Expertenstatement (1,3 MB) - Linde Healthcare
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Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
März 2011 Supplementum<br />
Experten<br />
Statement<br />
Livopan ®<br />
Eine neue Dimension<br />
in der Analgosedierung?<br />
Vorsitz: o. Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress. Teilnehmer: Dr. Peter Baumgartner, Dr. Haris Begovic, Mag. Monika<br />
Brumen, Prim. Univ.-Prof. Dr. Johann Gombotz, Dr. Peter Hansak, Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Dr. Christian<br />
Klimmer, Mag. Stefan Koppensteiner, Prim. Univ.-Prof. Dr. Oskar Kwasny, Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Prim.<br />
Univ.-Prof. Dr. Andreas Lischka, Astrid Osbourne MSc, Univ.-Prof. Dr. Gerhard Prause, OA Dr. Angela Ramoni,<br />
Dr. Rudolf Schmitzberger, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schreiber, Dr. Georg Staubli, David Whitmore DIMC RCSEd.
Editorial<br />
O. Univ.-Prof.<br />
DDr. Hans-Georg Kress<br />
Abt. für Allg. Anästhesie<br />
und Intensivmed. B,<br />
Univ.-Klinik für Anästhesie<br />
und Allg. Intensivmed.,<br />
MU Wien<br />
Seite 2 | Supplementum, März 2011 Die<br />
Bei Livopan® handelt es sich um eine vom Hersteller fertig gelieferte Fixkombination<br />
von Distickstoffmonoxid (N2O; Synonyme: Lachgas, Stickoxydul) und Sauerstoff<br />
im garantierten Verhältnis 50:50. (Das Produkt wird im angelsächsischen Sprachraum<br />
unter der Bezeichnung Entonox® seit 1965 angeboten; im folgenden Text wird aus<br />
Gründen der Einfachheit und Lesbarkeit für die Mischung N2O:O2 im Verhältnis 50:50<br />
konsequent die Bezeichnung „Livopan“ unter Weglassung des „Registered“-Zeichens<br />
verwendet). Während in manchen Ländern, vor allem in Großbritannien, jahrzehntelange<br />
Erfahrung mit dem Einsatz von Livopan in der Geburtshilfe durch Hebammen,<br />
aber auch im Rettungsdienst durch Sanitäter besteht, ist es in Österreich noch kaum<br />
verbreitet.<br />
Das folgende Statement befasst sich mit der Anwendung von Livopan für die kurzfristige<br />
Analgesie – konkret im Rettungsdienst und in der präklinischen Notfallmedizin,<br />
in der Pädiatrie für kurze schmerzhafte diagnostische oder therapeutische<br />
Interventionen und in der Geburtshilfe – nicht jedoch mit dem generellen oder längerdauernden<br />
Einsatz von Lachgas zur Allgemeinanästhesie (mit Ausnahme einiger<br />
allgemeiner Bemerkungen im Punkt 1.1) oder zur Analgosedierung durch den<br />
Anästhesisten im Operationssaal. Für letztgenannte Narkose-Anwendungen ist<br />
Livopan weder zugelassen noch empfohlen oder vorgesehen.<br />
Eine interdisziplinäre Gruppe, unterstützt von Experten aus der Schweiz und Großbritannien,<br />
hat sich auf Basis der aktuellen Datenlage und bisheriger Erfahrungen in<br />
anderen Ländern Gedanken über den möglichen Einsatz von Livopan in Österreich<br />
gemacht. Dabei wurden auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Gabe von<br />
Livopan durch nichtärztliches Fachpersonal erörtert. Ihnen allen gilt unser Dank für<br />
die wirklich intensive Beschäftigung mit dem Thema und die exzellente Zusammenarbeit,<br />
denn ohne diese hätten wir Ihnen, sehr geehrte Leserschaft, dieses konsensuelle<br />
Experten-Statement nicht zur Verfügung stellen können.<br />
In diesem Sinne zeichnet Ihr<br />
O. Univ.-Prof.<br />
DDr. Hans-Georg Kress<br />
Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte
1. Pharmakologische Eigenschaften von N 2 O<br />
1.1 Anwendung<br />
Seit dem Beginn der industriellen Herstellung von Lachgas ist<br />
es aus der Anästhesie nicht mehr wegzudenken. N 2 O war bis<br />
vor Kurzem – kombiniert mit volatilen Anästhetika und Sauerstoff<br />
– die Basis jeder Inhalationsanästhesie, weiters stellt es<br />
einen wichtigen Bestandteil der „Balanced Anaesthesia“ und<br />
der Neuroleptanalgesie dar.<br />
Durch die Einführung der technischen Möglichkeit von Luft-<br />
Sauerstoff-Beatmung in Narkose und durch die Verbreitung<br />
der „Total-Intravenösen Anästhesie“ (TIVA) mit kurz und ultrakurz<br />
wirkenden Opioiden hat Lachgas zur Narkose in den letzten<br />
Jahrzehnten aber erheblich an Bedeutung im Operationssaal<br />
verloren.<br />
Die kurzfristige Analgosedierung mit einer gebrauchsfertigen<br />
fixen 50%:50% Lachgas-Sauerstoff-Mischung (Livopan)<br />
– das ausschließliche Thema dieses Statements – ist im<br />
deutschsprachigen Raum, im Gegensatz zu Großbritannien<br />
und Skandinavien, woher auch die meiste wissenschaftliche<br />
Literatur zu Livopan stammt, bisher relativ wenig oder<br />
gar nicht genützt worden. Livopan wird – abhängig vom<br />
jeweiligen Land – in Flaschen zu 2, 2,5, 5 und 10 Liter (bei<br />
einem Druck von 170 bar), jeweils mit Demand-Ventil und<br />
Atemmaske zur Selbstapplikation angeboten.<br />
1.2 Pharmakologie und Toxikologie<br />
N 2 O ist selbst nicht entflammbar, kann jedoch als Sauerstoffdonator<br />
Verbrennungsvorgänge unterhalten; es ist farb- und<br />
geruchlos, nicht reizend sowie chemisch stabil.<br />
N 2 O hat eine sehr geringe Blut- und Fettlöslichkeit, wird<br />
