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INFOS - Arbeitskammer des Saarlandes

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www.in-4mation.de<br />

Das Jugendmagazin der <strong>Arbeitskammer</strong> <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong><br />

Kritische AK-Filmtage<br />

Bildungsstreik 2010<br />

Ölmulti: Böse Panne<br />

AK-Fotowettbewerb:<br />

Die Gewinner<br />

Städtetipp Berlin<br />

IG-Metall Jugend:<br />

Gegen prekäre<br />

Beschäftigung<br />

Das Heft im Heft:<br />

Wissen, was Sache ist<br />

Neonazis:<br />

Viel saufen, viel prügeln<br />

JAV-Wahlen:<br />

Azubis sind keine Sklaven<br />

Reporter ohne Grenzen:<br />

Gegen Druck und Zensur<br />

Musik: Kate Nash<br />

Centre Pompidou<br />

in Metz<br />

WM: Fangedanken<br />

August 2010<br />

1


-Filmtage<br />

vom 20. bis 24. September 2010<br />

Mit<br />

kritischem<br />

Blick<br />

Auch in diesem Jahr bietet die<br />

<strong>Arbeitskammer</strong> mit ihren<br />

Filmtagen Schulklassen und<br />

Jugendgruppen wieder die<br />

Möglichkeit, die Welt aus der<br />

Sicht von Filmemachern mit<br />

kritischem Blick zu betrachten,<br />

Hintergründe zu erfahren und<br />

darüber zu diskutieren.<br />

Auf dem Programm stehen Spiel- und<br />

Dokumentarfilme, die sich mit den<br />

Auswirkungen <strong>des</strong> Kapitalismus<br />

befassen. Denn weltweit werden auch<br />

im 21. Jahrhundert sowohl Menschen<br />

ausgebeutet als auch unsere natürlichen<br />

Lebensgrundlagen zerstört. Menschen<br />

müssen ihre Heimat verlassen und<br />

versuchen, sich in der Fremde eine neue<br />

Existenz aufzubauen.<br />

Die Filme werden im „kino achteinhalb“<br />

in Saarbrücken gezeigt. Drei Vorstellungen<br />

pro Tag (8.30 Uhr, 11 Uhr und 17<br />

Uhr) sind für Schulklassen und<br />

Jugendgruppen kostenlos, allerdings ist<br />

eine Anmeldung erforderlich. Um 20<br />

Uhr können alle Interessierten den Film<br />

<strong>des</strong> Tages zum ermäßigten Eintrittspreis<br />

von 3 Euro sehen.<br />

Weitere Informationen sowie<br />

umfangreiches Informations- und<br />

Unterrichtsmaterial zum Download:<br />

www.arbeitskammer.de/filmtage2010<br />

Donnerstag, 23.09.2010<br />

Kapitalismus: Eine<br />

Liebesgeschichte<br />

Dokumentarfilm<br />

Regie: Michael Moore,<br />

109 Min., USA 2009<br />

Michael Moore kehrt mit diesem Film<br />

zurück zu der Frage, die vor 20 Jahren<br />

bereits seine Karriere eingeleitet hat:<br />

Welche Auswirkungen hat das<br />

<strong>des</strong>aströse Verhalten von<br />

Großunternehmen und ihr<br />

ungebändigtes Profitstreben auf das<br />

Leben der Menschen? Nach „Roger &<br />

Me“, „Bowling for Columbine”,<br />

„Fahrenheit 9/11” und „Sicko”<br />

untersucht er nun gewohnt kritisch und<br />

mit bissigem Humor die Ursachen und<br />

Auswirkungen der globalen Finanzkrise.<br />

Mittwoch, 22.09.2010<br />

Plastic Planet<br />

Dokumentarfilm<br />

Regie: Werner Boote<br />

99 Min., A 2009<br />

Die Menge <strong>des</strong> Kunststoffs, den wir in<br />

den letzten 100 Jahren produziert<br />

haben, würde reichen, den ganzen<br />

Erdball sechsmal einzupacken. Plastik<br />

findet sich in jedem Haushalt, aber auch<br />

im Meer und in der Wüste. Doch was<br />

wirklich darin steckt, bleibt das<br />

Geheimnis der Industrie – die 800<br />

Milliarden Euro Umsatz pro Jahr damit<br />

macht. Ungefährlich ist der Stoff<br />

jedenfalls nicht. Er kann in unsere<br />

Nahrungskette eindringen und braucht<br />

200 Jahre, bis er zerfällt. Werner Boote<br />

hat lange recherchiert und zeigt<br />

eindrucksvoll die Kehrseite der bunten<br />

und praktischen Plastikwelt.<br />

Dienstag, 21.09.2010<br />

Die Klasse<br />

Spielfilm<br />

Regie: Laurent Cantet<br />

124 Min., F 2008<br />

Der junge Lehrer François (François<br />

Bégaudeau) unterrichtet Französisch in<br />

einem Pariser Problembezirk.<br />

Gemeinsam mit Kollegen bereitet er sich<br />

auf ein neues Schuljahr mit<br />

Migrantenkindern vor, die kaum die<br />

Lan<strong>des</strong>sprache beherrschen, geschweige<br />

denn je ein Buch gelesen haben. Das<br />

weckt den Ehrgeiz <strong>des</strong> Idealisten, der<br />

nicht nur ungewöhnliche Lehrmethoden<br />

ersinnt, sondern in seinem Unterricht<br />

auch soziale Werte, Respekt und<br />

Toleranz vermittelt.<br />

Für den fast dokumentarischen Spielfilm<br />

über ein Schuljahr in der Banlieu gab es<br />

2008 die Goldene Palme in Cannes, 2009<br />

wählte ihn die Jury der evangelischen<br />

Filmarbeit zum Film <strong>des</strong> Jahres.<br />

Freitag, 24.09.2010<br />

Up in the air<br />

Spielfilm<br />

Regie: Jason Reitman<br />

110 Min., USA 2009<br />

Über den Wolken ist die Freiheit<br />

grenzenlos für Ryan Bingham (George<br />

Clooney): Er fliegt 322 Tage im Jahr<br />

geschäftlich um die ganze Welt, um für<br />

fremde Firmen Mitarbeiter zu entlassen,<br />

deren Chefs nicht den Mumm haben,<br />

diese undankbare Aufgabe selbst zu<br />

übernehmen. Flughäfen, Mietautos und<br />

Hotelrestaurants geben ihm das wohlige<br />

Gefühl, zu Hause zu sein. Dass es<br />

daneben noch etwas anderes geben<br />

muss im Leben, merkt der fliegende<br />

Rausschmeißer ziemlich spät.<br />

Text: Gabi Hartmann<br />

Fotos: Verleih<br />

Montag, 20.09.2010<br />

Neukölln<br />

unlimited<br />

Dokumentarfilm,<br />

Regie: Agustino Imondi und Dietmar<br />

Ratsch<br />

96 Min., D 2010<br />

Die Familie Akkouch lebt im Berliner<br />

Bezirk Neukölln. Sie ist vor dem<br />

Bürgerkrieg im Libanon geflüchtet und<br />

in Deutschland nur geduldet. „Neukölln<br />

unlimited“ zeigt ein Jahr im Leben von<br />

dreien der Geschwister: Hassan,<br />

deutscher Meister im Breakdance, Lial,<br />

Promoterin eines Boxstalls und Sängerin<br />

in einer Band, und Maradona, der bei<br />

Deutschlands Supertalent mitmacht.<br />

www.in-4mation.de<br />

Das Jugendmagazin der <strong>Arbeitskammer</strong> <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong><br />

Kritische AK-Filmtage 2<br />

Centre Pompidou Metz 4<br />

Böse Panne 6<br />

AK-Fotowettbewerb 8<br />

Städtetipp Berlin 10<br />

IG-Metall: Gegen prekäre<br />

Beschäftigung 12<br />

Das Heft im Heft:<br />

Wissen, was Sache ist 13-20<br />

Viel saufen, viel prügeln 21<br />

Azubis sind keine Sklaven 22<br />

Gegen Druck und Zensur 24<br />

Kate Nash 26<br />

Bildungsstreik 2010 28<br />

WM: Fangedanken 30<br />

Impressum:<br />

Verleger: <strong>Arbeitskammer</strong> <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong>,<br />

Abteilung Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Fritz-Dobisch-Straße 6-8, 66111 Saarbrücken,<br />

Tel. 0681/4005-406, Fax 4005-401<br />

Chefredakteur: Peter Riede<br />

Redaktion: Peter Jacob, Gabi Hartmann,<br />

Jürgen Matheis<br />

presse@arbeitskammer.de<br />

www.arbeitskammer.de<br />

www.in-4mation.de<br />

Autoren dieser Ausgabe: Kai Florian Becker,<br />

Sabine Graf, Gabi Hartmann, Peter Jacob,<br />

Stefan Kerber, Jürgen Matheis, Nicolas Oswald<br />

Titelfoto: Nicolas Oswald, Berlin<br />

Cartoon Rückseite: ©TOM<br />

Fotos: Pasquale D´Angiolillo, Winfried Becker,<br />

picture alliance, Gerhard Eisinger, Alixandra<br />

Fazzina, Filmverlage, Katharina Hesse/Agentur<br />

Focus, Mirian Künzli, Armin Lücke, Manh Ngoc<br />

Ngyen, Musikverlag, Lothar Nöth, Reiner Oettinger,<br />

Nicolas Oswald, Peter Riede, Shaul Schwarz/<br />

Reportage by Getty Images, Tomas van Houtryve/<br />

Panos pictures<br />

Layout: Kurt Heinemann<br />

Mac-Operator: Andrea König<br />

Lithos: HR Medienservice, Saarlouis<br />

Druck: Kern Druck, Bexbach<br />

Gedruckt auf Umweltschutzpapier


Das neue Centre<br />

Pompidou-Metz ist der Renner:<br />

Im Mai eröffnet wurden bis<br />

heute über 200.000 Besucher<br />

gezählt. Wer noch keine 26<br />

Jahre ist, kann sich 800<br />

Meisterwerke großer Künstler<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts, die bis 25.<br />

