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Große Exkursion Mali

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Leuphana Universität Lüneburg<br />

Studiengang: Angewandte Kulturwissenschaften<br />

Kulturgeographie, Kulturtheorie und Interkulturelle Studien<br />

Unter der Leitung von:<br />

Dr. Ilsemargret Luttmann, Prof. Dr. Peter Pez<br />

Redaktion und <strong>Exkursion</strong>sorganisation:<br />

Milena Grünewald, Margaretha Kühneweg<br />

<strong>Große</strong> <strong>Exkursion</strong> <strong>Mali</strong><br />

07. – 25. Februar 2009


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Vorwort<br />

Dr. Ilsemargret Luttmann, Prof. Dr. Peter Pez 6<br />

TEIL I: SEMINARREFERATE<br />

Kima und zu beobachtende Klimazonenverschiebung<br />

Susann Aland 11<br />

Geologisch-tektonischer Aufbau und geomorphologische Einheiten <strong>Mali</strong>s/ Westafrikas<br />

Mirja Greßmann 25<br />

Bevölkerungsstruktur, -entwicklung und –verteilung, ethnische Zusammensetzung,<br />

Siedlungsstruktur und Urbanisierung in <strong>Mali</strong><br />

Robert Oschatz 37<br />

Agrarwirtschaftliche Strukturen und Lebensbedingungen<br />

Melanie Kühl 55<br />

Politische Entwicklung und politisches System des jungen Staates<br />

Sally Ollech 73<br />

Touristische Strukturen in <strong>Mali</strong><br />

Mirjam Krüger 87<br />

Alles für die Katz? Lehren aus der Entwicklungspolitik<br />

Mathias Becker 101<br />

TEIL II: KURZREFERATE<br />

Reiseinformationen: was bei Reisen nach <strong>Mali</strong>, in einen „fremden“ Kulturraum, von<br />

Bedeutung ist<br />

Julia Zimmermann 119<br />

Timbuktu – Entwicklung einer nicht nur historischen Metropole<br />

Friederike Brumhard 127<br />

Stadtentwicklung: Bamako, Djenné, Mopti<br />

Ute Tschirner 139<br />

3


Traditionelle Architektur in Stadt und Land: Der Sudanstil<br />

Susann Aland 149<br />

Kulturelle Konstruktion von Landschaft – die Wissenschaftsreisen von Heinrich Barth<br />

Lisa Trager 163<br />

Die Frau im islamisch geprägten <strong>Mali</strong><br />

Elena Konrad 169<br />

Umweltsituation in <strong>Mali</strong><br />

Theresa Lauw 175<br />

TEIL III: REISEPROTOKOLLE<br />

Samstag, 07. Februar 2009<br />

Anreise, Bamako 182<br />

Sonntag, 08. Februar 2009<br />

Bamako: Stadtrundfahrt, Nationalmuseum 184<br />

Montag, 09. Februar 2009<br />

Bamako: Deutsche Botschaft, DED 188<br />

Dienstag, 10. Februar 2009<br />

Kati: Staudamm 190<br />

Mittwoch, 11. Februar 2009<br />

Ségou:: CPEL 192<br />

Donnerstag, 12. Februar 2009<br />

Niono: ALPHALOG 193<br />

Freitag, 13. Februar 2009<br />

Termitenhügel 195<br />

Samstag, 14. Februar 2009<br />

Sevaré: Bioklima, Perlenmuseum<br />

Mopti: Pirogenfahrt, Bozo-Fischerdorf 196<br />

Sonntag, 15. Februar 2009<br />

Djenné: Stadtrundgang 199<br />

Montag, 16. Februar 2009<br />

Djenné djeno: Ausgrabungsstätte<br />

Djenné: Markt 201<br />

4


Bandiagara<br />

Dienstag, 17. Februar 2009<br />

Bandiagara: Mission Culturelle, Zentrum für traditionelle Medizin 208<br />

Mittwoch, 18. Februar 2009<br />

Bandiagara: Schule, GAAS <strong>Mali</strong> (Arbeit zu Aids, Beschneidung) 210<br />

Donnerstag 19. Februar 2009<br />

Wanderung durch Falaise; Nombori: Rundgang/Übernachtung im Dogondorf, Tanz 214<br />

Freitag, 20. Februar 2009<br />

Schule, Wanderung durch Sanddünen 216<br />

Timbuktu<br />

Dienstag, 17. Februar 2009<br />

Hinfahrt 220<br />

Mittwoch, 18. Februar 2009<br />

Timbuktu:: Stadtführung, Dromedarritt, Übernachtung in Campement in der Wüste 221<br />

Donnerstag 19. Februar 2009<br />

Tin Telut: <strong>Mali</strong> Nord, Einladung zu Mohammeds Familie 226<br />

Freitag, 20. Februar 2009<br />

Rückfahrt 231<br />

Samstag, 21. Februar 2009<br />

Sevaré: Plastikmüllrecycling, Lateritabbau 232<br />

Sonntag, 22. Februar 2009<br />

Segou: Bogolanzentrum 236<br />

Montag, 23. Februar 2009<br />

Bamako: FES 239<br />

Dienstag, 24. Februar 2009<br />

Bamako: Point Sud 241<br />

Mittwoch, 25. Februar 2009<br />

Bamako: GTZ, Rückflug 243<br />

5


Vorwort<br />

Die <strong>Große</strong> Geographische <strong>Exkursion</strong> ist so etwas wie die „Krönung“ des Studiums im<br />

Fach Geographie. Nachdem – ganz besonders im Grundstudium – umfangreiche<br />

theoretische Grundlagen vermittelt und (hoffentlich) verinnerlicht wurden, geht es<br />

während der <strong>Exkursion</strong> um die Anwendung des Gelernten. Dies erfolgt in der gesamten<br />

Breite von Natur- und Kulturgeographie, je nachdem, was der besuchte Raum zu bieten<br />

hat. Die <strong>Exkursion</strong> nach <strong>Mali</strong> ging aber über diese „übliche“ Zielsetzung der Geographie-<br />

<strong>Exkursion</strong>en weit hinaus, denn Dank der Zusammenarbeit mit der Lehrbeauftragten Frau<br />

Ilsemargret Luttmann wurde der inhaltliche Bogen weiter gespannt zum Studiengebiet<br />

„Kulturtheorie und interkulturelle Studien“. Dies wiederum galt nicht nur für die<br />

<strong>Exkursion</strong> und ihr eigenes Vor- und Nachbereitungsseminar, sondern durch die<br />

Koppelung mit weiteren Veranstaltungen gelang die Organisation eines interdisziplinären<br />

„Studienprojektes <strong>Mali</strong>“. Zu diesen ergänzenden weiteren Angeboten gehörten<br />

- das Seminar „Unterentwicklungstheorien und Entwicklungsstrategien für den<br />

Bereich der ‚Dritten Welt’“, Bereich Kulturgeographie (Pez)<br />

- das Seminar „Darstellung afrikanischer Kulturen in den Medien: das Beispiel <strong>Mali</strong>“,<br />

Bereich Kulturtheorie (Luttmann)<br />

- das Seminar „Französisch/FSZ: Préparation à l'excursion au <strong>Mali</strong>“, Bereich<br />

Fremdsprachen (Gola / Luttmann)<br />

und im Sommersemester 2009 zwei weiterführende Seminare<br />

- „Tourismus und Entwicklung am Beispiel Afrikas“, Bereich Kulturtheore (Luttmann)<br />

- „Französisch/FSZ: Les femmes au <strong>Mali</strong>: environnement socio-économique et<br />

approches de la coopération technique européenne“, Bereich Fremdsprachen<br />

(Gola / Luttmann)<br />

Ein solch umfassendes Angebot gab es bislang in Lüneburg nicht und könnte beispielgebend<br />

wirken für die zukünftige Ausbildung, wenn die Ziele der Internationalisierung und<br />

Interdisziplinarität weiterverfolgt werden.<br />

Bedingt durch den besuchten Raum spielte das Thema Entwicklungszusammenarbeit eine<br />

herausragende Rolle. Dies hat uns immer wieder gefesselt, aber auch innerlich mitunter<br />

„zerrissen“. Wir haben eine Reihe hochinteressanter und erfolgreicher lokaler Projekte<br />

gesehen, mussten aber ebenso die hohe Krisenanfälligkeit des Naturraumes und die<br />

unzureichenden Möglichkeiten zur nationalen und internationalen Krisenbewältigung<br />

registrieren. Wir waren überwältigt von der Gastfreundschaft derer, die uns aufgenommen<br />

haben bzw. zur Verfügung standen, konnten aber als Studierendengruppe dem Eindruck, zur<br />

Gruppe der reichen Europäer zu gehören, angesichts von Armut und Aufforderungen von<br />

Kindern wie „Donnez-moi un cadeau“ aus der Perspektive der einheimischen Bevölkerung<br />

(und ggf. eigenen Ansprüchen, von uns etwas zu[rückzu-] geben) sicher nicht gerecht<br />

werden. Wir haben uns nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet – Moskitodome,<br />

Impfungen, Sonnencreme, Kopfbedeckungen, Medikamente u. v. m. –, und mussten doch<br />

unsere unzulänglichen Resistenzen gegen Krankheiten und klimatische Belastungen am Leibe<br />

erfahren. Aber vielleicht gerade deshalb war die <strong>Mali</strong>-<strong>Exkursion</strong> auf einzigartige Weise<br />

eindrücklich. Wir haben pausenlos durch unmittelbare Erfahrungen gelernt und dies mit<br />

7


allen Sinnen sowie viel, viel mehr als jemals in Seminarräumen vermittelt werden kann.<br />

In dieser Hinsicht möchten wir uns bei den Teilnehmenden für ihr ungeheuer großes<br />

Engagement, abschnittweise gepaart mit Leidensfähigkeit, weit mehr aber verbunden mit<br />

Begeisterungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen herzlich bedanken. Es war eine <strong>Exkursion</strong>,<br />

die wir alle – Leitung und Teilnehmende gleichermaßen – sicherlich niemals vergessen<br />

werden.<br />

Peter Pez, Ilsemargret Luttmann<br />

8


TEIL I: SEMINARREFERATE<br />

9


Klima<br />

und zu beobachtende<br />

Klimazonenverschiebung<br />

Susann Aland<br />

11


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Lagebeschreibung und Gradnetzeinordnung.......................................................................... 13<br />

2. Klima- und Vegetationszonen.................................................................................................... 13<br />

3. Klimatische Entwicklungen in der Sahelzone ......................................................................... 14<br />

4. Beobachtungen während des Aufenthaltes in <strong>Mali</strong> im Februar 2009................................ 18<br />

5. Schlussfolgerungen ....................................................................................................................... 21<br />

12


Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den klimatischen Entwicklungen in <strong>Mali</strong>. Es werden<br />

zunächst jüngere Tendenzen in der Vegetation des Sahels betrachtet, um diese dann<br />

langfristigen Messwerten gegenüberzustellen. Anhand der Ergebnisse und zusätzlicher<br />

Beobachtungen, die vor Ort im Februar 2009 gesammelt wurden, werden die<br />

zunehmende Trockenheit und die wachsende Gefährdung der Sahelzone durch<br />

Dürreperioden betont und auf die Notwendigkeit für eine Notfallplanung aufmerksam<br />

gemacht.<br />

1. Lagebeschreibung und Gradnetzeinordnung<br />

<strong>Mali</strong> liegt in Westafrika und grenzt im Nordosten an Algerien, im Osten an Niger und<br />

Burkina Faso, im Süden an Côte d’Ivoire und Guinea, im Westen an den Senegal und im<br />

Nordwesten an Mauretanien. Mit einer Fläche von 1.240.192 km² (Fischer Weltalmanach<br />

2002, 181) erstreckt sich das Land zwischen ca. 10° und 25° nördlicher Breite sowie<br />

zwischen ca. 12° westlicher und 4° östlicher Länge.<br />

2. Klima- und Vegetationszonen<br />

Der klimatischen Betrachtung <strong>Mali</strong>s wird im Folgenden die Klimaklassifikation nach<br />

Troll/Paffen zugrunde gelegt. Bei dieser Klassifikation sind allgemein Jahreszeiten,<br />

Wechsel von Trocken- und Regenzeiten, die Temperatur sowie die Vegetation von<br />

Bedeutung. Die Erde ist in fünf Großklimazonen, die nach Temperaturwerten abgegrenzt<br />

werden, eingeteilt: polare und subpolare Zonen (I), kaltgemäßigte Zonen (II),<br />

kühlgemäßigte Zonen (III), warmgemäßigte Subtropenzonen (IV) und Tropenzonen (V).<br />

Bei der Untergliederung der Hauptzonen werden auch Trocken- und Regenzeiten bzw.<br />

aride und humide Monate und besonders die jeweils vorherrschende Vegetation<br />

berücksichtigt.<br />

Aufgrund der beschriebenen Lage und Größe <strong>Mali</strong>s sind von Süd nach Nord insgesamt<br />

vier verschiedene Klima- und Vegetationszonen zu finden. Diese sind in der Abb. 1 stark<br />

vereinfacht dargestellt nachzuvollziehen.<br />

Abb. 1: Klima- und Vegetationszonen Afrikas (stark<br />

vereinfacht)<br />

(Quelle: www.zum.de)<br />

13


Der südliche Teil <strong>Mali</strong>s befindet sich bis etwa 13° nördlicher Breite in der<br />

Trockensavanne der wechselfeuchten Tropenklimate (V 3). Die aride Zeit in den<br />

Wintermonaten hält durchschnittlich 5 bis 7,5 Monate an. Zwar herrschen zwischen<br />

Trocken- und Regenzeit sehr unterschiedliche Bedingungen mit entsprechend<br />

ausgeprägter jahreszeitlicher Vegetation, doch sind die durchschnittliche Niederschlagsmenge,<br />

-dauer und -verlässlichkeit des Monsuns ausreichend für Landwirtschaft. Die<br />

Trockensavanne zeichnet sich durch mannshohes Gras und einen sehr aufgelockerten<br />

Baumbestand aus. Zwischen ca. 13° und 18° nördlicher Breite folgt die Dornsavanne der<br />

tropischen Trockenklimate, welche in Nordafrika auch als Sahelzone bezeichnet wird (V<br />

4). Der saisonale Niederschlag in der Sahelzone ist monsunal bedingt. Mit 7,5 bis 10<br />

Monaten überwiegt die winterliche aride Zeit des Jahres. Die kurze, vor allem sehr<br />

variable humide Zeit und die stete Gefahr von Dürrejahren lassen Ackerbau in diesem<br />

Raum ohne regelmäßige Bewässerung nicht zu. An diesen Lebensraum mit schütterer<br />

Vegetation, kniehohem Gras, Dornsträuchern und vereinzelnd auftretenden Sukkulenten<br />

(z. B. der Affenbrotbaum) haben sich nomadisch lebende Völker angepasst. Richtung<br />

Norden schließt sich bis ungefähr 20° nördlicher Breite das Klima der tropischen<br />

Halbwüsten- und Wüsten an (V 5). Typisch für diesen Raum sind Sukkulenten wie bspw.<br />

Kakteen. Im äußersten Norden herrscht ab ca. 20° nördlicher Breite Halbwüsten- und<br />

Wüstenklima der warmgemäßigten Subtropenzone (IV 5) und tritt mit Kurzgras- und<br />

Waldsteppe in Erscheinung.<br />

3. Klimatische Entwicklungen in der Sahelzone<br />

Erst kürzlich, im April 2009, berichtete das Wochenmagazin ‚Der Spiegel’ über das zu<br />

beobachtende Ergrünen der Sahelzone. Der Geograph Chris Reij von der Freien<br />

Universität Amsterdam macht darauf aufmerksam, dass seit etwa 20 Jahren der<br />

Baumbestand in Niger jährlich um ca. ¼ Mio. Hektar anwächst und dass Vergleichbares<br />

ebenso in Burkina Faso und <strong>Mali</strong> festzustellen ist. Diese Entwicklungen führt Reij auf<br />

zufällige Ereignisse zurück, die er während seiner regelmäßigen Aufenthalte im Sahel seit<br />

30 Jahren beobachtet hat. In Zeiten der Dürre, wie zwischen 1968 und 1973 sowie<br />

Anfang der 1980er Jahre, versucht sich die lokale Bevölkerung auf verschiedene Weise<br />

aus der Not zu helfen. Sie schlagen Brennholz, um es auf dem Markt zu verkaufen und<br />

etwas Geld für Nahrungsmittel zu verdienen. Mit steigendem Holzeinschlag sinkt der<br />

Erosionsschutz der Böden und die Gefahr der Abtragung von fruchtbarem Boden samt<br />

Saat steigt. Einen weiteren Ausweg suchen junge Männer, indem sie in Nachbarländern<br />

ihre Arbeitskraft anbieten. In der Dürreperiode Anfang der 1980er Jahre wurde durch<br />

die (Arbeits-)Migration das Roden mancherorts in Niger vernachlässigt, was sich nach<br />

Einsetzen des Niederschlags im Juni als Glücksfall erwies: Dort wuchs die Hirse auffallend<br />

besser heran als auf den Feldern, in deren Nähe der Baumbestand reduziert wurde. Die<br />

heimischen Akazien, die in der Trockenzeit Blätter tragen, spendeten nicht nur Schatten<br />

und Futter für das Vieh, sondern boten in der Nähe der Felder vor allem Windschutz für<br />

die Saat. Das Vieh wiederum war Düngerlieferant für den Boden. Diese Zusammenhänge<br />

von schützender Vegetation und den Erfolgsaussichten der Ernte verbreiteten sich<br />

zunehmend über Mundpropaganda, so dass andere Dörfer gezielt Akazien anpflanzten<br />

(Schmid 2009, 136 ff.).<br />

Bei dem Erfolg der Pflanzaktionen ist zu berücksichtigen, dass sie in der Folgezeit ab etwa<br />

14


Mitte der 1980er Jahre und besonders seit etwa 2000 durch natürlich feuchtere Jahre<br />

begünstigt wurden. Das Ergrünen des Sahels ist maßgeblich auf diese erhöhte<br />

Feuchtigkeit zurück zuführen. Es darf nicht vergessen werden, dass in dieser Klimazone<br />

die Niederschlagsvariabilität sehr hoch ist und stets das Risiko von erneuten<br />

Dürrephasen besteht. Dabei ist zu bedenken, dass die Niederschlagsmengen nicht nur<br />

von Jahr zu Jahr enorm schwanken können, sondern auch die räumliche Verteilung<br />

innerhalb einer Regenzeit (vgl. Krings 2006, 21).<br />

Betrachtet man langjährige Mittelwerte von Temperatur und Niederschlag, ist eine<br />

klimatische Entwicklung in Richtung Trockenheit festzustellen. Um diese langfristige<br />

Tendenz zu verdeutlichen, werden im Anschluss Klimadaten aus den Zeiträumen 1930<br />

bis 1960 und 1961 bis 1990 ausgewählter Klimastationen <strong>Mali</strong>s miteinander verglichen.<br />

Die Klimastation Mopti ist anhand der Temperaturwerte und der Anzahl der humiden<br />

Monate in die Dornsavanne der Tropenzone (V 4), sprich in die Sahelzone, einzuordnen.<br />

Die Temperatur des kältesten Monats liegt über 13 °C und im Klimadiagramm sind drei<br />

humide Monate abzulesen. Werden die Mittelwerte der Temperatur aus der Periode<br />

1930-60 mit denen der Periode 1961-90 verglichen (Abb. 2), ist ein durchschnittlicher<br />

Temperaturanstieg von ca. 0,48 °C abzulesen. Bei den Niederschlagswerten hingegen ist<br />

ein erkennbarer Rückgang zu verzeichnen. Wie die Tabelle zeigt, sind die Mittelwerte<br />

besonders in den Hauptmonaten der Regenzeit gesunken: im Juli von 147 mm auf 128<br />

mm, im August von 198 mm auf 143 mm und im September von 94 mm auf 82 mm.<br />

Monat J F M A M J J A S O N D<br />

Mittl. Temp. in °C<br />

(1930-60)<br />

22,6 25,2 29 31,6 32,8 31,2 28,6 27,3 28,3 28,8 26,8 23,1<br />

Mittl. Temp. in °C<br />

(1961-1990)<br />

23,2 26,2 29,4 32,3 33,4 31,7 29,1 27,7 28,3 29,3 26,9 23,5<br />

mittl. Nied. in mm<br />

(1930-60)<br />


100<br />

T in °C<br />

90<br />

16<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Mopti (14° 30'N / 4° 12'W)<br />

J F M A M J J A S O N D<br />

200 N in mm<br />

Abb. 3: Vergleichendes Klimadiagramm der Perioden 1930-60 und 1961-90 für die Station Mopti<br />

(eigener Entwurf nach Daten von Richter 1996, 321; www.klimadiagramme.de)<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

mittl. Niederschlag<br />

in mm (1930-60)<br />

mittl. Niederschlag<br />

in mm (1961-90)<br />

mittl. Temp. in °C<br />

(1930-60)<br />

mittl. Temp. in °C<br />

(1961-90)<br />

Zusätzlich soll das Auftreten von Dürrephasen, die eingangs als Merkmal der Sahelzone<br />

beschrieben wurden, in die Betrachtung mit einbezogen werden. Zwar treten Dürren in<br />

dieser Klimazone immer mal wieder auf, jedoch ist zu beachten, dass sich der Abstand<br />

und die Intensität der Trockenphasen seit Ende der 1960er Jahre zunehmend verkürzt<br />

hat. Verglichen mit dem langjährigen Niederschlagsmittel 497 mm (Bezugszeitraum 1931-<br />

2000) treten Niederschlagsdefizite ab etwa 1970 häufiger auf, wie Abb. 4 zeigt (vgl.<br />

Krings 2006, 23).<br />

Abb. 4: Abweichung der mittleren Niederschläge vom langjährigen Mittel 497 mm (1931-2000)<br />

(Quelle: Atlas du <strong>Mali</strong> 2001, 19 nach Krings 2006, 23)<br />

Ein weiteres Beispiel soll diesen langjährigen Trend belegen. Die Stadt Gao liegt<br />

nordöstlich von Mopti und, laut Klimakarte, ebenfalls in der Sahelzone, allerdings mit


deutlich niedrigeren durchschnittlichen Niederschlagswerten am Übergang zur<br />

tropischen Halbwüste.<br />

Zwischen den Vergleichszeiträumen ist die Temperatur im Durchschnitt um ca. 0,42 °C<br />

angestiegen. Auch hier sind sinkende Niederschläge zu verzeichnen. Besonders auffällig<br />

ist der Rückgang im August von 127 mm auf 75 mm (vgl. Abb. 5).<br />

Monat J F M A M J J A S O N D<br />

Mittl. Temp. in °C<br />

(1930-60)<br />

22 25 28,8 32,4 34,6 34,5 32,3 29,8 31,8 31,9 28,4 23,3<br />

Mittl. Temp. in °C<br />

(1961-1990)<br />

22,6 25,4 29,4 32,8 35,6 35,1 32,6 31,1 32,1 32,1 27,5 23,5<br />

mittl. Nied. in mm<br />

(1930-60)<br />


Abb. 7: Verschiebung der Niederschlagsmittel im Senegal zwischen den Perioden 1960-69 und 1990-94<br />

(Quelle: Service de la Météorologie National, Sénégal 1998 nach Krings 2006, 24)<br />

Während im Zeitraum 1960-69 im Norden Senegals noch durchschnittlich zwischen 200<br />

mm und 400 mm Niederschlag fielen, wurden in den Jahren 1990-94 nur noch Werte<br />

unter 200 mm gemessen. In der Hauptstadt Dakar sind die Messungen sogar von 500<br />

mm bis 700 mm auf 200 mm bis 400 mm gesunken (Krings 2006, 24). Wie an der Grafik<br />

gut zu erkennen ist, verlaufen die Linien gleicher Niederschlagsmengen (Isohyeten)<br />

ungefähr breitengradparallel. Das bedeutet, dass sich diese Entwicklungen auch auf den<br />

Süden <strong>Mali</strong>s übertragen lassen.<br />

Die beschriebene klimatische Verschiebung in <strong>Mali</strong> konnte während der universitären<br />

<strong>Exkursion</strong> im Februar 2009 anhand der Vegetation bestätigt werden.<br />

4. Beobachtungen während des Aufenthaltes in <strong>Mali</strong> im Februar 2009<br />

In der Beschreibung der Reiseroute des einleitenden Kapitels wurde Timbuktu als ein<br />

Etappenziel der Studienreise im Februar 2009 erwähnt. Mit den Koordinaten 16°46’N /<br />

3°1’W müsste Timbuktu nach der Klassifikation von Troll/Paffen in der Sahelzone (V 4)<br />

liegen und die Vegetation der Dornsavanne vorherrschen. Die Beobachtungen vor Ort<br />

zeigten jedoch ein anderes Bild: Schon über die Dächer Timbuktus hinaus waren<br />

Sanddünen dicht am Rand der Stadt zu sehen (Abb. 8).<br />

Abb. 8: Blick über den nördlichen Stadtrand von Timbuktu<br />

(Aufnahme Sally Ollech)<br />

<strong>Große</strong> Flächen des Gebietes, das sich im Norden an Timbuktu anschließt, sind gar nicht<br />

18


von Vegetation bedeckt und unterliegen der Winderosion (Abb. 9).<br />

Abb. 9: Sanddünen am nördlichen Stadtrand von Timbuktu<br />

(Aufnahme Mirja Greßmann)<br />

Abb. 10: Sandverwehungen auf der Straße in Timbuktu<br />

(Aufnahme Mirja Greßmann)<br />

Der feine Sand der nahen Dünen wird häufig<br />

von den Luftmassenströmungen des<br />

Harmattan in die Stadt getragen, in der er sich<br />

überall ablagert. In der Abb. 10 sind bspw.<br />

Sandverwehungen auf der Teerstraße in<br />

Timbuktu zu sehen. Im Extremfall können<br />

Sandstürme zur Versandung der<br />

Verkehrswege führen und sie unpassierbar<br />

machen.<br />

Diese Beobachtung kann durch die Temperatur- und Niederschlagswerte von Timbuktu<br />

aus dem Bezugszeitraum 1961-90 unterstützt werden. Aus dem Klimadiagramm in Abb.<br />

11 ergibt sich nur ein Monat, in dem der Niederschlag die Verdunstung übersteigt. Das<br />

spricht folglich für das Klima der tropischen Halbwüste, denn nach Troll/Paffen sind 2 bis<br />

4,5 humide Monate Bedingung für die Sahelzone.<br />

19


50<br />

T in °C<br />

20<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Timbuktu (16° 46'N / 3° 1'W)<br />

J F M A M J J A S O N D<br />

Abb. 11: Klimadiagramm der Station Timbuktu (Bezugszeitraum 1961-90)<br />

(eigener Entwurf nach Daten von www.klimadiagramme.de)<br />

100 N in mm<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Niederschlag in<br />

mm (1961-90)<br />

Temperatur in<br />

°C (1961-90)<br />

Zwar gibt es keine wissenschaftliche Messgröße für die Ausbreitung der Wüste am Rand<br />

der Sahelzone oder genaue quantitative Erfassungsmethoden der Folgeerscheinungen, die<br />

in konkreten Zeiträumen auftreten (Krings 2996, 69), doch kann die Tatsache der<br />

fortschreitenden Desertifikation, die mit der Klimazonenverschiebung einhergeht, nicht<br />

ignoriert werden. Die Langzeittendenzen müssen Beachtung finden und in Überlegungen<br />

der Entwicklungszusammenarbeit mit einbezogen werden.