rasch (innerhalb von Minuten) über die Lungen aufgenommen<br />
und ebenso rasch wieder durch Abatmen über die<br />
Lungen eliminiert – somit besteht eine sehr gute Steuerbarkeit.<br />
Die kaum messbare Metabolisierung ist vernachlässigbar<br />
– lediglich 0,004% des aufgenommenen N 2 O werden<br />
durch Darmbakterien zu N 2 umgewandelt.<br />
Die Äquilibrationsdauer – d.h. die Zeit bis zum Ausgleich des<br />
inspiratorischen und des alveolären Partialdrucks – liegt für<br />
N 2 O im Bereich weniger Minuten und ist erheblich geringer<br />
als für Inhalationsanästhetika wie Desfluran, Sevofluran oder<br />
Isofluran.<br />
Die klinischen Hauptwirkungen lassen sich als die drei „A“-<br />
Effekte zusammenfassen: Analgesie, Amnesie, Anxiolyse.<br />
Daneben tritt auch eine geringe sedierende Wirkung auf. Die<br />
wichtigsten pharmakodynamischen Eigenschaften von N 2 O<br />
sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Zu den unerwünschten Wirkungen zählt die Expansion luftgefüllter<br />
Körperhöhlen durch Lachgasdiffusion, woraus sich<br />
eine Reihe von Kontraindikationen ergibt (z.B. Ileus, Pneumothorax<br />
etc., siehe Tab. 2).<br />
Bei Anwendung von N 2 O-Konzentrationen über 70% in normaler<br />
Raumluft (21% Sauerstoffanteil) besteht Hypoxiegefahr,<br />
insbesondere kurz nach Beendigung der N 2 O-Zufuhr;<br />
bei Livopan mit 50% N 2 O und 50% O 2 spielt dies hingegen<br />
keine Rolle!<br />
Bei langfristiger, hochdosierter N 2 O-Applikation kommt es<br />
zu akuten Knochenmarksaplasien, die allerdings nach<br />
Absetzen von N 2 O rasch reversibel sind [3]. Der Grund dafür<br />
besteht in der oxidierenden Wirkung von N 2 O auf<br />
Vitamin B 12 und der daraus resultierenden Störung der<br />
DNA-Synthese. Knochenmarksdepression tritt jedoch frühestens<br />
nach kontinuierlicher N 2 O-Anwendung über mehr<br />
als sechs Stunden auf [4]. Nach bis zu 16 Stunden dauernden<br />
Narkosen war unter Verwendung von 60% N 2 O im<br />
Vergleich zu Isofluran-Narkosen kein Anstieg postoperativer<br />
Infektionen (als möglicher Ausdruck einer temporären<br />
Myelodepression) zu verzeichnen [5, 6].<br />
Die meisten unerwünschten Wirkungen von N 2 O treten bei<br />
Konzentrationen über 50% und bei lang dauernder Anwendung<br />
auf und sind somit für die kurzfristige Verwendung<br />
(
Dr. Peter Baumgartner<br />
Abteilung für Innere<br />
Medizin I,<br />
LKH Graz West<br />
Dr. Haris Begovic<br />
HEMS Specialist Registrar<br />
East Anglian Air Ambulance,<br />
UK<br />
In einer französischen prospektiven Beobachtungsstudie wurden<br />
die Daten von fast 36.000 Patienten (82% Kinder, 18%<br />
Erwachsene) ausgewertet, die mit Livopan behandelt worden<br />
waren [8]. Die Gesamtrate an Nebenwirkungen lag bei<br />
4,4% (zumeist Übelkeit und Erbrechen sowie Agitation und<br />
Euphorie). Auch in dieser Studie war Erbrechen die häufigste<br />
Nebenwirkung (1,4%). Die Nebenwirkungsraten waren in den<br />
Altersgruppen von 5–10 Jahren (4,2%) und 11–18 Jahren<br />
(5,6%) am höchsten, während sie bei kleineren Kindern und<br />
Erwachsenen niedriger waren. Schwere Nebenwirkungen, die<br />
tatsächlich dem Gasgemisch zugeschrieben werden konnten,<br />
traten jedoch nur bei 0,03% aller Patienten auf.<br />
Zu achten ist allerdings auf eine verstärkte Sedierung durch<br />
Kombination von Livopan mit anderen zentral dämpfenden<br />
Medikamenten wie Opioiden oder Benzodiazepinen (cave<br />
Verkehrstüchtigkeit, Bedienen von Maschinen). Kontraindikationen<br />
für die Verwendung von N 2 O werden in Tabelle 2 zusammengefasst.<br />
Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit von N 2 O sind der fehlende<br />
Patentschutz und die geringen Produktionskosten positiv zu<br />
erwähnen.<br />
N 2 O gehört jedoch zu den sogenannten Treibhausgasen, verweilt<br />
lang in der Atmosphäre und schädigt die Ozonschicht.<br />
Allerdings machen die medizinischen N 2 O-Emissionen lediglich<br />
1% der Gesamt-N 2 O-Emissionen und nur maximal 0,05%<br />
aller Emissionen von Treibhausgasen aus [9].<br />
2. Einsatzgebiete und Indikationen von<br />
Livopan<br />
2.1 Rettungsdienst und präklinische bzw. klinische<br />
Notfallversorgung<br />
2.1.1 Indikationen und klinische Daten<br />
Für Livopan eröffnet sich überall dort eine Indikation, wo<br />
nach akuten Traumata präklinisch eine schnelle und sichere<br />
Seite 4 | Supplementum, März 2011 Die<br />
Mag. Monika Brumen<br />
FH-Bachelor-Studiengang<br />
Hebamme, Innsbruck<br />
Prim. Univ.-Prof.<br />
Dr. Johann Gombotz<br />
Abt. für Anästhesie und<br />
operative Intensivmed.,<br />
Krankenhaus der Stadt Linz<br />
Analgesie erforderlich ist, weiters auch bei kurzen Eingriffen<br />
im Krankenhaus oder der Ordination, wie Repositionen,<br />
schmerzhaften Verbandwechseln, Verbrennungen und dergleichen<br />
(Tab. 3). Bezüglich der Kontraindikationen sei auf<br />
Tabelle 2 verwiesen.<br />
Tab. 2: Kontraindikationen für Livopan<br />
Absolute Kontraindikationen<br />
Latenter oder manifester Vitamin-B 12-Mangel 1<br />
Ileus, nicht drainierter Pneumothorax,<br />
