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1. Objektiver Tatbestand - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

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<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

BGH, Urteil vom 25. Oktober 1990, BGHSt 37, 214 – Hoferbe<br />

Sachverhalt: Victor hat seinen Bauernhof gegen Einräumung eines<br />

Wohnrechts seinem Sohn Siegfried übergeben. Der <strong>zu</strong> übermäßigem<br />

Alkoholgenuss neigende Siegfried greift seinen Vater Victor wiederholt<br />

tätlich an. Außerdem vernachlässigt er die Landwirtschaft, sodass<br />

Victor Existenzvernichtung und Verlust seiner Wohnung befürchtet.<br />

Victor entschließt sich deshalb <strong>zu</strong>r Tötung Siegfrieds. Für die Ausführung<br />

der Tat gewinnt er gegen Zahlung von 5.000 € den Theo. Theo<br />

begibt sich einige Zeit später am Abend, nach Einbruch der Dunkelheit,<br />

auf den Hof und wartet im Stall auf das Erscheinen Siegfrieds. Von dessen<br />

Lebensgewohnheiten hat ihn Victor <strong>zu</strong>vor unter Übergabe einer Fotografie<br />

des Siegfried unterrichtet. Kurz darauf betritt Otto, ein Nachbar,<br />

den Hof und öffnet die Stalltür. Da Otto in seiner Statur dem Siegfried<br />

ähnlich sieht und in der Hand eine Tüte mit sich führt, wie auch Siegfried<br />

das stets <strong>zu</strong> tun pflegt, geht Theo in der Dunkelheit davon aus,<br />

Siegfried vor sich <strong>zu</strong> haben. Er erschießt den nichtsahnenden Otto aus<br />

kurzer Entfernung der sofort tot ist. Wie haben sich Theo und Victor<br />

strafbar gemacht? Gehen Sie davon aus, dass die erforderlichen Strafanträge<br />

gestellt sind.<br />

Thema: Auswirkungen eines error in persona des Haupttäters für den<br />

Anstifter; Lockerung der Akzessorietät bei § 28 StGB<br />

Materialien: Arbeitsblatt AT 38, Arbeitsblatt Examinatorium 21<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich


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Lösungsübersicht:<br />

Teil 1: Strafbarkeit des Theo<br />

A. Strafbarkeit wegen Mordes (an Otto) gemäß §§ 212 I, 211<br />

StGB<br />

I. <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

a) Grundtatbestand des § 212 I StGB (+)<br />

b) Objektives Mordmerkmal der Heimtücke (+)<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

a) Irrtum: error in persona hier unbeachtlich<br />

b) Subjektive Mordmerkmale: Habgier lag vor, nicht<br />

aber niedrige Beweggründe (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit (+)<br />

III. Schuld (+)<br />

B. Strafbarkeit wegen versuchten Mordes (an Siegfried) gemäß §§<br />

212 I, 211, 22, 23 I StGB<br />

I. Vorprüfung (+)<br />

II. Tatentschluss: ist ab<strong>zu</strong>lehnen da ansonsten un<strong>zu</strong>lässige Vorsatzverdopplung<br />

(–)<br />

C. Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens (an Siegfried)<br />

gemäß § 30 II StGB, aber subsidiär (+)<br />

D. Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 I StGB (+)<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong>: kein tatbestandsausschließendes<br />

Einverständnis des Victor (+)<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong>: kein <strong>Tatbestand</strong>sirrtum gemäß §<br />

16 I StGB (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit (+)<br />

III. Schuld (+)<br />

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Teil 2: Strafbarkeit des Victor<br />

A. Strafbarkeit wegen mittäterschaftlich begangenen Totschlags<br />

(an Otto) gemäß §§ 212 I, 25 II StGB (–)<br />

B. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Totschlag (an Otto) gemäß<br />

§§ 212 I, 26 I StGB<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong>: Berücksichtigung des<br />

error in persona des Theo <strong>zu</strong> Gunsten des Victor?<br />

a) Unbeachtlichkeitstheorie (–)<br />

b) Wesentlichkeitstheorie (+)<br />

c) Aberratio-ictus-Theorie (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

<strong>1.</strong> Notwehr gemäß § 32 StGB: kein gegenwärtiger<br />

Angriff (–)<br />

2. Notstand gemäß § 34 StGB: Tötung nie gerechtfertigt (–)<br />

III. Schuld (+)<br />

C. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord (an Otto) gemäß §§<br />

212 I, 211, 26 I StGB<br />

I. <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong> (+)<br />

a) Vorsatz bzgl. Bestimmens (+)<br />

b) Vorsatz bzgl. Haupttat: Subjektive Mordmerkmale?<br />

Heimtücke lag vor, Problem: § 28 I oder II<br />

StGB bzgl. Habgier?<br />

aa) § 211 StGB als Qualifikation, § 28 I StGB<br />

bb) § 211 StGB als eigenes Delikt, § 28 II StGB<br />

II. Rechtswidrigkeit (+)<br />

III. Schuld (+)<br />

D. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Hausfriedensbruch gemäß<br />

