JOURNAL 1o
2. – 21. September 2010
musik
fest
berlin
Ein klassischer Dreiklang:
Meer, Musik und die Mein Schiff.
Klassik an Bord – aus Liebe zum Meer und zur Musik! Klassikliebhaber werden sich an Bord der Mein Schiff
rundum wohlfühlen. Auf der exklusiven Musikreise Klassik an Bord erleben Sie von Opern über Operetten bis
hin zu klassischen Konzerten renommierter Gastkünstler unvergessliche musikalische Momente. Mit den
German Tenors ist das erfolgreichste Tenor-Trio Europas zu Gast auf der Mein Schiff. Lassen Sie sich von diesen
drei Stimmen aus einer Seele verzaubern und kommen Sie an Bord!
Klassik an Bord
Kanaren mit Casablanca
05.12.–12.12.2010
1Gran Canaria 1Casablanca 1Madeira 1La Palma 1Fuerteventura 1Gran Canaria
7 Nächte ab 695 € *
Weitere Informationen erhalten Sie in Ihrem Reisebüro
oder unter www.tuicruises.com/klassik.
* Flex Preis (limitiertes Kontingent) p.P. bei 2er-Belegung einer Innenkabine.
Mein Menü: köstlich.
Mein Cocktail: fruchtig.
0 €!
musikfest berlin 10
05
09
14
19
22
27
31
32
36
38
40
42
45
46
fec: LMN Berlin |Leipzig / Titelfoto: Benjamin Rinner
musikfest berlin 10
musikfest berlin10: Über das Programm | English translation on page 6
Habakuk Traber: Schöne Ferne: Boulez, Berio, Strawinsky
Paul Griffiths: …explosante-fixe… Pierre Boulez beim musikfest berlin 10
Pierre-Laurent Aimard über Pierre Boulez [im Gespräch mit Olaf Wilhelmer]
PROGRAMM musikfest berlin 02 bis 21–ix –2010
Paul Griffiths: Widerklang der Welt. Luciano Berio beim musikfest berlin 10
Martin Greve: Education-Projekt zu Coro von Luciano Berio
Max Nyffeler: Zukunftswerkstatt Ensemble
Peter Eötvös über Ensemblekultur [im Gespräch mit Max Nyffeler]
Martin Wilkening: Afrika als Erinnerung. Streichquartette von Kevin Volans
Bernhard Morbach: Das Ensemble graindelavoix
Abonnements | Einzelpreise
Tickets | Spielorte | Radioübertragungen
Impressum | Informationen
journal musikfest berlin 3
Foto: Jacques Henri Lartigue, 1920er Jahre
Explosante fixe, Foto: Man Ray, 1934, © Man Ray Trust Paris /VG- Bild-Kunst
musikfest berlin 10
musikfest berlin 10
pour Pierre Boulez
Nach dem Blick auf die düsteren Seiten
des »Zeitalters der Extreme« im vergangenen
Jahr wendet sich das musikfest berlin 10
einer Verszeile von Stéphane Mallarmé zu:
»Das reine, lebensvolle, schöne Heut und
Jetzt…« –, die Pierre Boulez in Pli selon
pli, diesem einzigartigen musikalischen Faltenwurf
des 20. Jahrhunderts, so unnachahmlich
vertonte und mit der Olivier Messiaen
1958, im Entstehungsjahr von Pli
selon pli, auf das unverbrüchliche Recht
einer jeden jungen Generation zur Gestaltung
ihrer Gegenwart hinwies.
Es war Charles Baudelaire, der in seinen
Tagebüchern die poetische Beschreibung
eines Schiffes notierte, in der sich auch
Gestalt und Idee des orchestralen Klangkörpers
zu erkennen geben: »Ich glaube,
dass der unendliche und geheimnisvolle
Zauber, der in der Betrachtung eines Schiffes
liegt, und vornehmlich eines Schiffes in
Bewegung, in erster Linie von der Regelmäßigkeit
und Symmetrie herrührt, die zu den
grundlegenden Bedürfnissen des menschlichen
Geistes gehören, in gleichem Maße
wie die Kompliziertheit und die Harmonie
– und in zweiter Linie von der immer wiederkehrenden
Vielfalt und der eingebildeten
Vorstellung all der Kurven und Figuren,
welche durch die tatsächlichen
Grundelemente des Gegenstandes im Raume
entstehen. Der poetische Gedanke, der
durch diesen Vorgang der Bewegung in den
Linien ausgelöst wird, ist die Vorstellung
eines ungeheuren, unermesslichen, komplizierten,
jedoch ebenmäßigen Wesens,
eines von Geist erfüllten Lebewesens, welches
leidet und alle Seufzer und Verlangen
der Menschheit zum Ausdruck bringt.«
Luciano Berio, einer der beiden zentralen
Komponisten des diesjährigen Festivalprogramms,
träumte als Junge davon, als
Kapitän eines eigenen Schiffes zur See zu
fahren. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit,
eine musikalische: Die Musik wurde
ihm zum Weltenmeer, zu einer lebenslangen
Odyssee, auf der – angeregt durch die
anthropologischen Schriften von Claude
Lévi-Strauss, ethnomusikologische Feldforschungen
von Simha Aron und die Linguistik
von Roman Jakobson – Musik aus
den musikalischen Volkstraditionen Italiens,
Frankreichs, Armeniens, des damaligen
Jugoslawiens, von Stammeskulturen
Afrikas und amerikanischer Indianer in
zitierter, phonographierter, transkribierter
oder neukomponierter Gestalt Eingang in
seine Werke fanden. Von diesen musikalischen
Weltreisen berichten die beim musikfest
berlin 10 aufgeführten Werke des italienischen
Komponisten: die Folk Songs,
das Bratschenkonzert Voci, das oratorische
Madrigal Coro, die intime Huldigung
an den sizilianischen Gesang Naturale,
journal musikfest berlin 5
37 Solisten von Weltrang, 27 Chöre, Ensembles und Orchester des internationalen Musiklebens
– mit dabei die orchestralen Flagschiffe, die die Hauptstadt Berlin zu ihrem Heimathafen
haben: An 20 Tagen werden in der Philharmonie, in deren Kammermusiksaal, in
der Parochialkirche, in der Gethsemanekirche und im Konzerthaus am Gendarmenmarkt
24 Veranstaltungen mit über 60 Werken von rund 25 Komponisten geboten. Im Mittelpunkt
des Programms: das musikalische Oeuvre von Pierre Boulez und Luciano Berio.
schließlich die Leonard Bernstein gewidmete
Sinfonia, Berios »Voyage à Cythère«
auf dem Mittelmeer der abendländischen
Kunstmusik.
Das diesjährige musikfest berlin ist insbesondere
dem Oeuvre von Pierre Boulez
gewidmet, dem Luciano Berio ein naher
Komponistenkollege war. Ein halbes Jahr
nach seinem 85. Geburtstag im März wird
hier in Berlin ein umfänglicher Ausschnitt
aus dem Katalog seiner Chef d’Oeuvres präsentiert
– ein Programm gewordener Ausdruck
der Wertschätzung und Bewunderung
seiner Werke und der Freude über
seine Beteiligung als Dirigent beim musikfest
berlin 10. Wie Berio ist Boulez seit frühen
Jahren schon von außereuropäischer
Musik fasziniert.
Aber anders als bei Berio kennt seine Musik
nicht das objet trouvé, nicht das Zitat und
die Transkription. Was sein kompositorisches
Interesse findet – sei es Webern, Strawinsky,
Berg oder Mahler, Musik aus Bali,
Japan oder Zentralafrika, der Klang der
Steeldrums aus Trinidad oder der Harfen
indianischer Bauern in den peruanischen
Anden –, wird in seinem Werk in ein unverbrüchlich
Eigenes verwandelt und in ein
höheres Allgemeines überführt.
Boulez’ Oeuvre steht für die Jahrhundertbegegnung
von Dichtung und Musik, einer
einzigartigen Synthese von Ton und Wort,
Pierre Boulez. Foto: Philppe Gontier
6
journal musikfest berlin
die weit aus ihrer Epoche herausragt. Sie
ist die Entfaltung einer musikalisch-poetischen
Idee, die der Maître der französischen
Dichtkunst, Stéphane Mallarmé,
1895 hermetisch formulierte, ohne die
Früchte voraussagen zu können, die ein halbes
Jahrhundert später aus diesem Setzling
hervorgehen sollten: »Ich setze ästhetisch
auf meine Gefahr diese Schlussfolgerung:
dass Musik und Literatur die wechselnde,
hier zum Dunkeln gekehrte, dort mit
Gewissheit funkelnde Seite des einen Phänomens
sind, ich nannte es die Idee. Jede
dieser Erscheinungen neigt sich zur anderen
und geht, nachdem sie in ihr verschwunden,
mit Anleihen wieder aus ihr hervor:
zweimal vollendet sich im Oszillieren eine
Gattung in ihrer Ganzheit.«
Die Begegnung von Dichtung und Musik
müsse ein »neues irdisches Abenteuer«
(René Char) auslösen, das »Phonem aufsprühen
lassen« und »den schöpferischen
Rauschzustand organisieren« (organiser
le délire), wie Boulez es nannte. Nur selten
in den hiesigen Konzertsälen zu Gehör
gebracht, präsentiert das musikfest berlin 10
die epochalen kompositorischen Synthesen,
die Werk gewordenen Zeugnisse dieses
musikalischen Abenteuers der kreativen
Begegnung mit dem dichterischen
Werk von René Char und Stéphane Mallarmé:
die großformatigen Kantaten Le
Soleil des eaux und Le Visage nuptial, den
exotischen Diamanten Le Marteau sans
maître und den abendfüllenden Zyklus
Pli selon pli, jenes geheimnisvolle »dunkle
Antlitz auf dem Grund schimmernder
Oberflächen« (Wolfgang Rihm).
Wir freuen uns, dass für das elf Veranstaltungen
umfassende Boulez-Porträt auch all
diejenigen Dirigenten ihre Mitwirkung
zugesagt haben, die als musikalische Leiter
durch die mehrjährige Arbeit mit dem von
Pierre Boulez 1976 gegründeten Ensemble
intercontemporain geprägt wurden und nun
ihrerseits das internationale Musikleben
maßgeblich gestalten: Peter Eötvös, der
1978 als direkter Nachfolger von Pierre
Boulez die Ensembleleitung übernahm,
David Robertson, Jonathan Nott und
die heute amtierende Leiterin Susanna
Mälkki, an die seither die traditionsbildende
Staffel weitergereicht wurde. Mit
dabei sind auch die deutschen Pendants,
die in der Nachfolge und orientiert am französischen
Erfolgsmodell gegründet wurden:
das Ensemble Modern und die musik-
Fabrik. Beide Ensembles präsentieren sich
mit Programmen, die den Klangkörper
über das kammerorchestrale Format hinaus
entgrenzen. Das ist generell ein Kennzeichen
der Orchester- und Ensembleprogramme
der diesjährigen Ausgabe des
musikfest berlin: dass in den Programmen
die Klangkörper sowohl expandieren als
auch zu Gruppen und Solistenformationen
sich verschlanken.
Das Modell für diese Programmkonzeption
ist wiederum Boulez’ epochalem Meisterwerk
des 20. Jahrhunderts Pli selon pli
geschuldet, das den ganzen Fächer der
Möglichkeiten der Expansion und Kontraktion
des Klangkörpers ›Falte um Falte‹
in einem Werk durchmisst.
Am Vorabend zum Eröffnungskonzert
widmet sich das Keller Quartett der vollständigen
und abendfüllenden Aufführung
von Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge,
jenem solitären »Livre« freigesetzter und
sich entfaltender Polyphonie, in dem der
26-jährige Komponist Pierre Boulez ein
Paradigma des organisierten musikalischen
Deliriums gesehen hat: Bach als
Kraftmoment ließ Boulez den Titel seines
französischen Essays Moment de Jean-Sébastien
Bach später für die deutschen Leser
übersetzen.
Die ausführliche Programmbroschüre steht im Internet
zum Download bereit: www.musikfest-berlin.de
37 world-class soloists, 27 choirs, ensembles
and orchestras drawn from the cream of the
international musical crop – along with the
orchestral flagships harboured in the German
capital: presenting in the course of 20 days, at
Berlin’s Philharmonie and its Chamber Music
Hall, in the Parochialkirche and the Gethsemanekirche,
and at the Konzerthaus at the
Gendarmenmarkt, 24 events featuring over 60
works by some 25 different composers. The dual
focal point of these programmes: works by
Pierre Boulez and Luciano Berio.
musikfest berlin 10
pour Pierre Boulez
After last year’s look at the darker side of the
“age of extremes”, musikfest berlin 10 takes
its cue from a line by the poet Stéphane Mallarmé
– “the virginal, lively and lovely
today” – which Pierre Boulez set to music
so inimitably in Pli selon pli, that unique
20th-century gesture of musical “folding”
with which, in 1958, the year it was composed,
Olivier Messiaen referred to the inalienable
right of each new generation to
shape its own day and age.
It was Charles Baudelaire who, while poetically
describing a ship in his diary, also
depicted the shape and idea of an orchestral
body: “I think the infinite and mysterious
charm that lies in contemplating a ship,
above all a ship in motion, is derived, in the
first place, from its regularity and symmetry,
which are among the primordial needs
of the human spirit, and to the same extent
as complexity and harmony; and in the
latter case, of motion, to the continual generation
and multiplication of all the imaginary
curves and figures produced in space
by the object’s real elements. The poetic
idea which arises from this process of linear
motion is the concept of some vast being,
immense, complex, but rhythmic; a creature
full of genius, suffering and sighing
with every human ambition.”
Luciano Berio, one of the two central composers
of this year’s festival programme,
Luciano Berio. Foto: Eric Marinitsch_Universal Edition
dreamt as a boy of being a captain and sailing
his own ship out to sea. The dream
became a reality, but a musical one. Music
became his seven seas, a lifelong odyssey on
which – stimulated by the anthropological
writings of Claude Lévi-Strauss, the ethnomusicological
field research of Simha Aron,
and the linguistics of Roman Jakobson – the
folk music traditions of Italy, France, Armenia
and the former Yugoslavia, as well as
African and Native American tribal cultures,
found access into his works in quoted,
phonographic, transcribed or newly composed
form. The Italian composer’s works
being performed at musikfest berlin 10 are
log-books reporting these musical world
travels: Folk Songs, the viola concerto Voci,
the oratorio-cum-madrigal Coro, the intimate
tribute to Sicilian song Naturale and,
finally, the Sinfonia dedicated to Leonard
Bernstein, Berio’s “Voyage à Cythère”
on the Mediterranean Sea of western art
music.
This year’s musikfest berlin is dedicated
especially to the oeuvre of Pierre Boulez, a
fellow composer close to Luciano Berio. Six
months after his 85th birthday in March, an
extensive selection from the catalogue of
Boulez’s masterpieces will be presented
here in Berlin – a programme expressing
appreciation and admiration for his works
as well as delight in his participation as a
conductor at musikfest berlin 10. Like Berio,
Boulez has been fascinated since early in his
career by non-European music. But unlike
his Italian colleague, his music has nothing
to do with the objet trouvé, with quotation
or transcription. What interests him as a
composer – whether it be Webern, Stravinsky,
Berg or Mahler, music from Bali, Japan
or central Africa, the sound of pans (steel
drums) from Trinidad or the harps of indigenous
farmers in the Peruvian Andes – is
transformed in his work into something
unequivocally his own and translated to a
higher plane of universality.
Boulez’s oeuvre represents a singular meeting
of poetry and music, a unique synthesis
of word and tone that stands out from
other artistic products of its period. It is
the realization of a musical-poetical idea
her-metically formulated by the maître of
French poetry Stéphane Mallarmé, though
he could not have predicted the fruit that
would grow from this seedling half a century
later: “I suggest,” Mallarmé declared
in a lecture given in England in 1895, “at the
risk of my aesthetic reputation, the following
conclusion: that Music and Letters
are alternating faces – one spreading here
into the darkness, the other glittering there
with certainty – of a single phenomenon.
I called it the Idea. One of these modes inclines
toward the other and disappears into
it, only to reappear with borrowed riches:
by this double oscillation a whole genre
is achieved.” The encounter between poetry
and music must create a “new terres-
trial adventure” (René Char) or, as Boulez
once put it, “spurting out a phoneme in an
attempt to organize delirium”.
musikfest berlin 10 will offer his epoch-making
compositional syntheses, rarely heard
in local concert halls, an oeuvre embodying
that terrestrial adventure of Boulez’s
creative encounter with the poetical work
of René Char and Stéphane Mallarmé: the
large-scale cantatas Le Soleil des eaux
and Le Visage nuptial, the exotic gem
Le Marteau sans maître and the concertlength
cycle Pli selon pli, that mysterious
“dark visage beneath shimmering surfaces”
(Wolfgang Rihm).
We are pleased that, for the eleven events
comprising this comprehensive Boulez portrait,
all those conductors have agreed to
take part who have been influenced by their
years as music directors of the Ensemble
intercontemporain founded in 1976 by Pierre
Boulez and who now, in turn, are materially
influencing international musical life: Peter
Eötvös, Boulez’s direct successor with the
ensemble in 1978, as well as David Robert-
journal musikfest berlin 7
son, Jonathan Nott and the current director,
Susanna Mälkki, to whom the tradition-forming
baton has been passed since
then. Also on hand will be the German
counterparts founded subsequently with
an orientation to the successful French
model: Ensemble Modern and musikFabrik.
Both of those ensembles are presenting programmes
that swell their numbers to chamber
orchestral and larger dimensions.
That’s a general indication of the orchestral
and ensemble programmes of this year’s
edition of musikfest berlin: musical bodies
growing as well as downsizing into groups
or solo formations. The model for this programming
conception once again is Boulez’s
epochmaking masterpiece of the 20th
century, Pli selon pli, which encompasses
within a single work the whole range of possibilities
for expanding and contracting an
ensemble, “fold by fold”.
On the eve of the festival, the Keller Quartet
will devote their entire concert to a complete
performance of Johann Sebastian
Bach’s Art of Fugue, that solitary “Livre” of
freely unfolding polyphony in which the 26year-old
composer Pierre Boulez discerned
a paradigm of organized musical delirium,
of creative frenzy, in his 1951 essay Moment
de Jean-Sébastien Bach (“A Time for Johann
Sebastian Bach”).
