Wodurch wird ein Text schwierig? – ein Test für die Fachkonferenz
Wodurch wird ein Text schwierig? – ein Test für die Fachkonferenz
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STANDARDS<br />
<strong>Wodurch</strong> <strong>wird</strong> <strong>ein</strong> <strong>Text</strong> <strong>schwierig</strong>? <strong>–</strong><br />
<strong>ein</strong> <strong>Test</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Fachkonferenz</strong><br />
Abb. 1: Langeweile auf der<br />
<strong>Fachkonferenz</strong>? Eine Diskussion<br />
über <strong>ein</strong>fache und<br />
<strong>schwierig</strong>e <strong>Text</strong>e kann helfen,<br />
<strong>ein</strong>em Konsens über schulinterne<br />
„Standards“ näher<br />
zu kommen.<br />
Juliane Köster<br />
Aufgabenart: <strong>Text</strong>e bezüglich ihrer<br />
Schwierigkeit <strong>ein</strong>schätzen<br />
Klassenstufen: 10<strong>–</strong>13/<strong>Fachkonferenz</strong> Deutsch<br />
Kopiervorlagen: 2<br />
Mit Standards arbeiten heißt auch, über Standards zu reden.<br />
Dabei kann schon <strong>die</strong> <strong>ein</strong>fache Frage, was eigentlich <strong>ein</strong><br />
<strong>schwierig</strong>er <strong>Text</strong> ist, <strong>die</strong> Gemüter erhitzen. Wir schlagen <strong>für</strong><br />
Ihre nächste <strong>Fachkonferenz</strong> <strong>ein</strong>en Vergleich dreier <strong>Text</strong>e vor <strong>–</strong><br />
welches ist der <strong>schwierig</strong>ste, welches der leichteste? Und<br />
warum ist das so? Langeweile <strong>wird</strong> in <strong>die</strong>ser Konferenz sicher<br />
nicht aufkommen. Selbstverständlich können auch Schüler<br />
mit dem Material ihre Lesekompetenz auf <strong>die</strong> Probe stellen.<br />
Die Bildungsstandards <strong>für</strong><br />
den Mittleren Schulabschluss<br />
zählen 5 Bereiche auf, <strong>die</strong> den<br />
Schwierigkeitsgrad <strong>ein</strong>er Aufgabe<br />
bestimmen:<br />
● <strong>die</strong> Komplexität der Aufgabenstellung<br />
● <strong>die</strong> Komplexität und Anforderungshöhe<br />
des vorgelegten<br />
<strong>Text</strong>es, <strong>Text</strong>ensembles oder<br />
<strong>ein</strong>er entsprechenden Problemstellung<br />
● <strong>die</strong> Anforderung an Kontext<br />
und Orientierungswissen<br />
● <strong>die</strong> Anforderung an <strong>die</strong> sprachliche<br />
Darstellung<br />
● Umfang und Komplexität der<br />
notwendigen Reflexion oder<br />
Bewertung. 1<br />
Allerdings ist es k<strong>ein</strong>eswegs <strong>ein</strong>fach,<br />
<strong>die</strong> Komplexität <strong>ein</strong>er Aufgabenstellung<br />
oder den Schwierigkeitsgrad<br />
von <strong>Text</strong>en treffend<br />
<strong>ein</strong>zuschätzen. Selbst Lehrplanexperten<br />
konnten in ihren Urteilen<br />
über PISA-Aufgaben kaum zwischen<br />
leichten und schweren Aufgaben<br />
unterscheiden. 2<br />
Grundsätzlich lassen sich in Bezug<br />
auf literarische <strong>Text</strong>e zwei<br />
Schwierigkeitsbereiche unterscheiden:<br />
<strong>Text</strong>e können erstens<br />
<strong>schwierig</strong> s<strong>ein</strong> aufgrund ihrer expliziten<br />
Merkmale und zweitens<br />
aufgrund dessen, was sie voraussetzen<br />
<strong>–</strong> also nicht ausdrücklich<br />
bieten (vgl. Abb. 2). Damit ist <strong>die</strong><br />
Verstehbarkeit an das Vorwissen<br />
der jeweiligen Leser gebunden.<br />
Hinsichtlich dessen, was <strong>Text</strong>e<br />
ausdrücklich bieten, resultieren<br />
Schwierigkeiten in erster Linie<br />
aus der Komplexität <strong>ein</strong>es <strong>Text</strong>es,<br />
<strong>die</strong> sich auf unterschiedlichen<br />
Ebenen zeigt. 3<br />
Betrachtet man Evidenz als<br />
Kategorie ästhetischer Erfahrung,<br />
dann wäre alles, was <strong>ein</strong> intuitives<br />
Erfassen der <strong>Text</strong>bedeutung ermöglicht,<br />
als <strong>ein</strong>es unter mehreren<br />
