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Die Sprache des Parfums

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Das Doppelprinzip der (De-)Semantisierung ist als komplementäres<br />

Phänomen zu verstehen, wobei „der Semantisierung der Signifikant-<br />

Ebenen eine Desemantisierung der Ebene der Denotation entspricht“<br />

(Link 1992: 97).<br />

Analytisch angewendet auf meinen zweiten Beispielsatz<br />

Ich (a) laufe, (b) eile, (c) stürze, (d) haste ins Haus, <br />

weil es regnet<br />

würde dies folgendermaßen aussehen:<br />

<strong>Die</strong> Semantisierung der Signifikantenseite wird erneut erreicht durch die<br />

regelmäßige Abfolge unbetonter und betonter Silben, die man als phoni-<br />

sche Metrisierung bezeichnen kann. <strong>Die</strong> Desemantisierung der Signifika-<br />

tenseite wird erzeugt durch die Aneinanderreihung mehrerer (quasi-<br />

)äquivalenter Verben. <strong>Die</strong>ses Manöver kann man als lexikalische Metri-<br />

sierung bezeichnen. Es führt zu einer gewissen, wenn auch nicht absolu-<br />

ten Redundanz. Eine Erweiterung <strong>des</strong> Begriffes Metrum gegenüber ei-<br />

nem in der Literaturwissenschaft engeren Verständnis bringt Koch<br />

(1981) ins Spiel, wenn er von „syntaktischen Metren“ spricht und sogar<br />

„konsequenterweise (...) die topikale Rekurrenz als Metrum“ ansieht.<br />

„<strong>Die</strong>ser [der topikale] Rekurrenztyp beinhaltet zwar einen relativ offenen Pa-<br />

rameter von allgemeiner informationeller Analyse; doch könnte er nach dem<br />

Strukturierungsprozeß noch als Metrum benutzt und erfahren werden“ (Koch<br />

1981: 48).<br />

Es ist also möglich, dass eine Zeichenkette so konstruiert sein kann,<br />

dass das eigentlich Wichtige an ihr die in den Vordergrund der Wahr-<br />

nehmung gerückten formalen, also sinnlich (= visuell/auditiv) wahrnehm-<br />

baren, Signifikanten sind und die kommunizierten Inhalte, die Signifika-<br />

ten, in ihrer kognitiven Wirkung auf den Rezipienten gegenüber der Form<br />

zurücktreten. <strong>Die</strong> Tatsache, dass sprachliche Zeichen einen (zumin<strong>des</strong>t<br />

potenziell) materiellen Zeichenträger nötig haben um kommunizierbar zu<br />

sein (eine Phonemfolge, eine Graphemfolge, die auch mental repräsen-<br />

tiert sein kann) ist nur scheinbar trivial. <strong>Die</strong> poetische Funktion hat den<br />

Effekt, diese Trivialität zu enttrivialisieren und den materiellen Zeichen-<br />

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