Oktober gezeigt werden,<br />

umsonst angucken. Allein der<br />

Blick über die Stadt ist einen<br />

Besuch wert; und natürlich die<br />

einzigartige Architektur <strong>des</strong><br />

Centre.<br />

Was ist ein Meisterwerk? Hat der Begriff<br />

<strong>des</strong> Meisterwerks in unserer heutigen<br />

Zeit überhaupt noch einen Sinn? Wer<br />

entscheidet darüber, was ein<br />

Meisterwerk ist? Ist ein Meisterwerk<br />

ewig? Die Eröffnungsausstellung<br />

hinterfragt anhand einer einzigartigen<br />

Auswahl von rund 800 Werken den<br />

Begriff <strong>des</strong> Meisterwerks, seine<br />

Geschichte und seine heutige<br />

Bedeutung.<br />

Die in der Ausstellung Centre<br />

Pompidou-Metz – einer luftigen<br />

Konstruktion, die einem Strohhut<br />

nachempfunden ist – vereinten<br />

Exponate sind Werke großer Künstler<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts und stammen<br />

größtenteils aus der Sammlung <strong>des</strong><br />

Museums für Moderne Kunst <strong>des</strong> Centre<br />

Pompidou in Paris. Das Publikum kann<br />

Meisterwerke entdecken oder<br />

wiederentdecken und unerwartete<br />

Begegnungen erleben. Alle sind sie da:<br />

Miró, Picasso, Dubuffet, Cartier-Bresson,<br />

Kandinsky...<br />

Die meisterhafte Ausstellung wird<br />

zudem durch Werke ergänzt, die eigens<br />

in Auftrag gegeben wurden, sowie<br />

durch Leihgaben renommierter<br />

französischer und ausländischer Museen.<br />

Malerei, Bildhauerei, Grafikkunst,<br />

Installationen, Fotografie, Video,<br />

Klangwerke, Kino, Architektur, Design:<br />

Alle Bereiche <strong>des</strong> künstlerischen<br />

Schaffens sind vertreten.<br />

Die Ausstellung „Meisterwerke?“ lädt<br />

zu einem Besuch durch vier<br />

Themenbereiche ein. Der Parcours in der<br />

Grande Nef (Eingangshalle im<br />

Erdgeschoss) ist chronologisch<br />

aufgebaut und eine Begegnung mit den<br />

„Meisterwerken der Geschichte“. Er<br />

wirft einen neuen Blick auf die<br />

Schlüsselmomente <strong>des</strong> Museums für<br />

Moderne Kunst.<br />

Centre Pompidou-Metz<br />

mit Meisterwerken<br />

In der Galerie 1 bringen die<br />

„Meisterwerke und ihre Geschichten“<br />

den Besuchern das Leben der<br />

ausgestellten Werke näher, das mit dem<br />

künstlerischen Entstehungsprozess<br />

beginnt und bis zu seiner Rezeptions-<br />

und Wirkungsgeschichte gegenüber<br />

Kritikern und Institutionen reicht. Die<br />

Ausstellung wird auf der Galerie 2 mit<br />

„Ein Traum von Meisterwerken“<br />

fortgesetzt, einem Entwurf <strong>des</strong><br />

erträumten Museums.<br />

Der Parcours auf der Galerie 3<br />

„Meisterwerk auf ewig“ hinterfragt den<br />

Fortbestand <strong>des</strong> Begriffs „Meisterwerk“<br />

im 20. Jahrhundert, einem Zeitalter der<br />

Reproduzierbarkeit von Bildern. Neben<br />

der schönen Kunst bieten die mächtigen<br />

Galerien mit ihren riesigen Glasfassaden<br />

eindrucksvolle Ausblicke über die Stadt.<br />

Infos<br />

Das Centre Pompidou-Metz liegt direkt<br />

hinter dem Metzer Hauptbahnhof und<br />

ist in fünf Minuten zu Fuß zu erreichen.<br />

Wer mit dem Auto anreist, findet Platz<br />

in der großen Tiefgarage. Bald soll ein<br />

Online-System an den Start gehen, mit<br />

dem im Voraus Eintrittskarten zu fixen<br />

Zeiten reserviert werden können. Im<br />

Moment ist gerade an den<br />

Wochenenden mit längeren<br />

Wartezeiten zu rechnen. Weitere Infos<br />

auch in deutscher Sprache unter<br />

www.centrepompidou-metz.fr<br />

Text: Peter Jacob<br />

Fotos: Peter Riede<br />

4 5


Die Ölpest im Golf von Mexiko<br />

und andere Katastrophen<br />

B P öse<br />

Am 20. April 2010 explodiert im<br />

Golf von Mexiko die von BP<br />

betriebene Ölplattform „Deepwater<br />

Horizon“. Elf Menschen<br />

sterben, zwei Tage später sinkt<br />

die Plattform. Seither laufen<br />

täglich Millionen Liter Rohöl aus<br />

– die bisher größte Umweltkatastrophe<br />

der USA nimmt<br />

ihren Lauf. Es sollte die<br />

schlimmste Ölpest aller Zeiten<br />

werden. Doch auch ohne Unfälle<br />

schadet das profitträchtige<br />

Geschäft mit dem Rohstoff Öl<br />

Mensch und Umwelt.<br />

anne<br />

Der Stoff läuft auch unter dem Namen<br />

„Schwarzes Gold“. Denn wer es besitzt,<br />

fördert oder damit handelt, kann steinreich<br />

werden. Das kann man sehr schön<br />

in den arabischen Emiraten beobachten,<br />

wo die „Ölprinzen“ ein Megaprojekt<br />

nach dem nächsten aus dem Wüsten-<br />

boden stampfen, von künstlichen Inseln<br />

bis zu Skipisten. Aber auch die weltweit<br />

tätigen Konzerne sahnen nicht schlecht<br />

ab. Das lässt sich weniger spektakulär<br />

verfolgen als in Abu Dhabi, es sei denn,<br />

so ein Unternehmen gerät wegen etwas<br />

anderem in die Schlagzeilen. Dann<br />

werden in den Medien auch die<br />

Umsatzzahlen ausgegraben – und das<br />

Publikum staunt nicht schlecht.<br />

So geht es gerade dem<br />

Energieunternehmen BP (British Petrol),<br />

dem Betreiber der verunglückten<br />

Ölplattform. 2009 verzeichnete der<br />

international tätige Konzern mit Sitz in<br />

London einen Reingewinn von 13,9<br />

Milliarden US-Dollar. Und das war in<br />

Zeiten der Krise, als die Energiegiganten<br />

alle einen Gewinneinbruch erlitten.<br />

Shell etwa, das weltweit größte<br />

Energieunternehmen, stürzte regelrecht<br />

ab: von stolzen 31,3 Milliarden<br />

US-Dollar im Jahr 2007 blieben 2009<br />

„nur noch“ 12,5 Milliarden. Der<br />

Ölkonzern Exxon Mobil, auch bekannt<br />

unter dem Markennamen Esso, machte<br />

vor der Krise, im Jahr 2008, satte 45<br />

Milliarden Gewinn, im Jahr der Krise<br />

waren es immerhin noch gut 19<br />

Milliarden. Mitleid mit den Giganten ist<br />

allerdings unnötig, im ersten Quartal<br />

2010 fuhren die Konzerne wieder dicke<br />

Gewinne ein, allein sechs Milliarden<br />

waren es bei BP.<br />

Davon allerdings dürften in diesem Jahr<br />

große Summen in die Bewältigung der<br />

Katastrophen-Folgen fließen – in<br />

Entschädigungen und den Versuch, die<br />

Ölpest einzudämmen. Seit April zahlte<br />

BP nach eigenen Angaben täglich rund<br />

40 Millionen Dollar. Und noch ist völlig<br />

offen, wie hoch die Kosten für<br />

Säuberungen und Schadenersatz<br />

letztlich sein werden. Zwischen 30 und<br />

100 Milliarden schwanken die<br />

Schätzungen von Experten. 44.500<br />

Helfer, 6.500 Schiffe und 113 Flugzeuge<br />

waren Mitte Juli im Kampf gegen den<br />

Ölteppich im Einsatz.<br />

Fast schlimmer aber ist der Image-<br />

Schaden für den Konzern, der sich in<br />

den letzten Jahren bemühte, sich ein<br />

„grünes“ Erscheinungsbild zu geben,<br />

weg vom dreckigen Öl, hin zu sauberen<br />

Energien. Das ist jetzt dahin, zumal bei<br />

der Aufarbeitung der Katastrophe auch<br />

herauskam, wie lax in dem Unternehmen<br />

mit den Sicherheitsvorkehrungen<br />

umgegangen wurde. Denn die<br />

„Deepwater Horizon“ ist nicht der erste<br />

Fall, in dem aus Kostengründen bei der<br />

Sicherheit geschlampt und auf<br />

vorgeschriebene Kontrollen verzichtet<br />

wurde. 2005 starben 15 Menschen bei<br />

einer Explosion in einer Raffinerie in<br />

Texas – auf 87 Millionen Dollar belief<br />

sich die Strafe, weil BP gegen<br />

Sicherheitsvorkehrungen verstoßen<br />

hatte. An einer verrotteten Pipeline in<br />

Alaska fanden Experten ein Jahr später<br />

ein Loch, was mit einer Strafe von 20<br />

Millionen geahndet wurde.<br />

Aber Sicherheit scheint nicht das<br />

Hauptinteresse <strong>des</strong> Konzerns zu sein.<br />

Seit 2007 (bis zu seiner Abberufung im<br />

Juli) wird er von dem Geologen<br />

Tony Hayward geleitet, der bei den<br />

Meeresbohrungen darauf drängte, in<br />

immer weitere Tiefen vorzustoßen, in<br />

der Nordsee, im Atlantischen Ozean vor<br />

Angola und im Golf von Mexiko. Dort<br />

war man mittlerweile bei einer Tiefe<br />

von 1.500 Metern angelangt. Und hier<br />

liegen auch die meisten Tiefsee-Ölfelder<br />

der Welt, rund 160 nämlich. Weltweit<br />

sind nach Angaben der Umweltschutzorganisation<br />

Greenpeace rund 800<br />

Plattformen auf etwa 300 Ölfeldern im<br />

Einsatz. Mit der Sicherheit ist es dabei<br />

oft nicht weit her. Das belegen die<br />

vielen Störfälle. Schuld daran sind aber<br />

auch die viel zu laschen staatlichen<br />

Kontrollen. Wie sich im Fall BP herausstellte,<br />

hatte die Aufsichtsbehörde es<br />

der Firma überlassen, zu prüfen und zu<br />

bestätigen, dass die notwendigen<br />

Sicherheitsventile funktionieren. Und<br />

das war offenkundig kein Einzelfall –<br />

wie jetzt herauskam, haben sich viele<br />

staatliche Kontrolleure bestechen lassen,<br />

und die Ölfirmen verfügen über reichlich<br />

Schmiermittel…<br />

Doch es muss gar nicht erst zur großen<br />

Katastrophe kommen, um Mensch und<br />

Natur bei der Ölförderung nachhaltig zu<br />

schädigen. „Schon der Normalbetrieb ist<br />

eine einzige Katastrophe“, schrieb die<br />

„taz“ im Juni. Und führte jede Menge<br />

Beispiele an, auch bei uns. So stehen in<br />

der Nordsee insgesamt 400<br />

Förderanlagen, die beim alltäglichen<br />

Betrieb pro Jahr 10.000 Tonnen Öl ins<br />

Meer leiten. Dazu kamen 2007 nochmal<br />

4.000 Tonnen, die bei den über 500<br />

Unfällen auftraten. Auch hier fördert BP<br />

risikoreich in über 400 Metern Tiefe.<br />

In Nigeria steht vor allem der<br />

Shell-Konzern im Rampenlicht: Allein<br />

durch seine Förderung sollen im Jahr<br />

2009 etwa 14.000 Tonnen Rohöl ins<br />

Nigerdelta geflossen sein. Sie zerstörten<br />

damit langfristig das mit 20.000<br />

Quadratmetern größte Feuchtgebiet<br />

Afrikas, in dem (noch) 150 Tierarten<br />

beheimatet sind. „Royal Dutch Shell“, so<br />

der offizielle Name, fördert in Nigeria<br />

seit 1956 Öl, erwirtschaftet dort rund<br />

