung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen, Festlegung der zu erwar-<br />
tenden Studentenzahl, Hochschulneugr<strong>ü</strong>ndungen (man denke an die in Nordrhein-Westfalen ge-<br />
planten Fachhochschulneugr<strong>ü</strong>ndungen), Neuregelung des Hochschulzugangs, die Verbesserung<br />
der Betreuungsrelation von Professoren zu Studierenden etc. Die Untersuchung macht bereits an<br />
dieser Stelle deutlich, dass ein ganzer Kanon von Problemstellungen mit schöner Regelmäßig-<br />
keit unter leicht veränderten Umständen wiederkehrt. Seien es steigende Studierendenzahlen,<br />
Finanznot der Hochschulen, deren Suche nach ihrem Selbstverständnis oder mangelnde Quali-<br />
tätssicherung in Forschung und Lehre. Lesenswert im Zusammenhang mit der Suche nach dem<br />
hochschulischen Selbstverständnis ist der Exkurs, den Bartz dem von ihm so getauften „Hum-<br />
boldtianismus“ widmet und kritisch der Frage nachgeht, ob Humboldts Gedankengut f<strong>ü</strong>r die ihm<br />
zugeschriebenen allgegenwärtigen Leitgedanken <strong>ü</strong>berhaupt fruchtbar gemacht werden kann.<br />
Im Anschluss verfolgt Bartz die Entwicklung des Wissenschaftsrates durch f<strong>ü</strong>r ihn schwere<br />
Zeiten der Bildungsexpansion um 1970, seine Konsolidierungsphase bis Ende der 1970er-Jahre,<br />
seine eher theorielastige Hintergrundarbeit in den 1980er-Jahren, seine bedeutende Rolle als<br />
Evaluierer bei der Neuordnung der Wissenschaftslandschaft im Zuge der Wiedervereinigung<br />
Anfang der 1990er-Jahre und schließlich den Aufbruch in das heute vorherrschende Wettbe-<br />
werbsparadigma seit Beginn den neuen Jahrtausends.<br />
Ein besonderer Verdienst des Bandes ist es, die hochschulpolitische Entwicklung in toto auf<br />
eine Art und Weise nachzuzeichnen, dass die heutige Situation als zwingendes und logisches<br />
Resultat erscheint. So hatte der Wissenschaftsrat bereits Ende der 1970er-Jahre zur „Vertei-<br />
lung, Verwendung und Kontrolle des Mitteleinsatzes an Hochschulen“ Leitbegriffe wie Evaluati-<br />
on, Wettbewerb, Qualität oder Effizienz herausgearbeitet. Wurden diese auch erst in den letzten<br />
Jahren zu beherrschenden Topoi der Hochschulpolitik, kann das Wirken des Wissenschaftsrates<br />
durchaus als erster Anstoß f<strong>ü</strong>r die nunmehr schnell voranschreitende Autonomisierung der<br />
Hochschulen unter dem verstärkten Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente und Methoden<br />
angesehen werden. Ebenfalls zu nennen ist die Einf<strong>ü</strong>hrung konsekutiver Studiengänge, die der<br />
Wissenschaftsrat bereits im Jahr 1966 als Reaktion auf die begonnene Bildungsexpansion und<br />
die Entwicklung von der Eliteuniversität (!) hin zur Massenuniversität ähnlich den heutigen BA/<br />
MA-Studiengängen nach dem Bolognaprozess empfahl.<br />
Überhaupt mag folgender (Neben)Aspekt der Untersuchung f<strong>ü</strong>r Wissenschaftsmanager, den viel-<br />
leicht größten Erkenntniswert bergen: Welche den heutigen Problemlagen ähnlichen Entwicklun-<br />
gen sind in den letzten f<strong>ü</strong>nf Jahrzehnten bereits so oder ähnlich durchlaufen worden und welche<br />
Reaktionen haben sich als weiterf<strong>ü</strong>hrend oder als Fehler erwiesen? Wie sind letztere heute zu<br />
vermeiden? Und welche Imponderabilien gibt es?<br />
Bartz ist es gelungen, eine fl<strong>ü</strong>ssig geschriebene und gut lesbare Untersuchung zu einer der wich-<br />
tigsten Institutionen in der deutschen Wissenschaftslandschaft vorzulegen, deren besonderer<br />
(Mehr)Wert f<strong>ü</strong>r den Nichthistoriker darin liegt, dass sie en passant die allgemeine Entwicklung des<br />
deutschen Hochschulwesens der letzten f<strong>ü</strong>nf Jahrzehnte vor dem Hintergrund sich verändernder<br />
Leitbildprämissen nachzeichnet. Hieraus immer noch bessere Lösungsmöglichkeiten abzuleiten<br />
