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Predigt am Sonntag Kantate, 10.05.2009 zu Matthäus 11, 25-30 ...

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<strong>Predigt</strong> <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong> <strong>Kantate</strong>, <strong>10.05.2009</strong><br />

<strong>zu</strong> <strong>Matthäus</strong> <strong>11</strong>, <strong>25</strong>-<strong>30</strong><br />

Augsburg, Zu den Barfüßern – Pfr. Dr. Nikolaus Hueck<br />

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach:<br />

"Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und<br />

Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es<br />

dir wohlgefallen.<br />

Alles ist mir übergeben von meinem Vater;<br />

und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der<br />

Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.<br />

Kommt her <strong>zu</strong> mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid;<br />

ich will euch erquicken.<br />

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen<br />

demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.<br />

Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht."<br />

Ist, liebe Gemeinde, das Christentum eine Religion für Verlierer?<br />

Für die Müden, die sich schinden müssen, die ihren Kopf gerade so über Wasser halten können?<br />

Für die, die auf der dunklen Seite des Lebens stehen?<br />

Viele Religionskritiker meinen das. Sie halten das Christentum, sie halten unseren Glauben für eine<br />

Art Ersatz: Wer im Leben keinen Erfolg hat, tröstet sich im Glauben an Jesus, an Gott, an ein Jenseits.<br />

Unser heutiger <strong>Predigt</strong>text scheint diesen Kritikern Recht <strong>zu</strong> geben.<br />

Jedenfalls oberflächlich betrachtet.<br />

Und das gleich zweimal.<br />

Erst spricht Jesus davon, dass Gott ein Gott für die Unmündigen ist.<br />

Nicht die Klugen, nicht die Weisen können Gott erkennen.<br />

Sondern Gott hat sich den Unmündigen gezeigt, denen, für die man bestenfalls ein mildes Lächeln<br />

übrig hat. Die die Welt nicht begreifen und sich deshalb <strong>zu</strong> einem Gott flüchten müssen.<br />

Und dann, als zweites, hören wir, wen Jesus <strong>zu</strong> sich einlädt:<br />

„Kommt her <strong>zu</strong> mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“<br />

Nicht die Starken ruft Jesus.<br />

Nicht die, die immer schon mit aufrechtem Rücken und hoch erhobenem Haupt durchs Leben gehen.<br />

Sondern die Schwachen. Die Gebeugten, die Armen, die Alten, die Kranken.<br />

Die Menschen unter uns mit Schwielen an den Händen vom vielen Arbeiten.<br />

Und mit blauen Flecken an der Seele von den Verlet<strong>zu</strong>ngen und Erniedrigungen.<br />

Ihnen gilt der Ruf. Ihnen gilt die Einladung Jesu.<br />

Und ihnen gilt die Verheißung: „Ich will euch erquicken“!<br />

Deshalb noch einmal die Frage: Ist unser Glaube ein Glaube für die Verlierer?<br />

Für die, die nicht so klug sind wie der Nachbar, nicht so gescheit wie der Chef,<br />

nicht so brillant wie die Kollegin?<br />

Ist unser Glaube der Trost derer, die im richtigen Leben <strong>zu</strong> kurz kommen?


Ich fürchte, diese Frage haben viele Menschen in unserer Gesellschaft schon beantwortet.<br />

Sie stehen dem Christentum bestenfalls freundlich-distanziert gegenüber;<br />

„Das mag etwas für die anderen sein“, sagen sie sich, „ich selbst aber bin erfolgreich, stehe mitten im<br />

Leben - und ich brauche das nicht.“<br />

Ich glaube, viele Menschen denken tatsächlich so.<br />

Das ist nicht Atheismus, das ist nicht Kirchenkritik, sondern ganz schlicht das Gefühl:<br />

„Das, was die Kirchen predigen, was die Christen glauben, da steh' ich drüber“.<br />

Die Wirklichkeit in unserer Gesellschaft aber sieht anders aus.<br />

Natürlich gibt es Menschen, die vor Kraft nur so strotzen.<br />

Die beruflich erfolgreich und privat glücklich sind.<br />

Für die Mühe und Last Fremdwörter <strong>zu</strong> sein scheinen.<br />

Aber oft genug geht es auch gerade andersherum:<br />

Beruflicher Erfolg kann eins<strong>am</strong> machen.<br />

Wer unbedingt und mit aller Macht Erfolg haben will,<br />

setzt sich selbst und seine Umgebung unter einen enormen Druck.<br />

Das tägliche Funktionieren-Müssen kann sowohl in der Arbeit wie auch <strong>zu</strong>hause ganz schön<br />

zermürbend sein.<br />

Und dann der Blick in die Zukunft:<br />

Was wird aus den Kindern? Bekommen sie die richtige Ausbildung, den richtigen Arbeitsplatz?<br />

