KINDELSBERG- TURM - Ferndorf
Festschrift des SGV-Bezirk Siegerland
100 Jahre
KINDELSBERG-
TURM
Ein herzliches Dankschön
allen Helfern und Sponsoren,
die zum Gelingen der Festschrift
und der Jahrhundertfeier beitragen !
SGV-Bezirk Siegerland
100 Jahre Kindelsbergturm
100 Jahre
Kindelsbergturm
Festschrift zum Jubiläum
am 17. Mai 2007
Christi Himmelfahrt
herausgegeben vom SGV-Bezirk Siegerland
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INHALTSVERZEICHNIS
Grußworte
„Das Fräulein vom Kindelsberg“ Seite 8
von Jung-Stilling gebildete oder überlieferte Sage
Wie der Kindelsberg in das Wappen Seite 9
der Krombacher Brauerei kam
Franz-J. Weihrauch
Der Kindelsberg Seite 14
aus der Märchen- und Sagenwelt der Gebrüder Grimm
Die Ersterwähnung des Namens Kindelsberg in spätmittel- Seite 15
alterlichen Aufzeichnungen der Kölner Erzbischöfe
Dieter Tröps
Der Kindelsberg - Bergmassiv und Wallburg Seite 18
Erhard Krämer
100 Jahre Aussichtsturm auf dem Kindelsberg Seite 33
Dietmar Stahlschmidt
Kaiserlinde erhielt Windeln Seite 66
Alfred Becker und Martin Sorg
Qualitätswanderweg „Kindelsbergpfad“ Seite 72
Rudolf Schmidt und Katrin Stein
Lehrpfad „Waldschäden“ Seite 76
Werner Schäfer
Panoramatafeln auf dem Turm Seite 78
SGV-Bezirk Siegerland
Impressum:
© Copyright 2006
Das Copyright der Beiträge liegt bei den Autoren.
Herausgeber: SGV-Bezirk Siegerland
Satz und Layout: Katrin Stein, Kreuztal-Ferndorf
Titelbild: Reinhard Becker, Kreuztal-Ferndorf
Druck: Vorländer GmbH & Co. KG, Siegen
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Sehr geehrte Damen und Herren,
am 29. Oktober 1904 tagte in einer Gaststätte
in ‚Creuzthal‘ ein ganz besonderer Ausschuss.
Die Männer, die sich dort versammelten, hatten
den Plan, auf einer der höchsten Erhebungen des
Rothaargebirges einen Turm zu errichten. Am
Himmelfahrtstag des Jahres 1907 war es dann
so weit. Die weithin über die Höhen des Siegerund
Sauerlandes sichtbare Landmarke konnte
eingeweiht werden.
Seitdem hat ein stetiger Strom von Wanderern und Ausfl üglern den
Aussichtsturm auf dem Kindelsberg besucht. Von der Besucherplattform
kann der Blick weit über die Heimat hinaus in alle Himmelsrichtungen
schweifen. Im Westen erkennt man an klaren Tagen sogar die ferne Kette
des Siebengebirges.
Die Krombacher Brauerei, zu Füßen des Kindelsbergs, hat eine enge
Verbindung zum Kindelsbergturm. Bereits kurz nach der Erbauung wurde
der Turm zum Wahrzeichen der Brauerei. Bis auf den heutigen Tag ist
er im Wappen des Krombacher Marken-Logos präsent. Auch haben sich
ungezählte Wanderer in der Gaststätte am Kindelsbergturm an einem
frisch gezapften Krombacher Pils erfreut. Gerne habe ich daher dem
Wunsch des SGV entsprochen, mich als Schirmherr der Jubiläums-Feierlichkeiten
zur Verfügung zu stellen.
100 Jahre Kindelsbergturm - das ist wahrlich ein Grund zum Feiern, denn
soviel Kontinuität und Beständigkeit sind in der heutigen Zeit nicht mehr
selbstverständlich. Im meiner Funktion als Schirmherr spreche ich dem
SGV daher meinen herzlichen Glückwunsch aus, zugleich verbunden mit
den besten Wünschen für die Zukunft.
Zur Eröffnung 1907 gab es ein großes Volksfest - und das wird diesmal
nicht anders sein. Den rührigen und engagierten ehrenamtlichen Helferinnen
und Helfern des SGV wünsche ich viel Erfolg und Tatkraft bei
der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung am Fuße des
Kindelsbergturms.
Friedrich Schadeberg
Schirmherr
100 Jahre Kindelsbergturm
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Grußwort
zum 100-jährigen Bestehen
des Kindelsbergturms
Liebe Wanderfreundinnen,
liebe Wanderfreunde!
Der Kindelsbergturm in der SGV-Region Siegerland/Wittgenstein blickt im
Mai 2007 auf seine nunmehr 100-jährige Geschichte zurück. Zu diesem
Jubiläum darf ich der gesamten Region im Namen unseres Hauptvereins und
auch ganz persönlich die herzlichsten Glückwünsche übermitteln.
Wer hätte bei der Grundsteinlegung am Himmelfahrtstag 1906 erahnen können,
welche Bedeutung der Kindelsbergturm über die Zeit hinweg für den SGV und
die gesamte Region haben wird. Eingeweiht wurde der Turm in einer offi ziellen
Feierstunde am 26.05.1907. Seit nunmehr 100 Jahren können Wanderer
und Gäste vom Kindelsbergturm aus die herrliche Aussicht über einen besonders
schönen Teil unserer Heimat genießen. Alle Wirren der Zeit und damals
kaum vorstellbare politische Veränderungen hat der Turm überdauert.
Aber nicht nur die Zeiten haben sich geändert. Auch an diesem mit einer
Höhe von 22 m weithin sichtbaren Turm auf dem Kindelsberg mussten im
Laufe der Jahre einige Veränderungen vorgenommen werden. Nicht nur witterungsbedingt
wurden einige Renovierungs- und Umbaumaßnahmen erforderlich.
Stets gab es ein vielfältiges Aufgabenbündel, dem sich heute wie damals
SGVer freudig und aus Liebe zum historischen Kindelsbergturm widmen.
Auch künftig wird es, dessen sind wir gewiss, immer wieder Menschen geben,
die sich mit der Natur verbunden fühlen und in Besinnung auf die Heimat
sowie auf die geschichtliche und kulturelle Entwicklung dieses Turms Verantwortung
für sein weiteres Fortbestehen übernehmen.
Das Jubiläum wird im Mai 2007 gefeiert. Auch an diesem Festtage wandern wir
nach kurzer Rückbesinnung frohen Mutes und voller Zuversicht als fröhliche
SGVer in die Zukunft hinein. Dazu rufen wir Ihnen, den Wanderfreundinnen
und Wanderfreunden der SGV-Region Siegerland/Wittgenstein von Herzen
unseren Wandergruß zu:
„Frisch auf !“
Hermann-Josef Goebel Hugo Hafer
Vizepräsident Stellv. Vors. Bezirk Siegerland e.V.
Der Aussichtsturm auf dem Kindelsberg blickt auf
100 Jahre zurück - zu diesem ebenso bedeutenden
wie historischen Jubiläum gratuliere ich, auch im
Namen von Rat und Verwaltung der Stadt Kreuztal,
recht herzlich.
Der Kindelsberg mit Aussichtsturm - das Wahrzeichen der Stadt Kreuztal, welches
in der Namensgebung der Stadt im Jahre 1969 mit „Kreuztal - junge
Stadt am Kindelsberg“ entsprechende Würdigung fand, ist jedoch viel mehr
als „nur“ das Wahrzeichen und ein besonderes Attraktivitätsmerkmal von
Kreuztal. Denn der Kindelsberg ist weit über die Grenzen von Kreuztal und
dem Siegerland hinaus bekannt. Das Stadtgebiet wird landschaftlich durch
das Kindelsbergmassiv mit seinen drei Erhebungen „Hoher Wald“, „Martinshardt“
und „Kindelsberg“ geformt. Dies wäre an sich nichts Besonderes, wenn
vor nunmehr 100 Jahren nicht der 22 m hohe und damit von weitem sichtbare
Aussichtsturm des Sauerländischen Gebirgsvereins gebaut worden wäre.
Den „Männern der ersten Stunde“ aus den SGV-Abteilungen Siegen, Geisweid,
Krombach und Hilchenbach, die von 1905 bis 1907 in mühevoller und
kräftezehrender Arbeit dieses Bauwerk auf dem Kindelsberg errichtet haben,
gebührt daher bis heute unser aller Dank und Anerkennung. Denn dieser
Turm, und später ergänzend dazu die bewirtschaftete Raststätte im rustikalen
Blockhausstil, ist ein zu jeder Jahreszeit beliebtes Wander- und Ausfl ugsziel.
Darüber hinaus ist es ein historisches, lebendiges, von Tradition und dem Sinn
für ein großes Gemeinschaftsgefühl geprägtes Stück Siegerländer Geschichte,
noch dazu von Sagen und Legenden umwoben. Dies lässt sich auf eindrucksvolle
und anschauliche Art und Weise der Chronik entnehmen, die zum
75-jährigen Bestehen des Kindelsbergturmes herausgegeben worden ist.
Nach nunmehr weiteren 25 Jahren ist erneut eine Festschrift zum 100-jährigen
Jubiläum erstellt worden, so dass wir uns über die Fortsetzung dieser spannenden
und interessanten Zeitreise durch ein ganzes Jahrhundert freuen können.
Ich danke dem SGV-Bezirk Siegerland für seinen Einsatz rund um den Erhalt
dieses Kreuztaler Wahrzeichens und wünsche Ihnen für die Ausrichtung der
Jubiläumsfeierlichkeiten viel Erfolg!
Rudolf Biermann
Bürgermeister
Grußwort
100 Jahre Kindelsbergturm
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Liebe Leserin, lieber Leser,
vor einhundert Jahren wurde von den SGV Abteilungen Krombach, Siegen,
Geisweid und Hilchenbach gemeinsam ein Turm errichtet, der dem nördlichen
Siegerland ein besonderes Gepräge geben sollte:
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Der Kindelsberg-Turm.
Heute ist der Turm weit über die Grenzen des Siegerlandes hinaus bekannt
- als Wahrzeichen der Nachbarstadt Kreuztal und als beliebtes Ausfl ugsziel.
Letzteres verdankt der Kindelsbergturm auch der Tatsache, dass viele Wanderstrecken
den Kindelsberg berühren.
Obwohl der „Turm“ nicht auf Hilchenbacher Gebiet steht, wurde die Einweihung
in der Chronik des SGV Hilchenbach doch besonders erwähnt. Dies
untermauert, dass der Turm auch für Hilchenbach eine große Bedeutung hat;
ist er doch Ziel ungezählter Ausfl üge der Hilchenbacher Bevölkerung.
In der Hoffnung, dass dies so bleiben möge, schließe ich mit dem Wunsch,
dass der Kindelsberg-Turm noch viele Jahre dem Siegerland erhalten bleibt.
Hans-Peter Hasenstab
Bürgermeister der Stadt Hilchenbach
Liebe Leserin, liebe Leser,
vor 100 Jahren wurde vom Sauerländer Gebirgsverein
der am 618 m hohen Kindelsberg gelegene
Aussichtsturm errichtet. Seitdem haben viele tausend
Menschen auf dem 22 m hohen Turm die
wundervolle Aussicht über Kreuztal und darüber
hinaus genossen. Die Begründer des Kindelsbergturms
hatten schon damals verstanden, worum es
bei der lokalen Werbung unter anderem geht:
Unsere Region muss mit unverkennbaren Merkmalen
in Verbindung gebracht werden. Dieses Ziel
wurde in der Vergangenheit auch von der Stadt Kreuztal, dem Kreis Siegen-
Wittgenstein und der Stadt Siegen unterstützt. Heute ist der Turm untrennbar
mit der Region verbunden.
Im Laufe der Geschichte sind am Turm, der heute unter Denkmalschutz
steht, einige bauliche Veränderungen vorgenommen worden. So wurde beispielsweise
in den 1980er Jahren die offene Aussichtsplattform auf der Spitze
durch einen kleinen, geschlossenen Rundgang ersetzt. Bei optimalen Wetterbedingungen
ist es möglich, von dort aus das Siebengebirge bei Bonn zu
sehen. All dies wäre ohne den engagierten Einsatz des SGV, der sich auch um
die Pfl ege und Instandhaltung des Turms kümmert, nicht möglich gewesen.
Ich danke dem SGV für dieses Engagement und hoffe, dass er sich auch in
der Zukunft für die Erhaltung des Kindelsbergturms einsetzen wird.
Der Turm ist nicht nur regionales Wahrzeichen, sondern auch Bestandteil
mancher Sage. Außerdem sind hier Zeugen des Bergbaus in Siegen-Wittgenstein
zu fi nden. Einer Sage nach soll an der Stelle, wo der Turm steht, einstmals
eine Ritterburg - die Kindelsburg - gestanden haben. Auf dem Berg selbst sind
heute allerdings nur noch letzte Spuren einer Wallanlage zu fi nden. Zudem gab
es zwischen dem Kindelsberg und dem benachbarten Hohen Wald früher eine
mittelalterliche Siedlung, die „Bergbauwüstung Altenberg“, wie Ausgrabungen
aus den 70er und 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts belegen.
Ich wünsche dem SGV, allen Förderern und Gästen schöne Festtage sowie den
Leserinnen und Lesern der Festschrift viele neue Einblicke in die Geschichte
eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Region, des Kindelsbergturms.
Paul Breuer
Landrat
100 Jahre Kindelsbergturm
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„Das Fräulein vom Kindelsberg“
Zu Kindelsberg auf dem hohen Schloß
steht eine alte Linde.
Von vielen Ästen kraus und groß,
sie saust am kühl‘gen Winde.
Da steht ein Stein, ist breit, ist groß,
gar nah an dieser Linde,
ist grau und rauh von altem Moos,
steht fest im kühl‘gen Winde.
Da schläft eine Jungfrau den traurigen Schlaf,
die treu war ihrem Ritter,
das war von der Mark ein edler Graf,
ihr wurde das Leben bitter.
Er war mit dem Bruder ins weite Land
zur Ritterfehde gegangen,
er gab der Jungfrau die eiserne Hand,
sie weinte mit Verlangen.
Die Zeit, die war nun lang vorbei,
der Graf kam immer nicht wieder,
mit Sorg‘ und Tränen mancherlei
saß sie bei der Linde nieder.
Da kam der junge Rittersmann
auf seinem schwarzen Pferde,
der sprach die Jungfrau freundlich an,
ihr Herze er stolz begehrte.
Die Jungfrau sprach: Du kannst mich nie
zu deinem Weiblein haben,
wenn‘s dürr ist, das grüne Lindlein hie,
dann will ich dein Herze laben.
Die Linde war noch jung und schlank,
der Ritter sucht‘ im Lande
ein‘ dürre Lind‘ so groß, so lang,
bis er sie endlich fande.
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Er ging wohl in dem Mondenschein,
grub aus die grüne Linde.
Und setzt die dürre dahinein,
belegt‘s mit Rasen geschwinde.
Die Jungfrau stand des Morgens auf,
am Fenster war‘s so lichte.
Des Lindleins Schatten spielt‘ nicht drauf,
schwarz ward‘s ihr vor dem Gesichte.
Die Jungfrau lief zur Linde hin,
setzt‘ sich mit Weinen nieder,
der Ritter kam mit stolzem Sinn,
begehrt ihr Herze wieder.
Die Jungfrau sprach in großer Not:
Ich kann dich nimmer lieben !
Der stolze Ritter stach sie tot,
das tät den Graf betrüben.
Der Graf kam noch denselben Tag,
er sah mit traurigem Mute,
wie da bei dürrer Linde lag
die Jungfrau in rotem Blute.
Er machte da ein tiefes Grab,
der Braut zum Ruhebette,
und sucht‘ eine Linde bergauf und -ab,
die setzt‘ er an die Stätte.
Und einen großen Stein dazu,
der stehet noch im Winde,
da schläft die Jungfrau in guter Ruh,
im Schatten der grünen Linde.
von Johann Heinrich Jung (1740-1817)
- genannt Jung-Stilling -
überlieferte oder gebildete Sage
Wie der Kindelsbergturm in das
Wappen der Krombacher
Brauerei kam
von Franz-J. Weihrauch
Im Zuge der Industriellen Revolution
stieg der Durst der Arbeiterklassen
im Siegerland; nicht umsonst gab es
um 1830 über 50 Brauereien im heu-
tigen Kreisgebiet. Die Krombacher
Brauerei wird erstmalig 1803 urkundlich
erwähnt, ihre Ursprünge reichen
wahrscheinlich jedoch viel weiter
zurück. Schnell entwickelte sich die
ehemalige Hausbrauerei am Standort in
‚Crombach‘ zu einer der größten Brauereien
im Siegerland. Und sie war zu
Beginn des 20. Jahrhunderts auch eine
der modernsten Brauereien der Region,
ausgestattet mit Dampfmaschinen zur
Energiegewinnung und modernen Sud-
und Gäranlagen. Der Jahresausstoß
betrug in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
ca. 35.000 Hektoliter.
Um 1900 fand dabei eine
charakteristische Entwicklung
statt, die auf die Vermarktung
des Bieres große Auswirkungen
haben sollte. Im Übergang
von der Subsistenzwirtschaft
zur Konsumgüterwarenproduktion,
die auf massenhafte
Kaufkraft berechnet war, standen
nämlich die Verbraucher
einer ständig steigenden Zahl
von Waren und Produkten
Anzeige der Hasbrauerei in der
Siegener Zeitung im April 1901.
100 Jahre Kindelsbergturm
gegenüber. Um eine bessere Wiedererkennung
und stärkere Bindung des
Verbrauchers an das jeweilige Produkt
zu schaffen, gingen die Warenproduzenten
im Umkehrschluss dazu über,
ihre Waren als ‚Marke‘ zu kennzeichnen
und auszuloben. Die Brauwirtschaft
im damaligen Deutschen Reich
und auch im Siegerland machte hier
keine Ausnahme.
Seit ca. 1890 gibt es das „hochfeine
Krombacher Pilsener“, das in vielen
Anzeigen ausgelobt wird, so z.B. in
der Siegener Zeitung. Ein Briefbogen
aus dem Jahre 1905 zeigt eine Fabrikansicht.
Ein Markenzeichen, oder, wie
wir heute sagen würden, ein Marken-
Logo, fehlt jedoch.
9
„Neue Untersuchung des Crombacher
Pilsener Bieres im Januar 1908. Hasbrauerei
Aktiengesellschaft Crombach
i. Westf.“ (Rückseite).
Zum ersten Mal taucht ein derartiges
Marken-Logo in der kleinen Werbebroschüre
auf, die im Jahre 1908
Krombacher Pils dem Pilsener Urquell
gegenüberstellt. Dieses vierseitige
Faltblatt verglich Krombacher Pils
mit dem ‚Original-Pils‘ aus Tschechien
mit dem Ziel, die Vorzüge des
Siegerländer Bieres hervorzuheben.
In unserem Zusammenhang ist wichtig,
dass hier zum ersten Mal der
Begriff „Fabrik-Marke“ auftaucht -
ein Hinweis darauf, dass die Brauer
aus Krombach erkannt hatten, dass
es von entscheidender Bedeutung ist,
das Profi l der Brauerei in der
Öffentlichkeit stärker und deutlicher
zu akzentuieren.
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Bei der Auswahl des neuen ‚Wahr‘zeichens
der Brauerei wird unmittelbar
deutlich, dass man damals intuitiv
die richtige Verbraucheransprache
getroffen hat. Ein Markenzeichen - so
die Theorie - soll beim Konsumenten
nicht nur Wiedererkennung, sondern
auch positive Assoziationen im Hinblick
auf das beworbene Produkt hervorrufen,
um ihn dazu zu bewegen,
das Produkt zu erwerben und ihm
auch weiterhin treu zu bleiben.
Was machen die Brauer aus Krombach?
Sie gehen äußerst geschickt vor
und wählen von der Bildsprache her
(später auch semantisch) die Kategorie
„Heimat“ als Bezugspunkt für die Verbraucher.
Der Konsument bekommt
ein hochkarätig emotional besetztes
Identifi kationsangebot: Produkt und
Region verschmelzen miteinander. So
lieb und teuer wie dem Verbraucher
die eigene Heimat ist, so unverzichtbar
ist auch das Bier, das eben aus
dieser Heimatregion kommt. An dieser
Mechanik hat sich im Grunde bis zum
heutigen Tag nichts geändert.
Das Wahrzeichen, das die Brauerei
wählt, ist bezeichnenderweise der
Kindelsbergturm, der 1907 errichtet
wurde. Der Bezug ist gegeben: die
Brauerei liegt am Fuße des Kindelsbergs,
und so lag es nahe, die hoch
aufragende Landmarke zum Wahrzeichen
der Brauerei zu küren. Eine
ganze Zeit lang - in den 20er und 30er
Jahren des 20. Jahrhunderts - bezeichnete
man das Bier aus Krombach auch
als „Kindelsbergbräu“.
Das sollte sich später
grundlegend ändern als
„Krombacher Pils“ ein
feststehender Begriff
wurde. Der Kindelsbergturm
dagegen ist jedoch
seit dieser Zeit - seit dem
Jahre 1908 - aus der Geschichte
der Krombacher
Brauerei nicht mehr wegzudenken.
Vergleicht man die beim
Reichspatentamt in Berlin
eingetragene Fabrik-
Marke und eine Postkarte von 1906,
so stellt man fest, dass die Brauer aus
Krombach sich nicht an die Realität
des tatsächlich gebauten Turmes gehalten
haben, sondern bei den Entwicklung
des eigenen Marken-Logos
lieber auf einen früheren Entwurf
zurückgegriffen haben. Ein kurzer
Blick genügt, um zu sehen, dass die
neue Fabrik-Marke mit der Entwurfsskizze
fast völlig identisch ist.
Dieser Entwurf zum Turm stammt
vom Krombacher Bauunternehmer E.
W. Burbach (s. Artikel von D. Stahlschmidt,
S.33 ff in dieser Broschüre).
Er ist auf der Karte rechts am Rande
der Abbildung genannt. Wir wissen,
dass schließlich der Plan von Baurat
Scheppig zur Ausführung kam. Burbach
jedoch hat für seine nicht realisierten
Entwürfe, so wie es die
neue ‚Fabrik-Marke‘ der Krom-bacher
Brauerei beweist, eine Verwendung
gefunden, an die bis dahin keiner
dachte. Dass er allerdings weitere
mögliche Verwendungen im Auge
hatte bzw. dem unautorisierten Ge-
100 Jahre Kindelsbergturm
Brauerei-Ansicht von 1923.
brauch seines Entwurfes entgegenwirken
wollte, zeigt der Schriftzug links
unten. Hier weist Burbach auf seine
Copyright-Rechte hin, indem er seiner
Turmskizze schlicht die Worte „Nachbilden
verboten“ hinzufügt.