d<strong>ü</strong>rfte eine lohnende Aufgabe f<strong>ü</strong>r alle Wissenschaftspolitiker und Wissenschaftsmanager sein.<br />
Olaf Bartz – Der Wissenschaftsrat buchbesprechung 4<br />
Jörn Hohenhaus<br />
Message<br />
Die Untersuchung zeichnet en<br />
passant die allgemeine Entwick-<br />
lung des deutschen Hochschul-<br />
wesens der letzten f<strong>ü</strong>nf Jahr-<br />
zehnte vor dem Hintergrund sich<br />
verändernder Leitbildprämissen<br />
nach.<br />
Dr. Jörn Hohenhaus ist Persönlicher Referent<br />
des Kanzlers der Universität zu Köln.<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008
4 buchmarkt<br />
www.wissenschaftsmanagement.de<br />
Impressum<br />
Geschäftsf<strong>ü</strong>hrende herausgeber<br />
Dr. Markus <strong>Lemmens</strong>,<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />
Prof. Dr. Detlef M<strong>ü</strong>ller-Böling,<br />
Centrum f<strong>ü</strong>r Hochschulentwicklung, G<strong>ü</strong>tersloh<br />
Dr. Johannes Neyses, Universität zu Köln<br />
Prof. Dr. Frank Ziegele, Centrum f<strong>ü</strong>r Hochschulentwicklung,<br />
G<strong>ü</strong>tersloh, und Fachhochschule Osnabr<strong>ü</strong>ck<br />
herausgeberbeirat<br />
Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger,<br />
Fraunhofer-Gesellschaft, M<strong>ü</strong>nchen<br />
Dr. iur. Dietmar Ertmann,<br />
Universität Karlsruhe (TH)<br />
Prof. Dr. Cornelius Herstatt,<br />
Technische Universität Hamburg-Harburg<br />
Prof. Dr. Péter Horváth,<br />
IPRI International Performance Research Institute g<strong>GmbH</strong><br />
und Universität Stuttgart<br />
Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer,<br />
Ludwig-Maximilians-Universität M<strong>ü</strong>nchen<br />
Prof. Dr. Hanns H. Seidler,<br />
Zentrum f<strong>ü</strong>r Wissenschaftsmanagement e.V., Speyer<br />
Dr. Horst Soboll, Union des Industries de la Communauté<br />
Européenne (UNICE)<br />
Prof. Dr.-Ing. Hartmut Weule, Institut f<strong>ü</strong>r Werkzeugmaschinen<br />
und Betriebstechnik, Universität Karlsruhe<br />
chefredakteur<br />
Dr. Felix Gr<strong>ü</strong>tzner<br />
Telefon: +49 228 42137-12<br />
E-Mail: gruetzner@lemmens.de<br />
redaktion Bonn<br />
Klaudia Gerhardt, M.A.<br />
Telefon: +49 228 42137-16<br />
E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />
redaktion Berlin<br />
K. R. Durth<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong> – B<strong>ü</strong>ro Berlin<br />
Hannoversche Str. 15<br />
10115 Berlin<br />
Telefon: +49 30 28045-144<br />
E-Mail: wissenschaftsmanagement@lemmens.de<br />
verlag und anzeigen<br />
<strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Matthias-Gr<strong>ü</strong>newald-Str. 1-3, 53175 Bonn<br />
Telefon: +49 228 42137-0<br />
Telefax: +49 228 42137-29<br />
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Internet: www.lemmens.de<br />
Bezugsbedingungen:<br />
Jahresabonnement (6 Ausgaben) e 114,50 inkl. MwSt.<br />
zzgl. Versandkosten (Inland e 10,50; Ausland e 13,75)<br />
Einzelheft e 19,80 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten<br />
(Inland e 1,40; Ausland e 3,00)<br />
Erscheinungsweise zweimonatlich; Bestellungen <strong>ü</strong>ber Buchhandel<br />
oder Verlag; Anzeigenpreisliste Nr. 10 (2008); Inhalte sind urheberrechtlich<br />
gesch<strong>ü</strong>tzt. Das Abonnement kann mit einer dreimonatigen<br />
Frist jeweils zum Jahresende gek<strong>ü</strong>ndigt werden.<br />
herstellung Courir-Media <strong>GmbH</strong>, Bonn<br />
ISSN 0947-9546<br />
wissenschaftsmanagement 4 • juli/august • 2008<br />
Alfred Kuß, Torsten Tomczak, Sven Reinecke<br />
Marketingplanung<br />
Einf<strong>ü</strong>hrung in die marktorientierte Unternehmens- und Geschäftsplanung<br />
2007, 5., vollst. <strong>ü</strong>berarb. Aufl., broschiert, 329 Seiten, 29,90 Euro, Gabler Verlag,<br />
ISBN 978-3-8349-0355-6<br />
