Abschied vom Erinnern – Leben mit Demenz - Asklepios
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Titelthema<br />
<strong>Abschied</strong> <strong>vom</strong> <strong>Erinnern</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>Demenz</strong><br />
Derzeit ist in der Bundesrepublik über eine Million Menschen an einer <strong>Demenz</strong> erkrankt, zwei Drittel von ihnen<br />
leiden unter Alzheimer. Die Prognose ist erschreckend: Bereits in 20 Jahren soll es in Deutschland mehr als zwei Millionen<br />
Menschen <strong>mit</strong> einer <strong>Demenz</strong> geben. <strong>Asklepios</strong> intern sprach über diese Entwicklung <strong>mit</strong> Dr. Claus Wächtler,<br />
Chefarzt der V. Psychiatrischen Abteilung der <strong>Asklepios</strong> Klinik Nord.<br />
<strong>Asklepios</strong> Intern: Kann jeder Mensch an einer <strong>Demenz</strong> erkranken?<br />
Dr. Claus Wächtler: Der größte und relevanteste Risikofaktor<br />
ist und bleibt ein hohes <strong>Leben</strong>salter. Im Alter steigt die Anzahl<br />
der Erkrankungen exponenziell an. Derzeit ist ein Fünftel aller<br />
Deutschen über 65 Jahre alt, in 20 Jahren werden es fast 35<br />
Prozent sein. Es wird also in zwei Jahrzehnten auch mehr Menschen<br />
geben, die an <strong>Demenz</strong> erkranken.<br />
In drei Prozent aller Fälle ist eine genetische Veranlagung die<br />
Ursache der Erkrankung. Die genetische Botschaft setzt sich<br />
dann zu 100 Prozent durch.<br />
Was passiert im Gehirn eines <strong>Demenz</strong>-Betroffenen?<br />
Die Veränderungsprozesse im Gehirn eines <strong>Demenz</strong>erkrankten<br />
beginnen bereits 30 Jahre vor Ausbruch der Erkrankung. Ursache<br />
ist die Produktion abnormer, giftiger Eiweißmoleküle, die<br />
den Hippocampus, den Kurzzeitspeicher des Gehirns, durchdringen.<br />
Später sind auch weitere Teile des Gehirns betroffen.<br />
Nervenzelle um Nervenzelle stirbt ab, ihre Funktion für das Gehirn<br />
erlischt. Dadurch können all die Dinge, die der <strong>Demenz</strong>kranke<br />
liest, hört und sagt, nicht mehr gespeichert und an die<br />
anderen Teile des Gehirns weitergeleitet werden. Erinnerungen,<br />
Gedanken und das Gedächtnis gehen für immer verloren.<br />
Welche typischen Merkmale prägen eine <strong>Demenz</strong>?<br />
Häufig werden die Anfänge einer <strong>Demenz</strong> von Angehörigen<br />
und auch Hausärzten nicht adäquat wahrgenommen und <strong>mit</strong><br />
der gutartigen „Alterstütteligkeit“ verwechselt. Das Kernsymptom<br />
ist jedoch eine rasante Zunahme der Vergesslichkeit.<br />
Absprachen, Termine, Namen und Bezeichnungen werden<br />
vergessen. Später treten Wortfindungsstörungen auf, die rasch<br />
zunehmen. Es beginnen räumliche Orientierungsstörungen.<br />
Orte, die bisher vertraut waren, werden nicht mehr erkannt.<br />
<strong>Demenz</strong>kranke verlaufen sich im Stadtbezirk, in dem sie seit 30<br />
Jahren leben. Sie finden den Supermarkt nicht mehr, in dem sie<br />
seit 20 Jahren einkaufen, und sie suchen nach ihrem Haus, das<br />
sie selbst gebaut haben. Auch das Autofahren muss aufgegeben<br />
werden.<br />
Beim Ausbruch der Erkrankung werden die meisten Symptome<br />
von den Betroffenen noch sehr bewusst wahrgenommen. Das<br />
kann zu Depressionen, Ungeduld, Angst und Gereiztheit führen.<br />
Einige Patienten sind überfordert und werden laut, manche<br />
furchtsam und traurig. <strong>Demenz</strong> kann langsam voranschreiten<br />
oder schnell. Sie ist unberechenbar und kann unver<strong>mit</strong>telt ihr<br />
Tempo wechseln. Sicher ist nur eines: Sie verkürzt das <strong>Leben</strong>.<br />
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