The detailed program brochure is available online for
download: www.berlinerfestspiele.de
New York State, Foto: Ken Josephson, 1970
Pierre Boulez, Foto: Werner Neumeister, 1964
Schöne Ferne:
vom Archaischen und Artifiziellen
April 1996. Basel. Die Paul Sacher Stiftung,
das internationale Forschungszentrum
für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts,
hat zum Symposium geladen. Es
geht um Die klassizistische Moderne in der
Musik des 20. Jahrhunderts. Das Thema
wird die Musik reflektierende Welt noch
öfter beschäftigen. Auf dem Podium einer
Diskussionsveranstaltung, die Reinhold
Brinkmann, Doyen reflektierender Musikerkenntnis,
moderiert, nimmt eine illustre
Auswahl von Komponisten aus mehreren
Generationen, von der ganz alten bis zur
nicht mehr ganz jungen, Platz. Unter ihnen
musikfest berlin10: Boulez, Berio, Strawinsky
Diese schönen, großen Schiffe, die sich unmerklich wiegen auf den stillen Gewässern; diese
festgebauten Schiffe in ihrer Ungeschäftigkeit und ihrem Fernweh, sprechen sie nicht in einer
stummen Sprache zu uns: Wann fahren wir aus nach dem Glück? [Charles Baudelaire]
Luciano Berio und Pierre Boulez, beide
Jahrgang 1925 und beide durch zahlreiche
Begegnungen, vielfältige Zusammenarbeit
und gegenseitige Werkwidmungen freundschaftlich
verbunden. Zwischen ihnen entspinnt
sich eine Kontroverse. Sie betrifft
den Kronzeugen für das Kongressthema,
Igor Strawinsky; genauer gesagt: eine Partitur
von ihm, Agon, ein abstraktes Ballett.
Pure Musik, pure Bewegung, reine Kommunikation
zwischen den Künsten, die seit
Urzeiten zusammengehören. Ohne externe
Bedeutung, zeitkritische, mythologische
oder was sonst für einen Fingerzeig aus
journal musikfest berlin 9
der Musik heraus in Frage käme. Einfach
nur die Sache selbst.
Für beide, Berio und Boulez, war Strawinsky
wichtig. Von ihm bezogen sie in jungen
Jahren entscheidende Anschubenergien
für den Komponistenberuf. Über Agon, das
Spätwerk, das Strawinsky immerhin drei
Jahre lang beschäftigte, wurden sie sich
nicht einig. Berio pries es als »ein sehr bedeutendes
Werk, denn sein Thema ist
nichts anderes als ein Ausschnitt aus der
Musikgeschichte bis zu Webern (via Strawinsky)
und wieder zurück.« Boulez wollte
den Reiz der »kühnen Rundreise durch die
10
journal musikfest berlin
Geschichte« nicht bestätigen; er lobte die
»Selbstreinigung«, die Strawinsky in diesem
Werk vollziehe: »Er steckte sich selbst
gleichsam in ein Säurebad, und man sieht
nun das Skelett. Das mag ich. Ich sehe gern
die Knochen, weil das die Wahrheit über
den Körper sagt.«
Das Rohe und das Gekochte
Fahrt durch die Geschichte contra Musik-
Skelett – die Unterschiede im Urteil sagen
über die Urteilenden mindestens ebenso
viel wie über das Beurteilte. Die Beurteilenden
– Berio und Boulez – stehen bei diesem
musikfest im Brennpunkt des Programms.
Der Beurteilte, Strawinsky, die gemeinsame
und doch kontroverse Urerfahrung
künstlerischen Aufbruchs, stellt wie ein
Vermessungspunkt von außen die Werke
der Hauptpersonen in höchst aufschlussreiche
Koordinaten. Denn Strawinskys
Name steht musikalisch keineswegs für ein
geschlossenes System. Strawinsky, das ist
der ästhetisch ausgelebte Gegensatz zwischen
widerstrebenden Tendenzen eines
Jahrhunderts (und das waren etliche). Strawinsky
mobilisiert Urkräfte, mythisch,
rhythmisch, gestisch, physisch; er integriert
alte volkstümliche Überlieferungen,
die im europäischen Westen nie angekommen
oder längst verschüttet waren; er spielt
das Spiel mit den klassischen Traditionen,
mit ihren Formen, ihren Denkweisen,
ihren Formeln und Redensarten, bis hin zu
fertigen Stücken, die aus leicht schräger
Perspektive betrachtet und dadurch für die
Wahrnehmung aus ihrer quasi rechtwinkligen
Klang- und Förmlichkeit gerückt werden.
Hin und wieder gönnt er sich und
seinen Hörern auch ein wenig Reihenakrobatik.
Bei ihm findet sich beides: der Drang
zum Elementaren und die Neigung zum
Verfeinerten, chaotische Urgewalt und
geometrische Abstraktion, kurz das, was
Claude Lévi-Strauss in seinen Betrachtungen
der Mythengeschichte als Widerspruch
und Spannung zwischen Rohem
und Gekochtem, zwischen Natur und Kultur
beschrieb.
Der Philosoph und Ethnologe sah im Übrigen
eine enge Verwandtschaft zwischen
Musik und Mythen. Beide seien »Sprachen,
die jede auf ihre Weise die artikulierte
Sprache überschreiten und dennoch wie
jene eine zeitliche Dimension erfordern,
um sich zu offenbaren.« In Strawinskys
Werk liegen diese Spannungen, liegt auch
das Gegeneinander von Archaischem und
Artifiziellem offen. Nicht im einzelnen
Werk, aber im Streifzug durch das Oeuvre
und seine Zeitschichten.
Boulez, Strawinsky und die Dichter
Besieht man Boulez’ und Berios Werke aus
dem Blickwinkel des dritten im Bunde,
Un coup de dés – ein Würfelwurf
Pierre Boulez und Igor Strawinsky
dann tun sich unerwartete Perspektiven
auf. Was schätzt Boulez an Strawinsky?
Agon nicht, auch die meisten Werke der
Zwischenkriegszeit, in der Strawinsky auf
Paris fokussiert war, nicht. Dagegen den
Sacre du printemps, den Feuervogel, Renard,
Les Noces, Le Rossignol – alles Stücke, die
durch Mythen, Märchen oder uralte Volkserzählungen
inspiriert sind. Doch unter
den Texten und Titeln, die Boulez für seine
eigenen Kompositionen wählte, finden sich
keine Mythen und Sagen, obwohl diese
Botschaften aus den Urschichten menschlicher
Weltsicht und Selbstfindung die
Künste des 20. Jahrhunderts auf Schritt
und Tritt begleiteten und beflügelten.
Pierre Boulez’ Dichter heißen Stéphane
Mallarmé (1842 – 1898), René Char (1907
– 1988) und E. E. Cummings (1894 –
1962), alle hochsensible Stilisten und
Skulpteure der Sprache. Vor allem Mallarmé.
Er sehnte sich danach, die Sprache
in Konfigurationen der Musik zu gestalten,
Poesie wie eine Partitur zu schreiben, in der
sich Haupt- und Nebenmotive, simultaner
Klang und erregende Gedankenfolgen zu
unerhörter Gestalt zusammenfügen. Deshalb
sind Boulez’ Portraits de Mallarmé,
mit denen der lange Entstehungsprozess
von Pli selon pli begann, und die nun einen
Ideenweg in diesem großen Werk bilden,
auch Studien darüber, wie die Sprache zur
Musik drängt und wie sich die Musik wiederum
von jener die Dynamik und die Verästelungen
ihres eigenen Flusses bahnen
Igor Strawinsky, um1925
12
journal musikfest berlin
lässt. Noch einmal: Mit Mythen, Märchen,
Sagen hat das alles nichts zu tun. Aber mit
dem, was Mallarmé am Anfang seiner Ketzereien,
die Kunst betreffend schrieb: »Alles
Heilige und was heilig bleiben will, hüllt
sich in Mysterium. Die Religionen verschanzen
sich hinter Geheimnissen, die
sich allein dem Auserwählten offenbaren:
die Kunst hat die ihren. Ein Beispiel bietet
uns die Musik. Schlagen wir, aufs Geratewohl,
Mozart, Beethoven oder Wagner auf,
werfen wir einen gleichgültigen Blick auf
die erste Seite ihres Werkes – ein religiöses
Erstaunen überkommt uns beim Anblick
dieser makabren Prozession von strengen,
keuschen, unbekannten Zeichen. … Ich
frage mich oft, warum dieses unabdingbare
Merkmal einer einzigen Kunst, der größten,
vorenthalten wurde. […] Ich spreche
von der Poesie.« Mit Un coup de dés (Ein
Würfelwurf ) tat er einen Schritt zur Behebung
des empfundenen Mangels. Diese
Dichtung, die Boulez immer wieder las,
wurde für den Komponisten zum Vorbild
für die Auffächerung musikalischer Ideen
in einem Werk oder in einer ganzen Fortsetzungsgeschichte
von Werken. Bei Boulez
entwickelt das Material – das nie rohes,
sondern immer schon subjektiv geformtes
ist – eine eigene Historizität, Geschichte in
der Geschichte.
An René Chars Dichtungen beeindruckten
ihn weniger die Bilder der provenzalischen
Natur, die sie durchziehen, sondern
wiederum das, was durch die Sprache geschieht.
Ganz bedeutungslos scheint allerdings
jene Landschaft nicht, die Char als
die seine erlebte und in der sich auch Boulez
einen Wohnsitz errichtete. Sein Haus in der
Haute Provence mit der besonderen Konstruktion
und Durchlichtung (auch hier
spielen, wie in seiner Musik, »architecture«
und «écriture«, Raum und Lichtbewegung
zusammen) steht, anders als die traditionellen
Bauten der Region, auf dem Berg. Von
dort blickt man über eine Gegend, die voller
Geschichte, auch mythischer Geschichte
ist. Man muss sie nicht aufrufen, sie ist da,
in der Atmosphäre, schwingt mit in Chars
Poesie – das macht jenseits von Versmaßen
und Rhythmen erzählerischer Erregung
die Musikalität dieser Dichtung aus. Nicht
zufällig gehen die Kompositionen nach
René Char dem großen Mallarmé-Zyklus
voraus. Nicht zufällig entfaltet sich in ihnen
die spontane Schönheit des Gesangs – ob
mit einer Stimme ganz allein oder im Chor –
in ihrer sinnlichen Fülle.
Berio, Strawinsky und ferne Kulturen
Im Gegensatz zu Pierre Boulez komponierte
Luciano Berio durchaus mit Rohmaterial.
In der Werkgruppe, die man unter
dem Stichwort Folk Songs zusammenfassen
kann, und die beim musikfest berlin 10 einen
Schwerpunkt bildet, verwendete Berio tra-
ditionelle Musik von allen Kontinenten,
teils in ihrer unmittelbaren Gestalt, teils
bearbeitet, teils als Anregung für das
Eigene. Als Moment einer musikalischen
Komposition bleibt das Zitierte nicht länger
nur Rohmaterial, es wird, wenn nicht
»gekocht«, so doch wenigstens «gedünstet«.
Aus diesem Material aber entsteht für
europäische Ohren zugleich etwas höchst
Artifizielles, in seiner Fremdheit Faszinierendes,
aber keineswegs Einfaches.
An Strawinsky dagegen schätzte Berio ausgerechnet
ein abstraktes Werk, das eine
Verbindung zu den Urschichten menschlicher
Musikausübung absolut nicht erkennen
lässt. Der kommunizierende Gang
liegt auch hier eine Schicht tiefer. Berio hob
den »synthetischen Weg durch die Geschichte«
an Strawinskys Agon hervor. Einen
ähnlichen Weg ging er selbst mit seiner
Sinfonia – hin zu Gustav Mahler und wieder
zurück in die ästhetische Gegenwart der
1980er Jahre. In beiden Fällen handelt es
sich um kompositorische Annäherungen
an etwas Fremdes, mehr oder weniger weit
Entlegenes. Der Drang in die Ferne aber
hat in den Künsten wenigstens zwei
Dimensionen: Er treibt in andere Länder
und in andere Zeiten. Berio, der an der ligurischen
Mittelmeerküste aufwuchs und als
Jugendlicher Kapitän werden und im eigenen
Schiff zur See fahren wollte, hat diesen
Drang in beide Richtungen verwirklicht
und dabei auch das Fremde im eigenen
Foto: Anonym, 1960er Jahre
Umkreis entdeckt. Auch Boulez schätzte
die außereuropäischen Kulturen, gar als
»Gegengift zur europäischen«. Er lernte sie
bereits am Konservatorium kennen. In
Klangbildern und -schatten sind sie in seinen
Werken gegenwärtig, etwa im Marteau
sans maître, aber nie in ihrer Unmittelbarkeit,
nie im Rohzustand, sondern stets
durch den Prozess der subjektiven Aneignung
verwandelt. Live-Aufnahmen von
sizilianischen Märkten, wie Luciano Berio
sie in Naturale vom Band einspielen lässt,
hätte Pierre Boulez nie verwendet.
Beide, Boulez und Berio, fühlen sich in Strawinskys
Werken vor allem von dem angezogen,
was ihr eigenes Komponieren vordergründig
nicht bestimmt. Sie suchen in den
Generationen vor ihnen nicht die Bestätigung
des Eigenen, sondern die Herausforderung
durch das Andere. Und doch bilden
sich in einer tieferen Schicht deutliche
gedankliche Korrespondenzen. Die wirklich
interessanten Verhältnisse in der Musik
lassen sich nicht einlinig verstehen. Das
Rohe, Ursprüngliche und das kulturell Verarbeitete
und Verfeinerte treten sich nicht
in Reinform gegenüber. Und doch wirken
sie als Polarität, als beständige kulturelle
Kraft, oft mit nicht vorhersehbaren Resultaten.
Ausstrahlungen
Im Kraftfeld von Berio und Boulez rücken
auch bei anderen Komponisten unvermutete
Aspekte in den Vordergrund. Richard
Strauss erscheint bei diesem musikfest berlin
nicht mit seinen symphonischen Dichtungen,
diesen Glanzstücken orchestaler Virtuosität
und drastischer Klangschilderungen,
sondern einmal mit dem wehmütigen
Rückblick, der in der Geschichte den Code
zur eigenen Melancholie findet. Die Metamorphosen
sind die Trauergondel, auf welcher
der greise Strauss in die große Epoche
der Klassik zurückfindet. Ein Solitär in seinem
Oeuvre ist das Opus 60, Arrangements
alter französischer Intraden und Tänze aus
der Zeit des Sonnenkönigs und seiner
Nachfolger. Noch ehe Strawinsky den
Klassiker seiner neoklassizistischen Werke
schrieb, die Musik zur Tanzkomödie
Pulcinella, stellte Strauss seine Musik zu
Molières Bürger als Edelmann zusammen,
klein besetzt, gekonnt gesetzt, ein echter
Strauss in historischem Kostüm und
Maske.
Die »Rauheit der Stimme« (Roland Barthes),
in der die Morphologie einer Kultur
zur Klangfarbe wird, klingt nicht nur
aus Berios Naturale, sondern auch in Xenakis’
N’Shima, dessen Gesangspartien einen
Grundklang mittelmeerischer Kulturen
aufscheinen lassen. Und sie erscheint in einer
Musik, die schon ihrer geschichtlichen
Klassifizierung nach als Artifizielles
schlechthin gilt: in der Ars subtilior des
14. Jahrhunderts. Sie bewahrt jedoch in
ihrer differenzierten Gestalt doch ein Bewusstsein
dessen, dass wir das Eigentümliche
einer Sache nicht an seiner Glätte, sondern
an seiner Rauheit spüren.
Wie eine verborgene Linie aber zieht
sich eine Werkgruppe durch das musikfest
berlin. Sie führt auf Pierre Boulez zu:
Widmungen. Strawinsky schrieb seine
Bläsersymphonien im Gedenken an Claude
Debussy. Sie klingen wie eine Entgegnung.
In …explosante-fixe…, Boulez’ Widmung
an Strawinsky, wird der solchermaßen
Geehrte verschlüsselt zitiert. Peter
Eötvös spielt mit seiner Widmung an Boulez
mit der Wurzel ihrer beider Vornamen:
Pierre – Peter – Petros bedeutet Stein; der
Titel von Pli selon pli ist einer Gedichtzeile
entnommen, in der davon die Rede ist, dass
ein »Stein sich Falte und Falte enthülle«; mit
dem Anfangsakkord des großen Mallarmé-
Werkes setzt Eötvös’ Widmungskomposition
ein. Und Henri Pousseur eignete
Boulez ein wahres Kaleidoskop über die
Geschichte musikalischen Klingens zu.
Das musikfest berlin 10 ist eine Hommage
an Pierre Boulez. Das Programm entwikkelt
sich ähnlich, wie er es einmal vom Weg
einer musikalischen Idee schilderte: Sie
wächst, erweitert sich, zieht Verästelungen,
die sich wiederum verselbständigen.
Das musikfest beginnt klassisch, wie das
große Welttheater, mit einem Vorspiel im
Himmel, über dessen Portal zur Musikabteilung
angeblich die vier Buchstaben
B-A-C-H stehen. [Habakuk Traber]
journal musikfest berlin 13
Eröffnung musikfest berlin 10
_Do 2. September
BACH ALS KRAFTMOMENT
J. S. Bach: Die Kunst der Fuge
Keller Quartett
_Fr 3. September
ERÖFFNUNGSKONZERT
Berio: Folk Songs
Berio: Sinfonia
Berlioz: Harold en Italie
London Symphony Orchestra
Synergy Vocals, Kelley O’Connor
Tabea Zimmermann
Daniel Harding
_Sa 4. September
BOULEZ & RENÉ CHAR I
Boulez: Le Soleil des eaux
Berg: Kammerkonzert
Boulez: Première Sonate
Boulez: Le Visage nuptial
SWR Sinfonieorchester
SWR Vokalensemble Stuttgart
RIAS Kammerchor, NDR Chor
Laura Aikin, Lani Poulson
Pierre-Laurent Aimard
Thomas Zehetmair
Susanna Mälkki
_So 5. September
QUATRE DÉDICACES
Strawinsky: Symphonies d’instruments à vent
Bartók: Musik für Saiteninstrumente,
Schlagzeug und Celesta
Berio: Quatre dédicaces Deutsche Erstaufführung
Strawinsky: Der Feuervogel
Concertgebouworkest Amsterdam
Mariss Jansons
Pierre Boulez bei Proben, Fotos: Erich Auerbach,1967
14
journal musikfest berlin
…explosante-fixe…
Pierre Boulez beim musikfest berlin10
Aus Kämpfen erwächst Ruhm. Pierre Boulez’
erste veröffentlichte Werke, die er in seinen frühen
Zwanzigern schrieb, sind oft unmäßig,
heftig, sogar wild. Sie stammen aus einer
Schaffensperiode als er, wie sich sein Lehrer
Olivier Messiaen erinnerte, »rebellisch gegen
alles« war. Ziemlich bald jedoch wirbelte seine
Musik funkelnd umher in einem neuen Reich,
das Boulez entdeckt hatte, ein Reich einzigartiger
und faszinierender Schönheit. Die Gewalttätigkeit
nahm rapide ab, vielleicht aber
schob sie sich auch nur unter die Oberfläche,
eine Oberfläche aus glitzerndem Klang, aus
Überschwang, der auch ruhige Momente zulässt,
und von erfrischender formaler Freiheit.
