Achten statt ächten - Caritas NRW
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Zielpunkt Familie<br />
26<br />
Beim <strong>Caritas</strong>-Kongress in Aachen wird klar: Armut der Eltern<br />
macht Kinder schwach<br />
Wer Kinder stark machen will, der muss mehr für Familien tun und gleichzeitig<br />
die familienunterstützende Infrastruktur ausbauen. Mit einer ganzen Palette an<br />
Vorschlägen untermauerte der Bielefelder Wissenschaftler Klaus Hurrelmann<br />
seine Kernthese auf dem Kongress „Was Kinder stark macht“ des Aachener<br />
Diözesan-<strong>Caritas</strong>verbandes. Zu Beginn hatte bereits Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor<br />
Burkard Schröders dazu aufgerufen, „sich gesellschaftlich neu und verstärkt“<br />
mit der lebenssituation von Kindern auseinanderzusetzen.<br />
Die <strong>Caritas</strong> müsse noch mehr politischen<br />
Druck zugunsten von Kindern aufbauen,<br />
forderte der Bielefelder Wissenschaftler<br />
Klaus Hurrelmann.<br />
caritas in <strong>NRW</strong> · 1/08<br />
Schröders wies auf wachsende Armut,<br />
fehlende Bildungschancen und steigende<br />
Gesundheitsrisiken von Kindern<br />
in Deutschland hin. Zukunft und individuelle<br />
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen<br />
dürften nicht von ihrer sozialen<br />
Herkunft bestimmt sein. Die <strong>Caritas</strong><br />
wolle mit ihrer Befähigungsinitiative junge<br />
Menschen stärken, „damit sie die Herausforderungen<br />
des Lebens bewältigen<br />
und besser am gesellschaftlichen Leben<br />
teilhaben können“, betonte Schröders.<br />
Die Forschung habe festgestellt, dass<br />
ein Kind sich trotz schwierigster Lebenssituation<br />
zu einer starken Persönlichkeit<br />
entwickeln könne, wenn es vor allem ermutigende<br />
und verlässliche Bezugspersonen<br />
habe.<br />
Bistumsspiegel<br />
„Kinder stark machen“ bedeutet auch, Kinder zu beteiligen.<br />
Das gelang auf dem Kongress des DiCV Aachen gut.<br />
Foto: Lahrmann<br />
Gebannt lauschten die mehr als 700 Teilnehmer aus Tageseinrichtungen,<br />
Schule und Jugendhilfe dem Vortrag<br />
von Klaus Hurrelmann. Es sei in Deutschland in den<br />
vergangenen Jahren nicht gelungen, Kinderpolitik über<br />
die Familienpolitik hinaus zu einer Aufgabe der ganzen<br />
Gesellschaft zu machen, kritisierte Hurrelmann. Wenn<br />
es heute Familien aufgrund von Einkommensarmut und<br />
Arbeitslosigkeit der Eltern schlecht gehe, dann sei dies<br />
„einer der größten Störfaktoren für die Stärkung von<br />
Kindern“, sagte er. In anderen Ländern gebe es längst<br />
eine „ganz andere Kultur der Ergänzung der Familienarbeit“.<br />
Und mit einem einfachen Beispiel machte er<br />
die ganze Dramatik der Situation deutlich: Deutschland<br />
hat bei der vorschulischen Erziehung gegenüber<br />
den meisten Ländern um uns herum einen Rückstand<br />
von 30 Jahren.<br />
Hurrelmann forderte, über die Transferleistungen für<br />
Familien neu und ohne Tabus zu diskutieren. Denkbar<br />
sei eine bedingungslose „Grundsicherung für Kinder“,<br />
vielleicht 300 Euro im Monat. Hinzu kommen müssten<br />
Sachleistungen: gute Bildungsangebote, kostenlose<br />
Tagesstättenplätze, der Ausbau von Nachmittagsangeboten,<br />
eine bessere Gesundheitsvorsorge. Nach<br />
Schätzungen sei heute ein Drittel aller Eltern mit der<br />
Erziehung überfordert, also müssten diese in ihrer Erziehungskompetenz<br />
gestärkt werden. „Warum führt<br />
man nicht verbindliche Erziehungs-Kurse für Eltern<br />
ein?“, fragte der Wissenschaftler. Hurrelmann berichtete<br />
von Experimenten in Kanada, wo Eltern Geldleistungen<br />
für die Teilnahme an solchen Kursen erhielten,<br />
mit „erstaunlichen Ergebnissen“.<br />
Kinderpolitik muss auch Schutzpolitik sein. Rund ein<br />
Prozent aller Eltern sind eine Gefahr für ihr Kind, weil<br />
sie krank sind. Bei 700 000 Geburten im Jahr kann man<br />
7 000 Kinder errechnen, die in der Gefahr leben, von<br />
ihren Eltern massiv geschädigt zu werden. „Es muss<br />
gelingen, diese Kinder zu identifizieren und effektiv zu<br />
schützen“, forderte Hurrelmann. Eine bessere Aus- und<br />
vor allem Weiterbildung des Personals in den staatlichen<br />
Kinder- und Jugendinstitutionen sei notwendig.<br />
Mit Sicherheit brauche es stärker als bisher aufsuchende<br />
Arbeit und auch – rechtsstaatkonform – bessere<br />
Eingriffsmöglichkeiten des Staates. Kinderrecht dürfe<br />
heute in der gesellschaftlichen Diskussion nicht mehr