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Fazit meiner Diplomarbeit zur Analyse der Leistung ... - patrickfink.de

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<strong>Fazit</strong> <strong>meiner</strong> <strong>Diplomarbeit</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Analyse</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Leistung</strong> unserer Massenmedien in <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzmarktkrise 2007/2008<br />

me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

Wie in je<strong>de</strong>m <strong>Fazit</strong> fasse ich zunächst die vorangegangene <strong>Analyse</strong> zusammen, um dann<br />

Schlussfolgerungen zu ziehen und diese mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Forschungsergebnissen <strong>zur</strong> <strong>Leistung</strong><br />

<strong>de</strong>s Mediensystem zu vergleichen.<br />

Die Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heutigen Strukturen (Kapitel III) hat gezeigt, dass die Massenmedien<br />

ein potentiell leistungsstarkes Werkzeug <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie sind, um die gesamte<br />

Gemeinschaft vor Problemen zu warnen und effiziente Lösungskonzepte zu entwickeln.<br />

Wie jedoch zuvor mit <strong>de</strong>n Produktiven Ausschließungen (Kapitel II) festgestellt wur<strong>de</strong>,<br />

tendieren selbst formell offene Diskursarenen zu Ausschließungspraktiken. Dieser<br />

Zusammenhang wur<strong>de</strong> in die Bestimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm (Kapitel IV) durch die <strong>de</strong>liberale<br />

Öffentlichkeitstheorie aufgenommen und fand seinen Ausdruck in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mokratischen<br />

Performanzkriterium Vielfalt, welches nach Voltmer mit quanti- und qualitativen<br />

Inhaltsanalysen <strong><strong>de</strong>r</strong> Medienberichterstattung zu messen ist. Nach<strong>de</strong>m die aktuellen<br />

Verzerrungen (Kapitel V) vorgestellt wur<strong>de</strong>n, ist mit <strong>de</strong>m Framing-Ansatz eine Methodik<br />

<strong>zur</strong> Gestaltung von quanti- und qualitativen Inhaltsanalysen erläutert wor<strong>de</strong>n, um diese<br />

Verzerrungen genauer erkennen zu können. Schließlich wur<strong>de</strong> in Kapitel VI mit Hilfe dieser<br />

Metho<strong>de</strong> die Kapitalismus<strong>de</strong>batte daraufhin empirisch befragt, ob das systembedrohen<strong>de</strong><br />

Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeblähten Finanzmärkte rechtzeitig ent<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong> und welche Vielfalt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Diskurs <strong>zur</strong> Lösung dieses Problems bietet.<br />

Das ein<strong>de</strong>utigste Ergebnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Analyse</strong> ist die nahezu vollständige Ausschließung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

peripheren Akteure. In dieser Ausschließung kann ein Grund für die ebenfalls festgestellte<br />

Konsonanz bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungsempfehlungen (in Frame-Terminologie <strong>de</strong>s<br />

Problemlösungsansatzes) gesehen wer<strong>de</strong>n. In bei<strong>de</strong>n betrachteten Diskursabschnitten<br />

wur<strong>de</strong>n jeweils dominante Handlungsempfehlungen bzgl. Regulierung festgestellt.


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

Darüber hinaus besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Beweis für die Abhängigkeit <strong>de</strong>s Sagbaren von einem<br />

Grundkonsens gera<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> inhaltlichen Aussage dieses Konsenses bzw.<br />

dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Konsense: Wohingegen vor <strong>de</strong>m Schlüsselereignis <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehman-Insolvenz die<br />

For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach mehr Regulierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzmärkte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel<br />

abgelehnt wur<strong>de</strong>, spricht sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Medientenor nach diesem Ereignis sehr ein<strong>de</strong>utig für<br />

mehr Regulierung aus. Dieser Befund wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spricht <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundannahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schweigespiraltheorie <strong><strong>de</strong>r</strong> stetig zunehmen<strong>de</strong>n Konsonanz.<br />

Dennoch wur<strong>de</strong> das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> entfesselten Finanzmärkte nicht rechtzeitig erkannt. Ein<br />