Was wird mit meiner eigenen Arbeit, wenn die Firma aufgeben muss?<br />

Werde ich die Ratenzahlungen für mein Auto, für meine Wohnung - für was auch immer –<br />

rechtzeitig aufbringen können?<br />

Es gibt vieles, das mir die Sorgenfalten auf die Stirn treiben und gewaltige Lasten auf meine<br />

Schulter legen kann. Manchmal sehen wir einen Menschen, dem alles scheinbar mühelos gelingt.<br />

Doch tief in ihm drin sieht es ganz anders aus: da hadert jemand mit sich, hat seine Zweifel an sich<br />

und anderen, und immer die Angst: Wie lange schaff' ich das noch?<br />

Eine meiner Kolleginnen in einer anderen Stadtakademie hat ein sehr erfolgreiches Projekt<br />

begonnen. Es heißt: „Bildung gegen Burnout“. Und viele Menschen kommen.<br />

Gerade die Erfolgreichen. Gerade die Klugen und Weisen kommen, weil sie merken:<br />

Ihnen fehlt etwas.<br />

Wer immer nur funktionieren muss, brennt allmählich aus.<br />

Wie eine verglühende Raketenstufe, die all ihren Treibstoff verbraucht hat und <strong>zu</strong>rück auf die Erde<br />

fällt.<br />

Sie merken, wir alle merken:<br />

Das H<strong>am</strong>sterrad meines Alltags kann ich selbst nicht anhalten.<br />

Da<strong>zu</strong> brauche ich jemanden von außen.<br />

Jeder Mensch braucht einen Ort <strong>zu</strong>m ausruhen, <strong>zu</strong>m abschalten, <strong>zu</strong>m Neue-Kraft-Tanken.<br />

Nein, liebe Gemeinde, es stimmt nicht:<br />

Das Christentum ist nicht nur für die Verlierer da, sondern auch für die Gewinner. Eigentlich geht es<br />

überhaupt nicht darum, was bei uns als Verlieren und Gewinnen geht.<br />

Jesus ruft alle Menschen <strong>zu</strong> sich.<br />

„Kommt her <strong>zu</strong> mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.


Ob als Schriftgelehrte oder einfache Fischer.<br />

Ob reiche Kaufleute oder arme Schlucker.<br />

Ob alt, krank und eins<strong>am</strong> – oder jung, dyn<strong>am</strong>isch und mitten im Leben.<br />

Ihr alle habt Lasten <strong>zu</strong> tragen. Manche mehr und manche weniger.<br />

Und manchmal sind auch die Lasten empörend ungerecht verteilt.<br />

Aber ihr alle dürft <strong>zu</strong> mir kommen, ich will eure Stirn glätten, die Sorgenfalten daraus vertreiben,<br />

euch ein beruhigtes Herz und eine ruhige Seele schenken.<br />

Das ist die Einladung Jesu.<br />

Das Angebot dessen, der wie kein Mensch mit dem Gott verbunden war und uns mit ihm verbunden<br />

hat.<br />

Übrigens: Die Einladung heißt: Kommt <strong>zu</strong> mir.<br />

Sie heißt nicht: Geht dahin und macht dieses.<br />

Und dann geht dorthin und macht jenes.<br />

Jesus ist kein Ethiklehrer.<br />

Er gibt uns keine Anweisungen, was wir tun und lassen sollen.<br />

Er weiß: Was wir <strong>zu</strong> tragen haben, das ist schwer genug.<br />

Und deswegen lädt er uns nicht noch mehr Gebote auf unsere Schultern.<br />

Sondern er lädt uns <strong>zu</strong> sich ein – ganz einfach und ganz schlicht.<br />

„Kommt <strong>zu</strong> mir, sagt Jesus, tauscht dieses selbstverordnete Joch ein gegen das sanftere von mir. Ich<br />

zeige euch, wie man das Joch des Lebens leichter tragen kann."<br />

Und dann gebraucht Jesus zwei Worte, die heute ganz unzeitgemäß klingen.<br />

„Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig", sagt er.<br />

Das klingt nicht gerade einladend. „Sanftmütig“. „Demütig“.<br />

Der Wortschatz ist nicht von heute, eher von gestern.<br />

Aber was d<strong>am</strong>it gemeint ist, das ist hochaktuell<br />

Mit demütig ist der Gegensatz <strong>zu</strong> hochmütig, <strong>zu</strong> überheblich gemeint:<br />

Wer sich über andere erhebt, der lädt sich selbst das schwerste Joch auf.<br />

Denn immer und ständig begleitet ihn der Gedanke, wie er besser sein kann als der andere.<br />