Postkarte mit dem Entwurf von
E. W. Burbach aus dem Jahre 1906.
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Postkarte vom Kindelsbergturm mit
Kaiserlinde um 1908.
Es ist anzunehmen, dass der damalige
Brauereidirektor Eberhardt mit
Burbach eine Übereinkunft zwecks
Überlassung des nicht zum Zuge
gekommenen Entwurfes getroffen hat;
belegen kann man dies jedoch nicht.
1907 steht zwar der Kindelsbergturm
nach den Entwürfen des Siegener
Konkurrenten an seinem Platz, ein
Jahr später aber tritt auch Burbachs
Skizze wieder in die Öffentlichkeit.
Bei der dürftigen Materiallage ergibt
es sich, dass das nächste Dokument,
das auf eine juristisch geschützte
Krombacher Marke hinweist, erst
wieder im Jahre 1923 auftaucht. Es
lässt sich zweifelsfrei zuordnen, da
im Briefkopf maschinenschriftlich
das Datum der Korrespondenz eingedruckt
ist. Gegenüber der Fabrik-
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Schutzmarke 1923 - in den Briefkopf des
offi ziellen Geschäftspapiers integriert.
Marke von 1908 lassen sich einige
gravierende Änderungen feststellen:
Was die Abbildung des Wahrzeichens
angeht, so hat man in der Brauerei den
ursprünglichen Burbachschen Entwurf
fallen gelassen und nun eine Skizze
des tatsächlich realisierten Turmbaus
auf dem Kindelsberg verwendet. Selbst
die Schutzhütte ist auf der Darstellung
erkennbar. Das „Frisch auf“-
Motto der SGV-Wanderer, eingerahmt
in Eichenblätter, wird beibehalten.
Diese Darstellung erfährt in den folgenden
Jahrzehnten nur noch wenige
Änderungen wie man an einer Darstellung
aus den 50er Jahren sehen
kann. Hier erkennen wir eine deutlich
symmetrische Ausrichtung sowie den
Drang zu einer stärkeren Stilisierung.
Eine dramatische Modernisierung des
Markenzeichens setzt dagegen zu Anfang
der 70er Jahre ein. Dies hat seine
Ursache im Aufstieg von Krombacher
Krombacher Logo 1959.
Pils zu einer nationalen Premium-Pilsmarke.
Der Kindelsbergsturm fi ndet
sich auf einem nunmehr zweigeteilten
Logo im oberen Teil wieder - nämlich
in seinem damals modernen Gewand
als Sendeturm. Der untere Teil des
neuen Wappens wird durch einen symbolisierten
Wasserlauf und die roten,
erzführenden Gesteinsschichten des
Rothaargebirges ausgefüllt.
Wenn auch dieses Wappen mittlerweile
wieder viele Aktualisierungen
erfahren hat, so prangt es bis auf
den heutigen Tag auf Hunderttausenden
von Bierfl aschen, die täglich die
Krombacher Brauerei verlassen.
Alle Abbildungen und Informationen aus
dem Archiv der Krombacher Brauerei.
100 Jahre Kindelsbergturm
Oben: Anzeige Krombacher Pils 1973.
Unten: Krombacher Logo 2006.
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Der Kindelsberg
aus der Märchen- und Sagenwelt
der Gebrüder Grimm
Hinter dem Geißenberg in Westfalen ragt ein hoher Berg mit dreien Köpfen
hervor, davon heißt der mittelste noch der Kindelsberg. Dort stand vor
langen Zeiten ein Schloss, das den gleichen Namen führte, und in dem
Schloss wohnten Ritter, die waren gottlose Leute. Zur Rechten hatten sie
ein sehr schönes Silberbergwerk, davon wurden sie stockreich, und von
dem Reichtum wurden sie so übermütig, dass sie sich silberne Kegel machten,
und wenn sie spielten, so warfen sie diese Kegel mit silbernen Kugeln.
Der Übermut ging aber noch weiter, denn sie ließen sich große Kuchen von
Semmelmehl wie Kutschenräder backen, machten mitten Löcher darein
und steckten sie an die Achsen. Das war eine himmelschreiende Sünde,
denn so viele Menschen hatten kein Brot zu essen. Gott ward es endlich
auch müde. Eines Abends spät kam ein weißes Männchen ins Schloss und
sagte an, dass sie alle binnen dreien Tagen sterben müssten, und zum Wahrzeichen
gab er ihnen, dass diese Nacht eine Kuh zwei Lämmer werfen
würde. Das traf auch ein, aber niemand kehrte sich daran als der jüngste
Sohn, der Ritter Siegmund hieß, und eine Tochter, die eine gar schöne
Jungfrau war. Diese beteten Tag und Nacht. Die andern starben an der Pest,
aber diese beiden blieben am Leben. Nun aber war auf dem Geißenberg
ein junger kühner Ritter, der ritt beständig ein großes schwarzes Pferd
und hieß darum der Ritter mit dem schwarzen Pferd. Er war ein gottloser
Mensch, der immer raubte und mordete. Dieser Ritter gewann die schöne
Jungfrau auf dem Kindelsberg lieb und wollte sie zur Ehe haben, sie schlug
es ihm aber beständig ab, weil sie einem jungen Grafen von der Mark verlobt
war, der mit ihrem Bruder in den Krieg gezogen war und dem sie treu
bleiben wollte. Als aber der Graf immer nicht aus dem Krieg zurückkam
und der Ritter mit dem schwarzen Pferd sehr um sie warb, so sagte sie endlich:
„Wenn die grüne Linde hier vor meinem Fenster wird dürr sein, so
will ich dir gewogen werden.“ Der Ritter mit dem schwarzen Pferd suchte
so lange in dem Lande, bis er eine dürre Linde fand, so groß wie jene grüne,
und in einer Nacht bei Mondenschein grub er diese aus und setzte die dürre
dafür hin. Als nun die schöne Jungfrau aufwachte, so war‘s so hell vor
ihrem Fenster, da lief sie hin und sah erschrocken, dass eine dürre Linde da
stand. Weinend setzte sie sich unter die Linde, und als der Ritter nun kam
und ihr Herz verlangte, sprach sie in ihrer Not: „Ich kann dich nimmermehr
lieben.“ Da ward der Ritter mit dem schwarzen Pferd zornig und stach sie
tot. Der Bräutigam kam noch denselben Tag zurück, machte ihr ein Grab
und setzte eine Linde dabei und einen großen Stein, der noch zu sehen ist.
Die Ersterwähnung des Namens
Kindelsberg in spätmittelalterlichen
Aufzeichnungen der
Kölner Erzbischöfe
Bei der Suche nach einer Burg oder
Wallanlage auf dem Kindelsberg und
deren Altersbestimmung sind bisher
einige Untersuchungen, deren Ergebnisse
zeitlich nicht eindeutig einzuordnen
waren, durchgeführt worden (siehe
dazu den Aufsatz von Erhard Krämer
auf S. 18 in dieser Festschrift).
Philipp R. Hömberg vom Westfälischen
Museum für Archäologie,
(Außenstelle Olpe) ordnet 1998, nach
einer Untersuchung der Anlage im
Jahre 1993, den Kindelsberg als eine
frühe kölnische Burg des Hohen
Mittelalters zur Durchsetzung erzbischöfl
icher Herrschaftsrechte im
nördlichen Siegerland ein. Diese These
Hömbergs wird durch eine kürzlich
aufgefundene Eintragung in einer
Archivalie der Kölner Erzbischöfe
unterstützt.
Im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv
Düsseldorf befi ndet sich
ein Kopialbuch, auch als Kartular
bezeichnet, das einen Überblick über
Besitztümer der Kölner Erzbischöfe
vom ersten Viertel bis zur Mitte des
14. Jahrhunderts vermittelt, darunter
auch ihre Besitzungen im südlichen
Westfalen im „offi ciu waldenburg“
(bei Olpe und Attendorn im Amt
Waldenburg gelegen), „menden“ und
„segen“ (Siegen) betreffend.
100 Jahre Kindelsbergturm
von Dieter Tröps
Auf den Seiten 44-46 dieser handschriftlichen,
in Latein verfassten Aufzeichnungen
der Kölner Erzbischöfe,
fi nden wir die hier besonders interessierenden
Besitztitel der Erzbischöfe
im Siegerland, darunter in den Pfarreien
Hilchenbach („parochia heilchenbach“),
Krombach, (Cru(m)pach) und
Ferndorf, das in dieser Aufzeichnung
sowohl als „berentref“ als auch als
„verentreff“ bezeichnet wird.
Desweiteren werden das „castru heilmbach“
(Schloß oder Burg Hilchenbach),
die Ortschaften Stöcken („in Stochen“),
Merklinghausen („merkelnhusen“), Im
Bruch („in der Broiche“) und Ernsdorf
(„Ernsbachstrop“) genannt. Erwähnt
sind auch die abgabepfl ichtigen Einwohner
„Gerlach in dem Broiche“ (im
Bruch bei Ernsdorf), „Sifridus zu der
Widenhube“ (Hof Weiden - heute Fellinghausen
- ehemals Kirchspiel Ferndorf)
und die Adligen „Gobelinus van
der hesen“ (Gobelinus von der Hees),
die Ritter Eberhard und Heinrich Kolbe
von Wilnsdorf sowie der Ritter Fredericus
Daub im Freiengrund.
Zur genaueren zeitlichen Einordnung
dieser Aufzeichnungen können wir
die Erwähnungen der o.g. Adligen
in weiteren Urkunden heranziehen.
Heinrich Kolbe wird von 1337 bis
1347 erwähnt. Der Ritter Gobelinus
15
von der Hees fi ndet Erwähnung in
Urkunden von 1329 bis 1350.
Am Ende der Eintragungen fi nden
wir neben weiteren Besitztümern der
Erzbischöfe in Siegen, Oberholzklau,
Oberfi schbach, Mittelhees, Meiswinkel
und Plittershagen auch den Hinweis
auf kurkölner Rechte auf dem
Kindelsberg. Nach genaueren Untersuchungen
der handschriftlichen Eintragungen
lautet der den Kindelsberg
betreffende lateinische Eintrag in
diesem Kopialbuch „Nemus de
Kindelsberg“, was soviel bedeutet
wie „der Wald am Kindelsberg“.
16
Da von einer Burganlage oder einem
sonstigen Gebäude am Kindelsberg in
dieser Aufzeichnung nicht die Rede
ist, können wir davon ausgehen, dass
vorherige, im Hohen Mittelalter von
Bedeutung gewesene Verteidigungsanlagen
nicht mehr bestanden haben und
bereits verfallen waren. Das unterstützt
die Erkenntnisse Philipp Hömbergs,
dass die auf dem Kindelsberg vorhandenen
Mauerreste einer Wallanlage in
die Zeit des Hohen Mittelalters (11./12.
Jahrhundert) einzuordnen sind. Wie
wir aus den Aufzeichnungen in diesem
Kurkölner Kartular erfahren, war in
der Zeit zwischen 1340 und 1350 für
den Kölner Erzbischof lediglich noch
der Waldbesitz auf dem Kindelsberg
von Interesse.
Mit dem Auffi nden dieser über 650
Jahre alten Eintragung im Kurkölner
Kartular ist hiermit der älteste schriftliche
Nachweis des Kindelsbergs
gelungen.
Quelle: Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Kurköln,
Kartular 2 (coreaceus minor) S. 44-46
Wallkrone am Kindelsberg in den 1970er Jahren (Foto: Slg. Dieter Wörster)
100 Jahre Kindelsbergturm
17
Der Kindelsberg
Bergmassiv und Wallburg von Erhard Krämer
Wanderziel und Aussichtsturm
Namensdeutungen
Steinzeitfunde
Geologische Strukturen und Bergbau
Der Kindelsberg - eine Zufl uchtsstätte ?
Kelten im Siegerland ?
Grabungen 1933
Weitere Auswertung und die Sondage 1989
Das Alter der Wallanlage
Resümee
Das Jahrhundertjubiläum der „Einweihung“
des Kindesbergturms im Jahr
1907 gibt Veranlassung die heute noch
erkennbare Wallanlage zu würdigen.
Dabei spielen naturgemäß die Fragen
der Namensgebung des Kindelsberges
und die nach Entstehung und Alter
der Wallanlage eine besondere Rolle.
Generationen von Forschern haben sich
bereits mit diesen Fragen beschäftigt,
ohne dass bisher eindeutige, wissen-
schaftlich abgesicherte Antworten
gegeben werden konnten. Dazu hätte
es wohl noch deutlich umfangreicherer
systematischer Grabungen bedurft.
Vielleicht sollte auch weiter nach
schriftlichen Quellen gesucht werden,
sofern eine hochmittelalterliche Burggründung
in Betracht kommt, selbst
wenn diese Anlage nicht über einige
Anfänge hinauskam. Dabei sollte nicht
verkannt werden, dass es im Siegerland
durchaus Kleinburgen gibt, zu
18
denen keine urkundlichen Nachrichten
vorliegen.
Natürlich kann dieser Bericht nur
über den derzeitigen Wissensstand
berichten, auf Widersprüche hinweisen
und Fragen stellen. Der Kindelsberg
scheint mir für unsere Region zu
bedeutend und im Bewusstsein der
Bevölkerung emotional zu wichtig zu
sein, als dass man es bei den jetzigen
Unklarheiten belassen könnte.
Der Kindelsberg ist der topografi sche
Mittelpunkt der heutigen Stadt Kreuztal,
dem früheren Amt Ferndorf. Am
Osthang liegt die Ferndorfer Gemarkung
mit der Flur „Hohlbusch“. Im
Süd-Südwesten liegt die ehemalige
Gemarkung Ernsdorf, die Turm und
Wallanlage einschließt. Der Norden
gehört zu Littfeld. Waldeigentümer
sind in Ferndorf und Kreuztal die
Haubergsgenossenschaften, der Littfelder
Teil ist Keppeler Stiftswald.
Wanderziel und Aussichtsturm
Es ist verständlich, dass der hochauf-
ragende Kindelsberg, seit dem 19.
Jahrhundert ein beliebtes Wander-
und Ausfl ugsziel mit eindrucksvoller
Fernsicht - bei günstigem Wetter bis
zum Siebengebirge - der Bevölkerung
immer ein prägendes Heimatsymbol
war. Auf dem Kindelsberg fanden viele
Sänger- und Turnfeste statt. Auch
war er ein guter Nährboden für allerlei
Sagenbildungen, was besonders auf
die Ringwallanlage aus grauer Vorzeit
zurückzuführen ist, deren ursprüngliche
Bedeutung man wohl mehr
erahnte als kannte. Aus alten Bruchsteinmauern
und Erdwällen wurde eine
Ritterburg, manche glaubten sogar
römische Wallanlagen zu erkennen (so
in einem Bericht des Hilchenbacher
Amtmanns Diesterweg an die preußische
Regierung 1815) [1]. Schließlich
wurden noch die alten Kelten bemüht.
Auf einer großen, 1981 am Turm angebrachten
Tafel, wird nicht nur auf
einen keltischen Ringwall aus der Zeit
um 500 v. Chr. hingewiesen, es wird
sogar noch ein angeblich über Jahr-
100 Jahre Kindelsbergturm
Blick auf Ferndorf - im Januar 2006
(Foto: Albrecht Rath)
hunderte besuchter Wallfahrtsort zur
„Kindesverehrung“ (vom Namen Kindelsberg
hergeleitet) postuliert.
Die erste bisher bekannte schriftliche
Erwähnung des Kindelsberges stammt
aus Ferndorfer Kirchspielsrechnungen
von 1663 („Kinnelsberge“) [2]. In
einer kolorierten Handzeichnung von
C. Kraphiel aus dem Jahr 1764 wird der
„Gindels Berg“ gar als mehrtürmige
Ritterburg gezeigt.
Eine Ruine auf dem Kindelsberg, wie sie sich C. Kraphiel 1764 vorstellte. Ausschnitt aus
einer farbigen Vorlage im kgl. Hausarchiv Den Haag (aus: Scholl, Burgen [13])
19
Namensdeutungen
Die Deutung des Namens „Kindelsberg“
ist schwierig und m.E. bisher
nicht gelungen. Mundartlich heißt es
„Kingelschbrich“, es soll früher auch
„Kingerschbrich“ geheißen haben.
Der zweite Wortteil „Berg“ (vgl.
Mölmerich = Mühlberg) ist klar. Es
ist denkbar, dass in der hochdeutschen
Form „Kindels-“ das Wort
„Kind“ steckt, dessen Mehrzahl aber
auf „nordsiegerländisch“ „Kinger“
heißt. Möglicherweise verbirgt sich
jedoch noch etwas ganz anderes im
ersten Namensteil.
Die Deutung Kingel gleich „Kringel“
(= Ring) klingt vielleicht einleuchtend
und wurde hin und wieder von
Volksschullehren und anderen angeboten
(so Philipp R. Hömberg,
Münster 1998 und lt. Böttger bei
Heinzerling um 1890). Sie ist aber
Wallmauer auf der Südostseite in den
1950er Jahren (Foto: Slg. Günter Weller)
20
für den Kenner unserer Mundart
quasi eine Unmöglichkeit, da ein
solch markantes „R“ sprachlich weder
verschluckt noch gar ausdrücklich
weggelassen werden kann.
Einfacher verhält es sich da bei der
Martinshardt, die mundartlich früher
„Merdenshard“ genannt wurde. In der
„Einschreibung der Haubergstücke“
1718 heißt es „Merdens Haard“ - nach
Merten (Hochdeutsch: Martin). Also
der Bergwald, der steile Berghang
des Martin oder der Mertens. Auch
in der „Kartenaufnahme der Rheinlande
durch Tranchot und v. Müffl ing
1803-1820“ heißt es Mertenshart
(Nachdruck Landesvermessungsamt
NRW 1978). Im 17. und 18. Jahrhundert
wohnte in Ferndorf und Ernsdorf
die Familie Merten.
Steinzeitlicher Setzkeil - 1968 im Ferndorfer
Zitzenbachtal gefunden (Heimatmuseum
Ferndorf, Foto: Katrin Stein)
Steinzeitfunde
Die ältesten, allerdings spärlichen
Funde unserer Region stammen aus der
Jungsteinzeit, dem Neolithikum (5.500
bis 2.700 v. Chr.). Man vermutet, dass
die jungsteinzeitlichen Siedler Hirten
waren, die von der Waldviehzucht
lebten. Es wird eine dünne und nur
vorübergehende Besiedlung unserer
Region angenommen [3]. Im Umfeld
des Kindelsberges wurden gefunden:
* ein 8,5 cm langes Steinbeil aus
olivinfreiem Basalt, gefunden 1933
am Südwesthang des Kindelsberges
in 380 m über NN,
* ein 15,4 cm langes Steinbeil aus
Quarzit, gefunden 1934 in der Flur
„Lange Wiese“ nördlich Krombach
in 320 m über NN,
Geologische Strukturen und Bergbau
Kindelsberg (618 m), Martinshardt
(616 m) und Hoher Wald (655 m) bilden
den Gebirgsstock „Müsener Horst“,
der sich weithin sichtbar als westlicher
Ausläufer des Rothaargebirges
erhebt. Geologisch gesehen gehört
das Massiv zum „Unterdevon“, bestehend
aus Tonschiefer, Grauwacken
und Sandstein mit Quarziten in den
Gipfellagen. Die Gesteine entstanden
vor rund 400 Mio. Jahren im „Erdaltertum“
durch Ablagerung von Schlamm
und Sand im allmählich absinkenden
Meeresbecken. In der nachfolgenden
Karbonzeit (vor über 200 Mio. Jahren)
wurden die Gesteinsschichten durch
vulkanisch bedingte Erdfaltungen zum
100 Jahre Kindelsbergturm
* eine 12,8 cm lange Arbeitsaxt aus
Grauwackenschiefer, gefunden auf
der Grube „Brüche“ in 390 m
über NN, ein Funddatum ist nicht
bekannt,
* eine 10,7 cm lange Arbeitsaxt aus
Grauwacke, von einem Bergmann
gefunden bei der Grube „Wilder
Mann“, 490 m über NN, leider auch
ohne Funddatum,
* ferner 1968 im auslaufenden Tal
der am Kindelsberg entspringenden
Zitzenbach ein kleiner durchbohrter
„Setzkeil“ aus erzreichem Hornblendeschiefer,
der zum Holzklaftern
benutzt wurde. Er befi ndet sich
im Ferndorfer Heimatmuseum.
Hochgebirge aufgerichtet, das in den
folgenden Jahrmillionen durch Wasser
und Wind, Sonne und Frost zum
Mittelgebirge abgetragen wurde. In
„Aufschiebungen“ (ältere Schichten
schoben sich über jüngere) entstanden
Gebirgsspalten, sog. „Störungen“, als
Aufstiegswege für metallhaltige Lösungen,
aus denen sich im Lauf der
Zeiten Metallzonen unterschiedlichster
Stärke bildeten. Die zahlreichen
Erze wie Eisenspat, Blei, Kupfer, Zink
und Silber wurden schon in vor- und
frühgeschichtlicher Zeit abgebaut [4].
Im Kindelsbergbereich fi nden sich
zahlreiche Spuren eisenzeitlichen und
mittelalterlichen Bergbaus. Vermutlich
21
ab dem 5. Jh. v. Chr. waren es wohl
der keltischen Völkerfamilie zugerechnete
Gruppen, die zu Tage tretende
Erzlager abbauten und in einfachen
Schmelzöfen Eisen und sonstige Metalle
gewannen. Im Müsener Bergbaurevier,
zu dem u.a. Kindelsberg
und Martinshardt gehören, wird auf
Grund von noch vorhandenen Pingen
und kleinen Schächten ein bedeutender
Tagebau nachgewiesen. Hier sind
besonders die „Müsener Klippen“ zu
nennen, stehen gebliebene Felsen aus
erzfreiem („tauben“) Gestein mittelalterlichen
Bergbaus im Tagebau. Ab
dem 12. Jh. trieb man Stollen in die
Berge und teufte Schächte in die
Gruben. Die früheste schriftliche Nachricht
vom Bergbau an der Martinshardt
stammt aus dem Jahr 1313 [4+5].
Von besonderer Bedeutung für die
Geschichte des mittelalterlichen Bergbaus
im „Müsener Revier“ sind die
Ausgrabungen einer Bergbausiedlung
auf dem Altenberg von 1970 bis
1980 durch Archäologen aus Münster
und vom Deutschen Bergbaumuseum
Bochum [6]. Die Grabungsstätte liegt
auf der Höhe zwischen Kindelsberg
und Ziegenberg (486 m) und 1,5 km
nordöstlich der Kindelsbergkuppe am
Weg zwischen Müsen und Littfeld.