Resultat dieses Versäumnisses besteht heute unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em darin, dass die konkreten<br />

systembedrohen<strong>de</strong>n Probleme wie die Insolvenzrisiken von Banken, die too big to fall sind,<br />

also <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wegfall einen Kollaps <strong>de</strong>s gesamten Systems <strong>zur</strong> Folge hätte, erst sehr<br />

kurzfristig vor <strong>de</strong>m ultimativen Notwendigwer<strong>de</strong>n einer Lösung bekannt wer<strong>de</strong>n. So<br />

wur<strong>de</strong>n in nächtlichen Sitzungen mit flinker Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> Rettungspläne geschmie<strong>de</strong>t, die unter<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>em gigantische Summen an Steuergel<strong><strong>de</strong>r</strong>n in das Finanzsystem einspeisen. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bevölkerung stoßen diese Maßnahmen auf Unverständnis bis Ablehnung – in diesen<br />

Protesten druckt sich die erwähnte Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzmarktkrise für die Demokratie aus: die<br />

Bürger nehmen einen grundsätzlichen Auffassungsunterschied zwischen ihnen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Regierung bzw. <strong>de</strong>n Wirtschaftsführern darüber an, worin verantwortungsbewusstes und<br />

gerechtes Han<strong>de</strong>ln besteht. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n bei diesen schnell entwickelten<br />

Notfallrettungsplänen viele handwerkliche Fehler kritisiert: zum einen bekämen die Bürger<br />

durch nachlässige Vertragsgestaltung kaum Chancen auf eine Verzinsung ihres<br />

Investments, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en müssen die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung <strong>zur</strong> Verfügung gestellten<br />

Summen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nachgebessert wer<strong>de</strong>n – nach oben.<br />

Weiter wur<strong>de</strong> nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Stärke <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflussmöglichkeiten einzelner Akteure auf <strong>de</strong>n Diskurs<br />

gefragt. Auch wenn die angewandte Methodik <strong>de</strong>s Framing-Ansatzes nicht primär auf<br />

diese Frage abzielt, kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die Heuschrecken<strong>de</strong>batte erst von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

SPD – einem Zentrumsakteur – auf die Agenda <strong><strong>de</strong>r</strong> Massenmedien gesetzt wur<strong>de</strong> und ihre<br />

Deutung <strong>de</strong>n Diskurs dominierte.


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

Da diese Ergebnisse einer empirischen <strong>Analyse</strong> entspringen, sind sie prinzipiell wi<strong><strong>de</strong>r</strong>legbar<br />

und keine logisch-analytisch wahren Aussagen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Kodier-Reliabilität stellt eine<br />

Abschwächung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussagekraft dar. Auch die Erkenntnisse zu <strong>de</strong>n Ursachen von Framing-<br />

Effekten bleiben unpräzise, da die Arbeit wie die vom Framing-Ansatz momentan<br />

insgesamt angebotene Methodik diese Ursachen noch nicht in <strong>de</strong>n Fokus stellt.<br />

Für <strong>de</strong>n Ausschnitt Heuschrecken<strong>de</strong>batte kann zumin<strong>de</strong>st eine Zunahme von<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Frames in Medientexten festgestellt wer<strong>de</strong>n, die auf das diskursive Ereignis<br />

<strong>de</strong>s Interviews von Franz Müntefering <strong>zur</strong>ückzuführen ist. Ebenso kann plausibel<br />

angenommen wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Umschwung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regulierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Finanzmärkte auf das Sachereignis <strong><strong>de</strong>r</strong> Insolvenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehman-Brothers <strong>zur</strong>ückzuführen ist.<br />

Dabei ist jedoch unklar, ob die Qualität <strong>de</strong>s Ereignisses nur generelle Dynamik in <strong>de</strong>n<br />

Diskurs gebracht hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls bereits die Bewertung pro Regulierung impliziert hat.<br />

Doch auch bei <strong>de</strong>n klareren Ergebnissen darf im Hinblick auf die Meinungsbildung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bürger nicht vergessen wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong>en Beeinflussung durch die Massenmedien in<br />

dieser Arbeit nur generell unterstellt wur<strong>de</strong>n und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Medienwirkungsforschung ebenfalls Mo<strong>de</strong>lle wie die <strong><strong>de</strong>r</strong> Cultural Studies existieren,<br />

welche <strong>de</strong>n Rezipienten die mit Stichworten wie ‚semiotischer Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand‘ (Wimmer) die<br />