Der Wandel in Boulez’ Werk ist nur teilweise
in den Kategorien der gewöhnlichen
Entwicklung eines Menschen von jugendlicher
Rebellion zur ausgeglichenen Reife zu
erklären. Er hörte nie auf, ein Rebell zu
sein, verlegte aber seine Rebellion aus den
Pariser Cafés in die internationalen Konzertsäle.
Statt sich dem Status Quo zu beugen,
begann er, ihn zu verändern, nicht nur
mit den Werken, die er komponierte, sondern
auch als Dirigent. Als er noch in seinen
Dreißigern war, trat er regelmäßig mit
vielen der großen europäischen Orchester
auf und präsentierte eine neue Art der
Repertoirepflege. Die Werkauswahl, die er
vor fast genau einem halben Jahrhundert
bei seinem Debüt mit den Berliner Philharmonikern
traf, ist typisch: drei Teile seines
brillanten Mallarmé-Zyklus Pli selon pli,
gefolgt von Weberns 6 Stücke op. 6 und Debussys
Ibéria. Das war ein Konzertprogramm,
das auch gut zum diesjährigen
musikfest berlin passen würde, eines jener
Programme, wie sie Boulez in unermüdlichem
Einsatz während der 1960er Jahre als
maßgeblicher Akteur zur Norm machte.
Indem er die Musik seiner Vorgänger –
Berg und Bartók, Schönberg und Strawinsky,
Varèse und Messiaen, sowie Debussy
und Webern – präsentierte, schuf er ein
Umfeld für seine eigenen Werke und für die
seiner Zeitgenossen, darunter vor allem
der Musik Luciano Berios. Indem er die
Tradition neu definierte, eröffnete er neue
Wege. Und nachdem er den Musikkosmos
seinen eigenen Bedürfnissen angepasst
hatte, konnte er ein wenig entspannter sein
– es sah allerdings nicht nach Entspannung
aus, als er in seinen späten Vierzigern an der
Spitze zweier großer Orchester diesseits
und jenseits des Atlantiks stand, des BBC
Symphony Orchestra und der New Yorker
Philharmoniker.
Diese Leistung erforderte jenes außerordentliche
Stehvermögen und jene Entschlossenheit,
über die Boulez während seiner
gesamten Karriere verfügte. Als er mit
siebzehn Jahren eine Aufführung von Strawinskys
Le Chant du Rossignol aus der
Schweiz im Radio hörte, folgte er dem
Impuls, sich professionell der Musik zu
widmen, und brach aus dem von der Familie
für ihn vorgesehenen Lebensentwurf
aus, als zukünftiger Industrieller in die Fußstapfen
seines Vaters zu treten. (Passend
dazu wird Strawinskys Komposition in
der Opernfassung Le Rossignol beim diesjährigen
musikfest berlin zusammen mit
…explosante-fixe… aufgeführt, einem Werk,
das Boulez fünfzig Jahre später als Hommage
an Strawinsky komponierte.) In Paris
angekommen, schrieb sich Boulez am Conservatoire
ein und wurde einer der ersten
Schüler Messiaens. Er revoltierte zwar bereits,
erkannte aber, dass er eine Menge von
Messiaen lernen konnte, keineswegs nur
den Kanon der westlichen Tradition, denn
Messiaen behandelte in seinem Unterricht
auch die Musik Indiens, Südamerikas, aus
Fernost und der griechischen Antike. In
den 1940ern war Paris auch die Heimat
journal musikfest berlin 15
anderer Visionäre: Hier lebten René Leibowitz,
der Verkünder der Reihentechnik,
Iwan Wyschnegradsky, ein Exilrusse, der
sich mit Mikrotonalität beschäftigte, und
Pierre Schaeffer, der die ersten Beispiele
der musique concrète schuf, einer Musik,
die aus künstlerisch umgewandelten Aufnahmen
von Alltagsklängen und Instrumentalklängen
entsteht. Boulez machte
alle diese Künstler ausfindig und absorbierte
alles, was er brauchen konnte. Die
Quellen waren vielfältig, doch für ihn waren
widerstrebende Kräfte notwendig, ja sogar
eine Freude. Aus dem Zusammenprall zwischen
der Musik Messiaens und Schönbergs
entstanden Boulez’ frühe Klavierwerke:
Eine Werkgruppe von zwölf Notations,
1945 geschrieben (er war gerade
zwanzig), gefolgt von zwei Sonaten, deren
zweite (1947-48) sich in ihren Dimensionen
und ihrer Rhetorik an Beethovens
Hammerklaviersonate heranwagt. Die zwei
großen Vokalwerke aus dieser Zeit, Le
Visage nuptial und Le Soleil des eaux, bieten
Konflikte zwischen Freiheit und Beschränkung,
Natur und Erschaffenem, Fest und
Protest, dem Weiblichen und Männlichen
– und auch zwischen Worten und Musik,
da die überaus stürmische Poesie von René
Char zum Gesang geführt wird.
Weiterer Zwist ergibt sich hier zwischen
leidenschaftlicher Sinnlichkeit und den
strengen Lehren der Reihentechnik, die
Boulez nun auf andere Parameter als nur
die Tonhöhen anwendete, nämlich auf den
Rhythmus und die Dynamik. Das Ergebnis
ist ein beständiger Aufruhr. Daraus
spricht eine Musik, die sich in einer Art
Trance zu befinden scheint. Antonin
Artaud lieferte ein Modell, aber Char war
der vom Komponisten ausgewählte Dichter,
zu dem er in Le Marteau sans maître
zurückkehrte. Das Werk, das 1955 uraufgeführt
wurde, hatte sofort den Rang eines
Meilensteins – dies wurde nicht zuletzt von
Strawinsky so gesehen, der die Partitur mit
großem Interesse studierte. Die Besetzung
mit Flöte, Bratsche und Gitarre sowie drei
Schlagzeugen brachte eine neue Klangwelt
in die westliche Musik, Echos aus anderen
Kulturen, afrikanische Marimbas und balinesische
Metallophone. Le Marteau sans
16
journal musikfest berlin
maître ist ein Liederzyklus, in dem sich
die Stimme zurückzieht (sie ist nur in vier
von neun Sätzen präsent), um dem Instrumentalensemble
Raum zu geben. Das
Werk hat eine merkwürdige Musiksprache,
nämlich die eines fortentwickelten
Serialismus, drängend und bezwingend im
Ausdrucksgestus, mit gleichzeitig verwirrender
und präziser, hypnotischer und eindringlicher
Wirkung.
Mit der Weiterentwicklung seiner Kompositionstechnik
und seines handwerklichen
Könnens hatte Pierre Boulez den Eindruck,
er müsse viele seiner früheren Komposition
überarbeiten (allerdings nicht die
zweite Sonate oder Le Marteau, die Zeug-
nisse seiner rastlosen Jugendjahre). Der
Drang zum Überarbeiten wurde zur Gewohnheit.
Wandlungsfähigkeit war ebenfalls
eine ästhetische Entscheidung. Beeinflusst
durch die mehrfache Lektüre von
Mallarmés Wortpartitur Un coup de dés
begann Boulez, Methoden zu entwickeln,
mit deren Hilfe das in der Partitur Niedergeschriebene
unbegrenzten Möglichkeiten
des Ordnens und der Steuerung unterworfen
wurde. Auf diese Weise ist jede Aufführung
jeweils nur ein Bild eines Kaleidoskops.
Dem strengen ersten Buch der
Structures für zwei Klaviere fügte er ein
zweites (1956-1961) hinzu, das vielfältige
Ausdeutungen zuließ. Gleichzeitig begann
er, ein großformatiges Werk für Sopran
und Orchester auf Gedichte und Textfragmente
von Mallarmé zu entwickeln,
Pli selon pli, ein Projekt, an dem er bis in
die 1980er Jahre arbeitete. Ein weiteres
Werk, das er während seiner äußerst kreativen
frühen Dreißiger angefangen hatte, die
kraftvolle Orchestererforschung Figures-
Doubles-Prismes, wuchs allmählich weiter
an und ist in seinen Möglichkeiten schier
endlos.
Viele der Werke von Boulez existierten
über Jahre in einer Art kritischem Zustand
und wurden weiterentwickelt, überarbeitet
– oder zurückgezogen. Eine Aura des Unvollendeten
umgibt seine Werke wie ein
glitzernder Nebel. Für Boulez ist gerade
das seine Antwort auf eine neue musikalische
Sprache: Wenn Tonalität aufgrund
der Schlusskadenz die Bewegung zu einem
Ziel bedeutet, öffnet die serielle Musik »ein
Universum in ständiger Ausbreitung«.
Man könnte den schwebenden, fließenden,
sausenden Zickzackgang seiner Musik
auch als eine Abkehr von westlicher Linearität
hin zum Oszillieren und zur Mehrdeutigkeit
Asiens betrachten. Eine Tendenz,
die man in Boulez’ Vorliebe für die funkelnden
Klänge der Schlaginstrumente mit festgelegter
Tonhöhe erkennt, in Pli selon pli,
wo Mallarmés Poesie mit ihrer Helligkeit
und Reinheit sowie ihrer neu zusammengesetzten
Syntax ihre Entsprechung in einer
klangvollen, neuartigen Instrumentalmusik
findet, auf der die Sopranstimme treibt
und gleitet.
Als Musik der Ekstase und des Todes
beschließt Pli selon pli in Boulez’ Schaffen
ein Kapitel, als er in den späten 1960ern
zunehmend als Dirigent arbeitete. In den
1970ern vollendete er nur ein großes Werk,
das feierliche und überwältigende Rituel,
eine Zeremonie, die von mehreren Instrumentengruppen
und taktgebenden Schlagzeugen
durchgeführt wird. Das Werk
wurde im Gedenken an den Kollegen
Bruno Maderna geschrieben, die düstere
Musik könnte aber auch ein Adieu an das
Orchester sein, an dessen Stelle in Boulez’
Augenmerk das Studio für elektronische
Musik trat, das ihm der französische
Staat ausstattete, das Institut de Recherche
et de Coordination Acoustique/Musique
[IRCAM]. Schon seit längerem hatte Boulez
den Eindruck, dass die Weiterentwick-
lung der Musik neue Mittel erforderte,
neues Material, und in seinen Fünfzigern
begann er mit der Transformation des
Instrumentalklanges mittels Computer.
Ein wesentliches Ergebnis war in den frühen
1990ern die Umsetzung eines Werkes,
das er zwei Jahrzehnte vorher als unendlich
variablen Kompositionsbausatz erstellt
hatte, …explosante-fixe …, nun interpretiert
als Konzert für elektronische Flöte und
Ensemble: Ein Stück, dessen Musik, wie
bei Le Marteau sans maître, verwirrend neu
und klangvoll ist, mit dem althergebrachten
Klang der Flöte als reine Stimme, eine
objektivierte Klage.
Mit der Pracht und der Innovationskraft
dieser elektronisch-instrumentalen Dialoge
wurde Boulez mit frischem Elan zurück
in die alte musikalische Welt gezogen. Er
wurde wieder aktiver als Dirigent, und
spielte wieder mehr vom Repertoire ein,
dem er sich am engsten verbunden fühlt,
besonders die Werke von Debussy, Strawinsky
und Bartók. Er begann auch wieder
verstärkt für Besetzungen mit traditionellen
Instrumenten zu schreiben. Die konzentrierten
Klavierwerke, die er als Zwanzigjähriger
komponiert hatte, entwickelten
sich zu einer fortdauernden Folge virtuoser
Inventionen für großes Orchester. In ähnlicher
Weise, nur über eine größere Zeitspanne,
mündete eine Toccata für einen
Klavierwettbewerb, Incises, in einen mächtigen,
farbigen Klangstrudel mehrerer Klaviere,
Harfen und Schlagzeuge mit definierter
Tonhöhe, Sur Incises. Das vor wenigen
Jahren entstandene Werk Dérive 2 ist eine
erneute Auseinandersetzung mit den melodischen
und harmonischen Möglichkeiten
einer Tonreihe, die vom Namen des
Schweizer Mäzens Paul Sacher hergeleitet
ist. Ähnlich wie Sur Incises gestaltet sich
dieses Werk als rund vierzigminütige Reise
durch ein Regenbogen-Labyrinth. In diesen
Werken ist die gesamte Erfahrung eines
langen Lebens enthalten, jedoch auch die
Lebendigkeit und die Neugier desjenigen,
der gerade erst beginnt.
[Paul Griffiths]
Übersetzung Eckhard Weber
Pierre Boulez
_Sa 4. September
Le Soleil des eaux
Première Sonate
Le Visage nuptial
SWR Sinfonieorchester
SWRVokalensemble Stuttgart
RIAS Kammerchor
NDR Chor
Laura Aikin
Lani Poulson
Pierre-Laurent Aimard
Thomas Zehetmair
Susanna Mälkki
_Di 7. September
Cummings ist der Dichter
Ensemble Modern
Schola Heidelberg
Beat Furrer
_Mi 15. September
Figures – Doubles – Prismes
Deutsches Symphonie-Orchester
Berlin
David Robertson
_Do 16. September
Rituel in memoriam Bruno Maderna
Konzerthausorchester Berlin
Frédérique Cambreling
Alexei Ogrintchouk
Lothar Zagrosek
_Fr | Sa 17. |18. September
… explosante-fixe …
Berliner Philharmoniker
Emmanuel Pahud
Marion Ralincourt
Sophie Cherrier
IRCAM Paris
Pierre Boulez
_Sa 18. September |17.00h
Incises
Structures pour deux pianos –
Deuxième Livre
Sur Incises
Ensemble intercontemporain
Hidéki Nagano
Sébastien Vichard
Susanna Mälkki
journal musikfest berlin 17
Pierre Boulez, LP-Cover Le Marteau sans maître [1959] und Pli selon pli [1969] Fotos: Sammlung GünterKarl Bose
musikfest berlin 10
_So 19. September |11.00h
Deuxième Sonate
Le Marteau sans maître
Ensemble intercontemporain
Dimitri Vassilakis
Margriet van Reisen
François-Xavier Roth
_So 19. September
Pli selon pli – Portrait de Mallarmé
Bamberger Symphoniker
Yeree Suh
Jonathan Nott
_Mo|Di 20.|21. September
Dérive 1
Dérive 2
Notations I-IV, VII
Staatskapelle Berlin
Daniel Barenboim
18
journal musikfest berlin
Paul Klee, Der Konzertdirigent, 1922. Zeichnung im Besitz von Pierre Boulez © VG Bild-Kunst
Foto: Felix Broede /DG
Pierre-Laurent Aimard musikfest berlin 10
_Di 4. September
Alban Berg:
Kammerkonzert
Pierre Boulez:
Le Soleil des eaux
Premiere Sonate
Le Visage nuptial
SWR Sinfonieorchester
SWRVokalensemble Stuttgart
RIAS Kammerchor
NDRChor
Laura Aikin
Lani Poulson
Pierre-Laurent Aimard
Thomas Zehetmair
Susanna Mälkki
Pierre-Laurent Aimard
über Pierre Boulez
Herr Aimard, Sie sind im Alter von zwölf
Jahren in die Klavierklasse von Yvonne
Loriod aufgenommen worden und haben
Loriods Mann Olivier Messiaen intensiv kennengelernt.
Spielte Pierre Boulez für Sie damals
bereits auch eine Rolle?
AIMARD Sicher. Ich hatte das zweite Buch
der Structures, die drei Klaviersonaten und
einiges andere von Pierre Boulez schon im
Konzert gehört, seine Musik aber noch
nicht gespielt. Als ich neun Jahre alt war,
bat ich meinen Vater, mit mir von Lyon
nach Genf zu fahren, um ein Konzert von
Boulez hören zu können. Er hat dort unter
anderem seinen Éclat und Beethovens
Zweite Symphonie dirigiert. Später, 1968,
bin ich mit meinem Vater nach Bayreuth
gereist, um Boulez als Dirigent des Parsifal
zu erleben. Er war schon damals sehr wichtig
für mich.
Was für einen Eindruck hat Boulez auf Sie als
Kind gemacht?
AIMARD Der Eindruck war sehr stark, aber
er kam nicht zufällig. Schon meine erste
Lehrerin hat viel von Boulez gesprochen,
denn sie hatte seine Kurse in Basel besucht.
Persönlich bin ich ihm erst 1976 begegnet,
als er einen Pianisten für das neugegründete
Ensemble intercontemporain suchte.
Das Vorspiel war konzentriert und freundlich:
Ich habe für ihn Debussy, Webern und
aus seiner eigenen ersten Klaviersonate gespielt
.
Im Ensemble intercontemporain haben Sie
Pierre Boulez von vielen Seiten erlebt: Als
Komponisten, Dirigenten und Organisator.
Bilden diese Aktivitäten für Sie eine Einheit,
oder gibt es die Persönlichkeit Pierre Boulez
gewissermaßen mehrmals?
journal musikfest berlin 19
AIMARD Es ist außergewöhnlich, dass ein
Mensch diese verschiedenen Tätigkeiten
so stark ausprägen konnte. Selbstverständlich
sind sie miteinander verbunden. Wenn
Boulez dirigiert, dann dirigiert er als Komponist.
Solch ein kompletter Musiker auf
solch einem Niveau ist eine Ausnahme,
die einen bescheiden werden lässt. Andererseits
ist Boulez unendlich anregend
und hilft Musikern, sich selbst zu entwickeln.
Haben Sie jemals erlebt, dass der Dirigent
Boulez Kompromisse eingeht, die der Komponist
Boulez niemals akzeptieren würde?
AIMARD In bedeutenden Dingen geht Boulez
keine Kompromisse ein. Er ist aber auch
realistisch und pragmatisch. Besonders
interessant ist bei ihm die Balance zwischen
beiden Dimensionen: Er akzeptiert die
Realität, um auf ihrer Grundlage ein Ziel
ohne Kompromiss verwirklichen zu können.
In früheren Jahren hat Boulez seine Klavierwerke
auch selbst aufgeführt. Wie hat er
sich gegenüber Ihrem Spiel, Ihren Interpretationen
verhalten?