zehn Prozent seines Umsatzes und<br />

finanziert in der ehemaligen britischen<br />

Kronkolonie völlig ungeniert<br />

Bürgerkrieg und Waffenhandel.<br />

Aber nicht nur bei der Förderung,<br />

sondern auch beim Transport gelangen<br />

große Mengen Rohöl in die Umwelt.<br />

Dabei machen die spektakulären<br />

Tankerunfälle wie etwa 1978 die Amoco<br />

Cadiz in der Bretagne (über 220.000<br />

Tonnen gelangten ins Meer) nur einen<br />

Bruchteil der Verschmutzung aus: genau<br />

fünf Prozent nämlich. Die restlichen 95<br />

Prozent entstehen im Normalbetrieb<br />

beim Auswaschen der Tanks und<br />

Ölaustritten aus den Motoren.<br />

Vorbeugen könnte man der<br />

Dauerverschmutzung und immer wieder<br />

eintretenden Katastrophen nur mit<br />

einem globalen Umdenken. Doch damit<br />

tut sich die Politik genauso schwer wie<br />

mit wirksamen Auflagen für die<br />

mächtige Öl-Lobby. US-Präsident Barack<br />

Obama hat zwar angekündigt, neue<br />

Regeln einzuführen, damit so etwas nie<br />

wieder geschehen könne. Aber von<br />

einer radikalen Wende in der Energiepolitik<br />

war bisher keine Rede. 300<br />

Millionen Amerikaner, das sind fünf<br />

Prozent der Weltbevölkerung,<br />

verbrauchen weiter 25 Prozent <strong>des</strong><br />

Öls weltweit.<br />

Text: Gabi Hartmann<br />

Fotos: picture alliance<br />

6 7


1. Platz Fachjury für Manh Ngoc Ngyen<br />

2. Platz Fachjury für Mirian Künzli<br />

AK-Fotowettbewerb:<br />

ARBEITS WELTEN<br />

Über 200 Fotografen, über<br />

600 eingereichte Bilder:<br />

Der 1. <strong>Arbeitskammer</strong>-<br />

Fotowettbewerb<br />

„Arbeitswelten“, von den<br />

AK-Zeitschriften „arbeitnehmer“<br />

und „in-4mation“ Ende 2009<br />

ausgeschrieben, war ein voller<br />

Erfolg. Bei so vielen guten Fotos<br />

war die Entscheidung schwierig,<br />

Fachjury und Publikum kamen<br />

zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen.<br />

Es sind Momente, Bruchteile von<br />

Sekunden, in denen die Fotografen ihre<br />

Sicht der „Arbeitswelten“ festgehalten<br />

haben. Die unterschiedlichsten Motive<br />

wurden dabei gewählt. Es wurde mit<br />

Licht gespielt, es ging um Formen,<br />

besondere Situationen, Gefährliches,<br />

Alltägliches. Aus den 600 eingereichten<br />

Fotos wurde eine Vorauswahl von 30<br />

Motiven getroffen: Sowohl die<br />

Öffentlichkeit via Internet als auch eine<br />

Fachjury – besetzt mit Fotografen, einer<br />

Fachjournalistin, Werbefachleuten und<br />

einem Kulturschaffenden – entschieden<br />

am Ende über die Preisträger.<br />

Mit seinem Foto „Reisbauer“ hat<br />

Manh Ngoc Ngyen die Fachjury<br />

überzeugt. Er erhält 500 Euro als<br />

Preisgeld. Auf den Plätzen zwei und<br />

drei folgen Mirian Künzli aus Zürich mit<br />

ihrem Motiv „Bottle to bottle“ und der<br />

saarländische Fotograf und Inhaber<br />

einer Fotoagentur Winfried Becker mit<br />

seinem „Bergmann“. Beide bekommen<br />

als Anerkennung den Fotoband<br />

„Magnum Magnum“ aus dem<br />

Schirmer/Mosel-Verlag.<br />

Die Qual der Wahl hatte auch das<br />

Publikum. Via Internet wurden 1.570<br />

Stimmen abgegeben. Dabei lag am<br />

Ende Lothar Nöth aus Burglauer mit<br />

seinem Foto „Aufgereiht“ vorne. Er<br />

kann sich über 500 Euro Preisgeld<br />

freuen. Der zweiten Platz belegt<br />

Armin Lücke aus Hamburg, der sein<br />

Foto „Stau in Manhattan“ eingereicht<br />

hatte. Er bekommt genauso wie<br />

Gerhard Eisinger aus Bexbach für sein<br />

Foto „Beamter in Ruhe“, das den 3.<br />

Platz belegte, den Fotoband<br />

„Magnum Magnum“.<br />

Die Gewinner-Fotos sind auf der<br />

Homepage der <strong>Arbeitskammer</strong> unter<br />

www.arbeitskammer.de zu sehen. Für<br />

Ende <strong>des</strong> Jahres ist eine Ausstellung<br />

mit den 30 Fotos der Endrunde im<br />

AK-Haus der Beratung geplant. Die<br />

„in4mation“-Redaktion bedankt sich bei<br />

allen Einreichern und gratuliert<br />

den Gewinnern!<br />

Text: Peter Jacob<br />

1. Platz Publikumsjury für Lothar Nöth<br />

2. Platz Publikumsjury für Armin Lücke<br />

8 3. Platz Fachjury für Winfried Becker<br />

9<br />

3. Platz Publikumsjury für Gerhard Eisinger


Nicolas Oswald wohnt seit<br />

mehreren Jahren in Berlin. Er<br />

weiß, wo man für 2,50 Euro<br />

prima brunchen kann oder die<br />

beste Pizza außerhalb Italiens<br />

bekommt. Berlin-Touristen<br />

sollten nur seine beiden Tipps<br />

annehmen. Erstens: Mutig sein.<br />

Zweitens: Nicht doof sein.<br />

Gründe für einen Trip nach Berlin muss<br />

man wohl nicht mehr liefern. Laut<br />

Tourismuszentrale waren im letzten Jahr<br />

8,3 Millionen Menschen zu Besuch in<br />

der Hauptstadt. Das beste Jahr aller<br />

Zeiten für den Tourismus, mitten in der<br />

Wirtschaftskrise. Man hat den Eindruck,<br />

als wolle die ganze Welt einen Blick<br />

werfen in die unüberschaubare Vielfalt<br />

dieser Stadt. Da die Frage, ob man nach<br />

Berlin fahren sollte, geklärt ist, bleibt<br />

uns nur noch, den unvermeidlichen<br />

Aufenthalt in der Spreemetropole<br />

möglichst interessant und angenehm zu<br />

gestalten.<br />

Die Regel Nummer eins für Berlin lautet:<br />

Mutig sein! Das bedeutet in diesem Fall<br />

zum Beispiel: Wenn man vor dem<br />

Restaurant „Casolare“ steht, in dem<br />

offensichtlich kein Stuhl zum anderen<br />

passt, die Wände beschmiert sind und<br />

die Tische kreuz und quer vom<br />

unfreundlichen Personal mit viel zu<br />

vielen Menschen besetzt werden, sollte<br />

man sich nicht vom rüpelhaften Kellner<br />

übertölpeln lassen, sondern sich fragen,<br />

was all die Menschen dort machen. Und<br />

sich schnell auch noch mit an den<br />

nächstbesten Tisch quetschen. Dann<br />

merkt man ganz schnell, dass der<br />

Kellner sowieso kein Deutsch versteht<br />

und grundsätzlich etwas unorganisiert<br />

ist – man fühlt sich also wie im<br />

Italienurlaub. Und spätestens beim<br />

Genuss der besten Pizza außerhalb<br />

Italiens weiß man, wieso man doch<br />

geblieben ist.<br />

Städtetipp Berlin<br />

Wo Anzugträger<br />

um Döner rangeln<br />

Regel Nummer zwei: Nicht doof sein!<br />

Das wiederum bedeutet: Wenn man am<br />

Görlitzer Park vor dem „Hühnerhaus“<br />

steht, wo es ein ganzes Brathähnchen<br />

für 99 Cent gibt, und dort gut 60<br />

Hungrige in einer Schlange warten, um<br />

ein Hähnchen zu ergattern, stehen die<br />

60 dort, weil ein Brathähnchen 99 Cent<br />

kostet. Nicht, weil es dort die besten<br />

Hähnchen der Stadt gibt. Und das war’s<br />

eigentlich auch schon mit Regeln.<br />

Gute Läden sind selten ganz leer und<br />

gute Läden sind selten ganz billig – so<br />

gerne wir das auch hätten. Trotzdem<br />

muss man sich in Berlin nicht das Geld<br />

aus der Tasche ziehen lassen. Gerade an<br />

den großen Touristenmeilen steigen die<br />

Kosten ins Unermessliche. Aber auch<br />

hier findet man noch kleine Inseln. Statt<br />

sich am Checkpoint Charlie in den<br />

teuren Touri-Shops etwas zu Essen zu<br />

kaufen, geht man um die Ecke zu „Sale<br />

e Tabacchi“. Der hervorragende Italiener<br />

bietet nicht nur vernünftig bepreistes<br />

Essen, sondern liegt im Erdgeschoss <strong>des</strong><br />

„taz“-Gebäu<strong>des</strong> auch noch in einem<br />

interessanten Umfeld. Umgeben von<br />

den Gebäuden <strong>des</strong> Springer-Verlags<br />

liegt das Haus der „Tageszeitung“ in der<br />

Rudi-Dutschke-Straße, die ein Stück<br />

weiter auf die Axel-Springer-Straße trifft<br />

und damit eine Art 68er-Denkmal-<br />

Topografie bildet.<br />

Text und Fotos: Nicolas Oswald<br />

Am Kudamm geht man sich das<br />

berühmte „Kranzler-Eck“ zwar<br />

anschauen, essen sollte man aber – trotz<br />

<strong>des</strong> Namens – bei „Superhahn“ um die<br />

Ecke. Gelegen in der Kantstraße<br />

zwischen Joachimstaler Straße und<br />

Hardenbergstraße, direkt neben der<br />

Einfahrt zu einem Parkhaus. Winzig und<br />

ohne Sitzplätze, wieder ein Fall für<br />

Regel eins. Auf den ersten Blick lässt<br />

sich die typische Touristenfalle<br />

vermuten. Bis man mittags plötzlich in<br />

einer Schlange mit 30 gut gekleideten<br />

Büroangestellten aus der Umgebung<br />

steht, die ihre Ration vom „Hahn“<br />

holen. Der winzige Laden hat völlig zu<br />

recht seit Jahren von mehreren Stadtmagazinen<br />

Preise für einen der besten<br />

Döner der Stadt abgeräumt. Und die<br />

fehlenden Sitzplätze werden durch die<br />

Möglichkeit wieder wettgemacht, direkt<br />

vor der Gedächtniskirche unter den<br />

Bäumen Platz zu nehmen.<br />

Auch in der Kastanienallee am<br />

Prenzlauer Berg gibt es unzählige<br />

Möglichkeiten, sich in überteuerte Cafés<br />

zu setzen. Wieso es ausgerechnet im<br />

ersten Laden in der Straße, „An einem<br />

Sonntag im August“, bis heute sonntags<br />

Brunch für 2,50 Euro gibt, der auch<br />

noch richtig gut und vor allem<br />

„all-you-can-eat“ ist, weiß eigentlich<br />

keiner. Dass es so ist, sollte man aber<br />

schon wissen.<br />

Doch was bringt einem das beste Essen,<br />

wenn man abends in ein ausgeleiertes<br />

Bett fällt und in kleinen, dreckigen<br />

Zimmern den eigentlich schönen Tag<br />

beenden muss. Bei einer Unterkunft legt<br />

man sich ja normalerweise auch für<br />

mehrere Tage fest, anders als beim<br />

Essen. Denkt an Regel zwei.<br />

Übernachtung für 17 Euro? Da muss<br />

man sich nicht wundern, wenn einem<br />

nachts die Springfedern ins Kreuz<br />

drücken. Anders läuft das zum Beispiel<br />

im Michelbergerhotel. Schon die<br />

Website macht klar – das ist nicht das<br />

Durchschnittshotel. Von kleinen<br />

Zimmern bis zum riesigen<br />

Mehrpersonenzimmer ist alles<br />

vorhanden. Das Hotel wird von jungen<br />

Leuten geleitet, und das spürt man. An<br />

der gemütlichen, trotzdem belebten<br />

Hotellounge, kostenlosem WLAN im<br />

ganzen Hotel und an jungen,<br />