§§ 123 I, 26 I StGB (+)<br />

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Lösungsvorschlag:<br />

Teil 1: Strafbarkeit des Theo<br />

A. Strafbarkeit wegen Mordes (an Otto) gemäß §§ 212 I, 211<br />

StGB<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

Theo könnte sich wegen eines Mordes gemäß §§ 212 I, 211 StGB an<br />

Otto strafbar gemacht haben, indem er diesen erschossen hat.<br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong><br />

a) Grundtatbestand des § 212 I StGB<br />

Theo hat kausal und objektiv <strong>zu</strong>rechenbar einen anderen Menschen getötet<br />

und damit den objektiven <strong>Tatbestand</strong> des Totschlags erfüllt.<br />

b) Objektives Mordmerkmal der Heimtücke<br />

Vorliegend kommt als Mordmerkmal Heimtücke in Betracht.<br />

Unter Heimtücke versteht man das bewusste Ausnutzen der Arg- und<br />

der daraus resultierenden Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung.<br />

Arglos ist derjenige, der in der konkreten Situation vom<br />

Täter keine Feindseligkeiten erwartet, wehrlos ist derjenige, der infolge<br />

seiner Arglosigkeit in seiner Abwehrfähigkeit und -bereitschaft stark<br />

eingeschränkt ist.<br />

Theo hat Otto im Stall im Hinterhalt aufgelauert und ihn ohne Vorwarnung<br />

getötet. Otto rechnete nicht mit einem Angriff und war deshalb<br />

auch nicht mehr in der Lage, sich adäquat <strong>zu</strong> verteidigen. Er war folglich<br />

arg- und wehrlos.<br />

Diese Lage muss Theo auch ausgenutzt haben. Dies bedeutet, dass die<br />

Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers die Tatbegehung gefördert haben<br />

muss. Auch davon ist hier aus<strong>zu</strong>gehen.<br />

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2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong><br />

Für den subjektiven <strong>Tatbestand</strong>, müsste Theo auch vorsätzlich gehandelt<br />

haben. Vorsatz wird allgemein definiert als das Wissen und Wollen<br />

der <strong>Tatbestand</strong>sverwirklichung. § 212 I StGB verlangt demnach, dass<br />

Theo wusste, dass er einen Menschen tötet und dass er dies auch wollte.<br />

a) Irrtum<br />

Theo wollte tatsächlich einen anderen Menschen töten. Hier könnte man<br />

aber deshalb an Theos Vorsatz zweifeln, weil er eigentlich Siegfried<br />

und nicht Otto töten wollte, bei Ausführung der Tat also über die Person<br />

des Opfers irrte. Ein solcher Irrtum wird allgemein als Identitätsirrtum<br />

oder error in persona vel obiecto bezeichnet. Der Täter trifft das von<br />

ihm anvisierte Opfer, hat sich aber in dessen Identität getäuscht. Hierin<br />

liegt der Unterschied <strong>zu</strong>r aberratio ictus, bei welcher der Täter das „richtige“<br />

Opfer anvisiert, aber daneben schießt und ein anderes trifft.<br />

Ein Identitätsirrtum ist jedenfalls dann stets beachtlich und lässt den<br />

Tatvorsatz entfallen, wenn das Objekt, das der Täter treffen wollte und<br />

das von ihm getroffene Objekt nicht gleichwertig sind. Bei Gleichwertigkeit<br />

der Opfer, wenn der Täter also einen Menschen treffen will und<br />

auch einen (anderen!) Menschen trifft, besteht weitgehend Einigkeit<br />

darüber, dass ein solcher Identitätsirrtum unbeachtlich ist und den Tatvorsatz<br />

bestehen bleiben lässt.<br />

Dies lässt sich entweder so begründen, dass § 212 StGB das Leben<br />

schützt und (lediglich) die Tötung eines anderen, nicht aber eines bestimmten<br />

Menschen voraussetzt. Theo hat aber das Rechtsgut, das er<br />

verletzen wollte, auch tatsächlich verletzt. Oder man stellt darauf ab,<br />

dass der Täter hier die Tat bereits auf ein bestimmtes Opfer konkretisiert<br />

hat, welches er letztlich ja auch traf, insofern liegt also überhaupt<br />

keine Abweichung vor. Ein bloßer Motivirrtum – der Grund „warum“<br />

der Täter das vor ihm stehende Opfer töten wollte – ist aber stets unbeachtlich.<br />

Folglich hat Theo hier vorsätzlich gehandelt.<br />

Auch hinsichtlich der Heimtücke hat Theo vorsätzlich gehandelt, denn<br />

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er kannte die Arg- und Wehrlosigkeit Ottos und wollte diese auch bewusst<br />

ausnutzen.<br />

b) Subjektive Mordmerkmale<br />

Theo könnte ferner das Mordmerkmal der Habgier verwirklicht haben.<br />

Diese erfordert ein noch über die Gewinnsucht hinaus gehendes gesteigertes<br />

abstoßendes Gewinnstreben um jeden Preis. Im Ergebnis ist jede<br />

Tötung um eines rechtswidrigen Vermögensvorteils Willen habgierig.<br />

Im vorliegenden Fall liegt ein Auftragsmord durch einen gedungenen<br />

Killer (5.000 €) vor, also der klassische Fall der Habgier. Wer sein<br />

Vermögen dadurch <strong>zu</strong> mehren sucht, dass er einen Mitmenschen tötet,<br />

handelt sittlich verwerflich. Die Rettung des Hofes ist höchstens Motiv<br />

des Victor, nicht aber des Theo. Weitere niedrige Beweggründe neben<br />

der Habgier (z.B. Rachsucht) lagen nicht vor.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Die Tat geschah rechtswidrig.<br />