AIMARD Ich genieße seinen kompositorischen
Stil – diese wunderbare Mischung
von Impuls und Nachdenken, von Befreiung
der Geste und Organisation – und habe
immer versucht, es besser zu verstehen. So
habe ich nach und nach meinen eigenen
Weg gefunden. Boulez’ Ratschläge sind
sehr sparsam, aber um so wirkungsvoller.
Er diktiert nichts – aber strahlt so stark,
dass man beim gemeinsamen Musizieren
unendlich viel von ihm lernen kann.
Ein Komponist, der strahlt: Französische
SAISON
2010/2011
AB 3. OKTOBER
KARTENSERVICE
Tel + 49 (0)30 – 20 35 45 55
tickets@staatsoper-berlin.de
www.staatsoper-berlin.de
Musik wird vor allem wegen ihrer Farbigkeit
bewundert. Strahlt die Musik von Boulez in
hellen Tönen?
AIMARD Es wechselt. Die Klänge der ersten
Jahre sind gewalttätig, explodierend. Das
ändert sich mit der mehr strukturell orientierten
Musik der 1950er, 60er Jahre. In seinen
späteren Werken, ab den 1980er Jahren,
wird die Textur seiner Musik bunter.
Aber jedes Werk stellt sich einer neuen
Herausforderung, jedes hat einen eigenen
Klang und eine eigene Farbe.
Das Denken in Farben verbindet Boulez mit
seinem Lehrer Messiaen. In der Weltanschauung
unterscheiden sich beide radikal: Messiaen
war glühender Katholik, Boulez lehnt
Religion für sich selbst ab. Der Übergang vom
einen zum anderen Meister muss für Sie ein
großer Bruch gewesen sein.
AIMARD Ein Interpret braucht seine eigene
Wahrheit, um andere Wahrheiten realisieren
zu können. Als Interpret ist man in dem
einen Stück ein Gläubiger, in dem anderen
ein Ungläubiger; in dem einen Werk ein
Ornithologe, in dem anderen ein abstrakter
Denker. Ich möchte, dass Musik mir ein
sinnvolles, intensives Leben bringt – und
dazu brauche ich die Chance, mit großen
Musikern, mit Schöpfern zusammenarbeiten
zu können. Das Privileg, dass ich sehr
jung mit Messiaen, noch jung mit Boulez
und Kurtág, später mit Ligeti arbeiten
konnte, war ein Licht in meinem Leben.
Boulez hat sich oft mit surrealistischen Dichtern
auseinandergesetzt – vor allem mit René
Char, den er in gleich drei Werken vertont hat:
Le Visage nuptial, Le Soleil des eaux und
Le Marteau sans maître. Ist die geistige Welt
des Surrealismus die Religion von Boulez?
Das Privileg, dass ich sehr jung mit Messiaen,
noch jung mit Boulez und später mit Ligeti arbeiten konnte,
war ein Licht in meinem Leben.
[Pierre-Laurent Aimard]
AIMARD Die konzentrierte und ökonomische
Freiheit der Gedichte von René Char
hat Boulez in den ersten Jahren inspiriert;
in Soleil des Eaux und Visage Nuptial sind die
Texte der Kern, um die seine luxurierende
Musik kreist. In Marteau sans maître arbeitet
der ganz anders mit den Gedichten.
Welche dieser poetischen Welten im Werk von
Pierre Boulez steht Ihnen am nächsten?
AIMARD Ich liebe Char, auch wie er seine
eigenen Texte las: mit dieser rohen Stimme,
die einen das Gewicht der Worte spüren
ließ. Die versteckten Schichten Mallarmés
in Pli selon pli haben mich immer besonders
angezogen; dieses Werk von Boulez ist
auf rätselhafte Weise transparent.
Sie haben bis 1994 im Ensemble intercontemporain
gespielt. Danach sind Sie als Solist verstärkt
mit älterer Musik in Erscheinung getreten
– von Dvorˇáks selten gespieltem Klavierkonzert
zurück über Beethoven und Mozart
hin zu Johann Sebastian Bach. Vermissen Sie
dort das Privileg, mit dem Schöpfer zusammenarbeiten
zu können?
AIMARD Aber ich mache es genauso wie
früher – zum Beispiel mit Elliot Carter,
George Benjamin oder Marco Stroppa.
Natürlich wäre es unvergleichlich, Bach
selbst am Instrument hören zu können –
wie er seine eigene Musik interpretiert, wie
er improvisiert! Aber wir leben in einem
anderen Jahrhundert und können glücklich
sein, dass von Bach noch soviel Musik erhalten
ist, dass wir uns damit beschäftigen
können – wenn auch mit vielen Fragen.
[Das Gespräch führte Olaf Wilhelmer]
Aktuelle Hörempfehlungen von
Dussmann das KulturKaufhaus
LANG LANG Live in Vienna
Der Mitschnitt des umjubelten Solo-Konzertes im berühmten
Wiener Musikverein ist Lang Langs erste Aufnahme für Sony Classical.
Mit der „Appassionata“ Sonate von Beethoven, „Iberia“ von Albeniz,
dem „Grande Valse brillante“ von Chopin u.v.a.
„...und aus dem Flügel wird ein Orchester, das Lang Lang vorbildlich
instrumentiert...Lang Lang beherrscht das formidabel und besitzt
sogar Magie.“ Die Zeit
CD ab 20.08 im Handel, auch als DVD, Blu-ray Disc und LP erhältlich.
LIMITIERTE DELUXE EDITION
2 CDs + BONUS-DVD & UMFANGREICHES BOOKLET
88697700242
Ab 20.08. im Handel erhältlich
DAVID ORLOWSKY & SINGER PUR Jeremiah
Der Klarinettist David Orlowsky und Singer Pur, eines der besten Vokal-
ensembles, lassen auf ihrer gemeinsamen CD Vokalmusik von Palestrina
und Gesualdo mit dem poetischen Klarinettenspiel von Orlowsky zu einer
faszinierenden Klang-Symbiose verschmelzen.
„Samtig, beinahe dahingehaucht erscheinen David Orlowskys verträumte
Melodien“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ab 20.08. im Handel erhältlich
KONZERT IN BERLIN AM 07.11.2010
Jetzt erhältlich bei Dussmann das KulturKaufhaus
Die größte Auswahl an CDs, Musik-DVDs, Noten und Musikbüchern.
Friedrichstraße • www.kulturkaufhaus.de • Fon: 030-20 25 11 11
DEUTSCHE VOLKSLIEDER
Über 20 der schönsten deutschen Volkslieder in einer
Neuaufnahme mit vielen der besten deutschsprachigen
Sänger und Klavierbegleiter. Die CD enthält nicht nur
Klassiker wie Ännchen von Tharau, den Lindenbaum und
das Heideröslein, sondern auch Raritäten wie Duette von
Silcher, Lieder von Haydn und alte Volksweisen.
Limitierte Edition mit ausführlichem Booklet, Essay über die
Geschichte des Volkslieds, einem Faksimile des Titelmotivs
und historischen Illustrationen. Mit Angelika Kirchschlager,
Annette Dasch, Christiane Karg, Christian Gerhaher, Klaus
Florian Vogt, Helmut Deutsch, Gerold Huber u.v.a.
88697719002
88697757372
musikfest berlin 10
02– ix–10 Kammermusiksaal der Philharmie
Donnerstag, 2. Sept. 2010 | 20.00 h
BACH ALS KRAFTMOMENT
Johann Sebastian Bach
Die Kunst der Fuge BWV 1080
Keller Quartett
András Keller Violine
Zsófia Környei Violine
Zoltán Gál Viola
Judit Szabó Violoncello
03– ix–10 Philharmonie
Preisgruppe F
Freitag, 3. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00 h]
Preisgruppe B
Abonnement I, II, III + berlinerjugendabo
ERÖFFNUNGSKONZERT | FOLKSONGS I
Luciano Berio
Folk Songs
für Mezzosopran und sieben Instrumente
Luciano Berio
Sinfonia
für acht Singstimmen und Orchester
Hector Berlioz
Harold en Italie
Symphonie in vier Teilen mit Solo-Bratsche op. 16
London Symphony Orchestra
Synergy Vocals
Kelley O’Connor Mezzosopran
Tabea Zimmermann Viola
Daniel Harding Leitung
04–ix–10 Philharmonie
Samstag, 4. Sept. 2010 |20.00 h [Einführung 19.00 h]
PIERRE BOULEZ & RENÉ CHAR I
05–ix–10 Philharmonie
Preisgruppe C| Abonnement I, IV, V
Pierre Boulez
Le Soleil des eaux
Fassung für Sopran, Chor und Orchester
Text von René Char
Alban Berg
Kammerkonzert
für Klavier und Geige mit 13 Bläsern
Pierre Boulez
Première Sonate
für Klavier
Pierre Boulez
Le Visage nuptial
Fassung für Sopran, Mezzosopran, Frauenchor
und Orchester. Texte von René Char
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden
und Freiburg
SWR Vokalensemble Stuttgart
Damen des RIAS Kammerchor
und NDR Chor
Bernhard Epstein Einstudierung Chöre
Laura Aikin Sopran
Lani Poulson Mezzosopran
Pierre-Laurent Aimard Klavier
Thomas Zehetmair Violine
Susanna Mälkki Leitung
Sonntag, 5. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00 h]
QUATRE DÉDICACES
Preisgruppe B| Abonnement I, III
Igor Strawinsky
Symphonies d’instruments à vent
Béla Bartók
Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta
Luciano Berio
Quatre dédicaces für Orchester
Deutsche Erstaufführung
Igor Strawinsky
Der Feuervogel
Ballett-Suite für Orchester
Koninklijk Concertgebouworkest
Amsterdam
Mariss Jansons Leitung
Programm 02 bis 07– ix–2010
06– ix–10 Philharmonie
Montag, 6. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00 h]
STANZE
Preisgruppe B| Abonnement III
Anton Webern
Passacaglia für Orchester op. 1
Luciano Berio
Stanze
für Bariton, 3 Männerchöre und Orchester
auf Gedichte von Edoardo Sanguineti, Dan Pagis,
Paul Celan, Giorgio Caproni und Alfred Brendel
Deutsche Erstaufführung
Sergej Prokofjew
Andante aus der Klaviersonate Nr. 4
für Orchester op. 29a [1934]
Sergej Prokofjew
Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 44
London Philharmonic Orchestra
Herren des SWR Vokalensemble Stuttgart
des RIAS Kammerchor und des NDR Chor
B. Epstein, F.Helgath Einstudierung
Dietrich Henschel Bariton
Vladimir Jurowski Leitung
07– ix–10 Kammermusiksaal der Philharmie
Dienstag, 7. Sept. 2010 |20.00 h [Einführung 19.00 h]
Preisgruppe F| Abonnement IV
BIRDS HERE, INVENTING AIR …
Igor Strawinsky
Élégie für Viola solo
Igor Strawinsky
In memoriam Dylan Thomas
Dirge-Canons and Song
auf eine Threnodie von Dylan Thomas
für Tenor, Streichquartett und vier Posaunen
Pierre Boulez
Cummings ist der Dichter
für 16 Solostimmen und Orchester
auf ein Gedicht Edward Estlin Cummings
Beat Furrer
BEGEHREN
Musiktheater nach Texten von Cesare Pavese,
Günter Eich, Ovid und Vergil für Sopran, Sprecher,
Chor und Orchester | konzertante Aufführung
Ensemble Modern
Schola Heidelberg|W. Nussbaum Einstudierung
Megumi Kasakawa Viola
Petra Hoffmann Sopran
Jonathan Boyd Tenor
Johann Leutgeb Sprecher
Beat Furrer Leitung
musikfest berlin 10
08– ix–10 Gethsemanekirche
Mittwoch, 8. Sept. 2010 | 20.00 h
CODEX CHANTILLY
09– ix–10 Philharmonie
Preisgruppe G
Musik des späten 14. Jahrhunderts:
Schüler und Nachfolger von Guillaume de Machaut,
Meister der Ars subtilior
Kompositionen von Solage, Jacob Senleches,
Matheus de Sancto Johanne,
Baude Cordier u.a.
graindelavoix
Olalla Alemán
Euruidice De Beul
Marius Peterson
Yves Van Handenhove
Thomas Vanlede
Lieven Gouwy
Antoni Fajardo
Tomás Maxé
Björn Schmelzer Künstlerische Leitung
Donnerstag, 9. Sept. 2010 | 20.00 h
FOLKSONGS II
Preisgruppe E | Abonnement II
Igor Strawinsky
Agon
handlungsloses Ballett für 12 Tänzer
und Orchester | konzertante Aufführung
Luciano Berio
Voci ( Folk Songs II )
für Viola und zwei Instrumentalgruppen
Richard Strauss
Der Bürger als Edelmann
Suite für Orchester op. 60
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Antoine Tamestit Viola
Marek Janowski Leitung
Eine Veranstaltung des RSB in Kooperation
mit dem musikfest berlin | Berliner Festspiele
10|11|12 – ix–10 Philharmonie
Freitag, 10. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung jeweils 19.00 h]
Samstag, 11. Sept. 2010 | 20.00 h
Sonntag, 12. Sept. 2010 | 20.00 h
Preisgruppe A | Abonnement II [ 10.Sept.], III [ 10.Sept.]
FOLKSONGS III
Luciano Berio
Coro für 40 Stimmen und Instrumente
Igor Strawinsky
Pulcinella
Tanzkomödie für Pantomimen und Sänger mit
Orchester nach Musik- und Gesangsstücken von
Giovanni Battista Pergolesi | konzertante Aufführung
Berliner Philharmoniker
Rundfunkchor Berlin
James Wood Einstudierung
Stella Doufexis Mezzosopran
Burkhard Ulrich Tenor
Ildebrando d'Arcangelo Bass
Sir Simon Rattle Leitung
Eine Veranstaltung der Stiftung Berliner Philharmoniker
in Kooperation mit dem musikfest berlin | Berliner Festspiele
Am Freitag, 10. September 18.30 h
präsentiert das Education-Programm »Zukunft@BPhil«
im Foyer der Philharmonie SONGS- Coro, s. Seite 31
11 – ix–10 Parochialkirche
Samstag, 11. Sept. 2010 | 20.00 h
SONGLINES
Kevin Volans
Hunting: Gathering Streichquartett Nr. 2
The Songlines Streichquartett Nr. 3
Shiva Dances Streichquartett Nr. 9
Duke Quartet
Luisa Fuller Violine
Rick Koster Violine
John Metcalfe Viola
Sophie Harris Violoncello
Programm 08 bis 13 – ix–2010
Preisgruppe G
12– ix–10 Kammermusiksaal der Philharmie
Sonntag, 12. Sept. 2010 | 11.00 h
13– ix–10 Philharmonie
Preisgruppe F
30 Jahre Alternativer Nobelpreis – Projekte der Hoffnung
Benefizkonzert zugunsten des Right Livelihood Award
Begrüßung durch Jakob von Uexküll
Igor Strawinsky
Trois pièces für Streichquartett
Wolfgang Amadeus Mozart
Streichquartett B-Dur KV 458 Jagdquartett
Claude Debussy
Streichquartett g-Moll op. 10
Philharmonia Quartett Berlin
Daniel Stabrawa Violine
Christian Stadelmann Violine
Neithard Resa Viola
Dietmar Schwalke Violoncello
Empfang und Gespräch mit Jakob von Uexküll nach dem Konzert
Moderation Gerhard Forck
Eine gemeinsame Veranstaltung von IPPNW-Concerts,
dem musikfest berlin | Berliner Festspiele und der Stiftung
Berliner Philharmoniker
Montag, 13. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00h]
Preisgruppe F | Abonnement II, III
FOLKSONGS IV: LE CRU ET LE CUIT
Luciano Berio
Naturale (su melodie siciliane)
für Viola solo, Perkussion und »voce registrata«
Iannis Xenakis
N’Shima
für zwei Mezzosoprane, zwei Hörner,
zwei Tenorposaunen und Violoncello
auf Phoneme und hebräische Worte
Peter Eötvös
Steine für Ensemble
Henri Pousseur
La Seconde Apothéose de Rameau
für 21 Instrumente
Luciano Berio
Kol od – Chemins VI
für Trompete solo und Kammerorchester
musikFabrik
Olivia Vermeulen Mezzosopran
Vanessa Barkowski Mezzosopran
Axel Porath Viola
Dirk Rothbrust Schlagzeug
Marco Blaauw Trompete
Peter Eötvös Leitung
musikfest berlin 10
14– ix–10 Philharmonie
Dienstag, 14. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00 h]
METAMORPHOSEN
Luciano Berio
Concerto
für 2 Klaviere und Orchester
Richard Strauss
Metamorphosen
Studie für 23 Solostreicher op. 142
Igor Strawinsky
Petruschka
Burleske Szenen in vier Bildern
Bayerisches Staatsorchester
Andreas Grau Klavier
Götz Schumacher Klavier
Kent Nagano Leitung
15– ix–10 Philharmonie
Preisgruppe B | Abonnement III
Mittwoch, 15. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 18.55 h]
FIGURES – DOUBLES – PRISMES
Béla Bartók
Divertimento
für Streichorchester
Pierre Boulez
Figures – Doubles – Prismes
für großes Orchester
Maurice Ravel
Daphnis et Chloé
Ballett in einem Akt
Preisgruppe D| Abonnement IV
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Cantus Domus
Ensemberlino Vocale
R.Sochaczewsky, M. Stoffels Einstudierung
David Robertson Leitung
Eine Veranstaltung des DSO Berlin
in Kooperation mit dem musikfest berlin | Berliner Festspiele
16–ix–10 Philharmonie
Donnerstag, 16. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung 19.00 h]
RITUEL
Preisgruppe F| Abonnement V
Luciano Berio
Sequenza II
für Harfe
Luciano Berio
Chemins I
für Harfe und Orchester (su Sequenza II )
Witold Lutoslawski
Doppelkonzert für Oboe, Harfe
und Streichorchester
Claude Debussy / Hans Zender
Cinq Préludes aus den Préludes für Klavier
für Orchester instrumentiert von Hans Zender
Pierre Boulez
Rituel in memoriam Bruno Maderna *
für Orchester in acht Gruppen
Konzerthausorchester Berlin
Frédérique Cambreling Harfe
Alexei Ogrintchouk Oboe
Lothar Zagrosek Leitung
* Rituel wird in Berlin erstmals in komplett räumlicher
Aufstellung aufgeführt.