5. Schlussfolgerungen<br />

Die jüngste klimatische Entwicklung im Sahel darf nicht über den langfristigen Trend in<br />

Richtung Trockenheit hinwegtäuschen. Die zu beobachtende Klimazonenverschiebung<br />

bringt ernstzunehmende Folgen und Handlungsbedarf bzw. die Notwendigkeit zu einem<br />

Umdenken mit sich. In Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung wurde immer wieder<br />

die Feuchtigkeit der letzten Jahre, die die Landwirtschaft in vielen Teilen <strong>Mali</strong>s begünstigt,<br />

betont. In dieser, für die Sahelzone eher ungewöhnlich feuchten Phase ruht besonders<br />

für die ländliche Bevölkerung, die auf erfolgreiche Ernten angewiesen ist, sehr viel<br />

Hoffnung. Die weit verbreitete Hoffnung, dass sich dieser Trend fortsetzt, lässt das stete<br />

Risiko einer Dürre zu sehr in den Hintergrund rücken. Auch nach Auskunft der<br />

Deutschen Botschaft in Bamako gibt es derzeit keinen akuten Notstand oder „Grund zur<br />

Sorge“ in <strong>Mali</strong>.<br />

Trotz der gegenwärtigen erfreulichen Situation des ergrünenden Sahels macht die<br />

geographische Lage <strong>Mali</strong>s mit den instabilen klimatischen Verhältnissen über längere<br />

Zeiträume das Denken an und vor allem die Planung für Notzeiten unabdingbar. Nicht<br />

nur die agronomische Inwertsetzbarkeit des Raumes ist stark von der Verlässlichkeit des<br />

Niederschlages abhängig, sondern auch die Versorgung der nördlichen Gebiete auf dem<br />

Flussweg. Bei verstärkter Aridifizierung nimmt die Verdunstung des Niger, der durch<br />

große Teile des Landes als Fremdlingsfluss fließt, zu, was sich negativ auf die Niger-<br />

Binnenschifffahrt auswirkt. In den Monaten zwischen Februar und Juli ist der Fluss in dem<br />

Raum zwischen Mopti und Timbuktu nur von kleinen motorisierten Pinassen und<br />

Segelbooten befahrbar. Langfristig gesehen ist die regelmäßige Lebensmittelversorgung<br />

der nördlichen Sahelzone auf dem Wasserweg in Gefahr (vgl. Krings 2006, 25).<br />

21


Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1:<br />

Klima- und Vegetationszonen Afrikas (stark vereinfacht)<br />

(Quelle: www.zum.de)<br />

Abb. 2:<br />

Vergleichende Klimatabelle der Perioden 1930-60 und 1961-90 für die Station Mopti<br />

(Quellen: Richter 1996, 321; www.klimadiagramme.de)<br />

Abb. 3:<br />

Vergleichendes Klimadiagramm der Perioden 1930-60 und 1961-90 für die Station Mopti<br />

(eigener Entwurf nach Daten von Richter 1996, 321; www.klimadiagramme.de)<br />

Abb. 4:<br />

Abweichung der mittleren Niederschläge vom langjährigen Mittel 497 mm (1931-2000)<br />

(Quelle: Atlas du <strong>Mali</strong> 2001, 19 nach Krings 2006, 23)<br />

Abb. 5:<br />

Vergleichende Klimatabelle der Perioden 1930-60 und 1961-90 für die Station Gao<br />

(Quellen: Richter 1996, 321; www.klimadiagramme.de)<br />

Abb. 6:<br />

Vergleichendes Klimadiagramm der Perioden 1930-60 und 1961-90 für die Station Gao<br />

(eigener Entwurf nach Daten von Richter 1996, 321; www.klimadiagramme.de)<br />

Abb. 7:<br />

Verschiebung der Niederschlagsmittel im Senegal zwischen den Perioden 1960-69 und<br />

1990-94<br />

(Quelle: Service de la Météorologie National, Sénégal 1998 nach Krings 2006, 24)<br />

Abb. 8:<br />

Blick über den nördlichen Stadtrand von Timbuktu (Aufnahme Sally Ollech)<br />

Abb. 9:<br />

Sanddünen am nördlichen Stadtrand von Timbuktu (Aufnahme Mirja Greßmann)<br />

Abb. 10:<br />

Sandverwehungen auf der Straße in Timbuktu (Aufnahme Mirja Greßmann)<br />

Abb. 11:<br />

Klimadiagramm der Station Timbuktu (Bezugszeitraum 1961-90)<br />

(eigener Entwurf nach Daten von www.klimadiagramme.de)<br />

22


Literaturverzeichnis<br />

KRINGS, Thomas 2006: Sahelländer. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik.<br />

Darmstadt.<br />

FISCHER VERLAG 2001: Fischer Weltalmanach 2002. 1. Auflage, Frankfurt am Main.<br />

RICHTER, Gerold (Hrsg.) 1996: Handbuch ausgewählter Klimastationen der Erde. 5.<br />

Auflage, Trier.<br />

SERVICE DE LA MÉTÉOROLOGIE NATIONAL 1998: Dakar.<br />

SCHMID, Hilmar 2009: „Ground Zero“ ergrünt. In: Der Spiegel Nr. 17/2009, S. 136 ff.<br />

http://www.klimadiagramme.de/Afrika/gao.html, Stand, 06.05.2009.<br />

http://www.klimadiagramme.de/Afrika/mopti.html, Stand 06.05.2009.<br />

http://www.klimadiagramme.de/Afrika/timbuktu.html, Stand 06. 05.2009.<br />

http://www.zum.de/Faecher/Ek/BAY/mek/mek/klima/afrika/troll_paffen.html, Stand<br />

31.05.2009.<br />

23


Geologisch-tektonischer Aufbau und<br />

geomorphologische Einheiten<br />

<strong>Mali</strong>s / Westafrikas<br />

Mirja Greßmann<br />

25


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Definition ....................................................................................................................................... 27<br />

2. Geologische Gegebenheiten ...................................................................................................... 27<br />

2.1. Grundwasservorkommen................................................................................................... 28<br />

3. Geomorphologische Einheiten .................................................................................................. 28<br />

3.1. Die Bandiagara-Schichtstufe ............................................................................................... 30<br />

3.2. Weitflächige Lateritplateaus............................................................................................... 31<br />

3.3. Das Nigerbinnendelta.......................................................................................................... 31<br />

3.4. Dünengebiete ........................................................................................................................ 32<br />

4. Böden.............................................................................................................................................. 33<br />

4.1. Zonale Böden ........................................................................................................................ 33<br />

4.2. Azonale Böden ...................................................................................................................... 34<br />

5. Zusammenfassung ........................................................................................................................ 35<br />

26


Dieser Beitrag befasst sich mit den geologischen Gegebenheiten und geomorphologischen<br />

Einheiten in <strong>Mali</strong>, wobei der Fokus auf den bereisten Gebieten des<br />

Nigerbinnendeltas und der Bandiagara-Schichtstufenlandschaft liegt.<br />

1. Definition<br />

„Geologie ist die Wissenschaft von der Zusammensetzung, vom Bau und von der<br />

Geschichte der Erdkruste und von den Kräften, unter deren Wirkung sich die<br />

Entwicklung der Erdkruste vollzieht.“(Neef 1974, 619).<br />

„Geomorphologie ist die Lehre von den Formen der Erdoberfläche und den Kräften und<br />

Vorgängen, die sie geschaffen haben, sowie den Prozessen, die heute daran wirken.“<br />

(Wilhelmy 1994, 11).<br />

2. Geologische Gegebenheiten<br />

Westafrika besteht wie der gesamte afrikanische Kontinent aus einer geologisch alten<br />

Plattform (Gondwana). Diese Plattform wird von einem Grundgebirge bestehend aus<br />

präkambrischen Gesteinen gebildet, das meist mit Sedimentgesteinen unterschiedlichen<br />

Alters bedeckt ist. Die charakteristische Grundstruktur Westafrikas wird wesentlich<br />

durch die weitflächigen Becken (Synklinalen) bestimmt, welche durch flache Schwellen<br />

(Antiklinalen) voneinander abgegrenzt werden (vgl. Barth 1970, 15). Die Becken<br />

entsprechen Sedimentationsräumen mit mehreren tausend Metern mächtigen<br />

kontinentalen und teilweise maritimen Ablagerungen.<br />

Solche Becken, wobei das Toudenni-Becken und das Niger-Becken für <strong>Mali</strong> von<br />

Bedeutung sind, werden im Nordwesten von der Karet-Yetti-Eglab-Antiklinale und<br />

südlich von der Guinea-Schwelle abgegrenzt (vgl. Barth 1970, 16). Deren Randschwellen<br />

sind über die breite Mossi-Antiklinale mit der Erhebung des Adrar des Iforas im Norden<br />

verbunden. Die Oberfläche dieser Schwellen besteht weitgehend aus dem abgetragenen<br />

und über Millionen von Jahren stark umgewandelten Grundgebirge. Dieses ist<br />

hauptsächlich aus kristallinen Schiefer, Gneisen und Quarziten aufgebaut (vgl. Barth 1970,<br />

18).<br />

Den Hauptanteil der Beckensedimente bilden die nahezu horizontal abgelagerten<br />

Sandgesteine unterschiedlichen Alters. Am Rande der Becken erschaffen die älteren<br />

Sedimente Sandsteintafeln, welche als Schichtstufen gegen die Antiklinale abbrechen und<br />

im inneren des Beckens unter jüngere Sedimentschichten abtauchen. Diese jüngeren<br />

Sedimente bestehen aus Ablagerungen des sog. „Continental intercalaire“ (Sandstein,<br />

sandige Tongesteine und Mergel) sowie aus marinen Ablagerungen (z. B. Kalk) der<br />

letzten Überschwemmungsphase. Im Nigerbinnendelta wie auch in allen anderen Becken<br />

lassen sich außerdem Sande und Tone als Sedimente des „continental terminal“ finden<br />

(vgl. Barth 1970, 19).<br />

27


2.1. Grundwasservorkommen<br />

Neben den klimatischen Gegebenheiten sind auch die Beschaffenheit und Zusammensetzung<br />

der Sedimentschichten für die Oberflächengestaltung und im Zusammenspiel für<br />

die Existenz von Grundwasser in einer Region von großer Bedeutung (vgl. Barth 1986,<br />

165). „Grundwasser ist das Wasser, welches die Hohlräume der Erdrinde zusammenhält<br />

und dem hydrostatischen Druck unterliegt.“ (Barth 1986, 165).<br />

Geologische Formationen, die in Hohlräumen Wasser führen können, sog. Aquifere,<br />

werden ausschließlich in den Beckenregionen <strong>Mali</strong>s von den Ablagerungen des<br />

„continental intercalaire“ und des „continental terminal“ gebildet (vgl. Barth 1986, 165).<br />

Diese Ablagerungen treten als Grundwasserträgergesteine auf und schaffen mit den<br />

aufliegenden Schwemmböden und vom Wind angelieferten Sanden und Tonmineralien<br />

günstige Bedingungen für das Vorkommen von Grundwasser sowie für dessen Ergänzung<br />

und Bewegung. Das Nigerbinnengebiet ist aufgrund des Potentials und der Mächtigkeit<br />

dieser Grundwasserträger das grundwasserreichste Gebiet <strong>Mali</strong>s (vgl. Barth 1986, 167).<br />

In Gebieten, in denen das Grundgebirge dominiert (zentrale Aufwölbung des Adrar des<br />

Iforas sowie nördliche Teile der Guinea-Schwelle), bildet sich das Grundwasser aufgrund<br />

des wasserundurchlässigen Untergrundes (Granite, Gneise, kristalline Schiefer) nur in<br />

Spalten und Klüftungen des Gesteins. Da es sich hier um niederschlagsreiche Gebiete<br />

handelt, ist die dörfliche Wasserversorgung dennoch gedeckt (vgl. Barth 1986, 165).<br />

Die porenarmen Sandsteine, welche die Sandsteinplateaus am Rande der Beckengebiete<br />

bilden, ermöglichen nur eine Grundwasseranreicherung in den bestehenden Klüftungen<br />

(vgl. Barth 1986, 167).<br />

Nach Barth zeigen die nutzbaren Grundwasserressourcen keine Möglichkeiten der<br />

Entwicklung auf, da abgesehen von dem ohnehin durch das Oberflächenwasser<br />

begünstigten Nigerbeckengebiet, die hydrogeologischen Bedingungen in den übrigen<br />

Regionen nur geringes Grundwasserpotential zulassen (vgl. Barth 1986, 167).<br />

3. Geomorphologische Einheiten<br />

Westafrika ist ein Teil von Niederafrika (vgl. Krings 2006, 16). Bis auf einige Ausnahmen,<br />

wie z.B. die Zeugenberge der Bandiagara-Schichtstufe (Hombori-Berge), welche eine<br />

Höhe von ca. 1000 m ü. NN erreichen, werden Höhenwerte von 300 m ü. NN selten<br />

überschritten (vgl. Barth 1986, 123). Fastebenen, sog. Rumpfflächen, dominieren das<br />

Landschaftsbild in Westafrika (vgl. Krings 2006, 16). Sie sind das Ergebnis aus vorangegangenen<br />

Verwitterunsprozessen und nachfolgenden meist flächenhaften Abtragungsvorgängen,<br />

die während einer langen Periode der tektonischen Ruhe erfolgten und zu<br />

einer weitgehenden Einrumpfung der Gebirgsaufwölbungen führten. Die rezente<br />

Gliederung der Becken und Schwellenstruktur ist hauptsächlich die Folge von schwachen,<br />

weiträumigen Verbiegungen (vgl. Barth 1970, 20).<br />

28


Die Monotonie der Ebenen wird durch die für Westafrika typischen Schichtstufen belebt.<br />

„Schichtstufen sind Geländeformen mit einer steilen Frontseite und einer flachen<br />

Rückseite. Sie sind aufgebaut aus einer flachlagernden, hängenden „harten“ und einer<br />

liegenden „weichen“ Schicht, wobei die weiche Schicht rascher abgetragen wird als die<br />

harte.“ (Fischer 1998, 5). Im morphologischen Sinne ist unter dem Begriff der Härte die<br />

Widerständigkeit eines Gesteins gegenüber Verwitterung und Erosion zu verstehen. Die<br />

morphologische Härte eines Gesteins ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wie<br />

z.B. dem physikalischen Härtegrad des Gesteins und der Härte des Bindemittels. Ein aus<br />

Quarzkörnern und kieselsäurehaltigem Zement zusammengehaltener Sandstein (Quarzit)<br />

ist beispielsweise härter, als ein Sandstein mit einem tonigen oder kalkigen Bindemittel.<br />

Von Bedeutung sind auch das Verhalten eines Gesteins unter Druck und seine<br />

Anfälligkeit für chemische Verwitterungen (vgl. Fischer 1998, 5).<br />

Tone oder Mergel sind zum Beispiel wenig widerständig gegenüber dem Druck<br />

überlagernder Gesteinsschichten und geben nach, indem sie seitlich ausweichen. Auch<br />

die Porosität eines Gesteins und folglich dessen Wasserdurchlässigkeit spielen bei der<br />

Bestimmung der geomorphologischen Härte eine Rolle (vgl. Fischer 1998, 5).<br />

Durchfeuchtete Gesteine sind beispielsweise anfälliger gegenüber Abspülungsprozessen<br />

als wasserdurchlässige Gesteine, bei denen das Wasser in darunter liegende Schichten<br />

geleitet wird. Tone und Mergel beispielsweise können Wasser gut aufnehmen und<br />

speichern. Voll gesogen mit Wasser werden sie leicht beweglich, wodurch es zu<br />

Hangrutschungen kommen kann. Aufgrund ihrer Wasserundurchlässigkeit können sie<br />

aber auch innerhalb von Sedimentschichten Wasser tragende Horizonte bilden (vgl.<br />

ebda.).<br />

Folglich ist die Voraussetzung für die Entstehung von Schichtstufen die Aufschichtung von<br />

Gesteinsschichten unterschiedlicher Härte, wobei harte Schichten als Stufenbildner und<br />

weiche Stufen als Sockelbildner bezeichnet werden (vgl. Fischer 1998, 6).<br />

In Westafrika haben sich über Millionen von Jahren unterschiedliche Sedimentationsschichten<br />

abgelagert und das Grundgebirge bedeckt. Über den Schwellen bildeten die<br />

schräg gestellten Gesteinschichten einen Sattel, der durch tektonische Verbiegungen<br />

noch weiter angehoben wurde. Der höchste Punkt dieser Aufwölbung bot eine<br />

Angriffsfläche für Erosionsprozesse, sodass der Gipfel und die obere kalkhaltige<br />

Gesteinsschicht über einen langen Zeitraum hinweg abgetragen wurden. Auf den<br />

freigelegten Sandsteinschichten setzte eine verstärkte Verwitterung ein. In Verbindung<br />

mit Abtragungsprozessen führte diese zu einer Einschneidung der Sandsteinschichten<br />

mittig der ehemaligen Aufwölbung. Die darunter liegende weichere Schicht (tonhaltiger<br />

Sandstein) gab nach. In den Bereichen der Einschneidung wurde die tonhaltige<br />

Sandsteinschicht aufgrund ihrer geringeren Resistenz schneller abgetragen als die<br />

aufliegenden härteren Sandsteinschichten. Folglich brachen nach und nach die oberen<br />

härteren Sedimentschichten in den Bereichen der Einkerbung steil ab. Das zerkleinerte<br />

Material wurde von Wind und je nach klimatischen Verhältnissen auch von Wasser in die<br />

tiefer gelegenen Ebenen abtransportiert. Verstärkt wurde und wird die Stufenbildung<br />

durch die erodierenden Kräfte eines Flusses. Diese Prozesse, die auch heute noch<br />

stattfinden, führten über Millionen von Jahren zu einer Muldenbildung und somit zu einer<br />

Reliefumkehr. Die Abbruchstellen der härteren witterungsresistenteren Sandsteinschicht<br />

bilden, basierend auf dem weicheren Sockel, die heutigen Schichtstufen.<br />

29


Während Sedimentschichten mit einer Neigung von 1-5° eine Stufe bilden (vgl. Zepp<br />

2002, 247), sind bei einer Schichtneigung mit einem Winkel von 7-10° auch mehrere<br />

Stufenbildungen möglich. Formationen mit einer Stufe werden Schichtstufen und jene mit<br />

mehreren Stufenbildungen Schichtkämme genannt (vgl. Zepp 2002, 251).<br />

3.1. Die Bandiagara-Schichtstufe<br />

Im Südosten <strong>Mali</strong>s gelegen verläuft die Bandiagara-Schichtstufe in südwest-nordöstlicher<br />

Richtung. Sie steigt kontinuierlich von 400 m ü. NN im Süden auf 700 m ü. NN nach<br />

Nordosten hin an (vgl. Barth 1970, 49). Mit der Stufenfront zur Mossi-Schwelle gerichtet,<br />

der vorgelagerten Gondoebene und den in das Nigerbinnendelta abflachenden<br />

Sandsteintafeln bildet die Bandiagara-Schichtstufe den „Prototyp einer klassischen<br />

Schichtstufenlandschaft“ (Barth 1986, 123). Die steil abfallende Front der Bandiagarastufe<br />

wird auch „Falaise de Bandiagara“ genannt (vgl. Barth 1970, 64). Während es sich bei<br />

dem Stufenbildner der Bandiagarastufe um resistente quarzitische Sandsteine handelt,<br />

wird der Sockel von tonhaltigen Sandsteinen gebildet (vgl. Barth 1986, 124).<br />

Das durch Erosionsprozesse entstandene Schuttmaterial bedeckt die unteren Hänge der<br />

Stufe mit Blockschutt und weiter abwärts mit feineren Schuttsedimenten. Die<br />

Mächtigkeit dieser feineren Schuttsedimente stellt in den Vorlandbereichen der Stufen<br />

einen ökologischen Gunststandort dar (vgl. Barth 1986, 124). Dieser bietet gute<br />

Voraussetzungen für eine Siedlungsbildung.<br />

Die Sedimentablagerungen deuten auch auf ein Zurückschreiten der Schichtstufen<br />

aufgrund von erodierenden Kräften hin (vgl. Barth 1970, 98). Befinden sich innerhalb<br />

einer Schichtstufe härtere Gesteinspakete, bilden sich beim Zurückschreiten der<br />

Schichtstufe sog. Zeugenberge heraus. Die Hombori-Berge sind ein Beispiel dieser durch<br />

Abtragung der weicheren umliegenden Schichten heraus präparierten Zeugenberge.<br />

Früher verbunden mit der Bandiagara-Schichtstufe bilden die Hombori- Berge heute<br />

isoliert von der Front die höchsten Erhebungen innerhalb <strong>Mali</strong>s (vgl. Barth 1970, 49).<br />

Die teilweise starken Zerklüftungen der Schichtstufenlandschaft sind auf die erodierenden<br />

Kräfte von (periodischen) Flüssen zurückzuführen. Aufgrund des Nordost-<br />

Südwest-Gefälles des Bandiagara-Plateaus wird dieses hauptsächlich nach Südwesten auf<br />

das Nigerbinnendelta zu entwässert (vgl. Barth 1970, 49). Das zwar kurze aber heftige<br />

Eintreten von Regenfällen auf den größtenteils wasserundurchlässigen vegetationslosen<br />

Gesteinsschichten bedingt einen schnellen Oberflächenabfluss (vgl. Barth 1970, 77).<br />

Während sich der Abfluss auf Ebenen flächenhaft vollzieht, wirkt der Oberflächenabfluss<br />

an Hängen und Flächen ab einem Neigungswinkel zwischen 2° und 3° linienhaft. In dem<br />

Bandiagara-Plateau schneidet der schnelle Oberflächenabfluss Rinnen und Kerben in den<br />

Untergrund ein und lässt periodisch Wasser führende Flüsse entstehen (vgl. Barth 1970,<br />

77).<br />

Die Tiefen- und Seitenerosionen der periodisch Wasser führenden Flüsse führen zu<br />

regelrechten Talbildungen (Canyons) innerhalb des Plateaus (vgl. Barth 1970, 78).<br />

30


Die periodischen Flüsse fließen meist nicht mit dem Gefälle des Plateaus. Vielmehr<br />

orientiert sich ihr Verlauf an den bei der tektonischen Verbiegung innerhalb der<br />

Sandsteinschichten entstandenen süd-südwestlich bzw. nord-nordöstlich verlaufenden<br />

kleinräumigen Falten, die eine Kluftenbildung begünstigten (vgl. Barth 1970 , 57).<br />

Die Hauptsammelader für den Oberflächenabfluss bildet der Yame de Bandiagara. Als<br />

ständig Wasser führender Fluss tritt er auf der Höhe von Goundaka aus dem Plateau aus<br />

und mündet schließlich im Niger (vgl. Barth 1970, 49). Im Gegensatz zu den periodischen<br />

Flüssen verläuft der Yame de Bandiagara mit dem Gefälle des Plateaus.<br />

3.2. Weitflächige Lateritplateaus<br />

Ein für Westafrika ebenso charakteristisches Landschaftsbild wird geprägt durch die<br />

weitflächigen Lateritplateaus, auf denen nur anspruchslose Vegetation wachsen kann. Die<br />

stark verkrusteten Hochflächen bestehen aus einer bis zu mehreren Metern dicken<br />

Eisenschicht lateritischer Genese (siehe zonale Bodenbildung). Diese fällt mit deutlichen<br />

Abstufungen zur niedriger gelegenen Rumpffläche ab (vgl. Krings 2006, 17). Das<br />

Mandingo-Plateau ist ein Beispiel einer solch mächtigen lateritischen Verkrustung.<br />

Aufgrund der hohen Widerständigkeit gegenüber Erosionsprozessen tragen die<br />

Lateritkrusten beachtlich zur Flächenerhaltung bei (vgl. Barth 1970, 20).<br />

3.3. Das Nigerbinnendelta<br />

Im westlichen Beckenraum dominieren großflächige Verkrustungen die Oberfläche. Im<br />

Deltabereich kennzeichnen periodisch überschwemmte Sedimentationsgebiete die<br />

Landschaft (vgl. Barth 1986, 128). Das Überflutungsgebiet umfasst eine Fläche von 20.000<br />

km², in der mehrere Niger- und Bani-Arme eine Flusslandschaft entstehen lassen (vgl.<br />

Barth 1986, 83). Bis vor ca. 8000 Jahren war das Becken zwischen der Mossi- und der<br />

Assaba-Schwelle ein abflussloser Sedimentationsraum mit einem bis weit in die Sahara<br />

hineinreichenden schätzungsweise 300.000 km² großen See (vgl. Barth 1986, 84).<br />

Mit der Anzapfung des Binnensees durch den heutigen Unterlauf des Nigers wurde das<br />

Becken entwässert, und der Lauf des Nigers nahm seine heutige Form an. Reste des<br />

ehemaligen Binnensees bilden die heutigen großen Seengebiete (vgl. Barth 1986, 84).<br />

Der Niger entsteht aus dem Zusammenfluss verschiedener kleinerer Flüsse. Deren<br />

Quellgebiete befinden sich in den nördlichen Randgebieten der niederschlagsreichen<br />

Guinea-Schwelle. Oberhalb von Bamako vereinigen sich die wichtigsten Zuflüsse zum<br />

Niger. Von dort aus fließt er in nordöstliche Richtung in die Sahelzone ein (vgl. Barth<br />

1986, 83). Mit dem aus Süd-Südwest fließenden Fluss Bani, der bei Mopti in den Niger<br />

mündet, entsteht ein großes Überschwemmungsgebiet, das Nigerbinnendelta, in dem sich<br />

Fließ- und Spülsedimente ablagern (vgl. Barth 1986, 85).<br />

Die Intensität der Überschwemmung dieser Gebiete ist weniger von den lokalen<br />

31


Niederschlägen während der Regenzeit abhängig, sondern eher von den<br />

Niederschlagsmengen in den Gebieten der Quellflüsse.<br />

Die in den Bereichen der Guinea-Schwelle hauptsächlich im Sommer fallenden intensiven<br />

Niederschläge lösen eine Hochwasserwelle aus, die im September bei Bamako angelangt<br />

ist (vgl. Barth 1986, 85). Erreicht die Flutwelle das Nigerbinnendelta kommt es zu einer<br />

Phasenverschiebung der Hochwasserwelle. Zuerst werden Flussarme, Mare und Kanäle<br />

geflutet, darauf folgt die Überflutung der Überschwemmungsgebiete (vgl. Barth 1986, 86).<br />

Die sich im Becken befindenden Sedimente verfügen über eine sehr gute<br />

Wasserspeicherkapazität (vgl. Barth 1986, 85), so dass ein großer Teil des Hochwassers<br />

vom Boden aufgenommen wird. Bedingt durch die Auffüllung des Gewässernetzes sowie<br />

der Überflutung der Schwemmgebiete bewegt sich die gemäßigte Hochwasserwelle erst<br />

mit einer zeitlichen Verzögerung von vier bis fünf Monaten weiter den Niger entlang.<br />

Mopti beispielsweise erreicht die Hochwasserwelle erst im November (vgl. Barth 1986,<br />

86). Folglich durchfließt die Hochwasserwelle das Nigerbinnengebiet inmitten der ariden<br />

Jahreszeit zwischen Oktober und Januar (vgl. ebda.).<br />

Auch die Pegelstände der Seen sind größtenteils abhängig von der Hochwasserwelle des<br />

Nigers und nicht vom lokalen Klimageschehen. Die häufig über schmale<br />

Überlaufschwellen verbundenen Seen werden von dem Hochwasser konsequent (vgl.<br />

ebda.), aber ohne jegliche Heftigkeit und Strömungsdynamik (vgl. Barth 1986, 88),<br />

hintereinander aufgefüllt. Innerhalb der Seenbecken kommt es zu keiner Sedimentation,<br />

so dass ihr Wasser relativ klar ist. Beim Rückgang des Pegelstandes des Nigers<br />

verhindern die Schwellen den Rückfluss des Wassers aus den Seen (vgl. ebda.). Die<br />

Pegelstände der Seen sinken hauptsächlich aufgrund von Verdunstung, trocknen aber<br />

dank der nigrischen Wasserversorgung auch während der ariden Jahreszeit nicht aus (vgl.<br />

Barth 1986, 86). „Nicht die Aridität des Lokalklimas, sondern die azonale Hydromorphie<br />

ist die gestaltende Dominante dieses Raumes. (Barth 1986, 90)“<br />

3.4. Dünengebiete<br />

Sandgebiete mit fossilen Dünen sind vor allem im nördlichen Teil <strong>Mali</strong>s weit verbreitet.<br />

Sie reichen teilweise bis ins Innere des Nigerbinnendeltas und westlich darüber hinaus bis<br />

nach Gourma. Bei der Bodenbildung erfolgt in den Oberhorizonten eine Anreicherung<br />

mit Eisenoxiden, wodurch eine bräunliche bis rote Färbung entsteht. Die zwischen 10<br />

und 30 m hohen Dünen verlaufen größtenteils parallel mit einem Abstand von 1 bis 10<br />

km in Norost-Südwest-Richtung (vgl. Barth 1986, 129). Entstanden sind diese sog.<br />

Lingualdünen vor ca. 21000 – 15000 Jahren. Neben den fossilen Dünengebieten sind<br />

rezente Dünen in Form von Transversalen und Sicheldünen vor allem in den nördlichen<br />

Landesteilen vertreten (vgl. Barth 1986, 130).<br />

32


4. Böden<br />

Nach Krings lassen sich die Böden im westlichen Sahel in zonale Böden und azonale<br />

Böden unterscheiden (vgl. Krings 2006, 20).<br />

4.1. Zonale Böden<br />

Die Bodenbildungsprozesse der zonalen Böden sind hauptsächlich abhängig von den<br />

klimazonalen Verhältnissen (diese und folgende Angaben zu den zonalen Böden stammen,<br />

wenn nicht anders vermerkt, aus Krings 2006, 20). In den niederschlagsreicheren<br />

Savannengebieten dominiert die relativ sterile und humusarme tropische Roterde, die<br />

sog. Ferrallite. Während der humiden Jahreszeit werden Restmineralien aus dem<br />

Untergrund ausgewaschen. Die mit Eisen, Mangan und Aluminiumoxid angereicherte<br />

Bodenlösung sickert in die tieferen Bodenhorizonte. Im Gegensatz zu den in der<br />

Regenzeit herrschenden abwärtsgerichteten Auswaschungsvorgängen dominiert in der<br />

Trockenzeit eine senkrecht nach oben gerichtete Bewegung. Bedingt durch die hohe<br />

Bodensonneneinstrahlung dringt die Bodenlösung Richtung Oberfläche in die oberen<br />

Bodenhorizonte.<br />

Treten die Anreicherungshorizonte an die Oberfläche, z.B. durch flächenhafte Abtragung,<br />

trocknen diese vollkommen aus und verhärten sich zu teilweise mächtigen<br />

Lateritkrusten. Der Prozess dieser Krustenbildung vollzieht sich über mehrere Millionen<br />

von Jahren. Aufgrund der Widerständigkeit dieser Krustenformationen gegenüber<br />