Wie er sich abheben kann von der Masse.<br />

Das fängt schon in der Schule an:<br />

Wer hat die coolere Kleidung?<br />

Wer hat das angesagtere Computerspiel?<br />

Und bei den Erwachsenen heißt es dann: Wer hat das schnellere Auto, das höhere Gehalt, die<br />

perfektere F<strong>am</strong>ilie, die angesehenere Stellung in der Gesellschaft, den höheren Bildungabschluss.<br />

Nichts gegen Bildung, nichts gegen glückliche F<strong>am</strong>ilien, nichts gegen Ansehen in der Gesellschaft.<br />

Aber wenn sie ein Mittel werden, sich gegen andere ab<strong>zu</strong>heben, wird es problematisch.<br />

Denn wer dieses Spiel mitspielt, verdoppelt und verdreifacht die Last, die er tragen muss.<br />

Demütig <strong>zu</strong> sein heißt dagegen, sich nicht vergleichen <strong>zu</strong> müssen mit anderen.<br />

Das hat nichts mit Unterwürfigkeit <strong>zu</strong> tun.


Es heißt nur einfach: Dem Nächsten auf Augenhöhe <strong>zu</strong> begegnen, egal ob er nach menschlichen<br />

Maßstäben höher oder tiefer steht.<br />

Und es heißt: Den eigenen Erfolg nicht nur sich selbst <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben, sondern dem dafür <strong>zu</strong> danken,<br />

der diesen Erfolg möglich gemacht hat: Durch unverdient glückliche Geburt, durch bestimmte<br />

Begabungen, durch was auch immer.<br />

Demut ist eine Lebenseinstellung, die das Joch leichter macht.<br />

Und Sanftmut ist das Verhalten, das aus dieser Demut folgt.<br />

Sanftmut hat mit dem <strong>zu</strong> tun, was man heute Respekt anderen gegenüber nennt, aber auch mit<br />

Höflichkeit, vor allem mit Freundlichkeit.<br />

Doch es geht um mehr als um Umgangsformen.<br />

Sanftmut speist sich aus tieferen Quellen.<br />

Sie kommt aus dem Herzen, sagt Jesus, sie ist Ausdruck tiefer Dankbarkeit: „Ich bin so wie ich bin<br />

von Gott akzeptiert. Deshalb kann ich auch andere Menschen so nehmen wie sie sind - mit Geduld,<br />

mit Verständnis, ja mit Liebe." Dass dafür manchmal auch Deutlichkeit und Härte nötig sind, kann<br />

man ebenfalls von Jesus lernen.<br />

Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken anfügen.<br />

Sanftmütigkeit, Demut: Das sind Eigenschaften, die nicht alle von uns so einfach mitbringen.<br />

Ich kenne das an mir selbst: Wenn Sie meine Kinder fragen, würden die Ihnen vermutlich erzählen,<br />

dass ihr Vater auch mal ganz schön wütend werden kann. Und jedenfalls nicht immer sanftmütig ist.<br />

Wie lernt man Sanftmut und Demut eigentlich?<br />

Nicht nur, weil heute der <strong>Sonntag</strong> <strong>Kantate</strong> ist:<br />

Gott loben und danken – ob mit Singen, oder wer nicht so musikalisch begabt ist, im Gebet: Das ist<br />

eine wirklich gute Übung.<br />

Wer Gott lobt und ihm dankt, der übt eine andere Sicht auf sein eigenes Leben ein.<br />

Gott <strong>zu</strong> loben und ihm <strong>zu</strong> danken, das verhilft da<strong>zu</strong>, die Welt mit anderen Augen <strong>zu</strong> sehen. An muss<br />

es freilich üben.<br />

Denn manchmal geht es uns so, dass das Lob im Hals stecken bleibt und der Dank allerhöchstens<br />

kläglich klingt.<br />

Und an anderen Tagen, <strong>zu</strong> anderen Zeiten, können wir das Lob und den Dank in den<br />

überschwänglichsten Tönen vor Gott bringen.<br />

Ich glaube, es hilft uns, wenn wir Loben und Danken nicht abreissen lassen. Wenn wir so<strong>zu</strong>sagen im<br />

Gespräch mit Gott bleiben. Wenn wir das Loben auch in den dunklen Tagen nicht vernachlässigen.<br />

Und den Dank auch dann nicht vergessen, wenn wir versucht sind, Erfolge uns selbst <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben.<br />

Lob und Dank an Gott: Das ist die tiefste Quelle der Sanftmut und Demut.<br />

„Lernt von mir“, sagt Jesus, „und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele" - jetzt schon, in diesem<br />

Leben.<br />

Amen.

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