Eine Veranstaltung des musikfest berlin | Berliner Festspiele
in Kooperation mit dem Konzerthaus Berlin
Programm 14 bis 18– ix–2010
17|18– ix–10 Philharmonie
Freitag, 17. Sept. 2010 | 20.00 h [Einführung jeweils19.00 h]
Samstag, 18. Sept. 2010 | 20.00 h
Preisgruppe A| Abonnement IV [ 17.Sept.], Abonnement V [ 17.Sept.]
…EXPLOSANTE-FIXE…
Pierre Boulez
… explosante-fixe …
für Flöte mit Live-Elektronik, 2 Flöten und Ensemble
Igor Strawinsky
Le Rossignol
Ein musikalisches Märchen in drei Aufzügen
Libretto vom Komponisten und Stjepan Mitussow
nach einer Erzählung von Hans Christian Andersen
konzertante Aufführung
Berliner Philharmoniker
Rundfunkchor Berlin
Simon Halsey Einstudierung
Barbara Hannigan Sopran
Stephanie Weiss Mezzosopran
Julia Faylenbogen Alt
Ian Bostridge Tenor
Roman Trekel Bariton
Georg Zeppenfeld Bass
Peter Rose Bass
Jan RemmersTenor*
Wolfram Tessmer Bass*
Georg Zeppenfeld Bass
Emmanuel Pahud Flöte, MIDI-Flöte
Marion Ralincourt Flöte
Sophie Cherrier Flöte
IRCAM Paris Klangregie
Pierre Boulez Leitung
Eine Veranstaltung der Stiftung Berliner Philharmoniker
in Kooperation mit dem musikfest berlin |Berliner Festspiele
* Solisten des Rundfunkchor Berlin
musikfest berlin 10
18– ix–10 Kammermusiksaal der Philharmie
Samstag, 18. Sept. 2010 |17.00 h [Einführung 16.00 h]
DREI MAL DREI
Pierre Boulez
Incises für Klavier
Pierre Boulez
Structures pour deux pianos –Deuxième Livre
Pierre Boulez
Sur Incises
für 3 Flügel, 3 Harfen, 3 Schlagzeuger
Ensemble intercontemporain
Hidéki Nagano Klavier
Sébastien Vichard Klavier
Dimitri Vassilakis Klavier
Sandrine Chatron Harfe
Ségolène Brutin Harfe
Marianne Le Mentec Harfe
Gilles Durot Schlagzeug
Samuel Favre Schlagzeug
Michel Cerutti Schlagzeug
Susanna Mälkki Leitung
Preisgruppe F
19–ix–10 Kammermusiksaal der Philharmie
Sonntag, 19. Sept. 2010 |11.00 h
PIERRE BOULEZ & RENÉ CHAR II
Pierre Boulez
Deuxième Sonate
für Klavier
Pierre Boulez
Le Marteau sans maître
für Altstimme und sechs Instrumente
auf Gedichte von René Char
Ensemble intercontemporain
Dimitri Vassilakis Klavier
Margriet van Reisen Alt
François-Xavier Roth Leitung
Preisgruppe F
19–ix–10 Philharmonie
Sonntag, 19. Sept. 2010 |20.00 h [Einführung 19.00 h]
Preisgruppe C | Abonnement IV, Abonnement V
PIERRE BOULEZ & STÉPHANE MALLARMÉ
Richard Wagner
Siegfried-Idyll für Orchester
Pierre Boulez
Pli selon pli –
Portrait de Mallarmé
für Sopran und Orchester
auf Gedichte von Stéphane Mallarmé
Bamberger Symphoniker –
Bayerische Staatsphilharmonie
Yeree Suh Sopran
Jonathan Nott Leitung
20|21–ix–10 Philharmonie|Konzerthaus
Montag, 20. Sept. 2010 |20.00 h [Einführung jeweils 19.15 h]
Philharmonie
Dienstag, 21. Sept. 2010 |20.00 h
Konzerthaus Berlin
Preisgruppe C | Abonnement V [20. Sept.]
... aus dem Samen eine Pflanze entstehen lassen ...
Die Musik von Pierre Boulez – erläutert, gespielt
und dirigiert von Daniel Barenboim
Pierre Boulez
Dérive 1 für sechs Instrumente
Dérive 2 für elf Instrumente
Notations I-IV, VII für Klavier
Notations I-IV, VII für Orchester
Staatskapelle Berlin
Daniel Barenboim Klavier, Leitung
Eine Veranstaltung der Staatsoper Unter den Linden
in Kooperation mit dem musikfest berlin | Berliner Festspiele
Stand August 2010 | Änderungen vorbehalten
Die ausführliche Programmbroschüre steht im Internet
zum Download bereit: www.musikfest-berlin.de
Die gedruckte Ausgabe der Broschüre können Sie
bei den Berliner Festspielen bestellen.
Programm 18 bis 21 – ix–2010
Ich glaube, die Musik
muss kollektive
Hochspannung und
kollektiver Bann sein,
beides auf zuhöchst
aktuelle Weise,
der Anleitung
von Antonin Artaud
entsprechend und nicht
im Sinne der bloßen
ethnographischen
Wiederherstellung
nach dem Bilde
einer von uns
mehr oder weniger
entfernten Zivilisation.
Pierre Boulez, 1948
Luciano Berio, Foto: Erich Auerbach
Luciano Berio beim musikfest berlin10
journal musikfest berlin 27
Widerklang der Welt
»Musik ist all das, was wir mit der Absicht
hören, Musik zu hören«, sagte Luciano
Berio einmal. Musik ist kein klar definiertes
Objekt, sondern eine unaufhörliche Aktivität.
Ihr Ausgangspunkt liegt nicht außerhalb,
sondern im Inneren, in uns selbst, in
der Art, wie wir auf eine klingende Welt reagieren.
Es geht grundsätzlich nicht darum,
Klänge zu produzieren, sondern sie in sich
aufzunehmen.
Musik bedeutet Hören, und Berio hörte
sehr genau hin. Er wuchs in einer musikalischen
Familie auf, Vater und Großvater
waren beide Berufsmusiker in Oneglia
an der ligurischen Küste. Im Elternhaus
erklang regelmäßig Kammermusik. Und
selbstverständlich ging Luciano Berio 1945
mit neunzehn Jahren an das Mailänder
Konservatorium. Es waren bewegte Zeiten
damals. Der Krieg war gerade vorbei, die
lange Herrschaft des Faschismus endete,
ein junger Komponist spürte zweifellos den
Wind der Freiheit, und Berio war offensichtlich
zutiefst beeindruckt von dem, was
er über seinen Kompositionslehrer Giorgio
Federico Ghedini von Strawinsky lernte.
Das war jedoch erst der Anfang. Unter seinen
Kommilitonen war eine Sängerin aus
den USA, Cathy Berberian. Mit ihr, die
bald seine Frau wurde, begann Berio sämtliche
Möglichkeiten des vokalen Ausdrucks
zu erforschen. 1952 bereiste er mit
ihr auch die USA. Dort lernte er nicht nur
John Cage und die elektronische Musik
kennen, sondern auch den führenden italienischen
Komponisten der Vorgängergeneration,
Luigi Dallapiccola, damals Gast
beim Tanglewood Festival. Im folgenden
Jahr kam Berio mit Bruno Maderna und
Karlheinz Stockhausen zusammen, und
nahm bald seinen Platz innerhalb der europäischen
Nachkriegsavantgarde ein. Er
Foto: Nico Jesse
war allerdings schon dreißig Jahre alt, als er
zum ersten Mal die Darmstädter Ferienkurse
besuchte, und hatte als Komponist
schon einiges an Erfahrung aufzuweisen.
Auch wenn er zweifellos fasziniert war von
den neuen Ansätzen, die seine Kollegen
propagierten, besonders von jenen, die
Stockhausen in Gruppen für drei Orchester
demonstrierte, war er nicht bereit, sich vollständig
von all dem, was er an älterer Musik
kannte, zu lösen. Es folgten einige Partituren
von enormer Komplexität, doch die
langfristige Konsequenz war die Schärfung
der analytischen Fähigkeiten Berios, um
Musik nicht als geschlossenes sprachliches
Zeichensystem, sondern bewusst als ein
Referenzsystem zu verstehen. Wir können
nicht sagen, welcher Inhalt genau in einer
Komposition oder auch nur in einer Phrase
gemeint ist, doch die Andeutungen und
Empfindungen, die Musik hervorruft, sind
28
journal musikfest berlin
Geboren und aufgewachsen am Meer, entschied er mit elf Jahren, dass seine Zukunft darin
bestünde, daraufhin zu arbeiten, eines Tages als Kapitän eines eigenen Bootes zur See zu
fahren … Noch heute spiegelt Berio die Sehnsüchte seiner Jugend und beschreibt seine Musik
als eine Reise, die viele Häfen angelaufen hat. [ David Osmond-Smith ]
mannigfaltig und offensichtlich. Dies erkannte
Berio und begann Werke zu schreiben,
die verschiedene Repertoires und Traditionen
ausloteten, nicht zuletzt mit einer
Reihe von Solostücken, die er 1958 mit
Sequenza I für Flöte in Angriff nahm.
Jede Sequenza – es sollten über die gesamte
Karriere Berios verteilt insgesamt vierzehn
entstehen, und sie umfassten die meisten
der westlichen Orchesterinstrumente (inklusive
der weiblichen Stimme) – war gedacht
als eine Studie nicht nur über eine virtuose
Ausführung des Instruments, sondern
auch über die Wahrnehmung der
Virtuosität; jedes Stück spielt mit der gesamten
Geschichte und der Spieltechnik
des jeweiligen Instruments. In mehreren
Fällen wurde Sequenza selbst wiederum
zum Gegenstand einer Neubewertung,
nämlich wenn das ursprüngliche Solostück
eine Art Kommentar von einem hinzugefügten
Ensemble erhielt. So wurde beispielsweise
Sequenza II für Harfe (1963)
zum Herzstück des Konzerts Chemins I, das
zwei Jahre später entstand.
Berio kehrte immer wieder zur Form des
Konzerts zurück, sie bot ihm ein ergiebiges
Modell für seine Sichtweise von Musik
als fortwährendem kritischen Kommentar
oder als Interpretation von etwas bereits
Bestehendem, sozusagen als Hallraum. In
Chemins I und anderen Werken, die auf ein-
zelnen Stücken der Sequenza-Werkgruppe
basieren, ist das Material Berios eigene
Erfindung. In Concerto jedoch – der Titel
wurde mit voller Absicht gewählt – geht es
stattdessen um die gesamte Gattung und
die Tradition des Konzerts, veranschaulicht
an einem Werk, das gleichzeitig zu
einem strahlenden Schaustück für zwei
Klaviere und Orchester gerät. Berios Orchesterschreibweise
ist immer sinnlich,
kreiert fast so etwas wie einen lebendigen
Klangorganismus, einen komplexen leuchtenden
Raum, worin sich in diesem Fall
zwei Klaviere auf einer Reise durch verschiedenste
Dialoge und Verknüpfungen
bewegen können.
Einige Jahre zuvor hatte er seine Entdekkungen
der zweiten großen Instrumentalgattung
hervorgebracht, der Symphonie.
Während der stürmischen 1960er Jahre war
er regelmäßig in den USA und lehrte erst
in Kalifornien und später in New York.
Seine Sinfonia war ein Auftragswerk der
New Yorker Philharmoniker auf Betreiben
von Leonard Bernstein. In ihr hallen Beobachtungen
aus der Neuen Welt nach. Berio
fügte dem Orchester ein achtköpfiges Sängerensemble
hinzu – bei der Uraufführung
die Swingle Singers, berühmt für ihre Interpretationen
der Instrumentalstücke Bachs
– und war auf diese Weise in der Lage, sein
Spektrum an klingenden Anspielungen aus
der gesamten Geschichte der Menschheit
auszuweiten, von Rufen aus dem Regenwald,
womit das Werk beginnt, bis zur
Klage über den kurz vorher ermordeten
Martin Luther King. Die Gesangsstimmen
gaben Berio auch die Möglichkeit, die
tumultartigen politischen Demonstrationen
jener Zeit in Erinnerung zu rufen,
besonders im zentralen Satz des Werks,
wo das Scherzo aus Mahlers zweiter Symphonie
Auferstehung erklingt und dieser
Klangstrom Zitate von Debussy, Richard
Strauss, Berio selbst und vielen anderen
Komponisten mit sich führt. Dieser vielgestaltige
musikalische Prozess wurde so lebhaft
wie ergreifend von den Sängern mitgestaltet.
Die Sinfonia ist ein aufwühlendes
Zeugnis ihrer Zeit, einer Zeit des Protests
und des Optimismus, der Freiheit und
des Wandels, all das wird in dieser Musik
kraftvoll in triumphierender Reichhaltigkeit
vermittelt.
Auch wenn Sinfonia vor allem durch die
Fundstücke aus der Musiktradition bemerkenswert
ist, weil altbekannte Gesten mit
völlig neuem Leben erfüllt werden, zeigt sie
zudem, dass Berios Sichtweise keineswegs
auf die westliche Kunstmusik beschränkt
war. Jazz ist hier nämlich ebenfalls zu finden,
und außerdem Folklore, die für Berio
aufgrund ihrer Unmittelbarkeit stets anziehend
war, mit ihrem direkten Bezug auf spe-
zifische Lebenssituationen, Feste, Liebeswerben,
Arbeit, Totenklage. Einige seiner
frühesten Vokalwerke könnten fälschlicherweise
als Volkslieder aufgefasst werden,
zwei davon fügte er in seinen 1964 entstanden
Zyklus Folks Songs zusammen mit
Fundstücken aus den USA, Armenien, Sizilien,
Sardinien, Frankreich und Aserbaidschan
ein. Er schuf damit für Berberian,
die von einem farbigen Instrumentalquintett
als Destillat einer universellen Folklorekapelle
begleitet wurde, einen Reigen
unterschiedlicher Gesangsstile und Ausdrucksarten.
Diese wundervollen Arrangements zogen
ihn noch stärker zur Volksmusik, er studierte
nicht nur die Melodielinien und harmonischen
Gerüste aus aller Welt, sondern
auch ihre Spuren, die sie als musikalische
Sprache in sich tragen, mittels derer wir uns
über unsere geheimsten Wünsche, Bedürfnisse,
Ziele und unseren tiefsten Kummer
mitteilen können, und wodurch wir die
Vergangenheit hören. Sizilien, eine Insel
durch die viele verschiedene Völker zogen
und ihre Musik hinterließen, war eine besonders
ergiebige Fundgrube. Aus dieser
Musikkultur zog Berio Mitte der 1980er
Jahre zwei Werke für die dunkle und warme
Stimme der Bratsche, Voci und Naturale.
Das erste Werk ist eines seiner Konzerte,
bei dem der Bratschenpart sich um mehre-
re Folklorethemen windet und von einem
zweigeteilten Kammerorchester begleitet,
angeleitet und hinterfragt wird. Naturale
dagegen stellt dem Bratschisten lediglich
einen Schlagzeuger zur Seite und – das
ist ausschlaggebend – Feldaufnahmen aus
Sizilien. Damit ist der Solist in der Lage, in
einen Dialog mit einer anderen Sphäre und
einer anderer Zeit zu treten.
In einem früheren Werk, Coro (1975-77),
schuf Berio seinen eigenen umfangreichsten
und produktivsten Dialog mit Folklore
aus vielen Teilen der Welt. Wieder ging
es um eine wesentliche Musikgattung,
die Chormusik. Chorgesang ist seinem Wesen
nach etwas Kollektives, ein Mittel,
einen gemeinsamen Glauben und gemeinsame
Überzeugungen auszudrücken. Coro
demontiert die Gattung und stellt sie
gleichzeitig wieder her.
Der Sängerchor ist zwischen einem Instrumentalistenchor
verteilt, jeweils vierzig
Musiker von jeder Gruppe. Sie bilden Inseln
aus Gesang und Begleitung in einem
Archipel aus gemeinsamer Interaktion.
Die Solisten können sich gewissermaßen
mit Stimmen zurufen, deren Wurzeln aus
verschiedenen Musikkulturen stammen,
als Widerklang einer gemeinsamen Erde.
Und diese Polyphonien ungleicher Partner
sind versetzt mit den großen Fragen des
gesamten Ensembles – zu Worten Pablo
journal musikfest berlin 29
Nerudas in der Funktion drängender Warner
der Außenwelt, der Welt, woher diese
Musik kam, wohin sie zurückkehren wird,
so wie wir, die sie gehört haben.
Wie seine Opern enthält Berios Coro eine
bedeutende Aussage über Auseinandersetzungen
und Hoffnung. Doch das Werk ist
auch die unnachahmliche Leistung eines
hochkultivierten Individuums, eine Musik,
in der seine persönlichen Wahrnehmungen
und Empfindungen widerhallen. Die Grenzen
zwischen Öffentlichem und Privatem
sind ausgelöscht. Gerade dies – verbunden
mit einer ähnlichen Breite und Tiefe musikalischen
Wissens – brachte Berio immer
wieder zurück zu Mahler. Er instrumentierte
viele der frühen Lieder des Komponisten
und entschied sich, sein opus ultimum
Stanze in die für Mahler typische
Form eines Orchesterliederzyklus zu setzen.
Hier wird uns zum letzten Mal eine
große Palette verschiedener Stimmen vorgeführt,
unterschiedlicher Stile, unterschiedlicher
Sprachen, unterschiedlicher
musikalischer Räume, so wie sie Berio sah.
Deren Bewohner steht hier kurz davor,
diese Welt, der er so genau zuhörte, zu verlassen.
[Paul Griffiths]
Übersetzung Eckhard Weber
Foto: Erich Auerbach, 1936
30 journal musikfest berlin
AM PULS DER KÜNSTE
2. – 21. 9.10 musikfest berlin
15. – 25. 9.10 internationales
literaturfestival berlin
November / Dezember spielzeit’europa
Herbst Berliner Lektionen
3. – 7. 11.10 JazzFest Berlin
11. – 15.11.10 Treffen Junge Musik-Szene
25. – 29.11.10 Treffen Junger Autoren
18. – 27. 3.11 MaerzMusik
6. – 22. 5.11 Theatertreffen
27. 5.– 4. 6.11 Theatertreffen der Jugend
Aktuelle Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau
1. 7. – 10. 10.10 Teotihuacan – Mexikos
geheimnisvolle Pyramidenstadt
24. 9.10 – 9. 1.11 WeltWissen.