In dieser 5. Auflage gesellt sich Sven Reinecke zu den beiden anderen Autoren des Lehrbuches,<br />
Alfred Kuß und Torsten Tomczak. Die Autoren leiten systematisch in die Grundlagen ein und vollf<strong>ü</strong>hren<br />
den idealtypischen Verlauf der Marketingplanung. Unternehmens- und Geschäftsfeldplanung,<br />
Marketing-Mix-Planung sowie Marktimplementierung und -controlling vervollständigen<br />
den Überblick <strong>ü</strong>ber das Thema. Viele Fallbeispiele erhellen die Theorie und bieten direkte Ankn<strong>ü</strong>pfungspunkte<br />
an die Praxis im Beruf. Das Lehrbuch richtet sich an Vertreter und Mitglieder<br />
der Wirtschaft genauso wie der Hochschulen.<br />
Karl Heinrich Oppenländer (Hrsg.)<br />
regionen als Wachstumsmotor<br />
Was leisten Cluster f<strong>ü</strong>r Innovationen? – Ludwigsburger Gespräche 2007<br />
2007, 197 Seiten, broschiert, kostenlos zu beziehen unter www.wuestenrot-stiftung.de,<br />
W<strong>ü</strong>stenrot Stiftung, ISBN 978-3-933249-64-3<br />
Wie können Innovationen angestoßen und durch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen unterst<strong>ü</strong>tzt<br />
werden? So lautete die Leitfrage, unter der sich Experten aus Forschung, Politik und Wirtschaft<br />
zum Ludwigsburger Gespräch der W<strong>ü</strong>stenrot Stiftung trafen. Innovationen sind der Motor der Wirtschaft.<br />
Fehlendes Risikokapital, mangelnde Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und <strong>ü</strong>berwuchernde<br />
B<strong>ü</strong>rokratie sind nur einige der Faktoren, die das deutsche Innovationspotential hemmen – und somit<br />
die deutsche Wirtschaft. Cluster aus Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen können<br />
diesen Innovationsstau auflösen. Die verantwortlichen Stellen der Politik können regional attraktive<br />
Bedingungen schaffen, einen Standort der Innovationen als Wachstumsmotor.<br />
Tobias Kollmann<br />
e-Business<br />
Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse in der Net Economy<br />
2007, 2. <strong>ü</strong>berarb. u. erw. Aufl., 573 Seiten, broschiert, 39,90 Euro, Gabler Verlag,<br />
ISBN 978-3-8349-0680-9<br />
Das vorliegende Lehrbuch bringt nicht nur Dozenten und Studierenden der Betriebswirtschaftslehre<br />
und Informatik das Thema des E-Business nahe. Auch Berater und Investoren der Praxis<br />
erhalten wertvolle Tipps. Kollmann konzentriert sich auf die drei Kernbereiche des Einkaufs,<br />
Verkaufs und Handels, die inzwischen in fast allen Branchen auch oder ausschließlich mit Hilfe<br />
elektronischer Geschäftsprozesse ausgef<strong>ü</strong>hrt werden. Grundlagen, Prozesse, Management und<br />
Marketing des E-Procurements, E-Shops und E-Marketplaces werden theoretisch dargelegt und<br />
praxisorientiert erklärt. Kollmann beantwortet, welche technischen Rahmenbedingungen ber<strong>ü</strong>cksichtig<br />
werden m<strong>ü</strong>ssen, wie sich die elektronische Wertschöpfung gestaltet und wie Beschaffungs-<br />
und Absatzprozesse elektronisch unterst<strong>ü</strong>tzt werden können.<br />
Gerhard Wolff
Wissenschaftsmanagement – Zeitschrift f<strong>ü</strong>r Innovation<br />
unterst<strong>ü</strong>tzt Sie bei Ihrer F<strong>ü</strong>hrungsaufgabe in<br />
Wissenschaft, Forschung und Entwicklung.<br />
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Ich weiß, dass ich diese Bestellung innerhalb einer Frist von 14 Tagen schriftlich bei der <strong>Lemmens</strong> <strong>Medien</strong> <strong>GmbH</strong> widerrufen kann.<br />
Zur Wahrung der Frist gen<strong>ü</strong>gt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.<br />
Datum, 2. Unterschrift:<br />
Inkl. Mehrwertsteuer und Versand: Inland 9,75 Euro; Ausland<br />
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dem Erhalt des 3. Heftes.<br />
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