Die Bergbausiedlung wird auf Grund
vieler Funde auf das 13. Jh. datiert
und bestand wohl nur etwa 100 Jahre.
Gegenüber der Martinshardt mit dem
bekannten „Stahlberger Stock“ (Spateisensteinlager)
war der Kindelsberg
als Bergbaugebiet weniger bedeutend.
Hier war die „Silberart“ auf Littfelder
Seite mit dem ab 1850 über 1,5 km
22
Die Grube Silberart mit ihren acht Stollen
unterquert den ganzen Kindelsberg von
Littfeld bis zur Waldesruh in Ferndorf
(Abb. Mathias Döring [4])
langen und südlich der Waldesruh
endenden „Tiefen Kindelsberger Stollen“
die wichtigste Grube. Sie hatte
schließlich eine Tiefe von über 300 m.
Die Förderung wurde 1901 eingestellt,
weil die Erzvorräte erschöpft waren.
Ferner ist noch das kleine Bergwerk
„Gottessegen“ auf der Ferndorfer Seite
des Kindelsberges zu erwähnen, das
aber nicht rentabel war. Sein Stollen-
mundloch bei der „Waldesruh“ ist
erhalten. Hier beginnt das „Gottessegener
Seifen“, ein Nebenquellbach
der Zitzenbach. Eine Nebengrube der
„Silberart“ ist die „Ernsdorfer Zeche“,
Der Kindelsberg eine Zufl uchtsstätte ?
Schon in ältesten Zeiten haben die
Menschen bei Bedrohungen durch
feindliche Scharen die Wälder aufgesucht,
um sich zu verstecken und sich
dann, wenn möglich, durch Schaffung
möglichst sturmsicherer Zufl uchtsorte
günstige Bedingungen zur Verteidigung
zu schaffen. Dazu eigneten sich
besonders hohe Berge, die einerseits
Weitsicht zum Erkennen von Angreifern
boten, andererseits durch Aufschüttung
hoher Wälle den von unten
angreifenden Feind von oben herab
abzuwehren ermöglichten. Um bei
kürzestem Wallumfang einen größtmöglichen
Innenraum zu erreichen,
Kelten im Siegerland ?
Anfang der 1930er Jahre wurden auf
Anregung von Hermann Böttger [9]
die Wallburgen bei Aue, Laasphe,
Obernau und der „Burggraben“ bei
Niedernetphen untersucht. 1933 folgte
der Kindelsberg, die kleinste dieser
Anlagen. Böttger hielt diese zusammen
mit den großen Wallburgen bei
Rittershausen im Dietzhölztal und der
100 Jahre Kindelsbergturm
deren Mundloch am Weiher nördlich
der Waldesruh liegt [7].
Die neuzeitliche Grube Altenberg,
nahe der gleichnamigen Bergbauwüstung
am Südhang des Ziegenberges,
war von etwa 1551 bis 1914 in Betrieb.
Sie kann allerdings wegen ihrer Entfernung
nur bedingt dem Revier des
Kindelsbergs zugerechnet werden.
wählte man naturgemäß die Kreisform.
Man erhielt den Ringwall. Solche
Fliehburgen wurden, wie Ausgrabungen
zeigten, sowohl in „vorgeschichtlicher“
Zeit als auch im Mittelalter
errichtet, darüber hinaus noch vereinzelt
bis in die Zeit des dreißigjährigen
Krieges. Um das Alter einer Wallburg
zu bestimmen, ist es erforderlich,
bestimmbare Funde auszugraben, zu
sichern und sachgerecht auszuwerten.
Die Wälle wurden aus zunächst unbehauenen,
später auch zugerichteten
Steinen erbaut, zu besserem Halt mit
Erde bedeckt und auch mit Holz und
Strauchwerk verankert [8].
Alten Burg bei Netphen-Afholderbach
für einen vermutlich durch „keltische
Eindringlinge“ planmäßig angelegten
Festungsgürtel um das erzreiche Siegerland
[10]. Die „Frühe La-Tène-Zeit“
rechnet etwa ab 450 v. Chr. und folgt
der Frühen Eisenzeit (ca. 750-450 v.
Chr.), auch „Hallstattzeit“ genannt. In
der nach den Bodenfunden in Hall-
23
statt (Österreich) benannten Zeit kann
von einer hohen keltischen Kultur
in Mitteleuropa gesprochen werden,
die besonders auch durch Grabfunde
belegt wird. Allerdings müssen es
nicht zwingend immer Kelten sein, die
diese Kultur trugen, es können durchaus
auch andere, mit der keltischen
Kultur verbundene Stämme sein.
Das Siegerland war wohl nördliches
Grenzland des auch in Mitteleuropa
ausgedehnten keltischen Siedlungsgebietes.
Die Forschung nimmt an, dass
seit Mitte des 2. Jhds. v. Chr. aus Norddeutschland
einwandernde Germanen
die Kelten, oft mit Gewalt, verdrängten
[11]. Es ist auch eine Verschmelzung
beider Völkerschaften durch „Aufsaugen“
der Unterlegenen durch die
Sieger möglich, die dann die Kultur
der Kelten erbten. Hierfür spricht im
Siegerland der Erhalt alter Flussnamen
mit keltischem Namensbestandteil. Ein
keltischer Ursprung der Kindelsberg-
Grabungen 1933
Vor näherer Betrachtung des Grabungsberichtes
des Bodenforschers
Heinz Behaghel aus dem Jahr 1933 ist
zum Vergleich noch auf die großen
„Keltenburgen“ bei Rittershausen und
die Alte Burg einzugehen. Die „Ley-
Burg“ bei Rittershausen, auf der 516m
hohen Ley gelegen, besteht aus mächtigen,
drei Meter dicken Wällen. Die
innere ovale Hauptanlage hat eine
Länge von 320 m sowie eine Breite von
ca. 240 m und ist von einem zweiten
Wall umgeben. Zahlreiche Boden-
24
anlage wird allerdings von der neueren
Forschung angezweifelt, wie noch auszuführen
ist.
Die von 2000 bis 2003 durchgeführten
Ausgrabungen [12] auf der Kalteiche
bei Haiger lieferten bemerkenswerte
Ergebnisse. Neben mittelalterlichen
Verhüttungsplätzen aus dem 11. bis
13. Jh. fand man in bewaldeter Höhen-
lage zwischen 470 und 530 m über NN
(vergleichbar der Höhenlage der Bergbausiedlung
Altenberg), vor allem eisenzeitliche
Siedlungsreste, Verhüttungs-
plätze und Teile eines Gräberfeldes
(Grabhügel der späten Hallstattzeit
und einen Grabgarten der späten La-
Tène-Zeit), die auf Grund ihrer Anlage
und Funde eindeutig der keltischen
Siedlungs- und Kulturgefügeperiode
zuzurechnen sind. Die Erhaltung der
Höhenbefestigungen und der anderen
Befunde im dünn besiedelten Mittelgebirge
sind den besonderen Bedingungen
des Waldes zu verdanken.
funde lassen angeblich auf eine Ent-
stehungszeit nach 500 v. Chr. schliessen.
Bei der Wallburg auf der 634 m
hohen Kuppe des Berges „Alte Burg“
ist der äußere Wall 1.100 m und der
innere 680 m lang. Die Errichtung der
Wehranlage wird in die Zeit um 200
v. Chr. datiert [13]. Demgegenüber
hat die Anlage auf dem Kindelsberg
nur einen Umfang von 270 m, eine
Länge von 120 m und eine Breite von
ca. 60 m und somit eine Fläche von
einem halben Hektar.
Ende 1933 veröffentlichte Heinz Behaghel
einen Artikel „Die Ausgrabungen
auf dem Kindelsberg“ [14], auf den
im Folgenden Bezug genommen wird.
Dieser Aufsatz wurde seitdem bei
Aussagen über die Wallanlage immer
wieder herangezogen und dabei unterschiedlich,
wenn nicht widersprüchlich
interpretiert. Behaghel, damals ein
23 Jahre alter Student, hatte die von
Böttger veranlassten Grabungen im
Mai und September 1933 geleitet.
Grundriss der mittelalterlichen Wallanlage. Aufnahme durch das Westf. Museum für
Archäologie in Münster (Aus: Hömberg, Der Kindelsberg [17])
100 Jahre Kindelsbergturm
Mitglieder des „Freiwilligen Arbeitsdienstes“
aus dem Stahlberglager
unterstützten ihn dabei tatkräftig.
Hintergrund dieser Untersuchungen
waren ferner Anregungen von Pfarrer
Heider aus Müsen und Amtsbürgermeister
Richter von Keppel. In einer
Zeit größter Arbeitslosigkeit sollte zur
Förderung des Fremdenverkehrs der
Wall in seiner ursprünglichen Gestalt
wieder aufgebaut, im Sattel gegen den
Birkhahn ein Rasthaus errichtet und
25
equem zu befahrende Zufahrtswege
angelegt werden. Vor dem zumindest
teilweisen Abbruch der Wallanlagen
war natürlich eine wissenschaftliche
Untersuchung notwendig.
Als Behaghel mit seinen Arbeiten
begann, befand sich der Untersuchungsort
schon nicht mehr im
ursprünglichen Zustand. Durch den
Bau eines Turnplatzes in den 1880er
Jahren (s.S. 34 in dieser Festschrift)
war die gesamte West- und Nordwestseite
des Walles beeinträchtigt
worden. Zudem ist anzunehmen, dass
durch unqualifi zierte „Schatzsucher“
Schäden und Beeinträchtigungen entstanden
sind. Es ist schon als ein besonderer
Glücksfall anzusehen, dass
es nicht zur völligen Zerstörung der
Anlage kam. Nach Behaghel bestand
vom äußeren Wallfuß bis zur Wallkrone
noch ein Höhenunterschied von
26
etwa vier Metern. Dem Wall vorgelagert
war im Nordosten und im
Südwesten ein fl acher Graben, vermutlich
ohne „fortifi katorische“ Bedeutung
für das Befestigungswerk.
Auf einer Länge von 10 Metern wurden
der Rasen und eine dünne Humusschicht
von der äußeren Wallböschung
abgetragen. Darunter befand sich eine
„wirre Lage von Steinen“, die als
„Wallrutsch“ entfernt wurde. Nach
weiteren Abräumungen fand man am
Außenhang, zwei Meter vor der heutigen
Wallkrone, eine als Fundament
der Wallmauer anzusehende mauerartige
Steinsetzung, nämlich eine Trokkenmauer
mit vier bis fünf in Lehm
verlegten Bruchsteinlagen. Das Innere
des Walles bestand aus Bergschotter
(Stein- und Lehmschutt). Den hinteren
Abschluss bildete wieder eine Trockenmauer,
die bis zu einer Höhe von einem
Links: Blick von innen in die Trockenmauer
auf der Westseite. Unter der Mauer ist die
Steinschuttschicht zu sehen, darunter der
anstehende Faulschiefer.
Rechts: Blick von oben auf die Trockenmauer.
Erkennbar sind rechts und links
die sauber gesetzten Schalen der Mauer
und die dazwischenliegende Stein-Lehm-
Schicht (Füllung).
(Aus: Hömberg, Der Kindelsberg [17])
Meter freigelegt wurde. Die Untersuchung
ergab, dass das Fundament der
äußeren Stirnmauer zum Teil aus zentnerschweren
Bruchsteinen bestand.
Die Pionierarbeit Behaghels zeitigte
nach seinen Worten im Wesentlichen
folgende Ergebnisse: Ein möglicher
Angreifer sah über einer steilen
Böschung auf eine 1,5 bis 2 Meter hohe
Bruchsteinmauer. Zur Verstärkung war
der Raum zwischen ihr und dem zur
Burgmitte gelegenen Hang mit Erde
aufgefüllt worden, die von hinten durch
eine weitere Trockenmauer gestützt
wurde. Die Wallkrone sei mit einer Art
Pfl aster abgedeckt gewesen, darüber
vermutete er eine glatt abschließende
Mauer als Brustwehr.
Behaghel stellte dann Möglichkeiten
eines Zuganges zur Burg mit je einem
Nord- und einem Südtor vor. Er nahm
noch einen tiefer gelegen, zweiten
Außenwall an, „der durch jahrhundertealte
Haubergarbeit verschliffen
wurde“. Auch glaubt er, in etwa 50
Meter Abstand parallel zum Wall eine
Terrasse zu erkennen.
Links: Wallmauer mit dem vermuteten Tor
auf der Südseite um 1952 (Foto: Günter
Koch). Rechts: Die Krone der Wallanlage
im Jahr 1967 (Foto: Gerhard Bald)
100 Jahre Kindelsbergturm
Im Inneren des Burgringes fanden sich
in einer mit Holzkohle untermischten
Schicht 12 Pfostenlöcher und eine
50 cm in den Fels eingetiefte, mit
Erde gefüllte Grube mit einem Durchmesser
von ca. 2,50 m. Er nahm an,
dass es sich hier um einen Unterkunftsraum
für eine kleine, vielleicht
ständig anwesende Wachmannschaft
gehandelt haben könnte.
Obwohl keine weiteren Funde gemacht
wurden und das Innere „für
den Daueraufenthalt größerer Volksmassen
ungeeignet“ war, glaubte
Behaghel, dem Stand der damaligen
Forschung entsprechend und vielleicht
damals auch erwünscht, dass „der
Kindelsberg in das System der Wallburgen
hineingehört, das um 500 v.
Chr. zum Schutze des erzreichen Siegerlandes,
wahrscheinlich von Kelten,
gegen die Germanen errichtet wurde“.
Diese These wurde von Irle 1963 als
Feststellung übernommen [15], von
Scholl 1971 jedoch „mit einiger Wahrscheinlichkeit“
anzunehmen bezeichnet
und mit Fragezeichen versehen
[16]. Nach Höhe und Mächtigkeit des
Berges und dem Sichtkontakt zur
„Alten Burg“ könnte sich diese Meinung
allerdings anbieten.
27
Weitere Auswertung und die Sondage von 1989
Im Jahre 1998 erschien eine vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe herausgegebene
Ausarbeitung von Philipp
R. Hömberg [17] auf der Basis von
bislang nicht veröffentlichen Unterlagen
Behagels aus dem Archiv der
Altertumskommission in Münster.
Danach befanden sich etwa zwei Meter
vor der heutigen Wallkrone Reste
einer bis zu drei Meter breiten Trokkenmauer
als Bestandteil der ehemaligen
Wallfront. Diese bestand aus
je einer Innen- und Außenschale aus
„sorgfältig in Lehm verlegten Steinen“.
Während die innere Schale noch eine
Höhe von etwa einem Meter erreichte,
bestand die Außenschale noch aus
drei Steinschichten (gegenüber vier
bis fünf Lagen im Bericht Behaghels).
Die Zwischenräume der zweischaligen
Mauer waren mit Lehm- und Steinschutt
gefüllt. Zwischen der Trockenmauer
und dem Graben befand sich
ein eingeebneter Streifen von 0,5 bis
1,5 m Breite („Berme“). Im Burginneren
fand man Holzkohlenreste und
rot gebrannten Lehm, vermutlich die
Reste eines verbrannten Holzbaus. Die
in den Fels eingeschlagene Vertiefung
Das Alter der Wallanlage
Wie schon viele zuvor, stellt auch
Hömberg die Frage nach dem Alter
der Wallanlage auf dem Kindelsberg.
Da bei den verschiedenen Grabungen
keinerlei Funde gemacht wurden, die
hierüber hätten Auskunft geben
28
von 35 cm mit einem Durchmesser
von 2,5 m deutet Hömberg als Grubenhaus.
Die Ausgrabungen ließen
ferner ein etwa zwei Meter breites
Kastentor in der Südmauer (Richtung
Kreuztal) erkennen.
Im Zusammenhang mit technischen
Modernisierungsarbeiten beim Bau
einer neuen Wasserversorgungsleitung
wurde um 1998 an der Westseite der
Bergkuppe zu archäologischen Untersuchungen
ein etwa 17 m langer Suchschnitt
angelegt. Dabei fand man nur
25 cm unter der Oberfl äche des jetzigen
Spielplatzes die obersten Lager
der inneren „Mauerschale“ einer Trokkenmauer,
die in etwa der 1933 untersuchten
Mauer der Ostseite entsprach.
Das bedeutet, dass die Westseite durch
die Anlage des Spielplatzes nicht
so stark zerstört war, wie zunächst
befürchtet wurde. Gleichzeitig konnte
beim Aushub einer Baugrube zwischen
Turm und Gaststätte festgestellt
werden, dass der anstehende Faulschiefer
direkt unter der Oberfl äche
beginnt. Allerdings sind mögliche
alte Siedlungsreste wohl durch die
moderne Bebauung zerstört worden.
können, und bis heute keine historischen
schriftlichen Quellen über die
Kindelsberganlage vorhanden sind,
könnten Vergleiche mit ähnlichen
Burgen der Umgebung Anhaltspunkte
geben. Erschwerend bei der Antwort
ist, dass einige der von Böttger und
Behaghel genannten Anlagen der
„eisenzeitlichen Burgenkette“ zwar
der vorrömischen Eisenzeit, andere
jedoch dem Früh- oder gar dem Hochmittelalter
zuzurechnen sind. Auch
Vergleiche mit anderen Burgen der
Region (Burbach, Hohenseelbachskopf)
führen nicht weiter, da keine
defi nitiven Übereinstimmungen festzustellen
sind. Die geringe Größe und
die in Lehm verlegten Trockenmauern
sprechen nach Hömberg eindeutig
gegen eine eisenzeitliche (z.B. keltische)
Burg auf dem Kindelsberg.
Dann weist er auf eine zweite Burgbauperiode
Westfalens vom 8. bis 10.
Jahrhundert hin, die in Zusammenhang
mit den fränkisch-sächsischen
Auseinandersetzungen zu sehen sind.
Auch hier seien Übereinstimmungen
mit dem Kindelsberg nicht erkennbar.
Andere Ringwälle wie z.B. der Burggraben
bei Netphen gehören einem
jüngeren Abschnitt des Frühmittelalters
an. Hömberg führt aus, dass es
durchaus auch in größerem Umfang
Ringwälle (Erdwerke) aus hochmittelalterlichen
und späteren Zeiten gibt,
von denen keine historischen schriftlichen
Quellen bekannt, die aber durch
zufällige Funde bestimmbar sind.
Neben anderen Burganlagen werden
auch Wälle und Gräben im Zusammenhang
mit der Ginsburg genannt.
Aus den großen Übereinstimmungen
mit dieser Gruppe schließt Hömberg
auf eine mögliche Datierung des Kindelsberges
ins Hohe Mittelalter. Im
letzten Satz kommt unvermittelt ein
Lösungsvorschlag:
100 Jahre Kindelsbergturm
Die Kindelsberganlage sei möglicherweise
eine frühe kölnische Burg zur
Durchsetzung erzbischöfl icher Herrschaftsrechte
im nördlichen Sieger-
land gegen den Grafen von Siegen(!)-
Nassau. Diese Hypothese wird jedoch
nicht weiter begründet. Noch 1993
hatte Hömberg vorsichtig ausgeführt:
„Der Ringwall wird meist der vorrömischen
Eisenzeit zugeschrieben,
doch sprechen Wallaufbau, Tore und
Mauertechnik eher für eine jüngere
Datierung“.
Es wird jedoch seit einigen Jahren für
denkbar gehalten, dass eine mittelalterliche
Burg auf dem Kindelsberg
zeitnah zur Anlage der Bergbausiedung
auf dem Altenberg zu Beginn
des 13. Jahrhunderts und zu deren
Schutz errichtet wurde [18]. Die
Bergspitze liegt allerdings ca. 1,5 km
südwestlich der Bergbauwüstung
Altenberg und ist etwa 130 m höher.
Nach dem derzeitigen Stand der Forschung
hat der Kindelsberg wohl
keine keltische Fliehburg getragen.
Die geringe Größe und der fehlende
äußere Wallring (von Behaghel vermutet,
aber nicht nachgewiesen)
führen zu dieser Annahme. Auf dem
Kindelsberg befand sich wahrscheinlich
eine mittelalterliche Burganlage.
In diesem Zusammenhang ergibt sich
eine Reihe von Fragen.
a) Was war vorher? Haben Kelten
und Germanen den Kindelsberg übersehen?
Könnte die ursprüngliche Anlage
zeitlich auch in die Jahre der
Auseinandersetzung zwischen Franken
und Sachsen gehören, auch wenn
bisher noch kein Material gefunden
29
wurde, das in die karolingische Zeit
zu datieren wäre [19]?
b) Falls das Erzstift Köln die hochmittelalterliche
Anlage als Grenzsicherung
gegen Nassau errichten ließ, ist es denkbar,
dass in Archiven einer so bedeutenden
Territorialmacht keine schriftlichen
Belege vorhanden sind [20]?
c) Zum Kern einer mittelalterlichen
Burg gehörte normaler Weise ein Bergfried
[21]. Warum wurden keine Reste
davon gefunden? Es ist jedoch zu
bedenken, dass bei Kleinburgen oft
kein Bergfried vorhanden war.
d) Wie stand es um die Wasserversorgung?
Für einen Brunnen gibt es keine
Hinweise [22].
e) Wäre es nicht auch möglich, dass
hochmittelalterliche Erbauer auf Ringwallanlagen
der Jüngeren Eisenzeit
eine Burg errichten wollten, wie es für
die Ginsburg angenommen wird [23]?
Resümee
Leider ist die Wallanlage immer nur
punktuell und nie umfassend ausgegraben
und untersucht worden. Bei
anderen vergleichbaren Objekten in
unserer Region konnte durch viel Idealismus
und fi nanzielle Unterstützung
der öffentlichen Hand Erstaunliches
geleistet werden. Es sei hier an die
Grabungs- und Restaurierungsarbeiten
an der Ginsburg erinnert.
f) Wie ist es zu erklären, dass die Forschung
nach all den Jahren fl eißiger
Arbeit noch keine eindeutige Antwort
über Ursprung und Alter der Wallanlage
zeitigen kann? Immerhin handelt
es sich um eine mögliche Zeitspanne
von 1.500 Jahren (von 400-500 v. Chr.
bis Anfang des 14. Jahrhunderts).
Im Jahr 2006 entdeckte Herr Dieter
Tröps im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf
Aufzeichnungen über den Besitz der
Kölner Erzbischöfe aus der Zeit etwa
1337-1347 (s.S. 15 dieser Festschrift).