300 Jahre Wissenschaften in Berlin
Karten + Infos (030) 254 89 100
www.berlinerfestspiele.de
Foto Kordula Rüter
Luciano Berio, Foto:Werner Neumeister
Luciano Berio musikfest berlin 10
_Fr 3. September
Folk Songs
Sinfonia
London Symphony Orchestra
Synergy Vocals|Kelley O ’ Connor
Tabea Zimmermann
Daniel Harding
_So 5. September
Quatre dédicaces
Deutsche Erstaufführung
Koninklijk Concertgebouworkest
Mariss Jansons
_Mo 6. September
Stanze
Deutsche Erstaufführung
London Philharmonic Orchestra
SWR Vokalensemble Stuttgart
RIAS Kammerchor | NDR Chor
Dietrich Henschel
Vladimir Jurowski
_Do 9. September
Voci (Folk Songs II)
Rundfunk-Sinfonieorchester
Berlin
Antoine Tamestit
Marek Janowski
_Fr, Sa, So 10.| 11.|12. September
Coro
Berliner Philharmoniker
Rundfunkchor Berlin
Sir Simon Rattle
_ Mo 13. September
Naturale (su melodie siciliane)
Kol od – Chemins VI
musikFabrik
Axel Porath
Dirk Rothbrust
Marco Blaauw
Peter Eötvös
_Di 14. September
Concerto
Bayerisches Staatsorchester
Andreas Grau
Götz Schumacher
Kent Nagano
_Do 16. September
Sequenza II
Chemins I (su Sequenza II)
Konzerthausorchester
Berlin
Frédérique Cambreling
Lothar Zagrosek
Education-Projekt zu
Coro von Luciano Berio
SONGS
Coro
Es ist ein Sommer denkwürdiger Begegnungen:
ein Bassist der Berliner Philharmoniker
trifft eine indische Dhrupad-Sängerin,
ein ägyptischer Nay-Flötist eine klassische
Geigerin, ein weiterer Geiger einen
iranischen Perkussionisten. Zunächst gilt
es dem anderen zuzuhören, und die mehr
oder weniger unbekannte Musiksprache zu
verstehen: Töne außerhalb des gewohnten
Tonsystems müssen geübt werden, Melodien
und Rhythmen nachgespielt und gesungen.
Schließlich spielen beide gemeinsam
und allmählich entsteht ein kurzes
Stück für zwei Musiker. Einige Duos werden
improvisieren, andere schreiben ihre
gemeinsame Musik auf.
Ausgangspunkt dieses Education-Projekts
der Berliner Philharmoniker ist eine Aufführung
von Luciano Berios Komposition
Coro [1964] für Chor und Orchester: Eine
Zusammenstellung von miteinander kontrastrierenden
und doch eng verbunden
Duos, Ensembles und Orchesterabschnitten
mit Texten aus verschiedenen Sprachen
und Nationen. Berio sah Coro als ein
offenes Projekt und verglich es mit einer
imaginären Stadt. Heute aber sind reale
Städte längst bunter als jede imaginäre
Stadt des Jahres 1964. Berliner Musiker
persischer, indischer, türkischer und arabischer
Musiken entwickeln daher gemeinsam
mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker
ihre eigene Musik: Elf unterschiedliche
Duos bilden die Bausteine für
ein eigenes »Coro«, teilweise mit Gesang,
oft aber rein instrumental. In gemeinsamen
Proben werden sie anschließend durch
Tuttiabschnitte und Improvisationen miteinander
verbunden und vereint zu dem
Klangbild einer neuen imaginären Stadt.
[Martin Greve]
Mitwirkende:
Cymin Samawatie Gesang
Ketan Bhati Percussion
Mohammed Reza Mortazavi Tombak
Larry Porter afghanische Rebab
Mohamed Askari Nay
Khader Ahmad Percussion
Nasser Kilada Gesang
Farhan Sabbagh Oud
Amelia Cuni Dhrupad-Gesang
Orhan Senel Kanun
sowie
Mitglieder der Berliner Philharmoniker:
Eva-Maria Tomasi Violine
Thomas Leyendecker Posaune
Matthew McDonald Kontrabass
Martin Stegner Viola
Metthew Hunter Viola
Stephan Schulze Violine
Walter Seyfarth Klarinette
Catherine Milliken Englischhorn
Künstlerische Gesamtleitung und Leitung
Zukunft@BPhil:
Catherine Milliken
journal musikfest berlin 31
SONGS-Coro musikfest berlin 10
_Fr 10. September 18.30 h
Foyer der Philharmonie
SONGS-Coro
Eine Kooperation des Education-Programm
Zukunft@BPhil mit der
Werkstatt der Kulturen
im Rahmen des musikfest berlin 10
Kostenlose Einlasskarten sind an der Kasse
der Philharmonie erhältlich
_ Fr, Sa, So 10.|11.|12. September
Luciano Berio: Coro
Igor Strawinsky: Pulcinella
Berliner Philharmoniker
Rundfunkchor Berlin
Stella Doufexis
Burkhard Ulrich
Ildebrando d'Arcangelo
Sir Simon Rattle
Foto: Zukunft@BPhil
32
journal musikfest berlin
Man sollte das Konzert grundsätzlich als Kommunikationsmittel betrachten, als
lebendigen Kontakt zwischen aktiven Personen, seien sie Hörende oder Schaffende. …
Das Ziel ist: gehend die Bewegung beweisen. [Pierre Boulez, 1963]
Vom Zusammenspiel souveräner Individuen
Zukunftswerkstatt Ensemble
Ein besonders attraktiver Programmaspekt
beim diesjährigen musikfest berlin ist
der Auftritt dreier Ensembles. Der Reihe
nach gastieren das Ensemble Modern
aus Frankfurt unter der Leitung von Beat
Furrer, die musikFabrik unter Peter Eötvös
und das Pariser Ensemble intercontemporain
mit seiner Chefdirigentin
Susanna Mälkki und, beim zweiten Konzert,
mit François-Xavier Roth. Alle drei
gehören heute zu den führenden europäischen
Formationen auf dem Gebiet der zeitgenössischen
Musik; jedes von ihnen verfügt
über ein breites Repertoire, das bis weit
ins 20. Jahrhundert zurückreicht, und jedes
hat sein individuelles Gesicht, was Arbeitsweise
und Programmschwerpunkte angeht.
Es ist kein Zufall, dass diese Ensembles im
gleichen Jahr beim musikfest berlin gastieren,
in dem auch Pierre Boulez gefeiert wird. Hat
er doch das Ensemble intercontemporain
vor über dreißig Jahren ins Leben gerufen
und damit den entscheidenden Anstoß zu
weiteren Gründungen auf diesem Gebiet
gegeben. Ohne seine Pionierarbeit sähe die
Landschaft der Neuen Musik heute zweifellos
ärmer aus.
Sechseinhalb Stunden Ensemble-Power
vom Feinsten gab es vor zwei Jahren schon
bei den Donaueschinger Musiktagen zu bewundern.
Damals trafen sich drei Ensembles
zu einem ähnlichen Gipfeltreffen – an
einem einzigen langen Nachmittag und mit
neun Uraufführungen. Beteiligt waren
damals das Ensemble Modern, das Ensemble
intercontemporain sowie das Klangforum
Wien. Erstaunt konnte man beobachten,
mit welcher Leichtigkeit und auf welch
hohem Niveau in diesen Formationen musiziert
wird. Aus heutiger Sicht erscheint das
wie eine Vorausnahme der kombinatorischen
Phantasie und schwerelosen Präzision,
mit denen zwei Jahre später ein ganz
anderes Ensemble Aufsehen erregen sollte:
die Mannschaft Spaniens bei der Fußballweltmeisterschaft
in Südafrika. Flüchtige,
sich blitzschnell verändernde Strukturen,
deren Realisierung von allen Beteiligten ein
Maximum an geistiger und körperlicher
Beweglichkeit, an Kreativität und Intuition
erfordert – ein perfekt aufeinander abgestimmtes
Zusammenspiel souveräner Individuen:
Ist dies das Modell für ein neues
Sozialverhalten am Beginn des 21. Jahrhunderts?
Die Blüte der Ensemblekultur ist in der Tat
einzigartig. Innerhalb weniger Jahrzehnte
haben sich die Ensembles zu einem künstlerisch
entscheidenden und marktbestimmenden
Faktor im internationalen Musikleben
entwickelt. Ein Großteil der Uraufführungen
wird heute von ihnen bestritten, und
was die Wechselwirkungen zwischen Komposition
und Interpretation angeht, so bilden
sie ein überaus fruchtbares Experimentierfeld.
Die Gründe für diese Entwicklung
sind sowohl ästhetischer als auch institutioneller
Natur: Einerseits ist es das kompositorische
Interesse an einer Besetzung, die
das breite Farbspektrum des Orchesterklangs
mit kammermusikalischer Transparenz
verbindet, andererseits die Notwendigkeit,
sich von der großen Institution des
Orchesters unabhängiger zu machen – einer
Institution, die überdies noch bis vor wenigen
Jahrzehnten im Ruf stand, sich dem
Gegenwartsschaffen zu verweigern. Das hat
sich zwar inzwischen gewandelt. Doch die
Emanzipation vom Orchester hat der zeitgenössischen
Musik einen gewaltigen Freiheitsschub
verpasst und ihr neue, zukunftsgerichtete
Tätigkeitsfelder eröffnet.
Eine hundertjährige Vorgeschichte
Die Ursprünge der heutigen Ensemblekultur
liegen im frühen 20. Jahrhundert. Als
kompositorische Prototypen werden häufig
zwei Kompositionen von Arnold Schönberg
genannt: die Erste Kammersinfonie von 1906
für fünfzehn Soloinstrumente und der
1912 entstandene Zyklus Pierrot lunaire für
Sprechstimme und fünf Instrumente. Letzterer
hat bis weit in die zweite Jahrhunderthälfte
hineingewirkt, kompositorisch etwa
bei Le Marteau sans maître von Pierre Boulez
und als Besetzungsmodell bei den 1965 in
London gegründeten Pierrot Players (den
späteren Fires of London). Die Kammersin-
Ensemble intercontemporain. Foto: Aymeric Warme-Janville
fonie spielte wiederum eine Rolle bei der
folgenreichen Gründung des Ensemble Modern:
Bei seinem ersten Konzert am 31.
Oktober 1980 in Frankfurt stand sie als Referenzwerk
auf dem Programm, nebst der
Sinfonie für neun Instrumente op. 21 von
Anton Webern – ein weiteres emblematisches
Ensemblestück aus dem Schönberg-
Kreis – und zwei zeitgenössischen Werken.
Der Ort, wo die Ensemblebesetzung zur
historischen Gattung mutierte, war jedoch
der 1918 von Schönberg gegründete Verein
für musikalische Privataufführungen, wo
eigens angefertigte Bearbeitungen groß besetzter
Werke und originale Ensemblewerke
aufs Programm kamen. Knappe Ressourcen
und die künstlerische Skepsis gegenüber
den überlieferten Großformen
standen Pate bei der Geburt des modernen
Ensembles.
Für Peter Eötvös, wie Boulez einer der erfahrensten
Ensemble- und Orchesterdirigenten,
gibt es allerdings noch eine zweite
Wurzel: Strawinskys Geschichte vom Soldaten
(1917), konzipiert als mobiles Theaterstück
für eine Schweizer Wanderbühne.
Wie bei Schönberg ist auch hier die Miniaturisierung
ein zentraler Aspekt des Neuen.
Allerdings werden mit einem Erzähler, zwei
Schauspielern, einer Tänzerin und den auf
der Bühne postierten Musikern die konzertanten
Dimensionen nun nachhaltig gesprengt.
Als eine zum epischen Theater tendierende
Mischform erscheint Strawinskys
Erfindung nachträglich sogar zukunftsweisender
als das traditionsbezogene Modell
Schönbergs.
Der Traditionsbruch der Nazizeit brachte
in Europa auch das Ensemblemusizieren
zum Erliegen, und erst in den 1950er Jahren
entstanden neue Ansätze. Dazu gehörte die
von Pierre Boulez 1953 am Pariser Théâtre
Marigny ins Leben gerufene Konzertreihe
des Domaine musical, wo ein aus Orchestermusikern
bestehendes Ensemble zunächst
Werke von Dufay bis zu den modernen Klas-
sikern aufführte und dann schrittweise bis
zum Serialismus vorstieß. Und schon
1958 kam in Wien das Ensemble Die Reihe
dazu, das ebenfalls von zwei dirigierenden
Komponisten, Friedrich Cerha und
Kurt Schwertsik, geleitet wurde und sich
in den Dienst der neuesten Musik stellte.
Die Gründerjahre
journal musikfest berlin 33
In den folgenden zwei Jahrzehnten bis 1980
kommt es dann zu einer richtigen Gründerzeit
für Ensembles. Nacheinander entstehen,
um nur die vielleicht wichtigsten zu
nennen: Das Darmstädter Ensemble für
Neue Musik (1961), die bereits erwähnten
Pierrot Players (1965), die London Sinfonietta
(1968) und, ebenfalls in London, das
Scratch Orchestra (1969), das Pariser Ensemble
L’Itinéraire (1973), das Ensemble
intercontemporain (1976), das Ensemble
Modern (1980). Jedes von ihnen hat seine
eigene Organisationsstruktur und künstle
NEU
Pianissimo
Vier Klavier-Recitals
im Konzerthaus Berlin,
Großer Saal
MARTIN STADTFELD
Konzert am 7.10.2010 20.00 Uhr
PIERRE-LAURENT AIMARD
Konzert am 16.2.2011 20.00 Uhr
RUDOLF BUCHBINDER
Konzert am 29.3.2011 20.00 Uhr
ARCADI VOLODOS
Konzert am 31.5.2011 20.00 Uhr
In Zusammenarbeit mit der
Sparen Sie
20% im
Pianissimo-
Abo
Tickets: (030) 20309-2101
www.konzerthaus.de
rische Zielsetzung, Resultat der lokalen und
nationalen Gegebenheiten im Musikleben
und der ästhetischen Überzeugungen ihrer
Gründer, und bildet auf dieser Basis seine
ganz spezifische Identität heraus.
Das Darmstädter Ensemble unter der Leitung
von Bruno Maderna, eingebunden
in den Betrieb der Ferienkurse, war abhängig
von den Darmstädter Trends und
verschwand eines Tages wieder von den
Programmzetteln der Kurse.
Die Pierrot Players waren ein Zusammenschluss
von Interpreten und zwei Komponisten,
Harrison Birtwistle und Peter Maxwell
Davies. Es versuchte sich auf dem freien
Markt zu behaupten, doch als Künstlerinitiative
fehlte ihm eine solide organisatorische
Basis, und es scheiterte an internen
Querelen.
Das von Cornelius Cardew und anderen
gegründete Scratch Orchestra wiederum
stellte eine bewusst offene und instabile Vereinigung
mit anarchistischer Schlagseite
dar, entsprechend seiner experimentellen
Programmatik; nach fünf Jahren löste es
sich auf.
Als überlebensfähig erwies sich hingegen
die London Sinfonietta. Von der Besetzung
her ist sie weniger ein festes Ensemble als ein
Pool von exzellenten Musikern, die aus der
Londoner Orchesterszene rekrutiert werden;
ein starkes Management sorgt für einen
reibungslosen Ablauf der Konzerte und
führt die zahlreichen Projekte durch, die mit
ihrer pädagogischen Ausrichtung weit in die
Gesellschaft hineinreichen.
Das bis heute bestehende Ensemble L’Itinéraire,
ins Leben gerufen von der gleichnamigen
Komponistengruppe der Spektralisten
um Tristan Murail, war anfänglich vor allem
eine Werkstatt zur Realisierung der neuen
kompositorischen Konzepte.
Formen der Institutionalisierung
Entscheidend für die weitere Entwicklung
der internationalen Ensembleszene waren
schließlich die Gründungen des Pariser
Ensemble intercontemporain 1976 durch
Pierre Boulez und, vier Jahre später, des
Frankfurter Ensemble Modern, das als
Eigeninitiative aus der Jungen Deutschen
Philharmonie hervorging. Während Pierre
Boulez von Anfang an für eine maßgebliche
Unterstützung durch den Staat sorgte,
arbeitete das Ensemble Modern zunächst
auf der unsicheren Basis von Projektgeldern
und unzureichenden Subventionen,
bis es sich 1987 als Gesellschaft bürgerlichen
Rechts konstituierte und von da an
auch bessere Finanzierungsmöglichkeiten
fand. Die unterschiedlichen materiellen und
organisatorischen Voraussetzungen sind
für die Identität der beiden Ensembles bis
Ensemble Modern. Foto: Manu Theobald
musikFabrik. Foto: Klaus Rudolph
heute bestimmend: Hier die hoch spezialisierten
Instrumentalisten, die im Angestelltenverhältnis
arbeiten, dort die eigenverantwortliche
Musikertruppe, in der alle aufeinander
angewiesen sind. Der Unterschied
zeigt sich von den Administrationsmethoden
über die Programmgestaltung und
die Auswahlverfahren bei Dirigenten und
Solisten bis zur Rekrutierung des Nachwuchses.
Diese beiden Positionen – die
mehr etatistische Konzeption des Ensemble
intercontemporain und das Selbstverwaltungsprinzip
des Ensemble Modern – stecken
das Feld ab, auf dem sich seither alle
Ensembles bewegen. Spätere Neugründungen
konnten von den Erfahrungen aus Paris
und Frankfurt profitieren. So auch die 1990
in Nordrhein-Westfalen gegründete musik-
Fabrik. Anders als der Name suggeriert, hat
die maßgeblich vom Land NRW unterstützte
musikFabrik – wie das Ensemble
Modern – keinen »Chef«. Das basisdemokratische
Ensemble verwaltet sich selbst
und trifft alle Entscheidungen gemeinsam,
auch und gerade diejenigen programmatischen
Entscheidungen, die der musik-
Fabrik ihr einzigartiges künstlerisches Profil
geben. Seit 2003 veranstaltet das Ensemble
mit Unterstützung der Kunststiftung
NRW und in Zusammenarbeit mit dem
WDR im Sendesaal des Funkhauses Köln
eine eigene Konzertreihe, in der vorwie-
gend Uraufführungen präsentiert werden.
Der Vielfalt der Organisationsformen und
Aktivitäten sind heute keine Grenzen gesetzt,
und jedes Ensemble ist bestrebt, seine
unverwechselbare Identität auszubilden;
nur so kann es sich auf Dauer auch am
Markt behaupten. Dabei scheint es, dass der
Grad der institutionellen Unabhängigkeit
und Selbstverantwortung etwas mit dem
Mut zum Experiment und dem Grad an
konzeptioneller Freiheit zu tun hat.Was das
Ensemble als organisierten Klangkörper
heute so attraktiv erscheinen lässt, ist seine
schier grenzenlose Beweglichkeit. Es
ermöglicht komplexere Interaktionsformen
als die alten Formen der Kammermusik und
kennt nicht die Anonymität des Tuttispiels.