Mediastinalemphysem, Pneumozephalus, akute<br />
Luftembolie, Dekompressionskrankheit<br />
Akutes Schädel-Hirn-Trauma<br />
Enterothorax bei Zwerchfellhernie<br />
Ohroperationen (z.B. Tympanoplastik)<br />
Intraokuläre Gasblase<br />
Extrakorporale Zirkulation<br />
Pulmonale Hypertonie<br />
Herzinsuffizienz<br />
Relative Kontraindikationen<br />
Kardiopulmonale Erkrankungen<br />
Zerebrale Erkrankungen<br />
Hypoxämie-Gefährdung<br />
N 2 O-Anwendung >6h<br />
Gesichtsverletzungen (wegen Atemmaske)<br />
Erstes Schwangerschaftstrimenon 2<br />
Hohes PONV 3 -Risiko<br />
1) z.B. durch perniziöse Anämie, St. p. Magenresektion,<br />
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen u.v.a.<br />
2) unbewiesen, nur theoretisch<br />
3) PONV = „PostOperative Nausea and Vomiting“<br />
(Postoperative Übelkeit und Erbrechen)<br />
Quelle: H.-G. Kress<br />
Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Dr. Peter Hansak<br />
Österreichisches Rotes<br />
Kreuz, Landesverband<br />
Steiermark, Ragnitz
In der präklinischen Notfallmedizin wurde und wird Livopan<br />
jahrzehntelang in erster Linie durch Paramedics und ausgebildete<br />
Sanitäter erfolgreich verwendet [14]. Erfahrungsberichte<br />
aus Notarztsystemen, wie sie in Österreich, Deutschland und<br />
Frankreich verbreitet sind, finden sich bislang nicht. Dagegen<br />
wurde bereits 1970 der erfolgreiche Piloteinsatz von Livopan<br />
im Rettungsdienst einer englischen Provinz beschrieben [15].<br />
Ursprünglich lediglich für den Einsatz bei Verletzungen gedacht,<br />
verbreiterte sich das Indikationsgebiet von Livopan<br />
rasch auch auf nicht primär traumatologische Indikationen.<br />
Livopan wurde bald in ganz Großbritannien eingesetzt.<br />
Ähnliche Erfahrungen berichten Pilotstudien aus Kanada<br />
Anfang der achtziger Jahre [16, 17].<br />
Eine 2002 publizierte britische Studie zeigte, dass 97% der<br />
Patienten mit Verbrennungen in der Prähospitalphase<br />
Livopan erhielten [18]. In einer 2003 erschienenen Arbeit<br />
wird die Anwendung des Gasgemischs in Großbritannien<br />
als „universell“ bezeichnet [19]. Ein australisches Review aus<br />
2005, das zwölf randomisierte, kontrollierte Studien einbezog,<br />
kam zu dem Schluss, dass Livopan auch von Laienhelfern<br />
sicher verwendet werden kann. Nebenwirkungen<br />
werden in diesem Review als selten beschrieben. Hypotonie<br />
und Sauerstoffunterversorgung konnten, so die Autoren,<br />
nicht mit dem Gasgemisch in Verbindung gebracht werden.<br />
Im Vergleich zu konventionellen Analgetika hatten die<br />
mit Livopan behandelten Patienten keinen höheren Bedarf<br />
an Zusatzmedikation und erholten sich schneller von der<br />
Sedierung [20].<br />
Der Einsatz von Livopan im präklinischen Setting sollte vor<br />
dem Hintergrund der Tatsache erwogen werden, dass – wie<br />
Tab. 3: Indikationen für Livopan in<br />
Notfallmedizin und präklinischer<br />
Notfallversorgung<br />
● Muskuloskelettale Verletzungen<br />
● Gelenksluxationen bzw. -repositionen [10 –12]<br />
● Radiusfrakturen und -repositionen (in<br />
Kombination mit anderen Analgetika)<br />
● Verbrennungen [13]<br />
● Versorgung von Rissquetschwunden (zusätzlich<br />
zur Lokalanästhesie)<br />
● Wundversorgung und Abszessdrainage<br />
● Nierenkoliken<br />
Quelle: modifiziert nach [14]<br />
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
relativ rezente Reviews zeigen – eine rasche und adäquate<br />
Schmerzreduktion gerade im Prähospital- und Rettungsdienstbereich,<br />
z.B. bei Kindern, weiter eine Herausforderung<br />
auch für Notärzte bleibt [21, 22]. Dies trifft im Besonderen,<br />
aber nicht nur, bei nicht ärztlich besetzten Notfallsystemen<br />
zu. So bietet Livopan auch dem Notarzt eine nicht invasive<br />
Alternative zur raschen, eventuell nur überbrückenden<br />
Analgesie am Einsatzort, bis ein sicherer i.v. Zugang liegt.<br />
Wenn die Anfahrtszeit des Notarztes eine gewisse Frist<br />
überschreitet, könnte dieses bisher völlig Analgesie-freie<br />
Intervall vom Patienten durch Livopan-Inhalation überbrückt<br />
werden. Durch die präklinische Anwendung von<br />
Livopan wird nicht nur der Patient optimal (erst-)behandelt,<br />
sondern es sind auch keinerlei Wechselwirkungen mit anderen<br />
Analgetika, die der Notarzt in weiterer Folge intravenös<br />
applizieren will, zu erwarten. Es sollten daher noch<br />
Studien mit objektivierter Schmerzempfindung (VAS =<br />
Visuelle Analog-Skala) angeregt werden, um die Indikationen<br />
und die Anwendbarkeit im präklinischen Notarzt-<br />
bzw. Rettungsdienst zu evaluieren.<br />
Nur am Rande sei hier erwähnt, dass sich das Gasgemisch<br />
auch bei der oft sehr schmerzhaften Behandlung von<br />
Dekubitalgeschwüren einer Therapie mit Morphin überlegen<br />
gezeigt hat [23].<br />
2.1.2 Erfahrungen und Empfehlungen aus der Praxis<br />
Um rasch einsetzende, gut steuerbare Schmerzfreiheit auch<br />
schon in der Prähospitalphase und ohne venösen Zugang zu<br />
erreichen, kann Livopan äußerst hilfreich sein. Es zeigt sich ein<br />
– theoretisch gut begründbarer – rascher Wirkungseintritt<br />