freundlichen Mitarbeitern. Gelegen<br />

zwischen der East-Side-Gallery, dem 1,3<br />

km langen, bemalten Mauerstreifen, der<br />

bis heute zum Pflichtprogramm für<br />

jeden Reisenden gehört, sowie<br />

Kreuzberg und Friedrichshain, die mit<br />

einem unüberschaubaren Angebot an<br />

Parties, Parks und Pizzabuden<br />

aufwarten, zählt das Michelberger zum<br />

Frischesten, was Berlins Hotellandschaft<br />

zu bieten hat.<br />

Und so zieht sich das eigentlich überall<br />

durch. Man kann für 8 Euro nach einer<br />

Stunde Wartezeit auf den Funkturm am<br />

Alex hochfahren, oder man fährt eine<br />

halbe Stunde mit der S-Bahn zum<br />

Teufelsberg (S-Bahn Heerstraße) und<br />

genießt einen unglaublichen Blick aus<br />

dem Grünen heraus über ganz Berlin.<br />

Umsonst!<br />

Ebenso kann man zum Feiern jeden<br />

Abend 10 Euro Eintritt im Weekend<br />

oder im Watergate zahlen, oder man<br />

plant vorher, schon zum Karneval der<br />

Kulturen zu kommen – und geht vier<br />

Tage überall umsonst feiern. Es geht<br />

immer so oder so – lohnen wird sich der<br />

Besuch auf jeden Fall. Das Internet<br />

macht es uns unglaublich leicht, vor der<br />

Reise Informationen über das<br />

<strong>des</strong>ignierte Ziel zu sammeln. Und diese<br />

Möglichkeit muss man bei einer Stadt<br />

von der Größe Berlins auch unbedingt<br />

wahrnehmen. Damit Ihr nicht bei Null<br />

anfangen müsst, haben wir unter<br />

www.in-4mation.de/berlin schon mal<br />

einige Tipps zusammengestellt, auf die<br />

Ihr Euch verlassen könnt. Doch damit<br />

kratzen wir wieder nur an der<br />

Oberfläche. Also, bitte, seid mutig, seid<br />

nicht doof – und entdeckt Euer ganz<br />

eigenes Berlin.<br />

10 11


IG-Metall-Kampagne<br />

Das Geld ist da,<br />

„Junge Generation = prekäre<br />

Beschäftigung“. Um gegen diese<br />

Gleichung zu kämpfen, hat die<br />

IG-Metall-Jugend eine Aktion<br />

für Ausbildung und<br />

Beschäftigung gestartet. In<br />

Homburg war der bun<strong>des</strong>weite<br />

Start.<br />

„Es war die erste Aktion bun<strong>des</strong>weit<br />

überhaupt“, stellte Stefan Birk,<br />

Gewerkschaftssekretär der<br />

IG-Metall-Verwaltungsstelle Saarbrücken<br />

und dort zuständig für die Jugend, fest.<br />

Viel war an diesem warmen<br />

Juni-Nachmittag in Homburg<br />

buchstäblich zusammengekommen: Fast<br />

600 Jugendliche, Schüler, Azubis und<br />

Studierende, Vertreter von<br />

Gewerkschaften und Parteien. Und laut<br />

geht es zu, um den „Fluch <strong>des</strong><br />

Kapitalismus“ zu bannen.<br />

Dafür stand eine zum Piratenschiff<br />

umgebaute Zugmaschine bereit, die die<br />

Teilnehmer der Demonstration durch die<br />

Homburger Innenstadt begleitete. Im<br />

letzten Jahr hat die IG Metall bereits die<br />

„Aktion Übernahme“ mit der Forderung<br />

gestartet, dass alle Azubis nach der<br />

Ausbildung in ein unbefristetes<br />

Beschäftigungsverhältnis übernommen<br />

werden. Bislang sieht der aktuelle<br />

Tarifvertrag zwar eine Übernahme für<br />

wenigstens zwölf Monate vor, stellt<br />

Stefan Birk klar, aber optimal sei das<br />

noch nicht. Die Azubis von Wolf<br />

Gartengeräte aus Betzdorf wiesen bei<br />

der Kundgebung auf ihr eigenes<br />

Dilemma hin: „Macht nur richtig los“,<br />

hatten ihnen Eltern und Lehrer geraten.<br />

Doch genutzt hat es nichts, mussten sie<br />

ernüchtert feststellen. Ihr Betrieb läuft<br />

Gefahr, von der Landkarte zu<br />

verschwinden.<br />

nur falsch<br />

verteilt<br />

„Die Weltwirtschaftskrise hat dazu<br />

geführt, dass Perspektiven für die<br />

Zukunft fehlen“, mahnt Metaller Birk.<br />

Dabei sei Geld da, wie man bei der<br />

Bankenrettung gesehen habe. „Nur ist<br />

es falsch verteilt“, so Werner Cappel,<br />

1. Bevollmächtigter der<br />

IG-Metall-Verwaltungsstelle Homburg.<br />

Daher gelte weiter die Gleichung<br />

„Junge Generation ist gleich prekäre<br />

Beschäftigung“, weil befristet<br />

beschäftigt zu sein schon die Regel sei,<br />

sagte Cappel. „Fast jeder Vierte unter<br />

27 Jahren findet keinen sicheren<br />

Arbeitsplatz“, bestätigt Stefan Birk.<br />

Wenn er überhaupt einen findet... Nach<br />

Birks Angaben fehlten 2008 187.000<br />

Ausbildungsplätze. Zudem sei die<br />

Arbeitslosenquote der 15- bis<br />

24-Jährigen mit fast 15 Prozent doppelt<br />

so hoch wie in der restlichen<br />

Bevölkerung. Derlei Missstände auf die<br />

lahmende Konjunktur und die Krise zu<br />

schieben, ist für ihn zu kurz gegriffen.<br />

Es handele sich dabei um ein strukturelles<br />

Problem und bedeute zudem ein<br />

Sparen am falschen Ende – eine Rechnung<br />

mit fatalen Folgen. Denn die heute<br />

fehlenden 250.00 Azubis seien<br />

die fehlenden Facharbeiter von morgen,<br />

rechnet Stefan Birk vor: „Das müsste<br />

doch auch ein Interesse der Betriebe<br />

sein und nicht nur das der<br />

Auszubildenden.“<br />

Alternativen zu zeigen, dafür stehe die<br />

Kampagne, erinnerte Milan Huhn vom<br />

Bezirksvorstand der IG-Metall-Jugend.<br />

IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild<br />

hatte dafür in seinem Beitrag bei der<br />

Kundgebung das Programm künftiger<br />

Staatsraison parat: Der Mensch statt das<br />

Kapital müsse im Vordergrund stehen.<br />

Gestalten statt Sparen, das müsse<br />

gelten. Das Allgemeinwohl sei den<br />

Privilegien für Millionäre vorzuziehen.<br />

Bislang bezahlten „die Jungen die<br />

Rechnung für den Luxus, an dem sie<br />

keinen Anteil hatten“, ruft Lars Desgranges,<br />

Gewerkschaftssekretär der<br />

IG-Metall-Verwaltungsstelle Völklingen<br />

den Zuhörern auf dem Marktplatz zu:<br />

„Unser Auftrag ist es, die Zukunft der<br />

jungen Generation neu zu gestalten.<br />

Die Krise haben wir nicht zu<br />

verantworten. Sie gehört den<br />

Spekulanten. Unsere Zukunft gehört<br />

uns.“<br />

Text: Sabine Graf<br />

Fotos: Reiner Oettinger<br />

Rechtsradikale Szene<br />

Auch im Saarland gibt es lokale<br />

rechte Szenen. Viele Neonazis<br />

lockt das einfache Weltbild,<br />

der Alkohol und rechte<br />

Rockmusik. Dabei ist es<br />

schwieriger geworden,<br />

Rechtsradikale an ihrem<br />

Äußeren zu erkennen.<br />

Die Zahlen sind eindeutig: 191 politisch<br />

motivierte Straftaten gab es 2009 im<br />

Saarland, 13 rechtspolitische<br />

Gewalttaten. Eine leichte Steigerung<br />

gegenüber 2008. „Dabei darf man nicht<br />

nur auf die Statistik blicken, wir müssen<br />

auch die Einstellung der Bevölkerung in<br />

den Blick nehmen“, sagt die<br />

saarländische Präventionsministerin<br />

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)<br />

und verweist auf Studien, wonach zehn<br />

Prozent der Bun<strong>des</strong>bürger über ein<br />

geschlossenes rechtsextremes Weltbild<br />

verfügten. Information und Aufklärung<br />

seien weiterhin notwendig. Ein Grund<br />

für den Saarpfalzkreis und das<br />

Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel, bei<br />

einer Veranstaltung in Homburg über<br />

die „Rechte Szene als Jugendkultur“ zu<br />

informieren.<br />

Viel saufen,<br />

viel<br />

prügeln<br />

Dabei stellte Klaus Farin klar: Zwar<br />

stagniere die Zahl der in der rechten<br />

Szene „fest“ organisierten Unter-30-<br />

Jährigen, „aber zur Entwarnung gibt es<br />

keinen Anlass“. Bun<strong>des</strong>weit seien<br />

100.000 Jugendliche Mitglieder in<br />

rechten Cliquen, so der Journalist und<br />

Mitbegründer <strong>des</strong> Archivs der<br />

Jugendkulturen e.V. Relativ<br />

unorganisiert zwar, aber stets mit einer<br />

hohen Gewaltbereitschaft. „Viel saufen,<br />

viel prügeln“, dieses Motto gelte immer<br />

noch, wobei rechte Gewalt zu über 95<br />

Prozent männlich dominiert sei.<br />

Was macht die rechte Szene attraktiv?<br />

Oft ist es die scheinbare Ordnung der<br />

Welt; das Denken in Schwarz-Weiß-<br />

Kategorien erleichtert vielen die<br />

Orientierung. Als Mitglied einer rechten<br />

Kameradschaft ist man nie selbst<br />

verantwortlich, es sind immer die<br />

anderen, die schuld sind. Das Wort „ich“<br />

taucht kaum auf, in der Regel wird in<br />

kollektiven Begriffen gedacht („das<br />

Volk“, „das System“, „die Ausländer“).<br />

Für den Zusammenhalt der Szene spielt<br />

„rechte Musik“ eine wichtige Rolle,<br />

auch wenn sie in der Regel<br />

handwerklich schlecht gemacht ist.<br />

Kaufmöglichkeiten im Internet gibt es<br />

genug.<br />

Wer nun glaubt, dass Rechtsextreme nur<br />

als Skinheads mit Springerstiefeln und<br />

Bomberjacke daherkommen, der irrt.<br />

Das Erscheinungsbild von Neonazis hat<br />

sich stark geändert, es ist schwieriger<br />

geworden, Mitglieder von rechten<br />

Szenen an ihrem Äußeren zu erkennen.<br />

Oft ist die Kleidung unauffällig-<br />

sportlich, sogar beim Outfit der linken<br />

und autonomen Szene werden Anleihen<br />

gemacht. Zugleich gibt es zahlreiche<br />

Co<strong>des</strong>, mit denen man seine<br />

Zugehörigkeit zur rechten Szene<br />

dokumentiert. Zahlenkombinationen<br />

(z.B. 88 für „Heil Hitler“) mit<br />

besonderen Bedeutungen etwa oder<br />

bestimmte Kleidermarken<br />

(z.B. Lonsdale).<br />

Dass man nicht für immer und ewig der<br />

rechten Szene verhaftet bleiben muss,<br />

darüber berichtete eindrucksvoll<br />

Matthias Adrian. Früher führen<strong>des</strong><br />

Mitglied der Jungen National-<br />

demokraten, arbeitet der 34-Jährige<br />

heute bei „Exit Deutschland“, einer<br />

Organisation, die Aussteigern zur Seite<br />

steht. Er stellte klar: „Halbe Ausstiege<br />

gibt es nicht.“ Wer aber die Szene<br />

wirklich verlassen wolle, für den gebe<br />

es gute Unterstützung, im Saarland<br />

etwa durch die Beratungsnetzwerke<br />

gegen Rechtsextremismus.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.kompetent-fuer-demokratie.de<br />