<strong>schwierig</strong>keitsbestimmenden<br />
Merkmalen zu bezeichnen. Ein<br />
wichtiger Anzeiger <strong>für</strong> <strong>die</strong> ästhetische<br />
Evidenz <strong>ein</strong>es <strong>Text</strong>es ist z. B.<br />
34 Deutschunterricht 5 / 2005<br />
Foto: Helen King/CORBIS
Anschaulichkeit, <strong>die</strong> sich in der<br />
Erzeugung von Vorstellungsbildern<br />
zeigt. Je stärker <strong>die</strong> ästhetische<br />
Evidenz, desto zugänglicher<br />
der <strong>Text</strong>.<br />
Voraussetzungen<br />
von <strong>Text</strong>en klären<br />
Was das <strong>schwierig</strong>keitsbestimmende<br />
Merkmal „Voraussetzungsreichtum“<br />
betrifft, so hängt <strong>die</strong><br />
Verstehbarkeit des <strong>Text</strong>es vom<br />
Wissen des Lesers ab. Literaturtheoretiker<br />
sprechen von der<br />
„Impliziten Adressatenschaft“<br />
<strong>ein</strong>es <strong>Text</strong>es. 4 Das gilt sowohl <strong>für</strong><br />
● sprachliches Wissen<br />
● historisches und kulturelles<br />
Wissen als auch<br />
● textsortenspezifisches,<br />
literarhistorisches und<br />
● intertextuelles Wissen.<br />
Schillers Geschichtsdramen sind<br />
schon all<strong>ein</strong> deshalb <strong>schwierig</strong>,<br />
weil sie historisches Wissen voraussetzen.<br />
Je voraussetzungsreicher<br />
<strong>ein</strong> <strong>Text</strong>, desto höhere Anforderungen<br />
werden an das Vorwissen<br />
der Lesers gestellt. Hinsichtlich<br />
<strong>die</strong>ser Gruppe von<br />
<strong>Text</strong>en gilt: Die Lehrperson muss<br />
klären, was der <strong>Text</strong> als bekannt<br />
voraussetzt und was ggf. als Information<br />
bereit gestellt werden<br />
muss. Hier bemisst sich <strong>die</strong> <strong>Text</strong><strong>schwierig</strong>keit<br />
an der Differenz<br />
zwischen dem impliziten Adressaten<br />
und den konkreten Lernern<br />
als aktuellen Lesern.<br />
Drei <strong>Text</strong>e im Vergleich<br />
Kurzprosa parabolischer oder<br />
auch aphoristischer Art spielt im<br />
schulischen Lektüreangebot der<br />
Jahrgänge 8<strong>–</strong>12/13 <strong>ein</strong>e wichtige<br />
Rolle. Deshalb stehen hier drei<br />
gleichnishafte <strong>Text</strong>e zur Debatte,<br />
<strong>die</strong> <strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>schlägigen Sammlung<br />
5 entnommen sind. Was den<br />
Schwierigkeitsgrad <strong>die</strong>ser <strong>Text</strong>e<br />
betrifft, so wurden Lehrpersonen,<br />
Stu<strong>die</strong>rende sowie Schülerinnen<br />
und Schüler <strong>ein</strong>er 10. Gymnasialklasse<br />
befragt. In <strong>ein</strong>em Punkt<br />
stimmen <strong>die</strong> Urteile aller Befragten<br />
über<strong>ein</strong>: Der <strong>Text</strong> mit dem<br />
Titel „Die Blinden“ (M 3) von<br />
Niko Kazantzakis ersch<strong>ein</strong>t am<br />
leichtesten. Einige Lehrpersonen<br />
Deutschunterricht 5 / 2005<br />
würden <strong>die</strong>ses Gleichnis bereits in<br />
der Primarstufe anbieten.<br />
Begründungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einordnung<br />
als leichtester <strong>Text</strong> sind<br />
folgende:<br />
● es muss nur <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>zige Situation,<br />
nur <strong>ein</strong> Problem erfasst<br />
werden; der springende Punkt<br />
ist „recht schnell und <strong>ein</strong>fach<br />
erfassbar“;<br />
● obwohl <strong>die</strong> <strong>ein</strong>zelnen Personen<br />
verschiedene Dinge sagen,<br />
folgen ihre Aussagen alle demselben<br />
Muster;<br />
● es handelt sich um <strong>ein</strong>e unmittelbar<br />
nachzuvollziehende<br />
Perspektive;<br />
● <strong>die</strong> Fasslichkeit des Bilds<br />
macht das Verstehen des <strong>Text</strong>es<br />
leicht;<br />
● <strong>die</strong> starke ästhetische Wirkung<br />
des Bilds befördert das intuitive<br />
Erfassen s<strong>ein</strong>er Bedeutung;<br />