Hier wird auch der Kindelsberger
Wald genannt. Herrn Archivar Tröps
gebührt großer Dank für seine Arbeit,
durch die die Ersterwähnung des
Kindelsberges nun ca. 320 Jahre früher
angesetzt werden kann als bisher.
Dies zeigt, dass noch nicht alle Archive
voll ausgewertet wurden und Überraschungen
immer noch möglich sind.
Ist es utopisch, für den Kindelsberg,
Wahrzeichen der Stadt Kreuztal und
hiesiger Unternehmen, vielleicht aus
Anlass des Turmjubiläums, Ähnliches
zu erhoffen? Die noch immer bestehenden
Unklarheiten zum Ursprung
des Kindelsberges befriedigen nicht.
Ergreift jemand die Innitiative, Kommune,
Wirtschaft, Verbände oder/und
idealistische Heimatfreunde?
Anmerkung der Redaktion. Vergleiche auch: Krombach, Geschichte eines Siegerländer
Dorfes - Andreas Bingener: Die territoriale Entwicklung im nördlichen Siegerland
unter den Erzbischöfen von Köln, S. 32ff, Verlag die Wielandschmiede, 2001
... Die Bauarbeiten sind aber nicht beendet worden und die Anlage kam daher nicht
über gewisse Anfänge hinaus. Vermutlich wurde die Befestigung zum Schutz der
Besitzungen des Erzstiftes im nördlichen Siegerland überfl üssig, als der Kölner Erzbischof
Engelbert I. von Berg im Jahre 1224 eine Übereinkunft mit Heinrich II. Graf
30
zu Nassau über die Teilung von Burg und Stadt Siegen erzielen konnte. ...
Anmerkungen
Ich danke den Herren Dr. Helmut Busch und
Dr. Bernd D. Plaum (beide Siegen) für ihre
wertvollen Anregungen und Hinweise.
In den ersten beiden Kapiteln gekürzter, geringfügig
geänderter Nachdruch aus: Siegerland,
Band 83, Heft 1
[1] Scholl Gerhard, 600 Jahre Ernsdorf-Creutztal,
Bilder und Fakten aus seiner Vergangenheit,
Hg. CVJM Kreuztal, Vortrag
25.9.1969, Archiv Ev. Kirchengemeinde
Ferndorf C 1, S. 7. Zum Thema Wallringe
vgl. in gleicher Schrift S. 6 u. 7.
[2] Irle Lothar, Ferndorf - Ein Siegerländer
Dorfbuch, Ferndorf 1963, S. 383
[3] Beck Hans, Die jungsteinzeitlichen Funde
des Siegerlandes, in: Siegerland 32, 1955,
S. 71-81. Frank, Thomas, Die Steinzeiten,
in: Der Kreis Siegen-Wittgenstein, Führer
zu arch. Denkmälern in Deutschland, Bd
25, Stuttgart 1993, S. 41 f., fortan Der Kreis.
[4] Döring Mathias, Eisen und Silber - Wasser
und Wald, Kreuztal 1999, S. 13. u. 24 f.
[5] Thünker, Michael, Geologie und Böden -
Geologischer Bau und Lagerstätten, S. 15,
in: Der Kreis (wie Anm. 3).
[6] Lobbedey Uwe, Zeitstellung, Struktur und
Bedeutung der Bergbausiedlung Altenberg,
in: Claus Dahm, Uwe Lobbedey, Georg
Weisgerber (Hrsg.) Der Altenberg, Bergwerk
und Siedlung aus dem 13. Jh., 2
Bde., Bonn 1998, Bd.1, S. 21-31, fortan Altenberg.
Lobbedey Uwe, Die Bergbauwüstung
Altenberg, in: Der Kreis (wie Anm. 3), S.
129 f. Bingener, Andreas, Der mittelalterliche
Bergbau im Siegerland, in: Siegerland
82, 2005, S. 106 f..
[7] Döring (wie Anm. 4), S. 19 f.
[8] August von Cohausen, Die Befestigungsweisen
der Vorzeit und des Mittelalters,
Wiesbaden 1898, Neudruck Würzburg
1996, S. 5 f., fortan Cohausen. Der Königliche
Konservator der Altertümer im
preußischen Regierungsbezirk Wiesbaden
(Nassau) Ingenieur-Oberst von Cohausen
(1812-1894) war viele Jahre in Pionierarbeit
als Ausgräber, Beschreiber und
Zeichner vorgeschichtlicher und mittelalterlicher
Befestigungswerke tätig. Kuckenburg,
Martin, Die Kelten in Mitteleuropa,
Stuttgart 2004, S. 107 f., fortan Kukkenburg,
Die Kelten. Ein gutes Beispiel
ist die Fluchtburg Finsterohr im Main-
Taunuskreis, vermutl. 2. oder 1. Jh. V. Chr.
[9] Böttger Hermann, in: Von Kindelsberg und
Martinshardt, h. v. Ev. Pfarramt Müsen,
Müsen 1927, S. 137 f.; ferner Siedlungsgeschichte
des Siegerlandes, Siegerländer
Beiträge zur Geschichte und Landeskunde
Heft 4, Siegen 1951, S. 16 f.
100 Jahre Kindelsbergturm
[10] Behaghel Heinz, Die Ausgrabungen auf
dem Kindelsberg, in: Heimatland - Beilage
zur Siegener Zeitung 9, Siegen 1933,
S. 139-142.
[11] Kuckenburg, Die Kelten (wie Anm. 8), S.
40 f. u. S. 40 f. u. S. 63 f, S. 101. Die
nach dem Fundplatz La Tène am Neuenburger
See (Schweiz) benannte Kulturperiode
beginnt etwa um 450 v. Chr. und
endet um die Zeitenwende.
[12] Verse, Frank, Archäologie auf Bergeshöhen
- Die Ausgrabungen auf der Kalteiche,
in: Siegener Beiträge 9, 2004, S. 9-26.
[13] Scholl Gerhard, Von Burgen und Schlössern
im Siegerland, Kreuztal 1971, S. 14.
Kruse, Hans, Das Siegerland und seine
Nachbargebiete in ihrer landes-, kultur-
und wirtschaftsgeschichtlichen Verbundenheit,
in: Siegerland 1941, S. 20 f.
[14] Behaghel (wie Anm. 10).
[15] Irle (wie Anm. 2), S. 383.
[16] Scholl (wie Anm. 13), S. 13 f.
[17] Hömberg Philipp R., Der Kindelsberg -
Stadt Kreuztal, Heft Nr. 13 der Reihe
Frühe Burgen in Westfalen, Hg. Altertumskommission
für Westfalen, Landschaftsverband
Westfalen-Lippe, Münster
1998. Diese Schrift ist auch Grundlage
der folgenden Ausführungen: Hömberg
Philipp R., Die Frühgeschichte S. 65 f., in:
Der Kreis (wie Anm. 3) und Der Kindelsberg
S. 139-141. Der Grabungstechniker
vom Westfälischen Museum für
Archäologie Matthias Delvart zum Alter
der Anlage: „Sie kann von 500 vor, aber
auch von 500 oder 1000 nach Chr. stammen“
(Siegener Zeitung 9. 9. 1989).
[18] Bingener (wie Anm. 6), S. 106 f.
[19] Petri Franz, Das Siegerland, Geschichte,
Struktur u. Funktionen, Münster 1955, S. 12.
Büttner, Heinrich, Christentum u. Franken
im Siegerland u. Westerwald in der Karolingerzeit,
in: Siegerland Band 32, 1955, S.1-8.
Philipp R. Hömberg, Die Frühgeschichte, S.
66, in: Der Kreis (wie Anm. 3).
[20] Das Nebeneinander der Erzbischöfe von
Köln und der Grafen von Nassau im
13. und frühen 14. Jahrhundert analysiert
Peter Johanek in seinem Beitrag „Die
Bergbausiedlung Altenberg - herrschaftliche
Verhältnisse im 13. Jahrhundert“ in
Altenberg (wie Anm. 6) Bd. 1, S. 15-20.
[21] Cohausen (wie Anm. 8), S. 148-150.
[22] Inzwischen wird das Wasser aus einem
Stollen der ehemaligen Grube „Gottessegen“
bei der Waldesruh zum Turm
gepumpt. Der Kindelsberg, Sage und
Wirklichkeit, Text von Dr. Wilhelm Müller
- Müsen, hg. v. SGV-Bezirk Siegerland
zum 75-jährigen Bestehen des Kindelsberg-Turmes,
Kreuztal 1982 S. 33-37.
[23] Scholl (wie Anm. 13), S. 13
31
100 Jahre Aussichtsturm
auf dem Kindelsberg
1893 - erste Turmbaugedanken
Zahlreiche konkrete Planungen seit 1904
Grundsteinlegung am 24. Mai 1906
Einweihungsfeier am 26. Mai 1907
Erneuerung der „Laterne“ 1929 und 1981
Erste Pläne für ein Rasthaus 1930
Drohender Verfall des Turms nach 1945
Neue Pläne für ein Rasthaus 1948
Einweihung des Rasthauses am 30. August 1953
Die Turmwirte
Der Turm im Dienste der Post
Bau einer Zufahrtstraße 1958
Erweiterung des Rasthauses 1968
Nicht realisierte Baupläne
Strom und Wasserversorgung in 618 m Höhe
Das Bedeutung der vier Wappen
Ende des 18. Jahrhunderts entstanden
in Deutschland die ersten Aussichtstürme,
deren Gestalt zunächst an mittelalterliche
Warten erinnerten. Später gab
es auch einfache Holz- und Eisenkonstruktionen.
Eine starke „Seh-Sucht“
und das Verlangen nach ungezähmter
Natur löste zu der Zeit einen regelrechten
„Aussichtsturm-Boom“ aus.
Auch der erstärkte Patriotismus nach
dem Sieg im Deutsch-Französischen
Krieg 1870/71 und die Gründung des
Kaiserreiches Deutschland förderten
diese Bewegung. Es entstanden damals
imposante Denkmäler, die nicht nur
100 Jahre Kindelsbergturm
von Dietmar Stahlschmidt
der Aussicht dienten, sondern auch
an die großen Tage der deutschen
Geschichte erinnern sollten, wie die
Kaiser-Wilhelm- und Bismarcktürme
[1].
Auch im Siegerland entstanden damals
einige Aussichtstürme und -kanzeln.
So wurde 1888 der Gilbergturm bei
Siegen-Eiserfeld errichtet, 1892 folgte
der Gillerturm in Hilchenbach-Lützel
und 1896 der Rabenhainturm bei Siegen-Volnsberg.
Von dieser Euphorie
waren jedoch nicht alle begeistert,
wie ein Bericht im Sauerländischen
Gebirgsboten [2] von 1905 belegt:
33
Die erste Anregung für einen Aussichtsturm
auf dem Kindelsberg kam
1893 vom Vorsitzenden der SGV-Abteilung
Krombach, Hermann Hambloch
[3-1906]. Anfangs waren noch andere
Standorte im Gespräch, wie Mühlberg,
Martinshardt und Hoher Wald.
Der 618 m hohe Kindelsberg war
schon im 19. Jahrhundert ein beliebtes
Ausfl ugziel und Ort für Veranstaltungen.
So fanden dort mehrere Sängerund
Turnfeste statt und seit den 1880er
Jahren gab es sogar einen Tanzplatz.
Zunächst blieb es jedoch nur bei
gedanklichen Plänen und erst im
Jahre 1904 wurde von den SGV-
Abteilungen Geisweid, Hilchenbach,
34
„Mit der sehr heiklen Frage der
Aussichtstürme werden wir uns noch
mehrfach zu beschäftigen haben.
Das eine hat sich indessen schon
jetzt unliebsam bemerkbar gemacht,
dass nämlich auf keinem Gebiete der
Landschaftsentstellung so schwere
Sünden aufzuzählen sind, als auf
diesem. Man sollte wirklich die
Augen offen halten und bei jeder
beabsichtigten Neuschöpfung die
Notwendigkeit und die etwaige Wirkung
eingehend prüfen.
Sind wir auf der einen Seite eifrig
bestrebt, den schlichten Charakter
unserer Landschaft mit ihren Bauten
zu erhalten, so können wir auf der
anderen Seite unmöglich tatenlos
zusehen, wie durch aufdringliche,
1893 - erste Turmbaugedanken
jeder inneren und äußeren Notwendigkeit
baren, Baulust diese Schlichtheit
gestört wird.
In den meisten Fällen handelt es
sich nur um die Befriedigung eines
persönlichen oder örtlichen Ehrgeizes
und um die Erschließung von Einnahmequellen,
die sich mehr oder
minder auf Erwerbung von Schankgerechtigkeiten
gründen und nur wenigen
zu gute kommen. Wir haben
angesichts der Turmseuche, die zur
Zeit in Deutschland grassiert, in
jedem Einzelfalle die Notwendigkeit
eines Aussichtsturmes zu prüfen,
wenn wir unsere Aufgaben nicht auf
die Erhaltung beschränken, sondern
auch auf die Verhütung ausdehnen
wollen.“
Grundriss des Ringwalls mit einem nach
Nordwesten liegenden Turnplatz - um 1900
entstanden [4]
Krombach und Siegen ein Ausschuss
gegründet, der sich für die Realisierung
einsetzte. Den Vorsitz übernahm
der Lehrer Hellmann aus Eichen.
Zahlreiche konkrete Planungen seit 1904
Am 29. Oktober 1904 war die erste Sitzung
des Turmausschusses im Gasthof
Kaletsch (heute Kreuztaler Hof) in
Kreuztal. Hier legte der Bauunternehmer
Eduard Burbach aus Krombach
den ersten Plan vor. Die Versammlung
sprach sich für einen mindestens
20 m hohen Turm aus Bruchsteinen
mit einer kleinen Schutzhütte und darunter
liegendem Keller aus. Gedacht
war an ein achteckiges Aussichtszimmer
mit vielen Fenstern und einem
Schieferdach. Martin Roedig, ein Mitglied
des Ausschusses, bevorzugte eine
Konstruktion aus Eisen und verhandelte
darüber mit der Firma Heinrich
Stähler, während Wilhelm Münker sich
beim „Schwäbischen Albverein“ über
einen Holzturm informieren wollte.
Bei der nächsten Sitzung einen Monat
später stellte sich die Frage, wie das
Projekt überhaupt zu fi nanzieren sei,
und der Hauptverein in Arnsberg
wurde um einen Zuschuss von rund
2.500 Mark gebeten. Eduard Burbach
legte einen neuen Entwurf vor und
wurde beauftragt, einen Finanzierungsplan
zu erarbeiten.
Im Januar 1905 verwarf man die Holzturmvariante,
denn man hatte erfahren,
dass die Lebensdauer höchstens
30-40 Jahre betrage. Ende März war
eine Ortsbesichtigung auf dem Kindelsberg
mit dem Grundstücksbesitzer
Heinrich Dresler. Neben der Klärung
des Turmstandorts stellte man fest,
dass die inzwischen 27 Jahre alte
„Kaiserlinde“ noch gesund war.
100 Jahre Kindelsbergturm
Bei der nächsten Versammlung im
Gasthof Heimbach in Siegen wurde
entschieden, einen aus Steinen gemauerten
Turm zu errichten. Eduard Burbach
sollte seine Pläne nochmals so
ändern, dass die Baukosten nicht höher
als 9.000 Mark lägen. Außerdem sollte
er Schürfarbeiten durchführen, da in
der Nähe des geplanten Standortes
Steine vermutet wurden, die als Baumaterial
verwendet werden könnten.
Als am 8. April 1905 der SGV-Hauptverein
in Hagen tagte und 2.500 Mark
für den Bau des Turmes bewilligte,
beschloss der Turmausschuss, einen
weiteren Antrag beim Kreis Siegen in
Höhe von 1.000 Mark zu stellen.
Erster Entwurf eines Turms auf dem
Kindelsberg von Eduard Burbach aus
Krombach - Vorbild war der Bergfried
einer mittelalterlichen Burg (Postkarte
von 1905 - Slg. Dieter Wörster)
35
Entwurf von Baurat Scheppig aus dem Bauschein vom 16. September 1905 [5]
36
Da die Schürfstelle noch nicht festlag,
schlug Friedrich Kraus, als Vertreter
von Heinrich Dresler, einen
Ortstermin in der Nähe des geplanten
Turmes vor. Nach Abschluss der
Schürfarbeiten - es stellte sich später
heraus, dass kein geeignetes Steinmaterial
zu fi nden war - sollte die
Ausschreibung der Bauarbeiten in
allen Zeitungen des Siegerlandes ver-
öffentlicht werden, und Burbach
wurde beauftragt, 1.000 Ansichtskarten
von seinem Entwurf zu bestellen.
Offensichtlich waren jedoch nicht alle
Beteiligten mit den Bauplänen einverstanden,
denn am 29. April 1905 empfahl
Pastor Achenbach aus Siegen,
sich bei der Turmform auf die historische,
gerundete Form der Wallanlage
am Kindelsberg zu beziehen. Die
Versammlung kam überein, dass ein
runder Turm wohl am eindrucksvollsten
sei. Es wurde ein engerer Bauausschuss
gewählt und das Projekt
fortan „Kindelsbergturm“ genannt.
Für die weitere Finanzierung wurden
ausgewählte Männer damit beauftragt,
Baugelder einzusammeln.
Der Turmausschuss entschied am 3.
Mai 1905, unbedingt noch ein Feuerbecken
auf der Turmspitze anzulegen.
Architekt Mucke aus Hagen, ein Mitglied
des Ausschusses, gab die Anregung,
im Schaftbereich einen runden
Querschnitt zu wählen, um die Standfestigkeit
des Mauerwerks zu verbessern.
Alle Bemühungen, die Wünsche
Muckes zu befriedigten, scheiterten
jedoch. Er stieg aus dem Projekt aus
und lehnte sogar das ganze Ausschreibungsverfahren
ab.
100 Jahre Kindelsbergturm
Die Vertreter der SGV-Abteilungen
Siegen und Geisweid bekamen nach
diesem Vorfall den Auftrag, die neue
Projektierung und die entgültige Bauleitung
an den Siegener Stadtbaurat
Scheppig mit folgenden Festlegungen
zu übertragen: Die Mindesthöhe des
Turmes bis zur obersten Plattform
müsse 22 m betragen (bei Burbach
waren es nur 17,50 m) und die Baukosten
dürften nicht über 10.000 Mark
liegen. Damit waren die zahlreichen
Entwürfe von Eduard Burbach und
die bereits fertig gedruckten Ansichtskarten
für die Mülltonne bestimmt.
Die neuen Pläne von Baurat Scheppig
wurden am 22. August 1905 auf einer
Sitzung des Bauausschusses in Siegen
vorgestellt und genehmigt. Man kam
überein, die Grundstücksverhandlungen
mit dem Eigentümer Heinrich
Dresler zum Abschluss zu bringen
und danach die Ausschreibung in
allen Zeitungen zu veröffentlichen.
Es gingen jedoch nur zwei Angebote
der Maurermeister Karl Klein aus
Dillnhütten und Heinrich Schneider
aus Dahlbruch ein.
Trotz der zahlreichen (vermutlich
unentgeldlichen) Arbeiten, die man
Eduard Burbach bereits zugemutet
hatte, entschied der Bauausschuss am
13. September 1905, den Bauunternehmer
noch nachträglich um die
Abgabe eines Angebotes zu bitten.
Mit Kosten von 7.350 Mark für die
Maurerarbeiten war es das günstigste
Angebot, so dass Burbach den Auftrag
erhielt und bereits drei Tage später
aufgefordert wurde, schnellstmöglich
mit den Bauarbeiten zu beginnen.
37
Grundsteinlegung am 24. Mai 1906
Noch niemals vorher hat wohl der
sagenumworbene Kindelsberg soviele
Menschen auf seinem Gipfel gesehen,
wie am gestrigen Himmelfahrtstage,
als es galt, den Grundstein zu dem
Aussichtsturm zu legen, der nun bald
aus luftiger Bergeshöhe den Wanderer
grüßen und anlocken wird. Aus
allen Teilen des Kreises strömten
bei dem herrlichen Maiwetter die
Menschen herbei, und namentlich
die verschiedenen Abteilungen des
Sauerländischen Gebirgsvereins, die
ja auch allen Grund hatten, das
freudige Ereignis zu würdigen, strebten
mit zahlreicher Beteiligung dem
Berge zu. Auch die Abteilung Welschenennest
war mit zahlreichen
Mitgliedern vertreten. Besonderer
Beachtung erfreute sich die Abteilung
Müsen, die mit einer Musikkapelle
an der Spitze erschien.
Vor dem letzten Aufstieg auf der
Burgholdinghausener Seite war Sammelpunkt,
von hier aus gingen die
verschiedenen Abteilungen unter Vorantritt
der Musik geschlossen zum
Gipfel, wo kurze Rast gemacht wurde.
Herr Wirt Katz aus Krombach hatte
für Verpfl egung reichlich Sorge getragen,
seine Getränke und Speisen
fanden auch lebhaften Absatz.
Nach einer kleinen Stärkung begab
man sich zu der Stelle, wo der Turm
errichtet werden soll, sie wurde durch
die schon etwa einen Meter hohe Fundamentmauer
angezeigt, in die der
Grundstein versenkt werden sollte.
Zu Beginn der Feier sprach Herr
Ingenieur Cupey, Geisweid, einen von
38
Fräulein Johanna Baltz gedichteten
schönen Prolog, worauf Herr Amtsgerichtsrat
Münter, Siegen, das Wort
zur Festrede ergriff. Der Redner
führte in seiner längeren poetischen
Ansprache aus, dass der künftige
Bau, der sich auf dem Kindelsberge
erheben würde in erster Linie der
Ermöglichung eines reinen Naturgenusses
dienen solle. Der Kindelsberg
sei ein Punkt nicht nur hervorragender
landschaftlicher Schönheit,
deren gäbe es viele, sein Wert
gewinne dadurch, dass das Land,
das zu seinen Füßen liegt, unser
Heimatland sei. Es sei ein Punkt, wo
Vergangenheit und Gegenwart sich
einander die Hand reichen. ....
Dann wurde eine kupferne von
Herrn Juwelier Roedig in Siegen
gravierte Tafel nebst anderem
Beiwerk in den Grundstein eingemauert,
worauf die Herren der
Bauleitung, die Vertreter der vier
Abteilungen des SGV, welche den
Bau übernommen, sowie der
Bezirksvorsitzende die üblichen drei
Hammerschläge taten, dann ereichte
der feierliche Akt nach einem Schlusswort
des Herrn Lehrers Hellmann
(Vorsitzender der Abteilung Krombach)
und dem gemeinsamen Gesang
des Liedes „Der Mai ist gekommen“
sein Ende.