und ein ebenso rasches Abklingen der Wirkung. Die Patienten<br />
wirken nach der Applikation zumeist entspannt oder sogar<br />
leicht euphorisch.<br />
Als wichtigste Anwendungsregel gilt die Selbstapplikation,<br />
wodurch sich bei Eintreten einer mit Livopan nur äußerst selten<br />
zu erreichenden Bewusstlosigkeit durch das Aus-der-<br />
Hand-Fallen der Atemmaske die Applikation selbstlimitiert.<br />
Auch unter Beachtung der Kontraindikationen bleibt ein beträchtlicher<br />
Prozentsatz von Patienten übrig, die Kandidaten<br />
für eine Livopan-Applikation im Rettungsdienst sind. Im britischen<br />
Notfallsystem wird es bei etwa 10% aller Patienten<br />
verwendet. Dort haben neben ca. 30.000 Sanitätern bzw.<br />
„Paramedics“ auch weitere 5.000 ausgebildete Laienhelfer<br />
Zugang zu Livopan – und wenden es täglich an.<br />
Selbst bei schweren Verletzungen ist die Selbstapplikation<br />
oft erstaunlich problemlos möglich und dient als Über-<br />
Supplementum, März 2011 | Seite 5
Prim. Univ.-Prof.<br />
Dr. Reinhold Kerbl<br />
Abteilung für Kinder<br />
und Jugendliche,<br />
Landeskrankenhaus Leoben<br />
Dr. Christian Klimmer<br />
Unfallchirurgie,<br />
Krankenhaus Zams<br />
brückung zu weiteren notärztlichen Maßnahmen. Als Regel,<br />
die sich in Großbritannien bewährt hat, gilt: Wenn der Patient<br />
versteht, was er tun soll, bekommt er Livopan. Dies ist im<br />
präklinischen Setting schon bei Kindern ab einem Alter von<br />
vier bis acht Jahren möglich.<br />
Ein weiterer Vorteil von Livopan besteht darin, dass es auch<br />
Patienten verabreicht werden kann, die eingeklemmt oder<br />
sonst schwer zugänglich sind und bei denen das Setzen eines<br />
intravenösen Zugangs selbst für den Notarzt zunächst<br />
unmöglich ist. Auch unter extremen Witterungsbedingungen,<br />
Seite 6 | Supplementum, März 2011 Die<br />
Mag. Stefan<br />
Koppensteiner<br />
Österreichisches Rotes Kreuz<br />
Niederösterreich, Wiener<br />
Neustadt<br />
Rechtliche Aspekte der Livopan-Gabe durch Sanitäter<br />
Nach dem Ärztegesetz 1998 ist die Ausübung der gesamten<br />
Heilkunde einschließlich der Verabreichung von<br />
Medikamenten grundsätzlich den Ärzten vorbehalten.<br />
Angehörige anderer Gesundheitsberufe dürfen ärztliche<br />
Tätigkeiten nur dann ausführen, wenn ihnen dies ausdrücklich<br />
gesetzlich gestattet ist.<br />
Die Kompetenzen von Sanitätern sind im Sanitätergesetz<br />
geregelt, das zwei Gruppen unterscheidet: Rettungssanitäter<br />
(RS) und Notfallsanitäter (NFS), wobei Letztere<br />
zusätzliche Notfallkompetenzen erlangen können.<br />
RS dürfen lediglich Sauerstoff, jedoch keine weiteren<br />
Medikamente, also auch kein Livopan, anwenden. Es gibt<br />
auch keine Möglichkeit für die ärztlichen Verantwortlichen<br />
der Rettungsorganisationen („Chefärzte“), weitere<br />
Medikamente oder Maßnahmen für RS freizugeben.<br />
NFS haben eine weiterführende Ausbildung absolviert<br />
und dürfen bestimmte Medikamente verabreichen,<br />
wenn diese zuvor vom jeweiligen Chefarzt freigegeben<br />
wurden. Dies geschieht mittels Arzneimittellisten, von<br />
denen wiederum zwei Arten existieren.<br />
Auf der Arzneimittelliste 1 sind all jene Medikamente aufgeführt,<br />
die jeder NFS ohne Anwesenheit eines Arztes ver-<br />
Prim. Univ.-Prof.<br />
Dr. Oskar Kwasny<br />
Abteilung für Unfallchirurgie<br />
und Sporttraumatologie,<br />
AKH Linz<br />
z.B. bei großer Kälte, im Gebirge oder auf der Skipiste ist die<br />
Livopan-Verabreichung einfacher und schneller möglich als<br />
das Setzen eines venösen Zugangs und das Aufziehen von<br />
Spritzen.<br />
Livopan kann in Kombination mit anderen Analgetika auf jeder<br />
Ebene des WHO-Stufenschemas gegeben werden und<br />
hat eine wichtige Überbrückungsfunktion, bis der Einsatz<br />
weiterer notfallmedizinischer Maßnahmen möglich wird. Es<br />
hat sich auch bei Großkatastrophen wie z.B. Terroranschlägen<br />
und Massenkarambolagen bewährt.<br />
abreichen darf, wenn das für die Versorgung des Patienten<br />
erforderlich ist. Medikamente der Arzneimittelliste 2 sind<br />
Notfallsanitätern mit allgemeinen Notfallkompetenzen<br />
vorbehalten. Diese haben eine weitere Zusatzausbildung<br />
absolviert und dürfen Medikamente der Arzneimittelliste<br />
2 nur unter folgenden kumulativen Voraussetzungen verabreichen:<br />
● dringend erforderliche Maßnahme zur Abwendung<br />
unmittelbarer Gefahr für Leben oder Gesundheit;<br />
● weniger invasive Maßnahmen sind unzureichend und<br />
● Anwesenheit eines Arztes oder, wenn dieser nicht<br />
rechtzeitig eintreffen würde, vorangehende Verständigung<br />
eines (Not-)Arztes.<br />
Voraussetzung für die Anwendung von Livopan in der nicht<br />
ärztlichen präklinischen Notfallmedizin ist also die Aufnahme<br />
des Medikamentes durch den Chefarzt des jeweiligen<br />
Rettungsdienstes in die Arzneimittelliste 1 oder 2.<br />
Weiters ist nach dem Sanitätergesetz die Einleitung einer<br />
Narkose durch Sanitäter jeglicher Qualifikationsstufe ausgeschlossen.<br />
Der Einsatz von Livopan durch NFS ist daher<br />
in jedem Fall nur zum Zweck der Analgesie zulässig,<br />