● der <strong>Text</strong> ist weitgehend voraussetzungslos,<br />
das Vorwissen beschränkt<br />
sich auf geläufiges<br />
Weltwissen;<br />
● der <strong>Text</strong> folgt <strong>ein</strong>em <strong>ein</strong>heitlichen<br />
syntaktischen Muster:<br />
parallele Reihungen;<br />
● <strong>die</strong> Applikation auf <strong>die</strong> eigene<br />
Lebenswelt dürfte leicht fallen.<br />
Einige der befragten Schüler<br />
sehen den Vorzug <strong>die</strong>ses <strong>Text</strong>es<br />
darin, dass er verständlich ist und<br />
zugleich zum Nachdenken bringt:<br />
unter anderem trage „wörtliche<br />
Rede dazu bei, sich <strong>die</strong> Situation<br />
vorstellen zu können: man lese<br />
<strong>die</strong> Geschichte gern, müsse<br />
schmunzeln, aber auch nachdenken“.<br />
Ein Schüler stellt dagegen<br />
fest, dass <strong>die</strong>ser <strong>Text</strong> <strong>für</strong> ihn<br />
„wenig Freiraum zur Interpretation“<br />
lasse; <strong>ein</strong>e Schülerin hält es<br />
<strong>für</strong> langweilig, den <strong>Text</strong> zu lesen,<br />
da er weder von der Sprachwahl<br />
noch inhaltlich etwas Neues,<br />
anderes oder besonderes biete“.<br />
Schwierigkeitsbestimmende Merkmale von <strong>Text</strong>en<br />
<strong>Text</strong>merkmale Voraussetzungen von <strong>Text</strong>en<br />
Komplexität Ästhetische Weltwissen Intertextuelles<br />
Evidenz Wissen<br />
• auf der Ebene des • Merkmale, z. B. historisches z. B. textsorten-<br />
Geschehens/der <strong>die</strong> das intuitive Wissen, soziales spezifisches<br />
Handlung/des Plots Erfassen von Beziehungswissen Wissen, Wissen<br />
• auf der Ebene der <strong>Text</strong>en regu- über literarische<br />
ästhetischen Inszenie- lieren (z. B. An- Vorläufer und<br />
rung (Perspektivenvielfalt;Informationsregulation)<br />
• auf der Ebene<br />
der Syntax<br />
• auf der Ebene der vom<br />
Leser zu ziehenden<br />
Schlussfolgerungen/<br />
zu leistenden<br />
Verknüpfungen<br />
schaulichkeit) Bezugstexte<br />
35
STANDARDS<br />
Autoren/<br />
<strong>Text</strong>e<br />
Schwierigkeitsbestimmende Merkmale<br />
<strong>Text</strong>merkmale Voraussetzungen von <strong>Text</strong>en<br />
Komplexität Ästhetische Weltwissen Intertextuelles<br />
Evidenz Wissen<br />
Polgar: in Syntax und Rückgriff auf Wissen über Kenntnis der alt-<br />
Kain und Modalität das „Zeichen“ Emigration testamentarischen<br />
Abel Verknüpfung bei dessen Geschichte;<br />
von <strong>Text</strong> und gleichzeitiger Kenntnis<br />
Intertext Verkehrung; des Symbols<br />
bleibt abstrakt „Kainsmal“<br />
Kazantzakis: Überschaubar Anschaulichkeit Alltagswissen nicht<br />
Die Blinden in der Struktur des weitgehend erforderlich<br />
Dargestellten voraussetzungslos<br />
Schnitzler: Formprinzip <strong>schwierig</strong> zu Wissen über nicht<br />
Die grüne der bestimmen Vorurteilsstruktur notwendig<br />
Krawatte Komplikation erforderlich<br />
Abb. 4: So könnte <strong>die</strong> Tabelle M 4 aussehen, wenn sie ausgefüllt wurde: rote Schrift bedeutet<br />
„<strong>schwierig</strong>“, grün „<strong>ein</strong>fach“ und schwarz „indifferent“.<br />
Im didaktischen Kontext dürfte<br />
deshalb zu überlegen s<strong>ein</strong>, ob<br />
<strong>die</strong> individuelle Schwierigkeitswahrnehmung<br />
nicht nur von den<br />
<strong>schwierig</strong>keitsbestimmenden<br />
Merkmalen abhängt, sondern<br />
auch von der Attraktivität des<br />
<strong>Text</strong>es <strong>für</strong> den jeweiligen Leser.<br />
Fazit: Der <strong>Text</strong> ist nicht nur<br />
durch geringe Komplexität und<br />
weitgehende Voraussetzungslosigkeit<br />
gekennzeichnet, sondern<br />
durch <strong>die</strong> starke ästhetische Evidenz<br />
des Dargestellten in besonderer<br />
Weise zugänglich.<br />
Schwierig:<br />
den <strong>schwierig</strong>sten <strong>Text</strong><br />
zu bestimmen<br />
Während alle Befragten darin<br />
über<strong>ein</strong>stimmten, dass „Die Blinden“<br />
