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Verantwortung - Jatro AG

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DAS MAgAzin für MACHer MArken Märkte<br />

:PROFILE<br />

Mai-Juni 2012<br />

Ausgabe 02/2012<br />

Preis D . A . CH: 9,50 €<br />

www.m-profile.de<br />

SCHwerPunkt<br />

<strong>Verantwortung</strong><br />

Vielflieger<br />

wie Christoph weber mit seinem<br />

Biokerosin die Armut bekämpft


JAtro-grünDer CHriStoPH weBer<br />

3<br />

:PROFILE 2/2012<br />

Macher<br />

Der Überflieger<br />

von Bijan Peymani<br />

Christoph webers Mission, mit der Produktion von Bioflugsprit die welt<br />

von der Armut zu befreien, führte freunde, Partner und kollegen wie-<br />

derholt an die grenzen ihrer persönlichen Vorstellungskraft. Doch mit<br />

klugem networking, eiserner Disziplin und übermenschlichem einsatz<br />

lässt der ex-investmentbanker seine Vision wirklichkeit werden. Halb<br />

Südostasien hat weber im wortsinn schon erfolgreich beackert, nun<br />

sollen Afrika und Südamerika folgen.<br />

es ist nicht leicht, ihn zu fassen zu kriegen. wenn Christoph weber<br />

Anfragen erhält, wollen zeit und ort für einen termin wohl kalkuliert<br />

sein. tags zuvor war der 48-Jährige noch zum geschäftsessen in Bangkok,<br />

um mit dem nachtflug Abu Dhabi zu erreichen und kurz darauf zu<br />

Verhandlungen in richtung istanbul aufzubrechen. Jetzt, am Abend,<br />

landet er endlich in frankfurt, das nächste ticket nach Jakarta schon<br />

in der Brusttasche. weber ist gründer und Ceo der auf Biokerosin<br />

spezialisierten <strong>Jatro</strong> Ag – und weltweit ein gefragter Mann. Æ


4<br />

:PROFILE 2/2012<br />

Macher<br />

eigentlich wollte weber Diplomat<br />

werden, allein deshalb, bekennt er,<br />

hatte er überhaupt Jura studiert. noch<br />

während dieser zeit war er – als erster<br />

Student! – in den renommierten<br />

„Club Diplomatique de genève“<br />

aufgenommen worden. „Da merkte<br />

ich, dass mir die wirtschaftliche Perspektive<br />

fehlt. Am ende des tages<br />

Visa zu verlängern und konsularische<br />

Aktivitäten zu verrichten, hätte ich als<br />

hochgradig langweilig empfunden“,<br />

sagt weber. Die geister, die ich rief:<br />

Langeweile dürfte der rastlose kämpfer<br />

für das gute schon lange nicht<br />

mehr verspüren.<br />

wer ihm begegnet, trifft ihn hochkonzentriert,<br />

bestens vorbereitet und<br />

auffallend unprätentiös für jemanden,<br />

der bei regierungen und königshäusern<br />

rund um den erdball ein und aus<br />

geht. weber ist ein Machertyp, kein<br />

Schaumschläger. gespräche fundiert<br />

er mit fakten, statt sie mit Marketinggirlanden<br />

auszuschmücken. Jura-<br />

Promotion und investmentbanking,<br />

aber auch die Beratungsmandate auf<br />

politischer ebene haben den vierfachen<br />

familienvater geschult, seine<br />

Botschaften so zu verdichten, wie es<br />

der jeweilige Anlass und die eigenen<br />

zwecke erfordern.<br />

Denn weber ist auf einer scheinbar<br />

unmöglichen Mission: mithilfe von<br />

<strong>Jatro</strong>pha-Sträuchern agrarwissenschaftlich<br />

tote Landflächen zu rekultivieren,<br />

um sie wieder fruchtbar zu<br />

machen, für den Anbau von nutzpflanzen<br />

– und quasi beiläufig aus den<br />

<strong>Jatro</strong>pha-Samen Biotreibstoff für die<br />

Luftfahrtindustrie zu gewinnen. Auf das<br />

thema aufmerksam wurde der westfale<br />

im Laufe des Jahres 2007 während<br />

einer geschäftsreise in Vietnam. weber<br />