Erosionsprozessen sind mächtige Lateritkrusten im Sahel und in den Savannengebieten<br />

<strong>Mali</strong>s vorzufinden. Auf diesen Eisenkrusten gedeiht wenn überhaupt nur spärliche<br />

Vegetation.<br />

Ebenfalls der Gruppe der tropischen Böden zugehörig sind die sog. Fersiallite. Sie<br />

entstanden im Vergleich zu der fossilen Bodenbildung der Ferrallite aus rezenten<br />

Bodenbildungsprozessen. Aufgrund der weniger stark ausgeprägten chemischen<br />

Verwitterung beinhalten die Fersiallite noch verwitterbare Restmineralien. Ihr Oberboden<br />

besteht größtenteils aus einer 20 – 30 cm dicken Humusschicht (vgl. Barth 1986,<br />

134). Dieser Bodentyp kann Düngemittel relativ gut aufnehmen, so dass ein Anbau von<br />

Nutzpflanzen (Hirse, Baumwolle) möglich ist. Wird die Bodenstruktur durch beispielsweise<br />

Brandrodungen beschädigt und dann abgetragen, tritt die darunter liegende harte<br />

und unfruchtbare Schicht an die Oberfläche. Die schwach rötlichen Böden sind vor der<br />

Bandiagara-Stufe und auf fossilen Dünen verbreitet, wo sie die Grundlage einer dichten<br />

Baumsavanne bilden (vgl. Barth 1986, 134).<br />

Nach Barth wird subaride Braunerde häufig als Steppenboden bezeichnet, „da sie meist<br />

eine Steppen-Vegetation mit vereinzelten Gehölzen zwischen weiten Grasformationen<br />

tragen.“ (Barth 1986, 137). Diese Böden weisen eine sandig- tonige Matrix auf und bilden<br />

durch Nährstoffzufuhr, z.B. in Form von Tierdung, einen Gunststandort besonders für<br />

die nomadische Bevölkerung. Diese nutzt die mit Gras bewachsenen Flächen als<br />

Trockenzeitweiden für ihre Viehherden. Wenn die Vegetationsdecke beschädigt wird,<br />

z.B. durch Überweidung, sind diese Böden besonders anfällig für die Erosion durch Wind<br />

33


und Wasser.<br />

In den Gebieten der Halb- und Vollwüsten sind sandige und steinige Wüstenböden stark<br />

verbreitet. Je nach Ausgangsgestein bilden sich aufgrund der dominierenden<br />

physikalischen Verwitterung weitflächige Sand-, Kies- und Geröllwüsten. Vom Wind<br />

angewehte und abgelagerte Sandmassen lassen Sandwüsten mit verschiedenen Formen<br />

von Dünen entstehen. Je nach Windverhältnissen bilden sich Sterndünenfelder,<br />

Längsdünen oder Sicheldünen. Solche Sanddünenböden verfügen nur über eine geringe<br />

Wasserspeicherkapazität, sind nährstoffarm und somit wenig ertragsreich. Verfügt die<br />

Vegetation jedoch über ein tiefes Wurzelwerk, kann sie sich dank des gut zu<br />

durchdringenden Bodens direkt oder indirekt mit Grundwasser versorgen. Fehlt die<br />

Vegetation, sind diese Böden sehr erosionsanfällig.<br />

4.2. Azonale Böden<br />

Die Bildung azonaler Böden ist weniger abhängig von den klimazonalen Gegebenheiten,<br />

sondern vom Relief, sowie dem Vorkommen von Stau-, Überflutungs- und Grundwasser<br />

(diese und folgende Angaben zu den zonalen Böden stammen, wenn nicht anders<br />

vermerkt, aus Krings 2006, 21).<br />

Nach Krings zählen zu den azonalen Böden verschiedene Typen der hydromorphen<br />

Böden. Diese schweren tonigen Böden treten entlang von periodisch überschwemmenden<br />

Flusstälern, in großräumigen Überschwemmungsgebieten und an<br />

Spülmulden und Maren auf. Je nach Wasserversorgung lassen sie sich in Pseudogleye und<br />

Gleye unterscheiden.<br />

Gleye werden vom oberflächennahen Grundwasser mit Feuchtigkeit und Nährstoffen<br />

versorgt. Pseudogleye befinden sich in saisonalen Überflutungsgebieten. Ihre Nährstoffzufuhr<br />

erfolgt über die Ablagerung angeschwemmter nährstoffreicher Sedimente. Diese<br />

Böden sind fruchtbarer, als die zonalen Böden. Sie verfügen über eine hohe<br />

Wasserspeicherkapazität, lassen sich aber schwer bewirtschaften. Dennoch sind Gleye<br />

für den Anbau von Sorghum, Reis und Gemüse geeignet. Es besteht allerdings die Gefahr<br />

der Bodenversalzung.<br />

Die Vertisole können ebenfalls den azonalen Böden zugeordnet werden. Bei guter<br />

Durchfeuchtung sind diese lehmartigen Böden u.a. wegen ihres hohen Anteils an<br />

mineralischen Nährstoffen sehr produktiv. Trocknen sie allerdings während der ariden<br />

Jahreszeit aus, kommt es zu Schrumpfungserscheinungen in Form von bis zu einen Meter<br />

tiefen Rissen. Verbreitet sind die Vertisole beispielsweise im Gebiet des Bewässerungsprojektes<br />

„Office du Niger“.<br />

34


5. Zusammenfassung<br />

Als Teil einer uralten Plattform ist die Landschaft Westafrikas von einer Becken- und<br />

Schwellenstruktur geprägt. Über dem stark eingerumpften Grundgebirge haben sich über<br />

Millionen von Jahren mehrere tausend Meter dicke Sedimentschichten unterschiedlichen<br />

Alters abgelagert. Aufgrund von lang anhaltenden Abtragungs- und Sedimentationsprozessen<br />

dominieren leicht gewellte Ebenen das Landschaftsbild. An den Beckenrändern<br />

wird das Landschaftsbild von den steilen z. T. mehrere hundert Meter hohen<br />

Schichtstufen belebt. Als ein Beispiel solch mächtiger Schichtstufen ist die Bandiagara-<br />

Schichtstufe zu nennen, deren Zeugenberge eine Höhe von ca. 1000 m ü. NN erreichen.<br />

In dem Nigerbinnendelta findet heute noch eine Akkumulation von fruchtbaren<br />

Sedimenten statt. Mit der Besonderheit, dass dieses Gebiet auch während der ariden<br />

Jahreszeit überschwemmt wird, bildet das Nigerbinnendelta einen Gunststandort für<br />

Bauern, Viehwirte und Fischer.<br />

35


Literaturverzeichnis<br />

BARTH, Hans Karl 1970: Probleme der Schichtstufenlandschaften West-Afrikas am<br />

Beispiel der Bandiagara-, Gambaga- und Mampong-Stufenländer. Tübinger Geographische<br />

Studien 38, Tübingen.<br />

BARTH, Hans Karl 1986: <strong>Mali</strong>: eine geographische Landeskunde. Wissenschaftliche<br />

Länderkunden Bd. 25. Darmstadt.<br />

FISCHER, Friedrich 1998: Die Schichtstufenlandschaft als strukturbedingter und<br />

klimabeeinflußter Formenkomplex. Blieskastel.<br />

KRINGS, Thomas 2006: Sahelländer: Mauretanien, Senegal, Gambia, <strong>Mali</strong>, Burkina Faso,<br />

Niger. Wissenschaftliche Länderkunde. Darmstadt.<br />

NEEF, Ernst 1974: Das Gesicht der Erde. Taschenbuch der Physischen Geographie.<br />

3.Aufl., Zürich.<br />

ZEPP, Harald 2002: Geomorphologie: eine Einführung, München, Wien, Zürich.<br />

WILHELMY, Herbert 1994: Endogene Kräfte, Vorgänge und Formen. Geomorphologie in<br />

Stichworten, Kiel.<br />

36


Bevölkerungsstruktur, -entwicklung und -verteilung,<br />

ethnische Zusammensetzung, Siedlungsstruktur und<br />

Urbanisierung in <strong>Mali</strong><br />

Robert Oschatz<br />

37


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung........................................................................................................................................ 39<br />

2. Bevölkerungsentwicklung in <strong>Mali</strong> .............................................................................................. 39<br />

2.1. Das Modell des demographischen Übergangs................................................................ 40<br />

2.2. Die natürliche Bevölkerungsbilanz in <strong>Mali</strong>....................................................................... 41<br />

2.2.1. Die Geburten- und Fertilitätsrate............................................................................. 42<br />

2.2.2. Die Sterberate und Säuglingssterblichkeit............................................................... 43<br />

2.3. <strong>Mali</strong> im Modell des demographischen Übergangs.......................................................... 45<br />

2.4. Bevölkerungsprognosen für <strong>Mali</strong>....................................................................................... 45<br />

2.5. Ethnische und religiöse Zusammensetzung .................................................................... 46<br />

3. Bevölkerungsverteilung in <strong>Mali</strong>.................................................................................................. 46<br />

4. Urbanisierung <strong>Mali</strong>s...................................................................................................................... 47<br />

4.1. Die afrikanischen Stadttypen.............................................................................................. 48<br />

4.2. Grad der Urbanisierung in <strong>Mali</strong>......................................................................................... 49<br />

4.3. Ursachen des Städtewachstums ........................................................................................ 51<br />

4.4. Folge: Marginalsiedlung........................................................................................................ 52<br />

4.5. Folge: Primatstadt Bamako ................................................................................................. 52<br />

4.6. Abschließende Anmerkungen zum Grad der Urbanisierung <strong>Mali</strong>s............................ 52<br />

38


1. Einleitung<br />

In folgendem Kapitel wird auf die Bevölkerungsstruktur von <strong>Mali</strong> eingegangen. Der erste<br />

Abschnitt behandelt im Einzelnen die Gesamtbevölkerung, die Geburten- und Sterberate<br />

sowie die Bevölkerungsentwicklung und zukünftige Bevölkerungsprognosen für <strong>Mali</strong>,<br />

sowie im Weiteren die ethnische und religiöse Zusammensetzung der malischen<br />

Gesellschaft. Im zweiten Teil wird die betrachtete Bevölkerungsstruktur um die<br />

räumliche Komponente ergänzt, mit einer Betrachtung der Siedlungsstruktur des Landes,<br />

also der räumlichen Gliederung mit ihren Ballungsgebieten und Städten. An dieser Stelle<br />

kann schon auf den hohen Grad der Verstädterung in <strong>Mali</strong> hingewiesen werden, woraus<br />

der Fokus des letzten Bereiches erwächst. Hier stehen die Urbanisierung sowie die<br />

unterschiedlichen Stadttypen, die für eine Betrachtung der Prozesse von Bedeutung sind,<br />

im Mittelpunkt. Sie dienen als Grundlage um Ursachen und Folgen des rasant<br />

voranschreitenden Städtewachstums <strong>Mali</strong>s mit seinen Problemen, wie beispielsweise der<br />

Entstehung von Marginalsiedlungen, zu untersuchen.<br />

2. Bevölkerungsentwicklung in <strong>Mali</strong><br />

<strong>Mali</strong>s Gesamtbevölkerung umfasst laut World Population Data Sheet 2008 (World<br />

Population Bureau 2008, 7& 10.) eine Größe von 12,7 Mio. Einwohnern und liegt damit<br />

hinsichtlich der Bevölkerungsgröße im Mittelfeld westafrikanischer Länder. Um Daten,<br />

wie die Bevölkerungszahl <strong>Mali</strong>s besser einordnen zu können, werden die Daten des<br />

Landes im Weiteren jeweils mit Daten vom gesamten Kontinent Afrika sowie mit den<br />

Zahlen Deutschlands verglichen. In Deutschland beträgt die Gesamtbevölkerung 82,2<br />

Mio. Einwohner (Ebda.), in ganz Afrika leben 967 Mio. (Ebda.) Menschen. Bei der<br />

Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung der letzten 60 Jahre ergibt sich ein deutlicher<br />

Unterschied in der Entwicklung zwischen Deutschland, <strong>Mali</strong> und Afrika. Nach Angaben<br />

der Vereinten Nationen (United Nations – Department of Economic and Social Affairs<br />

Population Division 2008.) betrug die Bevölkerungsgröße <strong>Mali</strong>s im Zeitraum von 1950-55<br />

3,3 Mio. Einw. (Ebda.), im Vergleich dazu lag die Zahl in Afrika bei insgesamt 224,2 Mio.<br />

Einw. (Ebda.) und in Deutschland waren es 68,4 Mio Einw. (Ebda.). Bereits 25 Jahre<br />

später in Zeitabschnitt 1975-80 lag die Bevölkerungszahl im <strong>Mali</strong> bei 5,4 Mio. Einw.<br />

(Ebda.), in Afrika bei 416,4 Mio. (ebda.) und in Deutschland bei 78,7 Mio (Ebda.). Bei<br />

einem Vergleich der drei Zeitabschnitte 1950-55, 1970-75 und 2008 zeigt sich eine<br />

unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung. Während sich die Bevölkerung in <strong>Mali</strong><br />

zwischen den ersten beiden Zeitabschnitten nahezu verdoppelt hat und in der<br />

Gesamtbetrachtung von 1950 bis 2008 vervierfacht hat, ist in Deutschland eine ganz<br />

andere Entwicklung zu beobachten. Deutschland hatte noch zwischen 1950-55 und 1975-<br />

80 einen deutlichen Zuwachs an Bevölkerung von 10,3 Mio. Einw., im zweiten Zeitsprung<br />

bis 2008 ist dann die Bevölkerung lediglich minimal um 3,5 Mio. Einw., in Relation zur<br />

Bevölkerungszahl gewachsen. Für Afrika ist eine ähnliche Bevölkerungsentwicklung wie<br />

für <strong>Mali</strong> festzustellen. In Abb. 1 ist noch einmal die Entwicklung der beiden<br />

Vergleichsländer <strong>Mali</strong> und Deutschland aufgezeigt. Beide Länder haben verschiedene<br />

Bevölkerungsentwicklung vollzogen.<br />

39


40<br />

90000<br />

80000<br />

70000<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

1950<br />

68376 70326<br />

72815<br />

Bevölkerungsentwicklung 1950-2005<br />

75964 78169 78674 78289 77685 79433 81661 82309 82652<br />

3329 3657 4015 4408 4866 5447 6069 6794 7669 8736<br />

1955<br />

1960<br />

1965<br />

1970<br />

1975<br />

Jahr<br />

1980<br />

1985<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

10004 11611<br />

2005<br />

<strong>Mali</strong><br />

Deutschland<br />

Abb. 1: Eigener Entwurf nach United Nations – Department of Economic and Social Affairs Population Division<br />

2008.<br />

2.1. Das Modell des demographischen Übergangs<br />

Eine unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung ist natürlich nicht nur zwischen <strong>Mali</strong> und<br />

Deutschland festzustellen, sondern generell weisen Länder einen unterschiedlichen<br />

Verlauf in ihrem Bevölkerungswachstum auf. Viele Faktoren beeinflussen das<br />

Bevölkerungswachstum eines Landes und auch die Beeinflussungsfaktoren variieren von<br />

Region zu Region. Sie sind bedingt durch unterschiedliche räumliche, geschichtliche,<br />

wirtschaftliche oder auch gesellschaftlich Hintergründe. Trotz der unterschiedlichen<br />

Entwicklungen des Bevölkerungswachstums, ist es dennoch möglich ähnliche Entwicklungsmuster<br />

innerhalb der Entwicklung von Ländern wieder zuerkennen.<br />

Das Modell des demographischen Übergangs dient nun dazu Länder in dem Verlauf ihrer<br />

raumzeitlichen Bevölkerungsentwicklung einordnen zu können. Es wird von einem<br />

idealtypischen Transformationsprozess ausgegangen, der auf der Basis von Beobachtungen<br />

europäischer sowie später nordamerikanischer Bevölkerungsentwicklungen<br />

festgelegt wurde. Jedes Land durchläuft fünf Phasen der Entwicklung: (1) prätransformative<br />

Phase bzw. Phase der Vorbereitung, (2) frühtransformative Phase bzw. Phase<br />

der Einleitung, (3) mitteltransformative Phase bzw. Phase des Umschwungs, (4)<br />

spättransformative Phase bzw. Phase des Einlenkens, (5) posttransformative Phase bzw.<br />

Phase des Ausklingens. Die entscheidenden Faktoren, die den Prozess des demographischen<br />

Wandels bedingen, sind die Kennziffern der natürlichen Bevölkerungsbilanz,<br />

die Geburten- und Sterberate.


Abb. 2: Bähr 2004, 220.<br />

Die Abb. 2 zeigt den idealtypischen Verlauf des demographischen Übergangs. In der<br />

Grafik werden die verschieden Phasen erkennbar. Die (1) prätransformative Phase ist<br />

durch eine hohe Geburten- sowie eine hohe Sterberate gekennzeichnet. Dabei liegen die<br />

beiden Raten relativ dicht beieinander, so dass es zu einer ziemlich konstanten<br />

Zuwachsrate kommt. In der (2) frühtransformativen Phase folgt ein Abfallen der<br />

Sterberate bei gleich bleibender Geburtenrate mit der Folge einer steigenden<br />

Zuwachsrate. Innerhalb der (3) mitteltransformativen Phase sinkt die Sterberate dann<br />

weiter, jedoch beginnt nun auch die Geburtenrate zu sinken, so dass die Zuwachsrate<br />

aufhört zu steigen und konstant weiter verläuft. Mit dem Übergang zur (4)<br />

spättransformativen Phase stoppt die Sterberate zu sinken und bleibt auf einem konstant<br />

niedrigen Niveau, die Geburtenrate sinkt jedoch weiter und folglich geht die<br />

Zuwachsrate zurück. Erreicht ein Land die (5) posttransformative Phase, ist es von einer<br />

hohen Sterbe- und Geburtenrate zu einer niedrigen Ausprägung der beiden Raten<br />

übergangen, die konstant auf dem niedrigen Level weiter laufen. Die Zuwachsrate bleibt<br />

ebenso auf einem gleich bleibenden Niveau. (Vgl. Bähr 2004, 219f..)<br />

2.2. Die natürliche Bevölkerungsbilanz in <strong>Mali</strong><br />

Für eine Einordnung <strong>Mali</strong>s und Deutschlands innerhalb des Modells des demographischen<br />

Übergangs ist zuerst einmal eine Betrachtung der Geburten- und Sterberate erforderlich.<br />

Die Gesamtbevölkerung eines Landes ist das Ergebnis der natürlichen Bevölkerungsbilanz<br />

und der Wanderungsbilanz eines Landes. Die natürliche Bevölkerungsbilanz setzt sich aus<br />

einerseits der Geburten- und Fertilitätsrate und andererseits der Sterberate zusammen.<br />

Die Geburten- und Fertilitätsrate sind für die Reproduktion der Bevölkerung eines<br />

Landes die entscheidenden Kennzahlen. Die natürliche Bevölkerungsbilanz erlaubt<br />

zusätzlich einen Rückschluss auf den sozioökonomischen Entwicklungsstand eines Landes.<br />

Die Sterberate, im Besonderen die Säuglingssterblichkeit, kann als Indikatoren, für<br />

beispielsweise die Gesundheitsversorgung in einem Land dienen. Die Kennzahlen <strong>Mali</strong>s<br />

werden wieder in Relation zu Afrika und Deutschland betrachtet, und auch in ihrem<br />

historischen Verlauf präsentiert.<br />

41


2.2.1. Die Geburten- und Fertilitätsrate<br />

Die rohe Geburtenrate <strong>Mali</strong>s ist mit 48 Kinder / 1.000 Einw. im Jahre 2008 (World<br />

Population Bureau 2008, 7 & 10.) vergleichsweise zu restlichen Welt sehr hoch und<br />

damit liegt die Zahl auch deutlich über der rohen Geburtenrate Afrikas 2008 mit 37<br />

Kinder / 1.000 Einw. (Ebda.). Außerdem ist sie fünfmal so hoch wie die rohe<br />

Geburtenrate von Deutschland mit 8 Kinder / 1.000 Einw. (Ebda.). Interessant ist die<br />

Betrachtung, der Entwicklung der Geburtenraten der drei Vergleichsregionen <strong>Mali</strong>, Afrika<br />

und Deutschland. In Tab. 1 sind die Veränderungen anhand von drei Zeitpunkten: 1950-<br />

55, 1975-80 und 2008 zu erkennen.<br />

Tab. 1: Rohe Geburtenrate<br />

Die Geburtenrate <strong>Mali</strong>s ist seit 1950 nahezu konstant geblieben, während die<br />

Geburtenrate Afrikas um ein Viertel zurückgegangen ist und die Deutschlands sich<br />

offensichtlich halbiert hat. Diese Entwicklung zeigt einen deutlichen Unterschied<br />

zwischen den auf der einen Seite stehenden, weiterentwickelten Ländern wie<br />

Deutschland eines ist, und den auf der anderen Seite stehenden weniger entwickelten<br />

Ländern, von denen viele auf dem afrikanischen Kontinent liegen. Laut HDI (Human<br />

Development Indices) Rangliste, die 171 Länder umfasst, liegt Deutschland auf dem 23.<br />

Platz, gehört somit zur Gruppe der weiterentwickelten Länder, und <strong>Mali</strong> liegt auf dem<br />

168. Platz, gehört somit zur Kategorie der weniger entwickelten Länder (Vgl. United<br />

Nation Development Programm 2008, 29 & 31.).<br />

Tab. 2: Zusammengefasste Fertilitäsrate<br />

42<br />

1950-55 1<br />

1950-55 2<br />

1975-80 2<br />

1975-80 2<br />

2008 2<br />

<strong>Mali</strong> 51,8* 52* 48*<br />

Afrika 48,9* 45,8* 37*<br />

Deutschland 16* 10,3* 8*<br />

*Einw. / 1.000 Einw. | 1 World Population Bureau 2008, 7 & 10. | 2 United Nations – Department of Econonic<br />

and Social Affairs Population Division 2008.<br />

2005 2<br />

<strong>Mali</strong> 7,11* 7,56* 6,52*<br />

Afrika 6,75* 6,61* 4,67*<br />

Deutschland 2,16* 1,52* 1,36*<br />

*Kinder / gebärfähiger Frau | 2 United Nations – Department of Economic and Social Affairs Population Division<br />

2008.<br />

Für die Reproduktion einer Gesellschaft ist jedoch nicht nur die rohe Geburtenrate von<br />

Bedeutung, sondern viel mehr die Fertilitätsrate. Sie gibt an wie viele Kinder eine Frau im<br />

Durchschnitt bekommt. Dabei zählen die Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 15 und<br />

49 Jahren (Vgl. Bähr 2004, 159.). Die Tab. 2 zeigt die Entwicklung <strong>Mali</strong>s, Afrikas und<br />

Deutschlands anhand von drei Zeitpunkten: 1950-55, 1975-80 und 2005.


Auch hier ist immer noch ein deutlicher Unterschied zwischen Deutschland und <strong>Mali</strong><br />

bzw. Afrika festzustellen. Bereits im Zeitraum 1950-55 ist ein gravierender Unterschied<br />

zu erkennen. Während sich die Fertilitätsrate von Afrika zum Zeitpunkt 2005 im<br />

Vergleich zu 1950-55 um zwei Kinder pro Frau verringert hat, ist in <strong>Mali</strong> die Rate von<br />

6,52 Kinder / gebärfähiger Frau verhältnismäßig hoch.<br />

2.2.2. Die Sterberate und Säuglingssterblichkeit<br />

Die Sterberate dient als zweite Größe, die maßgeblich für die natürliche<br />

Bevölkerungsbilanz ist. Und im Weiteren wird sie bei der Einordnung <strong>Mali</strong>s und<br />

Deutschlands innerhalb des Modells des demographischen Wandels von entscheidender<br />

Bedeutung sein. Ein Blick auf die Tab. 3 zeigt, bei <strong>Mali</strong> und auch für den ganzen<br />

afrikanischen Kontinent eine erkennbare Veränderung der rohen Sterberate im<br />

bekannten Betrachtungszeitraum: 1950-55, 1975-80 und 2008.<br />

Tab. 3: Rohe Sterberate<br />

1950-55 2<br />

1975-80 2<br />

2008 1<br />

<strong>Mali</strong> 31* 24,3* 15*<br />

Afrika 26,2* 17,2* 14*<br />

Deutschland 11,1* 12,2* 10*<br />

*Einw. / 1.000 Einw. | 1 World Population Bureau 2008, 7 & 10. | 2 United Nations – Department of Econonic<br />

and Social Affairs Population Division 2008.<br />

Während sich die Sterberate <strong>Mali</strong>s von 1950-55 halbiert hat, ist in Deutschland nur eine<br />

minimale Veränderung im gleichen Zeitabschnitt festzustellen. Die Sterberate kann als ein<br />

Indikator für die Gesundheitsversorgung in einem Land dienen. Mit einer verbesserten<br />

Gesundheitsversorgung wird auch der historische Rückgang der Sterberate in Europa<br />

erklärt. Für den Rückgang der Sterblichkeit in Europa werden drei Hauptkategorien<br />

genannt: (1) Ökologische Determinanten, (2) Sozio-ökonomische, politische und<br />

kulturelle Determinanten und (3) Medizinische Determinanten (Ebda., 174.). Somit lässt<br />

sich im Umkehrschluss, anhand der Sterblichkeit eines Landes auch Rückschlüsse auf<br />

seinen Entwicklungsstand ziehen.<br />

Ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Demographie und der sozioökonomischen<br />

Entwicklung eines Lands zeigt ein Blick auf die Säuglingssterblichkeit mit seiner<br />

Korrelation zum Pro-Kopf-Einkommen eines Landes. Die Abb. 3 nach einem Entwurf von<br />

Dünckmann mit der Datengrundlage des World Population Data Sheets 1988 zeigt den<br />

deutlichen Zusammenhang der beiden Größen.<br />

43


Abb. 3: Dünckmann 2008.<br />

Die Grafik veranschaulicht den Zusammenhang zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen<br />

eines Landes und der Säuglingssterblichkeit. Länder, die eine hohe Säuglingssterblichkeit<br />

aufweisen, verfügen meist über ein geringes Pro-Kopf-Einkommen. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt soll nun auch die Säuglingssterblichkeit in <strong>Mali</strong> betrachtet werden. In Tab.<br />

4 ist sie in Vergleich zu Afrika und Deutschland gestellt. Es ist im Verlauf von 1950-55,<br />

ähnlich wie bei der Entwicklung der Sterberate, eine Abnahme der Säuglingssterblichkeit<br />

in <strong>Mali</strong>, wie auch in ganz Afrika festzustellen. Gleichzeitig ist der immense Unterschied<br />

zur Vergleichsgröße Deutschland auffallend. Die Diskrepanz zwischen <strong>Mali</strong> und<br />

Deutschland durchzieht den gesamten Betrachtungszeitraum. Mit der Grafik nach<br />

Dückmann als Hintergrundinformation wird deutlich, dass die wirtschaftliche Situation<br />

<strong>Mali</strong>s entscheidend für die Verbesserung der Lebensbedingungen, z. B. gemessen an der<br />

Säuglingssterblichkeit ist.<br />

Tab. 4: Säuglingssterblichkeit<br />

44<br />

1950-55 2<br />

1975-80 2<br />

2008 1<br />

<strong>Mali</strong> 237,4* 182,5* 96*<br />

Afrika 180,6* 122,4* 82*<br />

Deutschland 50,6* 14,9* 3,9*<br />

*Säuglinge / 1.000 lebend geborenen Säuglingen. | 1 World Population Bureau 2008, 7 & 10. | 2 United Nations –<br />

Department of Econonic and Social Affairs Population Division 2008.