weshalb sich auch aus rechtlicher Sicht die Anleitung zur<br />
Selbstapplikation durch den Patienten empfiehlt.<br />
Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Prim. Univ.-Prof.<br />
Dr. Rudolf Likar<br />
Abteilung für<br />
Anästhesiologie,<br />
Landeskrankenhaus<br />
Klagenfurt
2.2 Klinische Anwendung von Livopan in der Pädiatrie<br />
2.2.1 Indikationen<br />
Eine adäquate Analgesie ist gerade im Kindesalter besonders<br />
wichtig, nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch,<br />
weil repetitive Schmerzen gerade bei Kindern Angstzustände<br />
und eine lebenslange Sensibilisierung mit Veränderung der<br />
Schmerzschwelle hervorrufen und die Betroffenen so für ein<br />
Schicksal als Schmerzpatienten prädestinieren können.<br />
Livopan kann bei Kindern ab einem Jahr angewandt werden<br />
und bewirkt in der Regel eine ausreichende Analgesie ohne<br />
Bewusstseinsverlust. Eine stärkere Bewusstseinsbeeinträchtigung<br />
wäre erst ab N 2 O-Konzentrationen über 60% zu erwarten<br />
[24, 25] oder in Kombination mit anderen zentral dämpfenden<br />
Medikationen.<br />
Die pädiatrischen Indikationen für Livopan bestehen in der<br />
Analgesie bei kurzzeitigen, leichten bis mittelschweren<br />
Schmerzen, vor allem bei kurz dauernden, schmerzhaften, diagnostischen<br />
oder therapeutischen Interventionen am wachen<br />
Kind. Eine Auflistung von typischen pädiatrischen Indikationen<br />
für kurzzeitige Livopan-Analgesie zeigt Tabelle 4.<br />
2.2.2 Studienerfahrungen und Empfehlungen aus der<br />
Praxis<br />
In einer französischen Arbeit werden 1.019 Livopan-Inhalationen<br />
bei Kindern mit einem Durchschnittsalter<br />
von 6,4 Jahren beschrie-<br />
ben. Dabei wurde Livopan als Kurzzeitanalgetikum<br />
bei einer großen Vielzahl<br />
und Bandbreite diverser kleinerer diagnostischer<br />
und therapeutischer Interventionen<br />
verwendet und erwies sich<br />
bei fast allen Patienten als wirksam und<br />
zudem als sehr sicher [26].<br />
Daten von über 7.500 Kindern, die bei<br />
Notfällen oder kleineren Interventionen<br />
mit Livopan behandelt wurden,<br />
zeigten eine sehr geringe Rate schwerer<br />
Nebenwirkungen von nur 0,3%.<br />
Die Gesamtnebenwirkungsrate wurde<br />
mit 5% angegeben; in der überwiegenden<br />
Mehrzahl handelte es sich dabei<br />
um Übelkeit oder Erbrechen [27].<br />
Kinder unter einem Jahr sollten nach<br />
diesen Studien nicht mit Livopan behandelt<br />
werden, da sie die Maske<br />
nicht tolerieren.<br />
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Trotz – oder vielleicht sogar gerade wegen – der jahrzehntelangen<br />
geburtshilflichen Routineanwendung in Großbritannien<br />
finden sich über die Anwendung von Livopan bei schwangeren<br />
Frauen keine wirklich aussagekräftigen Daten. Livopan<br />
kann während der Stillzeit angewandt werden, nicht jedoch<br />
während des Stillens selbst.<br />
Im Alltag von pädiatrischen Notfalleinrichtungen kann die<br />
Anwendung von Livopan eine wichtige Rolle spielen. Es gibt<br />
eine Reihe von kindgerechten Masken und Mundstücken.<br />
Kleineren Kindern muss beim Halten der Maske geholfen<br />
werden.<br />
Ein ideales Mittel zur Analgesie von Kindern sollte analgetisch<br />
und anxiolytisch wirken, die Wirkdauer soll kurz und die<br />
Steuerbarkeit gut sein, und es soll möglichst sicher, nebenwirkungsarm<br />
und einfach in der Anwendung sein. Livopan<br />
kommt diesen Anforderungen relativ nahe.<br />
Generell wichtig – nicht nur in der pädiatrischen Indikation –<br />
ist die gute und regelmäßige Schulung des in der Mehrzahl<br />
nichtanästhesiologischen Personals und die routinemäßige<br />
Überwachung des Kindes während der Livopan-Anwendung.<br />
Die O 2 -Sättigung sollte mittels Pulsoximeter kontinuierlich<br />
überwacht werden. Zu beachten ist, dass Livopan nicht bei<br />
allen Kindern gleich stark wirkt. Wegen der kurzen Wirkdauer<br />
Tab. 4: Pädiatrische Indikationen für Livopan<br />
● Öffnen eines Port-a-Cath®<br />
● Setzen eines venösen Zugangs oder eines arteriellen Katheters<br />
● Setzen von Lokalanästhesien (z.B. Oberst)<br />
● Frakturbehandlung, Repositionen<br />
● Trepanation subungualer Hämatome<br />
● Gelenkspunktion bzw. -infiltration<br />
● Schmerzhafter Verbandwechsel<br />
● Wundnaht – Versorgung von Rissquetschwunden<br />
● Lumbalpunktion<br />
● Blutabnahme<br />
● Drainentfernung<br />
● Anlegen bzw. Wechsel eines Gipsverbandes, falls schmerzhaft<br />
● Nahtentfernungen<br />
● Fremdkörperentfernungen (z.B. auch eingewachsene Ohrenstecker,<br />
Auge etc.)<br />
● Knochenmarkspunktion<br />
● Setzen oder Entfernen von Blasenkathetern<br />
Quelle: modifiziert nach [24]<br />
Supplementum, März 2011 | Seite 7
Prim. Univ.-Prof.<br />
Dr. Andreas Lischka<br />
Abteilung für Kinder-<br />
und Jugendheilkunde,<br />
Wilhelminenspital der Stadt<br />
Wien<br />
von Livopan sollte an eine über die Lachgasanwendungszeit<br />
hinaus andauernde analgetische Basismedikation gedacht<br />
werden.<br />
Erbrechen ist in der ambulanten Praxis eher selten, es kommt<br />