Mit seiner variablen Besetzung, mal mit,
mal ohne Dirigent, mit der Möglichkeit der
Grenzüberschreitung zu anderen Kunstformen
und der räumlichen Beweglichkeit
sorgt es für andauernd frischen Wind in den
Sälen. Dem Komponisten bietet es neue
Modelle der Kooperation, dem Veranstalter
die Möglichkeit neuer Präsentationsformen,
und das Publikum macht neue Hörerfahrungen.
Die Vermutung ist nicht abwegig,
dass das Ensemble heute der entscheidende
Ort ist, wo die Musik von morgen
entsteht.
[Max Nyffeler]
Donaueschinger
Musiktage
15.–17.10.2010
Kartenbestellung unter www.swr.de/donaueschingen
bzw. bei ticketonline unter 01805 4470777
gefördert durch
36
journal musikfest berlin
Ensembles musikfest berlin 10
_Di 7. September
Ensemble Modern
Schola Heidelberg
Beat Furrer
Strawinsky: Élégie;
In memoriam Dylan Thomas
Boulez: Cummings ist der Dichter
Furrer: Begehren
Peter Eötvös. Foto: Promo
_Mo 13. September
musikFabrik
Peter Eötvös
Berio: Naturale;
Kol od – Chemins VI
Xenakis: N’Shima
Eötvös: Steine
Pousseur: La Seconde Apothéose de Rameau
_Sa 18. September | 17.00h
Ensemble intercontemporain
Susanna Mälkki
Boulez: Incises; Structures;
Sur Incises
Ensemble intercontemporain
Susanna Mälkki
_So 19. September | 11.00h
Ensemble intercontemporain
François-Xavier Roth
Boulez: Deuxième Sonate;
Le Marteau sans maître
Sie dirigierten erstmals 1978 das Ensemble
intercontemporain und waren dann bis 1991
dessen musikalischer Leiter. Sie haben auch
mit vielen anderen Gruppen Erfahrungen gesammelt.
Worin liegt für Sie der Reiz der
Arbeit mit Ensembles?
PETER EÖTVÖS Diese Besetzung kannte ich
schon früher. Als ich während des Studiums
in Budapest Filmmusik komponierte,
ich war etwa sechzehn, wählte ich jedes Mal
eine andere Besetzung. Für mich war das
damals neu, und ich konnte alles ausprobieren.
So war ich von Anfang an als Komponist
und als Dirigent mit wechselnden
Kleinbesetzungen vertraut. Das Ensemble
entsprach meinen Vorstellungen eigentlich
immer besser als das Orchester, sowohl von
der Größe als auch von der Problematik
her: die Individualität der Linie, die kammermusikalische
Beziehung zwischen den
Einzelstimmen und Gruppen.
Was empfanden Sie als das Besondere am
Ensemble intercontemporain?
EÖTVÖS Mit 31 Musikern war es von Anfang
an relativ groß und erlaubte dadurch ein
sehr breites Repertoire. Boulez hat von
Anfang an auf eine solide Institutionalisierung
des Ensembles geachtet. Er erreichte
zum Beispiel, dass die Ensemblemitglieder
in ihrem Lohn den Musikern des Orchestre
de Paris gleichgestellt wurden. Das machte
den Job attraktiv, und er bekam die besten
Musiker, die sich für die Neue Musik interessierten.
Die Frage der Bezahlung ist sehr
wichtig, denn an ihr sind viele Ensembles
gescheitert. Der nächste Schritt in der Entwicklung
der Ensembles erfolgte dann
1980 mit der Gründung des Ensemble
Modern. Es baute auf den Erfahrungen von
Paris auf, aber mit dem einen wesentlichen
Peter Eötvös
über Ensemblekultur
Unterschied, dass es nach dem Prinzip der
Selbstverwaltung funktioniert.
Wie unterscheidet sich für den Dirigenten die
Arbeit mit dem Orchester und mit dem Ensemble?
EÖTVÖS Das ist vor allem eine Mentalitätsfrage.
Ein Orchester zu dirigieren bedeutet,
ein großes Kollektiv als Einheit zu behandeln,
und der Dirigent muss absolut führen.
Die Methoden sind natürlich von Orchester
zu Orchester verschieden, aber die
Verantwortung für das Ganze liegt eindeutig
bei ihm. Beim Ensemble hingegen steht
der Dirigent auf der gleichen Ebene wie der
Musiker. Er befindet sich in einem kammermusikalischen
Dialog mit den Instrumentalisten,
die sich als Solisten verstehen,
und es besteht ein allgemeiner Konsens,
dass er ihre Vorstellungen und Wünsche
aufgreift. Beim Orchester funktioniert das
nur begrenzt, etwa mit dem Konzertmeister
oder einem Stimmführer. Im Ensemble
muss jeder Musiker seine Probleme selbst
lösen, und meine Aufgabe als Dirigent ist
es, diese individuellen Prozesse zu koordinieren.
Meine Rolle könnte man beschreiben
als die eines zusätzlichen Spielers mit
einer Spezialaufgabe.
Jedes Ensemble hat seine Identität. Wie wirkt
sich das auf die Arbeit des Gastdirigenten aus?
EÖTVÖS Um effizient proben zu können,
muss er die strukturellen Eigenschaften
kennen. Das Ensemble intercontemporain ist
zum Beispiel ein straff organisiertes Ensemble,
bei dem die Probenzeiten wie bei
einem großen Orchester auf die Minute eingehalten
werden müssen. Bei einem selbstverwalteten
Ensemble wie dem Ensemble
Modern werden die Probenzeiten zwar
auch genau festgeschrieben, aber man
hält sich nicht sklavisch daran, und notfalls
wird sogar freiwillig weiter geprobt. Die
Entscheidung darüber wird gemeinsam
getroffen.
Da wird vermutlich auch viel diskutiert.
EÖTVÖS Auf jeden Fall. Aber von Diskussionen,
die das Ensemble selbst betreffen,
ist der Dirigent ausgeschlossen, und das ist
auch gut so. Anders sind wiederum die
Strukturen bei der London Sinfonietta. Ihre
Mitglieder, Musiker aus der Londoner
Orchesterszene, spielen auf höchstem Niveau
und sind unglaublich schnell im
Lesen. Die Proben müssen genau geplant
werden und verlaufen völlig reibungslos.
Ich muss nur gelegentlich eingreifen und
im übrigen darauf achten, dass ich mit
ihrem Lerntempo Schritt halten kann …
Beim diesjährigen musikfest berlin treten Sie
als Dirigent mit der musikFabrik auf. Wie
lange kennen Sie dieses Ensemble schon und
was reizt Sie besonders an der Arbeit mit ihm?
EÖTVÖS Ich kenne die musikFabrik seit ihrer
Entstehung, aber ich habe mit ihr erst
später begonnen zusammen zu arbeiten. Es
war sehr schön zu verfolgen, wie das
Ensemble seinen eigenen Weg gefunden
hat. Die Musiker sind sehr frisch, innovativ
und mutig genug, um komplexe, große,
ungewöhnliche Projekte zu veranstalten.
Zuletzt haben wir im Mai 2010 in Köln die
Orchesterfassung der Hymnen von Stockhausen
gespielt.
Welche Rolle für die Identität des Ensembles
spielt das Repertoire?
EÖTVÖS Ein neu gegründetes Ensemble
muss sich einen Grundstock schaffen und
eignet sich deshalb zunächst die Standardwerke
an. Da die Identitätsbildung aber
hauptsächlich über das Repertoire geschieht,
ist es nötig, möglichst frühzeitig
mit unverwechselbaren Programmen aufzuwarten.
Alle großen Ensembles haben
heute ihr charakteristisches Repertoire
und damit ein eigenes Gesicht, und das ist
phantastisch. Wenn man bedenkt, dass diese
Entwicklung erst einige Jahrzehnte alt
ist, kann man nur staunen über die Vielfalt.
Diese Vielfalt ist wohl auch wichtig für das
Bestehen am Markt.
EÖTVÖS Ganz klar. Um etwas verkaufen zu
können, muss sich ein Ensemble von den
anderen unterscheiden. Wenn das nicht
funktioniert, ist seine Existenz gefährdet,
denn die Mitglieder müssen von ihren Auftritten
leben können.
Im Moment scheint das zu klappen, nicht
zuletzt dank eines gut ausgebauten internationalen
Veranstalter-Netzwerks.
EÖTVÖS Ja, aber man weiß nie, ob das von
Dauer ist. Es kommt darauf an, dass die
Leute, die an den entscheidenden Stellen
sitzen, sich ihrer großen Verantwortung bewusst
sind. Die zahllosen Ensembles, die es
heute weltweit gibt, leisten einen wesentlichen
Beitrag zur Weiterentwicklung der
neuen Musik. Aber um ihre Ziele zu erreichen,
sind sie auf die Weitsicht und tatkräftige
Unterstützung der Veranstalter und
ihrer Geldgeber angewiesen.
[Das Gespräch führte Max Nyffeler]
38
journal musikfest berlin
Ich habe eine Vision von den Songlines, die sich über Kontinente und Zeitalter erstrecken;
dass, wo immer Menschen gegangen sind, sie die Spur eines Liedes hinterließen (von dem wir
hin und wieder ein Echo auffangen können) und dass diese Spuren in Zeit und Raum
zu isolierten Inseln in der afrikanischen Savanne zurückführen, wo der erste Mensch
den Mund öffnete, den ihn umgebenden Schrecken zum Trotz, und die erste Strophe des
Weltenliedes sang: »ICH BIN!« [Bruce Chatwin]
Streichquartette von Kevin Volans
Afrika als Erinnerung
White Man Sleeps – der Titel des bekanntesten
Stücks von Kevin Volans, das vor mehr
als 20 Jahren zum Bestseller wurde, gewinnt
sofort etwas Ironisches, wenn man ihn auf
Leben und Werk dieses Komponisten selbst
bezieht. Denn wenn es ein Motiv gibt, das
als Schlüssel für beides dienen könnte, dann
ist es gerade im Gegenteil die Wachheit
der Bewegung. Bewegung bestimmt seine
Musik, und nicht nur in zahlreichen Kompositionen
für das Tanztheater, eigentlich ist
jedes seiner Stücke durch seine jeweils
eigene und charakteristische Gangart geprägt.
Und Volans Biographie mit Lebensstationen
in Südafrika, Deutschland und
Irland, wo er seit 1995 lebt, erscheint im
Spiegel seiner Reflexionen zur eigenen Position
als Teil jener großen Wanderung
zwischen den Kontinenten, die die Menschheit
seit Zehntausenden von Jahren unternimmt.
Geboren wurde Volans 1949 in Südafrika, in
der kleinen Stadt Pietermaritzburg, und er
wuchs in einem Milieu auf, das die englischeuropäische
Kultur völlig unberührt von der
Umgebung ritualhaft pflegte. Mit abstrakter
Malerei und Klavierspiel schuf sich der
Jugendliche in seiner mehr den praktischen
Seiten des Lebens zugewandten Familie eine
weitere, ganz für sich existierende Welt.
Dieses selbstgewählte Paralleluniversum
führte ihn aber auch auf Wege, die die anderen
nicht gingen. Volans veranschaulicht
dies gesprächsweise gerne in dem Bild des
Jungen, der sich im Schulbus unter den
anderen nicht wohl fühlte und den Weg nach
Hause lieber zu Fuß zurücklegte. Erst später,
im Rückblick, erkannte er, auf welch
paradoxe Art diese täglichen Gänge ihn
als Komponist geprägt hatten: »Ich hatte
überhaupt keinen Kontakt mit afrikanischer
Musik, außer dass ich, wenn ich gewöhnlicherweise
zu Fuß von der Schule nach Hause
ging, die Gitarrenmusik der Zulus hörte,
und Leute, die auf der Straße saßen und sangen.
Ich ging an all diesen Leuten, die afrikanische
Musik spielten, vorbei nach Hause
und spielte Chopin.« Das war durchaus eine
Art Schlaf als Abschirmung vor der Welt,
aber für den Schlafwandler baute sich
doch eine Verbindung mit diesem anderen,
was um ihn herum unüberhörbar war, auf.
Als Volans 1973 nach Europa kam, um bei
Karlheinz Stockhausen in Köln zu studieren,
hielt er sich für einen Europäer, er hatte
nicht nur die klassische Musik studiert, sondern
war auch mit den Positionen der Avantgarde
vertraut. Aber was ihn von seiner Umgebung
unterschied, war nicht nur ein anderes,
von ihm selbst bald als »afrikanisch«
verstandenes Raum- und Zeitgefühl, sondern
auch ein anderer Blick auf die Verbindlichkeit
von Tradition, auch die der Neuen
Musik. Volans empfand, obwohl er bald
auch als Stockhausens Lehrassistent arbeitete,
doch eine gewisse Distanz, suchte nach
Wegen, sich die künstlerischen Freiheiten
zu nehmen, zu denen ihn seine musikalische
Intuition führte. Eine Hilfe war dabei
die sozusagen nachgeholte Entdeckung der
afrikanischen Musik, auch als Rekonstruktion
eines Teils seiner eigenen Biographie.
Volans produzierte für den WDR Rundfunksendungen,
für die er musikethnologische
Forschungsreisen vor allem zu Zulu-
Musikern seines Heimatlandes unternahm
und sich so zum ersten Mal wirklich in die
Lage brachte, dieser Musik zuzuhören. Für
ein gutes Jahrzehnt bestimmte dann die
Auseinandersetzung mit afrikanischer Musik
Volans’ Komponieren, auch als ein Moment
der Suche nach seiner eigenen komplexen
Identität. Er konnte sich nicht mehr
als Europäer sehen, war aber offensichtlich
auch kein Afrikaner. Eine Zeit lang brachte
diese Problematisierung von Identität auch
künstlerisch fruchtbare Ergebnisse. Aber
Ende der 1980er Jahre verschwinden die
direkten Zitate mehr und mehr aus seiner
Musik und schon 1991 betonte er in einem
Bagara, 1959, Foto: Ed van der Elsken
BBC-Interview: »Obwohl ich aus Afrika
komme, sind meine künstlerischen Wurzeln
wirklich westlich. Ich denke an all diese
Stücke jetzt als an klar westliche Stücke.«
Dies eint die drei Streichquartette aus den
Jahren 1987 bis 2004, die das Duke Quartet in
der Parochialkirche spielen wird, obwohl sie
voneinander getrennt sind durch die Verwendung
afrikanischer Musik (im 2. und
3. Quartett) und ein abstrakteres Idiom im
9. Quartett. Es findet eine imaginäre Klang-
Heimat allenfalls im Raum der Instrumente
selbst, indem es seine Harmonik aus der
Klang-Situation der leeren Saiten heraus
entwickelt.
Bewegung bedeutet für Volans aber auch
in anderem Sinne eine Grundbedingung
seiner ästhetischen Konzepte, und zwar
als Bewegung zwischen den Künsten. Als
Komponist hat er schon lange in extrem produktiver
Weise den Kontakt zu anderen
Künstlern gesucht, sei es im Musiktheater,
wo der Südafrikaner William Kentridge mit
seinen Projekten über den italienischen
Schriftsteller Italo Svevo sein Partner war,
sei es in der Malerei, wo Volans beispiels-
weise in dem vergeistigten Minimalismus
von Jürgen Partenheimer auf Geistesverwandtschaft
stieß und jüngst eine große
Raumkomposition zu dessen Bildern schuf,
sei es schließlich in der Literatur, die auch
wieder zum Musiktheater führte. Volans
Freundschaft mit Bruce Chatwin fällt in
dessen zwei letzte Lebensjahre. Viele Musiker
hatten Chatwin nach dem Erscheinen
seines Romans The Songlines (deutscher
Titel: Traumpfade) 1987 wegen einer Bearbeitung
kontaktiert, aber nur Volans hatte
das Glück empfangen zu werden. Die gemeinsam
konzipierte Oper The Man with
Footsoles of Wind über das kurze und rastlose
Leben von Arthur Rimbaud, der auch in
dem Roman als Kronzeuge einer nomadisierenden
Existenz erscheint, musste Volans
dann mit einem anderen Librettisten beenden.
Aber die einzigartige Beziehung zu
Chatwin fand noch zu dessen Lebzeiten
ihren Niederschlag im 3. Streichquartett
von 1988, das den Titel The Songlines übernimmt
und dessen Musik teilweise in der
Oper wieder erscheint. Die afrikanische
Klangwelt, von der sich Volans Musik da-
journal musikfest berlin 39
nach weitgehend entfernen sollte, erscheint
in diesem Stück schon viel gebrochener als
in früheren Werken. In den Worten des
Komponisten: »Ich habe diese Anspielungen
als einen ›konkreten‹ Hintergrund für
die abstraktere Musik des Stückes benutzt.
Afrika wird zur schwindenden Erinnerung:
Meine Harmonisierung und Umarbeitung
der Musik vertreiben die Empfindung eines
bestimmten Ortes.«
[Martin Wilkening]
Kevin Volans musikfest berlin 10
_Sa 11. September
Parochialkirche
Hunting: Gathering Streichquartett Nr. 2
The Songlines Streichquartett Nr. 3
Shiva Dances Streichquartett Nr. 9
Duke Quartet
40
journal musikfest berlin
Fumeux fume par fumee
Der Codex Chantilly und das Ensemble graindelavoix
Der Codex Chantilly, eine Handschrift mit
französischen Chansons aus dem Zeitraum
von etwa 1380 bis 1415, enthält zwölf Werke,
die Solage zugeschrieben sind, dessen
Leben aber völlig im Dunkeln liegt – abgesehen
von einem Detail: In dem Rondeau
Fumeux fume spielt Solage auf seine Eigenschaft
als »fumeux« an. Offenbar war er Mitglied
jener Gruppe von Pariser Bohèmiens
mit exzentrischen Lebensregeln, die nach
einem gewissen Jean Fumeux benannt
wurde, und mit dessen Name sich der Text
der Chanson ein Wortspiel gestatten:
»Fumeux fume«; »Der Raucher raucht mit
Rauch, wolkige Spekulation. […] Denn
Rauchen gefällt ihm sehr bei seiner Spekulation.«
Diese auch für unsere Ohren sehr
bizarr klingende Chanson, die offenbar klingendes
Abbild des Lebensgefühls der
»fumeux« sein sollte, ist die heute am häufigsten
aufgenommene und deshalb berühmteste
Komposition der »Ars subtilior«. Es handelt
sich um jene hoch verfeinerte Kunst im
»Herbst des Mittelalters« (Johan Huizinga
1919), die am päpstlichen Hof in Avignon
und in den Residenzen einiger hoch gebildeter
französischer Adliger erblühte. Seit den
70er Jahren des 20. Jahrhunderts wird sie für
unsere Musikkultur wiederentdeckt. Ihr
grundsätzliches Kennzeichen ist eine hochgradige
kompositorische Exzentrizität (bei
den Texten handelt es sich eher um konventionelle
Liebesdichtung), die sich vor allem
in rhythmisch geradezu haarsträubend
kompliziert geformten Melodien niederschlägt.