Text: Jürgen Matheis<br />

Fotos: picture alliance<br />

12 21


Ausbildung<br />

Wer nach zig Bewerbungen<br />

endlich einen Ausbildungsplatz<br />

sicher hat, muss nicht ständig<br />

Überstunden machen oder zur<br />

Bäckerei laufen, wenn der Chef<br />

pfeift. Denn: Auch Azubis haben<br />

Rechte. Die zu wahren, helfen<br />

die Jugend- und Auszubildendenvertretungen<br />

(JAVen), die<br />

ab Oktober<br />

wieder<br />

gewählt<br />

werden.<br />

Azubis sind keine<br />

„Die Übernahme der Azubis, das war<br />

das Hauptthema unserer Arbeit in der<br />

JAV. Wir haben immer dafür gekämpft,<br />

dass alle unbefristet übernommen<br />

werden.“ Martin Zimmer ist 22 Jahre<br />

alt, sitzt jetzt als IG-Metaller bei<br />

ThyssenKrupp-Gerlach im Betriebsrat<br />

und blickt zurück auf vier Jahre in der<br />

dortigen JAV. „Als es dem Unternehmen<br />

schlechter ging, haben wir alle<br />

Jugendlichen und Auszubildenden<br />

motiviert, gemeinsam für die<br />

Übernahme aktiv zu werden. Bei einer<br />

Betriebsversammlung haben sie so<br />

richtig eingeheizt, mit Transparenten,<br />

Tröten und Megaphonen, und ich<br />

konnte in einer Kampfrede der<br />

Geschäftsführung und den Kolleginnen<br />

und Kollegen klarmachen, was für die<br />

Jugendlichen Sache ist, wenn sie nicht<br />

übernommen werden.“ Trotz <strong>des</strong><br />

Engagements und der Unterstützung<br />

durch den Betriebsrat hat‘s am Ende<br />

doch nicht gereicht – auch das gehört<br />

zur Arbeit der Jugend- und<br />

Auszubildenden-<br />

vertretungen.<br />

„Die JAV ist die Interessenvertretung<br />

der Jugendlichen im Betrieb,<br />

Ansprechpartnerin bei Problemen, sie<br />

wacht über die Einhaltung der<br />

Tarifverträge und gibt Infos weiter, die<br />

den Betrieb als Ganzes oder die<br />

jeweiligen Jugendlichen betreffen“,<br />

erklärt Martin. „Bei uns gibt es zum<br />

Beispiel eine kollektive Sprechstunde,<br />

bei der die Azubis über Berufsschule,<br />

Ausbildung und Ausbildungsinhalte<br />

diskutieren und Probleme ins Gespräch<br />

bringen. Wir organisieren aber auch ein<br />

Lehrlingsfest, bei dem alle zusammen<br />

feiern.“<br />

Während Martin zu Beginn seines<br />

Mandats in der JAV vieles von den<br />

Älteren lernen konnte, musste sich<br />

Sophia Rasch, 23, als Auszubildende an<br />

der Uni zusammen mit ihren<br />

Mitstreiterinnen das meiste selbst<br />

erarbeiten: „An der Uni gab es etwa 20<br />

Jahre lang überhaupt keine JAV, 2007<br />

haben wir es dann geschafft, genügend<br />

Kandidatinnen und Kandidaten zu<br />

finden, um eine Wahl durchzuführen“,<br />

erzählt Sophia, die im Moment<br />

Vorsitzende ist. Eine dreitägige<br />

Schulung durch die Jugendsekretärinnen<br />

der zuständigen<br />

Gewerkschaft, ver.di Saar, legte zu<br />

Beginn zumin<strong>des</strong>t einige Grundlagen<br />

für die Arbeit in der JAV.<br />

Die Situation an der Uni ist schwieriger,<br />

weil die etwa 70 Auszubildenden über<br />

viele Institute verteilt sind und<br />

untereinander kaum Kontakt haben.<br />

„Wenn jeder für sich ist, ist es natürlich<br />

schwierig, überhaupt die Probleme der<br />

anderen zu kennen und gemeinsame<br />

Interessen zu vertreten“, betont Sophia.<br />

Hinzu kommt ein typisches JAV-Problem,<br />

das auch Martin kennt: Die<br />

Vorgesetzten und manchmal auch<br />

Kolleginnen und Kollegen sind nicht<br />

gerade begeistert, wenn die JAV alle<br />

sechs bis acht Wochen während der<br />

Arbeitszeit tagt. Das ist rechtlich so<br />

vorgesehen, muss aber in der Praxis<br />

immer wieder durchgesetzt werden.<br />

„Es ist so, dass in erster Linie die Arbeit<br />

zählt“, erklärt Sophia „für die JAV<br />

bereite ich <strong>des</strong>halb auch vieles zuhause<br />

vor.“<br />

Sklaven<br />

Von Anfang Oktober bis Ende<br />

November finden wieder JAV-Wahlen in<br />

allen Unternehmen statt, die einen<br />

Betriebsrat haben und min<strong>des</strong>tens fünf<br />

Azubis oder Jugendliche unter 18<br />

Jahren beschäftigen – darauf weist<br />

ver.di-Jugendsekretärin Viktoria<br />

Sklomeit hin: „Alle zwei Jahre wird<br />

gewählt, wahlberechtigt sind alle<br />

Azubis bis 25 Jahre, Jugendliche unter<br />

18 Jahre und auch Jahrespraktikanten,<br />

beispielsweise von der Fachoberschule.<br />

In die JAV dürfen Jugendliche bis 25<br />

Jahre gewählt werden, auch wenn sie<br />

ihre Ausbildung schon abgeschlossen<br />

haben.“ Zur Vorbereitung der Wahlen<br />

muss der Betriebsrat einen<br />

Wahlvorstand gründen, der die Wahl<br />

dann gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz<br />

durchführt. „Am besten ist es,<br />

wenn die alte JAV an diesem Prozess<br />

beteiligt wird“, findet Viktoria. Je nach<br />

Anzahl der Auszubildenden hat die JAV<br />

zwischen einem Mitglied (bei fünf bis 20<br />

Wahlberechtigten) und 15 Mitgliedern<br />

(bei mehr als 1.000 Wahlberechtigten).<br />

Und für alle neugewählten JAVen gilt,<br />

so Viktoria: „Die Gewerkschaften stehen<br />

immer als Ansprechpartnerinnen bereit<br />

und bieten verschiedene Schulungen an,<br />

die dabei helfen sollen, erfolgreich die<br />

Interessen der Jugendlichen und<br />

Auszubildenden im Betrieb zu<br />

vertreten.“<br />

Wichtiges Thema an der Uni ist neben<br />

der Übernahme nach der Ausbildung<br />

die Einführung einer Verbundausbildung<br />

für Laborantinnen und<br />

Laboranten. „Wir wollen, dass die<br />

Auszubildenden an verschiedenen<br />

Instituten im Labor mitarbeiten und<br />

Erfahrungen sammeln können. Bei den<br />

Kaufleuten ist das möglich – trotzdem<br />

erhalten wir wenig Unterstützung für<br />

unseren Vorschlag.“ Erfolgreich war die<br />

JAV, als sie sich für Auszubildende<br />

einsetzte, die ausbildungsfremd in der<br />

Tierpflege eingesetzt wurden: „Wir<br />

haben zusammen mit den Betroffenen<br />

und mit Unterstützung <strong>des</strong> Personalrates<br />

Druck gemacht, sodass schließlich<br />

andere Personen für diese<br />

Arbeiten eingestellt wurden.“<br />

Jede Menge Einsatz ist also gefordert<br />

von den Aktiven in der JAV und wenn<br />

Personalräte und Betriebsräte voll hinter<br />

der JAV stehen, dann lässt sich manches<br />

verbessern. Sophia resümiert daher: „Es<br />

gibt Höhen und Tiefen und einen<br />

Kraftakt nach dem anderen – aber es<br />

macht auch richtig Spaß und man kann<br />

unglaublich viel lernen.“<br />

Infos zu JAV<br />

Den Arbeitsalltag von Jugendlichen<br />

beleuchtet die ver.di-Jugend Saar mit<br />

drei Vorträgen in der Reihe „mittwochs<br />

um 5 zu ver.di“. Am 25. August heißt es:<br />

„Mach meinen Kumpel nicht an – Wie<br />

der Rassismus unseren Alltag<br />

beherrscht“, präsentiert von Mitgliedern<br />

<strong>des</strong> Netzwerkes für Demokratie und<br />

Courage. Zwei Wochen später, am 8.<br />

September, referieren Julia Pranke und<br />

Pascal Honig von der ver.di-Jugend zum<br />

Thema: „Wir wählen unsere<br />

Jugend- und Auszubildendenvertretung,<br />

denn auch Auszubildende haben im<br />

Betrieb ein Wörtchen mitzureden.“<br />

Viktoria Sklomeit und Saskia<br />

Schwarzweller von der ver.di-Jugend<br />

sind die Referentinnen am<br />

22. September. Sie stellen fest: „Von<br />

wegen nur Kaffee kochen oder Ablage<br />

machen“, und beantworten die Frage:<br />

„Welche Rechte haben Jugendliche im<br />

Betrieb?“ Los geht‘s jeweils um 17 Uhr<br />

im Saarbrücker ver.di-Haus in der<br />

St. Johanner Straße, der Eintritt ist frei.<br />

Text: Stefan Kerber<br />

Fotos: Pasquale D´Angiolillo<br />

22 23


Vor 25 Jahren gründete eine<br />

Handvoll Journalisten im<br />

südfranzösischen Montpellier<br />

„Reporter ohne Grenzen“.<br />

Heute ist daraus eine weltweit<br />

agierende Menschenrechts-<br />

organisation geworden. Ein<br />

Netzwerk von über 120 Korrespondenten<br />

setzt sich rund um<br />

den Globus für Meinungs- und<br />

Pressefreiheit ein und unterstützt<br />

verfolgte Journalisten<br />

und Medien.<br />

Informationen setzen Menschen in die<br />

Lage, politisches Handeln zu verstehen.<br />

Und dann möglicherweise auch<br />

zu kritisieren oder sich dagegen<br />

zu wehren. Nicht jeder Staaten-<br />

lenker sieht das gern. Vor allem<br />

totalitäre Regime haben etwas<br />