III. Schuld<br />

Auch handelte Theo schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Theo hat sich des Mordes gemäß §§ 211, 212 I StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit wegen versuchten Mordes (an Siegfried) gemäß §§<br />

212 I, 211, 22, 23 I StGB<br />

Theo könnte sich durch den Schuss auf Otto auch wegen eines versuchten<br />

Mordes an Siegfried gemäß §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB<br />

strafbar gemacht haben.<br />

I. Vorprüfung<br />

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Die Tat wurde nicht vollendet, da Siegfried überlebte. Der Versuch ist<br />

strafbar gemäß § 23 I StGB, da es sich bei Mord um ein Verbrechen<br />

i.S.d. § 12 I StGB handelt.<br />

II. Tatentschluss<br />

Fraglich ist indes bereits, ob auch noch ein Tatentschluss <strong>zu</strong>r Tötung<br />

Siegfrieds ohne Weiteres angenommen werden kann. Zwar spricht hierfür,<br />

dass Theo ja gerade Siegfried töten wollte. Eine solche Ansicht liefe<br />

aber auf eine un<strong>zu</strong>lässige Vorsatzverdoppelung hinaus, denn durch die<br />

oben festgestellte Unbeachtlichkeit des error in persona wird ja bereits<br />

die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen bestraft. Bei zwei unterschiedlichen<br />

höchstpersönlichen Rechtsgütern (Leben des Siegfried,<br />

Leben des Otto) müsste dann auch Idealkonkurrenz angenommen werden,<br />

der Täter also letztlich wegen zwei Tötungsdelikten (Versuch und<br />

Vollendung) bestraft werden. Theo hatte aber keinesfalls Vorsatz <strong>zu</strong>r<br />

Tötung zweier Opfer. Der Tatentschluss ist deshalb <strong>zu</strong> verneinen.<br />

III. Ergebnis<br />

Theo hat sich mangels Tatentschlusses nicht wegen eines versuchten<br />

Mordes an Siegfried gemäß §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.<br />

Zudem wäre neben einem hinreichenden Tatentschluss auch ein<br />

unmittelbares Ansetzen des Theo gemäß § 22 StGB <strong>zu</strong> verneinen, da es<br />

noch nicht <strong>zu</strong> einer konkreten Gefährdung des Siegfried gekommen ist.<br />

C. Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens (an Siegfried)<br />

gemäß § 30 II StGB<br />

Ein Sich-Bereiterklären liegt vor, wenn der Täter seine Bereitschaft<br />

<strong>zu</strong>r Tat einem anderen mitteilt oder die Aufforderung <strong>zu</strong>r Tat durch<br />

einen anderen annimmt. Unzweifelhaft hatte Theo sich Victor gegenüber<br />

bereit erklärt, den Mord an Siegfried, also ein Verbrechen gemäß<br />

§ 12 I StGB, <strong>zu</strong> begehen und damit den <strong>Tatbestand</strong> des § 30 II StGB<br />

erfüllt. Dieser tritt aber regelmäßig hinter der Tatausführung <strong>zu</strong>rück.<br />

Zwar tötete Theo hier nicht den Siegfried und setzte diesbezüglich<br />

auch nicht <strong>zu</strong>m Versuch an. Auch hier ist jedoch <strong>zu</strong> berücksichtigen,<br />

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dass die Tötung des „Falschen“ einen Vorsatz unberührt ließ und er<br />

insoweit diejenige Tat vollendete, die er <strong>zu</strong>vor verabredete.<br />

D. Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 I StGB<br />

Theo könnte sich durch das Betreten des Stalles auch wegen eines<br />

Hausfriedensbruchs gemäß § 123 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong><br />

Der Stall auf dem Bauernhof ist ein Geschäftsraum. In diesen müsste<br />

Theo eingedrungen sein. Dies setzt ein Betreten gegen den erkennbaren<br />

oder <strong>zu</strong> vermutenden Willen des Hausrechtsinhabers voraus. Das Einverständnis<br />

des Hausrechtsinhabers wirkt deshalb tatbestandsausschließend.<br />

Ein Einverständnis Siegfrieds lag nicht vor. Fraglich ist, ob das<br />

Einverständnis Victors, der <strong>zu</strong>mindest ein Wohnrecht hatte, ausreichend<br />

war. Dagegen könnte sprechen, dass Victor nicht im Stall wohnt und die<br />

Bewirtschaftung gänzlich auf Siegfried übergegangen war, ein Hausrecht<br />

hinsichtlich der Geschäftsräume deshalb nicht vorlag. Geht man<br />

dennoch vom Hausrecht beider Bewohner des Hofes aus, so ist <strong>zu</strong> beachten,<br />

dass bei mehreren Hausrechtsinhabern das Einverständnis von<br />

einem genügt. Eine Ausnahme besteht aber bei Un<strong>zu</strong>mutbarkeit für den<br />

anderen Hausrechtsinhaber. Im vorliegenden Fall wurde das Einverständnis<br />

gegen die berechtigten Interessen des hauptsächlich Berechtigten<br />

ausgesprochen und ist somit unwirksam. Es war für Siegfried un<strong>zu</strong>mutbar,<br />

