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Die Sprache des Parfums

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ästhetisches Konglomerat bestehend aus Fieber, das durch Nerven<br />

strahlt, Händen im Eisfach und Fingerspitzentropfen etwas über den Ge-<br />

ruch <strong>des</strong> <strong>Parfums</strong> aussagt, ist völlig uninteressant.<br />

Es zählt allein die kommunikative Tatsache, dass der Duft eines <strong>Parfums</strong><br />

anscheinend in der Lage ist, derartige oder auch ganz andere, nämlich<br />

beliebige Assoziationen auszulösen. Ostermaier ist offenbar für eine po-<br />

etische Sicht der Dinge sensibel und besitzt die Fähigkeit, diese Assozia-<br />

tionen in Worte zu fassen. Ob jemand Anderes diesen Worten eine sinn-<br />

volle Bedeutung entnehmen kann, ist nicht nur völlig unerheblich, son-<br />

dern bereits als Anspruch verfehlt.<br />

So originell und innovativ Ostermaiers sprachliche Herangehensweise<br />

an die Parfumgerüche ist, so herkömmlich ist beispielsweise ein Artikel<br />

von Knut Cordsen aus der Süddeutschen Zeitung über dieses Manöver<br />

(Cordsen 2002). Dort diskreditiert der Verfasser Ostermaiers lyrische<br />

Parfumtexte in recht polemischer Weise. <strong>Die</strong>s ist aber (zumin<strong>des</strong>t für<br />

mich) nicht besonders überraschend. Der Artikel ist aus der kommunika-<br />

tionstheoretisch eindimensionalen Perspektive geschrieben, die ich be-<br />

reits zu Beginn dieser Schlussbetrachtung thematisiert habe. Es ist die<br />

Perspektive der unreflektierten Überschätzung der referentiellen Sprach-<br />

funktion, die, wie ich gezeigt habe, für die <strong>Sprache</strong> <strong>des</strong> <strong>Parfums</strong> völlig<br />

unbrauchbar ist. Cordsen scheint davon auszugehen, dass man über<br />

Gerüche ‚normal’ sprechen kann und dass der Lyriker Ostermaier zu<br />

Promotionszwecken lediglich die „Wirklichkeit mit metaphorischer Meer-<br />

rettichsoße“ (Cordsen 2002) überzogen hat. Dass der Wahrnehmungs-<br />

bereich <strong>des</strong> Geruchs im Allgemeinen und <strong>des</strong> <strong>Parfums</strong> im Besonderen<br />

eben keine normale Wirklichkeit und das Metaphorische legitimes Mittel<br />

ist, um sich dieser sprachlich zu nähern, habe ich mit diesem Buch ge-<br />

zeigt.<br />

Statt also diskreditierend von „Meerrettichsoße“ sollte man lieber von ei-<br />

ner crème synesthétique sprechen, und zwar nicht als notwendiges Ü-<br />

bel, sondern als notwendige Bedingung für die <strong>Sprache</strong> <strong>des</strong> <strong>Parfums</strong>.<br />

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