Mit einer kleinen Nachfeier im Beinhauerschen
Saale in Kreuzthal, zu
der sich noch viele SGV Mitglieder
nebst ihren Damen eingefunden
hatten, wurde der Tag beschlossen.
SZ vom 25.05.1906
Die feierliche Grundsteinlegung, die
zunächst noch im Oktober stattfi nden
sollte, wurde auf Mitte Mai 1906 verschoben.
Man hatte nämlich inzwischen
festgestellt, dass das Guthaben
von 8.500 Mark zur Finanzierung der
Bauarbeiten nicht ausreichen würde,
und man genötigt war, die Sammlung
des Baugeldes auch bei auswärtigen
Siegerländern fortzusetzen.
Die Grundsteinlegung fand, auf Vorschlag
von Baurat Scheppig, an Himmelfahrt,
dem 24. Mai 1906 statt.
Die Bauarbeiten waren nicht nur anstrengend,
sondern auch gefährlich.
Auf primitiven Gerüsten baute man
den Turm in die Höhe. Die Steine
wurden in dem nahe gelegenen Stein-
bruch im Gebiet „Hohenstein“ auf
Littfelder Seite beim Bergbaustollen
„Quecksilberart“ abgebaut und per
Hand auf kleine, von Ochsen gezogene
Karren verladen, und über schlechte
Waldwege zur Baustelle gebracht. Die
Zugtiere blieben während der gesamten
Bauzeit auf dem Kindelsberg,
während die Arbeiter morgens bei
Wind und Wetter den Berg bestiegen
und abends den Heimweg ins Tal
antraten [3-1953].
Auf der Sammel- und Bauausschusssitzung
am 16. Juli 1906 wurde erstmals
Kritik am Ablauf der Bauarbeiten
laut. Herr Kurth beklagte, dass die
Maurerarbeiten zu langsam verliefen
und erst zwei Metern über den Sockel
hinaus seien. Bemängelt wurde auch
die schlechte Lagerung des Baumaterials.
Daneben wurde mitgeteilt,
dass die Arbeiten zur Errichtung der
100 Jahre Kindelsbergturm
Die in den Schlusstein versenkte
Platte trägt die Inschrift:
Der Kindelsbergturm wurde im
Jahre 1906 nach dem Entwurf des
Stadtbaurats Scheppig in Siegen
von Maurermeister Burbach in
Crombach erbaut. Der 22 Meter
hoch in Mauerwerk aufgeführte
Turm trägt oben eine Laterne mit
Feuerschale. Der Ausschuss für
den Turmbau bestand aus: Ing.
Cupey, Amtmann Ebberg, Otto
Eberhardt, Eduard Giesler, Regierungsrat
Grauhan, Apotheker Irle,
Direktor Klaus Leuckel, Wilhelm
Münker, Martin Roedig, Julius
Stahlschmidt. Die Grundsteinlegung
fand am 24. Mai 1906
statt. Die Festrede hielt Gerichtsrat
Münter. Im September 1906 soll
der Aussichtsturm vollendet sein
und seiner Bestimmung übergeben
werden. Der 1903 verstorbene 1.
Vorsitzende der Abteilung Crombach,
Hermann Hambloch, gab
1893 die erste Anregung zum Bau
des Kindelsbergturmes.
„Laterne“ an die Fa. Hinderthür aus
Siegen vergeben worden seien, die auch
die Kupferbekleidungen liefern werde.
Es folgte der Vorschlag, eine Stiftertafel
anzubringen, um die Förderer
des Turmgedankens, Hellman, Dresler
u.a., gebührend zu ehren. Es wurde
außerdem noch festgelegt, in 14 m
Höhe einen Balkon zu errichten und
an den vier Strebepfeilern Wappen der
Abteilungen, auf deren Initiative der
Turm errichtet wurde, anzubringen.
Das Ergebnis der Sammelaktion belief
sich inzwischen auf 11.400 Mark.
39
Dieser Betrag war jedoch bei weitem
noch nicht ausreichend und der Turmausschuss
stellte am 4. Oktober 1906
fest, dass allein der nackte Turm
etwa 12.000 Mark kosten werde. Die
geplante Veranda und die Schutzhütte
am Turmfuß wurden zusätzlich mit
4.000 Mark kalkuliert. Man kam
daher überein, nochmals in Siegen
und Weidenau Geld zu sammeln.
Die Erdarbeiten in der weiteren Umgebung
und die Anschaffung der
Feuerschale wurden zurückgestellt
und es sollten zunächst auch nur
die Fundamente von Schutzhütte und
Veranda hergestellt werden.
Ein halbes Jahr später, im April 1907,
teilte der Bau- und Finanzausschuss
mit, dass für die anstehenden Arbeiten
noch immer 2.500 Mark fehlten und
noch 500 Mark für bereits fertiggestellte
Arbeiten zu begleichen wären.
Einweihungsfeier am 26. Mai 1907
SZ vom 27.05.1907
Eine solche Menschenmenge hat
der Kindelsberg wohl noch nie auf
seinem sagenumwobenen Gipfel
gesehen wie gestern, wo es galt,
den von der Siegener, Geisweider,
Krombacher und Hilchenbacher
Abteilung des SGV gemeinsam
errichteten Aussichtsturm einzuweihen,
der gleichzeitig auch als Leuchtund
Feuerturm dienen soll, um an
patriotischen Gedenktagen aus der
noch anzubringenden Feuerpfanne
weithin sichtbare Flammen zum
Himmel emporlodern zu lassen.
40
Kindelsbergturm im Rohbau 1906 mit
einem einfachen Gerüst und einer Ochsenkarre
zum Transport von Baumaterial
und Wasser (Foto: Ernst Rothenberg)
Wie groß die Beteiligung an der
Feier war, mag daraus hervorgehen,
dass der in Siegen 1.40 Uhr
abgelassene Sonderzug und der kurz
darauf abfahrende fahrplanmäßige
Personenzug nicht imstande waren,
die Menschenmenge zu fassen, und
wer den Kindelsberg schon früher
bestiegen hatte, sah von allen Seiten
die Menschen in Scharen dem Gipfel
zustreben. Allzu leicht war der
Aufstieg bei dem heißen schwülen
Wetter nicht, und man war froh, dass
man nach Vergießung unzähliger
Schweißtropfen endlich den Gipfel
erreicht hatte, wo ein frischer Wind
die ersehnte Abkühlung brachte. Von
der Müsener, Littfelder, Krombacher
und Ferndorfer Seite nahten Trupp
auf Trupp, und schier endlos schien
der Strom der Menschen sich auszudehnen,
als die Abteilung Siegen
des SGV mit einer Musikkappelle
an der Spitze den Berg emporstieg.
Am Ziele angekommen, begann ein
wahrer Sturm auf die hier und
da errichteten Schankstellen und
Verkaufsstände für Esswaren, für
die reichlich gesorgt war. Die Hasbrauerei
in Krombach führte bei
dieser Gelegenheit einen neuen Stoff,
ihr sogenanntes Kindelsbergbräu, in
vorzüglicher Weise ein.
Nachdem Durst und Hunger gestillt,
wandte man sich der Besichtigung
des Turmes zu. Dicht bei der Linde,
die in dankbarer Erinnerung an
die Errettung Kaiser Wilhelm I.
aus Mörderhänden von patriotisch
gesinnten Siegerländern gepfl anzt
wurde, erhebt sich der aus Bruchsteinen
aufgeführte, schlanke Bau,
bis zu einer Höhe von 22 Metern
emporragend.
Ein überdeckter Rundgang nebst
kleinem Aufenthaltsraum für die Touristen
umgibt ihn am Fuße und
eine bequem zu ersteigende Treppe
führt zur Höhe, von der sich dem
Zuschauer ein Rundbild eröffnet, wie
es weit und breit nicht seinesgleichen
hat. Weht dem Beschauer oben der
Wind allzu sehr, so hat er Gelegenheit,
sich das Landschaftsbild etwas
tiefer im Turminnern durch Glasscheiben
zu betrachten.
100 Jahre Kindelsbergturm
Der Turm ist bekanntlich nach den
Plänen des Herrn Stadtbaurats
Scheppig aus Siegen errichtet, der
auch in dankenswerter Weise den
Bau leitete. Doch nicht allzu lange
konnte man sich der Beschauung des
Turmes widmen und seiner Bewunderung
über das in allen Teilen
gelungene Bauwerk Ausdruck geben,
denn schon verkündete ein Trompetensignal,
dass die Feier der Einweihung
beginnen sollte. An der oben
erwähnten Linde war eine kleine
Tribüne errichtet, von der Fräulein
Giesler aus Kreuzthal zunächst
einen von Fräulein Ewald in Hagen
gedichteten schönen Prolog in ausbruchsvoller
Weise und mit weit vernehmbarer
Stimme vortrug. Nach
einem Chorlied durch die vereinigten
Männergesangvereine aus
dem Amte Ferndorf unter Leitung
des Herrn Lehrers a. D. Becker
aus Ernsdorf nahm Herr Amtmann
Ebberg von Kreuzthal im Namen
des Bauausschusses zur Errichtung
des Turmes das Wort, um zunächst
den Erschienenen ein herzliches
Glückauf als Willkommgruß zu
entbieten. Er erwähnte dann die
Geschichte des Turmbaues und wies
darauf hin, wie der verstorbene Herr
Hermann Hambloch aus Krombach
schon früher sich um die Errichtung
eines Aussichtsturmes auf dem
Kindelsberg bemüht habe, weshalb
heute sein Name in Ehren genannt
werden müsse. Sei die Errichtung
eines solchen Bauwerks schon unter
gewöhnlichen Umständen mit
großen Geldopfern verknüpft, so
erst auf dem Gipfel eines schwer
zugänglichen Berges. Doch hätten
die vier Abteilungen des SGV mutig
41
das Werk begonnen, wenn sie auch
nicht in der Lage gewesen seien,
die Baukosten aus eigenen Mitteln
zu decken und deshalb sich andere
Quellen erschließen mussten. Der
Hauptverein des SGV, der Kreis
und die Stadt Siegen stifteten namhafte
Summen und Herr Rittergutsbesitzer
Dresler in Kreuzthal
habe das Baugelände kostenlos zur
Verfügung gestellt. Diesen und allen
anderen, die nach ihrem Können
und Vermögen zur Errichtung des
Turmes beitrugen, gebühre herzlicher
Dank, der aber in besonderer
Weise auch Herrn Baurat Scheppig
als Schöpfer des Baues gelte.
Nun stand der Turm also in voller
Größe da. Die Feuerschale, von der
Stadt Siegen gestiftet, war inzwischen
angebracht worden, und der Besucher-
andrang übertraf die Erwartungen bei
weitem. Seit der Einweihung waren
bis Ende Oktober 1907 rund 4.000
Turmkarten zum Preis von 20 Pfennigen
verkauft worden, Besucher an
Werktagen nicht gezählt [2-1907].
42
... Reicher Beifall folgte dieser Ansprache,
an die sich der gemeinsame
Gesang des Liedes „Der Mai ist
gekommen“ schloss. Nach weiteren
Liedervorträgen der Gesangsvereine,
des Siegener und des Hilchenbacher
Musikvereins unter Leitung des Herrn
Musikdirektors Werner aus Siegen,
war die schöne Feier beendet.
In Kreuzthal fanden in den Lokalen
von Kaletsch und Beinhauer Nachfeiern
statt, die beide von den Mitgliedern
der SGV-Vereine und ihren
Angehörigen gut besucht waren und
bei denen eine recht gehobene Stimmung
herrschte.
Theatervorführung
mit einem Modell des
Turms bei der Nachfeier
in Kreuztal am
26. Mai 1907 (Foto:
Slg. Günter Weller)
Weniger günstig bestellt war es aber
immer noch um die Baukosten, die
inzwischen 16.943,63 Mark betrugen.
Davon waren nämlich erst 14.000
Mark gedeckt, wie Baurat Scheppig
bei einer Sitzung im September 1907
in Kreuztal mitteilte. Die fehlenden
3.000 Mark konnten zunächst durch
Bürgschaften der Ausschuss-Mitglieder
bei der Sparkasse geliehen werden.
Oben: Nummerierte Postkarte als Eintrittskarte
zum Turmaufstieg von 1907.
Rechts: Postkarte von 1923
(Beide Slg. Dieter Wörster)
Beim Kreis Siegen beantragte man
nochmals von 1.000 Mark. Es war
nämlich noch zusätzlich geplant, in
der Nähe des Turmes eine Abort-
anlage (Toilettenhäuschen) zu errichten,
und einen Ofen, ein Fremdenbuch,
einen Ansichtskartenstempel sowie
eine sichere Sammelbüchse für die
Besucher an Werktagen anzuschaffen.
Außerdem sollte der Turm das ganze
Jahr über geöffnet sein und Sonntags
bewirtschaftet werden. Die Beteiligten
hofften, der Turm werde ein Wanderziel
ersten Ranges, und dass auch im
Winter Wanderer kommen würden.
100 Jahre Kindelsbergturm
1910 musste die Holzverschalung
des verglasten Aussichtsraum, der
„Laterne“, erneuert werden, nachdem
ein Freudenfeuer in der Feuerpfanne
auf das Holzwerk übergegriffen war.
Es stellte sich heraus, dass die
kupferne Pfanne undicht war. Bei der
Montage hatte man die riesige Schale,
in der am Geburtstag des Kaisers oder
am Sedanstag Teer oder Öl weithin
sichtbar verbrannt wurde, nämlich in
sieben Stücke zerlegen müssen und
auf der Turmspitze wieder zusammengenietet.
Die Reparatur kostete
400-500 Mark [6].
Mittlerweile hatte sich herausgestellt,
dass die Kosten des Turmbaus deutlich
höher lagen als ursprünglich kalkuliert.
Die Ausgaben beliefen sich
auf 21.329,92 Mark, davon allein
18.457,44 Mark für den Turm.
43
44
Die Mitglieder der SGV-Abteilungen
Geisweid, Hilchenbach, Krombach,
Müsen, Siegen und Weidenau wurden
verpfl ichtet, je 20 Pfennig in die
Turmkasse einzuzahlen. Erst fünf
Jahre später, am 20. September 1915,
konnte der Turmausschuss die frohe
Botschaft verkünden, dass man nun
endlich schuldenfrei war.
Die Obhut des Turms ging an die
SGV-Abteilung Krombach. Deren
Vorsitzender, Amtmann Ebberg, wurde
auch zum Vorsitzenden des Turmausschusses
bestimmt. Alle Unterlagen
des Turmbaus wurden dem Archiv
der Siegerländer Bücherei in Kreuztal
übergeben [5].
Turm mit der Schutzhütte um 1910-1915
(Foto: Slg. Gerhard Bald)
Erneuerung der „Laterne“ 1929 und 1981
Die Freude über den Turm sollte nicht
sehr lange währen. Schon 1929 stellte
man fest, dass die „Laterne“ durch
Witterungsfl üsse stark gelitten hatte.
Am 10. November 1929 waren sich
die Mitglieder und der Vorsitzende
des SGV-Bezirks Siegerland, Amtsgerichtsrat
Schneider darüber einig,
dass unbedingt ewas getan werden
müsse. Es sollten Kostenvoranschläge
für eine Sanierung eingeholt werden.
Ungeklärt war damals auch immer
noch, wem das Grundstück, auf dem
der Turm mittlerweile stand, gehöre.
Turm mit der neuen „Laterne“ in den
1930er Jahren (Foto: unbekannt)
Am 20. Februar 1930 wurde bei
einer Sitzung im Krombacher Gasthof
Hambloch mitgeteilt, dass die ein-
gegangen Sanierungsangebote nicht
brauchbar seien. Daraufhin sah Amts-
gerichtsrat Schneider die vollständige
Änderung der geplanten Baumaßnahme
vor. Die Plattform sollte nun
ganz beseitigt werden und stattdessen
eine neue achteckige „Laterne“
angebracht werden.
Der Turm bekam schließlich eine neue
runde „Laterne“ aus Beton, die von
der Firma Katz aus Krombach für
6.000 Mark gebaut wurde [5].
50 Jahre später war auch die zweite
„Laterne“ inzwischen so baufällig,
dass sie vollständig erneuert werden
musste. Ende September 1981 wurden
Turmrundgang und Antennenanlagen
abmontiert und kurz darauf die neue
„Laterne“ mit Hilfe eines Schwerlastkrans
aufgesetzt. Sie hatte ein
Gewicht von 23 Tonnen und bestand
aus Fertigbetonteilen.
Bei diesen Baumaßnahmen wurde
auch der Turmrundgang erneuert und
die Antenne mit den Fernsehumsetzern.
Die Baukosten lagen bei rd.
500.000 DM, wovon 70.000 DM vom
SGV zu tragen waren. Die Deutsche
Bundespost hatte die restliche Summe
zu zahlen.
Im Frühjahr 1982 wurde der Turm
dann wieder für die Öffentlichkeit
freigegeben [3-1981 und 1982].
Demontage der „alten Laterne“ und die
„neue Laterne“ im Herbst 1981 (Fotos:
Slg. Dieter Wörster und Günter Weller)
100 Jahre Kindelsbergturm
45
Erste Pläne für ein Rasthaus 1930
1930 wollte der Kreuztaler Verkehrs-
verein den Kindelsbergturm attraktiver
gestalten. Der neu errichtete
Aussichtsturm „Hohe Bracht“ bei
Altenhundem hatte es den Mitgliedern
angetan und ganz besonders das abgerundete
Gaststättengebäude, dass bis
zu 500 Besucher aufnehmen konnte
[7]. Was auf der „Hohen Bracht“ realisiert
worden war, müsse doch auch
auf dem Kindelsberg möglich sein,
und die Gemeinden rund um den
Berg könnten von einem Tourismusmagneten
sehr profi tieren, war die
übereinstimmende Meinung.
Am 28. August 1933 beriet man unter
Vorsitz von Amtsbürgermeister Dr.
Moning über das Vorhaben. Der in
Ferndorf wohnende Architekt Karl
Meckel, ein Mitglied des Verkehrsvereins,
entwarf ein dreigeschossiges
Ansichten der Entwürfe von Karl Meckel
von Dezember 1933 und Januar 1938 [8]
46
Begleitschreiben von Karl Meckel
... Die Ausführung könnte entweder
massiv in Bruchsteinen, die an Ort
und Stelle zu brechen wären, oder
in Fachwerk beiderseits mit Leichtbauplatten
bekleidet und verputzt,
oder in ausgemauertem Fachwerk
außen verschindelt, oder in reinem
Holzbau erfolgen. ....
Die Gemeinden „rund um den Kindelsberg“
denke ich mit als Träger
des Unternehmens und für die
Finanzierung Anteilscheine auszugeben
in verschiedenen Preislagen,
die niedrig verzinst und gelegentlich
ausgelost werden. Außerdem sollen
alle Firmen des Siegerlandes Baustoffe
umsonst zur Verfügung stellen.
Der Arbeitsdienst wäre ebenfalls
einzuspannen für die Autostraße,
Parkplatz und alle Erdbewegungen.
... Möge das Jahr 1934 die
Ausführung bringen. Ich bin bereit,
mich restlos dafür einzusetzen.
Entwurf Karl Meckel von Dezember 1938 - Perspektive der größeren Variante [8]
Gebäude in zwei unterschiedlichen
Größen mit Baukosten von 35-39.000
RM. Dies war jedoch deutlich zu teuer
und Meckel musste seine Pläne auf
zwei Stockwerke reduzieren.
Anfang 1934 holte Meckel detaillierte
Angebote von Handwerksbetrieben
aus Krombach, Kreuztal und
Ferndorf ein, mit dem Ergebnis, dass
sich die Baukosten auf 29.832 RM
summierten. Hierbei schlugen die
außergewöhnlich hohen Transportkosten
ganz besonders zu Buche.
Der SGV stand den Plänen skeptisch
gegenüber. Zum einem hielt man
die Finanzierung für nicht gesichert
und wollte den Bezirk Siegerland,
als Eigentümer des Turmes, nicht
100 Jahre Kindelsbergturm
nochmals fi nanziell belasten und zum
anderen befürchtete man, dass durch
den Bau von Straße und Gaststätte den
Wanderern die Stille der unberührten
Natur für immer genommen werde.
Einige Jahre später machte der Verkehrsverein
einen erneuten Anlauf
und Architekt Meckel präsentierte im
Januar 1939 abermals überarbeitete
Entwürfe. Auf der Bezirkstagung des
SGV im Mai 1939 trug Dr. Moning
nochmals die Argumente für den Bau
einer Gaststätte vor.
Die anhaltenden Bedenken des SGV
und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
im September ließen dann
jedoch weitere Debatten zu diesem
Thema nicht mehr zu.
47
Drohender Verfall des Turms nach 1945
Kleinere Schäden hatten sich im Laufe
der Zeit vergrößert, da im Zweiten Weltkrieg
keine Reparaturen ausgeführt
worden waren und die Wehrmacht den
Turm für ihre Zwecke rücksichtslos
benutzt hatte. Zwar wurde 1947 das
Schutzgeländer der obersten Plattform
repariert und am Turmeingang eine
neue Eisentür eingebaut, jedoch war
eine Generalüberholung des Turmes
unbedingt notwendig.
Eingang zu Turm und Schutzhütte in den
1930er Jahren (Foto: Slg. Günter Weller)
Neue Pläne für ein Rasthaus 1948
Im Dezember 1948 erörterte man die
Idee, die inzwischen übel zugerichtete
Schutzhütte zu erweitern und ihr den
Charakter einer attraktiven Raststätte
48
Um das stolze Wahrzeichen des Siegerlandes
der Nachwelt zu erhalten,
versammelten sich am 5. Dezember
1948 alle „rund um den Kindelsberg“
beheimateten SGV-Abteilungen im
Hotel Münker in Kreuztal, um nach
Mitteln und Wegen gegen den weiteren
Verfall des Turmes zu suchen. Ein
neuer Bauausschuss, unter Vorsitz von
Karl Klein aus der Abteilung Krombach,
wurde gewählt. Man inspizierte
den Turm und nahm dabei alle feststellbaren
Schäden auf.
für Wanderer zu geben. Heinrich Beier
aus der SGV Abteilung Kreuztal/Ferndorf
erhielt den Auftrag, einen Bauplan
mit Kostenvoranschlag anzufertigen.
Am 12. Februar 1949 wurde erstmals
über seinen Entwurf gesprochen. Vorgesehen
war ein verputzter Rundbau
aus Hohlblocksteinen mit einem Sockel
aus Bruchsteinen. Dem geplanten Ausbau
des Dachgeschosses mit Schlafräumen
wurde nicht zugestimmt.