<strong>zu</strong> dulden, dass sein eigener Mörder seine Geschäftsräume<br />

betritt. Der objektive <strong>Tatbestand</strong> des Hausfriedensbruchs ist damit erfüllt.<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong><br />

Theo handelte auch vorsätzlich. Man könnte hier zwar an das Vorliegen<br />

eines <strong>Tatbestand</strong>sirrtums gemäß § 16 I StGB denken, sofern Theo davon<br />

ausgehen konnte, dass Victor noch ein Hausrecht in Be<strong>zu</strong>g auf den<br />

Stall ausübte. Hier gibt jedoch <strong>zu</strong>m einen der Sachverhalt <strong>zu</strong> wenig<br />

Auskunft, <strong>zu</strong>m anderen dürfte es auch für Theo erkennbar gewesen<br />

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sein, dass ein solches Betreten des Stalles <strong>zu</strong>m Zwecke der Tötung<br />

Siegfrieds für diesen (der ja völlig unzweifelhaft ein Hausrecht am Stall<br />

hatte) un<strong>zu</strong>mutbar war.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Die Tat geschah rechtswidrig.<br />

III. Schuld<br />

Ferner handelte Theo auch schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Theo hat sich gemäß § 123 I StGB wegen eines Hausfriedensbruchs<br />

strafbar gemacht, indem er den Stall gegen Siegfrieds Willen betreten<br />

hat. Den gemäß § 123 II StGB erforderlichen Strafantrag (absolutes<br />

Antragsdelikt) hat Siegfrieds gestellt. Der Hausfriedensbruch steht <strong>zu</strong><br />

dem an Otto begangenen Mord in Tateinheit gemäß § 52 StGB.<br />

Teil 2: Strafbarkeit des Victor<br />

A. Strafbarkeit wegen mittäterschaftlichen Totschlags (an Otto)<br />

gemäß §§ 212, 25 II StGB<br />

Victor könnte sich wegen eines Totschlags an Otto in Mittäterschaft<br />

strafbar gemacht haben, indem er Theo durch Zahlung von 5.000 € für<br />

die Tat gewann.<br />

Victor hat die Tat nicht selbst ausgeführt. Gleichwohl könnte ihm der<br />

Taterfolg nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 II StGB<br />

<strong>zu</strong>rechenbar sein. Hier<strong>zu</strong> müsste Victor Mittäter gewesen sein.<br />

Nach der, insbesondere von der Rechtsprechung vertretenen, subjektiven<br />

Theorie ist Täter, wer mit Täterwillen handelt, die Tat also als eigene<br />

will. Teilnehmer ist dagegen, wer nur mit Teilnehmerwillen handelt,<br />

die Tat also als fremde Tat will. Als Indizien für das Vorliegen eines<br />

solchen Täterwillens werden das Interesse am Taterfolg und der Wille<br />

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<strong>zu</strong>r Tatherrschaft herangezogen. Das größte Interesse am Taterfolg hatte<br />

sicherlich Victor, der den Niedergang „seines“ Hofes verhindern wollte.<br />

Jedoch hat auch der Anstifter typischerweise ein starkes Interesse am<br />

Taterfolg, was sich hier z.B. darin zeigt, dass er bereit ist, für die Tatausführung<br />

<strong>zu</strong> zahlen. Victor war nur schlauer und wollte sich die Hände<br />

nicht schmutzig machen. Auf der Grundlage der subjektiven Theorie<br />

ist eine (Mit-)Täterschaft Victors insoweit ab<strong>zu</strong>lehnen; er wollte eindeutig,<br />

dass Theo die Tat begeht. Der Kritik an dieser extrem subjektiven<br />

Abgren<strong>zu</strong>ngstheorie des Reichsgerichts hat der BGH <strong>zu</strong>dem dadurch<br />

Rechnung getragen, dass er neben dem Interesse am Taterfolg <strong>zu</strong>nehmend<br />

den Willen <strong>zu</strong>r Tatherrschaft in den Vordergrund rückte. Eben<br />

dieser lag hier jedoch gerade nicht vor.<br />

Nach der objektiven Tatherrschaftslehre der Literatur ist nur derjenige<br />

Täter, welcher im Tatzeitpunkt Tatherrschaft hatte. Tatherrschaft bedeutet<br />

das bewusste und vom Vorsatz erfasste in den Händen Halten des<br />

Geschehens. Dies setzt voraus, dass der Handelnde Zentralgestalt der<br />

Tat ist und diese nach seinem Willen hemmen und ablaufen lassen<br />

kann. Teilnehmer ist demnach, wer dieses nicht kann, sondern als Randfigur<br />

die Tatbegehung nur veranlasst oder einen unterstützenden Beitrag<br />

leistet. Eine solche Tatherrschaft Victors ist hier ab<strong>zu</strong>lehnen. Ein entsprechender<br />