erkannte sofort das Potenzial, recherchierte<br />

akribisch Anbaubedingungen<br />

und Verwertung der exotischen frucht.<br />

Bei der folgenden gründung der firma<br />

<strong>Jatro</strong> in frankfurt am Main – hier<br />

leben bis heute frau und kinder –<br />

habe Biokerosin in seinen überlegungen<br />

noch gar nicht die entscheidende<br />

rolle gespielt, sagt weber.<br />

ihn faszinierte die Vorstellung, viele<br />

hundert Millionen Menschen dank<br />

<strong>Jatro</strong>pha aus der Armut zurück in<br />

ein selbstbestimmtes Leben zu führen.<br />

tatsächlich waren es aber nicht<br />

asiatische Vertreter, die sich anfangs<br />

fürs <strong>Jatro</strong>-konzept interessierten, sondern<br />

jene in Mittel- und Südamerika.<br />

„Man hat mir den roten teppich<br />

ausgerollt“, erinnert sich weber.<br />

eigens sei damals etwa die first<br />

Lady Panamas samt gefolge zu Æ<br />

Perspektiven für die Ärmsten: Die Arbeiter auf den<br />

<strong>Jatro</strong>-Plantagen sind in Kooperativen organisiert, die<br />

ihnen eine dauerhafte, fair entlohnte Beschäftigung<br />

sichern und helfen, ihre eigenen und die<br />

Lebensbedingungen ihrer Familien zu verbessern


© istockphoto/DeborahMaxemow<br />

Monarchfalter bei der Arbeit:<br />

Blüte der <strong>Jatro</strong>pha-Pflanze, aus deren<br />

früchten Biokerosin produziert wird


Die im Herbst 2007 durch Christoph Weber gegründete<br />

<strong>Jatro</strong> <strong>AG</strong> stellt Biokerosin her, das aus dem Anbau nachwachsender<br />

Rohstoffe (insbesondere der <strong>Jatro</strong>pha-Pflanze)<br />

gewonnen wird. Aufgrund idealer geografischer und klimatischer<br />

Bedingungen hat das in Frankfurt am Main ansässige<br />

Unternehmen seine Aktivitäten in den vergangenen drei<br />

Jahren – ausgehend von Vietnam – auf die Region Südostasien<br />

fokussiert. Die <strong>Jatro</strong> <strong>AG</strong> bildet dabei die gesamte<br />

Wertschöpfungskette ab, von der Flächenauswahl über die<br />

Zucht von Stecklingen sowie die Anpflanzung und Bewirtschaftung<br />

von Plantagen bis zur Rohölextraktion und Verarbeitung<br />

zu zertifiziertem Biokerosin samt der Lieferung<br />

an Airlines und Flughäfen. Nicht nur mit der Produktion<br />

von Biokraftstoff verschreibt sich <strong>Jatro</strong> einem nachhaltigen<br />

Zweck. Erklärtes Ziel ist die aktive Armutsbekämpfung<br />

Aus dem Samen der <strong>Jatro</strong>pha-<br />

Pflanze läßt sich Öko-Sprit für<br />

die Luftfahrtindustrie gewinnen<br />

Öl-Multi mit sozioökonomischem Fokus<br />

und Arbeitsbeschaffung für lokale Bevölkerungsruppen. So<br />

werden für den Anbau der <strong>Jatro</strong>pha-Pflanze ausschließlich<br />

Flächen gewählt, die anderweitig nicht mehr zu bewirtschaften<br />

sind. Die auf diese Weise rekultivierten Böden<br />

erlauben später eine parallele Aufzucht von Nutzpflanzen.<br />

Zudem sind die Arbeiter auf den <strong>Jatro</strong>-Plantagen in Kooperativen<br />

organisiert, die ihnen eine dauerhafte, fair entlohnte<br />

Beschäftigung sichern und helfen, ihre eigenen Lebensbedingungen<br />

und die ihrer Familien nachhaltig zu verbessern.<br />

Speziell in den unwirtlichen, benachteiligten ländlichen<br />

Gegenden Javas (Indonesien) verfügen viele Dörfer rund<br />

um die Plantagen durch die Einbeziehung in die <strong>Jatro</strong>pha-<br />

Kultivierung nun erstmals über Elektrizität, eine ausgebaute<br />

Infrastruktur sowie einen deutlich verbesserten Zugang zu<br />

Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.


