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Mehr Lebensqualität durch weniger Schmerzen Zarte ... - Asklepios

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Medizin & Wissenschaft<br />

<strong>Mehr</strong> <strong>Lebensqualität</strong> <strong>durch</strong> <strong>weniger</strong><br />

<strong>Schmerzen</strong> und Einschränkungen<br />

<strong>Mehr</strong> als acht Millionen Deutsche leiden unter chronischen <strong>Schmerzen</strong>. In einigen Fällen können Medikamente<br />

nicht mehr helfen. Viele Patienten verzweifeln. Einen Ausweg aus der Schmerzspirale bieten moderne Schmerztherapien<br />

wie beispielsweise der Einsatz elektrischer Impulse <strong>durch</strong> neurochirurgische Eingriffe. Über diese Verfahren<br />

sprach <strong>Asklepios</strong> intern mit Prof. Dr. Dieter Hellwig, Leiter der Stereotaktischen und Funktionellen Neurochirurgie<br />

am INI Hannover.<br />

Kann die Neurochirurgie bei der Bekämpfung<br />

des chronischen Schmerzes helfen?<br />

Ja, bei vielen Patienten sogar sehr effektiv.<br />

Klinisch unterscheidet man neuropathischen<br />

Schmerz <strong>durch</strong> Schädigungen<br />

des Nervensystems und somatischen<br />

Schmerz ohne organische Ursache. Neurochirurgische<br />

Maßnahmen sind bei<br />

beiden Schmerzarten möglich, kommen<br />

jedoch eher bei neuropathischen <strong>Schmerzen</strong><br />

in Betracht. Neurochirurgische Eingriffe<br />

zur Behandlung von <strong>Schmerzen</strong><br />

gibt es bereits seit 120 Jahren, dabei wurden<br />

üblicherweise Nerven <strong>durch</strong>schnitten<br />

oder Nervenkerne <strong>durch</strong> das Einspritzen<br />

von Medikamenten ausgeschaltet. Bei<br />

den modernen Verfahren der Neuromodulation<br />

bleibt das Nervengewebe erhalten<br />

und wird <strong>durch</strong> die Anwendung von<br />

elektrischem Strom reaktiviert. Diese Verfahren<br />

sind die Zukunft bei der Behandlung<br />

von zentralen Bewegungsstörungen<br />

und anderen chronischen neurologischen<br />

Erkrankungen. Es sei hier nur das Schlagwort<br />

des „Brain-Machine-Interface“ erwähnt.<br />

Welche neurochirurgischen Verfahren<br />

sind besonders wirksam?<br />

Wir unterscheiden im Wesentlichen drei<br />

Verfahren: die Rückenmarksstimulation<br />

(SCS), die Motorcortexstimulation (MCS)<br />

und die Applikation von Schmerzmitteln<br />

in den Rückenmarkskanal über Pumpsysteme.<br />

Bei der SCS werden mit Hilfe eines implantierten,<br />

schrittmacherähnlichen Gerätes<br />

elektrische Impulse an die Rückenmarksnerven<br />

abgegeben. Diese Impulse<br />

sind unbedenklich und können das Nervensystem<br />

nicht schädigen. Patienten, die<br />

seit mehr als sechs Monaten an mäßigen<br />

bis starken chronischen <strong>Schmerzen</strong> leiden,<br />

und Patienten mit neuropathischen<br />

<strong>Schmerzen</strong> (Kribbeln, nadelstichartigen<br />

Beschwerden, Taubheit und/oder Jucken)<br />

eignen sich am besten für diese Behandlung.<br />

Die meisten sind anschließend so<br />

gut wie beschwerdefrei, andere berichten<br />

von einer spürbaren Verbesserung.<br />

Die MCS ist ein nur wenig bekanntes<br />

und erforschtes Operationsverfahren, hat<br />

aber eine Erfolgsrate von bis zu 70 Prozent.<br />

Sie wird hauptsächlich bei Patienten<br />

angewandt, die unter therapieresistenten,<br />

neuropathischen Gesichtsschmerzen leiden,<br />

sowie an <strong>Schmerzen</strong>, die nach Hirninfarkten<br />

auftreten. Die Hirnrinde wird<br />

dabei über implantierte Elektroden stimuliert.<br />

<strong>Mehr</strong>mals täglich werden über<br />

fünf bis zehn Minuten elektrische Reize<br />

appliziert. Der schmerzlindernde Effekt<br />

kann über Jahre anhalten.<br />

Bei Patienten, die an chronischen <strong>Schmerzen</strong><br />

leiden, ist die Implantation einer<br />

Schmerzpumpe äußerst wirksam, ins-<br />