Fähigkeiten einräumen, unbeeindruckt bis wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständig mit <strong>de</strong>n angebotenen<br />

Informationen umzugehen. 1<br />

Aber auch wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Konsens kritisch hinterfragt wer<strong>de</strong>n kann, bleibt es schwierig bis<br />

unmöglich, sich vorzustellen, wie unterdrückte Informationen von auf das jeweilige Thema<br />

spezialisierten Akteuren wie attac von <strong>de</strong>n nicht-spezialisierten Rezipienten kompensiert<br />

wer<strong>de</strong>n können, um zu einer qualitativ ähnlichen Lösung von Problemen zu kommen.<br />

Diese praktizierte Ausschließung von nicht-zentralen Akteuren wird von zahlreichen<br />

Studien bestätigt. Unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em konstatieren Gitlin 1980 2 , Poin<strong>de</strong>xter/Stroman 1981 3 ,<br />

1 Vgl. Wimmer 2007, S. 187 – Das Konzept <strong><strong>de</strong>r</strong> prinzipiell wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständigen Rezeption wur<strong>de</strong> von Hall<br />

ausgearbeitet: Hall 1980.<br />

2 Gitlin 1980<br />

3 Poin<strong>de</strong>xter, Stroman 1981


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

Greenberg 1986 4 , Herrmann 1993 5 , Entman 2003 6 sowie Carragee und Roefs 2004 7 , dass<br />

die Medien dominante Frames hervorbrächten (Gitlin), die politischen Eliten diese Frames<br />

bestimmten (Entman), außer<strong>de</strong>m Bevölkerungsminoritäten unterrepräsentiert wür<strong>de</strong>n<br />

(Poin<strong>de</strong>xter/Stroman, Greenberg) und insgesamt die Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Lebenswelt<br />

stabilisiert wür<strong>de</strong>n (Herrmann). Als Konsequenz sieht auch die Forschung die Zementierung<br />

<strong>de</strong>s Status Quo gesehen (Gitlin), welche einer <strong>de</strong>mokratietheoretisch i<strong>de</strong>alen flexiblen<br />

Reaktion auf problematische Entwicklungen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spricht.<br />

Dieses Problem wird nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Einbeziehung weiterer Studienergebnisse von Pfetsch<br />

präzisiert:<br />

[…] so zeigen die bisherigen <strong>Analyse</strong>n, dass die Kommentaröffentlichkeit bei<br />

Debatten über politische Strukturen und Prozesse durch wenige etablierte, gut<br />

sichtbare Akteure gekennzeichnet ist, die <strong>de</strong>n Kern <strong>de</strong>s politischen<br />

Entscheidungszentrums bil<strong>de</strong>n. Erst in <strong><strong>de</strong>r</strong> Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung über materielle<br />

Politik öffnet sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Medien als relevant bezeichneten<br />

politischen Spieler o<strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffenen. 8<br />

An dieser genaueren <strong>Analyse</strong> zeigt sich theoretisch, dass es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat die<br />

Selektionsmechanismen sind, die unkonventionelle Problemlösungen verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n: Denn es<br />

sind gera<strong>de</strong> die bevorzugt hör- und sichtbaren Zentrumsakteure, die wenig Interesse daran<br />

haben dürften, aktuelle Strukturen zu verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Meckel spricht hier von einem ‚Mismatch‘<br />

von ‚Formalisierung‘, also <strong>de</strong>n Strukturregeln und <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionalität <strong>de</strong>s Mediensystems. 9<br />

Kaase betont darüber hinaus, dass die Eigenlogik <strong><strong>de</strong>r</strong> elektronischen (!) Medien „<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Komplexität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>mokratischen Politik in zeitgenössischen Gesellschaften nicht gerecht<br />

wird.“ 10 Imhof schließt, dass bei einer Fortsetzung dieser negativen Entwicklung mit<br />

‚zunehmen<strong>de</strong>n Steuerungs- und Legitimationsproblemen‘ in <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />

Informationsgesellschaft zu rechnen sei. 11 Diese pessimistische Prognose bestätigt Voltmer<br />