der <strong>ein</strong>fachste <strong>Text</strong> sei, sind<br />
<strong>die</strong> Urteile über <strong>die</strong> beiden anderen<br />
<strong>Text</strong>e gespalten. Jeweils zwei<br />
Drittel der Befragten halten „Kain<br />
und Abel“ von Alfred Polgar<br />
(M1) <strong>für</strong> den <strong>schwierig</strong>sten <strong>Text</strong>:<br />
10 der 15 befragten Schüler und<br />
14 der 21 befragten professionellen<br />
Leser.<br />
Welche Argumente stützen <strong>die</strong>se<br />
Position?<br />
● <strong>die</strong> Kürze; es gibt k<strong>ein</strong>e Handlung<br />
● setzt Wissen über Emigration<br />
und Emigrantendas<strong>ein</strong> voraus<br />
● setzt <strong>ein</strong>en biblischen <strong>Text</strong> als<br />
bekannt voraus, der <strong>ein</strong>e lange<br />
Deutungstradition b<strong>ein</strong>haltet<br />
● stark verschlüsselt; <strong>die</strong> Pervertierung<br />
des Bibeltextes als<br />
künstlerischer Ausdruck <strong>ein</strong>er<br />
perversen Wirklichkeit<br />
● komplexer Inhalt; komplexe<br />
Syntax, Konjunktiv: Entwurf<br />
<strong>ein</strong>er irrealen Situation.<br />
● <strong>die</strong> Applikation auf <strong>die</strong> eigene<br />
Lebenswelt dürfte schwer fallen.<br />
Während Schüler den <strong>Text</strong> von<br />
Alfred Polgar teilweise als vollkommen<br />
unverständlich bezeichnen<br />
(„<strong>Text</strong>krüppel“), sehen professionelle<br />
Leser dessen besondere<br />
Schwierigkeit gerade darin<br />
begründet, dass er neben den<br />
komplexen Wissensvoraussetzungen<br />
auch <strong>die</strong> Nichtentsprechungen<br />
bezüglich des Bibeltextes<br />
wahrzunehmen und kognitiv zu<br />
verarbeiten fordere. Sie sprechen<br />
der „Grünen Krawatte“ (M 2) von<br />
Arthur Schnitzler <strong>ein</strong>en geringeren<br />
Schwierigkeitsgrad zu, weil<br />
der <strong>Text</strong> auf der Handlungsebene<br />
<strong>–</strong> so komplex sie auch s<strong>ein</strong> mag <strong>–</strong><br />
rekonstruierbar ist. Das sei bei<br />
„Kain und Abel“ nicht der Fall.<br />
Im Gegenzug gehen <strong>die</strong>jenigen,<br />
<strong>die</strong> „Die grüne Krawatte“ als<br />
<strong>schwierig</strong>sten <strong>Text</strong> bezeichneten,<br />
davon aus, dass „Kain und Abel“<br />
leicht zu verstehen sei, wenn man<br />
<strong>die</strong> notwendigen Informationen<br />
über den Brudermord, das Kainsmal<br />
und Emigration bereit stelle.<br />
Stu<strong>die</strong>rende im 2./3. Semester kamen<br />
allerdings zu dem Ergebnis,<br />
dass ihnen <strong>die</strong> „Aussage von<br />
Polgars <strong>Text</strong> auch nach dem Vor-<br />
studium des Bibeltextes nicht<br />
sofort deutlich geworden“ sei.<br />
Eine Studentin bezeichnete den<br />
<strong>Text</strong> vor dem Hintergrund der<br />
biblischen Erzählung als „<strong>ein</strong>e<br />
interpretatorische Herausforderung“,<br />
um abschließend fest zu<br />
stellen, dass Polgar den biblischen<br />
<strong>Text</strong> verfremde.<br />
Die besondere Schwierigkeit<br />
der „Grünen Krawatte“ <strong>wird</strong> darin<br />
gesehen, dass der springende<br />
Punkt überaus <strong>schwierig</strong> zu ermitteln<br />
sei. Denn „der Witz [liege] in<br />
der perfiden Unterstellung <strong>ein</strong>es<br />
Wesens, das sich in der grünen<br />
Krawatte nur zeigt, das aber unverändert<br />
bleibt, wenn sich <strong>die</strong><br />
Akzidentien verändern“. Schüler<br />
brachten folgende Argumente:<br />
● recht viele Personen und M<strong>ein</strong>ungen<br />
● <strong>die</strong> Zusammenhänge sind nicht<br />
deutlich dargestellt<br />
● der Pfad der Handlung sei<br />
schwer zu finden; Bruch<br />
zwischen den Teilen (Problem<br />
globaler Kohärenzbildung)<br />
● langatmige bzw. zähe Darstellung;<br />
● erfordert Aufmerksamkeit und<br />
den Willen, <strong>die</strong> Beweggründe<br />
der Menschen zu verstehen<br />
