Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und ... - Familientext.de
Daraus resultiert, dass sich die Kinder dem elterlichen Konfliktgeschehen oftmals
hilflos ausgeliefert fühlen. Sie wissen nicht, was sie tun sollen und entwickeln
nicht selten Befürchtungen, dass alles noch schlimmer werden könnte.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Kinder ihre Möglichkeiten, das Konfliktgeschehen
beeinflussen zu können, nach unseren Befunden als eher gering
einschätzen. Sie haben zu häufig erlebt, dass die Eltern in ihrem Konfliktverhalten
kaum beeinflussbar sind. In den Interviews mit den Jungen und Mädchen
tritt deutlich hervor, dass die Kinder die Unversöhnlichkeit der Eltern in
den Auseinandersetzungen als besonders belastend empfinden.
Gravierend und zunehmend belastend wird es für die Kinder, wenn die Eltern
ihre eigenen emotionalen Belastungen mit den Kindern teilen wollen und
die Unterstützung der Kinder erwarten oder gar einfordern.
Das Forschungsprojekt »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft« bestätigt
auch Erkenntnisse aus der Stressforschung, nach denen vor allem die
Bewertung einzelner kritischer Ereignisse darüber entscheidet, wie die Kinder
mit den stresshaften Erfahrungen umgehen können. Als einflussreiche Größe
erweist sich das individuelle Belastungserleben der Kinder und weniger das
von den Eltern selbst oder den Beratern beschriebene elterliche Konfliktniveau.
Hinzu kommt, dass hochkonflikthafte Eltern oftmals einen Anspruch auf die
Deutungshoheit bei der Einschätzung des Befindens ihrer Kinder erheben, wie
die im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführten Elternbefragungen
zeigten. Tatsächlich sind diese Eltern eher ungeeignete Quellen für diese Informationen,
da sie über den Konflikt die Bedürfnisse der Kinder aus dem Blick
verloren haben. Darüber hinaus ist ihre konfliktbezogene Wahrnehmung meist
verzerrt und selektiv. Nicht zuletzt verbirgt sich hier oftmals auch ein gewisses
Eigeninteresse, bestimmte Symptome der Kinder über- oder unterzubewerten.
Hinweis:
Ohne die direkte Erfassung der Lebenswelt und Befindlichkeit der Kinder
gestaltet sich eine direkte Ableitung wirkungsorientierter Interventionen als
schwierig.
Auch Kinder aus »normalen« Trennungsfamilien erleben sich als belastet, hilflos
und zerrissen, als ungewollte Vermittler und Koalitionäre ihrer Eltern – jedoch
nur für eine relativ kurze Zeit. Bei Kindern hochkonflikthafter Eltern
gehört dieses Erleben jahrelang zum Aufwachsen dazu. Es ist oft Teil ihrer
gesamten Kindheit und wirkt sich, wie das folgende Kapitel zeigt, auf die Eltern-Kind-Beziehung
aus.
21 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
3.1