Zur Deckung der Baukosten sollten
wie schon zuvor Haussammlungen im
Kreis Siegen durchgeführt werden, insbesondere
bei heimischen Geschäften
und Industriebetrieben. Im Mai 1949
waren 5.638 DM zusammen, was die
Erwartungen aber nicht erfüllte. Der
Bauunternehmer Hoffmann aus Eichen
hatte nämlich auf Grundlage der Pläne
von Heinrich Beier einen Kostenvoranschlag
über 35.000 DM vorgelegt.
Beier überarbeitete die Pläne, doch
das Geld reichte auch dafür noch
nicht. So erhielt dann der Bauunter-
nehmer Hoffmann den Auftrag, eine
neue Zeichnung zu erstellen. Das
Bauamt Kreuztal fühlte sich dabei
jedoch übergangen und verwarf die
Pläne. Daraufhin nahm der Turmbausschuss
Kontakt mit Kreisbaurat
Simony auf, und auch dieser arbeitete
im September 1950 einen Entwurf
aus. An der Westseite des Turmes
war ein großer, offener Unterbau mit
Abortanlage vorgesehen und darüber
eine Fachwerkkonstruktion mit Holzverschalung.
Mit der Begründung, dass auch für
diesen Vorschlag die Herstellungskosten
zu hoch seien, verwarf man
jedoch auch diese Pläne und wandte
sich schließlich an den Architekten
Richard Schumacher aus Littfeld. Auf
100 Jahre Kindelsbergturm
der Sitzung am 19. März 1951 stellte
Schumacher sein Konzept vor. Das
geplante Gebäude im Blockhausstil
mit Bruchsteinsockel fand die volle
Zustimmung der Versammelten.
Die Forstbehörde und die Haubergsgenossenschaften
von Kreuztal und
Ernsdorf erhoben jedoch unerwartet
Einspruch, da sie von dem zu erwartenden
Wanderzustrom Waldschäden
befürchteten. Auch die Jagdpächter
wiesen auf eine Beeinträchtigung des
Wildbestandes hin.
Aus diesem Grunde fand am 7. April
1951 eine Besprechung im Landratsgebäude
in Siegen statt. Neben Heinrich
Schürmann und Robert Schleifenbaum
vom Turmbauausschuss, waren
Landrat Büttner, Oberkreisdirektor Dr.
Moning, Amtsdirektor Sonntag, die
beiden Haubergsvorsteher Schäfer und
Bub, sowie von der Forstbehörde Sorg
und Nölting anwesend. Die Bedenken
der Forstbehörde konnten entkräftet
werden, jedoch die Argumente der
Haubergsvorsteher entbehrten jeder
sachlichen Grundlage, waren sie doch
der Meinung, dass der Alkoholaus-
schank und Übernachtungsmöglichkeiten
auf dem Kindelsberg zur Entsittlichung
der Jugend führen werde.
Die Finanzierung bereitete nach wie
vor große Probleme, denn sowohl der
Hauptverein des SGV als auch der
Kreis Siegen hatten ihre jeweils
zugesagten 1.000 Mark noch nicht
gezahlt. Die Werbeaktion bei der heimischen
Industrie war kein großer
Erfolg gewesen, so dass sie wiederholt
werden musste. Dabei wurden über
49
700 Firmen angeschrieben. Außerdem
sollte nochmals und stärkter geworben
werden, um auch dem letzten Heimatfreund
klar zu machen, wie ernst
die Lage war.
Trotz aller Widrigkeiten wurden die
Bauarbeiten Ende April 1951 begonnen.
Die Baumaterialien mussten mit
Schleppern über die Waldwege zur
Baustelle gebracht werden. Weder
moderne Baumaschinen noch große
Lastwagen konnten dabei eingesetzt
werden, da es noch keine Straße gab.
An Stelle der Schutzhütte wurde nun
das 11,00 x 6,50 m große Rasthaus
gebaut. Der baufällige Balkon am
Turm wurde abgebrochen und nicht
erneuert. Die Maurerarbeiten führte
das Bauunternehmen Hoffmann aus
Eichen aus und die Zimmerei Kolb aus
Ferndorf errichtete das Blockhaus. Das
Eichener Walzwerk lieferte kostenlos
die Bleche zur Dachdeckung von Rasthaus
und Turmrundgang. Die Handwerker
bezogen eine Baracke und
blieben während der Bauzeit auf dem
Kindelsberg, um sich die täglichen
Märsche zu ersparen. Am 13. Juli 1951
wurde unter großer Beteiligung der
Bevölkerung das Richtfest gefeiert.
Leider musste man feststellen, dass
auch die zweite Werbeaktion wenig
Resonanz hatte. Diesmal waren lediglich
3.000 DM eingegangen. Vom
Kultusministeriums standen noch
zugesagte 1.000 DM aus. Die SGV
Mitglieder wurden erneut um Spenden
gebeten. Als der SGV-Hauptverein
der Bitte um fi nanzielle Unterstützung
nicht entsprach, war man so verbit-
50
tert, dass sogar über einen Austritt
des Siegerlandes nachgedacht wurde.
Schließlich bot jedoch der Kreisausschuss
seine Hilfe an.
Am 30. Mai 1952 fand in Krombach
eine Sitzung statt, bei der es wieder um
Geld ging. Die Firmen Kolb und Hoffmann
hatten zusammen noch 5.413,93
DM zu bekommen, es standen aber
nur noch 700 DM zu Verfügung.
Also sollte nochmals eine Haussammlung
erfolgen und geklärt
werden, wo das Geld vom Kreis
blieb. Dr. Guthmann, der Vorsitzende
des SGV-Hauptvereins, sagte
überraschenderweise Unterstützung
in Höhe von 2.000 DM zu. Mangels
Geld sollten jedoch vorerst keine Bauaufträge
mehr vergeben werden, so
dass der Innenausbau ruhte.
Die schon lange offene Frage, wer
Eigentümer des Turmgrundstücks sei,
konnte geklärt werden: Es war die
SGV-Abteilung Siegen.
Da das Geld des Kreises zu lange auf
sich warten ließ, nahm man schließlich
bei der Krombacher Brauerei ein Darlehen
in Höhe von 3.000 DM auf.
Mitte Juli 1953 bewilligte der Kreisausschuss
5.000 DM und das Amt
Ferndorf gab 2.000 DM. Der Innenausbau
war nun gesichert und das
Mobiliar für die Einrichtung konnte
bei der Burbacher Stuhlfabrik bestellt
werden. Anstelle der Übernachtungsräume
für Wanderer im Dachgeschoss,
wurde eine 2-Zimmerwohnung für den
Turmwirt errichtet.
Die Gesamtbaukosten lagen schließlich
bei rund 88.000 DM.
Einweihung des Rasthauses am 30. August 1953
Am 30. August 1953 war es soweit.
Das neue Rasthaus wurde eingeweiht.
Architekt Schumacher dankte allen
am Bau Beteiligten und besonders den
Handwerkern für ihren Einsatz unter
Verzicht auf einen Teil ihres Lohns.
Der SGV-Bezirksvorsitzende Dr. Irle
nahm den Schlüssel des Hauses ent-
gegen und sprach sich ganz besonders
dafür aus, dass das Blockhaus
eine Raststätte in der Stille der Natur
und keine Gaststätte in üblichem Sinn
sein solle. Die zukünftige Hauptaufgabe
des SGV liege vor allem
darin, die Jugend in das Reich der
Naturschönheiten zu führen, damit
sie dort Kraft schöpfen und innerlich
erstarken könne. Der Vorsitzende der
SGV-Abteilung Krombach, Bürger-
Der Silberglanz eines Spätsommertages
lag über der Bergwelt des
Siegerlandes, als gestern Nachmittag
Wanderfreunde in großer Zahl dem
Gipfel des Kindelsberges zustrebten,
um der Feier des Sauerländischen
Gebirgsvereins zur Einweihung des
neuerbauten Rasthauses am Fuße
des Kindelsbergturmes beizuwohnen.
Nicht nur die Jugend war von
nah und fern auf Schusters Rappen
gekommen, sondern vor allem auch
die alten, hochbetagten Getreuen
des SGV, die seit Jahrzehnten mit
Leib und Seele der Wanderbewegung
zugehören und in glühender
Liebe zu ihrer Siegerländer Heimat
bis in die Gegenwart hinein ihre
100 Jahre Kindelsbergturm
meister Burbach, übernahm den
Schlüssel mit dem Versprechen, dass
Haus in diesem Sinne zu verwalten
und Wanderfreund Wilhelm Münker
sprach von den Idealen der SGV-Bewegung.
Er wandte sich mit Nachdruck
gegen das Vordringen des Motors auf
Wanderwegen und die Auswüchse der
Reklame. Seine Botschaft war:
Locket die Wanderer in Feld und Flur,
führet die Menschen zurück zur Natur!
Die Einweihungsfeier wurde vom
Musikverein Müsen, der MGV „Eintracht“
Krombach und der Musikgruppe
Oberfi schbach begleitet und
klang mit dem gemeinsam gesungenen
Deutschlandlied aus:
Bannerträger geblieben sind. Mit
dem ehrwürdigen „Bergfrieder“
Jakob Henrich und Wanderfreund
Wilhelm Münker, dem Mitbe-
gründer des Jugendherbergwerkes
und der Naturschutzbewegung,
fanden sich viele andere Veteranen
des SGV mit dessen junger Mannschaft
zu einer Feier auf dem Kindelsberg
zusammen, durch die ein
unter mancherlei Schwierigkeiten
vollendetes Werk gekrönt wurde -
ein Bauwerk, das allzeit Kunde
geben wird von dem Opfergeist
der Gemeinschaft seiner Träger in
harter Nachkriegszeit.
SZ vom 31.08.1953
51
Oben: Raststätte mit Turm um 1955
Unten: Männer der ersten Stunde 1957 (Fotos: Slg. Günter Weller)
52
Die Turmwirte
Der Turm wurde anfangs von ehrenamtlich
tätigen Personen betreut. Ihre
Aufgabe war es, nicht nur das Umfeld
in Ordnung zu halten, sondern auch
an Sonn- und Feiertagen die Wanderer
mit dem Ausschank von Getränken in
der Schutzhütte zu versorgen. Zwar
konnte mit dem Verkauf von ein paar
Flaschen Bier oder Schnäpsen kein
größes Geschäft gemacht werden,
jedoch war so mancher, der von Littfeld,
Krombach, Ferndorf oder Müsen
den steilen Weg zum Gipfel geschafft
hatte, dankbar dafür, sich ein wenig
erfrischen zu können. Die Getränke
wurden im Turm unter der Wendel-
treppe in einer kühlen, abschließbaren
Kammer gelagert.
1907 übernahm zunächst August Dittmann
aus Krombach diese Aufgabe
und von 1910 bis 1942 Emil Schöler.
Bis 1953 folgte Turmwirt Oskar Röcher
aus Eichen. Mangels Übernachtungsmöglichkeiten,
mussten die Wirte bei
jeder Witterung zum Turm hinauf
bzw. ins Tal hinabsteigen [6].
Nach der Einweihung des neuen Rasthauses
am 30. August 1953, übernahm
die Tochter vom Oskar Röcher, Berta
Edelhoff, mit ihrem Mann Herbert die
Turmbewirtschaftung. 1963 wollte der
SGV-Bezirk Siegerland die Raststätte
nicht mehr in eigener Regie betreiben
und der Wirtschaftsbetrieb wurde an
die Krombacher Brauerei vermietet. Im
Oktober 1963 fand unter dem Pächter
Erich Bäcker die Wiedereröffnung statt.
Zwei Jahre später lösten ihn Willi und
100 Jahre Kindelsbergturm
Hanni Kiel ab. Das Pachtverhältnis
endete am 31. Dezember 1970. Eine
3-monatige Zwischenzeit überbrückte
Erich Merte und am 1.April 1971 über-
nahmen die neuen Pächter Karl-Heinz
und Rosemarie Palauschek die Gastronomie,
die sie 35 Jahre lang leiteten.
Neu im Team der Kindelsbergraststätte
sind seit November 2006 Willi
und Natascha Münker (geb. Palauschek),
die die Geschäftsleitung übernommen
haben. Ansonsten bleibt
jedoch alles weitgehend wie zuvor.
Die Raststätte am Kindelsbergturm
war in der Vergangenheit und ist auch
heutzutage ein sehr beliebtes Ausfl
ugsziel, das von vielen Besuchern
der näheren und weiteren Umgebung
regelmäßig erwandert oder angefahren
wird.
Willi und Natascha Münker, Karl-Heinz
und Rosemarie Palauschek - im Oktober
2006 (Foto: Willi Münker)
53
Kindelsberg-Team und Einblicke in die Kindelsberg-Raststätte (Fotos: Katrin Stein)
54
Der Turm im Dienste der Post
Eine neue Ära für den Turm begann
kurz nach der Einweihung des Rasthauses
1953, als die Deutsche Bundespost
mit dem Plan an den SGV-Bezirk
Siegerland herantrat, den Aussichtsturm
zu einer Richtfunkrelaisstation
für den Telefonverkehr auszubauen.
In den SGV-Abteilungen wurde dies
lebhaft diskutiert. Viele der alten
Wanderfreunde hatten Bedenken, das
Gebäude „aus der Hand“ zu geben.
Sie befürchteten eine Zweckentfremdung
und Verschandelung durch die
Umbauten. Andere jedoch erkannten,
dass ein Vertrag mit der Post die
fi nanziellen Sorgen um die Erhaltung
des Wahrzeichens für absehbare Zeit
lösen würde [6].
Langwierige Verhandlungen zwischen
der Oberpostdirektion Dortmund,
dem Fernmeldeamt Siegen und der
Turmkommission führten schließlich
zu einvernehmlichen Plänen und die
Post erklärte sich bereit, auch die
Kosten zur Erneuerung und Vergrößerung
der oberen Plattform zu
übernehmen. Im Juli 1956 wurde
ein langfristiger Vertrag geschlossen,
womit der Bestand des Turms auf
absehbare Zeit gesichert war.
Anfang Dezember 1956 begannen die
Bauarbeiten trotz des hereinbrechenden
Winters. Da immer noch keine
befestigte Zufahrtsstraße existierte,
mussten die Einzelteile, die zum Teil
ein Gewicht von 3 Tonnen hatten,
mit Schleppern über unwegsame
Waldwege zum Turm heraufgebracht
100 Jahre Kindelsbergturm
werden. Ein großes Problem war auch
die fehlende Stromversorgung, denn
zum Betrieb der Relaisstation war
eine 10.000 Volt Leitung erforderlich.
Dies konnte aber durch großzügige
Unterstützung des Elektrizitätswerks
Siegerland (EWS) und des Kreises
Siegen gelöst werden. Die Stahlkonstruktion
mit einem Gesamtgewicht
von 20 Tonnen wurde von der Siegener
A.G. Geisweid (SAG) hergestellt.
Die Arbeiten kamen gut voran und
am 12. Januar 1957 wurde in Anwesenheit
der Herren von der Post, des
Kreises Siegen, des Amtes Ferndorf
und des SGV das Richtfest gefeiert.
Im März 1957 ging die Richtfunkrelaisstation
in Betrieb [3-1957].
Nun konnten Selbstwählfernverbindungen
verstärkt ausgebaut werden.
Die Linie Siegen-Düsseldorf verlief
über die Stationen auf Kindelsberg
und Ölberg im Siebengebirge. Um
den Kindelsberg erreichen zu können,
musste auf dem Fernmeldeamt Siegen
(heute Museum für Gegenwartskunst)
ein zehn Meter hoher Mast mit Parabolspiegel
errichtet werden.
Im August 1958 errichtete die Post
am Fuße des Turms ein Betriebs-
gebäude für die Unterbringung von
Richtfunkgeräten. Die alten Räumlichkeiten
im Turmrundgang waren hierfür
nicht mehr groß genug. Der Bau
wurde mit Natursteinen verkleidet und
passte sich dem Charakter des Turmes
an. Das Flachdach wurde als Terrasse
genutzt [3-1958].
55
Eine zweite Richtfunkstrecke zwischen
Siegen und Dortmund entstand
1959. Sie führte vom Fernmeldeamt
Siegen zum Kindelsberg, weiter über
Nordhelle bis zum Fernmelde- und
Aussichtsturm „Florian“ in Dortmund
[3-1959]. Der Kindelsberg war der erste
Fernsehumsetzer im Versorgungsbereich
der Kreise Siegen, Wittgenstein
und Olpe [9]. Außerdem wurden noch
Sendeanlagen für den Rundfunk und
die Deutsche Bundesbahn installiert.
Im Laufe der Zeit waren die technischen
Anlagen immer wieder modernisiert
worden. Durch den Bau einer Anlage
auf der Eisernhardt bei Siegen war der
Kindelsberg als Richtfunkrelaisstation
jedoch bedeutungslos geworden.
Für das erste Mobilfunknetz (A-Netz)
wurde dann eine Funkstation eingerichtet,
die später auch für das C-Netz
56
und als Rundfunkempfangsstelle mit
AM TV Richtfunk für das Kabelnetz
in Kreuztal und Müsen genutzt wurde.
Bis heute werden vom Turm die
WDR Hörfunkprogramme 1-4 sowie
das ZDF und WDR Fernsehen gesendet.
Neben Anlagen der Deutschen
Bahn AG und Mannesmann Mobilfunk
wird er als Funkfeststation für
T-Mobil D1, den digitalen Richtfunk
und als Relaisstelle für Zubringerleitungen
mehrerer T-Mobil Funkfeststationen
genutzt.
Zur Verbesserung des Empfangs baute
der WDR im Herbst 1995 unterhalb
des Kindelsbergs einen 72 m hohen
Funkturm mit einem zweigeschossigen
Betriebsgebäude. Im März 1996
ging die neue Anlage in Betrieb und
sendet das WDR Hörfunkprogramm 5
und das ARD Fernsehen [9].
Links: Raststätte mit Turm um 1964
(Foto: Karl Friedrich)
Rechts: Der neue Funkturm im Jahr 2006
(Foto: Albrecht Rath)
Das neue Aussehen des Turmes
erfreute jedoch nicht alle, was ein
Leserbrief in der Siegener Zeitung vom
1. Juni 1957 zum Ausdruck bringt.
Leiden eines Turmes
„Auf dem Kindelsberg stand ein
hoher, schlanker Turm und sein Blick
schwebte frei über die Berge und die
Wolken. Da kamen Menschen, die
sahen den Turm und sprachen: „Seht
doch, wie kahl er ist! Wir wollen
ihn schmücken!“ Sie legten ihm
zuerst einen dicken, schweren Gürtel
um den Leib und steckten allerlei
Zierstücke daran, die wie riesige,
rötliche Blumen aussahen.
Der Turm schien sich anfangs über
die kostbare Gabe zu freuen, doch
bald kamen ihm Zweifel, ob der
Ring seinem Wuchs auch angemessen
wäre, und er sah ein wenig misstrauisch
auf die Spender hinab. Die
aber setzten ihm dazu einen vornehmen
Hut mit breitem Rand auf, der
die gleichen runden Blüten trug wie
der Gürtel und noch ein paar zierliche
Federn dabei. Der Turm wäre durch
diesen stolzen Putz versöhnt gewesen,
wenn er nicht zu einem Vogel
aufgeblickt hätte, der gerade über
seinen Kopf wegfl og. Jetzt merkte er,
dass die neue Würde ihn ein großes
Stück Himmel kostete und er wurde
unwillig über die Gäste.
Aber sie hatten ihm noch mehr zu verehren.
„Nun auch etwas Nützliches!“
meinten sie. „Er wird in seinen Jahren
nicht mehr gut sehen können: eine
Brille muss er haben!“ - „Wer weiß“,
dachte der Turm, „ob sie nicht recht
haben?“, war‘s zufrieden, als man
sich beim letzten Dämmerlicht um
100 Jahre Kindelsbergturm
seine Augen bemühte und schloss sie
für die Nacht getrost zu. Doch als
er sie beim ersten Drosselruf erwartungsvoll
aufschlug, entsetzt erstarrte
er da: in Stücke zerschnitten war das
Land, der Himmel in eckigen Kästen
zerteilt, schwarze Ritzen durch Wälder
und Wolken, verzweifelt presste er
die Lider wieder zusammen. „Das
hätten sie mir nicht antun dürfen!“
Und er wurde zornig auf die Besucher
von gestern, die nun in glücklichen
Schlummer lagen, lächelnd in Gedanken
an ihre schönen Gaben, den
Gürtel, den Hut und besonders die
vorzügliche Brille aus dicht gefügten,
dauerhaften Drahtmaschen.
Weil der Turm aber sein Geschick
nicht ändern konnte, schmolz sein
Zorn in Schwermut. Er wusste nicht,
wozu er noch auf dem Berg stand und
wäre am liebsten umgefallen, um im
dunklen Walde zu liegen, wo das Licht
ihn nicht mehr durch die Gitterstäbe
träfe. Doch er war zu fest am Boden
angewachsen und so blinzelt er seitdem
nur noch ab und zu durch die
traurigen Augenlider und zählt die
grämlichen Tage.
Neulich fand ein Freund ihn in seinem
Unglück. Der wollte ihm gern helfen.
Aber er kann nichts tun, als den
anderen Freunden des Turms diese
Leiden berichten und hoffen, dass die
großherzigen Spender bald ein Einsehen
haben und wenigstens das ungeschickteste
Geschenk, die Drahtbrille,
ohne Groll zurücknehmen. Die anderen
Zierden wird er dann in Geduld
tragen, denn er ist nicht eitel, aber
die Freiheit seiner Augen geht ihm
über alles, dem Turm auf dem Kindelsberg,
für den er hier spricht.“
57
Bau einer Zufahrtstraße 1958
Zur Unterhaltung der Richtfunkstation
hatte die Deutsche Post großes
Interesse am Bau einer Straße, die
auch mit schweren Messfahrzeugen
befahrbar war [3-1958].
1958 realisierte das Amt Ferndorf
mit dem Kreis Siegen und der Post
eine drei Kilometer lange Straße von
„Remmidemmi“ am Kindelsberg
Ehedem war der Kindelsberg in
seiner ganzen beachtlichen Höhe von
618 Metern eine Hochburg der Wanderfreunde.
... Aber die „Nebenwirkungen“ ließen
nicht lange auf sich warten. Übel
Nummer 1: Zu jeder Tages- und
Nachtzeit brausen wildgewordene
Mopedfahrer, aber auch Auto- und
Motorradbesitzer mit ihren Fahrzeugen
über die ansonsten so stillen und
vor allem nicht öffentlichen Wege
rund um den Turm. Übel Nummer
2: Nachdem die anfangs so zünftige
Raststätte schon seit längerem durch
den Pächter mit dem Dekor von
Coca-Reklamen und ähnlichen Kinkerlitzchen
verbrämt worden war,
Die Situation veranlasste den SGV-
Bezirksvorsitzenden Dr. Lothar Irle
eine gesonderte Sitzung im November
1960 einzuberufen, an der auch der
Pächter der Raststätte, Herbert Edelhoff,
teilnahm. Dieser erläuterte, wie
schwierig es sei, den Turm zu unterhalten
und die Raststätte im Sinne
des SGV zu führen. Besonders bei
Massenanstürmen an Festtagen oder
58
Littfeld bis zum Kindelsbergturm
mit einem Parkplatz auf dem Sattel
zwischen Birkhahn und Kindelsberg.