● <strong>die</strong> Applikation auf <strong>die</strong> eigene<br />
Lebenswelt dürfte schwer fallen.<br />
Fazit: „Kain und Abel“ und<br />
„Die grüne Krawatte“ sind beide<br />
<strong>schwierig</strong> <strong>–</strong> allerdings auf unterschiedliche<br />
Weise. Während <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Schwierigkeit der „Grünen<br />
36 Deutschunterricht 5 / 2005
Krawatte“ in erster Linie das<br />
Formprinzip der Komplikation<br />
verantwortlich ist, besteht <strong>die</strong><br />
Schwierigkeit von „Kain und<br />
Abel“ in den Voraussetzungen.<br />
Diese bestehen auf drei Ebenen:<br />
kulturgeschichtlich, historisch<br />
und intertextuell/literarisch/<br />
poetisch (wie funktionieren<br />
literarische <strong>Text</strong>e?).<br />
Anregungen<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Fachkonferenz</strong><br />
Die Arbeit im Kreis der <strong>Fachkonferenz</strong><br />
setzt <strong>die</strong> Lektüre der drei<br />
<strong>Text</strong>e voraus. Als Instruktion sind<br />
folgende Fragen nahe liegend:<br />
Entweder<br />
● Welcher der drei <strong>Text</strong>e dürfte<br />
<strong>für</strong> Schüler der 9./10. Jahrgangsstufe<br />
am <strong>schwierig</strong>sten<br />
s<strong>ein</strong>? Welcher am leichtesten?<br />
Begründen Sie Ihre Entscheidung.<br />
Oder:<br />
● In welcher Jahrgangsstufe würden<br />
Sie <strong>die</strong> drei <strong>Text</strong>e jeweils<br />
anbieten? Würden Sie <strong>ein</strong>en der<br />
drei <strong>Text</strong>e gar nicht anbieten?<br />
Begründen Sie Ihre Option.<br />
Im Zuge der anschließenden<br />
Debatte werden sowohl <strong>schwierig</strong>keitsbestimmende<br />
Merkmale<br />
der <strong>Text</strong>e als auch Zugänge zu<br />
ihnen artikuliert. Die Optionen<br />
von Eltern- und Schülervertretern<br />
in der <strong>Fachkonferenz</strong> sind erwünscht,<br />
denn durch <strong>die</strong>se Beiträge<br />
<strong>wird</strong> <strong>die</strong> Breite der Argumentation<br />
vergrößert und <strong>die</strong><br />
Debatte lebendiger.<br />
Bei der Auswertung der Beiträge<br />
ist es sinnvoll, <strong>die</strong> oben unterschiedenenSchwierigkeits-<br />
ANMERKUNGEN<br />
Deutschunterricht 5 / 2005<br />
bereiche anhand der Tabelle M 4<br />
vorzustellen und <strong>die</strong> <strong>Text</strong>e entsprechend<br />
<strong>ein</strong>zuordnen. Als Ergebnis<br />
der Debatte sollte angestrebt werden,<br />
dass M 1 und M 3 beide <strong>ein</strong>en<br />
hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen,<br />
wenn auch auf sehr unterschiedliche<br />
Weise (vgl. Abb. 4).<br />
1 Bildungsstandards im Fach Deutsch <strong>für</strong> den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10), Beschluss<br />
der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003. Zugänglich via Internet:<br />
www.kmk.org/schul/Bildungsstandards/Deutsch_MSA_BS_04-12-03.pdf, S. 20<br />
2 Vgl. ARTELT, C./STANAT, P./SCHNEIDER, W./ SCHIEFELE, U./LEHMANN, R.: Die PISA-Stu<strong>die</strong> zur Lesekompetenz:<br />
Überblick und weiterführende Analysen. In: ULRICH SCHIEFELE, CORDULA ARTELT,<br />
WOLFGANG SCHNEIDER, PETRA STANAT (Hrsg.): Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz.<br />
Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000, Wiesbaden 2004 (Verlag <strong>für</strong><br />
Sozialwissenschaften), S. 139 <strong>–</strong>168., S. 151. S. 152<strong>–</strong>157<br />
3 Vgl. MAXIMILIAN SCHERNER: Das Verstehen verstehen lernen <strong>–</strong> an Beispielen moderner Kurzprosa.<br />
In: Der Deutschunterricht 1/ 2005, S. 57<strong>–</strong>67<br />
4 JONATHAN CULLER: Literaturtheorie. Eine kurze Einführung. Stuttgart 2002 (Reclam RUB 18166),<br />
S. 48<br />
5 KLAUS ZOBEL (Hrsg.): Moderne Kurzprosa. Eine <strong>Text</strong>sammlung <strong>für</strong> den Deutschunterricht. Paderborn<br />
u.a. 1978 (Schöningh)<br />