2.3. <strong>Mali</strong> im Modell des demographischen Übergangs<br />

Mit den Grundlagen aus den vorherigen Abschnitten zu den Bevölkerungszahlen, der<br />

Sterberate und der Geburtenrate <strong>Mali</strong>s ist es nun möglich, das Land innerhalb des<br />

Modells des demographischen Wandels in die entsprechende Phase einzuordnen. Für die<br />

Einordnung ist die Sterberate mit 15 Einw. pro 1.000 Einw. (World Population Bureau<br />

2008, 10.) und die Geburtenrate mit 48 Einw. pro 1.000 Einw. (Ebda.) relevant. Daraus<br />

ergibt sich für <strong>Mali</strong> eine Positionierung in der (2) frühtransformativen Phase, in der die<br />

Sterberate bereits sinkt bzw. gesunken ist und die Geburtenrate immer noch konstant<br />

hoch ist, mit der Folge eines starken Bevölkerungszuwachses.<br />

Die Entwicklung eines Landes in Bezug auf das Durchlaufen der verschieden Phasen<br />

innerhalb des Modells des demographischen Überganges ist nicht absehbar. Bereits bei<br />

der empirischen Überprüfung des Modells haben die unterschiedlichen europäischen<br />

Länder verschieden lange für den Durchlauf des Prozesses benötigt (Vgl. Bähr 2004, 222).<br />

Mit dem Modell lässt sich <strong>Mali</strong> in eine demographische Entwicklung einordnen, allerdings<br />

ist es schwierig Bevölkerungsprognosen abzuleiten, da es sich um den idealtypisch Verlauf<br />

westlicher Industrienationen handelt (Ebda., 221.). Dennoch kann das Modell bei<br />

Untersuchung der sozioökonomischen Entwicklung <strong>Mali</strong>s für die Forschung nach<br />

Ursachen herangezogen werden und dabei hilfreich sein (Ebda.).<br />

2.4. Bevölkerungsprognosen für <strong>Mali</strong><br />

Im diesem Teil geht es abschließend zur Bevölkerungsentwicklung um einen zukünftigen<br />

Verlauf der Bevölkerungsentwicklung <strong>Mali</strong>s. Obwohl es sich schwierig gestaltet<br />

Prognosen über zukünftige Bevölkerungsentwicklungen abzugeben, soll hier auf der<br />

Datenbasis der Vereinten Nationen eine mögliche Entwicklung skizziert werden. Die<br />

Abb. 4 zeigt in Abgrenzung zu Deutschland eine eventuelle Entwicklung der Bevölkerung<br />

im Subsahara-Land.<br />

In der Grafik ist erkennbar dass sich die Bevölkerung in <strong>Mali</strong> bis 2050 verdreifachen wird.<br />

Hingegen dieser Entwicklung wird die Bevölkerung in Deutschland um etwa 10% zum<br />

heutigen Stand sinken. Eine Verdreifachung der Bevölkerung stellt jedes Land und im<br />

besonderen <strong>Mali</strong>, als ein bisher weniger entwickeltes Land, vor enorme<br />

Herausforderungen in der Zukunft.<br />

45


46<br />

90000<br />

80000<br />

70000<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

2005<br />

2010<br />

2015<br />

Bevölkerungsentwicklung 2005-2050<br />

2020<br />

2025<br />

Jahr<br />

2030<br />

2035<br />

2040<br />

2045<br />

2050<br />

<strong>Mali</strong><br />

Deutschland<br />

Abb. 4: Eigener Entwurf nach United Nations – Department of Economic and Social Affairs Population Division<br />

2008.<br />

2.5. Ethnische und religiöse Zusammensetzung<br />

In <strong>Mali</strong> gibt es eine große Anzahl verschiedener ethnischer Gruppen. Die politisch und<br />

ethnisch interessanteste Gruppe sind die Bambara, die rund 32 % (Fischer Weltalmanach<br />

2002, 525.) der gesamten Bevölkerung ausmachen. Bambara ist auch neben der<br />

Amtssprache Französisch die meist gesprochene Sprache in <strong>Mali</strong> und gilt zusammen mit<br />

Arabisch als eine der offiziellen Verkehrssprachen (Leisinger / Schmitt 1992, 125.).<br />

Weitere ethnische Gruppen sind die Fulbe (Peul) mit 14 %, die Senufo mit 12 %, die<br />

Soninké mit 9 %, die Tuareg mit 7 %, die Songhai mit 7 %, die <strong>Mali</strong>nké mit 6 % und die<br />

Dogon mit 2,5 % (Fischer Weltalmanch 2002, 525.).<br />

Bei der Betrachtung der Religionszugehörigkeit fällt eine Zuwendung zum Islam deutlich<br />

auf. Über 90 % der Bevölkerung sind muslimischen Glaubens, die restlichen 9 % sind<br />

einer animistischen Religion zu zuordnen und 1 % sind Anhänger des christlichen<br />

Glaubens. (CIA 2009; Leisinger / Schmitt 1992, 125.)<br />

3. Bevölkerungsverteilung in <strong>Mali</strong><br />

In diesem Kapitel wird der räumliche Bezug zu der vorangegangen Bevölkerungsentwicklung<br />

geschaffen. Besonders in einem klimatisch zerteilten Land wie <strong>Mali</strong> ist eine<br />

Untersuchung der räumlichen Verteilung von Bevölkerung und ihren Ballungsgebieten<br />

äußerst interessant. <strong>Mali</strong> umfasst mit einer Fläche von 1.240.192 km² (Fischer<br />

Weltalmanach 2002, 181.) fast die vierfache Fläche von Deutschland, das eine Größe von


357.020 km² (Ebda., 525.) besitzt. Es ist jedoch anzumerken, dass der Norden <strong>Mali</strong>s mit<br />

einer Fläche von 280.000 km² (22,6 % des Staatsgebietes) Teil des Wüstengebiets der<br />

Sahara ist und eine Fläche von 320.000 km² (25,8 % des Staatsgebietes) der Sahelzone<br />

angehören (vgl. Barth 1986, 6.). Demzufolge ist fast die Hälfte des Staatsgebietes sehr<br />

trockener Lebensraum, der eine Besiedlung erschwert. Für <strong>Mali</strong> ergibt sich somit eine<br />

Bevölkerungsdichte von 10 Einw. / km² Fläche (World Population Bureau 2008, 11.). Im<br />

Vergleich dazu leben in Deutschland auf derselben Fläche 230 Einw. (Ebda., 14) und in<br />

Afrika sind es 32 Einw. / km² (Ebda., 11). Bei dieser Diskrepanz machen die<br />

naturräumlichen Gegebenheiten <strong>Mali</strong>s höchstens im Vergleich zum Kontinent Afrika<br />

einen Unterschied. Auf der Abb. 5 ist die räumliche Verteilung der Bevölkerung in Form<br />

von Ballungsgebieten mit der Größe von 10.000 Einw. – entsprechend eines Punktes – zu<br />

erkennen.<br />

Abb. 5: Barth 1986, 191. Abb. 6: Diercke Weltatlas 2005, 139.<br />

Es ist erkennbar, dass sich die Ballungspunkte entlang des Niger Fluss und vornehmlich<br />

im Süden des Landes befinden. Diese räumliche Position entspricht wiederum den<br />

naturräumlichen Gegebenheiten, wie in der Abb. 6 zu erkennen ist. Im Norden liegt das<br />

Wüstengebiet der Sahara und südlich daran angrenzend die Sahelzone mit ihrer<br />

Trockensavanne.<br />

4. Urbanisierung <strong>Mali</strong>s<br />

Bei der räumlichen Betrachtung durch Bevölkerungsverteilung und -dichte im<br />

Staatsgebiet spielt der Prozess der Urbaniserung eine wesentliche Rolle. Weltweit leben<br />

bereits nach dem 'World Population Data Sheet 2008' 49 % der Menschen in Städten<br />

(World Population Bureau 2008, 11.). In den weiter entwickelten Ländern liegt der Grad<br />

der Urbanisierung sogar bei 74 % (Ebda.). Damit ergibt sich auch die Relevanz einer<br />

genaueren Betrachtung der Rolle der Stadt oder des städtischen Ballungsgebietes für<br />

<strong>Mali</strong>. Im Folgenden werden die, für den westafrikanischen Raum, wichtigen Stadttypen<br />

vorgestellt, der Grad der Verstädterung <strong>Mali</strong>s sowie seine Entwicklung präsentiert und<br />

47


zuletzt werden die Ursachen und Folgen der Verstädterung im Allgemeinen und im<br />

Speziellen für <strong>Mali</strong> dargestellt.<br />

4.1. Die afrikanischen Stadttypen<br />

Im west-afrikanischen, subsahara Raum sind zwei Stadttypen wieder zu finden, die<br />

nordafrikanisch-orientalische Stadt und die Kolonialstadt. Die nordafrikanischorientalische<br />

Stadt ist um die Jahrtausendwende entstanden und somit keine autochthone<br />

Stadt. Sie ging einher mit der islamisch-arabischen Eroberung weiter Teile der südlichen<br />

Sahararegion (Vgl. Bähr / Jürgens 2005, 283.). Es bildeten sich Städte die als Handelsknotenpunkte<br />

für den Trans-Sahara-Handel wichtig waren, wie beispielsweise Timbuktu.<br />

Ihr Stadtbild entspricht heute noch in vielen Bereichen dem islamisch-orientalischen<br />

Stadtbild und kennzeichnet sich somit ebenso durch einen zentralen Bazar oder Suq,<br />

durch ihren Sackgassen-Grundriss und die Innenhofstruktur, die beide dem Wahren der<br />

Privatsphäre dienen, und durch die Abtrennung in verschiedene Wohnquartiere<br />

entstehen (Vgl. Bähr 2006, 288f.). Als Beispiel für den Grundriss einer malischen Stadt,<br />

die dem Modell der nordafrikanisch-orientalischen Stadt entspricht, ist Timbuktu zu<br />

nennen. Die Abb. 7 und Abb. 8 zeigen die Stadt Timbuktu, zum einen in ihrem Grundriss<br />

und zum anderen aus der Satellitenperspektive.<br />

Abb. 7: Därr 2008, 411. Abb. 8: Google Earth 2008.<br />

Die Kolonialstadt als zweite entscheidende westafrikanisch Stadt ist im malischen<br />

Staatsgebiet weniger wieder zu finden, da ihre Gründung häufig an die Lage am Meer<br />

gebunden war. Die Entstehung von Kolonialstädten ist in die Phase der Kolonialzeit<br />

einzuordnen. Es handelt sich dabei um Verkehrsknotenpunkte, die für die Ausbeutung<br />

der Bodenschätze des Landes helfen sollte. Dabei kam es häufig zur Neugründung von<br />

Städten in der Nähe bereits bestehender autochthoner Städte und mit Lage am Wasser,<br />

die dann wiederum zum Bau einer Hafenanlage führte. Bei der weiteren Entwicklung kam<br />

48


es zur Überformung des autochthonen Stadtgebietes, mit der Folge eines dualen<br />

Stadtbildes, der so genannten Hybridstadt. Dieser Prozess ist deutlich in der Abb. 9 zu<br />

erkennen. Die Hybridstadt hat eine ethnische Segregation zur Folge, die aus der<br />

Überlagerung zweier Stadttypen entsteht (Vgl. Bähr / Jürgens 2005, 282.).<br />

Abb. 9: Bähr / Jürgens 2005, 291.<br />

Durch seine Binnenlage des Landes spielt der koloniale Stadttyp für <strong>Mali</strong> eine eher<br />

geringere Bedeutung. Die religiöse Zusammensetzung der malischen Bevölkerung deutet<br />

bereits auf einen starken islamischen Einfluss hin. Dieser findet sich auch im Stadtbild<br />

wieder und führt somit zu einer vornehmlichen Zuordnung zur nordafrikanischenorientalischen<br />

Stadt, wie auch die Satellitenaufnahme Timbuktu in Abb. 8 zeigt.<br />

4.2. Grad der Urbanisierung in <strong>Mali</strong><br />

Nach der Zuordnung der malischen Stadt zu einem vorrangigen islamisch-orientalisch<br />

geprägten Stadtbild, wird nun der Grad der Verstädterung betrachtet. In <strong>Mali</strong> hat sich der<br />

Grad des städtischen Lebens im bekannten Zeitraum von 1950 bis 2008 nahezu<br />

vervierfacht. In Tab. 5 wird die Entwicklung ersichtlich und auch der Unterschied<br />

zwischen Deutschland und <strong>Mali</strong> anhand der letzten sechzig Jahre deutlich. In Deutschland<br />

ist der Zuwachs der Städte im Verlauf der Tabelle eher gering, wobei in Afrika und <strong>Mali</strong><br />

ein massiver Verstädterungsgrad zu verzeichnen ist.<br />

49


Tab. 5: Grad der Urbanisierung<br />

Für diese Entwicklung ist es notwendig eine Verbindung zum allgemeinen Bevölkerungszuwachses<br />

in Afrika und in <strong>Mali</strong> zuziehen. So ist die Bevölkerung, ebenso wie der Grad<br />

der Verstädterung, sind innerhalb der letzten ca. 60 Jahre um das Vierfach gestiegen.<br />

Dennoch spielen für das Städtewachstum auch die regionalen Wanderungsbewegungen,<br />

wie z. B. die Land-Stadt-Wanderung eine wichtige Rolle.<br />

50<br />

1950-55 2<br />

Stadt-/Landverteilung<br />

282 354 444 556 697 885 1122 1428 1789 2229 2787 3537<br />

3047 3302 3571 3852 4169 4562 4947 5366 5880 6507 7217 8074<br />

4503<br />

9003<br />

5716<br />

7207<br />

8987 11022 13294 15788 18482 21333<br />

9939 10827 11603 12228 12672 12931 13006 12898<br />

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050<br />

Jahre<br />

Landbevölkerung Stadtbevölkerung<br />

1975-80 2<br />

2008 1<br />

<strong>Mali</strong> 8,5 % 16, 2 % 31 %<br />

Afrika 14,5 % 25,2 % 38 %<br />

Deutschland 68,1 % 72,6 % 73 %<br />

1 World Population Bureau 2008, 7 & 10. | 2 United Nations – Department of Econonic and Social Affairs<br />

Population Division 2008.<br />

Abb. 10: Eigener Entwurf nach United Nations - Department of Economic and Social Population Division 2008.<br />

Die Abb. 10 zeigt die bisherige Entwicklung sowie eine Prognose für den zukünftigen<br />

Grad der Stadt- und Landbevölkerung in <strong>Mali</strong>. Aus der Grafik ist erkennbar, dass ein<br />

großer Teil des Bevölkerungswachstums in den Städten <strong>Mali</strong>s wieder zu finden sein wird.<br />

Wodurch die Städte vor zukünftige, aber bereits aktuelle Problematiken gestellt werden,<br />

die es zu lösen gilt.


4.3. Ursachen des Städtewachstums<br />

Als Ursache für das städtische Wachstum spielen zum einen Anziehungskriterien – Pull-<br />

Faktoren – der Städte ein Rolle, zum anderen führen schlechte Lebensbedingungen auf<br />

dem Land – Push-Faktoren – zur Wanderung in die Stadt. Die Ursachen werden<br />

allgemein als Push- / Pull-Fakoren bezeichnet. Für Push- / Pull-Faktoren kommen fünf<br />

Wirkungsbereiche zum Tragen: demografische, ökologische, wirtschaftliche, infrastrukturelle<br />

und sozial-gesellschaftliche Faktoren. (Vgl. Heineberg 2006, 33 & 326.)<br />

Unterschiedliche Push-Faktoren spielen dabei auch für <strong>Mali</strong> eine Rolle und verursachen<br />

eine Abwanderung aus dem ländlichen Raum. Hierfür steht auf der demografischen<br />

Ebene das stark zunehmende Bevölkerungswachstum, auf der ökologischen Ebene spielen<br />

die naturräumlichen Gegebenheiten und die daraus resultierende Probleme, wie die<br />

Dürreperioden – in <strong>Mali</strong> Anfang der 80er Jahre – eine entscheidende Rolle (Vgl. Bähr /<br />

Jürgens 2005, 282.). Ein weiterer Push-Faktor kann aus der wirtschaftlichen Situation<br />

durch mangelnde Arbeitsplätze im ländlichen Raum ausgelöst werden oder auch<br />

infrastrukturell bedingte mangelnde Versorgung mit Bildung, Krankenhäusern oder auf<br />

sehr essentieller Ebene – allerdings sehr relevant für <strong>Mali</strong> – mit Trinkwasser. Die<br />

genannten Push-Faktoren, waren während der <strong>Exkursion</strong> in <strong>Mali</strong> wieder zu finden.<br />

Gleichzeitig locken jedoch bestimmte Pull-Faktoren die Bevölkerung in die Städte. Dabei<br />

kehren sich viele Push-Faktoren um, so dass in der Stadt z. B. auf bessere oder höhere<br />

Anzahl von Arbeitsplätzen gehofft wird. Bessere Versorgungsmöglichkeiten locken in die<br />

Städte, dabei gibt es für <strong>Mali</strong>er, die studieren möchten, nur in Bamako die Möglichkeit<br />

dazu. Außerdem existiert häufig ein positives Bild vom Stadtleben, das auf der sozialgesellschaftlichen<br />

Ebene Anreize zur Wanderung in die Stadt bietet. Dieses Bild wird<br />

häufig durch 'falsche Anreize' – bessere Versorgungsversorgungssetzungen für Städter,<br />

durch Preisbindung – auf politischer Ebene zusätzlich noch gestärkt (Ebda.).<br />

Unterschiedliche Gründe führen zu einer Zunahme der städtischen Bevölkerung. Es gibt<br />

Push- und Pull-Faktoren durch die es zur Wanderung in die Stadt kommt. Am Beispiel<br />

Moptis hat Beate Lohnert verschiedene Wanderungsbewegungen, die mit der<br />

Urbanisierung zusammenhängen in ihrem Buch ‚Überleben am Rande der Stadt’<br />

aufgezeigt. Für die Stadt Mopti, die nahe dem Niger-Binnendelta gelegen ist, stellt Beate<br />

Lohnert vier Wanderungsströme fest: die Land-Stadt Migration, Inter-urbane Migration,<br />

Saisonale Arbeitsmigration (zirkulär) und Stadt-Stadt Migration (Vgl. Lohnert 1995, 10.).<br />

Diese Einteilung macht deutlich, dass für den Zuwachs der Städte die Push- und Pull-<br />

Faktoren, die vor allem für die Land-Stadt Migration gelten eine Rolle spielen, jedoch gibt<br />

es noch weitere Migrationströme, innerhalb der Stadt sowie zwischen Städten oder auch<br />

saisonale bedingte Wanderungen, die zirkulär funktionieren, d. h. es kommt auch zu<br />

Rückwanderungen in den ländlichen Raum (Vgl. Bähr / Jürgens 2005, 281.). Dennoch<br />

ergibt sich insgesamt ein Bevölkerungszuwachs, der die Städte und auch das Land vor<br />

weitere Herausforderung stellt.<br />

51


4.4. Folge: Marginalsiedlung<br />

Als Folge von überproportionalem Städtewachstums können sich Probleme in der<br />

Versorgung aber auch für die städtischen Strukturen ergeben. Ein häufiges, auch<br />

strukturelles Problem starken Städtewachstums in weniger entwickelten Ländern ist die<br />

Bildung von Marginalsiedlungen. Der Begriff 'Marginal' bezieht sich dabei auf die<br />

Bausubstanz, die minderwertige städtische Lage der Siedlungen sowie die soziökonomische<br />

Situation der Bewohner. Des Weiteren sind sich Marginalsiedlungen durch<br />

eine hohe Bevölkerungsdichte gekennzeichnet, und darin spiegelt sich erneut das<br />

Problem der Überbevölkerung. Es sind oft unkontrolliert, am Stadtrand wachsende<br />

Viertel, die eine schlechte Versorgung sowie eine hohe Kriminalität aufweisen. (Vgl.<br />

Heineberg 2006, 50.)<br />

In westafrikanischen Städten ist wenig Boden in öffentlichem Besitz, wodurch eine<br />

größere Kontrolle über den Boden herrscht, da die privaten Besitzer ihre eigenen<br />

Interessen verfolgen. Daraus ergibt sich weniger verfügbare Fläche im städtischen Raum<br />

und somit eine höhere Verdichtung mit der Folge, dass es schneller zur Bildung von<br />

Marginalsiedlungen kommt. (Vgl. Bähr / Jürgens 2005, 287.)<br />

4.5. Folge: Primatstadt Bamako<br />

Ein interessantes Phänomen, das gehäuft in weniger entwickelten Ländern vorkommt, ist<br />

die Herausbildung einer Primatstadt. Die Primatstadt ist eine Stadt, die im Zuge einer<br />

Überverstädterung, eine führende Rolle einnimmt, dabei handelt es sich häufig um eine<br />

Groß- oder Hauptstadt. Die Primatstadt bekommt neben ihrer demographischen Primacy<br />

– der Begriff kommt aus dem englischen von der so genannten 'Primate City' – auch noch<br />

eine funktionale Primacy, also eine funktionale Überkonzentration von politischadministrativen,<br />

wirtschaftlichen, sozialen und kulturell-wissenschaftlichen Funktionen.<br />

(Vgl. Heineberg 2006, 38.)<br />

In <strong>Mali</strong> ist das Phänomen der Primatstadt in der Hauptstadt Bamako wieder zuerkennen.<br />

Ein Großteil der Bevölkerung, vor allem der städtischen Bevölkerung lebt in der<br />

Hauptstadt. Insgesamt leben 1.494.000 Einw. in Bamako, das sind somit 12 % der<br />

gesamten malischen Bevölkerung und 39 % der städtischen Bevölkerung. (Vgl. United<br />

Nations – Department of Economic and Social Population Division 2008.) Auch ist ein<br />

funktionaler Bedeutungsüberschuss für die Hauptstadt vorhanden: Bamako ist der<br />

Verkehrsknotenpunkt, Universitätsstandort und politisches Zentrum <strong>Mali</strong>s.<br />

4.6. Abschließende Anmerkungen zum Grad der Urbanisierung <strong>Mali</strong>s<br />

Während der <strong>Exkursion</strong> ist die ländliche Prägung des städtischen Raumes aufgefallen,<br />

woraus sich die Frage ergibt, ob der Grad der Verstädterung in <strong>Mali</strong> bzw. in weniger<br />

entwickelten Ländern mit dem der weiter entwickelten Länder gleichgesetzt werden<br />

52


kann. Und ob nicht über einen Prozess vielleicht unter dem Begriff der 'Ruralisierung'<br />

von Städten nachgedacht werden könnte. Beim spazieren durch Bamako, war es kein<br />

unübliches Bild, Hühner oder auch eine Ochsen mitten in der Stadt zu treffen. Oder für<br />

einen galoppierenden Reiter ohne Sattel Platz zu machen. Diese Erfahrungen ließen das<br />

Gefühl entstehen, dass es nicht nur möglich ist, dass sich städtische Lebensweise<br />

verbreitet, sondern auch ländliche Lebensweise auf den Stadtraum übergeht. Dabei wird<br />

jedoch gleichzeitig wieder einmal deutlich, dass der Stadtbegriff ein aus dem europäischen<br />

Stadtverständnis entwickeltes Konzept ist und damit ein Begriff darstellt, der mit seinen<br />

Strukturen und Merkmalen nicht unbedingt für jeden anderen Lebensraum anwendbar<br />

ist.<br />

53


Literaturverzeichnis<br />

BÄHR, Jürgen 2004: Bevölkerungsgeographie. 4. Auflage, Stuttgart.<br />

BÄHR, Jürgen; JÜRGENS, Ulrich 2005: Stadtgeographie II - Regionale Stadtgeographie.<br />

Braunschweig.<br />

BARTH, Hans Karl 1986: <strong>Mali</strong> - Eine geographische Landeskunde. Darmstadt.<br />

DÄRR, Erika (Hrsg.); BAUR, Thomas; GÖTTLER, Gerhard 2008: Sahel-Länder Westafrikas.<br />

8. Auflage, Bielefeld.<br />

FISCHER VERLAG 2001: Fischer Weltalmanach 2002. Frankfurt a. Main.<br />

HEINEBERG, Heinz 2006: Stadtgeographie. 3. Auflage, Paderborn.<br />

LEISINGER, Klaus M.; SCHMITT, Karin 1992: Überleben im Sahel - Eine ökologische und<br />

entwicklungspolitische Herausforderung. Basel/ Bosten/ Berlin.<br />

LOHNERT, Beate 1995: Überleben am Rande der Stadt - Ernährungspolitik,<br />

Getreidehandel und verwundbare Gruppen in <strong>Mali</strong> - Das Beispiel Mopti. Saarbrücken.<br />

MÜLLER, Franz-Volker 1990: Flexibal aus Tradition - Strategien wirtschaftlichen und<br />

sozialen Handelns im mittleren Nigertal (<strong>Mali</strong>). München.<br />

Westermann 2005: Diercke Weltatlas. 4. Auflage, Braunschweig.<br />

CIA 2009: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/print/ml.html<br />

Stand 29.04.2009.<br />

United Nations Development Programme 2008: Human Development Indices 2008.<br />

http://hdr.undp.org/en/media/HDI_2008_EN_Tables.pdf Stand 26.04.2009.<br />

United Nations - Department of Economic and Social Affairs - Population Division<br />

2008: World Population Prospects: The 2006 Revision Population Database.<br />

http://esa.un.org/unpp/index.asp?panel=1 Stand 10.11.2008.<br />

World Population Bureau 2008: 2008 World Population Data Sheet.<br />

http://www.prb.org/pdf08/08WPDS_Eng.pdf Stand 10.11.2008.<br />

54


Agrarwirtschaftliche Strukturen<br />

und Lebensbedingungen<br />

Melanie Kühl<br />

55


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Rahmenbedingungen.................................................................................................................... 57<br />

1.1. Ausgewählte Standortfaktoren .......................................................................................... 57<br />

2. Ökologische Bedingungen .......................................................................................................... 58<br />

2.1. Dürre und Desertifikation.................................................................................................. 58<br />

2.2. Veränderungen der Nigerflutbewegung........................................................................... 58<br />

2.3. Savanne ................................................................................................................................... 59<br />

3. Regenfeldanbau ............................................................................................................................. 59<br />

3.1. Sorghum.................................................................................................................................. 59<br />

3.2. Hirse........................................................................................................................................ 60<br />

3.3. Mais.......................................................................................................................................... 60<br />

3.4. Reis .......................................................................................................................................... 60<br />

3.5. Erdnüsse ................................................................................................................................. 60<br />

3.6. Baumwolle.............................................................................................................................. 61<br />

3.6.1. Baumwollproduktion für den Weltmarkt: verzerrter Wettbewerb und die<br />

Folgen für <strong>Mali</strong>............................................................................................................... 61<br />

3.7. Spezialkulturen ...................................................................................................................... 63<br />

4. Probleme der Landwirtschaft in der Savanne ........................................................................ 63<br />

4.1. Die sahelischen Regionen ................................................................................................... 64<br />

5. Bewässerungswirtschaft.............................................................................................................. 64<br />

5.1. Gebiete der Bewässerungswirtschaft............................................................................... 65<br />

5.2. Oberflächengewässer .......................................................................................................... 65<br />

6. Weidewirtschaft und Tierhaltung............................................................................................. 66<br />

7. Sammelwirtschaft und Schilfgrasnutzung................................................................................. 68<br />

8. Fischfang ......................................................................................................................................... 68<br />

9. Desertifikation .............................................................................................................................. 68<br />

9.1. Nachhaltige Desertifikationsbekämpfung ........................................................................ 70<br />

56


1. Rahmenbedingungen<br />

Die Binnenlage <strong>Mali</strong>s ist einer der Hauptgründe für die Ausprägung allgemeiner negativer<br />

Rahmenbedingungen. <strong>Große</strong> Teile des Landes leiden an der schlechten inneren und<br />

äußeren Verkehrsanbindung, die zusammen mit der wirtschaftlichen und medizinischen<br />

Unterversorgung zur infrastrukturellen Benachteiligung führt (Vgl. Barth 1986, 59).<br />

1.1. Ausgewählte Standortfaktoren<br />

Die Hydrologie ist besonders durch das mäandernde Flusssystem des Nigers bestimmt,<br />

der mit seinen jahreszeitlich bedingten Flutbewegungen das Leben der Menschen<br />

bestimmt (Vgl. Barth 1986, 60).<br />

Niederschläge sind, bezogen auf die Landwirtschaft, in direkte und indirekte Wirkung zu<br />

unterteilen:<br />

Direkte Niederschlagswirkungen beeinflussen besonders den traditionellen Überflutungsreisanbau,<br />

da durch die gleichmäßige Verteilung der ersten Regenfälle der Erfolg der<br />

Direktansaat des traditionellen Flutreises bestimmt wird.<br />

Die indirekte Niederschlagswirkung ergibt sich aus der Flutveränderung des Nigers. Da<br />

ein Großteil der vom Regen abhängigen Anbaugebiete außerhalb der agronomischen<br />

Regenfeldbau Grenzen liegt, ist das sichere Eintreten der alljährlichen Flutbewegung von<br />

großer Bedeutung (ebda.).<br />

Klima: Der Süden des Landes befindet sich in der sahelischen Klimazone. Das bedeutet<br />

eine durch die innertropische Konvektionsgrenze ausgelöste Abfolge von Trocken- und<br />

Regenzeit, die klimabestimmend wirkt. Landwirtschaftlich bedeutend ist daher die<br />

ungleichmäßige Niederschlagsverteilung. Häufige Starkregenfälle, vor allem zu Beginn der<br />

Vegetationszeit sorgen dafür, dass das Wasser größtenteils oberflächlich abfließt und<br />

damit nur zu einem geringen Teil für die Pflanzen verfügbar ist (Vgl. Barth 1986, 61).<br />

Die hydrologische Negativbilanz wird noch durch die hohe Evapotranspirationsrate, von<br />

über 2000 mm/Jahr, verschärft, die sich bei herrschenden Temperatur-Mittelwerten um<br />

36°C einstellt (ebda.).<br />

Die Höhe der Niederschlagswerte und deren erhebliche Schwankungsbreite<br />

unterstreichen die Bedeutung des Nigerwassers für eine Bewässerungslandwirtschaft als<br />

Lebensgrundlage der Bevölkerung. Die negativen Niederschlagsverhältnisse bewirkten<br />

jedoch in der Regel auch einen unmittelbaren Rückgang des Nigerwasserstandes.<br />

Wind: Ist ein bedeutender Klimafaktor, da er trockenheitsverstärkend und erosiv wirkt.<br />

Sandstürme können die landwirtschaftlichen Kulturen sehr gefährden (Vgl. Barth 1986,<br />

63). Dieser Gefährdung sollen Windschutzanpflanzungen entgegenwirken.<br />

Der Boden besteht vorwiegend aus subarider Braunerde, entstanden auf Sandsteinformationen.<br />

