Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...
Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...
Ein vergessenes Medium: Phonopost im Zweiten Weltkrieg (1940 ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4<br />
samt zwei Walzen nach London, auf die er einen Brief an seinen englischen Vertre-<br />
ter sowie eine Presseerklärung für die öffentliche Vorführung seiner Maschine auf-<br />
genommen hatte 5 . – Königin Victoria sprach 1898 in London eine Grußbotschaft für<br />
den Kaiser von Abessinien auf einen Wachszylinder, den sie in einem versiegelten<br />
Kasten nach Addis Abeba sandte (nach dem Abhören sollte der Kaiser persönlich<br />
diese Walze vernichten; sie ist heute <strong>im</strong> Bestand der BBC-Bibliothek verzeichnet,<br />
aber dies ist wohl eine später nachgestellte Aufnahme) 6 . – <strong>Ein</strong>en Postdienst eigens<br />
für dieses <strong>Medium</strong> richtete, wie die Berliner „Phonographische Zeitschrift“ mitteilte,<br />
um 1900 die mexikanische Postbehörde ein; dort konnten Schreibunkundige phono-<br />
graphische Briefe diktieren, die dem Empfänger am Best<strong>im</strong>mungsort zu Gehör ge-<br />
bracht wurden. Solche „neueste Posthalterei“ wünschte man sich auch als billige<br />
Sprechverbindung zwischen Berlin und New York (es gab noch kein Übersee-<br />
Telefon), zwischen den „Müttern und Söhnen, Vätern und Töchtern hüben und drü-<br />
ben, die sich in Jahren nicht gesehen und gesprochen haben“; dazu sollten die<br />
Postbest<strong>im</strong>mungen an die „Anforderungen des phonographischen Briefverkehrs“ an-<br />
gepaßt werden (Walzen wurden als teure Paketpost befördert; wegen der Bruchge-<br />
fahr benutzte man besondere „Postwalzen“ in „Holzkästchen für phonographische<br />
Korrespondenzzwecke“) 7 . – Die Pariser Postverwaltung führte 1905 die „sprechende<br />
Postkarte“ („sonorine“) ein und veröffentlichte ein Adreßbuch der Phonographenbe-<br />
sitzer; der Absender mußte ein (vermutlich wachsbeschichtetes) Papier auf einem<br />
Phonographen besprechen und es auf die Rückseite einer gewöhnlichen Postkarte<br />
kleben (die dann der Adressat um die Walze seines Gerätes zu legen hatte) 8 .<br />
Ebenfalls leicht zu versenden (nämlich <strong>im</strong> Briefumschlag, zwischen zwei Kar-<br />
tons), aber haltbarer und von besserer Tonqualität waren „Schallplattenbriefe“;<br />
man konnte sie mit dem Plattenspieler selbst aufnehmen, als dank der elektrischen<br />
Verstärkung neue Materialien für „Aufnahmeplatten“ in Frage kamen 9 . Nun „spukte“<br />
5 Bruch: Von der Tonwalze, Kap.7.<br />
6 Curt Riess: Knaurs Weltgeschichte der Schallplatte, Zürich 1966, S.18f/60.<br />
7 Phonographische Zeitschrift, Officielles Organ des Internationalen Vereins für phonographisches<br />
Wissen, 1/1900, S.4 und 21/1901, S.251f; Alfred Parzer-Mühlbacher: Die modernen Sprechmaschinen,<br />
Wien (ca. 1902), S.11. – Unter dem diktatorischen Präsidenten Díaz damals enge Wirtschaftsbeziehungen<br />
Mexikos zu den USA, Beginn der Erdölförderung, Modernisierung, rascher<br />
Aufschwung; vgl. Günter Kahle: Lateinamerika-Ploetz, Freiburg (2. Aufl.) 1993, S.87ff.<br />
8 Speyerer Zeitung vom 2.12.1905; zit. nach Bruch: Von der Tonwalze, Kap.20 (mit irreführendem<br />
Kommentar Bruchs; in „Celluloid“ wurden Kopien von Walzen gegossen, aber gerade nicht die<br />
Originalaufnahmen „eingeprägt“).<br />
9 Bis dahin wurden Aufnahmen in Wachsplatten geschnitten (die nur wenige Male „direkt“ abgespielt<br />
werden konnten); es gab aber auch schon rein akustische Fortsetzung in Fußnoten Seite 5