dagegen, dass frei und ungehindert<br />

über ihr Tun und Treiben berichtet<br />

wird. Deshalb üben sie Zensur aus,<br />

setzen Medien unter Druck, machen<br />

Journalisten mundtot, oft sogar im<br />

wörtlichen Sinn.<br />

18 Journalisten wurden im ersten<br />

Halbjahr 2010 ermordet, 171 ins<br />

Gefängnis gesperrt. Dagegen macht<br />

die Organisation „Reporter ohne<br />

Grenzen“, kurz ROG, nun seit<br />

einem Vierteljahrhundert auf der<br />

ganzen Welt mobil. Denn für<br />

sie steht fest:<br />

„Pressefreiheit ist die Basis einer<br />

demokratischen Gesellschaft“.<br />

Wo Medien nicht über Unrecht,<br />

Machtmissbrauch oder Korruption<br />

berichten können, davon sind die<br />

ROG-ler überzeugt, findet auch keine<br />

öffentliche Kontrolle statt, keine freie<br />

Meinungsbildung und kein friedlicher<br />

Ausgleich von Interessen. Und wo nicht<br />

unabhängig berichtet werden darf, wo<br />

Menschen nicht frei ihre Meinung<br />

äußern können, da werden auch<br />

andere Menschenrechte verletzt, so<br />

die Erfahrung. Daraus ergibt sich die<br />

Schlussfolgerung, dass die Wahrung<br />

der Pressefreiheit stets auch<br />

ein zuverlässiger Gradmesser für die<br />

Achtung der Menschenrechte in einem<br />

Land darstellt.<br />

Um das zu überprüfen, beobachtet und<br />

dokumentiert „Reporter ohne<br />

Grenzen“ kontinuierlich die Situation<br />

der Medienfreiheit in über 150<br />

Ländern. Über 120 Korrespondentinnen<br />

und Korrespondenten recherchieren die<br />

Fakten, arbeiten mit lokalen Nicht-<br />

Regierungs-Organisationen zusammen<br />

und reisen an die Brennpunkte. Wenn<br />

Journalistinnen und Journalisten<br />

bedroht, verfolgt oder inhaftiert<br />

werden, mobilisiert ROG in kürzester<br />

Zeit internationale Unterstützung. Aber<br />

die Organisation geht auch an die<br />

Öffentlichkeit, wenn Zeitungen<br />

zensiert, Sender verboten oder<br />

Mediengesetze missbraucht werden.<br />

Reporter ohne Grenzen<br />

Im Mittelpunkt der Arbeit aber steht<br />

der Schutz von Journalistinnen und<br />

Journalisten. Werden sie wegen<br />

unbequemer Berichte oder Recherchen<br />

inhaftiert, organisiert ROG<br />

Rechtsanwälte, zahlt Kautionen und<br />

schickt Prozessbeobachter. Bei akuter<br />

Bedrohung von Leib und Leben werden<br />

Reporter im wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes<br />

aus der Schusslinie geholt und außer<br />

Lan<strong>des</strong> gebracht. Die meisten<br />

Übergriffe auf Medienleute, so die<br />

bittere Erfahrung, bleiben ungestraft.<br />

Deshalb setzt sich ROG auch dafür ein,<br />

dass Verantwortliche zur Rechenschaft<br />

gezogen werden und stellt vor Gericht<br />

Mitarbeiter an die Seite der Opfer und<br />

ihrer Angehörigen.<br />

Weltweit gegen<br />

Druck<br />

und<br />

Zensur<br />

Text: Gabi Hartmann<br />

Fotos: Alixandra Fazzina,<br />

Katharina Hesse,<br />

Shaul Schwarz,<br />

Tomas van Houtryve<br />

In einem je<strong>des</strong> Jahr veröffentlichten<br />

Index misst ROG zudem den weltweiten<br />

Zustand der Presse- und Medienfreiheit.<br />

42 Kriterien umfasst der Fragebogen,<br />

die sich auf alle Arten von<br />

Verletzungen der Medienfreiheit mit<br />

direkten Auswirkungen auf<br />

Journalistinnen und Journalisten<br />

beziehen (also Morde, Verhaftungen,<br />

körperliche Angriffe und Drohungen),<br />

sowie auf Medien, wie etwa Zensur,<br />

Beschlagnahmung von<br />

Zeitungsausgaben, Durchsuchungen<br />

und Schikanen. Der Index berücksichtigt<br />

dabei auch die rechtlichen<br />

Bedingungen, unter denen Medien<br />

arbeiten und das Maß der<br />

Unabhängigkeit öffentlicher Medien.<br />

Einbezogen werden außerdem<br />

Maßnahmen von Selbstzensur, die<br />

Möglichkeiten zu Recherche und Kritik<br />

sowie der finanzielle Druck, der überall<br />

zunimmt.<br />

Betrachtet man all diese Kriterien<br />

zusammen, erstaunt es nicht mehr so<br />

sehr, dass Deutschland in der Liste der<br />

175 untersuchten Länder 2009 nur auf<br />

Platz 18 gelandet ist, hinter Staaten wie<br />

Litauen und Malta. Ausgehöhlt wird die<br />

Pressefreiheit in der Bun<strong>des</strong>republik<br />

zum einen durch Einschränkungen der<br />

Bürgerrechte, die mit der Abwehr<br />

terroristischer Gefahren begründet<br />

werden wie Abhörmaßnahmen,<br />

Durchsuchungen und Beschlagnahme<br />

von recherchiertem Material. Zum<br />

anderen aber auch, weil durch den<br />

ständig steigenden ökonomischen<br />

Druck in den Redaktionen sowieso<br />

kaum mehr Zeit zur Recherche bleibt.<br />

Immer weniger Journalisten müssen zu<br />

immer schlechteren Konditionen immer<br />

mehr Seiten füllen. Das ist längst deutscher<br />

Alltag.<br />

Spitzenreiter in Sachen Pressefreiheit<br />

waren 2009 übrigens Dänemark,<br />

Finnland, Irland, Norwegen und<br />

Schweden – sie teilen sich den ersten<br />

Platz. Unser Nachbar Frankreich<br />

rutschte im Vergleich zum Vorjahr um<br />

acht Plätze ab und belegt nun einen<br />

unrühmlichen 43. Platz. Dabei spielte<br />

die Einmischung von Präsident Nikolas<br />

Sarkozy in die Berichterstattung einiger<br />

Medien keine geringe Rolle. Auch<br />

Italien verdankt es unter anderem<br />

seinem Premier Silvio Berlusconi, dass es<br />

mit dem 49. Platz das schlechteste<br />

Ergebnis der sechs EU-Gründungsstaaten<br />

erreichte. Weltweite<br />

Schlusslichter in Sachen Pressefreiheit<br />

waren, wenig verwunderlich, Iran,<br />

Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.<br />

ROG in Kürze<br />

Reporter ohne Grenzen ist als<br />

Nichtregierungsorganisation<br />

international anerkannt und hat<br />

Beraterstatus beim Europarat, dem<br />

Menschenrechtsrat der Vereinten<br />

Nationen sowie bei der UNESCO.<br />

Hauptsitz der internationalen<br />

Organisation ist Paris, seit 1994 ist die<br />

deutsche Sektion von Berlin aus tätig.<br />

Sie finanziert sich durch den Verkauf<br />

von Fotobänden, aus Spenden und<br />

Mitgliedsbeiträgen sowie durch<br />

Auktionserlöse und Stiftungsgelder.<br />

Je<strong>des</strong> Jahr erscheint ein neuer<br />

Fotoband. Alle Fotos auf diesen beiden<br />

Seiten stammen aus dem neuesten<br />

„Fotos für die Pressefreiheit 2010“.<br />

Die Bootsflüchtlinge in Somalia<br />

fotografierte Alixandra Fazzina, die<br />

Leichen in der Gerichtsmedizin in<br />

Mexiko hat Shaul Schwarz<br />

aufgenommen, das ungläubige Staunen<br />

in Peking hat Katharina Hesse im<br />

August 2008 eingefangen, und in den<br />

Kindergarten von Pjöngjang nimmt uns<br />

Tomas von Houtryve mit.<br />

<strong>INFOS</strong><br />

und viele gute Fotobände<br />

finden Sie unter<br />

www.reporter-ohne-grenzen.de<br />

24 25


Kate Nash<br />

Ich bin<br />

Musikerin, keine Persönlichkeit<br />

Vor Lena Meyer-Landrut war<br />

Kate Nash. Von der jungen<br />

Singer-Songwriter-Dame aus<br />

London, die 2007 mit ihrem<br />

frechen Album „Made Of Bricks“<br />

überraschte, coverte Lena zwei<br />

Songs. Der Grund liegt auf der<br />

Hand: Lena hat eine ähnliche<br />

Singstimme und Akzentuierung<br />

wie Nash. Bei all der<br />

Lena-Hysterie ging allerdings<br />

fast unter, dass Nash im<br />

Frühjahr ihr zweites Album<br />

veröffentlichte – und das fällt<br />

im Vergleich zum Debüt äußerst<br />

abwechslungsreich aus.<br />

Nashs Karriere begann wie die so vieler<br />

junger zeitgenössischer Musikerinnen<br />

und Musiker: im Internet. Genauer<br />

gesagt auf der Internet-Plattform<br />

Myspace. Dort legte sie den Grundstein<br />

für eine beachtliche Blitzkarriere. Dabei<br />

hatte die im Juli 1987 in London<br />

geborene Nash mal anderes im Sinn. Sie<br />

lernte schon als Kind Piano, wollte aber<br />

nach der Schule unbedingt<br />

Schauspielerin werden. So schrieb sie<br />

sich auf der „Brit School“, einer<br />

weiterführenden Schule für darstellende<br />

Künste, ein und studierte Theater. Doch<br />

ihre Vorsprechtermine am Theater<br />

wurden nie mit einem Engagement<br />

belohnt.<br />

Im Februar 2006 schlug schließlich das<br />

Schicksal mit aller Härte zu. Nash wurde<br />

mal wieder von einem Theater<br />

abgelehnt. Sie war am Boden zerstört.<br />

Und es kam noch schlimmer: „Am<br />