Im Überschwemmungsgebiet des Nigers entstehen hydromorphe Böden,<br />

die vorwiegend durch Flutwasser oder oberflächennahes Grundwasser beeinflusst<br />

werden. Dieser Bereich konzentriert sich vorwiegend auf den einen schmalen Bereich<br />

von 10 – 20 km entlang des Nigerverlaufs und setzt den Möglichkeiten der acker-<br />

57


aulichen Nutzung deutliche Grenzen. Dieser Bereich wird der agropastoralen Zone<br />

zugeordnet. Sie ist von der Überflutungstätigkeit des Nigers abhängig. Die hier<br />

entstehenden Böden mit hohem Ton- und Feinschluffanteil, eignen sich aufgrund der<br />

Wasserrückhaltefähigkeit gut für den Naßreisanbau, sind jedoch nur schwer bearbeitbar<br />

(Vgl. Barth 1986, 63-64).<br />

Die sandigen Böden der Baum/Strauch- bzw. Dornbuschsavanne gehören in der Regel zu<br />

den subariden Braunerden, die nur sehr geringe organische Substanz aufweisen. Dieses<br />

wirkt ertragsbegrenzend (Vgl. Barth 1986, 65).<br />

2. Ökologische Bedingungen<br />

2.1. Dürre und Desertifikation<br />

Dürre: Zeiträume anhaltender Wasserknappheit (Niederschlagsmangel) über mehrere<br />

Jahre, „sind im Sahel wiederkehrende Ereignisse, die daher im Leben der Sahelbevölkerung<br />

eine zentrale Rolle spielen“. (Barth 1986, 65). Die soziokulturellen<br />

Lebensformen sind dieser Situation angepasst. Die Auswirkungen der großen Dürren der<br />

70er und 80er Jahre waren Langezeit in der gesamten Sahelregion sichtbar. „Die Ursache<br />

hier ist die Empfindlichkeit des sahelischen Ökosystems, dessen klimatisch bedingte<br />

Regenerationsfähigkeit durch die Dürreauswirkungen erheblich geschwächt wurde“<br />

(Barth 1986, 67).<br />

Desertifikation: „… die Ausbreitung wüstenähnlicher Verhältnisse im Gebiete hinein, in denen<br />

sie zonal-klimatisch eigentlich nicht existieren sollten.“ (Barth 1986, 65 zitiert nach Mensching<br />

1990,4).<br />

Dürrekatastrophen und Desertifikation sind fast immer miteinander verbunden. Hierbei<br />

trägt der Mensch durch die Landnutzung indirekte Verantwortung für die Desertifikation<br />

als Ursache zunehmender Dürren.<br />

2.2. Veränderungen der Nigerflutbewegung<br />

Der Niger durchfließt auf einer Länge von 1745 km das Staatsgebiet und wirkt in seinem<br />

Durchzugsgebiet bestimmend auf die landwirtschaftliche Produktivität. In den letzten<br />

Jahrzehnten kam es zu einer Verringerung der Nigerfluthöhe. Dazu kommt, dass die<br />

flächenhafte Überschwemmung zu einer Abschwächung der Nigerflutfälle führt. <strong>Große</strong><br />

Flächen, die mittlerweile nicht mehr von der Nigerflut erreicht werden, müssen seitdem<br />

mit Motorpumpen bewässert werden um die Reisproduktion soweit wie möglich<br />

sicherzustellen. Der Haupteinfluss auf die Abschwächung der Nigerfluthöhe hat klimatische<br />

und anthropogene Ursachen: insbesondere der extreme Rückgang des<br />

Wasserführung des Bani-Flusssystems. Dieser Hauptzufluss oberhalb des Binnendeltas<br />

wurde stark durch den Niederschlagsrückgang und Abholzung im Quellgebiet verringert.<br />

Er lieferte 1986 bereits 60 % weniger Wasser als 1966. Die Durchflussmenge des Nigers<br />

58


verringerte sich von 1970 bin 1986 von ca. 1.000 m³/s auf 500 m³/s im jährlichen Mittel<br />

(Vgl. Barth 1986, 70-71).<br />

2.3. Savanne<br />

Die agrarökologischen Voraussetzungen der Savannengebiete im südlichen Landesteil<br />

<strong>Mali</strong>s leiten sich im Wesentlichen ab von der klimatischen Ausstattung, wobei<br />

Niederschlagsmenge, Niederschlagsgang im Jahresverlauf, Strahlungspotential und<br />

Temperatur sowie Wasserhaushalt im Vordergrund stehen. Raumdifferenzierende, das<br />

jeweilige Nutzungspotential innerhalb der Savannengebiete bestimmende Naturhaushaltskomponenten<br />

sind das Relief und die Böden (Vgl. Barth 1977, 147).<br />

Im südlichen und mittleren Landesteil <strong>Mali</strong>s herrscht Feucht- und Trockensavanne vor.<br />

Die Niederschlagsmenge beträgt zwischen 1000 und 1500 mm/Jahr. Dies sind günstige<br />

Bedingungen für Regenfeldanbau. In allen Teilen gibt es eine ausreichend lange Regenzeit<br />

mit 9 bis 3 humiden Monaten. Dies gewährleistet eine Wachstumsperiode, die den<br />

Anbau einer vieler Kulturpflanzen ermöglicht (ebda.).<br />

3. Regenfeldanbau<br />

Der Regenfeldanbau ist durch Dürreereignisse zunehmend unsicher. Der häufige<br />

Saatgutmangel ist ein weiteres Risiko. Daher besteht ein deutliches Anbaugefälle Richtung<br />

Norden, so dass hier kaum noch Getreideproduktion im Regenfeldbau betrieben wird. Er<br />

hat somit eine geringere Bedeutung gegenüber der traditionellen Bewässerungswirtschaft.<br />

3.1. Sorghum<br />

Der Anbau von Sorghum gehört zu den ältesten ackerbaulichen Aktivitäten Afrikas. Er<br />

besitzt je nach Ortslage und Bodenverhältnissen unterschiedliche Bedeutung. Heute ist<br />

er in den Savannengebieten Afrikas die am weitesten verbreitete Kulturpflanze und<br />

mittlerweile wichtiger als Hirse, da er auf den schweren Böden im Nigerflutbereich<br />

bevorteilt ist und eine hohe ökologische Anpassungsfähigkeit besitzt: Dürreeinwirkungen<br />

machen ihr ebenso wenig aus wie Wasserandrang in der Zeit der Niederschlagsmaxima.<br />

An die Dauer der Niederschlagsperiode angepasste Vegetations- und Reifephase<br />

zwischen 90 und 140 Tagen erlaubt den Anbau sowohl in den südlichen Feuchtsavannen<br />

als auch im Bereich der agronomischen Trockengrenze (Vgl. Barth 1977, 147). Unterschieden<br />

wird in Nachflutanbau, welcher auf den restfeuchten Niger-Überschwemmungsflächen<br />

oder tonhaltigen Senken mit anstehendem Grundwasser gesät wird und<br />

Direktsaat, welche mit Einsetzen der Regenzeit auf tonhaltigen Sanden und Senken<br />

geschieht.<br />

59


3.2. Hirse<br />

Die Anbaufähigkeit von Hirse reicht von den Feuchtsavannen im Süden bis in die<br />

sahelischen Regionen. Diese über mehrere Klimazonen hinweg reichende Anbaufähigkeit<br />

ist in den Merkmalen der Hirse begründet: Unterschiedliche Wachstums- und<br />

Reifeperioden (je nach Sorte), gute Anpassung an hohe Strahlungs- und Temperaturwerte<br />

und relativ geringe Ansprüche an die Bodengüte (Vgl. Barth 1977, 148) Im<br />

Unterschied zu Sorghum ist Hirse allerdings empfindlicher gegenüber Staunässe und<br />

Überflutung (ebda.).<br />

Der Anbau ist auch auf sandigen Böden möglich. Etwas schwerere tonig-schluffige Sande<br />

werden allerdings bevorzugt, so dass optimale Ertragsbedingungen in der Region der<br />

Trockensavanne herrschen. Der Anbau ermöglicht gleichzeitig Weidewirtschaft. Die<br />

Erträge liegen wegen der geringen Niederschläge meinst unter 300 kg/ha.<br />

3.3. Mais<br />

Mais hat eine wesentlich geringere Bedeutung gegenüber Sorghum und Hirse. Der Anbau<br />

wird vor allem in den Feuchtsavannen im Südosten betrieben. Im Unterschied zu<br />

Sorghum und Hirse reagiert Mais empfindlich auf Feuchtemangel und mindere<br />

Bodengüte. Sichere Erträge sind nur in Niederschlagsgebieten bis zu 800 mm/Jahr<br />

möglich (Vgl. Barth 1977,149). Nährstoffarme Böden sind ausgeschlossen. Für eine<br />

zukünftige Ausweitung des Anbaus spricht allerdings, dass Mais in seiner Reifeperiode<br />

gegen Verluste durch Schlagregen, Insektenbefall und Vogelfraß geschützt ist (ebda.).<br />

3.4. Reis<br />

Man unterscheidet Nass- und Trockenreis. In <strong>Mali</strong> vorwiegend in Überflutungsniederungen<br />

entlang der Flüsse im Gebiet der Feuchtsavannen aber auch in den<br />

Trockensavanne und Sahel angebaut. Einige Sorten haben ihr Hauptanbaugebiet des<br />

Niger-Binnendeltas mit seinen riesigen Überschwemmungsebenen (Vgl. Barth 1977, 150).<br />

Reis hat sehr spezifische Ansprüche an den Wasserhaushalt und die Böden. „Die<br />

Verfügbarkeit von Wasser in ausreichender Menge und zum richtigen Zeitpunkt ist eine<br />

der wichtigsten Voraussetzungen, die über Erfolg oder Misserfolg der Nassreiskultur<br />

entscheiden“ (ebda.).<br />

3.5. Erdnüsse<br />

Der Anbau von Erdnüssen findet schwerpunktmäßig in den südwestlichen Landesteilen<br />

zwischen Bamako und Kayes statt. Neben Baumwolle das wichtigste Agrarprodukt, das<br />

als „cash crop“ exportiert oder im Land verarbeitet wird. Feuchtsavanne und südliche<br />

Trockensavanne bieten günstige Bedingungen hinsichtlich der Anforderungen der<br />

Erdnusspflanze. Relative Sicherheit im Niederschlagsgang, richtige Terminierung von Saat<br />

60


und Ernte in Abhängigkeit vom Niederschlag und ausgeglichene Wasserversorgung in der<br />

Wachstumsphase sind daher ertragswirksame Voraussetzungen: fallen in der Reifezeit<br />

noch Niederschläge, so bedeutet eine „feuchte“ Ernte erhebliche Einbußen. Leichte,<br />

sandige Lehmsubstratböden ohne Wasserstaueigenschaften und gute Dränierung sind<br />

Voraussetzung, ebenso wie ein gutes Nährstoffangebot (Vgl. Barth 1977, 151).<br />

3.6. Baumwolle<br />

Die Baumwolle ist, wie die Erdnuss, ebenfalls als „cash crop“ zu bezeichnen. Die<br />

Hauptanbaumöglichkeit ist auf den Süden des Landes beschränkt. Das Feuchteangebot<br />

nach Dauer und Verteilung ist ein wesentliches Kriterium, die den Zeitpunkt der Ernte<br />

bestimmen und über den Ertrag entscheidet. Hinzu kommt die Voraussetzung gut<br />

dränierter und durchlüfteter Böden mit guten Speichereigenschaften (Vgl. Barth, 1977,<br />

151-152).<br />

3.6.1. Baumwollproduktion für den Weltmarkt: verzerrter Wettbewerb und<br />

die Folgen für <strong>Mali</strong><br />

Laut FAO Production Yearbook belegt China weltweit Platz 1 der Rangliste der<br />

Produzenten von Baumwollfaser. Dies verweist auf die enorme wirtschaftsstrategische<br />

Rolle der Baumwolle in den Schwellenländer Asien. Auch die enorme, vom Staat<br />

subventionierte US-amerikanische Baumwollproduktion ist die Grundlage für eine auf<br />

weltweiten Absatz ausgerichtete Textilherstellung (Vgl. Krings 2004, 28).<br />

Auf dem Hintergrund der Machtstellung der großen amerikanischen und asiatischen<br />

Baumwollproduzenten ist es sehr erstaunlich, dass sich auch in den am wenigsten<br />

entwickelten Ländern Afrikas die Baumwollproduktion äußerst dynamisch entwickelt hat.<br />

Auf der Ministerkonferenz der WTO 2003 in Cancún waren die Agrarsubventionen der<br />

EU und der USA eines der Hauptgesprächsthemen. Die Schwellenländer und<br />

afrikanischen Baumwollerzeugerländer forderten eine konkrete Zusage zum Abbau der<br />

Exportsubventionen.<br />

Die afrikanischen Erzeugerländer, von denen die meisten der Gruppe der LDC (least<br />

developed countries) gehören, können Baumwolle häufig um 50 % billiger als die USA<br />

produzieren, sind aber wegen der hohen Subventionen nicht wettbewerbsfähig. Die<br />

Subventionen gepaart mit einem hohem $-Kurs führten 2000/1 zu den niedrigsten<br />

Weltmarktpreisen seit 30 Jahren, was für die afrikanischen Länder rund 30 % der<br />

Exporteinnahmen, mehr als 60 % der agrarischen Exporterlöse und bis zu 10 % der BIP<br />

ausmachten. Dies hatte große Folgen für Kleinbauern. Mehrere Entwicklungsländer<br />

reagierten auf die Forderungen ihrer Kleinbauern nach einer besseren Vertretung ihrer<br />

Interessen in der WTO (ebda.).<br />

Baumwolle wurde in <strong>Mali</strong> in den vergangenen Jahren nach Gold zum wichtigsten<br />

Exportprodukt. Etwa 60 % des malischen Exporterlöses kommt aus der Baumwollproduktion.<br />

Die in den westafrikanischen Ländern produzierte Baumwolle ist von sehr guter Qualität,<br />

da sie von Hand gepflückt wird und somit nicht so stark verunreinigt ist wie die<br />

61


mechanisch geerntete Baumwolle (Vgl. Krings 2004, 30). Der Baumwollanbau findet in<br />

kleinen und mittleren Familienbetrieben statt. Die Baumwollanbaugebiete gehören zu den<br />

ländlichen Gebieten mit dem höchsten Entwicklungsstand des Landes. Infolge der<br />

überdurchschnittlichen hohen Einkommen, verfügen viele Haushalte über einen oder<br />

mehrere Pflüge oder Ochsen. Die Baumwolle bildet darüber hinaus die Grundlage der<br />

Agroindustrie in <strong>Mali</strong>: Baumwollentkörnungsfabriken, Baumwoll-Ölmühlen.<br />

Abb. 1: Geographische Rundschau 11/2004, 32.<br />

Die beachtlichen Produktionssteigerungen im Baumwollanbau sind weniger das Ergebnis<br />

der Erhöhung der Flächenproduktivität als vielmehr durch die jahrzehntelange<br />

Ausdehnung der Ackerflächen bei einer gleichzeitigen Reduzierung des Brachlandanteils<br />

erreicht. Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren der Mineraldünger in <strong>Mali</strong> nicht mehr<br />

staatlich subventioniert wird, und so die Bodenfruchtbarkeit auf sehr vielen Ackerflächen<br />

abnimmt.<br />

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass bei anhaltend hohem natürlichem Bevölkerungswachstum<br />

von 2,5 – 3 % pro Jahr eine notwendige weitere Steigerung der Nahrungsmittelproduktion<br />

im Regenfeldbau in den kommenden Jahrzehnten zumindest sehr<br />

wahrscheinlich wird (Vgl. Krings 2004, 31).<br />

Die rasante Entwicklung des Baumwollanbaus führt in <strong>Mali</strong> und anderen westafrikanischen<br />

Baumwoll-Erzeugerländern nicht nur zu ökologischen, sondern auch zu<br />

einer Reihe sozioökonomischer, Probleme:<br />

1. Notwendigkeit von Bargeld durch den Baumwollanbau zu erwirtschaften<br />

begünstigt die größeren Betriebseinheiten. Am schlechtesten gestellt sind die<br />

Zwergbetriebe ohne nennenswerte Mechanisierung<br />

2. In <strong>Mali</strong> ergeben sich neue Konflikte aufgrund einer erfolgreichen Alphabetisierung<br />

der Kleinbauern. Autorität der Alten wird untermindert<br />

3. Der Sturz des malischen Staatschef Moussa Traoré 1991 führte zu einer<br />

politischen Liberalisierung (Baumwollstreik 1998: Produktionseinbrüche)<br />

62


4. Bodenspekulationen im Umkreis der schnellwachsenden städtischen Zentren<br />

Sikasso und Koutiala. Nur diejenigen Akteure, die über einen legalen<br />

Eigentumstitel an Grund und Boden verfügen, können die höchsten Bodenrenten<br />

durch Verpachtung, Verkauf von Bauland oder durch den Baumwollanbau<br />

realisieren. (ebda.).<br />

Fazit: In den Trocken- und Feuchtsavannen hat die Baumwolle eine zentrale ökonomische<br />

Bedeutung zu Erwirtschaftung benötigter Devisen. Für viele Menschen im<br />

ländlichen Raum bildet der Verkauf von Rohbaumwolle die wichtigste Einkommensquelle.<br />

Vorteile: Baumwollgebiete haben einen allgemeinen Entwicklungsstand hinsichtlich<br />

Nahrungssicherheit, Bildung und Gesundheit, der wesentlich höher liegt als in Gebieten<br />

ohne Baumwollanbau.<br />

Die Nachteile sind Bodenerschöpfungen, Bodendegradation, flächenhafte Rodung und der<br />

Verlust von Brachflächen.<br />

Maßnahmen:<br />

1. Einführung von Boden konservierenden Maßnahmen<br />

2. Erhöhtes Verantwortungsbewusstsein der „großen“ Erzeugerländer hinsichtlich<br />

der Gewährung von fairen Zugangschancen zum Weltmarkt (ebda.).<br />

3.7. Spezialkulturen<br />

Die Feucht- und Trockensavanne eröffnen eine Vielzahl von Anbaumöglichkeiten für eine<br />

Vielzahl von Kulturarten. Der Gemüseanbau ist für viele Anbauer mittlerweile<br />

Haupterwerbszweig. An erster Stelle stehen Tomaten und Zwiebeln, es folgt Gombo. In<br />

städtischen Bereichen werden außerdem Karotten, Kohl, Rote Beete sowie lokale Tee-<br />

und Gewürzpflanzen angebaut. Des Weiteren die Stärkefrucht Batate und die<br />

Eiweißpflanze Augen- oder Niébé-Bohne. Auch Obstkulturen, wie Mango-Bäume,<br />

Limonen und Orangen, vereinzelt Bananen und Datteln aus den Oasen des Nordens, sind<br />

anzufinden (Vgl. Barth 1986, 133).<br />

4. Probleme der Landwirtschaft in der Savanne<br />

Das ökologische Potenzial der Savannengebiete bleibt durch das spezifische Klimageschehen,<br />

durch die Hemmnisse mangelnder Bodenfruchtbarkeit, durch die<br />

Empfindsamkeit in der Reaktion des Naturhaushalts gegenüber menschlichen Eingriffen<br />

beschränkt. Eine großräumige intensivierte Agroindustrie nach europäischen oder USamerikanischen<br />

Muster ist, selbst bei Vorhandensein entsprechender Investitionsmitteln<br />

sowie Bereitschaft und Know-how unter der landwirtschaftlichen Bevölkerung, nicht<br />

möglich. Eine Verbesserung agrarwirtschaftlicher Produktion erscheint nur dann möglich,<br />

wenn entsprechende Maßnahmen und Veränderungen schrittweise und in vorsichtiger<br />

Anpassung an die jeweiligen kleinräumigen Besonderheiten im Naturhaushalt erfolgen<br />

(Vgl. Barth 1986, 152).<br />

63


4.1. Die sahelischen Regionen<br />

Der Sahel ist der „Übergangsraum“ von den Wüsten und Halbwüsten zu den trockenen<br />

und wechselfeuchten Savannen. Die Vegetationszone des Sahel wird vereinfachend mit<br />

der Bezeichnung Dorn- oder Dornbuschsavanne umschrieben. (Vgl. Barth 1986, 67). Die<br />

wird je nach klimatischer Situation und damit verbundener Pflanzendichte in einen Nord-<br />

und Süd-Sahel unterteilt:<br />

Die Nördliche Region ist bereits saharisch geprägt. Niederschläge erreichen hier nur<br />

noch 100 – 200 mm auf 1 – 2 Monate verteilt. Es gibt große vegetationsfreie Flächen mit<br />

fließendem Übergang in den Wüstenbereich. Es überwiegt die Dornbuschsteppe, in der<br />

Bäume zurücktreten und nur noch in Wadiflächen vorkommen. (Vgl. Barth 1986, 68).<br />

Ausgedehnte Grasflächen kommen im Nordbereich kaum noch vor und werden<br />

hauptsächlich von einjährigen Gräsern bestimmt (Vgl. Barth 1977, 154-155).<br />

In der südlichen Region, die heute zwischen 200 – 400 mm Niederschlag erhält, nimmt<br />

wegen der besseren Niederschlagsverteilung über 2 – 3 Monate der natürliche<br />

Baumbewuchs zu. weiter enthält diese Zone größere, zusammenhängende Weideflächen<br />

mit saheltypischen Gräsern. (Vgl. Barth 1986, 68). Es wird hier von einer Dorn- oder<br />

Trockensavanne gesprochen oder einer Baum-Busch-Steppe. Die biogeografische<br />

Zonierung kann allerdings nicht klar abgegrenzt werden (ebda.).<br />

5. Bewässerungswirtschaft<br />

Hauptkultur entlang des Nigers ist, auf den Überflutungsflächen, der Nassreisanbau. Die<br />

Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen sind eng mit dem Rhythmus des<br />

Wasserstandes verbunden. „Hydrologische Bestimmungsgrößen sind das Einsetzen, die<br />

Dauer und Höhe der Überschwemmung, sowie die Intensität und Verteilung der ersten<br />

Regenfälle“ (Barth 1986, 121). Je nach Vegetationszeit und Wassertiefe der Überflutungszone<br />

werden verschiedene Reissorten mit unterschiedlichen Methoden angebaut. Die<br />

tonreichen Überschwemmungsböden werden, da sie nur schwer zu bearbeiten sind,<br />

vielfach erst nach Einsetzen der ersten Starkregenfälle oder aber kurz nach Ablaufen des<br />

Wassers und entsprechendem Restfeuchtegehalt, schon früher umgebrochen (Vgl. Barth<br />

1986, 124). Gegen eine zeitige Bearbeitung spricht jedoch, die Nutzung der abgeernteten<br />

Reisflächen und der angrenzenden Schilf- und Wildbewuchsbereiche als Viehweide in der<br />

Trockenzeit (ebda.).<br />

Die Sortenwahl richtet sich in erster Linie nach den vorherrschenden Niger-<br />

Flutverhältnissen. Aus Gründen der Ertragssicherheit überwiegt der Anteil von<br />

Spätsorten. Allerdings sind die Flächen der Frühsorten sehr begehrt, da auf diese Weise<br />

die mangelnder Getreideversorgung abkürzt werden kann.<br />

Neben der Unterscheidung nach der Vegetationszeit können die Sorten auch nach ihrer<br />

Strohlänge unterschieden werden. Die anfallenden Strohmengen werden als zusätzliche<br />

Viehfutterquelle genutzt (Vgl. Barth 1986, 125).<br />

64


5.1. Gebiete der Bewässerungswirtschaft<br />

Bewässerung wird betrieben, um die für die semiariden Trockensavannen und die Sahel-<br />

Gebiete Unsicherheiten im Klimageschehen auszugleichen sowie den einen Anbau<br />

ausschließenden Niederschlagsmangel des nördlichen Sahel und der Wüstenrandgebiete<br />

zu ersetzen.<br />

Das Potenzial an Oberflächengewässern ist überraschend groß. Dennoch steht deren<br />

Nutzung noch in den Anfängen. Bislang werden weder Grund- noch Oberflächenwässer<br />

in ihrem Potential ausgeschöpft, da dies mit entsprechenden Anforderungen an<br />

Infrastruktureinrichtungen, Agrar- und Bewässerungstechnik hohen Kapitalaufwand<br />

voraussetzt, den zu erbringen weder Regierung noch die bäuerliche Bevölkerung in der<br />

Lage ist (Vgl. Barth 1977, 159).<br />

5.2. Oberflächengewässer<br />

Der Gesamtraum <strong>Mali</strong>s ist durch Niger und Senegal beherrscht. Da diese erheblichen<br />

Wasserstandsschwankungen unterliegen, gestaltet sich eine Nutzbarmachung schwierig.<br />

Hohe Wasserstands- und Schüttungsunterschiede im jahreszeitlichen Ablauf müssten, um<br />

das Abflusswasser einer Nutzung in Bewässerungskulturen zuzuführen, durch<br />

Stromverbauungen aufgefangen werden. Dies ist allerdings durch geomorphologische und<br />

topografische Gegebenheiten äußerst schwierig und mit hohem Kostenaufwand<br />

verbunden (Vgl. Barth 1977, 159-160). Im Planungsstadium befinden sich im Sahel-Gebiet<br />

gelegen zwei Stauwerke, die auf die Bewässerungskultur des Nigers abzielen. Diese<br />

beiden Vorhaben sollen auf lange Sicht die sozioökonomische und infrastrukturelle<br />

prekäre Situation der Nordregion <strong>Mali</strong>s verbessern. So soll das Nigertal unterhalb<br />

Timbuktus vor allem für Weizen- und Reisanbau erschlossen werden.<br />

Probleme:<br />

1. erhebliche Teile des Überschwemmungsgebietes im Binnendelta werden nicht<br />

mehr erreicht.<br />

2. Traditioneller Fischfang und Reisanbau zahlloser Dorfgemeinschaften im Delta<br />

bedroht<br />

3. Auf frühere Hochwasserspiegel eingestellte Schleusen und Kanäle außer Funktion<br />

gesetzt (Vgl. Barth 1977, 162-163).<br />

Unter diesem Aspekt gewinnen Alternativen zu solchen großen Projekten an Bedeutung.<br />

Eine Vielzahl kleiner weniger spektakulärer, dafür aber effektiver, finanziell überschaubarer<br />

und vor allem geoökologisch kontrollierbarer Vorhaben, wurden bereits mehrfach<br />

in verschiedenen Teilen des Landes erfolgreich realisiert.<br />

Beispiel: In Kamankolé unterhalb Kayes wurden auf einer oberen Uferterrasse am<br />

Senegal mit geringem finanziellen Auswand eine Bewässerungsfläche von 5 ha erschlossen<br />

und unter 20 Bauern verteilt.<br />

Demnach haben sowohl Trockensavanne als auch der Sahel gleichermaßen ein<br />

hervorragendes Potential in der Nutzung von Oberflächenwässern für Bewässerungszwecke<br />

• Nutzeffekt kleinerer Vorhaben<br />

• Minimale Kapitalintensität<br />

65


• Praktikabel und überschaubar<br />

• Anwendbarkeit traditioneller Methoden<br />

• Anpassung der Agrarproduktion an die herkömmlichen Sozialstrukturen der<br />

Dorfgemeinschaften (ebda.).<br />

Hinzu kommt, dass die geoökologische Gefährdung des Naturpotentials und Vorgänge<br />

der Desertifikation im Rahmen kleinräumiger Eingriffe in den Naturhaushalt weit geringer<br />

und kontrollierbarer sind als dies bei großflächigem Vorhaben der Fall ist und somit<br />

Klein- und Kleinstprojekten Vorzug zu geben ist.<br />

6. Weidewirtschaft und Tierhaltung<br />

Abnehmende Niederschläge und zunehmende Niederschlagsvariabilität im Übergangsgebiet<br />

der nördlichen Trockensavanne zur südlichen sahelischen Zone machen<br />

Regenfeldbau nur noch beschränkt möglich und somit gewinnt die Tierhaltung an<br />

Bedeutung. Außerdem hat hier die Tsetsefliege keinen Einfluss mehr. Besonders in den<br />

nördlichen Sahel- und Wüstenrandgebieten stellt die Weidewirtschaft die einzige<br />

Lebensgrundlage der Bevölkerung dar (Vgl. Barth 1977, 154).<br />

Neben der weitverbreiteten Rinderzucht sind insbesondere die Haltung von Schafen und<br />

Ziegen von Bedeutung. Insgesamt handelt es sich hierbei um sehr extensive Formen der<br />

Viehwirtschaft, die vor allem von (Halb-)Nomaden praktiziert wird (ebda.).<br />

Bedingt durch den klimatischen Rhythmus zwischen langanhaltender Trocken- und<br />

kurzer Feuchtperiode unterliegt das Futterangebot der natürlichen Weiden außerordentlichen<br />

Schwankungen<br />

Während im nördlichen Sahel weniger als 30 % der Oberfläche von Vegetation bedeckt<br />

sind, ist eine geschlossene Rasengesellschaft vor allem für die südlichen Sahel-Gebiete<br />

während der Regenzeit kennzeichnend. Aus diesem Grunde sind große Wanderbewegungen<br />

der Weidetiere notwendig. (ebda.).<br />

Je nach Vegetationsentwicklung und –dichte variieren Futterwert und Weidequalität. Das<br />