Verhandlungen nach London gereist.<br />

Auch in Mexiko, guatemala und<br />

Brasilien wollten regenten mit aller<br />

Macht mit ihm ins geschäft kommen.<br />

überzeugungstäter weber musste<br />

bald erkennen, dass da ein ganzer<br />

kontinent einem offensichtlichen<br />

Missverständnis aufsaß – oder zumindest<br />

andere ziele im Sinn hatte als<br />

er selbst: nach dem zuckerrohr, inzwischen<br />

weltweit angebaut, verhieß<br />

die <strong>Jatro</strong>pha-Pflanze nun schnelle,<br />

dauerhaft sprudelnde gewinne am<br />

internationalen Ölmarkt.<br />

Brüder im geiste fand der <strong>Jatro</strong>-Chef<br />

in Südostasien. „Dort lud man mich<br />

mit dem einzigen Motiv zu gesprächen<br />

ein, die Armut der ländlichen<br />

Bevölkerung nachhaltig zu bekämpfen“,<br />

so weber. er überzeugte zunächst<br />

die Vietnamesen, schließlich<br />

kam der Premierminister des Landes<br />

höchstselbst nach Deutschland, um<br />

den Vertrag der <strong>Jatro</strong> mit einem vietnamesischen<br />

Partner zu bezeugen.<br />

Parallel fasste weber mit seiner idee<br />

in indien fuß. wegen der zentralen<br />

Lage errichtete er in Singapur ein<br />

operatives Drehkreuz für die weitere<br />

geschäftsentwicklung.<br />

„Von hier aus bin ich in nicht mal<br />

eineinhalb Stunden in Vietnam und<br />

ähnlich schnell etwa in indonesien,<br />

nach Laos oder thailand sind<br />

es auch nur zwei Stunden.“ weber<br />

nutzt flugzeuge wie andere Busse.<br />

Mal geht es darum, farmer auf den<br />

<strong>Jatro</strong>pha-Plantagen zu besuchen,<br />

mal darum, Verhandlungen mit<br />

strategischen Partnern aus wissenschaft<br />

und technik zu führen, um<br />

die <strong>Jatro</strong>-wertschöpfungskette zu<br />

verdichten. Doch die derzeit wohl<br />

meiste zeit wendet weber auf, um<br />

etwa in Abu Dhabi, London oder der<br />

Schweiz investoren zu gewinnen.<br />

„wir waren bislang weitgehend privat<br />

finanziert, für die großkalibrige Skalierung<br />

und eine sukzessive Ausdehnung<br />

unserer Aktivitäten benötigen wir<br />

fremdkapital“, begründet der <strong>Jatro</strong>-<br />

Boss. Drei Jahre lang hat er die infrastruktur<br />

in Südostasien aufgebaut, nun<br />

soll sein konzept auch in Südamerika<br />

– und zwar richtig interpretiert – und<br />

später auch in Afrika auf fruchtbaren<br />

Boden fallen. „Die ertragsperspektive<br />

ist für die <strong>Jatro</strong>pha-Pflanze im<br />

Moment in Südostasien noch leicht<br />

besser“, erklärt weber. Doch der<br />

Schwarze kontinent ist fest gesetzt.<br />

Mosambik, kenia, Madagaskar, ghana<br />

– der reiseplan des Sozialunternehmers<br />

dürfte in zukunft noch ein gutes<br />

Stück üppiger werden. Schon jetzt<br />

fliege er „beinahe täglich“ und Jahr<br />

für Jahr mehr als eine halbe Million<br />

flugmeilen zusammen. weber nimmt<br />

einen seiner beiden deutschen Pässe<br />

zur Hand. weil einer trotz 48 Seiten<br />

nicht für alle ein- und Ausreisestempel<br />

ausreicht, besitzt er auf Anregung<br />

der Deutschen Botschaft in Singapur<br />

inzwischen zwei. Halb ungläubig, halb<br />

über sich selbst erschrocken betrachtet<br />

weber das Dokument.<br />

im Schnitt sei er „drei tage im Monat“<br />

in der Heimat, bilanziert er nüchtern.<br />

Aber was ist für einen wie ihn schon<br />

Heimat? „ich fühle mich in Städten<br />

wie Jakarta, Singapur und Bangkok<br />

heimisch“, sagt weber, der seit zwölf<br />

Jahren mehr oder minder in Asien<br />

lebt, sogar „Basics in Chinesisch“ beherrscht.<br />

Dennoch könne er den Heimatbegriff<br />

geografisch nicht fixieren,<br />

denn damit verbinde er „auch meine<br />

familie, und die lebt in frankfurt“.<br />

es sei ein sehr angenehmes gefühl,<br />

sich an vielen orten spontan wohl zu<br />

fühlen, „meine Heimat ist de facto<br />

multipolar“.<br />

7<br />

:PROFILE 2/2012<br />