Wille lag ebenfalls nicht vor. Insoweit ist letztlich entscheidend,<br />

dass Victor bei Ausführung der Tat gerade nicht in Erscheinung<br />

treten will. Er überlässt die Ausführung der Tat dem Theo, der<br />

dafür bezahlt wird, das Risiko <strong>zu</strong> tragen. Mittäterschaft ist demnach ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />

Heute kaum noch vertreten wird die formal-objektive Theorie, nach<br />

welcher Täter – unabhängig von Tatinteresse und sonstigen subjektiven<br />

Momenten – nur ist, wer die Merkmale des gesetzlichen <strong>Tatbestand</strong>es<br />

selbst verwirklicht. Jeder andere, der sonstige Beiträge leistet, kann nur<br />

Teilnehmer sein. Auch nach dieser Theorie wäre Victor nicht Täter, da<br />

er die Tat nicht selbst ausführte.<br />

Da alle Auffassungen <strong>zu</strong>m gleichen Ergebnis gelangen, ist eine Streitentscheidung<br />

entbehrlich. Victor hat folglich nicht tatbestandsmäßig<br />

gehandelt und sich daher nicht gemäß §§ 212 I, 25 II StGB strafbar gemacht.<br />

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B. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Totschlag (an Otto) gemäß<br />

§§ 212 I, 26 I StGB<br />

Victor könnte sich aber durch das Animieren Theos <strong>zu</strong>r Tat wegen einer<br />

Anstiftung <strong>zu</strong>m Totschlag an Otto gemäß §§ 212 I, 26 I StGB strafbar<br />

gemacht haben.<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong><br />

Der Totschlag des Theo an Otto war eine vorsätzliche rechtswidrige<br />

Haupttat. Zu dieser Haupttat wurde Theo durch Victor bestimmt, weil<br />

Victor durch die Anregung und das Versprechen der 5.000 € den Tatentschluss<br />

Theos hervorgerufen bzw. verursacht hat.<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong><br />

Victor müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Die Anstiftung verlangt<br />

hier einen so genannten Doppelvorsatz, nämlich einen Vorsatz<br />

bezüglich des Bestimmens und bezüglich der vorsätzlichen und<br />

rechtswidrigen Haupttat eines anderen. Vorsatz hinsichtlich des<br />

Bestimmens ist hier gegeben.<br />

Fraglich erscheint aber der Vorsatz bezüglich der Haupttat. Hier ist<br />

problematisch, dass Victor gar nicht an einer Tötung Ottos interessiert<br />

war, sondern „nur“ seinen Sohn beseitigt wissen wollte. Umstritten ist,<br />

ob dem Anstifter eine solche Tat noch als von ihm veranlasst <strong>zu</strong>rechenbar<br />

ist. Je nachdem, wie sich der für Theo (Vordermann) unbeachtliche<br />

error in persona hier auf den Victor (Hintermann) auswirkte,<br />

kommt eine Anstiftung <strong>zu</strong>m vollendeten Mord, eine Anstiftung <strong>zu</strong>m<br />

versuchten Mord oder eine versuchte Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord sowie eine<br />

fahrlässige Tötung in Betracht. Zu diesem Problem werden hauptsächlich<br />

drei unterschiedliche Ansichten vertreten.<br />

Nach der Unbeachtlichkeitstheorie, welche eine strenge Akzessorietät<br />

der Teilnehmerstrafbarkeit <strong>zu</strong>grunde legt, soll ein für den Täter unbe-<br />

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achtlicher error in persona auch für den Anstifter unbeachtlich sein. Aus<br />

der Akzessorietät von Anstiftung und Haupttat folge nämlich, das ein<br />

Irrtum des Täters sich in gleicher Weise auf den Anstifter auswirken<br />

müsse. Hiervon sei eine Ausnahme nur <strong>zu</strong>lässig, wenn die Verwechslung<br />

außerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung<br />

Voraussehbaren liege. Da der Anstifter den Tatentschluss beim Täter<br />

hervorgerufen hat, müsse er auch für einen Irrtum des Angestifteten<br />

haften. Es wäre unbillig, ihn im Vergleich <strong>zu</strong>m Täter <strong>zu</strong> privilegieren.<br />

Kritisiert wird an dieser Ansicht, dass dann, wenn der Täter seinen Irrtum<br />

bemerkt und er die Tat später erneut begeht – und zwar diesmal am<br />

richtigen Objekt – der Anstifter konsequenterweise wegen der Anstiftung<br />

<strong>zu</strong> beiden Taten bestraft werden müsste. Eben dies habe er jedoch<br />

in seinen Vorsatz nicht aufgenommen. Nach der Unbeachtlichkeitstheorie<br />

war damit der error in persona des Theo auch für Victor unbeachtlich.<br />

Eine Anstiftung läge daher vor.<br />

Etwas gemäßigter stellt sich die Wesentlichkeitstheorie dar. Hiernach<br />

sei ein für den Täter unbeachtlicher error in persona für den Anstifter<br />

jedenfalls dann beachtlich, wenn die Objektsverwechslung für den Anstifter<br />

eine wesentliche Abweichung von seinem Vorsatz darstelle. Da<br />

in diesen Fällen eine Fülle von Möglichkeiten und Varianten denkbar<br />

sei, könne nur ein flexibler Beurteilungsmaßstab mit dem Kriterium der<br />

Wesentlichkeit <strong>zu</strong> befriedigenden Ergebnissen führen. Entscheidend bei<br />