Die mehrstimmigen Lieder strah-
len für den Hörer von heute eine extreme
Anspannung aus, die zu faszinieren vermag,
aber ein konzentriertes Hören geradezu
erzwingt.
Man könnte darüber spekulieren, ob diese
Musik ein Widerhall der Zerrissenheit jener
Welt darstellt, in der sie entstand. Dem
überbordenden Luxus der höfischen Sphäre,
an dem diese Musik einen gewichtigen
Anteil hatte, stand eine »Außenwelt« gegenüber,
die von einer vielfältigen Apokalypse
erschüttert war. Pestzüge und Hungersnöte,
der Hundertjährige Krieg zwischen
England und Frankreich sowie der Bürgerkrieg
zwischen den Herzoghäusern Orléans
und Burgund verursachten allenthalben
Entsetzen und Leid. Wiederentdeckt für
unsere Welt, wird die Musik, an der der mittelalterliche
Adel die Weltflucht durch
Kunstgenuss erprobte, ein bemerkenswertes
Gegenbild zur Neuen Musik in unserer
Zeit. Denn man erlebt in der Ars subtilior
eine Musik, deren Komplexität zwar bis
zum Exzess gesteigert ist, die aber die
grundlegenden rhythmischen und harmonischen
Gesetzmäßigkeiten der musikalischen
Komposition – die für das späte Mittelalter
charakteristisch und uns im Hörprozess
unmittelbar eindringlich werden –
absolut unangetastet lässt.
Die mittelalterliche Ars subtilior konfrontiert
die Interpreten heutzutage mit einer
Reihe von Schwierigkeiten. So müssen die
mittelalterlichen Handschriften notwendigerweise
Grundlage des Musizierens sein,
da eine moderne Übertragung die Raffi-
nesse der Komposition nicht im Detail wiedergeben
kann. Die kompliziertesten rhythmischen
Proportionen innerhalb einer
Stimme müssen klanglich genauestens abgebildet
werden. Bisweilen erklingen darüber
hinaus im dreistimmigen Satz drei
Taktarten simultan. Ihre Autonomie muss
in aller Deutlichkeit herausgearbeitet werden,
wobei diese interpretatorische Detailarbeit
absolut »mühelos« erklingen muss.
Weiterhin muss die besondere Affektsprache
der Kompositionen ergründet und den
Hörern eindringlich gemacht werden.
graindelavoix, geleitet von Björn Schmelzer,
hat sich für eine rein vokale Darstellung des
Repertoires entschieden. Dies korrespondiert
mit der Grundintention des Ensembles,
dem es in den bereits vorliegenden Einspielungen
gelungen ist, den Vokalklang
der Musik des späten Mittelalters interpretatorisch
neu zu gestalten. Aber graindelavoix
versteht sich weniger als ein Spezialensemble
für Alte Musik, sondern vielmehr als
ein kollektives Experimentierfeld für Sänger
und Instrumentalisten zwischen den
Bereichen Interpretation und eigener musikalischer
Kreativität. Der Name des Ensembles
wurde einem Essay des Philosophen
und Semiologen Roland Barthes
(1915–1980) entnommen (»le grain, c’est le
corps dans la voix qui chant«; »Die Körnung,
das ist das Körperliche in einer Stimme, die
singt«), in dem Barthes die »irdene« Essenz
einer Stimme ergründet. Entsprechend
experimentiert graindelavoix mit den Möglichkeiten
des stimmlichen Umgangs mit
Courants de fumée, Foto: Étienne-Jules Marey, 1901
journal musikfest berlin 41
»Körnung« als einer körperlichen und geistigen
Dimension des Gesangs. Gegründet
1999 von Björn Schmelzer, einem ausgebildeten
Musikethnologen, hat das Ensemble
seinen Sitz in Antwerpen. Die gemeinsame
Arbeit erstreckt sich auf sehr Unterschiedliches,
etwa auf die Polyphonie Ockeghems,
mediterrane Musizierpraktiken, Traditionen
des einstimmigen sakralen Gesangs,
Ideen der Scholastik, die körperliche Emotionalität,
Gestik und unterschiedliche kulturelle
Vorstellungen von Musik. Im Hinblick
auf die Alte Musik steht die Frage im
Vordergrund, was die musikalische Notation
auszudrücken vermag – und was sie auslässt.
Eben dieses höhere Bewusstsein und
die Gewandtheit im Hinblick auf Verzierung
und Improvisation verbinden die
Musiker mit der Alten Musik. Schmelzer
arbeitet mit Sängern und Instrumentalisten,
die Vielfalt, Unterschiedlichkeit,
Ornamentation und Improvisation in ihr
Tun mit einbeziehen. In vieler Hinsicht ist
dies eine Annäherung an die Alte Musik
aus dem Geist der Musikethnologie.
In der interpretatorischen Auseinandersetzung
mit der Ars subtilior wird graindelavoix
gewiss einen neuen, wenn nicht revolutionären
Akzent zu setzen wissen.
[Bernhard Morbach]
graindelavoix musikfest berlin 10
_Mi 8. September
Gethsemanekirche
CODEX CHANTILLY
Musik des späten 14. Jahrhunderts
Meister der Ars subtilior
Kompositionen von Solage, Baude Cordier,
Matheus de Sancto Johanne,
Philippot de Caserta u.a.
graindelavoix
Björn Schmelzer
KONZERT
DIREKTION
LEONIDAS KAVAKOS
27.9.2010
HÉLÈNE GRIMAUD
9.11.2010
ARTEMIS QUARTETT
Beethoven-Zyklus / Teil 2
PHILHARMONIA ORCHESTRA
17.11.2010
IVO POGORELICH
17.11.2010
WIENER PHILHARMONIKER
Dezember 2010
JULIA FISCHER
9.12.2010
PIERRE-LAURENT AIMARD
16.2.2011
HANS ADLER
GRIGORIJ SOKOLOV
23.2.2011
EMMANUEL PAHUD
28.2.2011
ALISON BALSOM
7.4.2011
DANIEL HOPE
3.5.2011
NEW YORK
PHILHARMONIC
19.5.2011
FREIBURGER
BAROCKORCHESTER
Berlin-Saison 2010/2011
… UND VIELE MEHR!
Karten: 030/826 47 27
www.musikadler.de
Abonnieren Sie jetzt!
Abos unter 89 59 92-24
SAISON 2010/2011
Abonnements | subscriptions musikfest berlin 10
Abonnement I Eröffnungswochenende
Fr 3. Sept London Symphony Orchestra
Sa 4. Sept SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
So 5. Sept Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam
Euro 160 | 120 | 90 | 60
Abonnement II Folk Songs-Zyklus
Fr 3. Sept London Symphony Orchestra
Do 9. Sept. Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Fr 10. Sept Berliner Philharmoniker
Mo 13. Sept musikFabrik
Euro 200 | 170 | 120 | 90
Abonnement III Berio-Serie
Fr 3. Sept London Symphony Orchestra
So 5. Sept Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam
Mo 6. Sept London Philharmonic Orchestra
Fr 10. Sept Berliner Philharmoniker
Mo 13. Sept musikFabrik
Di 14. Sept Bayerisches Staatsorchester
Euro 320 | 250 | 180 | 120
Abonnement IV Boulez-Serie A
Sa 4. Sept SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Di 7. Sept Ensemble Modern
Mi 15. Sept Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Fr 17. Sept Berliner Philharmoniker
So 19. Sept Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie
Euro 220 | 180 | 140 | 90
Abonnement V Boulez-Serie B
Sa 4. Sept SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Do 16. Sept Konzerthausorchester Berlin
Fr 17. Sept Berliner Philharmoniker
So 19. Sept Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie
Mo 20. Sept Staatskapelle Berlin
Euro 220 | 180 | 140 | 90
berlinerjugendabo
Inhaber des berlinerjugendabo können über ticketinfo@berlinerfestspiele.de
oder 030-25489100 eine Karte für das Eröffnungskonzert (3. Sept.) zum Sonderpreis
von 6,– euro bestellen. Informationen zum jugendabo: www.berlinerjugendabo.de
Einzelpreise | prices musikfest berlin 10
Preisgruppe A
Euro 78 | 68 | 58 | 50 | 42 | 36 | 29 |25
Preisgruppe B
Euro 68| 58 | 50 | 42 | 36 | 25 | 15
Preisgruppe C
Euro 56 | 48 | 42 | 35 | 22 | 15
Preisgruppe D
Euro 44 | 39 | 34 | 29 | 21 | 15
Preisgruppe E
Euro 40 | 35 | 30 | 25| 20 | 15
Preisgruppe F
Euro 40 | 30 | 20 |10
Preisgruppe G
Euro 18
Je nach Verfügbarkeit gibt es ermäßigte Karten an den Abendkassen für Schüler, Studenten
bis zum 27. Lebensjahr, Auszubildende, Wehr- und Ersatzdienstleistende, ALG II-
Empfänger.
BEETHOVEN ZYKLUS presented
WIENER
PHILHAR-
MONIKER
MI 1.12.2010, 20 UHR
4. & 5. Sinfonie
DO, 2.12.2010, 20 UHR
6. & 7. Sinfonie
SA 4.12.2010, 18 UHR
1., 2. & 3. Sinfonie
SO 5.12.2010, 11 UHR
8. & 9. Sinfonie
by
CHRISTIAN
THIELEMANN
Karten: 030/826 47 27
www.musikadler.de
Foto: Hanns Joosten
Moderation
Petra Gute
DONNERSTAGS
22:15 UHR
www.rbb-online.de/stilbruch
Internationaler Literaturpreis 2010
Preisverleihung
Mi 29.9.20 h
Moderation
Denis Scheck
Päsentiert von
www.hkw.de
Tonangebend
in Sachen Musik
Mehr Leben mit Kultur
Klassik Oper Noten
CDs DVDs Musikbücher
Instrumente Zubehör
Friedrichstraße
Friedrichstraße 90 10117 Berlin
www.kulturkaufhaus.de
Fon: 030 - 20 25 11 11
Montag-Samstag 10-24 Uhr
Oper und Kino!
Wir präsentieren die Met-Saison 2010/11
Erleben Sie die acht schönsten Opern-Aufführungen
der weltberühmten Metropolitan Opera New York
live in High Definition in 20 ausgewählten CineStar-
Filmpalästen. Infos zu teilnehmenden Kinos und zum
Programm unter www.cinestar.de
9.10. Das Rheingold | 23.10. Boris Godunow
13.11. Don Pasquale | 11.12. Don Carlo
26.2. Iphigénie en Tauride | 9.4. La Comte Ory
30.4. Il Trovatore | 14.5. Die Walküre
Karten|tickets musikfest berlin 10
Internet
www.musikfest-berlin.de | ohne Bearbeitungsgebühr!
Kasse Berliner Festspiele | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin
Mo – Sa 14.00 –18.00 Uhr
Telefonische Bestellungen +49(0)30 - 254 89 100 | Mo – Sa 10.00 –18.00 Uhr
Gebühr 3,–Euro pro Bestellung | entfällt bei Abonnements
Kasse Philharmonie | Herbert-von-Karajan-Str. 1 | 10785 Berlin
Mo–Fr 15.00–18.00 Uhr | Sa, So und Feiertage 11.00–14.00 Uhr
Telefon +49(0)30 - 254 88 999 | Fax +49(0)30 - 254 88 323
Internet www.berliner-philharmoniker.de
Abendkasse jeweils 1 1/2 Stunden vor Beginn der Veranstaltung
Karten auch an den bekannten Vorverkaufskassen.
Spielorte | venues
Philharmonie und Kammermusiksaal der Philharmonie
Herbert-von-Karajan-Str. 1, Tiergarten
U- Bahn [u2] Potsdamer Platz | S-Bahn [ s1, s2, s25] Potsdamer Platz | Bus 200, M48, M85
Gethsemanekirche
Stargarder Straße 77, Prenzlauer Berg
U-Bahn [u2] Schönhauser Allee| | S-Bahn [ s41, s42, s8, s9] Schönhauser Allee | Tram M1
Parochialkirche
Klosterstr. 66/67, Mitte
U-Bahn [u2] Klosterstraße| S-Bahn Alexanderplatz
Konzerthaus Berlin
Gendarmenmarkt, Mitte
U-Bahn [u2, u 6 ] Hausvogteiplatz, Stadtmitte, Französische Straße | Bus 100, 147, 148, 200, TXL
musikfest berlin 10 im Radio
_ 5. Sept | 20.04 h | rbb kulturradio
Concertgebouworkest Amsterdam
Live-Übertragung
_ 5. Sept | 20.03 h | DLR Kultur
SWR Sinfonieorchester
vom 4. September
_ 9. Sept | 20.03 h | DLR Kultur
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Live-Übertragung
_ 14. Sept | 20.03 h | DLR Kultur
Bayerisches Staatsorchester
Live-Übertragung
_ 19. Sept | 20.03 h | DLR Kultur
Bamberger Symphoniker
Live-Übertragung
_ 23. Sept | 20.03 h | DLR Kultur
Ensemble intercontemporain
vom 18. September
_ 25. Sept | 21.30 h | DLR Kultur
Berliner Philharmoniker
vom 17./18. September
Deutschlandradio Kultur UKW 89,6 | Kabel 97,50
kulturradio vom rbb UKW 92,4 | Kabel 95,35
_ 5. Okt | 20.03 h | DLR Kultur
musikFabrik
vom 13. September
_ 7. Okt | 00.05 h | DLR Kultur
Ensemble intercontemporain
vom 19. September
_ 9. Okt | 20.04 h | rbb kulturradio
Berliner Philharmoniker
vom 10. September
_ 10. Okt | 20.03 h | DLR Kultur
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
vom 15. September
_ 17. Okt | 20.04 h | rbb kulturradio
Staatskapelle Berlin
vom 20. September
_ 17. Okt | 20.04 h | rbb kulturradio
graindelavoix
vom 8. September
spielzeit ’ europa
2010
DIE THEATER- UND TANZSAISON DER BERLINER FESTSPIELE
November
11. – 14. CONTINU
Sasha Waltz & Guests Deutschlandpremiere
20. – 25. UN TRAMWAY
nach Tennessee Williams
Regie Krzysztof Warlikowski Deutschlandpremiere
Dezember
2. – 4. CRÉATION 2010
Ballett Preljocaj / Bolschoi-Theater
5. + 6. MISSION
von David Van Reybrouck, Regie Raven Ruëll
9. – 12. BABEL [words]
Sidi Larbi Cherkaoui / Damien Jalet
16. – 18. RITE OF SPRING
und RE- [PART II]
Shen Wei Dance Arts Deutschlandpremiere
21. TRISTI TROPICI
Compagnia Virgilio Sieni Deutschlandpremiere
Tickets und Informationen
www.spielzeiteuropa.de | [030] 254 89-100
zehntes
internationales
literaturfestival
berlin
15.9-25.9.10
www.literaturfestival.com www.berlinerfestspiele.de
Kultur
güterim
Zeitschriftenformat
Mehr Oper gibt es nur
in der Oper.
Was
vom Theater bleibt
steht in Theaterheute
Die
Zeitschrift
für Leser.
Jetzt kostelos testen!
www.kultiversum.de/shop
musikfest berlin 10 2. – 21. September
Veranstalter: Berliner Festspiele
Intendant: Prof. Dr. Joachim Sartorius
Kfm. Geschäftsführung: Charlotte Sieben
Künstlerische Leitung, Programm: Dr.Winrich Hopp
Organisationsleitung: Anke Buckentin
Mitarbeit: Ina Steffan, Chloë Richardson
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker
Journal
Redaktion: Bernd Krüger, Winrich Hopp
Grafisches Konzept |Gestaltung: LMN [Günter Karl Bose]
Titel-Foto: Benjamin Rinner
Redaktionelle Mitarbeit: Anke Buckentin, Juliane Kaul
Anzeigen: Runze & Casper Werbeagentur GmbnH
Gesamtherstellung: Goldmann-Druck AG, Tulln, Österreich
Leiterin Marketing: Kerstin Schilling
Leiterin Presse: Jagoda Engelbrecht
Presse musikfest berlin: Patricia Hofmann
Mitarbeit: Sara Franke
Presse-Telefon: + 49(0)30 - 254 89 223 | presse@berlinerfestspiele.de
Leiter Ticket Office: Michael Grimm | Telefon + 49(0)30 - 254 89 100
Leiter Redaktion | Internet: Frank Giesker
Leiter Hotelbüro : Heinz Bernd Kleinpass
Protokoll: Gerhild Heyder
Informationen
Berliner Festspiele | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin
Telefon +49(0)30 - 254 89 0 | Fax +49(0)30 - 254 89 111
www.berlinerfestspiele.de
Medienpartner
Partner
Berliner Festspiele | Ein Geschäftsbereich der
Gefördert von
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
Stand August 2010 | Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten
Leif Ove Andsnes
Pianist in Residence
Für die Spielzeit 2010/2011 haben die Berliner
Philharmoniker mit Leif Ove Andsnes ihren
achten Pianist in Residence ernannt. Neben
vier Konzerten im Kammermusiksaal, wird
der Norweger an drei Abenden, gemeinsam
mit dem Orchester, in der Philharmonie auftreten.
Konzerttermine
21. September 2010
12. Dezember 2010
16.-18. März 2011
18. April 2011
8. Juni 2011
Weitere Informationen auf:
www.berliner-philharmoniker.de
Leif Ove Andsnes
Pianist in Residence
Für die Spielzeit 2010/2011 haben die Berliner
Philharmoniker mit Leif Ove Andsnes ihren
achten Pianist in Residence ernannt. Neben
vier Konzerten im Kammermusiksaal, wird
der Norweger an drei Abenden, gemeinsam
mit dem Orchester, in der Philharmonie auftreten.
Konzerttermine
21. September 2010
12. Dezember 2010
16.-18. März 2011
18. April 2011
8. Juni 2011
Weitere Informationen auf:
www.berliner-philharmoniker.de