6 Vgl. dazu RICHARD BAMBERGER /ERICH VANECEK: Lesen<strong>–</strong>Verstehen<strong>–</strong>Lernen<strong>–</strong>Schreiben. Die<br />
Schwierigkeitsstufen von <strong>Text</strong>en in deutscher Sprache. Wien 1984<br />
„Lix“ <strong>–</strong> <strong>ein</strong>e Maß<strong>ein</strong>heit <strong>für</strong> <strong>Text</strong><strong>schwierig</strong>keit?<br />
Die sprachliche Schwierigkeit von <strong>Text</strong>en kann rechnerisch ermittelt<br />
werden. Der schwedische Pädagogikforscher Carl-Hugo<br />
Björnsson hat 1968 <strong>ein</strong>e immer noch populäre Lesbarkeitsformel<br />
(Lix = Lesbarkeitsindex) entwickelt. 6<br />
Dazu muss man folgende Zahlen erheben:<br />
1. Gesamtzahl der Wörter<br />
2. Zahl der Sätze<br />
3. Durchschnittliche Satzlänge (SL) <strong>–</strong> sie stellt den besten Messfaktor<br />
dar (Gesamtzahl der Wörter divi<strong>die</strong>rt durch <strong>die</strong> Zahl der<br />
Sätze).<br />
4. Zahl der Wörter mit mehr als sechs Buchstaben („Lange Wörter“)<br />
<strong>–</strong> nach Björnsson trennen Wörter mit mehr als sechs Buchstaben<br />
am besten zwischen <strong>schwierig</strong>em und leichtem <strong>Text</strong><br />
5. Prozentualer Anteil der „Langen Wörter“ (LW) (Zahl der langen<br />
Wörter divi<strong>die</strong>rt durch <strong>die</strong> Gesamtzahl der Wörter mal 100).<br />
Der Lesbarkeitsindex (Lix) ergibt sich aus der Summe von SL und<br />
LW. Dieses Verfahren mutet sehr mechanistisch an, führt aber<br />
mitunter zu erstaunlichen Ergebnissen. Wenn Sie <strong>die</strong> Lixwerte der<br />
Parabeln (M 1<strong>–</strong>M 3) ermitteln und mit inhaltsbezogenen Schwierigkeitswerten<br />
vergleichen, können Sie an <strong>die</strong>sem Beispiel diskutieren,<br />
ob <strong>die</strong>se Art der „<strong>Text</strong>arbeit“ <strong>für</strong> den Unterricht relevant<br />
s<strong>ein</strong> kann.<br />
<strong>Text</strong>arten KJL Belletristik Sachliteratur Fachliteratur<br />
Lix 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70<br />
<strong>Text</strong>- Sehr leicht leicht mittelschwer <strong>schwierig</strong> sehr<br />
<strong>schwierig</strong>keit<br />
<strong>schwierig</strong><br />
Abb. 5: Lesbarkeitsindex verschiedener <strong>Text</strong>sorten<br />
Eine mögliche Variante des Verfahrens<br />
besteht darin, nach der Lektüre<br />
der drei <strong>Text</strong>e in Kl<strong>ein</strong>gruppen<br />
<strong>die</strong> Tabelle M 4 ausfüllen zu lassen<br />
und anschließend <strong>die</strong> jeweiligen<br />
Eintragungen zu diskutieren. ●<br />
Angaben zur Autorin: S. 9<br />
37
5<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
38<br />
LEICHT ODER SCHWER? <strong>–</strong> SEITE 1<br />
M 1 � Alfred Polgar: Kain und Abel<br />
Abel, wenn er vor den Mordabsichten s<strong>ein</strong>es Bruders Kain geflohen<br />
wäre, wäre „Emigrant“ geschimpft worden und hätte<br />
als solcher bittere Unannehmlichkeiten zu erdulden gehabt. Er<br />
wäre s<strong>ein</strong> Leben lang in der Welt herumgelaufen mit dem<br />
Abel-Zeichen auf der Stirn.<br />
Quelle: Klaus Zobel (Hrsg.), Moderne Kurzprosa. Eine <strong>Text</strong>sammlung<br />
<strong>für</strong> den Deutschunterricht. Paderborn u. a. 1978 (Schöningh), S. 39<br />
M 2 � Arthur Schnitzler: Die grüne Krawatte<br />
Ein junger Herr namens Cleophas wohnte zurückgezogen in<br />
s<strong>ein</strong>em Hause nah der Stadt. Eines Morgens wandelte ihn <strong>die</strong><br />
Lust an, unter Menschen zu gehen. Da kleidete er sich wohlanständig<br />
an wie immer, tat <strong>ein</strong>e grüne Krawatte um und begab<br />
sich in den Park. Die Leute grüßten ihn höflich, fanden, dass<br />
ihm <strong>die</strong> grüne Krawatte vorzüglich zu Gesicht stehe, und sprachen<br />
durch <strong>ein</strong>ige Tage mit viel Anerkennung von der grünen<br />
Krawatte des Herrn Cleophas. Einige versuchten, es ihm gleichzutun,<br />
und legten grüne Krawatten an wie er <strong>–</strong><br />