4 Greenberg 1986<br />

5 Herrmann 1993<br />

6 Entman 1993a<br />

7 Carragee, Roefs 2004<br />

8 Pfetsch 2004, S. 93<br />

9 Vgl. Meckel 2002, S. 282<br />

10 Kaase 1998, S. 41<br />

11 Vgl. Imhof et al. 1999, S. 13–14


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Feststellung, dass die bisherigen Studien ausnahmslos Einschränkungen hinsichtlich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> jeweils formulierten Qualitätserwartungen gefun<strong>de</strong>n hätten. 12<br />

Da das Übel <strong><strong>de</strong>r</strong> Selektion nach Foucault universell ist, d.h. in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Epoche zu<br />

diagnostizieren ist und auch die Systemtheorie sie als notwendig klassifizierte sowie diese<br />

empirische Studie <strong>zur</strong> Kapitalismus<strong>de</strong>batte sie aktuell noch einmal feststellte, blickt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

politisch Ambitionierte zunächst ratlos auf die vermachteten Strukturen.<br />

Wie einleitend erwähnt können Lösungsansätze für das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> suboptimalen<br />

Problemlösungsfähigkeit an dieser Stelle nicht ausführlich diskutiert wer<strong>de</strong>n – v.a. die<br />

praktische Umsetzung neuer konkreter Regelsysteme wie beispielsweise die<br />

Ausformulierung von Vorschriften <strong>zur</strong> Binnenpluralität ist ein komplexer Prozess, in <strong>de</strong>n<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um viele gesellschaftliche Akteure mit einbezogen wer<strong>de</strong>n müssen. So wur<strong>de</strong> z.B.<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktor bzw. Sektor Wirtschaft in dieser Arbeit überhaupt nicht berücksichtigt, welcher<br />

jedoch ebenfalls Einfluss auf das Mediensystem ausübt und von ihm z.B. in Form <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Werbung beeinflusst wird (vgl. auch z.B. Chomskys Propaganda-Mo<strong>de</strong>ll).<br />

Doch wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um mit Foucault kann auch eine grundsätzliche I<strong>de</strong>e <strong>zur</strong> Lösung <strong>de</strong>s Problems<br />

ansetzen, <strong>de</strong>nn laut Schulz ist weniger entschei<strong>de</strong>nd,<br />

ob die Medien tatsächlich Macht haben, entschei<strong>de</strong>nd ist vielmehr, ob allgemein<br />

angenommen wird, dass die Medien Macht haben. Wenn das <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, verhalten sich alle<br />

so, als hätten die Medien politische Macht. Und das ist in seinen Folgen gleichbe<strong>de</strong>utend mit<br />

tatsächlicher Macht <strong><strong>de</strong>r</strong> Massenmedien. 13<br />

Die Macht <strong><strong>de</strong>r</strong> Medien ist also genau so kontingent wie die Werte, an <strong>de</strong>nen die<br />

Journalisten sich orientieren bzw. von <strong>de</strong>nen sie unbewusst geleitet wer<strong>de</strong>n. Also könnten<br />

nach Foucaults <strong>Analyse</strong> durch die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong> Praktiken von unten – beispielsweise in Form<br />

von Kaufentscheidungen gegen Mainstream-Medien – die Werte verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />

welche Journalisten dazu verleiten, stets dieselbe Prominenz auszuwählen. Dabei<br />

erleichtern es die neuen Medien wie das Internet ungemein, sich von konventionellen<br />

Medienprodukten loszusagen und beispielsweise auf <strong>de</strong>n Internetseiten von indymedia.org<br />

12 Vgl. Voltmer 1999, S. 74<br />

13 Schulz 1997, S. 46


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Archiven von Amnesty International selbst auf die Suche nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrheit zu<br />

gehen.<br />

Wenn eine große Zahl Bürger nicht mehr nur die konventionellen Leitmedien, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch in größerem Umfang neue und alternative Medien nutzten, entstän<strong>de</strong> auch die in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Medientheorie gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Ergänzung <strong><strong>de</strong>r</strong> nur über Selektion zu regeln<strong>de</strong>n<br />

zentralgesellschaftlichen Öffentlichkeit durch Nebenöffentlichkeiten – es käme zu einem<br />

erhöhten Hin- und Her von I<strong>de</strong>en und Meinungen und einer Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wahrscheinlichkeit einer ‚Garantie <strong><strong>de</strong>r</strong> Pluralität <strong><strong>de</strong>r</strong> Sichtweisen‘ (Fraser).<br />