Nun konnte der Turm also auch per
Auto angesteuert werden, was dazu
führte, dass die Zahl der Besucher
deutlich stieg. Diese Entwicklung
wurde schon bald kritisiert wie ein
Leserbrief dokumentiert:
ist jetzt in dem Blockhaus eine in
allen Regenbogenfarben leuchtende
„Musicbox“ aufgestellt worden, aus
der beileibe keine Wanderlieder
tönen. Übel Nummer 3: Immer
häufi ger hört man Klagen über eine
Art von Feiern in dem Lokal, die man
nur mit dem volkstümlichen Wort
„Remmidemmi“ umschreiben kann.
Die Folgen sind unterschiedlich.
Echte Wanderenthusiasten meiden
seit längerem die Stätte des
Halbstarkentums. Die Gemeinde
Littfeld hat bisher offenbar vergeblich
gegen das quäkende „corpus
delicti“ protestiert. Der SGV, so
hört man, will bald was unternehmen.
Na, hoffentlich!
SZ vom 23.09.1960
bei Schulwanderungen sei es problemtisch,
Raststätte und Umgebung sauber
zu halten und die Kundschaft zufrieden
zu stellen. Auch betonte er, dass es
keine feuchtfröhlichen Feste gebe und
keine anstößigen Musikstücke in der
Musikbox seien. Edelhoffs Vorschlag,
die Raststätte zu einer Gaststätte
umzubauen, erhielt keine Antwort,
denn hier lag der Kern des Problems:
Der Aufenthaltsraum am Turm war
nämlich weder eine Hütte im Sinne
des Alpenvereins mit einem fest
verpfl ichteten Hüttenwart noch eine
Gaststätte, die nach ökonomischen
Gesichtspunkten bewirtschaftet wurde.
Es wurde darüber diskutiert, ob eine
Befahrung des Weges von Littfeld
zum Parkplatz unterhalb des Turmes
gestattet werden solle und wie man zu
dem geplanten Straßenausbau stehe.
Erweiterung des Rasthauses 1968
Der Besucherandrang wurde jedoch
stetig größer und so kam es immer
öfter vor, dass unangemeldete Gäste
abgewiesen werden mussten oder vor
verschlossenen Türen standen.
1967 beauftragte man den Architekten
Walter Jung aus Littfeld mit der Ausarbeitung
von Plänen für eine sinnvolle
Erweiterung. Auf der Jahreshauptversammlung
im März 1968 bewilligte
der SGV-Bezirk Siegerland die Pläne
von Jung und Statiker Dieter Bur-
100 Jahre Kindelsbergturm
Das Amt Ferndorf beabsichtigte
damals nämlich, den Weg als zweispurige
Kreisstraße auszubauen und
sie in Ferndorf oder in Müsen enden zu
lassen. Während einige für die Sperrung
der Straße waren, sprachen sich
andere dafür aus, den Kraftverkehr bis
zum Parkplatz generell zuzulassen und
sich nicht gegen einen zwangsläufi ge
Entwicklung zu stemmen. Die Sitzung
endete ohne Beschluß [SZ Nov. 1960].
Parkplatz am Kindelsberg (Foto: Dietmar Stahlschmidt)
bach aus Krombach. Vorgesehen war
ein zweigeschossiges Gebäude quer
zum bestehenden Rasthaus in Massivbauweise
mit einer Holzverschalung
ähnlich wie am Altbau und einem
Giebel in Bruchsteinmauerwerk.
Neben einer großzügigen Erweiterung
des Gastraums, sollte die Küche in
den Neubau vorlegt werden, und im
Keller war eine moderne Toilettenund
Heizungsanlage geplant [3-1968].
59
Von der Eröffnungsfeier am 28. August 1969 berichtete die Siegener Zeitung:
„Ein dichter Nebelschleier verhängte
gestern morgen den Blick der Festgäste,
die sich sehr zahlreich zur
Einweihungsfeier des Erweiterungsbaues
der Kindelsbergraststätte eingefunden
hatten. Aus der Rasthütte
vergangener Tage ist ein schmucker
Berggasthof geworden. Die Zeit ist
vorbei, in der die SGV-Raststätte
Besucher abweisen musste, weil die
Platzverhältnisse nicht ausreichten.
... Wie Bürgermeister Neef in seinem
Grußwort betonte, habe die bürgerschaftliche
Initiative einen bedeutenden
Markstein in der Entwicklung
des Fremdenverkehrs „Rund um den
Kindelsberg“ geschaffen.
Zunächst begrüßte der Bezirksvorsitzende
des SGV, Engels, die Ehrengäste,
unter ihnen der Bundestagsabgeordnete
Botho Prinz zu Sayn-Witt-
60
Im Spätsommer begannen die Bauarbeiten.
Die Littfelder Firmen Gebr.
Reimann und Robert Bald erhielten
den Zuschlag für die Rohbau- und
Zimmerarbeiten [6]. Das Richtfest
wurde am 14. Oktober 1968 gefeiert.
Das Dachgeschoss wurde erweitert,
so dass dort eine vollständige Wohnung
eingerichtet werden konnte. Den
Innenausbau führte die Schreinerei
Schleifenbaum aus Littfeld aus.
Im Gastraum zwischen dem Alt- und
Neubau sind noch heute zwei Fenster
des ersten Rasthauses zu erkennen.
Der Kindelsbergturm mit Gaststätte in
den 1970er Jahren (Foto: Karl Friedrich
- Slg. Günter Weller)
genstein, Frau Edith Langer (MdL),
Bürgermeister Vitt (MdL), Kreisdirektor
Forster, Stadtdirektor Röller,
Superintendent Dilthey, sowie Vertreter
der Forstverwaltung, des Hau-
bergsvereins, des Krombacher Verkehrsvereins
und Mitglieder des
Hotels- und Gaststättenverbandes
und der Turmkommission. Sie alle
gingen in einem Grußwort auf die
geleistete Arbeit ein und zeigten sich
begeistert über die rustikale Raumausstattung.
...
Im Anschluss an die Grußworte über-
reichte Bezirksvorsitzender Engels
zwei Hauptakteuren des Kindels-
bergs, den Wanderfreunden Robert
Schleifenbaum und Heinrich Schmidt,
für ihre langjährige Verdienste je
einen Haubergsknipp mit Lohschäler
und einen Mäckes. ...
Nicht realisierte Baupläne
Der Gedanke, die Raststätte nochmals
zu vergrößern und einen Hotelbetrieb
einzurichten, wurde nicht verwirklicht.
Der SGV wollte nämlich kein Nobelhotel,
sondern eine rustikale Raststätte
für Wanderer und Ausfl ügler, die ihre
Beine nicht nur zum Gasgeben, sondern
noch zum Laufen zu gebrauchen
wussten und denen das Rauschen der
Wälder und der weite Blick über die
Gipfel der Berge noch ein Sonntagserlebnis
war [6]. Hergestellt wurde
lediglich noch 1990 ein Küchen- und
1996 ein Terrassenanbau.
100 Jahre Kindelsbergturm
Auch das vom Krombacher Verkehrsverein
geplante Skigebiet auf dem Kindelsberg,
mit Talstation in der Nähe
des Sägewerks Bald in Littfeld und
Bergstation zwischen Parkplatz und
Turm wurde nicht realisiert.
Ski- und Sessellift hätten eine Länge
von 1,2 km gehabt, und bei guten
Schneeverhältnissen wäre am Nordosthang
eine Abfahrt von über 2 km
Länge entstanden. Die Kosten für
dieses Projekt lagen jedoch zwischen
650 und 700.000 DM [3-1970].
Strom und Wasserversorgung in 618 m Höhe
Seit der Eröffnung des Turmes 1907
gab es lange Zeit weder Strom noch
Trinkwasser. Als das Rasthaus am
30. August 1953 seiner Bestimmung
übergeben wurde, bekam es vermutlich
einen Stromanschluss. Das Wasser
wurde jedoch weiterhin von naheliegenden
Quellen hinaufgetragen. Sie
lagen etwa 300 m unterhalb auf Littfelder
Seite und bei der „Waldesruh“
auf Ferndorfer Seite. Es wurde jedoch
zunehmend problematisch, eine ständig
wachsende Gastronomie ohne Trinkwasseranschluss
zu betreiben [6].
Im „Ernsdorfer Stollen“ an der „Waldesruh“
war gutes Wasser entdeckt
worden, das genutzt werden konnte.
Nach einigem Hin und Her zwischen
der Bergbauverwaltung, der Gemeinde
Ferndorf und den Eigentümern der
„Waldesruh“, ging dort im November
1955 die erste Pumpe hinter einer neu
erbauten Staumauer mit einer 375 m
langen Druckleitung bis zum Turm in
Betrieb. Dadurch war nicht nur die
Wasserversorgung der Raststätte gesichert,
sondern auch die neue Toilettenanlage
[3-1955].
Als die Zufl üsse aus dem Stollen für
die Versorgung des vergrößerten Gasthauses
nicht mehr ausreichten, musste
man zusätzlich auf das Wasser der
kleinen Grube „Gottessegen“ an der
„Waldesruh“ zurückgreifen. Arthur
Crevecoeur aus Ferndorf hatte die
Zufl üsse aus dem Stollen jahrzehntelang
gemessen und eine Menge von
fast 10 m³ täglich bzw. 3.600 m³ pro
Jahr festgestellt. Ab Juli 1970 wurde
die Grube von Arthur und Rolf Crevecoeur
mit ihren Helfern aufgewältigt,
aber erst im August 1975 konnte das
20 m tiefe Gesenk im hinteren Teil des
Stollens leer gepumpt werden.
61
„Grube Gottessegen“ an der Waldesruh
im Jahr 2006 (Foto: Dietmar Stahlschmidt)
Im Oktober 1976 baute der SGV
mit vielen Helfern die Wasserleitung
zum „Ernsdorfer Stollen“, die Mitte
Februar 1977 fertiggestellt wurde. Im
März ging die neue Tauchpumpe dann
in Betrieb. 1996 beschädigten Einbrecher
sie so stark, dass sie ersetzt
werden musste [10].
Nun galt es, auch endlich das Entsorgungsproblem
zu lösen, denn nach
unzureichender Klärung versickerten
die Abwässer in den unterhalb liegenden
Waldstücken - eine Zumutung
für die Waldbesitzer und zunehmende
Gefährdung der Umwelt. Der Turmausschuss
beriet 1982 über den Bau
einer modernen Kläranlage. Man holte
sich Rat bei Fachleuten und beriet über
die Kostenvoranschläge einschlägiger
Firmen; wollte und konnte man doch
nicht noch mehr Schulden machen.
62
Die erst kürzlich erneuerte „Laterne“
hatte 70.000 DM gekostet und das
Darlehen dafür war noch nicht abgetragen.
Es musste jedoch eine Lösung
gefunden werden, die der geltenden
Abwasserverordnung entsprach. Zunächst
war von einer mechanischen
Kläranlage für ca. 15.000 DM die
Rede, doch schließlich wurde 1984
eine vollbiologische Kleinkläranlage
gebaut, die 49.500 DM kostete. Die
Stadt Kreuztal und die Krombacher
Brauerei gaben Bauzuschüsse von je
10.000 DM [3-1985].
Schon wenige Jahre später stellte sich
heraus, dass die Kläranlage wegen
der gestiegenen Besucherzahlen und
bei gleichzeitig nicht kontinuierlichem
Abwasseranfall zunehmend mit Problemen
arbeitete. Nach eingehender
Prüfung und in Abstimmung mit
den zuständigen Fachbehörden wurde
vereinbart, einen Anschluss an die
städtische Abwasserleitung in der
„Dallnstraße“ in Ferndorf herzustel-
len. SGV, Untere Landschaftsbehörde
und die Waldgenossenschaften legten
eine Trasse durch das Gelände der
Haubergsgenossenschaften Ferndorf
und Kreuztal fest.
Die Arbeiten wurden Anfang 1992
von der Fa. Hagen & Co. aus Siegen
durchgeführt. An den Baukosten von
etwa 150.000 DM beteiligte sich die
Stadt Kreuztal mit rd. 50.000 DM.
Das Abwasser wird seitdem in einem
Schacht gesammelt, einer Pumpstation
zugeführt und danach in einer
2.150 m langen Druckleitung bis zum
städtischen Kanal geleitet [3-1992].
Das Geheimnis der vier Wappen
Nur wenige kannten bislang die vier
Reliefplatten aus Tuffstein mit der
Darstellung von Stadtwappen an den
Strebepfeilern des Kindelsbergturms.
Sie waren 1906 auf Anregung des
Siegener Stadtbaurats Scheppig angebracht
worden. Es handelt sich um
die Wappen der Städte Siegen und
Hilchenbach und der damals noch
selbstständigen Gemeinden Krombach
und Geisweid. Aus diesen vier Ortschaften
kamen die SGV-Abteilungen,
die den Bau des Turms maßgeblich
vorangetrieben haben.
Im Laufe der Zeit waren die Platten so
stark verwittert, dass sie im Jahr 2006
komplett restauriert werden mussten.
Die Kosten von 6.745 € trugen der
SGV-Bezirk Siegerland (rd. 50 %),
die Stadt Kreuztal, das Westfälische
Amt für Denkmalpfl ege und das Land
Nordrhein-Westfalen [11/3-2006].
Das Wappen der Gemeinde Geisweid
zeigt einen Luppenschmied mit Zange.
Das alte Hilchenbacher Stadtwappen
mit dem heiligen Vitus, der wachend
zwischen zwei gezinnten Türmen auf
einer Mauer steht und eine Kirchen-
fahne hält. Seit 1911 trägt das Hilchenbacher
Wappen einen goldenen Wolf
auf blauem Grund [12].
Von oben: Restauratoren unter Leitung von
Dipl. Restauratorin Karen Keller aus Köln
beim Einbau der Hilchenbacher Reliefplatte,
und die Platten mit den Wappen von
Geisweid und Hilchenbach - im August
2006 (Fotos: Dietmar Stahlschmidt)
100 Jahre Kindelsbergturm
63
Die restaurierte Reliefplatte mit dem
Wappen von Krombach (Foto: Dietmar
Stahlschmidt) und eine Abbildung des
Siegener Wappens [14]
64
Das Krombacher Wappen trägt noch
heute eine Glocke. Dabei soll es sich
zum einem um eine „Gnadenglocke“
handeln, die laut Sage von einem
Schweinehirten am Fuße des Kindelsberges
gefunden wurde, und zum
anderen steht die Glocke symbolisch
für das Jahr 1000. Es ist überliefert,
dass Krombach damals eine Glocke
mit den Buchstaben A und M besaß,
was „Anno Millesimo“ (= im Jahre
1000) bedeutet [13]. Das Wappen am
Turm trägt nur das M und ist wahrscheinlich
eine künstlerische Interpretation
von Sage und Wirklichkeit.
Vom Wappen der Stadt Siegen ist am
Turm nicht mehr viel zu erkennen,
und eine Sanierung war wegen dem
Anschluss des Vordachs an dieser
Stelle nicht möglich. Daher ist das
Siegener Wappen hier in anderer
Form abgebildet. Dargestellt ist die
jahrhundertelange Doppelherrschaft
in Siegen mit dem Erzbischof von
Kurköln und dem Nassauischen
Löwen [14].
Literatur
[1] KLEINMANNS Joachim: Schau ins
Land - Aussichtstürme, Jonas Verlag,
Marburg 1999
[2] Sauerländischer Gebirgsbote:
„Der Kampf gegen Aussichtstürme“,
Jg. XIII Nr. 5, Mai 1905;
„Der Kindelsbergturm“, 1907
[3] Archiv der Siegener Zeitung (SZ):
* Bau des Turmes
25.05.1906, 19.07.1906, 27.05.1907
* Nicht veröffentlichter Bericht über den
Kindelsbergturm vom Baubeginn bis
zur Jetztzeit - 10.04.1953
* Bau der Raststätte
14.07.1951, 31.08.1953
* Richtfunkrelaisstation
1957: 09.01., 14.01., 01.06., 13.06.;
06.08.1958, 17.01.1959
* Bau der Zufahrtstraße
26.02.1958, 22.10.1960, 22.11.1960
* Erweiterung der Raststätte
1968: 26.03., 28.05., 15.10.;
20.08. u. 29.08.1969
* „Wintersportparadies am Kindelsberg
mit Sessellift“ - 21.08.1970
* Erneuerung der „Laterne“
01.10. u. 08.10.1981, 09.02.1982
* Ver- und Entsorgung der Raststätte
10.11.1955, 06.04.1985, 10.10.1992
* Bau des WDR-Sendemast
13.05., 21.11. u. 24.11.1995
* „Steinerne Zeugen wieder ansehnlich“
14.11.2006
[4] Frühe Burgen in Westfalen, Heft 13,
Der Kindelsberg, Hrsg.: Altertumskomission
für Westfalen, Münster 1998
[5] Archiv der Stadt Kreuztal:
Protokolle des Turmausschusses zur
Errichtung des Kindelsbergturmes von
1904-1930, Ges. Werke vom Kindelsberg
von Erich Schmidt, Ordner 36
100 Jahre Kindelsbergturm
[6] Der Kindelsberg - Sage und Wirklichkeit.
Ein Rückblick auf die Geschichte
des Berges und Turmes von Dr. Wilhelm
Müller, Müsen. Hrsg. SGV-
Bezirk Siegerland zum 75-jährigen
Bestehen des Kindelsbergturmes,
Kreuztal 1982
[7] TRÖPS Dieter: Festschrift zum
50-jährigen Bestehen des Aussichtsturms
auf der Hohen Bracht, Schriftenreihe
des Kreises Olpe, Heft 1, Olpe
1980
[8] Unterlagen des Architekten Karl Meckel
zum Bau einer Gaststätte auf dem
Kindelsberg 1933 u. 1938 - zur Verfügung
gestellt von Wolfgang Meckel
[9] WILTRAUT Horst: Nicht öffentlicher
Entwurf über die Funktechniken der
Deutschen Bundespost und der Deutschen
Telekom AG (heute T-Com) auf
dem Kindelsberg
[10] Aufzeichnungen im Hüttenbuch der
Waldesruh und mündliche Angaben
von Rolf Creveceur 2006
[11] KELLER Karen, Dipl. Restauratorin:
Restaurationsbericht, Köln 09.08.2006
[12] Archiv der Stadt Hilchenbach:
Bericht: „Wappen der Stadt Hilchenbach
mit Wappenbeschreibung“.
[13] ENGELBERT Hermann: Hinterhüttsche
Chronik: „Die sprechende Glocke
vom Kindelsberg. Eine Legende“
Kreuztal 1994
[14] WEBER Friedrich Dr.: Stadtführer
Siegen, Hrsg.: Gesellschaft für Stadtmarketing
Siegen e.V., Siegen 2002
65
Kaiserlinde erhielt Windeln
Auf der Kuppe des Kindelsberges in
618 m ü.NN steht etwa 8 Meter nordöstlich
des Kindelsbergturmes eine
Sommerlinde. Sie wurde 1878 aus
Anlass eines misslungenen Attentates
auf Kaiser Wilhelm I. gepfl anzt und
„Kaiserlinde“ genannt [1]. Vermutlich
wird man damals, um eine sofortige
optische Wirkung zu erzielen, eine
wenigstens 5-jährige Pfl anze verwendet
haben. Im Spätsommer 2006 wäre
die Linde danach 134 Jahre alt.
66
von Alfred Becker und Martin Sorg
Die Wuchsbedingungen sind offensichtlich
nicht sehr gut, denn die Linde
weist derzeit mit nur 12,2 m eine für
ihr Alter ungewöhnlich geringe Höhe
auf. Selbst auf schlechten Standorten
sollte eine 130 Jahre alte Linde nämlich
eine Mindesthöhe von 24 m haben
[2]. Dagegen liegt der Durchmesser
in Brusthöhe mit 49 cm deutlich über
dem erwarteten mittleren Durchmesser
von 30 cm eines gleich alten Lindenbestandes.
In den Jahren vor 2004
kränkelte die Linde zusehens.
Sie hatte immer
weniger Feinreisig, entsprechend
eine schüttere,
sehr transparente Krone
und wies mehrere Stammwunden
auf, die zum Teil
bereits mit Epiphyten, wie
z.B. Ahornkeimlingen, besiedelt
waren.
Daher machte man sich in
der SGV-Abteilung Ferndorf-Kreuztal
zunehmend
Sorgen um die Kaiserlinde
und erkundigte sich nach
den Ursachen der Erkran-
kung und Schwäche sowie
nach möglichen Therapiemaßnahmen.
Die Kaiserlinde
Mitte Mai 2004
Schadensursache
Eine Besichtigung im Frühjahr 2004
ergab, dass die Hauptursache der Wachs-
tumsschwäche wie auch der Degenerationserscheinungen
im Kleinstandort
der Linde zu suchen ist. Insbesondere
ist es die Kuppenlage und das harte,
sehr nährstoffarme, kaum verwitterte
Ausgangsgestein („Gedinne“ = quarzitischer
Sandstein) mit wenig Lehmanteilen
und sehr geringer Wasserkapazität
[3]. Bezeichnenderweise musste das
zum Bau des Kindelsbergturmes benötigte
Wasser mit Ochsenkarren auf
den Berg geschafft werden [4].
Die Folgen dieser klein-
standörtlichen Verhältnisse
sind Wasserstress und
Nährstoffmangel für den
Baum, zumindest in den
Trockenperioden des Sommers.
Hinzu kommen wahrscheinlich
Kälteschäden
durch trocken-kalte Winde
oder Strahlungsfröste im
Winter sowie Ast- und
Kronenbrüche infolge von
Raureif, Eisanhang und
Schneelast. So bleibt es
schließlich nicht aus, dass
sich parasitische Organis-
men auf den geschwächten
Baum stürzen.
