Welterbe aktuell - Regensburger Stadtzeitung
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Regensburg 2007<br />
Jahre in Regensburg tagen.<br />
Die vielen Gesandten aus aller Herren Länder<br />
und die häufige Gegenwart des Kaisers brachten<br />
höfisches Leben nach Regensburg. Der regierende<br />
Fürst von Thurn und Taxis verlegte deshalb 1748<br />
seinen Sitz von Frankfurt nach Regensburg.<br />
1803 beschloss der Reichstag in Regensburg den<br />
Reichsdeputationshauptschluss und somit die Auflösung<br />
des Heiligen Römischen Reiches Deutscher<br />
Nation. Regensburg wurde zum Fürstentum,<br />
dessen Regent der Reichserzkanzler und Fürstenprimas<br />
von Deutschland, Carl Theoder von<br />
Dalberg.<br />
Napoleon kommt – und ein Diktator<br />
1809 stürmt Napoleon mit seinen Truppen die<br />
Stadt – die Sage will es, dass der französische<br />
Herrscher ausgerechnet beim Angriff auf Regensburg<br />
die einzige Verletzung während all seiner<br />
Feldzüge erleidet. Bonaparte ist es auch, der die<br />
Auflösung des Fürstentums Regensburg und seine<br />
Eingliederung ins Königreich Bayern erzwingt<br />
– nachdem die Österreicher die Stadt besetzt haben<br />
und einen Großbrand verursachen, der dafür<br />
sorgt, dass die Stadt vor dem Ruin steht. 1810<br />
wird sie Hauptstadt des neugeschaffenen Regenkreises,<br />
1838 Hauptstadt der Oberpfalz.1840 hat<br />
Regensburg weniger als 22.000 Einwohner, aus<br />
der reichsten Stadt Süddeutschlands ist ein Provinzflecken<br />
geworden.<br />
Die Industrialisierung geht deshalb fast gänzlich<br />
an Regensburg vorbei. 1910 wird der Luitpoldhafen<br />
errichtet. Ein erster, zarter Aufschwung erfolgt.<br />
Auch der Autobahnbau unter den Nationalsozialisten<br />
zieht Fabrikgründungen nach sich. Die<br />
zwölfjährige Schreckensherrschaft hat aber auch<br />
andere Auswirkungen. In der Reichskristallnacht<br />
wird die Synagoge am Brixener Hof niedergebrannt.<br />
Im Norden der Stadt lässt NS-Ober-<br />
Kelten, Römer, Bajuwaren<br />
Stadtamhof: Auch der Stadtteil jenseits der Brücke ist historisch sehr wertvoll.<br />
bürgermeister Otto Schottenheim eine Siedlung<br />
bauen, die zunächst nach ihm benannt und später<br />
Konradsiedlung heißen wird. Die Stadt selbst wird<br />
der „Bayerischen Ostmark“ zugeschlagen, deren<br />
Hauptsitz Bayreuth ist.<br />
1943 fordert ein Luftangriff 402 Tote, insgesamt<br />
sterben bei Bombardements während des zweiten<br />
Weltkrieges rund 3.000 Menschen in der Stadt.<br />
Die Angriffe gelten dank der ausgebliebenen<br />
Großfabriken in der Stadt aber weniger dem mit-<br />
Das Ende des Zweiten Weltkrieges in der Stadt<br />
Als es sich abzeichnete, dass das „Tausenjährige Reich“ nach zwölf Jahren am Ende seiner Schreckensherrschaft<br />
angekommen war, lag Deutschland in Schutt und Asche – doch Regensburg<br />
stand im April 1945 weitestgehend so wie seit Jahrhunderten. In den letzten Tagen aber, als die<br />
Amerikaner an die Donau kamen, wurden von den noch an der Macht stehenden Nazis alle<br />
Brücken über den Fluss gesprengt, um den Vormarsch der amerikanischen Truppen aufzuhalten.<br />
Die sammeln sich in jenen Tagen auf der anderen Seite der Donau, um Regensburg einzukesseln,<br />
um einen Ring um die Stadt zu bilden. Die soll von der 38. SS-Grenadier-Division „Nibelungen“<br />
verteidigt werden. Erst im März 1945 aufgestellt, wurde sie im April vom Schwarzwald<br />
an die Donau verlegt, um die Amerikaner aufzuhalten. Ein illusorisches Unterfangen: Das Personal<br />
der „Nibelungen“ bestand zum überwiegenden Teil aus blutjungen Schülern der „Adolf-<br />
Hitler-Schulen“ sowie 1.000 Mann von der SS-Junkerschule Tölz. Alles in allem kaum mehr als<br />
9.000 Soldaten, ausgestattet nur mit dem Nötigsten, zum Teil nicht einmal eingekleidet.<br />