freilich waren sie aus gem<strong>ein</strong>erem Stoff und ohne<br />
Anmut geknüpft.<br />
Bald darauf machte Herr Cleophas wieder<br />
<strong>ein</strong>en Spaziergang durch den Park, in<br />
<strong>ein</strong>em neuen Gewand, aber mit der gleichen<br />
grünen Krawatte. Da schüttelten<br />
<strong>ein</strong>ige bedenklich den Kopf und sagten:<br />
„Schon wieder trägt er <strong>die</strong> grüne Krawatte<br />
… Er hat wohl k<strong>ein</strong>e andere …“ Die etwas<br />
nervöser waren, riefen aus: „Er <strong>wird</strong> uns noch zur<br />
Verzweiflung bringen mit s<strong>ein</strong>er grünen Krawatte!“<br />
Als Herr Cleophas das nächste Mal unter <strong>die</strong><br />
Leute ging, trug er <strong>ein</strong>e blaue Krawatte. Da riefen<br />
<strong>ein</strong>ige: „Was <strong>für</strong> <strong>ein</strong>e Idee, plötzlich mit <strong>ein</strong>er blauen<br />
Krawatte daherzukommen?“ Die Nervöseren<br />
aber riefen laut: „Wir sind gewohnt, ihn mit <strong>ein</strong>er<br />
grünen zu sehen! Wir brauchen es uns nicht gefallen<br />
zu lassen, dass er heute mit <strong>ein</strong>er blauen ersch<strong>ein</strong>t!“<br />
Aber manche waren sehr schlau und sagten:<br />
„Ah, uns <strong>wird</strong> er nicht <strong>ein</strong>reden, dass <strong>die</strong>se<br />
Krawatte blau ist. Herr Cleophas trägt sie, und daher<br />
ist sie grün.“<br />
Das nächste Mal erschien Herr Cleophas, wohlanständig<br />
gekleidet wie immer, und trug <strong>ein</strong>e Krawatte<br />
vom schönsten Violett. Als man ihn von weitem<br />
kommen sah, riefen <strong>die</strong> Leute höhnisch aus: „Da kommt<br />
der Herr mit der grünen Krawatte!“<br />
Besonders gab es <strong>ein</strong>e Gesellschaft von Leuten, der ihre<br />
Mittel nichts anderes erlaubten, als Zwirnsfäden um den Hals<br />
zu schlingen. Diese erklärten, dass Zwirnsfäden das Elegan-<br />
COPY<br />
Deutschunterricht<br />
5 / 2005<br />
40 teste und Vornehmste seien, und hassten überhaupt alle, <strong>die</strong><br />
Krawatten trugen und besonders Herrn Cleophas, der immer<br />
wohlanständig gekleidet war und schönere und besser geknüpfte<br />
Krawatten trug als irgend<strong>ein</strong>er. Da schrie <strong>ein</strong>mal der<br />
Lauteste unter <strong>die</strong>sen Menschen, als er Herrn Cleophas des<br />
45 Weges kommen sah: „Die Herren mit der grünen Krawatte<br />
sind Wüstlinge!“ Herr Cleophas kümmerte sich nicht um ihn<br />
und ging s<strong>ein</strong>es Weges.<br />
Als Herr Cleophas das nächste Mal im Park spazieren<br />
ging, schrie der laute Herr mit dem<br />
50 Zwirnsfaden um den Hals: „Die Herren<br />
mit der grünen Krawatte sind Diebe!“<br />
Und manche schrieen mit. Cleophas<br />
zuckte <strong>die</strong> Achseln und dachte, dass es<br />
mit den Herren, <strong>die</strong> jetzt grüne Krawat-<br />
55 ten trugen, doch weit gekommen s<strong>ein</strong><br />
müsste. Als er das dritte Mal wieder kam,<br />
schrie <strong>die</strong> ganze Menge, allen voran der<br />
laute Herr mit dem Zwirnsfaden um den<br />
Hals: „Die Herren mit der grünen Krawat-<br />
60 te sind Meuchelmörder!“ Da bemerkte<br />
Cleophas, dass viele Augen auf ihn gerichtet<br />
waren. Er erinnerte sich, dass er auch<br />
öfters grüne Krawatten getragen hatte,<br />
trat auf den Gesellen mit dem Zwirnsfaden zu und<br />
65 fragte: „Wen m<strong>ein</strong>en Sie denn eigentlich? Am Ende<br />
mich auch?“ Da erwiderte jener: „Aber, Herr Cleophas,<br />
wie können Sie glauben <strong>–</strong>? Sie tragen doch<br />
gar k<strong>ein</strong>e grüne Krawatte!“ Und er schüttelte ihm<br />
<strong>die</strong> Hand und versicherte ihn s<strong>ein</strong>er Hochachtung.<br />
70 Cleophas grüßte und ging. Aber als er sich in gemessener<br />
Entfernung befand, klatschte der Mann<br />
mit dem Zwirnsfaden in <strong>die</strong> Hände und rief: „Seht<br />
ihr, wie er sich getroffen fühlt? Wer darf jetzt noch<br />
