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Nr. 2 / April 2009 - Erlebnisbank.ch

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S<strong>ch</strong>luSSpunkt<br />

Zum diesjährigen S<strong>ch</strong>lusspunkt<br />

Seit Mitte Dezember 2008 gehört die S<strong>ch</strong>weiz dem S<strong>ch</strong>engen-Raum an.<br />

An den Grenzen werden nur no<strong>ch</strong> Zollkontrollen dur<strong>ch</strong>geführt, ni<strong>ch</strong>t aber<br />

mehr Personenkontrollen. Woran erkennt man bei der Einreise oder Rückkehr,<br />

dass man in der S<strong>ch</strong>weiz ist? Was unters<strong>ch</strong>eidet sie von anderen<br />

Ländern? Oft sind es Alltägli<strong>ch</strong>keiten, wie die diesjährige Serie aufzeigt.<br />

Kondukteure als Bots<strong>ch</strong>after<br />

Die Zugfahrt von Mailand na<strong>ch</strong> Lugano dauert in der Regel eine Stunde<br />

und 20 Minuten. Es ist eine Reise zwis<strong>ch</strong>en zwei Welten. Das wird<br />

an der Grenze klar. Zwar ist die Passkontrolle im Zug inzwis<strong>ch</strong>en<br />

Vergangenheit. Au<strong>ch</strong> der 30 Minuten lange Stopp am Grenzbahnhof in<br />

Chiasso, der so man<strong>ch</strong>en Reisenden nervös auf die Uhr blicken liess, ist<br />

einem ganz normalen Halt zum Ein- und Aussteigen gewi<strong>ch</strong>en.<br />

Trotzdem ist der Grenzübertritt spürbar. Oder präziser ausgedrückt:<br />

hörbar. Statt s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t gelaunter Kondukteure und unverständli<strong>ch</strong>er Ansagen<br />

über die Lautspre<strong>ch</strong>er klingt es plötzli<strong>ch</strong> kristallklar: «Das SBB-Team<br />

begrüsst Sie herzli<strong>ch</strong> auf der Fahrt na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong>. Wir hoffen, Sie geniessen<br />

den Aufenthalt bei uns an Bord.» Das Ganze wird auf Italienis<strong>ch</strong> und Englis<strong>ch</strong><br />

wiederholt. Geniessen? Die Fahrgäste aus Venedig und Mailand hor<strong>ch</strong>en<br />

auf und blinzeln erstaunt.<br />

Vereinzelt s<strong>ch</strong>aut man si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Reisezugbegleiter um: Hat er si<strong>ch</strong><br />

da einen S<strong>ch</strong>erz erlaubt oder meint er das ernst? Wer an s<strong>ch</strong>mutzige Abteile,<br />

systematis<strong>ch</strong>e Verspätungen und Zugbegleiter gewöhnt ist, die na<strong>ch</strong><br />

Abfahrt des Zuges untertau<strong>ch</strong>en, um bloss keine Fragen zu verpassten<br />

Ans<strong>ch</strong>lusszügen oder defekten Heizungen beantworten zu müssen,<br />

kann es kaum glauben. «Bei allfälligen Fragen finden Sie mi<strong>ch</strong> im Abteil<br />

Nummer 1 an der Spitze des Zuges.» Die verwirrten Blicke mehren si<strong>ch</strong>.<br />

Zugpersonal, das zur Verfügung steht, das seine Rolle pfli<strong>ch</strong>tbewusst und<br />

mit einem gewissen Stolz ausfüllt, das kennt man in Italien ni<strong>ch</strong>t, das gibt<br />

es so nur in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Die SBB als nationales Markenzei<strong>ch</strong>en? Ja. Obwohl au<strong>ch</strong> hier natürli<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t alles perfekt läuft. Aber man bemüht si<strong>ch</strong>. Und kümmert si<strong>ch</strong>. Die<br />

Kondukteure s<strong>ch</strong>auen besorgt aus, wenn der Zug Verspätung hat. Sie<br />

wirken zerknirs<strong>ch</strong>t, wenn der Ans<strong>ch</strong>lusszug in Arth-Goldau leider ni<strong>ch</strong>t<br />

warten kann und su<strong>ch</strong>en in ihren roten elektronis<strong>ch</strong>en Wunderkäst<strong>ch</strong>en,<br />

die sie selbstbewusst am Gürtel tragen, na<strong>ch</strong> Reisealternativen. Sie besänftigen<br />

au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on mal ungeduldige Kinder, s<strong>ch</strong>watzen mit alten Leuten und<br />

geben die Wetteraussi<strong>ch</strong>ten nördli<strong>ch</strong> des Gotthardtunnels bekannt.<br />

Sie sind das, was an italienis<strong>ch</strong>en Stränden der Bademeister ist: ein<br />

fester Bezugspunkt. Man fühlt si<strong>ch</strong> gut aufgehoben. Warum si<strong>ch</strong> die<br />

Zugbegleiter in Italien ni<strong>ch</strong>t ähnli<strong>ch</strong> mit ihrem Beruf identifizieren wie die<br />

Bademeister, ist unverständli<strong>ch</strong>. Oder viellei<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong>. Die italienis<strong>ch</strong>e Eisenbahn<br />

gibt keinen Grund, auf sie stolz zu sein. Im Gegenteil: Die Kondukteure<br />

s<strong>ch</strong>impfen genauso auf die «ferrovie dello stato» wie die Fahrgäste.<br />

Das würde einem Zugbegleiter auf der Strecke von Chiasso na<strong>ch</strong> Züri<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t einfallen. Er repräsentiert mit jeder Faser seiner neuen Dienstuniform<br />

die S<strong>ch</strong>weizer Bahnen. Und er gibt uns Ausländern das beruhigende Gefühl,<br />

in ein Land zu kommen, wo jeder seinen Platz hat, vorzugsweise natürli<strong>ch</strong><br />

einen Sitzplatz am Fenster. kirStin hauSen, lugano<br />

50 Panorama raiffeisen 2/09<br />

Foto: SBB

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