b e s o n d e r e ,<br />

wenn Medikamente<br />

nicht<br />

mehr wirken<br />

oder zu<br />

viele Nebenw<br />

i r k u n g e n<br />

haben. Die<br />

Medikamentengabeerfolgt<br />

über ei-<br />

Prof. Dr. Dieter Hellwig<br />

nen Katheter,<br />

der direkt<br />

in den Spinalkanal eingesetzt wird und<br />

mit der Pumpe verbunden ist. Das Medikament<br />

wirkt besser, die Dosis wird<br />

individuell über externe Programmiergeräte<br />

angepasst und ist etwa fünfzig- bis<br />

einhundertmal niedriger als bei der herkömmlichen<br />

Einnahme.<br />

Es ist für mich immer wieder äußerst<br />

eindrucksvoll, wie über Jahre schmerzgeplagte<br />

Patienten <strong>durch</strong> die Anwendung<br />

der Neuromodulationsverfahren eine<br />

Schmerzlinderung erfahren oder sogar<br />

schmerzfrei werden.<br />

Welche Bedeutung hat die Tiefe Hirnstimulation<br />

für Patienten mit Morbus Parkinson?<br />

Operative Verfahren haben in der Behandlung<br />

von zentralen Bewegungsstörungen,<br />

die <strong>durch</strong> Medikamente nur ge-<br />

ring oder gar nicht zu beeinflussen sind,<br />

schon seit vielen Jahren eine hohe Bedeutung.<br />

Insbesondere in der Behandlung<br />

des Zitterns (Tremors), der Unbeweglichkeit<br />

(Akinese) und der Muskelsteifheit<br />

(Rigor) bei Morbus Parkinson hat sich<br />

dieses Verfahren in den letzten Jahren<br />

zur gängigen Operationsmethode entwickelt.<br />

Weitere Indikationen sind andere<br />

zentrale Bewegungsstörungen wie etwa<br />

die Dystonie. Die Tiefe Hirnstimulation<br />

ist eine sehr komplexe neurochirurgische<br />

Operation. Durch den Einsatz eines Zielapparates,<br />

spezieller rechnergestützter<br />

Navigationsprogramme und intraoperativer<br />

Mikroableitungen ist es möglich,<br />

jeden Punkt im Gehirn dreidimensional<br />

exakt zu bestimmen und die Stimulationselektroden<br />

millimetergenau zu platzieren.<br />

Während des gesamten Eingriffes<br />

ist der Patient wach und orientiert, damit<br />

anhand der Wirkungen und Nebenwirkungen<br />

die korrekte Positionierung der<br />

Reizelektrode festgelegt werden kann.<br />

Das Ergebnis ist in den meisten Fällen<br />

eine deutlich bessere motorische Funktion.<br />

Die Medikamentendosis – und somit<br />

auch die Nebenwirkungen – werden<br />

geringer. Das Fortschreiten der Grunderkrankung<br />

Morbus Parkinson ist zwar<br />

nicht aufzuhalten, doch die <strong>Lebensqualität</strong><br />

steigt erheblich.<br />

Was ist unter Neuroendoskopie zu verstehen?<br />

Es ist ein relativ neues Verfahren innerhalb<br />

der Neurochirurgie. Die Indikationen<br />

für diese Methode wurden in<br />

den vergangenen Jahren standardisiert.<br />

Hauptsächlich werden neuroendoskopische<br />

Operationen zur Behandlung des<br />

sogenannten Wasserkopfes vorgenommen.<br />

Durch die Operation können wir<br />

natürliche Liquorableitwege wiederherstellen<br />

oder sogar neu schaffen. Der große<br />

Vorteil: Auf ein künstliches Shunt-System<br />

und somit auf Fremdkörpermaterial kann<br />

verzichtet werden – eine erhebliche Entlastung<br />

für den Patienten. Weitere Anwendungsgebiete<br />

sind Zysten im Schädel<br />

und Tumore im Hirnwasser. Mittlerweile<br />

werden neuroendoskopische Verfahren<br />

auch bei mikrochirurgisch-neurochirurgischen<br />

Operationen, bei Interventionen<br />

an der Wirbelsäule und Karpaltunneloperationen<br />

erfolgreich angewendet.<br />

Wir verfügen hier am INI Hannover über<br />

die modernsten technischen Voraussetzungen<br />

für sämtliche neurochirurgischen<br />

Eingriffe, hervorragende fachliche Expertisen<br />

und umfassendes fachärztliches<br />

Know-how.<br />

Das Gespräch führte Mandy Wolf<br />

14 <strong>Asklepios</strong> intern 41/2009 <strong>Asklepios</strong> intern 41/2009 15

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