der Bewertung sei dabei, ob die konkrete Tat noch vom Vorsatz des<br />

Anstifters getragen ist. Dies ist nur bei unwesentlichen Abweichungen<br />

der Fall. Nach der Wesentlichkeitstheorie war der error in persona des<br />

Theo für Victor beachtlich. Ihm kam es nur auf die Tötung des Siegfried<br />

an, um dadurch Haus und Hof <strong>zu</strong> retten. Die irrtümliche Tötung<br />

des Otto konnte diesen Zweck nicht erfüllen, weshalb sie für Victor eine<br />

wesentliche Abweichung von dessen Tatentschluss darstellte.<br />

Nach einer dritten Ansicht stellt ein für den Täter unbeachtlicher error<br />

in persona für den Anstifter lediglich eine aberratio ictus dar. Die Akzessorietät<br />

von Haupttat und Anstiftung müsse in diesem Fall aufgehoben<br />

werden. Es dürfe keinen Unterschied machen, ob der Täter ein mechanisches<br />

Werkzeug losschickt, welches fehlgeht oder ob der Anstifter<br />

ein menschliches Werkzeug wegschickt, welches irrt. Der Anstifter<br />

muss immer eine konkrete Tat in seine Vorstellung aufnehmen. Die An-<br />

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stiftung sei jedoch misslungen, wenn der Täter einen anderen tötet als<br />

den, den er töten soll. Innerhalb dieser Ansicht ist jedoch die Rechtsfolge<br />

umstritten. Nach der h.M., welche die aberratio ictus stets als beachtlich<br />

ansieht und üblicherweise <strong>zu</strong> einer Kombination von Versuch und<br />

Fahrlässigkeit kommt, läge dann <strong>zu</strong>mindest eine fahrlässige Tötung vor.<br />

Daneben käme entweder eine Anstiftung <strong>zu</strong>m Versuch oder eine versuchte<br />

Anstiftung <strong>zu</strong>m vollendeten Delikt in Frage. Nach dieser Ansicht<br />

war der error in persona des Theo in jedem Fall für Victor beachtlich,<br />

d.h. der Irrtum des Theo stellte für Victor eine aberratio ictus dar.<br />

Da die unterschiedlichen Ansichten im vorliegenden Fall <strong>zu</strong> abweichenden<br />

Ergebnissen gelangen, ist der Streit <strong>zu</strong> entscheiden und Stellung<br />

<strong>zu</strong> nehmen.<br />

Gegen die Aberratio-ictus-Theorie spricht das wertungsmäßige Argument,<br />

dass der Anstifter die Tat letztlich verursacht hat. Es wäre aber<br />

ein Widerspruch, wenn derjenige, der den Tatentschluss beim Täter<br />

weckte, gegenüber diesem privilegiert würde. Problematisch an der Wesentlichkeitstheorie<br />

erscheint, dass eine Abgren<strong>zu</strong>ng nach dem Kriterium<br />

der Wesentlichkeit letztlich nur willkürlich erfolgen kann. Diese<br />

Theorie führt damit nicht <strong>zu</strong> hinreichender Rechtssicherheit. Die praktikabelste<br />

Lösung bietet damit im Ergebnis die Unbeachtlichkeitstheorie.<br />

Der error in persona des Theo war damit auch für Victor unbeachtlich.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Fraglich ist, ob für Victor ein Rechtfertigungsgrund vorlag.<br />

<strong>1.</strong> Notwehr gemäß § 32 StGB<br />

Man könnte hier an eine Rechtfertigung wegen Notwehr gemäß § 32<br />

StGB denken, da Siegfried den Victor wiederholt tätlich angriff. Hier<strong>zu</strong><br />

müsste ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf geschützte Rechtsgüter<br />

des Victor vorliegen. Zwar mögen die Attacken Siegfrieds Angriffe<br />

auf die geschützte körperliche Unversehrtheit Victors darstellen, jedoch<br />

waren diese im Tatzeitpunkt nicht gegenwärtig. Eine Rechtfertigung<br />

des Victor gemäß § 32 StGB scheidet damit im Ergebnis aus.<br />

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2. Notstand gemäß § 34 StGB<br />

Es käme auch ein rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB in Betracht.<br />

Dieser setzt eine gegenwärtige Gefahr für rechtlich geschützte<br />

Güter des Täters voraus. Gegenwärtigkeit im Sinne des § 34 StGB kann<br />

auch bei einer Dauergefahr angenommen werden, sofern sofortiges<br />

Handeln angezeigt ist, um einen späteren Schaden ab<strong>zu</strong>wenden. Eine<br />

