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Drucksache 15/3700 – 22 – Deutscher Bun<strong>de</strong>stag – 15. Wahlperio<strong>de</strong><br />
Stun<strong>de</strong>n bis drei Tage beobachtet und bestätigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Während dieser Zeit, in welcher <strong>de</strong>r Hirntod noch nicht<br />
als gesichert angesehen wer<strong>de</strong>n kann, ist zur Erhaltung<br />
<strong>de</strong>r Transplantierbarkeit <strong>de</strong>r durchbluteten Organe (Herz,<br />
Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm) eine<br />
maximale intensivmedizinische Behandlung <strong>de</strong>s Patienten<br />
zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s Blutkreislaufes und die maschinelle<br />
Beatmung erfor<strong>de</strong>rlich. 113)<br />
Wenn eine Organspen<strong>de</strong> infrage kommt, muss darüber hinaus<br />
eine intensivmedizinische Behandlung sofort aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Kreislauf aufrechtzuerhalten<br />
und die Organspen<strong>de</strong> im To<strong>de</strong>sfall zu ermöglichen – auch<br />
in aussichtslosen Fällen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Tod nach medizinischer<br />
Erkenntnis nicht mehr aufzuhalten ist und in <strong>de</strong>r<br />
Regel eine solche Maßnahme daher nicht begonnen<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
Der Inhalt einer Patientenverfügung, die Behandlungseinschränkungen<br />
o<strong>de</strong>r einen -verzicht enthält, kann also mit<br />
<strong>de</strong>r Umsetzung einer erklärten Bereitschaft zu einer Organspen<strong>de</strong><br />
in Konflikt treten. Ist eine Patientenverfügung<br />
bekannt, die einen Behandlungsverzicht in Bezug auf intensivmedizinische<br />
Maßnahmen enthält, so wäre damit<br />
die Realisierung einer Organspen<strong>de</strong> erschwert o<strong>de</strong>r sogar<br />
von vornherein ausgeschlossen. Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re,<br />
wenn eine schon früher abgegebene Erklärung zu einer<br />
Organspen<strong>de</strong> mit einer späteren Patientenverfügung kollidiert.<br />
Diese zeitliche Abfolge dürfte <strong>de</strong>r Regelfall sein.<br />
Zu be<strong>de</strong>nken ist auch, dass <strong>de</strong>rzeit <strong>de</strong>r größte Teil <strong>de</strong>r<br />
Organspen<strong>de</strong>n nicht aufgrund einer Erklärung <strong>de</strong>s Organspen<strong>de</strong>rs<br />
selbst erfolgt, son<strong>de</strong>rn aufgrund <strong>de</strong>r Zustimmung<br />
<strong>de</strong>r Angehörigen. Diese haben nach § 4 Abs. 1<br />
Satz 3 TPG bei ihrer Entscheidung <strong>de</strong>n mutmaßlichen<br />
Willen <strong>de</strong>s Organspen<strong>de</strong>rs zu beachten, soweit ein solcher<br />
ermittelbar ist. Es muss davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass,<br />
wenn eine Patientenverfügung mit <strong>de</strong>m vorstehend erwähnten<br />
Inhalt vorliegt, die Angehörigen zu <strong>de</strong>m Ergebnis<br />
kommen, dass <strong>de</strong>r mutmaßliche Wille sich im Zweifel<br />
auch auf das Unterlassen von lebenserhalten<strong>de</strong>n intensivmedizinischen<br />
Maßnahmen zur Ermöglichung einer<br />
Organspen<strong>de</strong> erstreckt, und ihre Einwilligung in die Organspen<strong>de</strong><br />
verweigern. Keinesfalls kann man davon ausgehen,<br />
dass die Verfasser von Patientenverfügungen und<br />
ihre rechtlichen Vertreter und Angehörigen die Intention<br />
<strong>de</strong>r Verfügungen ohne weiteres so verstehen, dass eine intensivmedizinische<br />
Behandlung zur Ermöglichung <strong>de</strong>r<br />
Organspen<strong>de</strong> in Kauf genommen wird. Auch wenn in vielen<br />
Fällen eine Organspen<strong>de</strong> bereits wegen <strong>de</strong>r Schädigung<br />
<strong>de</strong>r Organe <strong>de</strong>s Patienten, <strong>de</strong>r eine Patientenverfügung<br />
mit Behandlungsverzicht erstellt hat, nicht infrage<br />
kommen wird, so ist doch davon auszugehen, dass das<br />
Organspen<strong>de</strong>aufkommen durch die Verbreitung von<br />