erfahrungsgemäß bei nüchternen Kindern sogar häufiger<br />
vor als bei Kindern, die gegessen haben. Voraussetzung für<br />
eine Livopan-Anwendung ist ein gewisses Maß an Kooperation<br />
vonseiten des Kindes. Eine Prämedikation z.B. mit<br />
Midazolam ist möglich, erhöht allerdings das Risiko einer<br />
Atemdepression.<br />
Es gibt gewisse Grenzen für die Livopan-Anwendung bezüglich<br />
der Schmerzhaftigkeit des Eingriffs: Für sehr schmerzhafte<br />
Eingriffe bei Kindern, wie z.B. Débridement bei Verbrennungen,<br />
ist Livopan alleine sicher nicht ausreichend und<br />
auch nicht empfohlen.<br />
2.3 Livopan in der Geburtshilfe<br />
Astrid Osbourne MSc<br />
Consultant Midwife &<br />
Supervisor of Midwives,<br />
University College London<br />
Hospitals, London<br />
2.3.1 Indikationen und klinische Daten<br />
Die geburtshilfliche, intermittierende Applikation von<br />
Livopan zur Wehenschmerzlinderung blickt auf eine jahrzehntelange<br />
Tradition in Großbritannien zurück. Vorteile der<br />
Anwendung von Livopan in der Geburtshilfe bestehen in der<br />
Patientinnenautonomie, der guten Steuerbarkeit und dem<br />
Fehlen von negativen Wirkungen auf die uterine Kontraktilität<br />
[28] und auf das Kind [29]. Die Ergebnisse hinsichtlich der<br />
mütterlichen Sauerstoffsättigung sind nicht ganz eindeutig:<br />
Während eine Studie beim Vergleich zwischen Livopan und<br />
Epiduralanästhesie eine etwas höhere Hypoxierate unter<br />
Livopan berichtete [30], fand eine andere Arbeit keinen<br />
Einfluss von Livopan auf die Sauerstoffsättigung bei der Gebärenden<br />
[31].<br />
Nachteile bestehen in der möglichen Induktion von Übelkeit<br />
und Erbrechen und in der Möglichkeit einer Bewusstseinstrübung<br />
mit Aspirationsrisiko – wobei in der geburtshilflichen<br />
Praxis sowohl peripartale Bewusstseinstrübung als<br />
auch Asphyxierisiko in Wirklichkeit viel häufiger durch die<br />
Univ.-Prof.<br />
Dr. Gerhard Prause<br />
Klin. Abt. für Allg.<br />
Anästhesiologie,<br />
Univ.-Klinik für Anästhesiologie<br />
und Intensivmed.,<br />
MU Graz<br />
OA<br />
Dr. Angela Ramoni<br />
Univ.-Klinik für<br />
Frauenheilkunde,<br />
MU Innsbruck<br />
Gabe von Opioiden bedingt sind. Bei Frauen mit einer<br />
Ventilationsstörung sind Hypoxien möglich. Ein vorbestehender<br />
Mangel an Methionin, Vitamin B 12 und Folsäure ist zu<br />
beachten und durch vorherige ausreichende Substitution<br />
auszugleichen.<br />
Indikationen für Livopan in der Geburtshilfe bestehen u.a.<br />
bei Kontraindikationen einer Periduralanästhesie (PDA), nicht<br />
ausreichender oder nicht erwünschter Opioidgabe, Anwendung<br />
in der Austreibungsperiode, wenn eine PDA nicht<br />
mehr möglich ist, und bei Totgeburten. Es kann grundsätzlich<br />
bei allen Geburten verwendet werden, wenn kurzfristig<br />
intermittierende Analgesie gewünscht ist.<br />
Zur Sicherheit des Föten unter Livopan gibt es nur sehr wenig<br />
Literatur. Es besteht bisher keinerlei Hinweis auf die Auslösung<br />
einer primären Atemstörung des Kindes durch N 2 O.<br />
Bei Neugeborenen mit schlechtem APGAR-Score oder eingeschränkter<br />
Spontanatmung, sollte – wie auch in allen derartigen<br />
Situationen ohne Livopan-Anwendung – eine zusätzliche<br />
Sauerstoffgabe erfolgen, um eine Diffusionshypoxie zu<br />
vermeiden [32].<br />
Bereits 1970 kam das britische „Medical Research Council“ zu<br />
dem Schluss, dass Livopan im Rahmen von Geburten keine<br />
Gefahr für die Gebärende oder das Kind darstelle und auch<br />
durch Hebammen sicher verabreicht werden könne [33].<br />
Ein Positionspapier des „American College of Nurse-Midwives“<br />
bestätigt die Sicherheit von Livopan in der Geburtshilfe<br />
und fordert seinen breiteren Einsatz [34].<br />
2.3.2 Erfahrungen und Empfehlungen aus der Praxis<br />
In Großbritannien wird Livopan seit mehr als 40 Jahren erfolgreich<br />
in der Geburtshilfe verwendet und sehr häufig von<br />
Hebammen auch ohne Anwesenheit eines Arztes verabreicht.<br />
In Zeiten ansteigender Sectioraten erscheint eine einfach<br />
und breit anwendbare Analgesiemethode für die Geburtshilfe<br />
besonders wertvoll, da der Gesundheitsnutzen einer na-<br />
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Dr. Rudolf<br />
Schmitzberger<br />
Niedergelassener Facharzt<br />
für Kinderheilkunde,<br />
Wien
Tab. 5: Wichtige Punkte bei der Livopan-<br />
Anwendung in der Geburtshilfe<br />
● Instruktion der Gebärenden (richtige<br />
Selbstapplikation, mögliche Übelkeit,<br />
Schwindel)<br />
● Venöser Zugang, Pulsoximeter, Absaugung<br />
● Verstärkte Observanz bei Opioidgabe<br />
(Aspiration, Bewusstseinslage)<br />
● Beginn der Inhalation bei/vor Wehenbeginn<br />
● Absetzen der Maske zwischen den Wehen<br />
● Langsame tiefe Atemzüge<br />
● Cave Hypoxie in Pressperiode (durch<br />
Rückflutung von Lachgas)<br />
● Wichtig: Gebärende nicht allein lassen!<br />
Quelle: A. Ramoni<br />
türlichen Geburt im Vergleich zu einer Sectio erheblich ist.<br />
Livopan kann dabei helfen, eine vaginale Geburt zu ermöglichen,<br />
und reduziert die Rate an PDAs.<br />
Livopan ermöglicht es der Gebärenden, sich zu bewegen<br />
oder aufrecht zu sitzen – Positionen, die wichtig für den normalen<br />
Geburtsablauf sind. Eine Kombination mit einer<br />
Opioidanalgesie ist möglich, sollte aber zu erhöhter Wachsamkeit<br />
Anlass geben. Ebenso können mit Livopan Wehenbehandlung<br />
und Geburt in der Wasserwanne stattfinden.<br />
Auch für Heimgeburten wird Livopan in Großbritannien eingesetzt<br />
und erwies sich als durchaus gut geeignet.<br />
Der Autonomiegewinn durch Livopan ist psychologisch<br />
wichtig – die Gebärende atmet Livopan nur während der<br />
Wehe ein und hat damit die volle Kontrolle über die Analgesie.<br />
Die bekannten Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen<br />
reduzieren sich, wenn Frauen während der Geburt<br />
normal essen und trinken können. Tabelle 5 zeigt wichtige<br />
Punkte bei der Livopan-Anwendung in der Geburtshilfe.<br />
Rechtliche Aspekte – Hebammen<br />
Die Tätigkeit von Hebammen ist im Hebammengesetz<br />
geregelt. Laut §5, Abs. 1 dieses Gesetzes ist Hebammen<br />
bei gegebener Indikation in der Eröffnungsperiode die<br />
Anwendung eines nicht dem Suchtgiftgesetz unterliegenden<br />
krampflösenden oder schmerzstillenden Arzneimittels,<br />
das für die Geburtshilfe nach Maßgabe der Wissenschaft<br />
und Erfahrung angezeigt ist, ohne ärztliche Anord-<br />
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
3. Arbeitsplatzbelastungen und Grenzwerte<br />
in Österreich<br />
Für den Einsatz von Stoffen, die eine potenzielle Gesundheitsgefährdung<br />
am Arbeitsplatz darstellen, werden gesetzliche<br />
Grenzwerte wie z.B. die „Maximale Arbeitsplatz-<br />
Konzentration“ (MAK-Wert) vorgeschrieben. Dabei ist der<br />
Arbeitgeber aufgefordert, nicht nur für die Einhaltung, sondern<br />
für die möglichst tiefe Unterschreitung des Grenzwerts<br />
zu sorgen.<br />
Bei den MAK-Werten unterscheidet man einen Kurzzeit-<br />
Grenzwert (Spitzenbelastung über maximal 15 Minuten) und<br />
einen Langzeitwert („Time Weighted Average“ – TWA).<br />
Hinsichtlich N 2 O beträgt in Österreich der Kurzzeit-MAK-Wert<br />
400ppm („parts per million“), der TWA-Wert 100ppm [35]. In<br />
einigen Ländern liegt dieser TWA-Wert noch wesentlich<br />
niedriger, nämlich bei 25ppm. Umgekehrt hat z.B. Schweden<br />
den MAK-Spitzenwert auf 500ppm festgelegt [36]. Für den<br />
Fall von Grenzwertüberschreitungen muss der Arbeitgeber<br />
entsprechende Gegenmaßnahmen vorsehen.<br />
Wie aus der Verwendung von Stickoxydul im anästhesiologischen<br />
Bereich bekannt, gehören Absauganlagen oder forcierte<br />
Belüftungssysteme zu den wichtigsten technischen<br />
Vorrichtungen, die notwendig sind, um die Grenzwerte einzuhalten.<br />
Dabei sollten die Masken zur Applikation von<br />
Livopan möglichst dicht gehalten werden. Das moderne mitgelieferte<br />
Demandventil lässt Livopan nur aus der Gasflasche<br />
strömen, wenn der Patient einatmet. Anders als beim Dauerflusssystem,<br />
das nur bei Kleinkindern zum Einsatz kommt,<br />
strömt damit kaum Lachgas in die Umgebung, selbst wenn<br />
die Maske vom Gesicht entfernt wird. In Räumen, die keine<br />
Absaugvorrichtungen haben, werden bei längerer oder häufiger,<br />
mehrmals täglicher Livopan-Anwendung dennoch<br />
eventuell alternative Schutzmaßnahmen erforderlich sein,<br />
um bestehende Grenzwerte einhalten zu können.<br />
nung erlaubt. Dies trifft vollständig für 50% Lachgas/ 50%<br />
Sauerstoff-Gemische zu! Somit dürfen Hebammen in<br />
Österreich ohne ärztliche Anordnung Livopan an Gebärende<br />
in der Eröffnungsperiode verabreichen. Die Eigenverantwortung<br />
der Hebamme endet dann, wenn Komplikationen<br />
während der Geburt auftreten. In diesem Fall ist<br />
sofort ein Arzt beizuziehen.<br />
Supplementum, März 2011 | Seite 9
Univ.-Prof.<br />
Dr. Wolfgang Schreiber<br />
Österreichisches Rotes Kreuz,<br />
Univ.-Klinik für<br />
Notfallmedizin,<br />
MU Wien<br />
Dr. Georg Staubli<br />
Universitäts-Kinderklinik<br />
Zürich<br />
Ein besonderer gerätetechnischer Aspekt besteht darin, dass<br />
der Anwender Livopan als ein komplettes System, bestehend<br />
aus Gasdruckflasche mit integriertem Druckminderer<br />
und LIV-Ventil, vom Livopan-Hersteller bezieht und zur Anwendung<br />
ein Zusatzsystem benötigt (entweder in Form eines<br />
Demand- oder eines Continuous-Flow-Systems ggf. mit<br />
Ventilen und Reservoir- bzw. Atembeutel). Der Anwender<br />
wird prüfen müssen, wie dieses Zusatzsystem nach Medizinproduktegesetz<br />
klassifiziert ist und welche weiteren Auflagen<br />
sich daraus ergeben bzw. zu beachten sind.<br />
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass bisher keinerlei<br />
Beeinträchtigung oder gar eine erhöhte Fehlgeburtenrate<br />
bei Hebammen, die in Großbritannien regelmäßig Livopan in<br />
der Geburtshilfe verabreichen, entdeckt werden konnte. Eine<br />
gute Raumlüftung ist jedenfalls immer empfehlenswert,<br />
ebenso die Verwendung der dafür vorgesehenen Absaugsysteme,<br />
die sowohl an die Demandventil-Maske als auch an<br />
das – allerdings offene – Continuous-Flow-System angeschlossen<br />
werden können.<br />
4. Das Wichtigste zu Livopan in Kürze<br />
Die Anwendung von Livopan ist eine nicht invasive Option<br />
zur schnellen, ausschließlich kurzfristigen Sedoanalgesie, die<br />
eine Reihe von Vorteilen bietet:<br />
● Rascher Wirkungseintritt<br />
● Gute analgetische Wirkung bei eher geringer anästhetischer<br />
Wirkung<br />
● Gute Steuerbarkeit gerade auch bei Selbstapplikation<br />
● Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet<br />
● Keine Nephro-, Hepato-, direkte Kardio- oder direkte<br />
Neurotoxizität<br />
● Keine Atemdepression<br />
● Keine relevante Kreislaufdepression in den hier erörterten<br />
50%-Konzentrationen<br />
● Keine Beeinträchtigung der Uterusmuskulatur und des<br />
Fötus, daher auch bei Geburten sicher einsetzbar<br />
Seite 10 | Supplementum, März 2011 Die<br />
David Whitmore, DIMC<br />
RCSEd<br />
Senior Clinical Advisor<br />
to the Medical Director,<br />
London Ambulance Service<br />
NHS Trust, London<br />
Beim bewusstseinsklaren Patienten ohne Komedikation ist vor<br />
allem ein analgetischer Effekt mit leichter Sedierung und<br />
Euphorisierung zu erwarten; Spontanatmung, Schutzreflexe<br />
und Hämodynamik bleiben im Allgemeinen unbeeinträchtigt.<br />
Bei bewusstseinsgetrübten Patienten sowie unter dem Einfluss<br />
von anderen zentral dämpfend wirkenden Medikamenten<br />
oder Drogen sind unter Livopan auch mittlere oder sogar tiefe<br />
Sedierungsgrade mit Beeinträchtigung der Spontanatmung,<br />
der Schutzreflexe und des Kreislaufs möglich.<br />
International besteht eine sehr breite, sich über Jahrzehnte<br />
erstreckende positive Erfahrung mit dem Einsatz von Livopan<br />
in der Rettungs- und präklinischen Notfallmedizin, der<br />
Geburtshilfe und der Pädiatrie.<br />
Die für N 2 O beim Narkosebetrieb beschriebenen schwerwiegenden<br />
unerwünschten Wirkungen sind bei Konzentrationen<br />
über 50% (mit Livopan nicht möglich) und/oder lang<br />
dauernder Applikation (>6 Stunden) aufgetreten (außerhalb<br />
des Indikationsspektrums von Livopan).<br />
Bei Beachtung der Kontraindikationen und technisch richtiger,<br />
Indikations-gerechter Anwendung besteht keine Gefahr<br />
für den Patienten oder das medizinische Personal.<br />
In Österreich dürften Notfallsanitäter Livopan dann verabreichen,<br />
wenn es sich im entsprechenden Rettungsdienst auf<br />
der Arzneimittelliste 1 befindet. Ist Livopan auf der Arzneimittelliste<br />
2, darf es nur von Notfallsanitätern mit allgemeinen<br />
Notfallkompetenzen unter bestimmten Bedingungen<br />
verabreicht werden.<br />
Hebammen dürfen in Österreich laut Gesetz Livopan in der<br />
Eröffnungsphase der Geburt ohne ärztliche Anordnung verabreichen.<br />
Entsprechend den allgemeinen Empfehlungen zur Analgosedierung<br />
und den Fachinformationen ergibt sich eine Minimalausstattung<br />
des Livopan-Arbeitsplatzes mit:<br />
● Beatmungsmöglichkeit<br />
● Instrumentarium zum Freihalten der Atemwege<br />
● Möglichkeit zur Gabe von 100% Sauerstoff.<br />
Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte
Empfehlenswert sind zusätzlich:<br />
● Sekretabsaugung<br />
● Pulsoximetrie.<br />
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich bei sachgerechter<br />
Anwendung mit Livopan alleine keine Allgemeinanästhesie<br />
(Narkose) induzieren lässt. Livopan ist eine Option<br />
zur Analgesie, die im Vergleich zu alternativen Verfahren (z.B.<br />
LITERATUR:<br />
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Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
intravenöse Analgetika, Hypnotika, Anästhetika) auch bei<br />
Anwendung durch Nichtanästhesisten keine erhöhte<br />
Komplikations- oder Nebenwirkungsrate aufweist. Jeder<br />
Anwender muss allerdings unerwartete Komplikationen bei<br />
der Livopan-Anwendung sicher beherrschen können und für<br />
deren Behandlung Vorkehrungen getroffen haben (siehe<br />
Minimal-Anforderungen an den Arbeitsplatz). ■<br />
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IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber: Verlagshaus der Ärzte GmbH., Nibelungengasse 13, A-1010 Wien, office@aerzteverlagshaus.at;<br />
Chefredaktion: Dr. Agnes M. Mühlgassner; Verlagsleitung ÖÄZ, Anzeigenleitung: Ulrich P. Pachernegg, Tel.: 01/5124486-18; In Kooperation mit: Medical Dialogue<br />
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dieser Ausgabe: Dr. Norbert Hasenöhrl; Für den Inhalt dieser Ausgabe verantwortlich: Dr. Peter Baumgartner, Dr. Haris Begovic, Mag. Monika Brumen, Prim. Univ.-<br />
Prof. Dr. Johann Gombotz, Dr. Peter Hansak, Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Dr. Christian Klimmer, Mag. Stefan Koppensteiner, Prim. Univ.-Prof. Dr. Oskar Kwasny, Prim.<br />
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Verlagshauses der Ärzte GmbH. oder der Medical Dialogue GmbH. Mit freundlicher Unterstützung der Firma <strong>Linde</strong> Gas GmbH / <strong>Linde</strong> <strong>Healthcare</strong>.<br />
Supplementum, März 2011 | Seite 11
Die Zeitschrift der Ärztinnen und Ärzte<br />
Lipovan