gleichen Tag fiel ich noch einige<br />

Treppenstufen herunter und brach mir<br />

den Fuß. Meine Eltern kauften mir zum<br />

Trost eine Gitarre. Die sollte mich<br />

aufheitern. Da ich sonst nichts mit<br />

meiner Zeit anzufangen wusste, spielte<br />

ich für die nächsten drei Wochen<br />

Gitarre, schrieb Songs und nahm diese<br />

mit einem Laptop auf.“ So einfach kann<br />

es gehen: Statt als Schauspielerin stand<br />

sie kurz darauf als Musikerin auf einer<br />

Bühne. Schließlich nahm auch Lilly Allen<br />

Notiz von der Novizin und rührte auf<br />

ihrer eigenen Myspace-Website kräftig<br />

die Werbetrommel für Nash.<br />

Der Rest ist Erfolgsgeschichte: Nash<br />

heimste 2007 und 2008 die ersten<br />

renommierten Preise ein, während ihr<br />

Debütalbum „Made Of Bricks“ auf Platz<br />

eins der britischen Charts kletterte –<br />

hierzulande immerhin auf Rang 38. Im<br />

April 2010 folgte der zweite Streich in<br />

Form von „My Best Friend Is You“. Im<br />

Gegensatz zu anderen jungen<br />

Singer-Songwriter-Damen von der Insel<br />

(siehe Amy Macdonald) konnte Nash die<br />

in sie gesteckten Erwartungen auf ihrem<br />

zweiten Album mit scheinbarer<br />

Leichtigkeit erfüllen.<br />

Es war wohl weise, dass sie sich nach<br />

dem Rummel um „Made Of Bricks“<br />

zurückgezogen hatte: „Es war mir<br />

wichtig, nicht den Boden unter den<br />

Füßen zu verlieren. Zum Glück habe ich<br />

klasse Freunde und einen tollen<br />

Lebensgefährten. Wir haben eine<br />

schöne Wohnung in London: mit einem<br />

kleinen Studio im Keller. Ich habe ein<br />

Kaninchen und fahre ein ganz<br />

gewöhnliches Auto. Abgesehen von<br />

meinem fantastischen Job und meiner<br />

fantastischen Karriere ist mein Leben<br />

stinknormal. Ich bleibe am Liebsten<br />

zuhause. Wenn ich weggehe, dann ins<br />

Kino, auf Konzerte oder in Bars, wo ich<br />

Freunde treffe.“<br />

Dieses „stinknormale“ Leben kostete sie<br />

nach der „Made Of Bricks“-Tournee<br />

einige Monate lang voll aus. So konnte<br />

sie Kraft tanken und für „My Best<br />

Friend Is You“ ihr gesamtes<br />

künstlerisches Potenzial ausschöpfen.<br />

Darauf überrascht sie mit ganz unterschiedlichen<br />

Songs: Schmissiger,<br />

hinreißender Gute-Laune-Indiepop, wie<br />

von ihrem Debüt gewohnt, gibt es in<br />

„Paris“ und „Do Wah Doo“ zu hören.<br />

Dann wäre da noch Ruhiges („You Were<br />

So Far Away“, „I Hate Seagulls“),<br />

Wüten<strong>des</strong> („I Just Love You More“)<br />

und Experimentelles („Mansion Song“).<br />

Sie zeigt viele Facetten.<br />

Angespornt wurde sie einerseits von<br />

ihrem Produzenten Bernard Butler, der<br />

als Mitglied der Britpop-Ikonen Suede<br />

bekannt geworden ist und schon für<br />

den perfekten Klang von Duffys<br />

Debütalbum „Rockferry“ verantwortlich<br />

war. Weiterer Ansporn kam von Nash<br />

selbst, der Experimentieren über alles<br />

geht. Aber macht sie sich bei aller<br />

Experimentierfreude nicht Sorgen um<br />

den kommerziellen Erfolg ihrer Musik?<br />

„Darüber habe ich noch nie<br />

nachgedacht. Ich wollte einfach etwas<br />

anderes machen. Ich wollte<br />

experimentieren. Noch ist nicht klar, in<br />

welche Richtung mein drittes Album<br />

gehen wird. Ich habe alle Möglichkeiten<br />

und Freiheiten. Andererseits will ich<br />

immer Popsongs schreiben. Und ich<br />

möchte keinesfalls in eine Schublade<br />

gesteckt werden, sondern<br />

unberechenbar bleiben. Ich weiß auch<br />

ehrlich gesagt nicht, wer ich bin oder<br />

was ich mache, aber ich schreibe gerne<br />

Songs, liebe Musik über alles und liebe<br />

es, mich auszudrücken. Ich brauche<br />

neue Ideen, um zufrieden zu sein“,<br />

lautet ihre Antwort.<br />

Umso erfreulicher ist es, wenn die<br />

eigenen Ideen so vielen Menschen<br />

gefallen.<br />

Doch der damit einhergehende Erfolg<br />

bringt auch Schattenseiten mit sich.<br />

Nash steht seit der Veröffentlichung von<br />

„Made Of Bricks“ im Rampenlicht und<br />

wird wie eine Berühmtheit behandelt.<br />

Dabei nervt sie das maßlos. „Ich mag es<br />

wirklich nicht, von Leuten verfolgt zu<br />

werden oder ständig von Fremden<br />

beurteilt zu werden. Ich bin Musikerin,<br />

keine Persönlichkeit. Okay, manchmal<br />

überlappt sich das leider. Weil die Leute<br />

meine Musik mögen und damit<br />

automatisch mehr über mich und mein<br />

Leben erfahren wollen.“<br />

Heutzutage verbringt sie viel Zeit im<br />

Flugzeug, um von Konzert zu Konzert<br />

oder von Termin zu Termin zu jetten.<br />

Auch etwas, an dem sie wenig Freude<br />

hat: „Oh, ich hasse fliegen. Wirklich. Ich<br />

kriege richtige Angst. Es macht mir<br />

nichts aus, in der Luft zu sein. Es macht<br />

mir allerdings etwas aus, so weit über<br />

dem Erdboden zu sein. Ich mag es nicht,<br />

wie in einer Kiste eingesperrt zu sein.“<br />

Wesentlich mehr Spaß macht es ihr, auf<br />

der Bühne zu stehen. Und dazu hat sie<br />

im Rahmen ihrer anstehenden<br />

Europatournee wieder reichlich<br />

Gelegenheit. Kate Nash tritt am<br />

22. September im „Atelier“ in<br />

Luxemburg auf. Karten und Infos unter:<br />

www.atelier.lu.<br />

Kate Nash<br />

www.katenash.co.uk<br />

www.myspace.com/katenashmusic<br />

www.facebook.com/katenash<br />

Alben: Made Of Bricks (2007)<br />

My Best Friend Is You (2010)<br />

Preise: Q Awards 2007: Breakthrough<br />

Artist, BRIT Awards 2008: British Female<br />

Solo Artist, NME Awards 2008:<br />

Best Solo Artist<br />

Text: Kai Florian Becker<br />

Fotos: Agentur<br />

26 27


Bildungsstreik 2010<br />

Azubis, Schüler, Studierende<br />

waren im Juni in Saarlouis und<br />

Homburg Seit an Seit auf die<br />

Straße gegangen, um bessere<br />

Bildungsbedingungen für sich<br />

zu reklamieren. Die politisch<br />

Verantwortlichen sollten sehr<br />

sorgsam mit dem Kapital<br />

„Bildung“ umgehen, so ein<br />

Appell.<br />

„Das ist ein geiles Bild mit Euch. Schön,<br />

dass Ihr gekommen seid.“ Es gibt<br />

Fakten, die nicht anders zu<br />

kommentieren sind. So ging es Lars<br />

Desgranges, Gewerkschaftssekretär der<br />

IG-Metall-Verwaltungsstelle Völklingen,<br />

als er sich 600 Teilnehmern einer<br />

Kundgebung auf dem Historischen<br />

Marktplatz Homburg gegenüber sah. Es<br />

war dank Vuvuzelas, Trillerpfeifen und<br />

Trommeln der lautstarke Start in die<br />

Kampagne „Junge Generation/Prekäre<br />

Beschäftigung“, zu der die IG Metall<br />

aufgerufen hatte. Dabei empfahl sich<br />

die Tröte mit dem Klang eines<br />

brünftigen Wasserbüffels als Staffelstab.<br />

Denn die Demo in Homburg markierte<br />

auch das Ende <strong>des</strong> einwöchigen<br />

Bildungsstreiks 2010 im Saarland.<br />

Laut sein für die Zukunft<br />

Bei allem lautstarken Getöse und trotz<br />

einer entspannten bis ausgelassenen<br />

Stimmung war der Anlass nicht allzu<br />

erfreulich. „Hier kriegt man knallhart<br />

gesagt, wie es kommt, auch für unseren<br />

Betrieb“, weiß Fabian Müller (17), Azubi<br />

bei Thyssen-Krupp-Gerlach in Homburg.<br />

Darum sind er und sein gleichaltriger<br />

Freund Niklas Häßel, der bei Alstom in<br />

Bexbach lernt, dabei. Es gehe hier nicht<br />

um Einzelinteressen, hatte Tobias Huth,<br />

Bildungsreferent im IG Metall Bezirk<br />

Frankfurt, bereits beim Auftakt der<br />

Demo am Homburger Rondell vom –<br />

zum Piratenschiff umgerüsteten Traktor<br />

– in die Menge gerufen. Hier sind alle<br />

betroffen, die für ihre Zukunft, ob im<br />

Betrieb, in Schule oder Universität,<br />

eintreten.<br />

„Bologna ist Neoliberalismus an der<br />

Uni“, erinnerte Lukas Taskiran für die im<br />

Bildungsstreik stehenden Studierenden,<br />

denen mit den neuen Bachelor-<br />

Studiengängen ein formatiertes Lern-<br />

und Prüfungssystem aufgezwungen<br />

werde, in dem die Idee <strong>des</strong><br />

selbstbestimmten Lernens vom reinen<br />

Paukstudium abgelöst worden sei. Für<br />

den 18-jährigen Frank Heinnel,<br />

angehender Industriemechaniker bei<br />

Festo Rohrbach, ist es selbstverständlich,<br />

gemeinsame Sache zu machen, wenn es<br />

um Bildung, egal ob an der Universität<br />

oder im Betrieb geht: „Es geht um<br />

Bildung. Das ist doch das Einzige, was<br />

