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Pizza hält uns seit 25 Jahren zusammen - Das Die Ärzte Archiv

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«<strong>Pizza</strong> <strong>hält</strong> <strong>uns</strong> <strong>seit</strong> <strong>25</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>zusammen</strong>» (Kultur, Aktuell, NZZ Online) http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/pizza_haelt_<strong>uns</strong>_<strong>seit</strong>_<strong>25</strong>...<br />

Freitag, 02. November 2007, 20:21:35 Uhr, NZZ Online<br />

Nachrichten › Kultur › Aktuell<br />

«<strong>Pizza</strong> <strong>hält</strong> <strong>uns</strong> <strong>seit</strong> <strong>25</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>zusammen</strong>»<br />

Mit 20 Millionen verkauften Alben gehören die Punkrocker <strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> zu<br />

den erfolgreichsten deutschen Bands. Ein Gespräch mit Bela B. und Farin<br />

Urlaub über ihr neues Album «Jazz ist anders»<br />

NZZ am Sonntag: «Immer nur laut ist auf Dauer nicht gesund», singen <strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> auf ihrer neuen CD<br />

«Jazz ist anders». Ist so eine Zeile für einen Rockstar nicht eine Bankrotterklärung?<br />

Bela B.: <strong>Das</strong> klingt nur auf der Schweizer Edition so.<br />

Farin Urlaub: Ihr habt doch diese 100-Dezibel-Limite. Wir sagten <strong>uns</strong>: Gehen wir Hand in Hand mit dem<br />

Schweizer Gesundheitsministerium. In Deutschland gibt's keine Dezibel-Obergrenze. Auf der deutschen<br />

CD-Edition singen wir: Je lauter, desto besser. <strong>Das</strong> reimt sich zwar nicht, wirkt aber cool.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> aus Berlin geben <strong>seit</strong> <strong>25</strong> <strong>Jahren</strong> die Spassrocker vom <strong>Die</strong>nst.<br />

B.: Da ist er wieder: der Versuch, <strong>uns</strong> auf die Gag-Typen mit den lustigen Texten runterzurechnen. Aber<br />

man macht es sich zu einfach, wenn man <strong>uns</strong> darauf reduziert.<br />

Urlaub: Erwähnen Sie doch mal <strong>uns</strong>ere komplexen Song-Strukturen. Da bin ich echt stolz drauf.<br />

B.: Wir haben nur immer so getan, als wären wir eine witzige Band. Aber wir sind nicht die Fips<br />

Asmussen des Rock'n'Roll.<br />

Haben deshalb einige Lieder auf «Jazz ist anders» etwas moralinsaure Messages?<br />

Urlaub: Ein harter Vorwurf. Aber trifft er auch zu?<br />

An einer Stelle wird der Hörer angehalten, «aufs eigene Herz» zu hören. Anderswo heisst es: «Du<br />

erntest, was du säst.» Klingt nach Tagebuch-Rock.<br />

B.: Sie zitieren aus meinen Texten. Wenn ich etwas loswerden will, kann ich das tun – in Form eines<br />

Songs. Und ich meine es tatsächlich, wie ich es singe. Da ist kein Gag drin.<br />

Urlaub: Viele <strong>uns</strong>erer Lieder haben eine Botschaft, etwa «Schrei nach Liebe» von 1993, in dem es um<br />

einen Rechtsradikalen geht. Unsere neue CD ist vielleicht eher introspektiv geworden. Aber man stelle<br />

sich vor, wir hätten so ein Hihi-haha-hoho-Album gemacht. In <strong>uns</strong>erem Alter!<br />

Sie, Herr Urlaub, sind 44. Bela B. ist ebenfalls 44, Rod Gonzalez 39.<br />

Urlaub: Man darf ruhig eine gewisse Reife aus <strong>uns</strong> heraushören. Als ich 1979 «Geschwisterliebe»<br />

schrieb, jenen Song, der später indiziert wurde, war ich 15. Damals wusste ich nicht, dass es eine<br />

«Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften» gibt, da hatte ich noch nicht mal Sex gehabt. Ich<br />

fand einfach das Wort «flachlegen» so toll. Also schrieb ich einen Song darüber. Eine Platte ist eine<br />

Momentaufnahme. So wie wir früher nicht angestrengt albern waren, sind wir jetzt nicht angestrengt<br />

ernst.<br />

B.: Musikern ist es erlaubt, eine Botschaft zu haben. Bob Dylan hatte auch schon eine, also können wir<br />

nicht ganz falsch liegen.<br />

Seit den Achtzigern identifizieren sich immer neue Generationen von Jugendlichen mit Ihren Songs. Ihre<br />

Erklärung?<br />

B.: Keine. Ich bin selber immer wieder erstaunt, dass wir so gut ankommen bei der Masse.<br />