Gefahr könnte hier in den Angriffen Siegfrieds oder in einer möglichen<br />

Existenzvernichtung durch Vernachlässigung des Hofes gesehen werden.<br />

Jedoch muss <strong>zu</strong>r Rechtfertigung das <strong>zu</strong> schützende Rechtsgut das<br />

verletzte wesentlich überwiegen. Von einem solchen Überwiegen kann<br />

aber bei dem hier betroffenen Rechtsgut Leben niemals ausgegangen<br />

werden. Grundsätzlich gilt, dass § 34 StGB eine Tötung niemals rechtfertigen<br />

kann. Demnach scheidet diese Rechtfertigungsmöglichkeit hier<br />

ebenso aus. Victor handelte somit rechtswidrig.<br />

III. Schuld<br />

Die Tat geschah auch schuldhaft. § 35 StGB ist hier nicht einschlägig,<br />

da die Tat jedenfalls anders abwendbar war.<br />

IV. Ergebnis<br />

Victor hat sich wegen einer Anstiftung <strong>zu</strong>m Totschlag gemäß §§ 212<br />

I, 26 I StGB strafbar gemacht.<br />

C. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord (an Otto) gemäß §§<br />

212 I, 211, 26 I StGB<br />

Victor könnte sich durch das Bestimmen des Theo <strong>zu</strong>r Tötung des Siegfried<br />

<strong>zu</strong>dem wegen einer Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord strafbar gemacht haben.<br />

I. <strong>Tatbestand</strong><br />

<strong>1.</strong> <strong>Objektiver</strong> <strong>Tatbestand</strong><br />

Als teilnahmefähige Haupttat liegt hier ein Mord durch Theo vor, da<br />

dieser den Otto heimtückisch und aus Habgier getötet hat. Zu diesem<br />

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Mord hat Victor den Theo wiederum im Sinne des § 26 I StGB bestimmt.<br />

2. Subjektiver <strong>Tatbestand</strong><br />

Victor müsste ferner auch mit entsprechendem doppelten Anstiftervorsatz<br />

gehandelt haben.<br />

a) Vorsatz bzgl. Bestimmens<br />

Zweifellos hat Victor den Theo hier bewusst und gewollt, also vorsätzlich,<br />

<strong>zu</strong> dessen Tat gemäß § 26 I StGB bestimmt.<br />

b) Vorsatz bzgl. Haupttat<br />

Problematisch ist indes der Vorsatz hinsichtlich der Haupttat, nämlich<br />

hinsichtlich der Tötung und der Mordmerkmale. Hinsichtlich der Tötung<br />

des Otto ist wiederum Vorsatz <strong>zu</strong> bejahen, der Irrtum Theos ist<br />

nach dem oben Gesagten auch für Victor unbeachtlich.<br />

Hinsichtlich der Heimtücke als tatbezogenes Mordmerkmal müsste ebenfalls<br />

Vorsatz vorgelegen haben, § 28 StGB gilt hier nicht. Wesentlich<br />

ist daher, ob Victor <strong>zu</strong> einer Tötung angestiftet hat, die nach der<br />

geplanten Begehungsweise als heimtückisch an<strong>zu</strong>sehen war. Das ist der<br />

Fall, wenn Victor wusste, dass Theo das Opfer „hinterrücks“ erschießen<br />

würde und damit einverstanden war. Das ist hier eine Frage der Sachverhaltsauslegung.<br />

Im vorliegenden Fall kann <strong>zu</strong>mindest bedingter Vorsatz<br />

angenommen werden, da Victor davon ausgehen durfte, dass Theo<br />

das Opfer aus dem Hinterhalt, d.h. jedenfalls unvorbereitet und überraschend,<br />

töten würde und er dies billigend in Kauf nahm.<br />

Habgier ist dagegen ein täterbezogenes Merkmal, für das nach h.M. §<br />

28 StGB gilt. Fraglich ist aber, ob § 28 I oder II StGB an<strong>zu</strong>wenden ist.<br />

Die Anwendung von § 28 II StGB hätte <strong>zu</strong>r Folge, dass das täterbezogene<br />

Merkmal nur für denjenigen gilt, bei dem es auch selbst vorliegt.<br />

Weist der Teilnehmer also kein entsprechendes Mordmerkmal auf,<br />

kommt es <strong>zu</strong> einer echten <strong>Tatbestand</strong>sverschiebung und einer Bestrafung<br />

aus § 212 StGB, sofern nicht, wie hier, ein anderes Mordmerk-<br />

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mal vorliegt.<br />

Nach h.M. in der Literatur ist § 211 StGB eine Qualifikation <strong>zu</strong> § 212<br />

StGB, Habgier also ein Merkmal, das die Strafe schärft gemäß § 28 II<br />

StGB. Theos Habgier ist Victor danach nicht <strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen, sondern es<br />

stellt sich die Frage, ob er selbst ein eigenes täterbezogenes Mordmerkmal<br />

aufweist. In Betracht kommt auch für Victor das Vorliegen<br />

von Habgier. Diese könnte hier <strong>zu</strong> bejahen sein, falls Victor den Hof<br />

<strong>zu</strong>rückhaben will. Dies ist dem Sachverhalt indes nicht unbedingt <strong>zu</strong><br />

entnehmen. In erster Linie sorgte Victor sich um den Erhalt seiner Lebensgrundlage.<br />