Deutschland hat. Darum muss man auf<br />

Bildung setzen.“ Solidarität sei daher<br />

notwendig, so einer aus dem Kreis der<br />

Studierendenvertreter: „Lasst uns laut<br />

sein, es geht schließlich um unsere<br />

Zukunft.“<br />

Das galt bereits eine Woche vorher, als<br />

sich in Saarlouis rund 1.300 Schüler,<br />

Studenten und Auszubildende mit<br />

Tröten, Trillerpfeifen und<br />

Sprechgesängen aufgemacht hatten.<br />

Das Ganze wurde später am Abend in<br />

Saarbrücken mit einer<br />

„Nachttanzdemo“ auf dem St. Johanner<br />

Markt fortgesetzt. Der Bildungsstreik<br />

2010 war angebrochen und einte<br />

Schüler, Auszubildende und Studierende<br />

in der Forderung nach Mitspracherecht<br />

und Selbstbestimmung in ihrer<br />

jeweiligen Ausbildung. „Wir müssen ein<br />

Mitspracherecht bekommen, in welcher<br />

Form, das überlassen wir dem<br />

Bildungsministerium. Hauptsache ist:<br />

Wir sind dabei, wenn es um<br />

Bildungsfragen geht“, erklärte<br />

Bündnissprecher Johannes Hiry bei der<br />

Kundgebung am Kleinen Markt in<br />

Saarlouis. Dass andere darüber<br />

entscheiden, was zu lernen ist, wie viel<br />

dafür zu bezahlen ist und wie viele<br />

Schüler in einer Klasse zusammensitzen,<br />

das müsse ein Ende haben, darüber war<br />

man sich einig.<br />

„G7-G8-Ge’nervt“ kommentierten die<br />

Schüler auf einem Spruchband die<br />

Verkürzung der Gymnasialzeit von neun<br />

auf acht Jahre, nannten das einen<br />

„völligen Flop“ und die geplante<br />

Verlängerung der Grundschulzeit auf<br />

fünf Jahre „völligen Unsinn“ obendrein.<br />

Dazu gab Bildungsminister Klaus Kessler<br />

den Schulmeister und kritisierte:<br />

„Wenn dagegen demonstriert wird,<br />

dann haben die Schüler den Sinn nicht<br />

verstanden.“ Deshalb müsse darüber<br />

geredet werden, gab er zu. Der Minister<br />

will sich mit dem Schülerbündnis an<br />

einen Tisch setzen, erklärte er öffentlich.<br />

„Herr Kessler, wir haben sehr wohl<br />

verstanden“, griff Lukas Taskiran zum<br />

Abschluss <strong>des</strong> Bildungsstreiks in<br />

Homburg den Tadel <strong>des</strong> Ministers auf.<br />

Um sich belehren zu lassen, war man<br />

weder in Saarlouis, noch in Homburg<br />

angetreten. Hier ging es darum, klar zu<br />

sagen, was sein muss: „Wir brauchen<br />

mehr Lehrpersonal, kleine Klassen und<br />

eine bessere Ausstattung in den<br />

Schulen. Außerdem brauchen wir einen<br />

möglichst weit reichenden freien<br />

Zugang zur Bildung, da Bildung nicht<br />

vom Geldbeutel der Eltern abhängen<br />

darf. Wir brauchen qualitativ<br />

hochwertige Ausbildungsplätze sowie<br />

die unbefristete Übernahme der Azubis<br />

mit gleicher Bezahlung“, fasste Thorsten<br />

Schmidt, Vorsitzender der DGB-Jugend<br />

Saar, auf dem Kleinen Markt die<br />

Forderungen der Bildungsstreikenden<br />

zusammen.<br />

Gemeinsam laut werden, das galt<br />

unvermindert am Ende der Woche in<br />

Homburg, tatkräftig unterstützt von der<br />

Gruppe Samba Balaawa aus Völklingen<br />

und nach der Kundgebung durch ein<br />

Konzert mit OKU and the<br />

Reggaerockers und dem SKA<br />

Einsatzkommando. Gemeinsam, das<br />

heißt auch Bündnisse eingehen, wozu<br />

an diesem Tag Jusos, Die Linke, ver.di,<br />

die Betriebsräte saarländischer<br />

Unternehmen, die Antifa Homburg,<br />

eine Abordnung <strong>des</strong> Bildungsstreiks<br />

2010 sowie Vertreter der IG-Metall-<br />

Verwaltungsstellen Kaiserslautern und<br />

Koblenz zur Stelle waren.<br />

„Je mehr sich engagieren, <strong>des</strong>to mehr<br />

kann bewegt werden“, machte Matthias<br />

Meyer, angehender Zerspanungsmechaniker<br />

bei Festo St. Ingbert, die<br />

Rechnung auf. Und für das, was man<br />

wolle, müsse man ein Zeichen setzen.<br />

Umso wichtiger, „wenn man sieht, dass<br />

auch andere es tun“, meinte Marvin<br />

Seidel, Azubi bei Ford Saarlouis. Das<br />

motiviert, im Betrieb weiter Gewerkschaftsarbeit<br />

zu machen, bestätigte<br />

Pascal Klein, Jugend- und<br />

Auszubildendenvertreter bei Ford<br />

Saarlouis. „Man muss ja nicht mitgehen,<br />

denn es ist ja freiwillig“, meinte<br />

Christina Braun, Auszubildende bei ZF<br />

Getriebe Saarbrücken. Die vielen<br />

Teilnehmer waren in dem Wissen<br />

gekommen, dass ihre Interessen<br />

öffentlich werden.<br />

Streiken heißt dann nicht Blockade<br />

oder Verweigerung, sondern das<br />

lautstarke Bekenntnis zu einem<br />

Mitspracherecht in eigener Sache in<br />

Schule und Ausbildung.<br />

Text: Sabine Graf<br />

Fotos: Reiner Oettinger<br />

28 29


Gedanken eines Fans<br />

Die Tröten in<br />

Die WM 2010 ist Geschichte.<br />

Aber irgendwie war vieles<br />

anders als sonst. Vor allem auf<br />

die nervtötenden Vuvuzelas in<br />

den Stadien hätten die<br />

Fernsehzuschauer gerne<br />

verzichtet. In diesen Tagen ist<br />

die fußballfreie Zeit vorbei, in<br />

den Bun<strong>des</strong>ligastadien darf<br />

wieder gesungen werden. Ein<br />

paar Fußball-Ansichten.<br />

Wer hätte das gedacht: Ballack verletzt,<br />

Frings ausgebootet, Kurany in der<br />

Verbannung geblieben und trotzdem<br />

haben wir unseren Spaß gehabt und<br />

sind Dritter geworden. Oder gerade<br />

<strong>des</strong>wegen? Der jüngste Kader seit 76<br />

Jahren bei einer WM –<br />

Durchschnittsalter 25 – hat ganz<br />

Deutschland in Atem gehalten. 16 Tore<br />

in sieben Spielen, die Besucher der<br />

Fanmeilen haben es mit Torjubel<br />

gedankt. Auch im Saarland gab es kaum<br />

eine Kneipe ohne Fernseher und<br />

Zusatzbänke. Die Plätze vor den<br />

öffentlichen Leinwänden waren – trotz<br />

der unerträglichen Hitze – gut gefüllt.<br />

die Tonne<br />

Das deutsche Team hat – naja, sieht man<br />

mal vom Spanien-Spiel ab – nur so vor<br />

Spielfreude gestrotzt. Nichts mehr mit<br />

Rumpel- und Ergebnisfußball. Wir<br />

konnten stolz auf unseren Elan, unsere<br />

Spielkultur sein. England und<br />

Argentinien versenkt. Mit spielerischen<br />

Mitteln. Vorgeführt. Fußballherz, was<br />

willst du mehr.<br />

Auf einmal liebten alle nicht nur<br />

Mahmut vom Dönerstand, sondern<br />

Mesut von Werder, die Multikultitruppe<br />

mit den Boatengs, Aogos und Cacaus<br />

hat auch einen klitzekleinen Schub in<br />

Sachen Integration gebracht. Stolz<br />

haben viele Kinder mit türkischem<br />

Migrationshintergrund die schwarz-rotgoldenen<br />

Fähnchen geschwenkt. Genau<br />

wie Özil haben sie den deutschen Pass,<br />

obwohl es die wenigsten wissen.<br />

Acht pfiffige Studenten aus Münster<br />

hatten uns passend zur WM, quasi als<br />

eine Lena-Verlängerung, einen tollen<br />

Ohrwurm präsentiert: Bei „Schland o<br />

Schland“ konnte zunächst kaum einer<br />

den Text verstehen, dafür kannten noch<br />

alle den Rhythmus von „Satellite“. Für<br />

den Fansong, den sie auf die Melodie<br />

von Lenas Grand-Prix-Hit dichteten,<br />

hatten „Uwu Lena“ schnell einen<br />

Plattenvertrag in der Tasche. „Schland o<br />

Schland, wir sind von Dir begeistert...“<br />

Die Plastiktröten waren einfach<br />

schrecklich. Beim Confed-Cup 2009 gab<br />

es bereits einen Vorgeschmack.<br />

FIFA-Boss Joseph Blatter argumentierte<br />

damals:„Jede Nation hat ihre<br />

Eigenheiten. In der Schweiz sind es zum<br />

Beispiel die Kuhglocken, hier in<br />

Südafrika haben sie ihre Trompeten. Ich<br />

wüsste nicht, wie man so etwas<br />

unterbinden sollte.“ Wie wäre es denn<br />

gewesen, wenn die FIFA die Tröten nur<br />

bei den Spielen der Südafrikaner<br />

zugelassen hätte? Ich dachte immer, die<br />

FIFA sei so mächtig.<br />

Wo waren die singenden Engländer, die<br />

lautstarken Holländer? Wo waren die<br />

„Oooohs“, die „Aaaahs“? Liebe<br />

Fußballfans, mottet Eure Vuvuzela bitte<br />

ein. Als Erinnerung an die schöne WM<br />

unserer Jungs in Südafrika. Wir wollen<br />

lautstark singen, anfeuern, schimpfen,<br />

rufen..., aber nicht tröten. Wir schön,<br />

dass in den deutschen Stadien jetzt<br />

wieder der Ball rollt. Darauf freuen wir<br />

uns.<br />

Text: Peter Jacob<br />

Fotos: picture alliance (3),<br />

Nicolas Oswald (1)<br />

30 31


Tipps für Existenzgründer Nr.1<br />

Cartoon: TOM

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