Macher<br />

Mit den Lieben zu Hause hält der umtriebige<br />

Manager täglich kontakt, mal<br />

über Skype, mal via facetime – „die<br />

beste technische Lösung gewinnt“.<br />

insbesondere seine frau ist so ständig<br />

im Bilde, was ihn umtreibt, wohin es<br />

ihn warum verschlägt. nur weil sie ihm<br />

den rücken frei hält, kann weber sich<br />

für seine Mission überhaupt so ins<br />

zeug legen. Das gibt ihm kraft, den<br />

Schlaf kann es ihm nicht ersetzen. „Den<br />

hole ich mir en passant, ich bin wie<br />

ein flamingo“, kommentiert weber<br />

selbstironisch. irgendwann wolle er<br />

„zwei, drei gänge zurückschalten“.<br />

erst einmal aber müssen Strukturen<br />

und Abläufe stehen, noch muss er<br />

oft selbst an die front. immerhin hat<br />

weber in den vergangenen drei Jahren<br />

zahlreiche, bisher zumeist ehrenamtlich<br />

arbeitende Mitstreiter gewonnen. Alles<br />

gestandene Manager, wissenschaftler,<br />

ex-Politiker, ja sogar ehemalige<br />

offiziere – jeder auf seinem gebiet<br />

mit vielen Jahrzehnten Berufserfahrung<br />

und einem eigenen netzwerk,<br />

das er <strong>Jatro</strong> bereitstellt. Mittelfristig<br />

will weber eine taktisch-strategische<br />

rolle einnehmen, die exekution vor<br />

ort qualifizierten teams überlassen.<br />

Bis dahin unterwirft er sein Leben der<br />

„maximalen effizienzsteigerung“, wie<br />

weber es nennt: „ich habe zunehmend<br />

das gefühl, dass ich mich nur an 1<br />

und 0, also an einem binären Code<br />

orientiere.“ nichts soll sein übergeordnetes<br />

ziel gefährden. wenn er sich<br />

jedoch einer Sache annehme, dann<br />

sei darauf Verlass, dass kurzfristig eine<br />

entscheidung stehe – Ja oder nein, 1<br />

oder 0. „zeit“, bekennt weber, „zeit ist<br />

unendlich wertvoll, wahrscheinlich das<br />

wertvollste gut in unserer wertschöpfungskette.“<br />

Da ist er schon wieder auf<br />

dem weg zum flughafen. nächster<br />

Halt: Jakarta. ¢


8<br />

:PROFILE :PROFILE 2/2012<br />

Macher Märkte<br />

EU-Initiative zur Förderung von Biokraftstoffen<br />

Trotz wachsender Anbauflächen sowie technologischer<br />

Fortschritte reichen die verfügbaren Ressourcen an Biokerosin<br />

für einen flächendeckenden Einsatz in der Luftfahrtindustrie<br />

heute noch nicht aus. Das gilt umso mehr,<br />

wenn man die Entwicklung des Verkehrsaufkommens in<br />

die Zukunft fortschreibt. Um die Kommerzialisierung von<br />

Biokraftstoffen für den Sektor in Europa voranzutreiben,<br />

hat die EU-Kommission daher bereits Mitte vergangenen<br />

Jahres eine industrieübergreifende Initiative angestoßen.<br />

Sie soll bis 2020 eine jährliche Produktion von zwei Millionen<br />

Tonnen nachhaltig erzeugter Luftfahrt-Biokraftstoffe<br />

sicherstellen – immerhin vier Prozent des gesamten<br />

EU-Kraftstoffverbrauchs. In den „Biofuels Flightpath“<br />

einbezogen sind neben Hersteller Airbus und Flugge-<br />

sellschaften wie Lufthansa, Air France/KLM oder British<br />

Airways auch große europäische Raffineriebetreiber. Im<br />

ersten Schritt sollen bis 2015 ausreichend nachwachsende<br />

Rohstoffe existieren, um dauerhaft drei Raffinerien<br />

betreiben zu können. Zudem hoffen die Partner, dann<br />

geeignete Finanzierungsmechanismen für den Bau von<br />

drei Biokraftstoffanlagen der zweiten Generation gefunden<br />

zu haben. Parallel wollen sie eine breite Öffentlichkeit<br />

darüber aufklären, welche Vorteile mit dem Ersatz von<br />

Petroleum-Kerosin durch „Biofuels“ verbunden sind. Ab<br />

2018 ist vorgesehen, die kommerzielle Herstellung von<br />

Biokraftstoffen auch auf Mikrobenbasis auszudehnen.<br />

Die Kosten für die Initiative werden auf mindestens drei<br />

Milliarden Euro veranschlagt.<br />

© istockphoto/ssuaphoto


9<br />

:PROFILE :PROFILE 2/2012<br />

Macher Märkte

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