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Achten statt ächten - Caritas NRW

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Mandy (22) trennte sich von ihrem Freund, der sie in die<br />

Schuldenfalle lockte. Eine reife Leistung – ebenso wie ihre<br />

Ausbildung als Bau- und Metallmalerin.<br />

Fotos: Sauer<br />

Wendepunkt war die Trennung<br />

Irgendwann hat es auch bei Mandy (22) „Klick gemacht“.<br />

2002 war sie mit ihren Eltern und zwei weiteren<br />

Geschwistern aus Brandenburg in die Nähe von<br />

Paderborn gezogen. Der Vater fand Arbeit in einem<br />

Backbetrieb, sie selbst konnte einen Förderlehrgang<br />

im Kolping-Berufsbildungswerk beginnen. Mehr war<br />

nicht drin: In Brandenburg hatte sie eine Förderschule<br />

für Lernbehinderte besucht. 2005 flog sie bei Kolping<br />

raus. Sie kam nur noch unregelmäßig, machte Schulden,<br />

drohte auf die schiefe Bahn zu geraten. Ihr damaliger<br />

Freund überredete sie zu Handyverträgen und zu<br />

Bestellungen aus dem Internet, die sie nicht bezahlen<br />

konnte. „Vier Handyverträge hatte ich gleichzeitig laufen“,<br />

berichtet sie. Die Folge ist ein vierstelliger Schuldenbetrag.<br />

Bis zum September 2009 ist eine rechtliche<br />

Betreuung eingerichtet worden, in Geldfragen hat Mandy<br />

also zunächst ihre Unabhängigkeit verloren.<br />

Der Wendepunkt in ihrem Leben war die Trennung von<br />

ihrem Freund – eine echte Leistung. Sie lebt seitdem bei<br />

ihrem Bruder. Nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit<br />

kam dann im Sozialpädagogischen Zentrum St. Lioba<br />

die neue berufliche Perspektive: Bau- und Metallmalerin<br />

– eine Ausbildung, die genau das Richtige für<br />

die ruhige junge Frau ist. Allein und ungestört kreativ<br />

zu sein, das liegt ihr. Im Mai 2008 wird die dreijährige<br />

Ausbildung mit der Prüfung vor der Handwerkskammer<br />

beendet sein. Die Chancen stehen gut, dass Mandy<br />

ihren Weg „packt“. b<br />

Jürgen Sauer<br />

Jahreskampagne 2008 des Deutschen <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

<strong>Achten</strong> <strong>statt</strong> <strong>ächten</strong><br />

Eine Initiative für benachteiligte Jugendliche<br />

Sie hören nicht auf, sich zu bewerben, obwohl ihre Chancen 1 : 1000 stehen.<br />

Sie geht wieder zur Schule, obwohl sie ihre Tochter alleine erziehen muss.<br />

Er will sich nicht prügeln, obwohl er damit aufgewachsen ist.<br />

So sehen Helden aus.<br />

Die <strong>Caritas</strong> in Deutschland führt 2008 ihre<br />

Kampagne fort, in der sie Kinder und Jugendliche<br />

in den Blick nimmt, die benachteiligt sind.<br />

Machte sie sich 2007 „stark für starke Kinder“,<br />

so wendet sie sich im Folgejahr den Jugendlichen<br />

zu. Diese Schwerpunktsetzung geschieht<br />

auf dem Hintergrund der Befähigungsinitiative,<br />

die von 2005 bis 2008 läuft.<br />

Mit dem Slogan „<strong>Achten</strong> <strong>statt</strong> <strong>ächten</strong>“ wirbt<br />

der Deutsche <strong>Caritas</strong>verband für eine veränderte<br />

Wahrnehmung und Haltung. Jugendliche<br />

wecken nicht per se Mitgefühl und Sympathie<br />

wie Kinder. In ihrer Suche nach eigener Identität,<br />

in ihren gelungenen und misslungenen Lebensentwürfen<br />

fordern sie Erwachsene zu einer<br />

Stellungnahme heraus. Gerade benachteiligte<br />

Jugendliche zeigen sich oft als Menschen, auf<br />

die man nicht unbedingt stolz sein kann. Sie<br />

passen sich zu wenig oder zu sehr an. Sie stehen<br />

nicht für Verlässlichkeit, sie provozieren negative<br />

Gefühle oder zumindest ein Kopfschütteln.<br />

Schnell wird das gegenwärtige Verhalten verurteilt<br />

– geächtet –, ohne dass die Lebensgeschichte<br />

der jungen Menschen wahrgenommen<br />

wird. Für sie, die in ihrer Kindheit wenig Verlässlichkeit<br />

erlebet haben, ist es eine Leistung,<br />

trotzdem nicht aufzugeben.<br />

Drei Beispiele, die für viele stehen. Benachteiligte<br />

Jugendliche können ihr Leben bewältigen,<br />

wenn sie dazu befähigt werden. Dabei ist Befähigung<br />

nicht nur ein individueller Vorgang,<br />

obwohl tragfähige und krisenerprobte Beziehungen<br />

wesentlich sind. Befähigung zeigt sich<br />

auch in der Bereitstellung von gesellschaftlichen<br />

Chancen: Schulen, die soziale Auslese verringern<br />

und nicht festschreiben. Pfarrgemeinden,<br />

die Jugendlichen einen Freiraum geben und<br />

sich konstruktiv mit ihnen auseinandersetzen.<br />

Betriebe, die ausbilden, auch wenn die Durchschnittsnote<br />

schlecht ist. Soziale Einrichtungen,<br />

die Jugendliche begleiten und ihnen Verantwortung<br />

übertragen. Medien, die die Heldentaten<br />

des Alltags wertschätzen.<br />

Barbara Fank-Landkammer<br />

caritas in <strong>NRW</strong> · 1/08 5

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