Problem: bei der Unsicherheit des Vegetationsangebotes und dem schwankenden<br />

weidewirtschaftlichen Nutzungspotentials kann es sich bei dem sahelischen Weidewirtschaftssystem<br />

nicht um eine optimale, regelmäßige und das Naturpotential<br />

aufrechterhaltende bzw. fördernde Viehwirtschaft handeln. Vielmehr erfordert das<br />

während der Trockenzeit geringe Futterangebot einen Weidegang unter extremen<br />

Temperaturbedingungen und verursacht eine unregelmäßige Produktivität (Gewicht und<br />

Zahl der Weidetiere stark schwankend). In der Hoffnung auf günstigere Weidebedingungen<br />

im darauffolgenden Jahr wird der Viehbestand, der nach wie vor als soziales<br />

Statuskriterium gilt, unter allen Umständen aufrechterhalten. (Vgl. Sturm 1999, 270).<br />

66


Abb. 2: Geographische Rundschau 05/1999, 271.<br />

Während der 60er Jahre kam es zu einer Ausstockung der Viehbestände vor allem der<br />

Rinder und Schafe. Die Gründe hierfür liegen nicht nur bei den relativ günstigen<br />

Niederschlagsverhältnisse dieser Zeitperiode, sondern auch bei den von der Regierung<br />

verfolgten Entwicklungsintensionen, da die Viehzucht einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor<br />

darstellt. Zum Beispiel wurden die veterinärmedizinische Betreuung und der<br />

Ausbau von Brunnen gefördert. Dazu kam Zunahme der Bevölkerung die mit der<br />

Vergrößerung der Herden konform ging.<br />

Die absolute Zahl der Weidetiere täuscht eine außerordentlich geringe Herdenwanderung<br />

vor, da auf traditionell festgelegten Wanderwegen getrieben wird<br />

(Weiseachsen statt Weideräume) (Vgl. Sturm 1999, 271).<br />

Tierhaltung hat eine besondere Bedeutung vor allem für die Ethnie der Songhay.<br />

Rund 30 % der Familien haben Rindvieh – 1-3 Tiere pro Familie<br />

Knapp 70 % besitzen Ziegen und Schafe – 3-5 Tiere sind die Regel<br />

Geweidet wird in Gemeinschaftsherden auf den abgeernteten Reisflächen (Vgl. Barth<br />

1986, 133).<br />

Neben der Landwirtschaft spielt auch die Forstwirtschaft, der Fischfang, Bergbau und die<br />

Sammelwirtschaft eine Rolle, die allerdings eher untergeordnet ist.<br />

67


7. Sammelwirtschaft und Schilfgrasnutzung<br />

Die Sammelwirtschaft und die Schilfgrasnutzung spielen bei der ländlichen Bevölkerung<br />

eine erhebliche Rolle als Ergänzungsernte zur Anhebung der Selbstversorgung. An erster<br />

Stelle stehen Wildgrassamen. Die Bereitschaft zur Sammelwirtschaft richtet sich nach der<br />

jeweiligen Ertragssituation der Hauptkultur. Ein Beispiel für Sammelwirtschaft stellt die<br />

Palmblatternte zur Mattenherstellung dar (Vgl. Barth 1986, 128). Weitere wichtige<br />

Sammelprodukte: Baumfrüchte, wie Jujube oder Tamarinden. Diese Sammelfrüchte<br />

stellen für die Bevölkerung als Nahrung und Marktfrucht eine große Bedeutung dar. Dies<br />

gilt insbesondere auch für die nomadischen Volksgruppen (ebda.).<br />

8. Fischfang<br />

Das ca. 20000 km² große Überflutungsarenal, das aus zahllosen Niger- und Bani-<br />

Flußarmen zusammengesetzte Flußlandschaft der Deltaregion stellt ein hervorragendes<br />

Potential für den Fischfang dar (Vgl. Barth 1977, 173).<br />

Der Fischfang konzentriert sich auf die Songhay-Fraktion der „Sorko“ und die Ethnie der<br />

„Bozo“, die im Fischfang ihren Haupterwerb sehen (Vgl. Barth 1986, 135). Der<br />

periodisch wiederkehrende Wechsel von Hochwasser, Hochwasserrückgang und<br />

Niedrigwasser im Jahresverlauf beherrscht den Lebensrhythmus der Fischer.<br />

Vor dem Hintergrund des generellen Eiweißmangels in der Ernährung großer Teile der<br />

Bevölkerung sowie bei der tragenden Bedeutung des Fisches im Außenhandel des Landes,<br />

vor allem aber auch im Hinblick auf die ca. 200000 Menschen, deren einzige<br />

Lebensgrundlage im Fischfang und –handel besteht, ist die rückläufige Tendenz der<br />

Fangzahlen bedrohlich. Der Grund dafür ist in der extremen Überfischung der Delta-<br />

Gewässer und starke Ausweitung der Reiskultur zu sehen. Hinzu kommt eine verstärkte<br />

Hinwendung anderer Bevölkerungsgruppen zum Fischfang die eine zunehmende<br />

Liberalisierung der Fangpraxis zu Folge hat. Dies wirkt sich nachteilig sowohl auf die<br />

Fangzeiten als auch Fanggeräte und Fanggebiete aus (ebda.).<br />

Um die Potentiale auch in Zukunft nutzen zu können, müssen bestimmte Maßnahmen<br />

ergriffen werden, um besonders in der Trockenzeit und als wichtige Quelle für das<br />

notwenige Einkommen zu sorgen:<br />

- Einhaltung von Schon- und Fangzeiten<br />

- Benutzung von Netzen genormter Maschenweite<br />

- Einschränkung der Zahl vergebener Lizenzen (Vgl. Barth 1977, 177).<br />

9. Desertifikation<br />

Desertifikation ist eines der größten Probleme im Sahel. In <strong>Mali</strong> betraf sie bereits 1986<br />

knapp 60 % der Landesfläche, wobei 50 % von dauerhafter Wüstenbildung bedroht ist.<br />

Allein von 1976 – 1986 betrug die Wüstenausdehnung im Norden des Landes ca. 50 –<br />

100 km in Richtung Süden. Die führt zu erschwerten Bedingungen, sinkender Erträge und<br />

mangelnder Wasser- und Nahrungsversorgung. Es kommt zu:<br />

Flächenausdehnung und Aufhebung der Brache sowie zu einer Übernutzung von<br />

68


Weidearealen und Sammelflächen für Wildgräser. Dies führt zu einer Konkurrenz unter<br />

den dortigen Nomaden-Gruppen.<br />

Im nigernahen Bereich sind die Auswirkungen der Desertifikation zum Teil besonders<br />

deutlich. Hier kommt es verstärkt zur Bildung von wandernden Dünen. Die damit<br />

verbundenen Verwehungen führen zu einem erheblichen Abtrag des fruchtbaren<br />

Oberbodens und der wenig inkorporierten Humusanteile.<br />

Ein großes Problem ist außerdem die (landesweite) Feuerholzknappheit und die damit<br />

verbundene Abholzung. In <strong>Mali</strong> sind 80 % der Bevölkerung auf Feuerholz als<br />

Energiequelle angewiesen. Die Ursachen für diese Unterversorgung der Bevölkerung<br />

können ist der Regel in den dem Naturpotential nicht angepassten Nutzungsformen<br />

gesehen werden. In deren Verlauf treten mit Vegetationsvernichtung, Bodenerosion,<br />

Veränderungen im Wasserhaushalt sowie Meso- und Mikroklima Selbstverstärkungseffekte<br />

ein, die den Lebensraum insgesamt gefährden.<br />

Gründe für die Ausbreitung der Desertifikation im Sahel:<br />

Geofaktoren:<br />

• Niederschlagsvariabilität<br />

• Sinkender Grundwasserspiegel<br />

• Nährstoffarme Böden<br />

• Hohe Evapotranspiration<br />

• Lose bzw. abnehmende Vegetationsdecke<br />

Interne Faktoren:<br />

• Aufgabe traditioneller, langfristig orientierter Landnutzungssysteme und lokaler<br />

Weidewirtschaftssysteme<br />

• Land- und Bodenverknappung<br />

• Holz als hauptsächliche Energiequelle<br />

• Unangepasste Bewässerungsmethoden im Bewässerungsfeldbau<br />

• Bevölkerungswachstum<br />

Externe Faktoren:<br />

• Weltmarktorientierung und Weltmarktpreisschwankungen<br />

• Zunehmende technologische Schere zwischen Afrika und Westen<br />

• Exportproduktion<br />

• Welthandelsbedingungen (Vgl. Hammer 2000, 5).<br />

69


70<br />

Nordafrika Sahel Südafrika Andere<br />

Gebiete<br />

gesamt<br />

Überweidung 27,7 118,8 44 3,9 194,4<br />

Landwirtschaft 8,6 34,8 12,8 4,2 60,4<br />

Übernutzung 0,2 54,2 1,1 0 55,5<br />

Entwaldung 4,3 16,3 0,7 0,7 22<br />

gesamt 40,8 224,1 58,6 8,8 332,3<br />

Abb. 3: Geographische Rundschau 11/2000, 5 nach UNEP 1997, 71.<br />

Erste konkrete Anläufe zur Bekämpfung der Desertifikation wurden mit der 1992 in Rio<br />

geführten „United Nations Conference on Environment und Development“ begonnen.<br />

Primär auf Druck Afrikas wurde in Kapitel 12 der Agenda 21 die Forderung verankert,<br />

eine internationale, völkerrechtlich verbindliche Konvention vorzubereiten (Vgl. Hammer<br />

2000, 4).<br />

Seit Anfang der 90er ist das Ziel eine kohärente Entwicklungspolitik gegenüber dem<br />

ländlichen Raum und eine Verbesserung struktureller Bedingungen auf den<br />

unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen zu erwirken. Für Afrika verlangte die<br />

Konvention die Ausarbeitung regionaler Aktionsprogramme, wobei ein Prozess von<br />

unten nach oben vorgesehen ist:<br />

Die ökologischen Veränderungen, verbunden mit den ökonomischen infrastrukturellen<br />

Rahmenbedingungen, führen in <strong>Mali</strong> zu wechselseitigen, desertifikationsauslösenden oder<br />

–beschleunigenden Entwicklungen:<br />

1. <strong>Mali</strong> ist einseitig von einer traditionell extensiven Landwirtschaft abhänging<br />

2. Keine gute Verbindung zu produktiven Regionen<br />

3. Abnahme der durchschnittlichen Niederschlagemenge<br />

4. Abnahme der Nigerfluthöhe und –flutdauer zur Reduzierung der Überflutungs-<br />

Reisflächen der Weidezonen<br />

5. Gebietsweise Zunahme der Bevölkerung<br />

6. Übernutzung der Weiseflächen und Sammelgebiete<br />

7. Zunahme der Sandstürme (ebda.).<br />

9.1. Nachhaltige Desertifikationsbekämpfung<br />

Seit den 80ern gibt es verschiedene Projekte zur Desertifikationsbekämpfung. Ziel ist<br />

eine nachhaltige Wirkung der Ressourcenschutzmaßnahmen, durch Erhöhung der<br />

Eigenverantwortung auf Dorfebene, zu erreichen sowie eine Absicherung der<br />

Landnutzungsrechte. Entscheidend ist die Beteiligung der Dorfbevölkerung an


Entscheidungen, Planung und Ausführung (Vgl. Krings 1994, 546).<br />

Eine Möglichkeit ist in der Erstellung von Bankettenfeldern zu sehen. Das Problem:<br />

aufgrund fehlender Eigentumstitel gibt es nur geringes Interesse an längerfristig<br />

konservierenden Maßnahmen.<br />

In Bla wurde keine der Maßnahmen, wie z. B. der Bau von Steinwällen, von den Bauern<br />

selbst aufgegriffen. Dies führte zu mangelnder Akzeptanz. Gründe:<br />

• Die Projekte führen erst nach mehreren Jahren zum Erfolg<br />

• Der Verbesserungseffekt steht in einem ungünstigen Verhältnis zum notwendigen<br />

Arbeitsaufwand<br />

• Es herrscht im Gebiet von Bla keine Landknappheit, so dass bei Erosionsschäden<br />

Ausweichflächen vorhanden sind. (Vgl. Krings 1994, 549).<br />

71


Literaturverzeichnis<br />

ANHUF, Dieter 1990: Niederschlagsschwankungen und Anbauunsicherheit in der<br />

Sahelzone. Geographische Rundschau 42 (3), S. 152-158.<br />

BARTH, Hans Karl 1977: Der Geokomplex Sahel: Untersuchungen zur<br />

Landschaftsökologie im Sahel <strong>Mali</strong>s als Grundlage agrar- und weidewirtschaftlicher<br />

Entwicklungsplanung. Tübingen.<br />

BARTH, Hans Karl 1986: <strong>Mali</strong>. Eine geographische Landeskunde. Darmstadt.<br />

HAMMER, Thomas 2000: Desertifikation im Sahel. Geographische Rundschau 52 (11), S. 4-<br />

10.<br />

HAAS, Armin; Lohnert, Beate 1994: Ernährungssicherung in <strong>Mali</strong>. Geographische<br />

Rundschau 46 (10), S. 554-560.<br />

KRINGS, Thomas 1994: Probleme der Nachhaltigkeit in der Desertifikationsbekämpfung.<br />

Geographische Rundschau 46 (10), S. 546-552.<br />

KRINGS, Thomas 2004: Baumwollproduktion für den Weltmarkt: verzerrter Wettbewerb<br />

und die Folgen für <strong>Mali</strong>. Geographische Rundschau 56 (11), S. 26-33.<br />

STURM, Hans-Jürgen 1999: Weidewirtschaft in Westafrika. Geographische Rundschau 51<br />

(5), S. 269-274.<br />

72


Politische Entwicklung und<br />

politisches System<br />

des jungen Staates<br />

Sally Ollech<br />

73


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung: Nationale Symbole und Staatsform ...................................................................... 75<br />

2. Historischer Überblick................................................................................................................ 76<br />

2.1. 1960: I. Republik <strong>Mali</strong>........................................................................................................... 76<br />

2.2. 1968 Militärputsch und Militärdiktatur: II. Republik <strong>Mali</strong>............................................. 76<br />

2.3. 1991 Absetzung des Militärregimes und neue Verfassung: III. Republik <strong>Mali</strong> .......... 77<br />

3. Formaler Staatsaufbau ................................................................................................................. 78<br />

4. Genese von Zivilgesellschaft und Medienlandschaft ............................................................. 79<br />

5. Derzeitige Regierung ................................................................................................................... 79<br />

6. Demokratisierungsprozess......................................................................................................... 80<br />

7. Innenpolitische Themen.............................................................................................................. 81<br />

8. Außenpolitische Beziehungen .................................................................................................... 81<br />

9. Fazit: Versuch einer Bewertung ................................................................................................ 82<br />

74


1. Einleitung: Nationale Symbole und Staatsform<br />

Einleitend eine kurze Darstellung dreier nationaler Symbole von <strong>Mali</strong> (vgl. Seebörger,<br />

Flagge und andere nationale Symbole): Nationalhymne, Nationalflagge und Staatswappen<br />

sowie eine knappe Erläuterung der Präsidialdemokratie als Staatsform von <strong>Mali</strong> in<br />

Abgrenzung zu parlamentarischen Regierungssystemen.<br />

Der Text der Nationalhymne „Pour l’Afrique et pour toi <strong>Mali</strong>“ stellt die Umsetzung einer<br />

afrikanischen Einheit sowie die Verteidigung der malischen Nation in den Vordergrund.<br />

Neben dem französischen Text besteht auch eine Fassung in Bambara. Die Hymne wurde<br />

innerhalb der am 22.09.1960 durch Modibo Keita ausgerufenen, ersten unabhängigen<br />

Republik <strong>Mali</strong> im Jahr 1962 eingeführt. Der damalige Landwirtschaftsminister Badian<br />

Kouyaté verfasste den Text, während die Melodie von Banzoumana Sissoko komponiert<br />

wurde. Die Einführung einer Nationalhymne innerhalb der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jahrhunderts ist für ehemalige Kolonien ein typischer Zeitpunkt, da nationale Symbole<br />

wie Hymne, Flagge und Staatswappen meist kurz nach der erlangten Unabhängigkeit<br />

eingeführt wurden.<br />

Die drei Farben der malischen Nationalflagge – grün, gelb, rot – stehen als Symbol für<br />

Hoffnung, Gold und das Gedenken an die im Kampf um die nationale Souveränität<br />

Gestorbenen.<br />

Das Staatswappen trägt die offizielle Staatsbezeichnung „République du <strong>Mali</strong>“ und<br />

darunter die Zeile „Un peuple, un but, une foi“, was übersetzt bedeutet „Ein Volk, ein<br />

Ziel, ein Glaube“. Des Weiteren sind drei Symbole abgebildet: ein in malischen Sagen<br />

vorkommender Geier, die berühmte Moschee von Djenné und ein Sonnenaufgang.<br />

Die Staatsform in <strong>Mali</strong> kann als ein Teil des kolonialen Erbes gesehen werden: Es handelt<br />

sich um eine Präsidialdemokratie und somit um ein Regierungssystem, in dem eine strikte<br />

Trennung zwischen gesetzgebender und ausführender Gewalt vorherrscht, an dessen<br />

Spitze der Präsident steht. Der malische Präsident ist Staatsoberhaupt, der<br />

Premierminister Regierungschef, gemeinsam bilden sie die Exekutive. Der Präsident und<br />

die Abgeordneten des Parlaments, der Volksvertretung, werden in freien und geheimen<br />

Wahlen für jeweils fünf Jahre direkt vom Volk gewählt.<br />

Den Gegensatz zum Präsidialsystem bilden parlamentarische Regierungssysteme, in<br />

denen die Regierung nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von der Mehrheit des<br />

Parlamentes bestimmt wird. Dabei handelt es sich folglich um eine repräsentative<br />

Demokratie, bei der die Regierung vom Vertrauen des Parlaments abhängig ist und eine<br />

enge Verknüpfung der Legislative und der Exekutive besteht – eine Kontrollfunktion<br />

erfüllt hier das Wechselspiel zwischen Regierungsmehrheit und Opposition im Parlament.<br />

Ein Hauptunterschied beider demokratischer Systeme liegt darin, dass es im<br />

Präsidialsystem häufig zu einer starken Personalisierung bei gleichzeitiger Endideologisierung<br />

der Politik kommt, bei der die Parteiprogramme tendenziell in den<br />

Hintergrund rücken und die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten im Vordergrund<br />

stehen.<br />

75


2. Historischer Überblick<br />

2.1. 1960: I. Republik <strong>Mali</strong><br />

Nach der gescheiterten Föderation zwischen <strong>Mali</strong> und Senegal rief Modibo Keita am<br />

22.09.1960 die unabhängige Republik <strong>Mali</strong> aus. Der 22. September ist seither<br />

Nationalfeiertag. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war in den französischen<br />

Kolonialgebieten Westafrikas ein wachsendes politisches Bewusstsein entstanden,<br />

welches im Jahr 1946 zur Gründung der Nationalbewegung „Rassemblement Démocratique<br />

Africain“ (RDA) geführt hatte (Seebörger, Geschichte und Staat). Einer der Führer<br />

der RDA war Modibo Keita, der 1960 erster Staatspräsident der Republik <strong>Mali</strong> wurde.<br />

Keitas Politik war am sozialistischen Lager orientiert. Es wurde eine zentrale Planung,<br />

Verstaatlichung sowie eine technisch-wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der UdSSR und<br />

der VR China verfolgt. Keita strebte eine Integration anderer politischer Parteien in die<br />

Regierungspartei „Union Soudanaise / Rassemblement Démocratique Africain“ (US-RDA)<br />

zu einer Art nationalen Front an und etablierte so ein sozialistisch orientiertes<br />

Einparteiensystem, das sich jedoch zu keinem Zeitpunkt fest stabilisieren konnte: Es kam<br />

zu Geldentwertung, Versorgungsengpässen, Nahrungsmittelknappheit, der Herausbildung<br />

eines Schwarzmarktes in allen Bereichen sowie zu Korruption (Treydte, Dicko, Doumbia<br />

2005, 6). Aufgrund dieser Entwicklung war <strong>Mali</strong> im Jahr 1967 nahezu gezwungen, wieder<br />

in die Franc-Zone zurückzukehren. Der Preis für die von Paris garantierte<br />

Währungsstabilität und den Kapitalzufluss aus Frankreich war hoch: Das Handelsmonopol<br />

der alten französischen Handelgenossenschaften wurde wieder eingeführt. Die<br />

Versorgungslage für den Großteil der Bevölkerung verbesserte sich dadurch nicht und es<br />

kam zu einer Radikalisierung politischer Lager innerhalb der US-RDA. 1967 wurde der<br />

Parteivorstand aufgelöst und ein Nationaler Rat zur Verteidigung der Revolution<br />

(CNDR) gegründet, unter dem sich totalitäre Instrumente wie Gesinnungspolizei sowie<br />

schwarze Listen entwickelten und Keita war nicht mehr in der Lage, diese Entwicklung zu<br />

lenken (Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 6).<br />

2.2. 1968 Militärputsch und Militärdiktatur: II. Republik <strong>Mali</strong><br />

Im November 1968 wurde das Regime von Modibo Keita durch einen Militärputsch einer<br />

Gruppe Offiziere um Moussa Traoré gestürzt. Es folgte eine Militärdiktatur unter dem<br />

Diktator Moussa Traoré, die bis 1991 andauern sollte. Nach einer siebenjährigen<br />

Übergangsphase wurde im Jahr 1974 unter Moussa Traoré die II. Republik <strong>Mali</strong><br />

eingeführt. Erneut etablierte sich mit der Partei „Union Démocratique du Peuple <strong>Mali</strong>en“<br />

(UDPM) ein Einparteiensystem, jedoch ohne sozialistische Ausrichtung der<br />

Wirtschaftspolitik. Dennoch blieben große, unproduktive Unternehmen und Bürokratien<br />

bestehen und es ging auch unter Traoré wirtschaftlich und sozial abwärts. Einem Bericht<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zu Folge, baute das Militär den Staat gewisser Weise in<br />

einen „Selbstbedienungsladen für Offiziere“ (Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 7) um. De<br />

Folgen waren Korruption und Villenakkumulation auf Seiten der nationalen Elite sowie<br />

auf Seiten der Arbeiter und Angestellten ausbleibende Löhne und Gehälter und vor allem<br />

76


innerhalb der gleichzeitig von der großen Sahel-Trockenheitsperioden betroffenen<br />

ländlichen Bevölkerungskreisen Hunger und Elend (Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 7).<br />

Verstärkt wurde diese Entwicklung durch drei von außen kommende Elemente (Treydte,<br />

Dicko, Doumbia 2005, 7): (1) Ab 1988 verordneten die Strukturanpassungsprogramme<br />

der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) dem malischen<br />

Militärregime eine Sparpolitik. (2) Eine Neuausrichtung der französischen Außenpolitik<br />

unter Mitterrand, welche im Juni 1990 Demokratiefortschritte im frankophonen Afrika<br />

forderte und französische Hilfe von Demokratisierungserfolgen abhängig machte. (3) Der<br />

Zusammenbruch der Sowjetunion sowie der Fall der Berliner Mauer führten zum Wegfall<br />

politischer Renten durch ideologisches Wechselwählertum im internationalen Kontext.<br />

2.3. 1991 Absetzung des Militärregimes und neue Verfassung: III. Republik <strong>Mali</strong><br />

Im Jahr 1991 kam es verstärkt zu Unruhen innerhalb der Bevölkerung, auf die das Regime<br />

mit Militäraktionen reagierte. Am 26.03.1991 wurde Moussa Traoré durch eine Gruppe<br />

Militärs unter Führung von Amadou Toumani Touré (populäre Kurzbezeichnung: ATT)<br />

abgesetzt. Im April 1991 wurde unter Touré ein Übergangskomitee für das Wohl des<br />

Volkes, „Comité de Transition pour le Salut du Peuple“ (CTSP), einberufen. Unter Touré<br />

begann ein politischer Transformationsprozess mit demokratischen Reformen. Im August<br />

1992 nahmen etwa 1.500 Delegierte an einer Nationalkonferenz in Bamako teil und die<br />

Erarbeitung einer neuen Verfassung sowie eines Wahlgesetzes begann, wodurch die Basis<br />

für das malische Mehrparteiensystem gelegt wurde (Seebörger, Entwicklung des heutigen<br />

Staates). Der Entwurf der neuen malischen Verfassung wurde am 12.02.1992<br />

verabschiedet und Anfang 1992 fand die erste freie Parlamentswahl in <strong>Mali</strong> statt, bei der<br />

die ADEMA-Partei als eindeutige Siegerin hervorging (Alliance pour la Démocratie<br />

<strong>Mali</strong>enne - Parti Africain pour la Solidarité de la Justice). Die ADEMA/PASJ ist „ein<br />

breites Sammelbecken politischer Meinungen und Multiplikatoren“ (Treydte, Dicko,<br />

Doumbia 2005, 12) und Mitglied der Sozialistischen Internationale, dem weltweiten<br />

Zusammenschluss von sozialistischen und sozialdemokratischen politischen Parteien, was<br />

wiederum eine grobe politische Einordnung der Partei ermöglicht.<br />

Alpha Oumar Konaré wurde als Kandidat der Regierungspartei ADEMA erster<br />

demokratisch gewählter Präsident von <strong>Mali</strong>. Im Jahr 1997 kam es zur zweiten<br />

Präsidentschaftswahl, welche die Wiederwahl Konarés beinhaltete. Im Jahr 2002 musste<br />

die ADEMA-Partei bei der dritten Parlamentswahl deutliche Verluste hinnehmen.<br />

Berichten zu Folge werden mögliche Gründe in parteiinternen Streitigkeiten und der<br />

Abspaltung eines Flügels sowie Vorwürfen des Machtmissbrauchs und der Misswirtschaft<br />

gesehen (Seebörger, Geschichte und Staat). Die dritte Präsidentschaftswahl im Mai 2002<br />

konnte der parteilose Amadou Toumani Touré mit 64 % der Stimmen für sich<br />

entscheiden und löste somit Konarés Präsidentschaft ab, der aufgrund der Verfassung<br />

ohnehin kein drittes Mal als Präsidentschaftskandidat antreten konnte. In einem Bericht<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung wird konstatiert, dass die Wahlbeteiligung mit 38,58 % der<br />

registrierten Wähler trotz mobiler Wahlbüros weit unter den Erwartungen blieb (Auga<br />

2002). Als ein möglicher Grund wird die verpflichtende Vorlage eines Personalausweises<br />

genannt: Laut FES-Bericht verfügen nur 30 % der <strong>Mali</strong>er über ein Ausweisdokument. Die<br />

Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Juli desselben Jahres war noch<br />

erschreckender: Sie lag bei 20 % der eingeschriebenen Wähler beim ersten und 14 %<br />

beim zweiten Wahlgang (Gierczynski-Bocandé, Lerch 2002). In dem Bericht der Konrad<br />

77


Adenauer Stiftung werden diese Negativ-Rekorde der Wahlbeteiligung auf die schlechte<br />

wirtschaftliche Entwicklung des Landes zurückgeführt, die dazu führe, dass die<br />

Bevölkerung das Vertrauen in die Politik verliert.<br />

Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2004 war eine Wahlbeteiligung von 43,6 % zu<br />

verzeichnen, was als ein Erfolg der Wählermobilisierung durch den verstärkt<br />

eingeleiteten Dezentralisierungsprozess und die Förderung von politischem Engagement<br />

auf kommunaler Ebene gesehen werden kann (vgl. Gierczynski-Bocandé 2004).<br />

Im darauf folgenden Wahljahr 2007 wurde der Amtinhaber Touré mit 71,2 % der<br />

Stimmen wiedergewählt. Die besten Ergebnisse erzielte er in den nomadischen Regionen<br />

Timbuktu und Gao, während sein wichtigster Herausforderer Ibrahim Boubacar Keita<br />

vor allem in Bamako und Teilen Westmalis seine höchsten Stimmenanteile erzielte –<br />

insgesamt erhielt Keita 18,6 % der Stimmen in <strong>Mali</strong> (Seebörger, Wahlen). Des Weiteren<br />

bleibt zu vermerken, dass 2007 erstmals eine Frau unter den Präsidentschaftskandidaten<br />

war. Als problematisch galt vor allem die niedrige Wahlbeteiligung. Sie lag einem Bericht<br />

von InWent zu Folge bei der Präsidentschaftswahl im April 2007 bei 36 %. Internationale<br />

Wahlbeobachter bezeichneten die Wahlen im Jahr 2007 als fair.<br />

3. Formaler Staatsaufbau<br />

Der Grenzverlauf von <strong>Mali</strong> entspricht nach wie vor den Verwaltungsgrenzen der<br />

ehemaligen Teilkolonie Französisch-Sudan und vernachlässigt dabei geographische,<br />

ethnische oder sprachliche Einheiten. Der Staat ist in acht Regionen (Gao, Kayes, Kidal,<br />

Koulikoro, Mopti, Ségou, Sikasso, Timbuktu) und den Hauptstadtdistrikt Bamako<br />

aufgeteilt. Die acht zentralstaatlichen Verwaltungsregionen (régions) teilen sich in 49<br />

