Die Flucht nach Ägypten heute … - Evangelische Pfarrgemeinde ...
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<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>nach</strong> <strong>Ägypten</strong> <strong>heute</strong><br />
Sie hatten es eilig. Sie sahen sich<br />
nicht um. Sie wollten nur schnell<br />
weg. Bevor noch jemand darauf<br />
kommt, dass sie doch da sind.<br />
Man hatte ihnen das Existenzrecht<br />
abgestritten. Man hatte gesagt: Bei<br />
uns kommen unsere Leute zuerst<br />
dran. Außerdem: Da kann ja jeder<br />
kommen und behaupten: wir sind<br />
Hebräer, Roma, Sinti, Nigerianer,<br />
Serben oder Kosovare – und wir<br />
mussten fliehen<strong>…</strong><br />
Ja, Flüchtling sein ist eine Katastrophe!<br />
Aber das Recht ist uns<br />
vorgegeben. „Der Staat“ macht die<br />
Gesetze, und <strong>nach</strong> denen gibt es<br />
kein Bleiberecht! Scheint fast, als<br />
ob unsere Wohlstandsgesellschaft<br />
das nicht will: jenen, die anderswo<br />
nicht geduldet werden, steht auch<br />
bei uns die Türe nicht offen! Wer<br />
weiß, vielleicht sind die gefährlich?<br />
Könnten ja auch Terroristen sein.<br />
Oder sonst irgendeine Bande. Da<br />
schicken wir lieber gleich die Polizei.<br />
Hochbewaffnet! Unsere Gesellschaft<br />
hat Angst vor achtjährigen<br />
Kindern! Sie sind gefährlich: Sie<br />
gefährden den Eindruck, als ob wir<br />
es nicht ernst meinen.<br />
Also kein Wunder, dass sie es eilig<br />
haben: Damals die heilige Familie,<br />
<strong>heute</strong> Menschen auf der <strong>Flucht</strong>.<br />
Aber wohin? <strong>Ägypten</strong> ist <strong>heute</strong><br />
unsicher. Bombenleger und Selbstmordattentäter<br />
überall. Egal ob<br />
Brandenburger Tor, Eiffelturm oder<br />
Heldenplatz: Vollkommene Sicherheit<br />
ist eine Illusion. Aber eines ist<br />
dennoch möglich: Dass Menschen<br />
nicht einfach so davon gejagt werden,<br />
die sich in ein Volk integrieren,<br />
jahrelange Freundschaften schließen<br />
in Kindergärten, Schulen und<br />
unter Arbeitskollegen.<br />
Für unsere Gemeinden sind solche<br />
Nachrichten ausgesprochen aufwühlend.<br />
Schließlich denken wir<br />
gerade rund um Weih<strong>nach</strong>ten an<br />
Christi Geburt, damit auch an die<br />
Kinder für die wir verantwortlich<br />
sind in unserer Gemeinde, aber<br />
auch in unseren Projekten in der<br />
Grundschule für Maya-Kiché-Kinder<br />
in Chajabal/Guatemala, in Medellin/Kolumbien,<br />
wo in verschiedenen<br />
Projekten Jugendliche und ihre<br />
Eltern Armut, Gewalt und Arbeitslosigkeit<br />
bekämpfen. Und in Afrika,<br />
in Ngaoubela in Kamerun, wo in<br />
Schule und Krankenhaus Grundbedingungen<br />
des Überlebens geschaffen<br />
werden müssen. Wir sehen die<br />
Ursachen der <strong>Flucht</strong> in den Ländern<br />
des Südens und wir spüren die<br />
Verantwortung, die wir dafür tragen,<br />
dass täglich 24.000 Menschen auf<br />
unserer Erde an Hunger sterben.<br />
Weih<strong>nach</strong>ten bedeutet, dass Gott<br />
sich der Not dieser Welt stellt. In<br />
einem Kind wird er Mensch, in einer<br />
armen Kleinstadt wird er geboren<br />
und das erste was der Neugeborene<br />
erlebt ist die <strong>Flucht</strong> <strong>nach</strong> <strong>Ägypten</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Bewahrung des Kindes gelingt,<br />
weil Jesus mit seinen Eltern Asyl<br />
in <strong>Ägypten</strong> erhält. Und das Kind<br />
wird nicht wieder abgeschoben, es<br />
bleibt so lange, bis die Zeit reif ist,<br />
Herodes, der dem Kind <strong>nach</strong> dem<br />
Leben trachtet, stirbt und die heilige<br />
Familie von sich aus den Entschluss<br />
fasst, <strong>nach</strong> Nazareth zurückzukehren.<br />
So hat sich Gott der Not dieser<br />
Welt gestellt. Selbst betroffen –<br />
und eben so wendet er das Blatt<br />
für viele, indem er selbst an den<br />
Verhältnissen dieser Welt teilnimmt<br />
– bis zum Tode am Kreuz.<br />
Für viele Menschen ist mit Jesus<br />
auch der Ruf in ihr Leben getreten,<br />
sich selbst gezielt und mit besonderem<br />
Engagement der Not dieser<br />
Welt zu stellen. Wir hoffen, dass<br />
sich in Österreich immer mehr<br />
Menschen dafür einsetzen, dass die<br />
Grundfrage der Verteilung der Güter<br />
auf dieser Erde nicht mit dem Mittel<br />
der Schubhaft, Abschiebung und<br />
Ausgrenzung von Fremden, sondern<br />
mit offenen Händen und Herzen<br />
schon in unserem eigenen Land<br />
geübt wird, in dem Wissen, dass<br />
hierzu eine weltweite Anstrengung<br />
notwendig ist.<br />
Zu Weih<strong>nach</strong>ten erfahren wir von<br />
der Zuwendung Gottes zu den<br />
Schwachen, Armen und Ausgegrenzten.<br />
Möge unser Feiern auch<br />
meine und deine Schwäche heilen<br />
und unsere Herzen öffnen für jene,<br />
die unsere Hilfe brauchen. Übrigens:<br />
es eilt. Mittlerweile zählt die<br />
Welthungerhilfe eine Milliarde betroffene<br />
Menschen. Gott sei dank,<br />
dass wir helfen können. Helfen Sie<br />
mit? Danke!<br />
Michael Meyer, Pfr.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>nach</strong> <strong>Ägypten</strong> (äthiopisch-orthodoxe Malerei)