Darin kann nicht das Streben nach einem rechtswidrigen<br />

Vermögensvorteil, nicht einmal eine tatsächliche Mehrung seines Vermögens<br />

gesehen werden. Die Literatur käme deshalb hier <strong>zu</strong> dem Ergebnis,<br />

dass eine strafbare Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord aus Habgier ausscheidet.<br />

Nach Ansicht des BGH ist § 211 StGB ein Delikt eigener Art und damit<br />

keine Qualifikation <strong>zu</strong> § 212 StGB. Es gelte deshalb § 28 I StGB. Für<br />

die <strong>Tatbestand</strong>smäßigkeit ist daher Kenntnis des Mordmerkmals erforderlich.<br />

Liegt eine solche vor, kommt bei Fehlen des Mordmerkmals<br />

beim Teilnehmer höchstens eine Strafmilderung nach § 28 I StGB in<br />

Betracht. Der Teilnehmer muss das Mordmerkmal also selbst nicht<br />

aufweisen. Eine <strong>Tatbestand</strong>sverschiebung nach § 28 II StGB scheidet<br />

dagegen aus. Ob Victor eigene Mordmerkmale aufweist, ist lediglich im<br />

Rahmen der Strafmilderung nach § 28 I StGB <strong>zu</strong> berücksichtigen. Victor<br />

ist demnach auch wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Habgiermord <strong>zu</strong> bestrafen.<br />

Zu denken wäre nur noch an eine Strafmilderung wie sie § 28 I StGB<br />

vorsieht, die hier im Ergebnis allerdings wegen des Vorsatzes bzgl. der<br />

Heimtücke ausscheiden würde.<br />

Victor hatte nach beiden Auffassungen hinreichenden Vorsatz hinsichtlich<br />

der Haupttat des Theo gemäß §§ 212 I, 211 StGB bezüglich des<br />

objektiven Mordmerkmals der Heimtücke. Eine Zurechnung des subjektiven<br />

Mordmerkmals der Habgier kommt nur nach der Rechtsprechung<br />

in Betracht. Daher ist der Streit <strong>zu</strong> entscheiden und Stellung <strong>zu</strong><br />

nehmen, da es jedenfalls für die Frage der „besonderen Schwere der<br />

Schuld“ entscheidend ist, ob Victor die Beteiligung an zwei oder nur an<br />

einem Mordmerkmal <strong>zu</strong>gerechnet werden kann.<br />

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Für die Auffassung des BGH spricht zwar <strong>zu</strong>nächst der Wortlaut der<br />

Vorschrift, die vom „Mörder“ spricht, der dem<strong>zu</strong>folge ein anderer Tätertyp<br />

als der „Totschläger“ sein könnte. Für die h. L. spricht aber, dass<br />

sie es viel eher ermöglicht, den Teilnehmer schuldangemessen <strong>zu</strong> bestrafen<br />

und zwar auch dann, wenn nur er und nicht der Haupttäter ein<br />

Mordmerkmal aufweist. Für diese Konstellation hält die Rechtsprechung<br />

keine Lösung parat. Zudem ist es der Rechtsprechung nicht gelungen,<br />

für alle Fälle dogmatisch saubere Konstruktionen <strong>zu</strong> entwickeln,<br />

so z.B. für eine mittäterschaftliche Tötung, bei der nur ein Mittäter<br />

Mordmerkmale aufweist. Demnach ist der h.M. in der Literatur <strong>zu</strong><br />

folgen.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Die Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord geschah rechtswidrig.<br />

III. Schuld<br />

Auch handelte Victor schuldhaft.<br />

IV. Ergebnis<br />

Nach der hier vertretenen Auffassung ist Victor strafbar wegen Anstiftung<br />

<strong>zu</strong>m Heimtückemord gemäß §§ 212 I, 211, 26 I StGB.<br />

D. Strafbarkeit wegen Anstiftung <strong>zu</strong>m Hausfriedensbruch gemäß<br />

§§ 123 I, 26 I StGB<br />

Bei Theo wurde eine Strafbarkeit gemäß § 123 I StGB bejaht. Folgerichtig<br />

ist hinsichtlich Victor daher von einer Strafbarkeit gemäß §§ 123<br />

I, 26 I StGB aus<strong>zu</strong>gehen. Sollte Victor geglaubt haben, sein Einverständnis<br />

<strong>zu</strong>m Betreten des Hofes und Stalles durch Theo sei tatbestandsausschließend,<br />

d.h., die Einladung des Mörders seines Sohnes sei<br />

<strong>zu</strong>mutbar, so lag ein vermeidbarer Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB vor.<br />

Victor hat sich damit auch wegen einer Anstiftung <strong>zu</strong>m Hausfriedensbruch<br />

gemäß §§ 123 I, 26 I StGB strafbar gemacht. Den nach § 123 II<br />

StGB erforderlichen Strafantrag hat Siegfried gestellt. Die Anstiftung<br />

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<strong>zu</strong>m Hausfriedensbruch steht <strong>zu</strong>r Anstiftung <strong>zu</strong>m Mord in Tateinheit<br />

gemäß § 52 StGB.<br />

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