Urlaub: Wir schreiben nicht für eine Zielgruppe. Unser Publikum fängt bei den 15- bis 16-Jährigen an,<br />

die selber Musik zu machen beginnen, so wie wir damals, und hört noch nicht auf in jener Altersklasse,<br />

in der wir jetzt selber sind. Wir bekommen zwar Rückmeldungen an den Konzerten, aber in erster Linie<br />

orientieren wir <strong>uns</strong> an <strong>uns</strong> selbst. Ein Thema muss entweder eine Relevanz haben oder eine Lustigkeit,<br />

erst dann wird es vielleicht zu einem Song.<br />

1993 spotteten Sie über Rechtsradikale. <strong>Die</strong>sen Sommer sind wieder viele Nazis durch deutsche Städte<br />

marschiert . . .<br />

Urlaub: . . . und wir waren nicht dabei.<br />

Jedenfalls geben Sie dazu auf der neuen CD keinen Hinweis.<br />

B.: Protest wird beliebig, wenn man immer gleich eine Parole parat hat.<br />

Urlaub: Wir haben fast nie über tagesaktuelles Geschehen gesungen.<br />

1 von 2 02.11.2007 20:23


«<strong>Pizza</strong> <strong>hält</strong> <strong>uns</strong> <strong>seit</strong> <strong>25</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>zusammen</strong>» (Kultur, Aktuell, NZZ Online) http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/pizza_haelt_<strong>uns</strong>_<strong>seit</strong>_<strong>25</strong>...<br />

B.: Es ist eh klar, dass <strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> antifaschistisch denken. Auf <strong>uns</strong>erer Tournee, zu der wohl eine halbe<br />

Million Leute kommen, werden wir das noch mal definitiv sagen. Obwohl: Mit einem Song ändert man<br />

nichts.<br />

Stimmt das Internet-Gerücht, dass an den ersten Konzerten in den Achtzigern einige Rechtsradikale Ihre<br />

Nazi-Songsatire «Eva Braun» beklatschten?<br />

Urlaub: Wir waren damals eine apolitische Band, aber schon damals war <strong>uns</strong> klar: Wenn wir über das<br />

Dritte Reich singen, muss der Song so absurd sein, dass ihn kein Mensch mit Hirn ernst nehmen kann.<br />

Leider hatte es dann doch ein, zwei Hirnlose im Publikum, die schon bei der Namensnennung von Eva<br />

Braun den Hitlergruss machten.<br />

B.: Wir haben diese Leute dann mit einem kompletten Bekenntnis zur Hippie-Szene hinausgescheucht:<br />

mit <strong>uns</strong>erem Song «Ewige Blumenkraft».<br />

Warum locken ironische Rockstars wie <strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> Neonazis an?<br />

B.: Wir spielen schnelle, laute Musik mit deutschen Texten. Beim Lied «Eva Braun» ist <strong>uns</strong> bewusst<br />

geworden, dass man als deutsch singende Rockband aufpassen muss. Sehr aufpassen muss.<br />

Urlaub: Wir schreiben gerne ambivalente Texte, aber beim Thema Rechtsradikalismus wollen wir nicht<br />

missverständlich wirken. Mit «Schrei nach Liebe» haben wir <strong>uns</strong> 1993 positioniert.<br />

<strong>Die</strong> neuen Lieder servieren Sie in einer <strong>Pizza</strong>schachtel. Um zu zeigen, dass Popmusik heute wertloser<br />

Fastfood ist?<br />

B.: Im Gegenteil. Wir sind leidenschaftliche Musiksammler. Mit einer originellen Verpackung belohnen<br />

wir den Fan, der die CD im Laden kauft, statt die Musik im Internet herunterzuladen.<br />

Urlaub: Ausserdem ist die <strong>Pizza</strong>schachtel ein Kommentar zu <strong>uns</strong>erer Ernährung während der Zeit im<br />

Studio.<br />

B.: Jetzt ist das Geheimnis gelüftet: <strong>Pizza</strong> ist, was <strong>uns</strong> <strong>seit</strong> <strong>25</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>zusammen</strong><strong>hält</strong>.<br />

Interview: Philip Wegmüller<br />

«Jazz ist anders»<br />

Auf ihrer neuen CD «Jazz ist anders» (Hot Action Records, ab 2. 11.; Konzert: 5. 12. Hallenstadion, Zürich)<br />

mischen <strong>Die</strong> <strong>Ärzte</strong> – Sänger und Gitarrist Farin Urlaub (Jan Vetter), Sänger und Schlagzeuger Bela B. (Dirk<br />

Felsenheimer) und Bassist Rod Gonzalez – ihr zum Markenzeichen gewordenes Bubengeblödel mit ernst<br />

gemeinter Lebenshilfe und garnieren ihren Kraftpop mit unwiderstehlichen Melodien. Eine reife Leistung.<br />

Philip Wegmüller<br />

<strong>Die</strong>sen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/pizza_haelt_<strong>uns</strong>_<strong>seit</strong>_<strong>25</strong>_jahren_<strong>zusammen</strong>_1.575841.html<br />

Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG<br />

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung oder Wiederveröffentlichung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne<br />

vorherige ausdrückliche Erlaubnis von NZZ Online ist nicht gestattet.<br />

2 von 2 02.11.2007 20:23

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