Diese Ten<strong>de</strong>nzen materialisieren sich unter <strong>de</strong>n im Kapitel 3.6 Aktuelle Entwicklungen<br />

erläuterten Aspekten <strong><strong>de</strong>r</strong> Differenzierung und Deregulierung und sind im Gegensatz zu<br />

<strong>de</strong>n dort betonten Depolitisierungsprozessen positiv zu bewerten.<br />

Dieser ‚zweite Strukturwan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit‘ (Imhof) ist jedoch nach Konsens <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Autoren bisher nur un<strong>zur</strong>eichend erforscht. 14<br />

Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um stärkt diese machtvollere Position <strong><strong>de</strong>r</strong> Rezipienten die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Framing-<br />

Ansatzes, welcher durch sein integratives Instrumentarium ja erlaubt, auch<br />

‚Rückkopplungseffekte‘ (Dahin<strong>de</strong>n) bzw. Frame-Übernahme durch Rezipienten zu erfassen.<br />

Nach Dahin<strong>de</strong>n hat die Framing-Forschung vordringlich zwei Aufgaben zu lösen: Zunächst<br />

müsse durch Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffsbestimmungen mehr Transparenz in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Forschung geschaffen wer<strong>de</strong>n. Dann müsse an Forschungs<strong>de</strong>signs gearbeitet wer<strong>de</strong>n, die<br />

Framingprozesse „integral auf allen relevanten Ebenen untersuchen“ – „von PR über<br />

Journalismus bis zu Rezeption und Rückkopplungseffekten.“ 15<br />

Wie die Forschung muss auch die Politik bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwägung neuer Regelsysteme die<br />

aktuellen Entwicklungen einbeziehen. Auch hier sind beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die neuen und erweiterten<br />

Nutzungsmöglichkeiten für Rezipienten in Verbindung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> technischen Konvergenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

14 Imhof et al. 1999, S. 13<br />

15 Dahin<strong>de</strong>n 2006, S. 321


me@<strong>patrickfink</strong>.<strong>de</strong><br />

herkömmlichen Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Individual- u. Massenkommunikation sowie die dadurch<br />

ermöglichten gänzlich neuen Formen elektrischer Öffentlichkeit zu nennen. 16<br />

Doch genau wie die Finanzkrise wird auch die Mediatisierung inklusive ihrer potenziell<br />

<strong>de</strong>sintegrativen Gefahren vom politischen System nicht verhan<strong>de</strong>lt: „[…] <strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong>de</strong>l wird<br />

in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft bislang nicht hinreichend reflektiert und für die<br />

gesamtgesellschaftliche Diskussion bewusst gemacht.“ 17<br />

Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass nicht die Politik das Thema missachtet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

die Medien selbst eine Thematisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Strukturprinzipien <strong>de</strong>s Mediensystems im Sinne<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Selbsterhaltung ausschließen – und dies nach <strong>de</strong>n Agenda-Setting-Thesen ein Grund<br />

dafür ist, dass das politische System nicht eingreift.<br />

Es schält sich also als strukturelles Problem heraus, dass Systeme sich nicht selbst<br />

verhan<strong>de</strong>ln können. Wenn dieser theoretische Befund auf die <strong>de</strong>mokratisch-<br />

marktwirtschaftliche Gesellschaft übertragen wird, scheinen die heutigen Strukturen in<br />

ihrer Gesamtheit ihre eigene Evolution zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, obwohl Performanzkriterien für<br />

einzelne Teilbereiche formulierbar sind. So sind die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en anstehen<strong>de</strong>n Mega-Probleme<br />

wie Klimawan<strong>de</strong>l, Ernährung und Migrationsbewegungen zu begrüßen: Sie wer<strong>de</strong>n eine<br />

Renaissance <strong>de</strong>s Strukturlichen einleiten – allein schon aus Mangel an Alternativen.<br />

16 Imhof et al. 1999, S. 16<br />

17 Imhof et al. 1999, S. 16

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