Die Kaiserlinde
am 23. Juli 2006
100 Jahre Kindelsbergturm
Die geringe Baumhöhe ist in erster
Linie eine Folge der geringen Leistungskraft
des Standortes. Zusätzlich
kann eine periodische Kürzung der
Baumlänge durch Kronenbrüche
infolge Reif- und Eis-Anhangs, möglicherweise
auch eine - durch Menschen
veranlasste - Kürzung zwecks Sanierung
vorangegangener Kronenbrüche
mit ursächlich sein.
Dieser Befund wurde Prof. Dr. Lelley
von der Gesellschaft für angewandte
Mykologie und Umweltstudien sowie
einem Sachverständigen für Mykorrhiza-Anwendung,
Dr. Kutscheid, beide
67
in Krefeld, vorgetragen. Es war klar,
dass die widrigen Standortverhältnisse,
insbesondere das Risiko von Winter-
schäden, kaum nachhaltig geändert
werden konnten. Aber eine allgemeine
Kräftigung des Baumes sollte helfen,
entstandene Schäden schnell und dauerhaft
zu regenerieren.
Therapie
Dr. Kutscheid empfahl ein ganzes
Paket von Maßnahmen zur Verbesserung
der bodenkundlichen Verhältnisse
des Standortes und zur physiologischen
Stützung der schwächelnden Linde:
Durch Einbringen von Humat in den
Oberboden im Umkreis der Linde
sollte die Nährstoff- und Wasserversorgung
des Baumes verbessert werden.
Das Eingraben von „Stockosorb“ sollte
ebenfalls eine bessere Wasserversorgung
gewährleisten. Es handelt sich
dabei um eine organische Kohlenstoff-
Verbindung, die ein Vielfaches ihres
Volumens an Wasser speichern und in
Trockenzeiten wieder abgeben kann.
Außerdem wurden der Linde zwei
Mykorrhiza-Impfungen verordnet. Als
Mykorrhiza bezeichnet man die innige
Verbindung von Pilzfäden mit Pfl anzenwurzeln,
die für beide Partner
nützlich ist. Man nennt solche Verbindungen
zum beiderseitigen Vorteil auch
„Symbiosen“. Der Vorteil für die Pilze
liegt in der Versorgung mit Zucker
durch die Pfl anzen, z. B auch Bäume;
der Vorteil der Bäume besteht darin,
dass der Pilzpartner mit seinem ausge-
dehnten Pilzfäden-System hervorragend
zur Wasser- und Nährstoff-Ver-
68
sorgung beiträgt, für die Bäume giftige
Substanzen ausfi ltriert und parasitische
Organismen abwehrt [5]. Man unterscheidet
zwischen Ektomykorrhiza und
Endomykorrhiza. Bei ersterer umspinnen
Pilzfäden die Feinstwurzeln der
Bäume und dringen nur wenig in die
Wurzelrinde ein. Bei der Endomykorrhiza
dringen die Pilzfäden tief in die
Wurzelzellen der Wirtspfl anzen ein und
sorgen dort für einen Stoffaustausch.
Die einzelnen Baumarten bevorzugen
bestimmte Pilz- und Mykorrhiza-Arten.
Unter den Pilzarten gibt es besonders
leistungsfähige und verträgliche Rassen
oder Stämme. Diese werden inzwischen
künstlich kultiviert und mit unterschiedlichen
Methoden an die Wurzeln
von Partnerpfl anzen angeimpft.
Die Sanierung erkrankter Waldbestände
durch Mykorrhiza wurde in den
1980er und 90er Jahren im Auftrag
des Umweltministeriums in Düsseldorf
erfolgreich erprobt [6]. Im Siegerland
wurde die ca. 650 Jahre alte Bäreneiche
bei Niederholzklau, die nach
einem Blitzschlag erheblich erkrankt
war, u.a. durch Mykorrhiza-Impfung
sichtbar saniert [7].
Auf diesen Erfahrungen aufbauend,
wurde auch für die Linde am Kindelsberg
eine Mykorrhiza-Behandlung
empfohlen, und zwar mit einem
selektierten Ektomykorrhiza-Stamm
für Laubbäume und mit einem ausgewählten
Endomykorhiza-Stamm.
Die Fa. Kutscheid lieferte alle benötigten
Materialien, die von der SGV-
Kreisgruppe bezahlte wurden. Am 18.
Mai 2004 führten Mitglieder der SGV-
Abteilung Ferndorf-Kreuztal die Impfungen
unter Leitung von Karl-Heinz
Spies durch.
Die Kaiserlinde ist von einem kreisförmigen,
schmiedeeisernen Schutzzaun
von 4 m Durchmesser und 2,85 m
Höhe umgeben. Innerhalb des Zaunes
ist der Boden offen und locker (Baumscheibe).
Ein 20-30 cm breiter Ring
außerhalb ist ebenfalls unbefestigt. Die
weitere Umgebung ist mit Asphalt versiegelt.
Etwa 5 m östlich der Linde
beginnt unbefestigter Waldboden.
Der Ring schien für die Impfungen
besonders geeignet zu sein, da hier die
meisten Feinwurzeln der Linde vermutet
wurden. Tatsächlich wurden bei vorsichtiger
Anlage von 12 ca. 10 cm tiefen
Löchern Feinwurzeln freigelegt und je
zur Hälfte mit 125 ml Endo- bzw. Ektomykorrhiza-Impfstoff
bedeckt. Weitere
19, ebenso tiefe, Löcher wurden mit
je 0,8 l einer Mischung aus 1 Teil
Stockosorb und 30 Teilen Torf verfüllt.
Auf der Baumscheibe wurden weitere
20 Löcher mit einer Stockosorb-Torf-
Mischung versehen. Hier wurden auch
Reste der Mykorrhiza-Impfstoffe ausgestreut
und eingearbeitet. Im nahe
gelegenen Waldboden wurden weitere
3 Löcher von 15 cm Tiefe mit je 0,8
l Stockosorb-Mischung versorgt. Alle
Schürfstellen wurden mit insgesamt 12
Gießkannen (ca.120 l) einer Mischung
von je 40 ml Humat und 10 l Wasser
getränkt und abschließend mit anstehendem
Boden verfüllt. Der Kindelsberg-
Wirt wurde gebeten, die Baumscheibe
und den Ring in den nächsten Monaten
von Zeit zu Zeit kräftig zu wässern.
100 Jahre Kindelsbergturm
Schematischer Lageplan der Kaiserlinde.
Der Erfolg der Maßnahmen war jedoch
keineswegs sicher. Einige Jahre zuvor
hatte nämlich eine Impfung mit Bärentrauben-Mykorhiza-„Depotpfl
anzen“
wenig oder gar keine Wirkung gezeigt.
Daher wurde vorsorglich, für den Fall
des Ablebens der Kaiser- linde, etwa
16,5 m südöstlich des Baumes eine
vierjährige, ca. 1,3 m hohe Sommerlinde
gepfl anzt und mit Impfstoff und
Stockosorb-Mischung versorgt.
Ausheben der Impfl öcher
69
Einpfl anzen der „Ersatzlinde“
Erfolge
Im Laufe des Sommers 2004 zeigte
sich die wasserspeichernde Wirkung
des Stockosorb zunächst auf unangenehme
Art und Weise. An den Impfstellen
quoll eine weißliche, glibberige
Masse aus dem Boden, die beim
Kindelsberg-Wirt und seinen Gästen
für Aufregung sorgte. Der Verfasser
versicherte daraufhin die Unschädlichkeit
des Präparates und empfahl,
die Stellen mit Torfmull abzudecken.
Dies war offensichtlich erfolgreich.
Später berichtete Dr. Kutscheid, dass
es sich bei dem Präparat Stockosorb
um ein ähnliches Substrat handele, wie
es auch in Einmal-Windeln verwendet
wird, um möglichst viel Flüssigkeit
zu binden. Die Kaiserlinde war also
-unbewusst- „gewindelt“ worden.
70
Wie erfolgreich das „Windeln“ jedoch
war, zeigte sich im Sommer 2006.
Trotz erheblicher Niederschlagsdefi -
zite in den Monaten Juni und Juli (70
bzw. 71% des Normalniederschlages)
[8], die zu deutlichen Trockenschäden
hätten führen müssen, schien die Linde
voll belaubt und überwiegend satt
grün. Lediglich 5-10 % der Blätter,
konzentriert auf einzelne Zweigsysteme,
wiesen Vergilbungserscheinungen
auf, vermutlich durch vorzeitiges
Trockenheits-Altern.
Ein auffälliger Trockenast ragte nach
Südsüdosten; er war aber schon 2004
vorhanden. Bei einer Besichtigung am
29. September 2006 zeigte sich, dass
die Linde inzwischen etwa 30 % ihres
Sommerlaubes abgeworfen hatte, eine
für diese Jahreszeit bei Linden nicht
ungewöhnliche Rate. Es zeigte sich
auch, erst durch den Laubverlust sichtbar
werdend, dass inzwischen große
Mengen gesunden Feinreisigs gebildet
worden waren. Ein Zeichen für
die gesteigerte Vitalität des Baumes.
Außerdem war auffällig, dass die
Belaubung auf der dem Wetter
abgewandten Seite der Kronenhälfte
deutlich dichter war, als auf der
südwestlichen Kronenseite.
Es ist, bei allem Vorbehalt, festzustellen,
dass die im Jahr 2004 durchgeführten
Maßnahmen und die seitdem
auch regelmäßig durchgeführte
Bewässerung wohl erfolgreich waren.
Der Gesundheitszustand der Kaiserlinde
hat sich nicht weiter verschlechtert.
Im Gegenteil, er ist sogar deutlich
verbessert.
Blick auf die Krone der Kaiserlinde Ende
September 2006 - zu sehen sind große
Mengen gesunden Feinreisigs
Sollte sich dieser Trend auch im
Jubiläumsjahr 2007 fortsetzen, kann
dann wohl von einem vollen Erfolg
gesprochen werden.
Schließlich bleibt zu empfehlen, die
Kaiserlinde noch von einigem Ballast
zu befreien. Gemeint sind die toten
Teile älterer Äste, die für den Baum
wertlos sind. Dagegen haben die
stammnahen, lebenden Teile solcher
Äste große Mengen gesunden Feinreisigs
gebildet und damit den Aufbau
einer im Ganzen gesunden
Ersatzkrone begonnen.
Alle Abbildungen von Alfred Becker.
100 Jahre Kindelsbergturm
Literatur:
[1] KRÄMER, Erhard: Der Kindelsberg,
Bergmassiv und Wallburg, Siegerland,
Blätter des Siegerländer Heimat- und
Geschichtsvereins e.V., Bd. 83/ Heft 1,
2006, S. 3-12
[2] LANDESANSTALT für Ökologie, Landschaftsentwicklung
und Forstplanung
NRW, Hrsg.: Hilfstafeln für die Forsteinrichtung,
zusammengestellt für den
Gebrauch im Land NRW, 2. erw. Aufl .,
1980, S. 3 i.Vbdg. m. Seiten 32-36
[3] GEOLOGISCHES LANDESAMT
NRW: Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen
[4] DEUTSCHES JUGENDHERBERGS-
WERK, Hrsg.: Weg-Weiser und Wanderer,
Wilhelm Münker, ein Leben für
Heimat, Umwelt und Jugend, Detmold,
Druck d. Vorländer, Siegen, 1989
[5] CETTO, Bruno: Die Mykorrhiza, Symbiose
zwischen Baum und Pilz in den
Wäldern, in: Der große Pilzführer,
Bd. 1, S. 14-22, BLV-Verlag, München,
Bern, Wien,1977
[6] HILBER, O. u. LELLEY, J.: Versuche
der Aktivierung und Revitalisierung
erkrankter Waldbestände durch Mykorrhiza-Impfung.
Abschlußbericht zum
Forschungsvorhaben des Ministeriums
für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
des Landes NRW, 1992
[7] HILBER, O. u. WÜSTENHÖFER, B.:
Re-vitalisierung eines Fichtenbestandes
durch Mykorrhizapilze, Allgemeine
Forst-Zeitschrift,1992, 8, 370-371
[8] BECKER, Alfred; IRLE, Arnold und
LELLEY, Jan: Vitalisierungsversuche an
einer alten Eiche, in: Bäume als Zeitzeugen,
dargestellt an ausgewählten
Beispielen im Siegerland, Heft 3 der
Schriftenreihe der Landesforstverwaltung
NRW, Düsseldorf, 1996
[9] BECKER, Alfred; IRLE, Arnold und
LELLEY, Jan: Vitalisierungsversuch an
einer alten erkrankten Eiche, Allgemeine
Forst-Zeitschrift 5, 1999, S. 259-262
[10] KUTSCHEID, fernmdl. Mitt. 2006
[11] ANONYMUS, Witterungsberichte des
Forschungsinstituts Wasser und Umwelt
der Universität Siegen, Siegener Zeitung
vom 12.07.2006, S.4 u. 07.08.2006, S.4
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Qualitätswanderweg „Kindelsbergpfad“
Das Erlebnis naturnaher Elemente und weiter Ausblicke
Aufgrund des großen Erfolgs der wandertouristischen Leitmarke „Rothaarsteig“
regte der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein im Jahr 2003 eine „Qualitätsoffensive
Wandern“ an. Die Kommunen wurden aufgerufen, hierfür das vorhan-
dene heimische Wanderwegenetz unter touristischen Aspekten zu modernisieren.
In Kooperation mit der Stadt Hilchenbach, dem SGV (Sauerländischen Gebirgsverein),
den Waldbesitzern, der Jägerschaft, dem Forstamt Hilchenbach und der
Unteren Landschaftsbehörde wurde unter Regie der Stadt Kreuztal ein ca. 15 km
langer Wanderweg festgelegt, der den Kriterien eines „Premiumwanderweges“
nach dem Deutschen Wandersiegel standhält.
Die wichtigsten Stationen
Ausgangspunkt: Parkplatz der „Bernhard-Weiss-Klinik“ in Kredenbach
1 „Am Weinberg“. Weg durch Wiesen (Ruhebänke) mit Blick auf Kredenbach
und Dahlbruch.
2 „Loher Weiher“. Einstieg in den Wald auf einem schmalen Pfad, vorbei an
tiefen Gräben und den drei Weihern im Naturschutzgebiet „Loher Tal“, danach
weiter durch einen Fichten- und Buchenbestand mit Naturverjüngung.
3 Steinbruch „Am Witschenberg“. Weg bis an die Felder und Wiesen mit
Blick auf Dahlbruch und Müsen, weiter durch einen Fichtenbestand auf dem
Grenzdamm zwischen Müsen und Kredenbach.
4 „Grube Brüche“ mit Stollenmundloch „Untere Brüche“ (großer Rastplatz).
Auf schmalem Pfad durch Hauberg vorbei an den „Müsener Kampen“.
5 „Waldpark Brombach“ mit Sitzgruppen und Naturspringbrunnen. Weiter
auf einem breiten, wassergebundenen, beleuchteten Weg.
6 „Feldmanns Tannen“ (Ruhebank) mit Blick auf Müsen, Ginsburg und
Oberste Henn. Weiter auf ansteigendem Weg durch hohen Fichtenbestand.
7 Grubengelände „Wilder Mann“ (ehemaliges Gasthaus, Stollenmundloch).
Weg über ehemalige Abraumhalden und Anbindung an den Grubenlehrpfad.
8 Grube Stahlberg mit „Pingenfeld Stahlberger Stock“ (Müsener Klippen).
Von dort auf schmalen Pfaden bergauf.
72
von Rudolf Schmidt
und Katrin Stein
9 Blick auf „Grube St. Friedrich“
10 Blick auf „Grube Jungfer“. Weiter durch einen lichten Fichtenhochwald.
11 Martinshardt, 616 m ü. NN (Gipfelkreuz mit Buch). Weiter durch Nieder-
Hochwaldfi chten auf dem „Rippenweg“ (starke Wurzeln kreuzen den Weg)
und durch einen Fichten-Lärchenbestand.
12 Birkhahn, 604,5 m ü. NN. Weiter zum Parkplatz Kindelsberg mit „Trippler-
Quelle“ und Anbindung an den Waldschadenslehrpfad.
13 Kindelsbergturm, 618 m ü. NN (Raststätte und Aussichtsturm mit Rundumblick,
historische Wallanlage). Weg bergab Richtung Kreuztal.
14 Blick nach Ferndorf, Kredenbach, Kreuztal und ins Hütten- und Heestal.
Vorbei an „Hoffi nanns-Hütte“ (ehemals „Römmelches Hütte“).
15 „Waldesruh-Hütten“ und Stollenmundloch „Grube Gottessegen“ (Teichanlage
mit Bruchwald). Vorbei an der „Wilhelmsruh“ und weiter bergab.
16 Stollenmundloch „Grube Strumpf“
17 „Grube Glücksanfang“ (Reste des oberen Stollen)
18 „Rötsche Glücksanfang“
19 Stollenmundloch „Grube Jungermann“ (Winterquartier für Fledermäuse)
20 „Sonnenberger Rötsche“ (wertvolle Lebensräume auf Abraumgelände)
21 „Grube Kuhlenberg“
22 Ausläufer „Pingenfeld Abraham“. Abwärts auf schmalem Pfad.
23 „Martinshütte“ und Stollenmundloch „Grube Friedrichshoffnung“ mit
Quelle und Teich. Weiter auf breitem, ebenem Weg.
24 „Theodora-Hütte“ mit Stollenmundloch „Grube Theodora“
25 Quelle „Jungbrunnen“
26 Blick auf das Naturfreibad Zitzenbach
27 Steinbruch mit „Steinbruch Hütte“ (oberhalb). An der dicken Eiche vorbei
auf einem ebenerdigen Weg bis an die Felder und Wiesen.
28 „Schafstall“ / „Auf dem Scheidt“. Weg entlang des Waldrandes zurück
zum Ausgangspunkt mit Sicht auf Kredenbach.
100 Jahre Kindelsbergturm
73
gestrichelte Linie rund um
den Kindelsberg:
Lehrpfad „Waldschäden“
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100 Jahre Kindelsbergturm
75
Lehrpfad „Waldschäden“
Der Lehrpfad „Waldschäden“ wurde
1994 mit Unterstützung der Waldbesitzer,
der Stadt Kreuztal, der Volksbank
Littfeld, der Fa. JH Kurth, der Werkstatt
des Kirchenkreises Siegen, des
Forstamtes Siegen-Nord, der BUND
Kreisgruppe und der SGV-Abteilung
Ferndorf-Kreuztal eingerichtet. Die
Lehrtafeln wurden von Klaus Tillmanns
gestaltet und werden von der Abteilung
Ferndorf-Kreuztal instand gehalten.
Ausgangs- und Endpunkt des gut 3 km
langen Rundweges (Wanderweg A 8)
liegen am Wanderparkplatz unterhalb
des Kindelsbergturms. Für die Informationen
und Beobachtungen rechnet
man mit einer Gehzeit von ca. 1 h. Der
Rundweg, der in einer Höhenlage zwischen
550 und 600 m verläuft, führt
durch abwechslungsreiche Wälder und
Parkplatz am Kindelsberg mit Wanderkarten
des SGV (Foto: Katrin Stein).
76
von Werner Schäfer
bietet reizvolle Aussichten ins Ferndorf-
und Littfetal und auch darüber
hinaus.
11 Informationstafeln erklären die Ur-
sachen des Waldsterbens, Krankheitsbilder
bei Fichten, Buchen und Eichen,
und weisen auf mögliche Maßnahmen
gegen das Waldsterben hin. Insbesondere
die Tafeln über Fichten, Eichen und
Buchen haben einen direkten Bezug zu
den links und rechts des Weges erkennbaren
Schäden an älteren Bäumen.
Dem Besucher soll damit ermöglicht
werden, auf seinem weiteren Weg
solche Schäden selbst zu erkennen.
Die Forstwirtschaft kann mit ihren Mitteln
keine direkte Maßnahmen gegen
diese Schäden durchführen. Düngungsmaßnahmen
zur Bodenverbesserung
kommen für viele Bestände bereits zu
spät. Auch waldbauliche Maßnahmen
scheiden zum Teil aus, weil bereits
fast alle Baumarten mehr oder weniger
stark erkrankt sind.
Eine Verringerung der Schadstoffemissionen
ist das einzig verfügbare
Mittel. Abgasreinigung und moderne
Verbrennungstechniken für Feuerungsanlagen,
Energieeinsparung durch bessere
Ausnutzung in der Energieumwandlung
und der Austausch fossiler
Brennstoffe durch umweltfreundlichere
Energien (Sonne, Wind und Wasser)
wären hierfür einige realisierbare
Möglichkeiten.
Warum ein Lehrpfad „Waldschäden“ ?
Unser Wald stirbt langsam und lautlos. Sein Siechtum erstreckt sich über
Jahre, oft Jahrzehnte. Dabei leiden die betroffenen Bäume des Waldes stumm.
Außerdem erscheint der Wald meist auf den ersten Blick grün und gesund.
Erst bei näherem Hinsehen lassen sich deutliche Schäden erkennen. Nur so
ist zu erklären, daß das Waldsterben nach anfänglicher Betroffenheit in den
80er Jahren heute aus den SchIagzeilen der Medien verschwunden ist, obwohl
insgesamt in den letzten 10 Jahren (Stand 1994) eine deutliche Verschlechterung
des Waldzustandes stattgefunden hat. Diesem schnellen Vergessen soll
der Lehrpfad „Waldschäden‘ entgegenwirken.
Auszug aus der Einführungstafel
Durch sparsamen Umgang mit der
Energie in den Bereichen Verkehr,
Haushalt, am Arbeitsplatz und auch
in der Freizeit helfen wir dem noch
lebenden Wald, helfen wir dem neu
gepfl anzten Baum und tragen dazu bei,
seine Zukunft als grünes Element in
Nadelverlust (Lamettaeffekt) an Fichten-
Althölzern 1983 (Foto: Kurt Görzel)
Auszug aus: Waldlehrpfad und Lehrpfad Waldschäden, in: Ferndorfer Dorfchronik, Bd. 2,
Hrsg. Verein zur Pfl ege der Dorfgemeinschaft in Ferndorf, 2004
100 Jahre Kindelsbergturm
unserer Gesellschaft zu sichern und mit
seinem vielfältigen Nutzen zukünftigen
Generationen zu erhalten.
Wir alle sind dazu aufgerufen und jeder
sollte den ersten Schritt unternehmen,
denn die Lage ist ernst.
Borkenkäfer Befall an Fichten-Althölzern
1983 (Foto: Alfred Becker)
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Panoramatafeln
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Blick nach Nord-Osten
Blick nach Norden
Blick nach Nord-Westen
Fotos: Reinhard Becker
Druck: DIAS Werbung
100 Jahre Kindelsbergturm
auf dem Turm
Blick nach Westen
Blick nach Süden
Blick nach Osten
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