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Johannisburger Heimatbrief 1979 - Familienforschung S c z u k a

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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V. - <strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>1979</strong><br />

Was wir nicht zu hoffen gewagt hatten, die den großen viereckigen, geschlossenen Gutshof<br />

umfassenden Gebäude standen alle noch! An lebenden Wesen begrüßte uns eine von<br />

unseren Doggen, mit Namen Schiwa, zuerst in weitem Abstand mit wütendem Knurren.<br />

Sie hatte scheinbar mit den russischen Befreiern schlechte Erfahrungen gemacht. Nach<br />

beruhigenden Worten stürzte sie mit einem Freudengeheul auf uns los. Eine Flucht Tauben<br />

wechselte vom Scheunendach zum Viehstall hinüber. Sie waren mit Schiwa vorerst<br />

die einzigen Lebewesen, die uns begrüßten. Während dieses kurzen Besinnens erschien<br />

am Hoftor ein alter Mann mit einem Riesenbart und einer russischen Fellmütze. Die uns<br />

begleitenden Trainsoldaten rissen die Karabiner von der Schulter. In diesem Moment rief<br />

der alte Mann «Panitzku» (masurisch junger Herr). Es war unser alter Fohlenmeister Friedrich<br />

Böhm, mit dem ich aus meiner Kinder- und Jugendzeit und auch später noch sehr<br />

verbunden war. Es war die Liebe zum Pferd. Unser alter Fohlenmeister hatte die zweite<br />

Flucht abgelehnt und die ca. sechs Monate währende Russenherrschaft überstanden. Er<br />

beherrschte die russische Sprache, seine Frau mußte kochen und nähen für den weiblichen<br />

Troß, der zu der Etappe gehörte. Die Belegung hatte mehrmals gewechselt, und bei<br />

jedem Abmarsch wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war, mitgenommen. Der letzte<br />

Trupp, der Lupken fluchtartig verließ, legte noch in zwei Ställen Brandherde, die von Böhm<br />

rechtzeitig gelöscht werden konnten und wir ihm somit die Erhaltung unseres Hofes verdankten.<br />

Den Zustand meines Elternhauses zu schildern, würde einen Sonderbericht beanspruchen,<br />

und will ich nur Stichproben geben: Von 12 Wohnräumen, voll möbliert, konnte<br />

notdürftig ein Raum bewohnbar gemacht werden. Meterhohe Strohlager, mit Unrat durchsetzt,<br />

die Badewannen als Toiletten benutzt, wertvolle Majolika-Spiegelöfen und Kamine<br />

zertrümmert, Gemälde und Bilder als Zielscheiben benutzt. Zwei Bilder hingen unbeschädigt<br />

an den Wänden: Das Bild von Bismarck und ein Kinderbild von mir. Bestialischer Gestank<br />

und Ungeziefer zeugten von russischer Kultur, die uns 1945 noch exakter vor Augen geführt<br />

wurde! Der Betrieb war somit ein Scherbenhaufen. Unser Lupke wurde vor-erst von einer<br />

Pferde-Quarantänestation des Ulanenregiments Nr.9 belegt. Gleichzeitig kamen 60 russische<br />

Kriegsgefangene dazu (diese Arbeitshilfskolonne blieb in Lupken bis November 1918).<br />

Aufräumungsarbeiten und Frühjahrsvorbereitungen für die Ackerbestellung wurden von diesen<br />

Arbeitskräften in Angriff genommen. Der Lupker Treck kehrte stark dezimiert, was Pferde<br />

und Arbeitskräfte anbetraf, zurück. Im Rahmen der Kriegsentschädigung erhielt der<br />

Betrieb Maschinen und Geräte, Saatgut, Zuteilung von Herdbuchvieh, Schafen, Schweinen<br />

und junge, zur Zucht geeignete Stuten aus den Remontedepots. Handwerkerkolonnen des<br />

Bauberatungsamtes führten die erforderlichen Reparaturen und Neubauten aus. Die 1911<br />

neu erbaute und von den Russen ausgeschlachtete Spiritusbrennerei wurde generalüberholt.<br />

Soweit, so gut. Vater und Bruder im Felde, meine Mutter unpäßlich in Königsberg, und<br />

ich machte mein praktisches Jahr in einem Lehrbetrieb im Samland. Zwei eingesetzte Administratoren<br />

waren den Anforderungen nicht gewachsen und versagten. 1916 war meine<br />

Mutter, die in Königsberg weilte, soweit wiederhergestellt, begab sich nach Lupken, wo die<br />

Wohn- und Lebensverhältnisse wieder tragbar geworden waren, und nahm die Zügel in die<br />

Hand. Unterstützt wurde sie durch meinen Onkel, einem qualifizierten Berufslandwirt, der<br />

vor dem Kriege sein großes Gut im Kreis Königsberg verkauft hatte und als Rentier lebte. In<br />

dieser Zeit beendete ich meine Grundausbildung und kehrte in die Heimat zurück. Unter<br />

seiner bewährten Führung arbeitete ich in der Leitung des Betriebes mit, und es ging aufwärts.<br />

Meinem Onkel gelang es dann, da er sich nicht<br />

www.Kreis-Johannisburg.de<br />

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