daran zweifeln, dass Cleophas <strong>ein</strong> Wüstling, Dieb und Meu-<br />
75<br />
chelmörder ist?!“<br />
Quelle: Klaus Zobel (Hrsg.), Moderne Kurzprosa. Eine <strong>Text</strong>sammlung<br />
<strong>für</strong> den Deutschunterricht. Paderborn u. a. 1978 (Schöningh), S. 40<strong>–</strong> 41
5<br />
10<br />
LEICHT ODER SCHWER? <strong>–</strong> SEITE 2<br />
M 3 � Niko Kazantzakis: Die Blinden<br />
Es war <strong>ein</strong>mal, sagte er, <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Dorf in der Wüste. Alle<br />
Einwohner <strong>die</strong>ses Dorfes waren blind. Eines Tages kam dort<br />
<strong>ein</strong> großer König mit s<strong>ein</strong>em Heer vorbei. Er ritt auf <strong>ein</strong>em<br />
gewaltigen Elefanten. Die Blinden hatten viel von Elefanten<br />
erzählen hören und wurden von <strong>ein</strong>er heftigen Lust befallen,<br />
heranzutreten und den Elefanten des Königs berühren<br />
zu dürfen und ihn zu untersuchen, um <strong>ein</strong>e Vorstellung davon<br />
zu bekommen, was das <strong>für</strong> <strong>ein</strong> Ding sei. Einige von ihnen<br />
<strong>–</strong> vielleicht waren es <strong>die</strong> Gem<strong>ein</strong>deältesten <strong>–</strong> traten vor und<br />
verneigten sich vor dem König und baten um <strong>die</strong> Erlaubnis,<br />
s<strong>ein</strong>en Elefanten berühren zu dürfen. Der <strong>ein</strong>e packte ihn<br />
beim Rüssel, der andere am Fuß, <strong>ein</strong> dritter an der Seite, <strong>ein</strong>er<br />
reckte sich hoch auf und packte das Ohr, und <strong>ein</strong> anderer<br />
wieder durfte <strong>ein</strong>en Ritt auf dem Rücken des Elefanten tun.<br />
M 4 � Schwierigkeiten von <strong>Text</strong>en<br />
• Lesen Sie <strong>die</strong> <strong>Text</strong>e M 1 bis M 3 und stellen Sie <strong>ein</strong>e Rangfolge<br />
her: Welcher ist der <strong>schwierig</strong>ste, welcher der leichteste<br />
<strong>Text</strong>? Begründen Sie Ihre Festlegung.<br />
AUFGABEN<br />
COPY<br />
Deutschunterricht<br />
5 / 2005<br />
Entzückt kehrten alle ins Dorf zurück, und <strong>die</strong> Blinden umringten<br />
sie und fragten eifrig, was denn das ungeheuerliche<br />
Tier Elefant <strong>für</strong> <strong>ein</strong> Wesen sei. Der erste sagte: „Er ist <strong>ein</strong> großer<br />
Schlauch, der sich hebt und senkt, und es ist <strong>ein</strong> Jammer<br />
um den, den er zu packen kriegt.“ Der zweite sagte: „Es ist<br />
<strong>ein</strong>e mit Haut und Haaren bekleidete Säule.“ Der dritte sagte:<br />
„Es ist wie <strong>ein</strong>e Festungsmauer und hat auch Haut und<br />
Haare.“ Der, der ihn am Ohr gepackt hatte, sagte: „Es ist<br />
k<strong>ein</strong>eswegs <strong>ein</strong>e Mauer, es ist <strong>ein</strong> dicker, dicker Teppich, der<br />
sich bewegt, wenn man ihn anfasst.“ Und der letzte sagte:<br />
„Was redet ihr <strong>für</strong> Unsinn? Es ist <strong>ein</strong> gewaltiger Berg, der sich<br />
bewegt!“<br />
Quelle: Klaus Zobel (Hrsg.), Moderne Kurzprosa. Eine <strong>Text</strong>sammlung<br />
<strong>für</strong> den Deutschunterricht. Paderborn u. a. 1978 (Schöningh), S. 48<br />
Autoren/<strong>Text</strong>e Schwierigkeitsbestimmende Merkmale<br />
Polgar:<br />
Kain und Abel<br />
Kazantzakis:<br />
Die Blinden<br />
Schnitzler:<br />
Die grüne Krawatte<br />
15<br />
20<br />
25<br />
<strong>Text</strong>merkmale Voraussetzungen von <strong>Text</strong>en<br />
Komplexität Ästhetische Evidenz Weltwissen Intertextuelles Wissen<br />
(z. B. Handlung, (z. B. Anschaulichkeit) (z. B. historisches (z. B. Bezug auf lit.<br />
Sprache) Wissen) Tradition oder Mythen)<br />
• Klären Sie im Gespräch, welche Bedeutung <strong>die</strong> <strong>ein</strong>zelnen<br />
Spalten von Tabelle M 4 haben. Tragen Sie dann in <strong>die</strong><br />
leeren Felder <strong>die</strong> Ergebnisse Ihrer <strong>Text</strong>analyse <strong>ein</strong>.<br />
39