Kreise (cercles) und 703 Gemeinden (communes) als unterste Verwaltungsebene. Die<br />

malische Verwaltung besteht folglich aus vier Verwaltungsebenen: Zentralregierung,<br />

Regionalversammlungen, Kreisräte (conceils de cercle) und als unterste Machtebene die<br />

seit 1999 eingerichteten und von der wahlberechtigten Bevölkerung jeweils für fünf Jahre<br />

gewählten Gemeinderäte (conceils de commune). Diese dezentrale Struktur soll dazu<br />

beitragen, dass die Interessen der Gemeindebewohner Gehör finden (Seebörger,<br />

Formaler Staatsaufbau und Territorialverwaltung).<br />

Die Dezentralisierungspolitik gehört mit zu den wichtigsten Programmen der malischen<br />

Regierung und die Umsetzung stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Die<br />

malische Regierung hat zum Fernziel, dass die Gemeinden finanziell eigenständig sind<br />

(Kreditvergabe, eigenes Personal, Befugnis, Steuern zu erheben). Es wurde ein<br />

Förderungsministerium eingerichtet, welches die Förderung kommunaler Investitionen<br />

zur Aufgabe hat, um den Gemeinden mit Beratungs- und Fremdfinanzierungsoptionen zur<br />

Seite zu stehen (Seebörger, Wichtige politische Entscheidungen). Auf kommunaler Ebene<br />

sind aktuelle Themen vor allem die Armutsbekämpfung sowie die Frage der<br />

Flächennutzung.<br />

78


4. Genese von Zivilgesellschaft und Medienlandschaft<br />

Seit dem Sturz der Traoré-Diktatur im Jahr 1991 wird die Entwicklung der<br />

Zivilgesellschaft in Teilen der malischen Bevölkerung diskutiert. Tatsache ist, dass seit<br />

1991 die Zahl an gesellschaftlichen Vereinigungen, Interessensverbänden und<br />

Basisgruppen in <strong>Mali</strong> stark zugenommen hat (Seebörger, Zivilgesellschaft). Es<br />

entwickelten sich auf nationaler und regionaler Ebene Nichtregierungsorganisationen<br />

(NRO) und andere Interessensvertretungen und man kann diesbezüglich von der Genese<br />

einer Zivilgesellschaft sprechen. Allerdings weist der Verband Entwicklungspolitik<br />

Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) in seinem Länderprofil <strong>Mali</strong> auf die<br />

Zweifel von einigen Beobachtern hin, dass die Vertreter der malischen Zivilgesellschaft<br />

eine breite Repräsentanz der Bevölkerung sicherstellen können. Es stellt sich die Frage,<br />

ob eine ausreichende Repräsentanz der Interessen der großen Bevölkerungsmehrheit mit<br />

geringer Bildung gewährleistet werden kann. Kritiker sprechen von einer relativ kleinen<br />

gebildeten Elite, welche den gesellschaftspolitischen Diskurs innerhalb des<br />

Regierungskreises sowie der nationalen Szene der NRO’s dominiert.<br />

Trotzdem hat sich seit 1991 in <strong>Mali</strong> eine vielfältige Medienlandschaft entwickelt. Vor<br />

allem in der Hauptstadt Bamako ist eine große Anzahl von Tageszeitungen erhältlich. Für<br />

die landesweite Informationsdistribution sind jedoch vor allem Hörfunkmedien<br />

entscheidend, da die Alphabetisierungsrate 2000-2005 bei Personen im Alter von 15<br />

Jahren und älter lediglich bei 24 % lag, bei männlichen Jugendlichen (15 – 24 Jahre, 2000-<br />

2006) bei 32 % sowie bei weiblichen Jugendlichen bei 17 % (Unicef, <strong>Mali</strong> Statistics).<br />

In <strong>Mali</strong> gibt es landesweit über 100 Radiostationen. Allerdings wird vielfach über<br />

Repressionen gegenüber kritisch berichtenden Journalisten geklagt und im letzten<br />

Präsidentschaftswahlkampf 2007 wurden Vorwürfe laut, dass die staatlichen Medien zu<br />

einseitig und pro-Touré berichtet hätten (vgl. Seebörger, Presse und andere öffentliche<br />

Medien).<br />

5. Derzeitige Regierung<br />

Seit Mai 2002 ist Amadou Toumani Touré Präsident von <strong>Mali</strong>. Im Jahr 2007 wurde<br />

Modibo Sidibé nach dem Rücktritt seines Vorgängers Premierminister. In der im<br />

Oktober 2007 neu gebildeten Regierung sind 27 Minister, darunter sieben Frauen. <strong>Mali</strong><br />

hat mit 27 Ministerien eine im Verhältnis zur Bevölkerungszahl von 12,7 Mio. relativ<br />

große Anzahl an Ministerien (Seebörger, Staatsform, Verfassung und Gewaltenteilung).<br />

Zum Vergleich: Deutschland hat bei 82,2 Mio. Einwohnern lediglich 14 Ministerien<br />

(World Population Bureau 2008, 7 u. 10). Außerdem wird die Leistungsfähigkeit ebenso<br />

wie die Zusammenarbeit der einzelnen malischen Ministerien oft als begrenzt<br />

eingeschätzt.<br />

Es besteht ein Mehrparteiensystem in <strong>Mali</strong>. Von über 100 bestehenden Parteien sind<br />

derzeit 15 im Parlament vertreten. Diese 15 Parteien bilden zwei Parteienbündnisse: die<br />

ADP (Alliance pour la Démocratie et le Progès) und die FDR (Front pour la Démocratie<br />

et la République). Die APD ist ein Zusammenschluss von 12 Parteien, darunter die<br />

vorherige Regierungspartei (Alliance pour la Démocratie <strong>Mali</strong>enne) sowie die als<br />

Abspaltung aus der ADEMA hervorgegangene UDR (Union pour la Démocratie et le<br />

Déveleoppement). ADP und UDR gewannen bei der letzten Parlamentswahl im Juli 2007<br />

79


die meisten Stimmen, wobei die Wahlbeteiligung mit ca. 32 % wiederum als schwach<br />

einzustufen ist. Neben der ADEMA-Partei mit 51 Sitzen und der UDR mit 34 Sitzen sind<br />

verschiedene Parteien mit nur wenigen Abgeordneten und 15 Unabhängige im Parlament<br />

vertreten. Folglich ist die ADP weit stärker vertreten als die FDR (Seebörger,<br />

Machthaber und Machtgruppen). Eine Opposition ist somit nur schwach ausgeprägt.<br />

Außerdem stehen die meisten Parteien dem Präsidenten nahe. Eine Ausnahme bilden<br />

hier „Rassemblement pour le <strong>Mali</strong>” (RPM) mit acht Sitzen und „Solidarité Africain pour<br />

Démocratie et Indépendence“ (SADI) mit vier Sitzen (vgl. Auswärtiges Amt:<br />

Länderinformation <strong>Mali</strong>).<br />

6. Demokratisierungsprozess<br />

Betrachtet man den Demokratisierungsprozess in <strong>Mali</strong>, so stand am Anfang ein immer<br />

noch andauernder politischer Transformationsprozess, dessen Beginn in der<br />

Entkolonialisierung gesehen werden kann. Nach dem zweiten Weltkrieg gewährte<br />

Frankreich seinen Kolonien eine formelle Unabhängigkeit. Dass es zu dieser formellen<br />

Unabhängigkeit in den meisten Fällen ohne einen Befreiungskampf seitens der westafrikanischen<br />

Kolonien kam (Ausnahme Algerien; vgl. Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 4),<br />

begünstigte die Einbindung in die Communauté Francaise, die erst 1995 offiziell aufgelöst<br />

wurde. Mit dieser französischen Gemeinschaft handelte es sich um einen Staatenbund, in<br />

dem die ehemaligen französischen Kolonien „formal von Frankreich unabhängig wurden,<br />

politisch, wirtschaftlich und sozial hingegen am Tropf der Kolonialmacht hingen“<br />

(Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 4). Der Aufstieg der großen afrikanischen politischen<br />

Führer wie beispielsweise Modibo Keita und die allmähliche Genese des malischen<br />

Mehrparteiensystems ist auf diesem Hintergrund halb-autonomer Formen der<br />

Territorialverwaltung zu sehen.<br />

Die neue, jedoch zunächst nur formelle Unabhängigkeit, brachte einige Begleiterscheinungen<br />

mit sich (vgl. Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 4): zum einen die Erbschaft des<br />

Präsidialsystems und zum anderen eine Elitenbildung nach dem Muster der Entfremdung<br />

– hier wird häufig das 1952 erschienene Werk von Frantz Fanon als Vordenker der<br />

Entkolonialisierung zitiert: „Peau noire, masques blancs“, meint „Schwarze Haut, weiße<br />

Masken“, womit auf die ideologische Einflussnahme der Franzosen durch Bildungseinrichtungen<br />

während der Kolonialzeit angespielt wird. Weitere Begleiterscheinungen sind<br />

in dem festen Wechselkurs zwischen malischer (FCFA) und französischer Währung (FF<br />

bzw. EUR) zu sehen, bei der eine strukturelle Überbewertung zu beobachten war, einer<br />

wirtschaftlichen Abhängigkeit von Paris, verzerrten Export-/Importstrukturen, vehementer<br />

Defizite im Governance-Bereich in Form von Misswirtschaft und Korruption sowie<br />

einem demokratischen Defizit (vgl. Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 4). Diese<br />

Entwicklungen können darauf hindeuten, dass das neue politische System von oben<br />

aufgesetzt wurde und sich nicht aus sich heraus entwickelte.<br />

Neben dem historischen, bleibt im Hinblick auf den Demokratisierungsprozess auch der<br />

kulturelle Hintergrund zu berücksichtigen. Eine innerparteiliche Demokratie scheint in<br />

der traditionellen Umgebung der malischen Gesellschaft schwierig umsetzbar zu sein,<br />

denn traditionelle Wertesysteme beeinflussen weiterhin stark das Handeln. So spielen<br />

Altersstrukturen eine wichtige Rolle, junge Männer geben dem Patriarchen keine<br />

Widerworte, aber auch der Gender-Aspekt ist entscheidend, da Frauen im traditionellen<br />

Kontext nicht in der Öffentlichkeit sprechen (Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 10).<br />

80


Betrachtet man die Parteienlandschaft in <strong>Mali</strong>, so muss festgehalten werden, dass<br />

malische Parteien vielfach auf der Idee einer Führungspersönlichkeit und deren<br />

Anhänger basieren. Unterschiedliche Auffassungen führen zu einer Spaltung der ohnehin<br />

kleinen Partei. In unserem westlichen oder europäischen Demokratieverständnis kann<br />

eine innerparteiliche Demokratie ohne eine gewisse Breiten- oder Massenbasis jedoch<br />

nicht praktiziert werden.<br />

In <strong>Mali</strong> führte der äußere Druck unter dem Militärregime Moussa Traorés die Kritiker<br />

und Andersdenkenden zusammen. Folglich setzte mit der Demokratie auch ein fast<br />

natürlicher Zerfallsprozess der großen politischen Blöcke ein (Treydte, Dicko, Doumbia<br />

2005, 10). Nach dem Sturz der Militärdiktatur und rund 30 Jahren Einparteiensystem kam<br />

es zu einer regelrechten Explosion in der Parteienlandschaft. Einem Bericht der<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung zu Folge, wurde jedoch bei einer empirischen Untersuchung<br />

2004 festgestellt, dass nur 63 der 94 offiziell registrierten Parteien ausgemacht werden<br />

konnten (Treydte, Dicko, Doumbia 2005, 10). Häufige Kritik von internationalen<br />

Beobachtern ist das Fehlen von durchdachten und stringenten Partei- und Wahlprogrammen.<br />

Hinzu kommt das Phänomen der politischen Transhumance, was den<br />

häufigen Lagerwechsel einzelner Abgeordneter beschreibt. Entsprechend wechselhaft<br />

und personengebunden ist auch das Wählerverhalten (Treydte, Dicko, Doumbia 2005,<br />

10).<br />

7. Innenpolitische Themen<br />

Im Zentrum der innenpolitischen Themen stehen die Bekämpfung der Armut, die<br />

Förderung der Wirtschaftsentwicklung und die Konsolidierung des politischen Systems.<br />

Aber auch der Kampf gegen Korruption wurde ab dem Jahr 2000 zu einem wichtigen<br />

innenpolitischen Thema. Durch wiederkehrende Vorwürfe und mediale Aufdeckung von<br />

Korruptionsfällen berief die malische Regierung eine Antikorruptions-Kommission ein,<br />

die zum Teil erhebliche Fälle von Missmanagement und Korruption in einigen Regierungsinstitutionen<br />

dokumentiert (Seebörger, Korruption).<br />

Die Maßnahmen und Prozesse im Rahmen der Dezentralisierungspolitik sowie der<br />

Umgang mit der Konfliktzone Nordmali, die eine Lösung des Tuareg-Konfliktes fordert,<br />

gilt als kritische Bewährungsprobe der III. Republik.<br />

8. Außenpolitische Beziehungen<br />

<strong>Mali</strong>s Außenpolitik ist nicht ideologisch orientiert, sondern kann als pragmatisch<br />

ausgerichtet bezeichnet werden. Das wichtigste europäische Partnerland bleibt trotz<br />

temporärer Belastungen in den malisch-französischen Beziehungen die ehemalige<br />

Kolonialmacht Frankreich (Seebörger, Außenpolitische Themen). Im außenpolitischen<br />

Kontext mit Frankreich und der Europäischen Union werden Fragen bezüglich der<br />

Migration immer wichtiger. Die Emigration von <strong>Mali</strong>, welches als ein Transitland fungiert,<br />

in Richtung Europa, ist oftmals lebensgefährlich und stellt für beide Seiten eine große<br />

Herausforderung dar.<br />

Seit Mitte der 90er Jahre ist in <strong>Mali</strong> ein zunehmender US-amerikanischer Einfluss zu<br />

81


eobachten. Innerhalb der US-Afrikapolitik wird <strong>Mali</strong> eine wichtige Rolle in dem von den<br />

USA initiierten Kampf gegen den Terror zugesprochen (vgl. Abramovici 2004). Diese<br />

Entwicklung weist auf den postkolonialen Bedeutungsverlust von Frankreich in Afrika hin<br />

(vgl. Kambudzi; Lecoutre, 2006). Neben den Beziehungen nach Europa und in die USA<br />

pflegt <strong>Mali</strong> zudem gute Beziehungen zu der VR China sowie den wichtigsten islamischen<br />

Staaten (Seebörger, Außenpolitische Themen).<br />

9. Fazit: Versuch einer Bewertung<br />

<strong>Mali</strong> wird oft als gelungenes Beispiel für eine Demokratisierung in Westafrika angeführt<br />

(vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung 2005, 4; Seebörger, Machthaber und Machtgruppen) und<br />

scheint im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund der relativen politischen<br />

Stabilität ein Liebling der internationalen Gebergemeinschaft zu sein.<br />

Gemäß des BTI-Ländergutachtens 2008 für <strong>Mali</strong> (Bertelsmann Transformation Index)<br />

haben sich die Erfolge der politischen Transformation verfestigt, während die<br />

wirtschaftliche Transformation nicht so stark vorangeschritten ist: <strong>Mali</strong> nimmt beim<br />

Länderranking nach dem Status Index Politik Rang 36 ein, befindet sich nach dem Staus<br />

Index Wirtschaft jedoch lediglich auf Rang 76 von 125 (Bertelsmann Stiftung 2008-1). Mit<br />

dem Bertelsmann Transformation Index wird versucht, Transformationsleistungen von<br />

Ländern bezüglich ihrer marktwirtschaftlichen Demokratie zu messen und somit<br />

Vergleiche zwischen einzelnen Regionen und Ländern zu erleichtern (Schmidt 2006, 9).<br />

Der BTI gliedert sich in zwei Indices: den Status Index (Status Politik und Status<br />

Wirtschaft) sowie den Management Index (vgl. Schmidt 2006, 10).<br />

Abb. 1: BTI 2008 für <strong>Mali</strong><br />

Bertelsmann Stiftung 2008-2, 1.<br />

Auch wenn die politische Transformation in <strong>Mali</strong> vergleichsweise weit fortgeschritten ist,<br />

bleibt aus unserem westlichen Demokratieverständnis heraus kritisch zu beurteilen, dass<br />

es sich in <strong>Mali</strong> weitestgehend um eine Konsensdemokratie handelt, in der eine<br />

Opposition bisher nur sehr schwach ausgeprägt ist, Pluralität zwar akzeptiert wird, alle<br />

Akteure jedoch eine soziale Hegemonie anzustreben scheinen. Konsensdemokratie<br />

meint in diesem Zusammenhang, dass mittels Dialog der Konsens zwischen allen<br />

angestrebt wird und die Machtausübung nicht durch die Mehrheit erfolgt.<br />

Konsensdemokratien zielen darauf ab, im Hinblick auf politische Entscheidungen eine<br />

möglichst breite Übereinstimmung zu erreichen und dabei auch die Vertreter der<br />

Minderheitsmeinungen einzubeziehen. Kritiker sehen in dieser Strategie eine<br />

82


Behinderung für realistische Lösungsstrategien und eine Behinderung von<br />

Reformprozessen. In <strong>Mali</strong> beträfe das beispielsweise den Umgang mit Themen wie der<br />

Stellung der Frau, dem geplanten Familienrechtsgesetzbuch oder der Genitalverstümmelung<br />

– bei letzterem Thema setzt <strong>Mali</strong>s Regierung eher auf eine allmähliche<br />

Bewusstseinsbildung und nicht auf rechtliche Veränderungen der Rahmenbedingungen.<br />

„Die politischen Parteien tendieren zur All-Parteienkoalition und es ist kein Zufall, dass<br />

der Präsident parteilos ist. Obwohl dadurch ein potentiell fruchtbarer Wettstreit der<br />

Ideen abgeschwächt wird, ist die Konsensneigung einer der Hauptgründe für den<br />

relativen Erfolg der Demokratie in <strong>Mali</strong>.“ (Bertelsmann Stiftung 2008-2, 3).<br />

Beim Blick auf die malische Demokratie werden außerdem häufig überzogene Privilegien<br />

von führenden Regierungsmitgliedern kritisiert. Die Regierung unternimmt erste Schritte<br />

im Kampf gegen Korruption, wobei die rechtliche Verfolgung oft nicht stringent ist.<br />

Verschiedene Länderberichte über <strong>Mali</strong> zeigen, dass Korruption immer noch auf vielen<br />

Ebenen verbreitete ist und als ein wichtiges Entwicklungshemmnis angesehen werden<br />

kann. <strong>Mali</strong> liegt bei dem Corruption Perceptions Index 2008 auf Platz 96 von 180<br />

Rangplätzen (Transparency International 2008).<br />

In aktuellen Diskursen zum Thema Entwicklungszusammenarbeit, Demokratie in Afrika<br />

und einer Partnerschaft zwischen Europa und Afrika wird vielfach darauf hingewiesen,<br />

dass Teilaspekte einer afrikanischen Kultur 1 nur schwer mit westlicher Demokratie<br />

vereinbar sind, dass jedoch bereits seit jeher auf lokaler Ebene funktionsfähige Strukturen<br />

des Miteinanderlebens auf dem afrikanischen Kontinent bestanden. Die namibischen<br />

Staatsanwältin Unomwinjo Katjipuka-Sibolile stellte beim ZEIT Forum Politik (ZEIT<br />

Forum Politik: „Ein neuer Blick auf Afrika?“ am 19.04.09 in Hamburg) heraus, dass ihr der<br />

aus der Begriffsabgrenzung ‚westliche Demokratie’ zu folgernde Begriff einer ‚afrikanischen<br />

Demokratie’ geradezu suspekt erscheine. Es sei festzustellen, dass das<br />

Zusammenleben und das politische Leben in Afrika vielerorts immer westlicher geformt<br />

werden und dabei die Kultur und Tradition des jeweiligen afrikanischen Landes vielerorts<br />

verloren gingen, beziehungsweise sich im Wandel befinden. Es sei schwierig, die<br />

Traditionen zu erhalten und gleichzeitig zu einem demokratischen Umgang zu finden.<br />

Unerwünschte, vermeintliche Begleiterscheinungen der Demokratisierungen können<br />

folglich in einem zu beobachtenden, abnehmenden Respekt vor traditionellen Strukturen<br />

gesehen werden. Doch hierbei muss berücksichtigt werden, dass <strong>Mali</strong> sich in einem<br />

komplexen Prozess eines gesellschaftlichen Wandels befindet. Dieser gesellschaftliche<br />

und politische Transformationsprozess ist in gewisser Weise mühsam, bietet Chancen<br />

und Risiken und ist im Ergebnis noch offen.<br />

Als mögliche Blickwinkel und Fragestellungen für die <strong>Exkursion</strong> nach <strong>Mali</strong> stand die Frage<br />

nach einer Beteiligung der Bevölkerungsmehrheit am Demokratisierungsprozess:<br />

Inwieweit besteht ein politisches Bewusstsein, eine konkrete politische Position, die in<br />

Gesprächen vertreten wird. Wo liegen mögliche Gründe der geringen Wahlbeteiligung?<br />

Viele Gespräche mit <strong>Mali</strong>ern zeigten, dass ein demokratisches Bewusstsein ausgeprägt ist.<br />

Beispielsweise wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass sich bei der nächsten Wahl im<br />

Jahr 2012 zeigen werde, ob der regierende Präsident ATT sich an die demokratischen<br />

Spielregeln halte, da er gemäß Verfassung kein weiteres Mal kandidieren darf.<br />

Auf dem Hintergrund solcher Gespräche mit Menschen mit ausgeprägtem politischen<br />

Bewusstsein könnte ein Grund für die geringe Wahlbeteiligung in mangelnden<br />

1 Anm.: Eine zusammenfassende Verallgemeinerung des Kulturbegriffs ist ungenügend, dient in diesem Kontext jedoch der<br />

vereinfachten, zusammenfassenden Betrachtung.<br />

83


Alternativen liegen, da die programmatischen Unterschiede der Parteien häufig nicht<br />

deutlich werden und allgemein ein großes Konsensstreben zum Mangel einer Opposition<br />

führt. Zwar wurden bereits mobile Wahlbüros eingesetzt, um die ländliche Bevölkerung<br />

bei den Wahlen einzubeziehen, dennoch liegt ein weiterer Grund für eine geringe<br />

Wahlbeteiligung sicherlich in den maroden Verkehrsstrukturen sowie Mängeln auf Seiten<br />

der Verwaltungsinfrastruktur, was sich beispielsweise im Fehlen von Ausweisdokumenten<br />

zeigt. Bei dieser Betrachtung erscheint die Suche nach erfolgreichen Praxisbeispielen, die<br />

den Demokratisierungsprozesses unterstützen und nach Ansätzen, die traditionelle<br />

Strukturen und Demokratie verbinden und das kulturelle sowie nationale<br />

Selbstbewusstsein <strong>Mali</strong>s stärken, als wichtig. Der von der malischen Regierung<br />

vorangetriebene und auf Geberseite geförderte Dezentralisierungsprozess kann dabei als<br />

viel versprechend angesehen werden.<br />

84


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Öl importieren. In: Le Monde Diplomatique 09.07.2004.<br />

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Adieu. Die Grande Nation der Menschenrechte verspielt ihre Sonderstellung. In: Le<br />

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85


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86


Touristische Strukturen<br />

in <strong>Mali</strong><br />

Mirjam Krüger<br />

87


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Die Geschichte des Tourismus in <strong>Mali</strong>.................................................................................... 89<br />

2. Touristenankünfte........................................................................................................................ 89<br />

3. Darstellung <strong>Mali</strong>s bei den Reiseveranstaltern ........................................................................ 90<br />

4. Touristische Regionen in <strong>Mali</strong>.................................................................................................... 91<br />

5.1. Tourismus in der Dogon-Region ...................................................................................... 92<br />

5.2. Chancen und Risiken des Tourismus ............................................................................... 93<br />

5.3. Touristische Strukturen im Dogon-Land ........................................................................ 93<br />

5.4. Die Begegnung der Dogon mit Touristen....................................................................... 95<br />

5.5. Die neue Identitätsbildung bei den Reiseführern .......................................................... 95<br />

6. Tourismus in Timbuktu............................................................................................................... 96<br />

7. Resümee......................................................................................................................................... 97<br />

88


1. Die Geschichte des Tourismus in <strong>Mali</strong><br />

Die Wurzeln des Tourismus in <strong>Mali</strong> gehen streng genommen zurück auf die Zeit des<br />

Songhai-Reiches im 15. und 16. Jahrhundert. <strong>Mali</strong> war zu dieser Zeit eines der größten<br />

Reiche Afrikas- europäische sowie arabische Forscher kamen, um besonders Timbuktu<br />

als Handelszentrum dieses Reiches zu entdecken und im Westen darüber zu berichten<br />

(vgl. Krause 2006, 30). Auch die Dogon-Region im Südosten des Landes hat eine lange<br />

Tourismustradition. Ab den 1930er Jahren gab es ethnische Forschungen über das<br />

Dogon-Volk und in Besondere die ethnographischen Filme von Griaul haben dies<br />

Interesse geweckt. Die Dogon werden in seinen Filmen mystisch dargestellt und dieses<br />

Bild lockt bis heute Touristen an. (vgl. Luttmann 2002, 172f.). Das Land verfügt über<br />

einen großen kulturellen Reichtum auf Grund seiner Vergangenheit. Der Reichtum der<br />

einstigen großen territorialen Reiche spiegelt sich heute noch in dem sudanesischen<br />

Lehmbaustil, den Maskentänzen und dem Textilhandwerk wieder (vgl. ebd.) Die<br />

Tourismuswerbung bedient sich diesem ethnologisch geprägten Bild der Dogon und<br />

dem kulturellen Reichtum.<br />

Im Jahre 1960 wurde <strong>Mali</strong> unabhängig von den Franzosen und landesweit stieg die Zahl<br />

der Touristenankünfte (vgl. Tabelle Nr.1). Nach der Unabhängigkeit war der Tourismus<br />

vorerst staatlich organsiert und somit verdiente auch nur der Staat am ihm. 1990 kam es<br />

zur Liberalisierung und die Einheimischen konnten fortan als Tourenführer oder<br />

Hotelbetreiber Geld verdienen. Durch regen Straßenbau wurden viele kleine Dörfer,<br />

besonders im Dogon-Gebiet, nach der Liberalisierung für die Touristen zugänglich, die<br />

vorher noch abgeschnitten waren (vgl. Van Beek 2003, 265ff.). Obwohl der Tourismus<br />

heute liberalisiert ist, bleibt die Tendenz diesen zu begrenzen. Das Dogon-Land dürfen<br />

Touristen beispielsweise nur mit einem einheimischen Fremdenführer besuchen (vgl. Van<br />

Beek 2003, 272). Heute spielt der Staat keine große Rolle mehr bei der Organisation des<br />

Tourismus. In <strong>Mali</strong> gibt es keine politischen Leitlinien mit Maßnahmen hinsichtlich<br />

Qualitätssicherung der Hotels oder Touren und der Ausbildung der Angestellten<br />

(Luttmann 2002, 172).<br />

Die Kernbesuchszeit <strong>Mali</strong>s ist in der Trockenzeit von Oktober bis Februar. Ab März<br />

werden die Temperaturen sehr heiß und im Juli beginnt die Regenzeit (vgl. Velton 2008,<br />

S.33f.). Der Tourismus spielt sich seit der Tuareg-Rebellion zu Beginn der 90er Jahre fast<br />

ausschließlich im Sahel Gebiet ab, da die Sahara als unsicher eingestuft wird. Dies war zu<br />

Beginn der 90er Jahre noch anders, da viele Sahara Touristen auch nach <strong>Mali</strong> reisten.<br />

2. Touristenankünfte<br />

Die Bedeutung <strong>Mali</strong>s als Reiseland im internationalen Vergleich ist sehr gering. Der<br />

Kontinent Afrika verzeichnet 3,6% der weltweiten Touristenankünfte und auch im<br />

afrikanischen Vergleich ist der Tourismus noch gering ausgeprägt (vgl. WTO 2007). Die<br />

Zahlen der Ankünfte in <strong>Mali</strong> bis 2001 belegen aber, dass sich der Tourismus auf geringem<br />

Level aber stetig entwickelt. Besonders seit Mitte der neunziger Jahre, nachdem die<br />

Dürre-Periode und die Tuareg-Rebellion überwunden waren, haben sich die<br />

Touristenankünfte im Land verdreifacht (vgl. Krause 2006, 110).<br />

89


Abb. 1: Touristenankünfte <strong>Mali</strong><br />

KRAUS, Silke 2006: Mythos Timbuktu, Freie Universität Berlin. Magisterarbeit.<br />

Für die Bewohner <strong>Mali</strong>s hat der Fremdenverkehr jedoch eine wichtige Bedeutung, da<br />

durch ihn neue Arbeitsplätze im Land geschaffen werden. Ansonsten bietet das Land vor<br />

allem Beschäftigung im Agrarsektor. Der Tourismus ist in einigen Gebieten des Landes<br />

schon zu dem wichtigsten Standbein der Wirtschaft geworden. (vgl. VAN BEEK 2003,<br />

