Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und ... - Familientext.de
4.2
4.2 Hochkonflikthaftigkeit erkennen und Rahmenbedingungen schaffen
Wie im zweiten Kapitel dargestellt, weisen Hochkonfliktfamilien verschiedene
Merkmale auf, die unterschiedlich rasch und sicher zu erkennen sind. Dass sie
vom Gericht oder vom Jugendamt »geschickt« wurden, ist ebenso wenig ein sicheres
Indiz, wie dass sie als »Selbstmelder« in die Beratung kommen. Mit viel
Erfahrung kann man bereits aus den Akten oder bei der telefonischen Anmeldung
aufgrund der Schilderungen der Eltern erkennen, ob diese bereits stark
eskalierte Konflikte haben. Häufig wird es aber erst nach dem Erstgespräch
möglich sein, das Konfliktniveau hinreichend zu beurteilen. Sowohl diese Erfahrungen,
als auch die Ergebnisse des Forschungsprojekts »Kinderschutz bei
hochstrittiger Elternschaft« zeigen, dass es günstig ist, verschiedene Kriterien
heranzuziehen, um das Konfliktniveau zu bestimmen.
Hinweis:
Eine erste Hilfe für eine breite und trotzdem rasche Erfassung des Konfliktniveaus
bietet der Kurzfragebogen des Praxisprojektes (s. Anhang), der bereits
mehrere Aspekte von Konflikten berücksichtigt. Am besten ist es, möglichst
viele der im ersten Kapitel genannten Aspekte zu erfassen, um zu einer Einschätzung
zu gelangen. Gleichwohl wird eine Einschätzung des Konfliktniveaus
nicht in jedem Fall zufriedenstellend sicher möglich sein.
Die meisten erfahrenen BeraterInnen sind sich einig, dass das Konflikt-
niveau möglichst rasch eingeschätzt werden sollte. Um die Erfolgschancen einer
entsprechenden Beratung zu erhöhen, sollte möglichst von Beginn an ein
bestimmtes Setting und eine bestimmte Haltung der Beratung bei Hochkonflikteltern
gewährleistet werden.
Leitlinien aus dem Forschungsprojekt »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft«
• Erstens wird der Terminierung von Beratungen mit hochkonflikthaften
Eltern eine hohe Bedeutung eingeräumt. Das, was im neuen FamFG als
»Vorrang- und Beschleunigungsgebot« (§ 155 FamFG, s. Kapitel 5) aufgenommen
wurde, ist auch für eine erfolgversprechende Beratung notwendig:
Der Beginn der Beratung sollte möglichst rasch erfolgen, damit die Konflikte
nicht weiter eskalieren und drängende Fragen möglichst einer ersten
Klärung zugeführt werden. Dazu ist eine Zusammenarbeit des Gerichts mit
der Beratungsstelle unerlässlich. Selten wird das »gerichtsnahe Beratung«
mit Beratungsräumen im Amtsgericht sein, wie etwa in Regensburg. Einfacher
zu realisieren ist die Vergabe fester Beratungszeiten an das Gericht,
oder die Anwesenheit von MitarbeiterInnen der Beratungsstellen bereits
beim ersten gerichtlichen Anhörungstermin, um dort Indikationen für die
Beratung zu stellen und Termine zu vereinbaren (s. auch Kapitel 5). Häufig
ist zumindest ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt nur wenig motiviert, Beratung
in Anspruch zu nehmen.
34 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis