Programmbroschüre musikfest berlin 10 - Berliner Festspiele
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<strong>musikfest</strong> <strong>berlin</strong> <strong>10</strong><br />
37 Solisten von Weltrang, 27 Chöre, Ensembles und Orchester des internationalen<br />
Musiklebens – mit dabei die orchestralen Flagschiffe, die die Hauptstadt Berlin<br />
zu ihrem Heimathafen haben: An 20 Tagen werden in der Philharmonie, in deren<br />
Kammermusiksaal, in der Parochialkirche, in der Gethsemanekirche und im Konzerthaus<br />
am Gendarmenmarkt 24 Veranstaltungen mit über 60 Werken von rund 25<br />
Komponisten geboten. Im Mittelpunkt des Programms: das musikalische OEuvre von<br />
Pierre Boulez und Luciano Berio. Nach dem Blick auf die düsteren Seiten des<br />
»Zeitalters der Extreme« im vergangenen Jahr wendet sich das <strong>musikfest</strong> <strong>berlin</strong> <strong>10</strong><br />
einer Verszeile von Stéphane Mallarmé zu: »Das reine, lebensvolle, schöne Heut und<br />
Jetzt…« –, die Pierre Boulez in Pli selon pli, diesem einzigartigen musikalischen<br />
Faltenwurf des 20. Jahrhunderts, so unnachahmlich vertonte und mit der Olivier<br />
Messiaen 1958, im Entstehungsjahr von Pli selon pli, auf das unverbrüchliche Recht<br />
einer jeden jungen Generation zur Gestaltung ihrer Gegenwart hinwies.<br />
Es war Charles Baudelaire, der in seinen Tagebüchern die poetische Beschreibung<br />
eines Schiffes notierte, in der sich auch Gestalt und Idee des orchestralen<br />
Klangkörpers zu erkennen geben: »Ich glaube, dass der unendliche und<br />
geheimnisvolle Zauber, der in der Betrachtung eines Schiffes liegt, und vornehmlich<br />
eines Schiffes in Bewegung, in erster Linie von der Regelmäßigkeit<br />
und Symmetrie herrührt, die zu den grundlegenden Bedürfnissen des menschlichen<br />
Geistes gehören, in gleichem Maße wie die Kompliziertheit und die<br />
Harmonie – und in zweiter Linie von der immer wiederkehrenden Vielfalt und<br />
der eingebildeten Vorstellung all der Kurven und Figuren, welche durch die tatsächlichen<br />
Grundelemente des Gegenstandes im Raume entstehen. Der poetische<br />
Gedanke, der durch diesen Vorgang der Bewegung in den Linien ausgelöst<br />
wird, ist die Vorstellung eines ungeheuren, unermesslichen, komplizierten,<br />
jedoch ebenmäßigen Wesens, eines von Geist erfüllten Lebewesens, welches<br />
leidet und alle Seufzer und Verlangen der Menschheit zum Ausdruck bringt.«<br />
Luciano Berio, einer der beiden zentralen Komponisten des diesjährigen<br />
Festivalprogramms, träumte als Junge davon, als Kapitän eines eigenen Schiffes<br />
zur See zu fahren. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit, eine musikalische: Die<br />
Musik wurde ihm zum Weltenmeer, zu einer lebenslangen Odyssee, auf der –<br />
angeregt durch die anthropologischen Schriften von Claude Lévi-Strauss, ethnomusikologische<br />
Feldforschungen von Simha Aron und die Linguistik von<br />
Roman Jacobson – Musik aus den musikalischen Volkstraditionen Italiens,<br />
Frankreichs, Armeniens, des damaligen Jugoslawiens, von Stammeskulturen<br />
Afrikas und amerikanischer Indianer in zitierter, phonographierter, transkribierter<br />
oder neukomponierter Gestalt Eingang in seine Werke fanden. Von diesen<br />
musikalischen Weltreisen berichten die beim <strong>musikfest</strong> <strong>berlin</strong> <strong>10</strong> aufgeführten<br />
Werke des italienischen Komponisten: die Folk Songs, das Bratschenkonzert<br />
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