Empfehlungen für eine Patientenverfügung mit Behandlungsverzicht<br />
erheblich zurückgehen wird.<br />
113) An<strong>de</strong>re Organe bzw. Gewebe wie Augenhornhäute zur Behandlung<br />
von Erblindung, Haut und Knochen können dagegen auch noch längere<br />
Zeit nach <strong>de</strong>m Herz-Kreislauf-Stillstand und bei bereits vorliegen<strong>de</strong>n<br />
äußeren To<strong>de</strong>szeichen wie Totenstarre entnommen wer<strong>de</strong>n.<br />
4 Rechtslage in ausgewählten europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn<br />
4.1 Belgien<br />
Patientenverfügungen mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>s Behandlungsverzichts<br />
am Lebensen<strong>de</strong> haben in Belgien eine ausdrückliche<br />
gesetzliche Grundlage im Patientenrechtsgesetz vom<br />
22. August 2002. Artikel 8 § 4 konstatiert zuerst das<br />
Recht <strong>de</strong>r Patienten, ihre Zustimmung zu einer medizinischen<br />
Behandlung abzulehnen o<strong>de</strong>r eine bereits gegebene<br />
Zustimmung zurückzuziehen: „Patienten haben das<br />
Recht, ihre Zustimmung zu je<strong>de</strong>r Behandlung, wie im ersten<br />
Absatz festgelegt, abzulehnen o<strong>de</strong>r zu wi<strong>de</strong>rrufen.“<br />
Sodann wird die Geltung solcher Behandlungsverweigerungen<br />
auch auf schriftliche Verfügungen ausge<strong>de</strong>hnt:<br />
„Wenn ein Patient zu einem Zeitpunkt, an <strong>de</strong>m er noch<br />
zur Ausübung seiner Rechte aus diesem Gesetz in <strong>de</strong>r<br />
Lage ist, eine schriftliche Erklärung abgibt, mit <strong>de</strong>r er<br />
eine medizinische Behandlung ablehnt, wird diese Ablehnung<br />
anerkannt, solange <strong>de</strong>r Patient diese nicht zu einer<br />
Zeit wi<strong>de</strong>rruft, in <strong>de</strong>r er selbst zur Ausübung seiner<br />
Rechte in <strong>de</strong>r Lage ist.“ Weitere Voraussetzungen für die<br />
Wirksamkeit einer solchen Patientenverfügung wer<strong>de</strong>n<br />
nicht gemacht.<br />
Im selben Paragraphen wird betont, dass solch eine Behandlungsverweigerung<br />
nicht das Recht auf qualitativ<br />
hochwertige Pflege einschränkt, das <strong>de</strong>n Patienten im<br />
Patientenrechtsgesetz zugesprochen wird: „We<strong>de</strong>r die<br />
Ablehnung noch die Rücknahme <strong>de</strong>r Zustimmung führt<br />
zur Aberkennung <strong>de</strong>s in Artikel 5 garantierten Rechts auf<br />
qualitativ hochwertige Versorgung.“<br />
Die Bestimmungen einer Patientenverfügung können in<br />
Belgien jedoch nicht nur Behandlungsverzicht umfassen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch aktive Sterbehilfe. Patientenverfügungen, in<br />
<strong>de</strong>nen aktive Sterbehilfe gewünscht wird (wilsverklaring/<br />
<strong>de</strong>claration anticipée), wer<strong>de</strong>n im belgischen Euthanasiegesetz<br />
vom 28. Mai 2002 geregelt, das seit En<strong>de</strong> September<br />
<strong>de</strong>sselben Jahres in Kraft ist. Der Wunsch nach aktiver<br />
Sterbehilfe muss <strong>de</strong>mnach generell schriftlich<br />
dargelegt sein, auch wenn <strong>de</strong>r Patient bei Bewusstsein<br />
und urteilsfähig ist (Artikel 3 § 4). Artikel 4 § 1 eröffnet<br />
dann die Möglichkeit einer vorweggenommenen Willenserklärung.<br />
4.2 Dänemark<br />
Dänemark hat bereits seit 1992 eine eigene gesetzliche<br />
Regelung für Patientenverfügungen. Nach <strong>de</strong>m Patientenverfügungsgesetz<br />
ist je<strong>de</strong> volljährige Person berechtigt,<br />
eine Patientenverfügung zu verfassen. Sie ist schriftlich<br />
abzufassen und bedarf <strong>de</strong>r Unterschrift und Datierung<br />
durch <strong>de</strong>n Testator. 114) Das Patientenrechtsgesetz (Lov<br />
om patienters retsstilling), das am 1. Oktober 1998 in<br />
Kraft trat, hat die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen<br />
bekräftigt und <strong>de</strong>n Umgang mit ihnen in <strong>de</strong>n §§ 17 und<br />
18 klargestellt. 115)<br />
114) Koch (1999b), 47.<br />
115) U<strong>de</strong>nrigsministeren (1999); Hybel (2000), 509.