Dass die Amerikaner entschlossen sind, bei kriegerischen Auseinandersetzungen kurzen Prozess<br />
zu machen, zeigen sie kurz vor der Einnahme der Stadt. Bei Poikam nehmen sie einen Spähtrupp<br />
gefangen – die fünf Buben werden vor den Augen ihrer Kameraden, die am gegenüber<br />
liegenden Donauufer in Stellung liegen, an der gesprengten Eisenbahnbrücke erschossen.<br />
Da man auf Seiten der Amerikaner wusste, dass sich noch eine starke Garnison der Wehrmacht<br />
in Regensburg aufhielt, war geplant, die Stadt abzuriegeln und gründlich zu bombardieren. Die<br />
Nazi-Führung will kämpfen. Regensburg sollte nach dem Willen der Nazi-Machthaber zur Festung<br />
erklärt und „bis zum letzten Stein“ verteidigt werden. Doch viele Frauen der Stadt demonstrieren<br />
am 23. April 1945 mit einer Kundgebung für die kampflose Übergabe an die Amerikaner,<br />
die bereits vor der Stadt liegen. „Gebt die Stadt frei“, rufen die Frauen immer wieder.<br />
Auch der damalige Domprediger Dr. Johann Maier plädiert in einer Rede für die kampflose<br />
Übergabe Regensburgs. Die Nazis verhaften ihn und richten ihn am nächsten Tag hin - kurz vor<br />
dem Einmarsch der amerikanischen Truppen.<br />
Die stehen nur deshalb noch nicht in der Stadt, weil sie bei Abbach nicht rechtzeitig über die<br />
Donau kamen, um den Ring zu schließen. Fast zeitgleich, als Domprediger Maier den Tod<br />
durch den Strang erleiden muss, kann die SS-Garnison in letzter Minute nach Süden abrücken<br />
und die Stadt kampflos übergeben werden. Der Großangriff, der die Stadt vernichtet hätte, unterblieb.<br />
telalterlichen Kern, als vielmehr dem Hafen, den<br />
Bahnanlagen und besonders den Messerschmitt<br />
Flugzeugwerken im Westen der Stadt.<br />
1945 zerstören die letzten fanatischen Nationalsozialisten<br />
die Steinerne Brücke: Um den Amerikanern<br />
die Eroberung der Stadt zu erschweren, jagen<br />
sie das erste Brückenjoch in die Luft. Bis in die<br />
Sechziger Jahre führte ein Holzprovisorium auf die<br />
Brücke. Als in den letzten Kriegstagen Domprediger<br />
Dr. Johann Maier die kampflose Übergabe der<br />
Stadt fordert, wird er zusammen mit zwei Mitstreitern<br />
auf dem Dachauplatz öffentlich gehängt.<br />
Die zweite große Blütezeit<br />
Nach dem Krieg lebt Regensburg nur langsam<br />
wieder auf, dann aber gewaltig. 1962 wird der<br />
Grundstein für die vierte Landesuniversität gelegt,<br />
die 1967 ihren Betrieb aufnimmt. Das Donaueinkaufszentrum<br />
entsteht, im Nordosten der Stadt<br />
ein Gewerbepark. Vornehmlich in den 80er, aber<br />
auch in den 90er-Jahren sorgen große Industrieansiedlungen<br />
für einen enormen wirtschaftlichen<br />
Aufwind. Der Grundstein für das BMW-Werk<br />
erfolgt 1982, schon 1986 wird der Betrieb aufgenommen.<br />
Heute arbeiten in Harting und Wackersdorf<br />
10.000 Menschen. Toshiba lässt seit<br />
1989 in der Stadt Notebooks und Laptops fertigen,<br />
Siemens, Infineon und Siemens VDO unterhalten<br />
große Produktionsstätten. Insgesamt sind zwischen<br />
1987 und 1993 25 Prozent neue Arbeitsplätze<br />
hinzugekommen.<br />
Dem wirtschaftlichen Boom steht das Bewahren<br />
der einzigartigen Altstadt nicht entgegen. In der<br />
Stadt wird sorgsam restauriert, die Denkmalschützer<br />
achten wohlwollend, aber doch auch mit wachem<br />
Auge darauf, dass keine historisch-wertvolle<br />
Substanz zerstört wird. Diese Symbiose zwischen<br />
dem Erhalten und dem Erneuern sorgt dafür, dass<br />
Regensburg am 13. Juli als „einzig authentisch<br />
erhaltene Großstadt Deutschlands“ ins Unesco-<br />
<strong>Welterbe</strong> aufgenommen wird. Am 24. November<br />
2007, dem Erscheinungstag dieses Magazins, wird<br />
der Stadt die entsprechende Urkunde verliehen.<br />
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