Mehr Lebensqualität durch weniger Schmerzen Zarte ... - Asklepios
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Titelthema<br />
<strong>Zarte</strong> Seelen mit starken Emotionen –<br />
Jugendliche zwischen Kindheit und<br />
Erwachsensein<br />
Die Pubertät ihrer Kinder erleben die meisten Eltern als dramatischen Einschnitt ins Familienleben. Doch auch für die<br />
Jugendlichen handelt es sich um eine Zeit der Berg- und Talfahrten. Die biologischen Umbauarbeiten werfen sie aus<br />
dem Gleichgewicht. Stimmungsschwankungen, Launenhaftigkeit und Trotz strapazieren den häuslichen Frieden. Die<br />
pubertäre Sturm- und Drangzeit wird zur Herausforderung für alle Beteiligten. Probleme der Adoleszenz, des mit der<br />
Pubertät beginnenden Übergangs vom Kind zum Erwachsenen, werden oft unterschätzt. <strong>Asklepios</strong> intern sprach mit<br />
PD Dr. Streeck-Fischer, Chefärztin der Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters in Tiefenbrunn,<br />
über diese besondere Zeit im Leben jedes Menschen.<br />
Was bedeutet Adoleszenz und welchen Zeitraum umfasst sie?<br />
Als Adoleszenz wird die Zeit der psychischen und sozialen<br />
Reifung vom Kind zum Erwachsenen bezeichnet, während die<br />
Pubertät die biologische Reifung umfasst. Die Pubertät beginnt<br />
mit den ersten körperlichen Veränderungen. Mädchen bekommen<br />
ihre erste Regelblutung, Jungen den ersten Samenerguss.<br />
Studien zeigen, dass sich die Geschlechtsreife pro Jahrgang um<br />
zwei Monate nach vorne verschiebt. Begann im 19. Jahrhundert<br />
die Pubertät bei den meisten Mädchen mit ca. 17 Jahren, haben<br />
heute bereits 11-Jährige ihre erste Menstruation. Allerdings war<br />
die Adoleszenz dann meist nach 4 Jahren abgeschlossen, während<br />
sie heute 8–15 Jahren dauern kann.<br />
Gibt es Wirren Heranwachsender, die sich in allen Kulturen ähneln?<br />
Die Phase der Adoleszenz wird stark von gesellschaftlichen<br />
Trends und Riten geprägt.<br />
Wir können dabei in sog. kalte und sog. heiße Kulturen unterscheiden.<br />
In den sog. kalten Kulturen finden noch immer Initiationsriten<br />
wie beispielsweise die Beschneidung bei Aborigine-<br />
Jungen oder das Zufeilen der Vorderzähne von Jugendlichen<br />
in Bali statt. Die Heranwachsenden werden nach einer 3-monatigen<br />
Übergangszeit in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen.<br />
Die Kindheit ist damit vorbei.<br />
Auch in unserer Gesellschaft, einer sogenannten heißen Kultur,<br />
gab es früher typische Traditionen für den Eintritt ins Erwachsenenalter,<br />
die heute kaum noch Bedeutung haben. Die Werte<br />
und Moralvorstellungen sind einem starken Wandel unterzo-<br />
gen, sodass sie in der Enkelgeneration in weiten Teilen von denen<br />
der Großelterngeneration abweichen. Während noch vor 20<br />
Jahren die Konfirmation den Startschuss ins Erwachsenenleben<br />
signalisierte, Verlobungen und Eheschließungen in jungen Jahren<br />
logische Schritte waren, legen sich heute die jungen Menschen<br />
nicht gerne fest. Sie schieben Entscheidungen bei der Berufs-<br />
und Partnerwahl vor sich her, genießen Freiheiten, lassen<br />
gerne alles offen und lehnen Verantwortung ab.<br />
Was geschieht im Gehirn Heranwachsender?<br />
Das Gehirn ist enormen Umbauprozessen ausgesetzt. Die<br />
Veränderungen werden vor allem im Detektorsystem, verantwortlich<br />
für Informationsaufnahme und -verarbeitung, im affektiven<br />
System, das für soziale Prozesse, sexuelles Verhalten,<br />
soziale Bindungen und das Gedächtnis bedeutsam ist, und im<br />
kognitiven System, welches für die Regulation der Prozesse<br />
steht, deutlich. Die adoleszenzspezifischen Probleme haben unter<br />
anderem damit zu tun, dass sich das kognitive System im<br />
Jugendalter am langsamsten entwickelt. Der unreife, ventrale<br />
präfrontale Kortex kann die Affekte der Jugendlichen nicht<br />
ausreichend kontrollieren. Bildlich gesprochen, übersehen Heranwachsende<br />
Haltesignale und landen auf Nebengleisen. Sie<br />
sitzen auf einem Pulverfass, weil sie mit ihren Affekten nicht<br />
angemessen umgehen können. Die Jugendlichen neigen dazu,<br />
den schnellen Erfolg zu suchen, statt sich langfristige Ziele vor<br />
Augen zu halten.<br />
Die Hirnreifung ist erst im frühen Erwachsenenalter von 22–23<br />
Jahren abgeschlossen. Meist gelingt es den Jugendlichen erst<br />
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