252)<br />

3. Darstellung <strong>Mali</strong>s bei den Reiseveranstaltern<br />

<strong>Mali</strong> als Reiseziel ist nur bei Spezialreiseveranstaltern und Studienreiseveranstaltern<br />

vertreten und wird meisten als geführte Rundreise angeboten. Daran lässt sich erkennen,<br />

dass es sich nicht um ein Massenreiseziel handeln kann und es ergibt sich die Chance die<br />

Entwicklung des Tourismus mit beeinflussen zu können. Bei den Reiseveranstaltern wird<br />

<strong>Mali</strong> als das unberührte, exotische Land mit einer unverfälschten Kultur und einer<br />

ethischen Vielfalt dargestellt. Gerade die Kombination aus Wüstenerlebnis und<br />

kultureller Vielfalt wird von vielen Veranstaltern in den Vordergrund gestellt (vgl.<br />

Africantours 2009). Dieses dargestellte Bild geht einher mit den Wünschen der<br />

Menschen nach Individualisierung und dem Drang immer wieder einzigartige und<br />

exotische Dinge zu erleben. Man möchte am liebsten als Tourist dorthin, wo noch kein<br />

Mensch vorher gewesen ist. Dieser Trend in unserer Gesellschaft eröffnet <strong>Mali</strong> viele<br />

Chancen.<br />

Gleichzeitig impliziert das Reiseland Afrika bei den Touristen auch Krankheiten und<br />

Unsicherheit. Aus dieser Kombination ergibt die Tendenz, dass die Touristen in <strong>Mali</strong> in<br />

einer für Sie geschaffenen Blase reisen. Von den Reiseveranstaltern wird eine<br />

durchgeplante Route vorgegeben und ein bestimmter Komfort gewährleistet, der meist<br />

nicht typisch für afrikanische Verhältnisse ist. So können die Touristen die exotische<br />

90


Anziehungskraft erleben, dennoch wird gleichzeitig zu viel Unsicherheit und ein<br />

Kulturschock vermieden (vgl. Van Beek 2003, 254).<br />

4. Touristische Regionen in <strong>Mali</strong><br />

Der Tourismus im Land beschränkt sich seit Mitte der 90er Jahre auf die Sahel-Zone, da<br />

die Sahara-Region seit der Tuareg-Rebellion als unsicher gilt. Ebenfalls halten sich in<br />

diesem Gebiet Al-Qaida Gruppen auf, weswegen von Reisen in diese Region abgeraten<br />

wird (vgl. Auswärtiges Amt 2009). Es gibt kaum noch Reiseveranstalter die Reisen in die<br />

Wüste anbieten- bis in die 80er Jahre waren diese grenzüberschreitende Karawanenreisen<br />

noch ein wichtiges touristisches Geschäft.<br />

Heute spielt sich das touristische Leben hauptsächlich entlang des Nigers in den Städten<br />

Bamako, Ségou, Mopti, Timbuktu und Gao sowie in Djenné und im Dogon-Land ab.<br />

Bamako ist die Hauptstadt des Landes und nahezu alle Rundreisen starten hier. In der<br />

Stadt sind drei große Märkte, auf denen man unter anderem traditionelles<br />

Kunsthandwerk erwerben kann (vgl. Velton 2008, 99ff.). In Mopti sind der große<br />

Fischerhafen mit den Pirogen und Pinassen sowie der turbulente Markt ein touristischer<br />

Anziehungspunkt (vgl. ebd. 160ff.). Djenné und Timbuktu waren die einstigen großen<br />

Zentren des Songhai-Reiches und die sudanesische Lehmbauarchitektur ist hier<br />

besonders ausgeprägt. In Djenné sei noch der immer montags stattfindende Markt<br />

erwähnt, der die ganze Stadt schlagartig belebt (vgl. ebd. 147ff.). Das Dogon-Land bietet<br />

dem Touristen einen Einblick in die reiche Dogon-Kultur mit ihren Riten, Maskentänzen<br />

und traditioneller Musik. Auch der Lehmbaustil ist in dieser Region verbreitet (vgl. ebd.<br />

175ff.).<br />

Foto 2 : eine Piroge auf dem Niger<br />

Aufnahme von Theresa Lauw<br />

91


Foto 3 /Foto 4: Beispiel der Lehmbauarchitektur in Mopti und Djenné<br />

Aufnahmen von Susann Aland<br />

Die wichtigsten touristischen Regionen stellen die Dogon-Region im Südosten und<br />

Timbuktu im Zentrum <strong>Mali</strong>s dar, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.<br />

5.1. Tourismus in der Dogon-Region<br />

Die Region im Südosten <strong>Mali</strong>s hat ein außergewöhnlich großes touristisches Potenzial.<br />

Dies ist bedingt durch die lange kulturelle Tradition der Ethnie, die seit dem<br />

15.Jahrhundert dort lebt. Die Dorfsiedlungen der Dogon sind in Felshänge im Bandiagara-<br />

Plateau gebaut, wodurch sich die Bevölkerung vor den Sklavenhändlern und anderen<br />

Feinden schützen konnte. Diese anscheinend unberührte Kultur zieht den westlichen,<br />

internationalen Touristen in besonderem Maße an (vgl. Van Beek 2003, 256ff). Im Fokus<br />

92


der Reisen steht für die Touristen meist die Kultur der Dogon, ihre Feste und ihr<br />

animistischer Glauben all dies in einer landschaftlichen Traumkulisse.<br />

Die Region der Dogon ist in der Agrarproduktion, im Vergleich zu vielen anderer<br />

Regionen in der Sahel-Zone entlang des Nigers, stark benachteiligt. Dieses ist vor allem<br />

geographisch (unebene Plateauregion) und klimatisch bedingt, da es sich um eine sehr<br />

trockene Region handelt (vgl. ebd. 255). Die Einnahmequelle aus dem Tourismus ergänzt<br />

sich gut mit der Landwirtschaft, da er zeitlich in die wirtschaftlich weniger aktive Zeit<br />

fällt. (vgl. Luttmann 2002, S.182). Bevor ich näher auf die heutigen touristischen<br />

Strukturen und die Begegnung der Dogon mit den Touristen eingehe, möchte ich kurz<br />

auf die Chancen und Risiken des Tourismus für eine Region zu sprechen kommen.<br />

5.2. Chancen und Risiken des Tourismus<br />

Es gibt ambivalente Diskussionen über die Rolle von Entwicklungsländern im Tourismus.<br />

Einerseits wird in dem internationalen Tourismus eine große Chance bezüglich des<br />

ökonomischen Wachstums gesehen. Gerade seit der Liberalisierung des Tourismus in<br />

<strong>Mali</strong> Anfang der 90er Jahre kommen die Einnahmen nicht mehr dem Staat sondern der<br />

Bevölkerung zu Gute. Andererseits ist der Tourismus ein Wirtschaftszweig, bei dem viel<br />

Geld in nationalen und internationalen Touristikunternehmen „hängenbleibt“ und vor<br />

allem gering qualifizierte, einheimische Saisonkräfte eingesetzt werden (vgl. Luttmann<br />

2002, 169). Auch wird beim Tourismus immer wieder über die negativen Auswirkungen<br />

auf die lokale Kultur und die Ökologie berichtet. Bei den negativen Auswirkungen auf die<br />

lokale Kultur ist die Rede von Überfremdung, Kulturverfall und Vermarktung der Kultur<br />

(vgl. Van Beek 2003, 251).<br />

Inzwischen findet ein differenziertes Denken bezüglich der positiven und negativen<br />

Auswirkungen statt- es muss bei jeder Region und bei jedem Land individuell betrachtet<br />

werden, wie die Bevölkerung mit dem Tourismus umgeht. Die Weiterentwicklung des<br />

sozial- und ökologisch tragfähigen Tourismus ist sehr wichtig, so dass die Einheimischen<br />

einen ökonomischen Vorteil haben und die Einnahmen aus dem Tourismus nicht<br />

ausschließlich an Großkonzerne gehen. Außerdem müssen die Gastgeber die<br />

Entscheidungen mit eingebunden werden und die Auswirkungen des Tourismus sollten<br />

aus ihrer Perspektive betrachtet werden und nicht aus der Perspektive der westlichen<br />

Welt (vgl. LUTTMANN 2002, 169) So kann der Tourismus auch die Chance zur<br />

Stärkung der Identität und Selbstwahrnehmung bieten und impliziert nicht immer sofort<br />

Zerstörung (vgl. ebd. 170)<br />

5.3. Touristische Strukturen im Dogon-Land<br />

Die Unterkünfte in der Region sind einfach, häufig auch unter freiem Himmel und<br />

werden meistens von Einheimischen geführt. Trotzdessen sind sie den Bedürfnisses des<br />

westlichen Touristen angepasst- sie sind ergänzt durch Baumbepflanzung und<br />

Blumensträuchern, die Nutzungsräume des einzelnen Touristen sind abgetrennt so dass<br />

93


jeder seine Privatsphäre hat. Die Speisen sind ebenfalls auf den europäischen Gaumen<br />

zugeschnitten (vgl. Luttmann, Tourismusstrukturen im heutigen Dogon-Land). Häufig sind<br />

die Unterkünfte um einen Souvenirshop ergänzt, in denen typische Kunst wie<br />

beispielsweise die Masken „kanaga“ der Dogon verkauft werden. Es ist nur eine Maske<br />

von vielen der Dogon und sie wird bei den Maskentänzen von den Männern getragen.<br />

Die Maskentänze gehören zu einem touristischen Highlight der Region und die Touristen<br />

zahlen ein Entgelt, damit diese Tradition extra für die „nachgeahmt“ wird.<br />

Die zentrale Rolle im Tourismus haben die jungen Dogon-Männer, die sich als Guides<br />

betätigen. Sie führen die Touristengruppen von Dorf zu Dorf und erklären ihnen die<br />

Lebensweise der Dorfbewohner und das animistische Glaubensprinzip. Es existiert ein<br />

starker Konkurrenzkampf da der Begriff Fremdenführer kein geschützter Begriff ist.<br />

Auch als Souvenirverkäufer und Hostelbetreiber betätigen sich in der Regel die jungen<br />

Männer, die gerne die ökonomischen Chancen ergreifen (vgl. Luttmann 2002, 172f.). Sie<br />

sind ansonsten wegen der hierarchischen Sozialstruktur stark benachteiligt, da erst mal<br />

die Brüder des Vaters erben wenn dieser verstirbt. Dadurch kommen die Männer erst<br />

im fortgeschrittenen Alter in den Besitz von guten Böden um Landwirtschaft zu<br />

betreiben (vgl. Van Beek 2003, 272)<br />

Die Touristenzahlen in der Dogon-Region sind genauso wie im gesamten Land <strong>Mali</strong><br />

steigend. Im Jahre 2000 lag die Zahl der Übernachtungen bei 15.000 im Jahr, heute sind<br />

es bereits doppelt so viele. Diese Zahl hört sich vergleichsweise sehr gering an aber man<br />

muss bedenken, dass es auch nur eine limitierte Zahl an Übernachtungsmöglichkeiten<br />

gibt die Region als Massenreiseziel nicht geeignet ist (vgl. Van Beek 2003, 268).<br />

Foto 5: Maske der Dogon: kagan<br />

Galerie für traditionelle Afrikanische Kunst<br />

94


5.4. Die Begegnung der Dogon mit Touristen<br />

Das Verhältnis zwischen Tourist und Bewohner des Landes ist bei Entwicklungsländern<br />

sehr asymmetrisch (vgl. Luttmann 2002, 170). Westliche Touristen, die ins Dogon-Gebiet<br />

gelangen, sehen sich anders als sie von den Einheimischen gesehen werden. Sie<br />

betrachten sich als überdurchschnittlich in anderen Kulturen interessiert und gebildet.<br />

Die Dogon nehmen den Touristen nicht so wahr- für sie sind sie eine „wandelnde<br />

Geldbörse“, die möglichst viel konsumieren sollten (vgl. Van Beek 2003, 278). Die<br />

Besucher erweisen sich in der Regel als sehr großzügig und teilweise entstehen sogar<br />

Initiativen zum Bau von neuen Schulen, Brunnen, Staudämmen etc. Die Frage ist, wie die<br />

einheimische Bevölkerung mit dieser Asymmetrie umgeht? Wie reagieren sie auf die<br />

materielle Überlegenheit und können sie ihre Kultur bewahren? Wie bereits an anderer<br />

Stelle erwähnt ist nur eine kleine Gruppe von jungen Männern direkt am Tourismus<br />

beteiligt, wobei das Gros der Bevölkerung sich von den Touristenströmen nicht<br />

betroffen fühlt (vgl. Luttmann 2002, 183). Das tägliche Leben orientiert sich an der<br />

Landwirtschaft, dem wöchentlichen Rhythmus der Märkte und der Trocken- und<br />

Regenzeit. Der Tourist stellt eine willkommene Abwechslung da, aber keinen Eingriff in<br />

den Alltag. Sie reisen sehr abgegrenzt von der Bevölkerung -halt in der künstlich für sie<br />

konstruierten Blase. Es findet auch kaum Kommunikation zwischen den beiden Gruppen<br />

statt, was auch durch sprachliche Barrieren hervorgerufen wird. Das Produkt „Kultur“<br />

ist die Hauptattraktion für die Besucher, deswegen sind auch die Maskentänze als<br />

wichtiger Teil dieser Kultur so beliebt. Dies birgt die Gefahr, dass die Bewohner den<br />

Eindruck bekommen ihre Kultur würde als Gebrauchsgegenstand gehandelt werden (vgl.<br />

Van Beek 2003, 273ff.). Andererseits kann der Tourismus auch dazu führen, dass die<br />

Identität noch mehr gestärkt wird durch das starke Interesse an der Kultur. Die Dogon<br />

sind sehr stolz, haben eine starke Verbindung zu ihrer Kultur, dadurch ein starkes<br />

Selbstbewusstsein und vermitteln dies auch den Touristen. Die Kultur ist geprägt durch<br />

Sesshaftigkeit- die Abenteuerkultur der Reisenden ist für sie schwer nachvollziehbar und<br />

deswegen begegnen sie ihnen auch eher skeptisch. Sie haben dem Touristen gegenüber<br />

ein Überlegenheitsgefühl, sind dabei aber trotzdem offen und gastfreundliche (vgl.<br />

Luttmann 2002 179f.)<br />

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Gefahr der kulturellen Überfremdung durch<br />

die Touristen in der Dogon-Region sehr gering ist. Einerseits ist es bedingt durch die<br />

wenigen Berührungspunkte und andererseits durch das starke Selbstbewusstsein und die<br />

Verbindung zu ihrer Kultur.<br />

Der Tourismus hat noch eine positive Folge: Den Dogon wurde durch das<br />

entgegengebrachte Interesse an ihrer Kultur die Notwendigkeit des Erhalts des<br />

kulturellen Erbes bewusst (vgl. LUTTMANN 2002 182f.).<br />

5.5. Die neue Identitätsbildung bei den Reiseführern<br />

Die jungen Dogon-Männer, die sich als Touristen- Guides betätigen, geraten durch ihre<br />

Tätigkeit in einen Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. Die Männer geraten in<br />

diesen Zwiespalt weil ihre Arbeit von der traditionellen Bevölkerung als nicht ehrenhaft<br />

95


angesehen wird. Soziale Anerkennung erfahren bei den Dogon lediglich die Feldarbeiter<br />

(walu) wohingegen die Arbeiten der Berufskasten (bire), zu denen auch die Händler<br />

zählen, als abhängig und heuchlerisch betitelt werden. Die Reiseführer bilden quasi eine<br />

neue Berufskaste, die sich durch Verhandlungsgeschick und auch Abhängigkeit zu den<br />

Kunden, auszeichnet und somit von den Dogon als nicht ehrenhaft gilt (vgl. Luttmann<br />

2002 188f.).<br />

Die Fremdenführer selber sehen sich als modernes Leitbild und streben nach sozialer<br />

Anerkennung in der Gesellschaft. Sie können als Fremdenführer schnelles Geld verdienen<br />

und Begeben sich auf Reisen, was den meisten anderen Dorfbewohnern verwehrt bleibt.<br />

Ihr äußeres Erscheinungsbild wird von den Touristen als traditionell wahrgenommen, da<br />

es auf den ersten Blick so aussieht aber die traditionelle Kleidung ist stark verfälscht.<br />

Auch das Freizeitverhalten der jungen, modernen Touristenführer wird von der<br />

traditionellen Bevölkerung verachtet. Einige der Männer kleiden sich in einem westlichen<br />

Kleidungsstil und tragen deren Konsumgüter, was auf Ablehnung in der Bevölkerung<br />

stößt (vgl. Luttmann 2002, 185 ff.).<br />

Abschließend kann man festhalten, dass die jungen Dogon-Männer auf Grund der<br />

soziokulturellen Konstruktion der Dogon nicht als das moderne Leitbild angesehen<br />

werden, als dass sie sich gerne sehen.<br />

6. Tourismus in Timbuktu<br />

Mit dem Namen „Timbuktu“ wird in der westlichen Welt etwas Geheimnisvolles<br />

verbunden. Einerseits wird die Stadt mit dem Bild vom „Ende der Welt“ assoziiert und<br />

andererseits existiert das Bild einer Stadt als Treffpunkt von Gläubigen und<br />

Intellektuellen (vgl. Kraus 2009, 29). Timbuktu war zur Zeit des Songhai-Reiches ab Mitte<br />

des 15.Jahrhunderts eine reiche Stadt und das Handelszentrum, in dem mit Gold,<br />

Elfenbein, Gewürzen und dem bekannten Wüstensalz gehandelt wurde. Aus dem Norden<br />

kamen die Kamelkarawanen und die Güter wurden weiter in den Süden gehandelt. Zu<br />

dieser Zeit war die Stadt ein Treffpunkt von Händlern und Gelehrten, außerdem gab es<br />

über 100 Koranschulen und Universitäten in der Stadt. Im Jahre 1591 wurde die Stadt<br />

von marokkanischen Truppen zerstört und die Reichtümer wurden geplündert. Heutzutage<br />

aber auch während des Songhai-Reiches leben in Timbuktu verschiedene Ethnien,<br />

überwiegend aber die Songhai und die Tuareg. Ursprünglich sind die Tuareg<br />

Halbnomaden und lebten von der Viehzucht aber die Dürrejahre in <strong>Mali</strong> haben viele in<br />

die Städte gezogen (vgl ebd. 30ff.)<br />

Heute reisen die Touristen nach Timbuktu um die Zeitzeugnisse dieser großen Ära zu<br />

entdecken: alte Kaufmannshäuser aus dem 15.Jahrhundert, Moscheen, Bibliotheken,<br />

sudanesische Lehmbaukultur. Auch die beeindruckende Halbwüstenlandschaft, in der für<br />

den Touristen Kamelritte inklusive Übernachtung in einem Campement angeboten wird.<br />

In den 80er Jahre waren auch noch Kamelritte durch die Wüste mit den Touristen eine<br />

Einnahmequelle der Tuareg. Die Nachfrage nach den mehrtägigen Trips aus dem Norden<br />

kommend ist in Folge der Tuareg-Rebellion aber quasi eingebrochen. Touristen reise<br />

ebenfalls nach Timbuktu um die Kultur der Tuareg kennenzulernen, die früher als<br />

Nomaden durch die Wüste gezogen sind (vgl. ebd. 64ff.). Der Tourismus hat sich in<br />

Timbuktu inzwischen zu der Haupteinnahmequelle entwickelt.<br />

96


Foto 6: Eine der drei Moscheen in Timbuktu<br />

Aufnahme von Susann Aland<br />

Für einen Besuch in dieser Stadt nehmen die Touristen eine beschwerliche Anreise auf<br />

sich. Mit Trucks fährt man einen Tag lang durch die Halbwüste oder man steigt in<br />

Bamako in ein kleines Flugzeug. Aber warum nehmen alle Touristen diese Kosten und<br />

Mühen auf sich? Was erwarten sie sich von ihrem Besuch in Timbuktu und wie sieht die<br />

Realität aus?<br />

7. Resümee<br />

Auch während unserer Reise durch <strong>Mali</strong> war in der Gruppe immer wieder eine ganz<br />

besondere Aufregung zu spüren, wenn wir über die bevorstehende Tour nach Timbuktu<br />

gesprochen haben. Was erwartet uns dort? Wie viele Zeitzeugnisse sind tatsächlich noch<br />

zu sehen? Wie beschwerlich wird die Reise?<br />

In den zwei Tagen in Timbuktu stellten wir Gemeinsamkeiten zu den bisher gesehenen<br />

Städten fest aber auch viele Unterschiede, besonders aus dem touristischen Blickwinkel.<br />

Tatsächlich haben wir festgestellt, dass nicht mehr viel in der Stadt an den einstigen<br />

Reichtum erinnert. Die Menschen leben in armen Verhältnissen in den traditionellen<br />

Lehmhäusern, die etwas betuchteren bauen Häuser aus Ziegelsteinen. Das Leben findet<br />

ebenso wie in den anderen Städten <strong>Mali</strong>s auf der Straße statt, die Einwohner verkaufen<br />

ihre Waren auf den Märkten, in kleinen Läden oder auf der Straße um ihre Familie zu<br />

ernähren. Die Stadt unterscheidet sich in ihrem Stadtbild nicht sehr von anderen<br />

malischen Städten, bis das wir uns in der Halbwüstenlandschaft befinden und die Straßen<br />

deshalb mit Sand bedeckt sind. Trotzdem war es ein besonderes Gefühl durch die<br />

Straßen zu gehen und sich vorzustellen, wie es hier wohl ausgesehen haben mag als die<br />

Stadt übersät war von Universitäten und Studenten. Und als riesige Karawanen mit bis zu<br />

400 Kamelen, aus dem Norden mit Gold und Salz beladen, eintrafen. Dieses<br />

Vorstellungsvermögen hatten wir auch unserem Fremdenführer Kalil zu verdanken, der<br />

97


uns in einem guten Englisch die Geschichte der Stadt, die heutigen Strukturen und viele<br />

Informationen über das Leben der Tuareg näher gebracht hat.<br />

Dies ist ein großer Unterschied Timbuktus zu den bis dahin besuchten Städten. Die<br />

Fremdenführer können nicht-französisch sprachigen Touristen mehr vermitteln wenn sie<br />

Touren auch auf Englisch anbieten können. Glaubt man der Aussage Kalils so können alle<br />

Tuareg, die sich als Fremdenführer betätigen, auch Englisch sprechen. Die Händler auf<br />

der Straße und auf den Märkten, die sich auf touristische Produkte wie etwa Tuareg-<br />

Schmuck spezialisiert haben, sprechen Brocken von Englisch um sich mit den Touristen<br />

unterhalten zu können und ihre Ware besser verkaufen zu können.<br />

Während der Stadtführung hat uns Kalil ebenfalls über das Kanalisationssystem<br />

aufgeklärt, dass in der Altstadt Timbuktus entsteht. Die Stadt erhofft sich durch diese<br />

Maßnahme natürlich bessere Lebensbedingungen für die Einwohner aber gleichzeitig, dass<br />

noch mehr Touristen die Stadt besuchen werden. In keiner anderen Stadt, die wir als<br />

Gruppe besucht haben sind solche Maßnahmen in Planung.<br />

In Timbuktu hat man ebenfalls damit begonnen regionale Ressourcen und Faktoren für<br />

die touristische Entwicklung der Stadt besser zu nutzen. Ein Beispiel hierfür ist die<br />

Kameltour durch die Halbwüste mit anschließender Übernachtung und Bewirtung im<br />

Campement, die auch wir unternommen haben. Auf Basis der endogenen Potenziale wird<br />

ein touristisches Programm entwickelt, für das keine zusätzliche Infrastruktur wie etwa<br />

Hotels geschaffen werden müssen, sondern das sich aus den Gegebenheiten vor Ort<br />

ergibt. Für den westlichen Touristen sind solche Angebote etwas Einzigartiges und sie<br />

haben das Gefühl die Kultur der Tuareg hautnah mitzuerleben. Auch die Tuareg schlafen<br />

unter freiem Himmel während sie mit Karawanen durch die Wüste ziehen. Vergleichbar<br />

ist dieses Angebot in Timbuktu mit den Maskentänzen bei den Dogon, die von den<br />

Touristen gebucht werden können um die Kultur hautnah mitzuerleben.<br />

Foto 7: Kameltour zum Wüstencamp<br />

Aufnahme von Susann Aland<br />

98


Wir als Gruppe hatten den Eindruck, dass der Tourismus in ganz <strong>Mali</strong> noch in den<br />

Kinderschuhen steckt. Während der Reise sind wir selten auf andere Touristen gestoßen<br />

und wenn waren es organisierte Kleingruppen von Touristen mittleren Alters, die<br />

vermutlich eine organisierte Rundreise gebucht hatten. Das Land hat viele touristische<br />

Potenziale vor allem aus kultureller Sicht, die ich in dieser Ausarbeitung ausführlich<br />

aufgeführt habe. Hinzu kommt, dass man in <strong>Mali</strong> als Tourist ein hohes Sicherheitsgefühl<br />

empfindet. Wir haben uns auf der Straße frei bewegen können, hatten keine Angst vor<br />

Überfällen und haben auch immer nach Einbruch der Dunkelheit das Hotel verlassen<br />

können. Dies ist nicht in allen afrikanischen Ländern so selbstverständlich möglich. Nicht<br />

vergessen möchte ich an dieser Stelle die Offenheit, mit der man als Tourist in <strong>Mali</strong><br />

empfangen wird. Wir waren immer wieder überwältigt von der Gastfreundschaft und der<br />

Freundlichkeit der Menschen. All dies macht <strong>Mali</strong> zu einem reizvollen und einzigartigen<br />

Reiseland.<br />

99


Literaturverzeichnis<br />

KRAUS, Silke 2006: Mythos Timbuktu, Freie Universität Berlin. Magisterarbeit.<br />

LUTTMANN, Ilsemargret 2002: Tourismus und Kulturerhalt. Ein Widerspruch? Der<br />

Umgang der Dogon (<strong>Mali</strong>) mit dem internationalen Tourismus. Baessler Archiv,51.<br />

VAN BEEK, Walter 2003: African tourist encounters. Effects of tourism on two West<br />

African societies. In: Africa, 73, 2.<br />

VELTON, Roos 2008: <strong>Mali</strong>. The Bradt Travel Guide, Guilford.<br />

AFRICANTOURS 2009: <strong>Mali</strong>. Durch den Sahel an den Rand der Wüste mit einer<br />

Wanderung durch das Land der Dogon. URL:<br />

http://www.africontours.de/103/<strong>Mali</strong>/Touren/<strong>Mali</strong>_MA_01.html, Stand 01.04.2009.<br />

AUSWÄRTIGES AMT 2009: Reise- und Sicherheitshinweise. URL: http://www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/<strong>Mali</strong>/Sicherheitshinweise.html,<br />

Stand 24.04.2009.<br />

WORLD TRAVEL ORGANIZATION 2009: Tourism Statistics <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://www.unwto.org/index.php, Stand 01.04.2009.<br />

100


Alles für die Katz?<br />

Lehren aus der Entwicklungspolitik<br />

Mathias Becker<br />

101


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Armut in Zahlen: <strong>Mali</strong> .............................................................................................................. 103<br />

2. Ursachen der Unterentwicklung............................................................................................. 104<br />

2.1. Die Sahelzone – naturräumliche Festsetzung von Armut?........................................ 104<br />

2.2. Nomadentum: rückständige oder angepasste Lebensweise? .................................... 105<br />

2.3. Das koloniale Erbe ............................................................................................................. 106<br />

2.4. Bevölkerungsexplosion...................................................................................................... 106<br />

2.5 Wirtschaftliche Defizite und Abhängigkeiten ................................................................ 107<br />

3. Entwicklung der Entwicklungszusammenarbeit ................................................................... 107<br />

4. Entwicklungszusammenarbeit an Beispielen ......................................................................... 109<br />

4.1. Das „Office du Niger“....................................................................................................... 109<br />

4.2. <strong>Mali</strong> Nord ............................................................................................................................. 111<br />

5. Fazit ............................................................................................................................................... 114<br />

102


1. Armut in Zahlen: <strong>Mali</strong><br />

<strong>Mali</strong> gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Weltbank beziffert das BIP 2006 auf<br />

6.1 Mrd. US-Dollar, das Pro-Kopf-Einkommen betrug 440 US-Dollar (vgl. Weltbank<br />

2008a, 388). 72 % der Bevölkerung leben unterhalb der internationalen Armutsgrenze<br />

von 2 US$ pro Tag (vgl. Weltbank 2008a, 391). Im aktuellen UNDP-Bericht über die<br />

menschliche Entwicklung verharrt <strong>Mali</strong> auf den hintersten Plätzen: zuletzt auf Rang 168<br />

von 179 Ländern (vgl. UNDP 2008) 2 .<br />

Abb. 1: <strong>Mali</strong>’s Human Development Index (Quelle: UNDP 2008)<br />

Einen anderen Ansatz, die Entwicklung eines Landes zu messen, verfolgt der Bertelsmann<br />

Transformation Index BTI der Bertelsmann Stiftung. Der BTI versucht, zwei Komponenten<br />

zu erfassen: Zum einen die Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrades, der die<br />

Spielräume politischen Handelns beeinflusst. Diese Komponente, die erheblichen Einfluss<br />

auf das Länder-Ranking hat, lässt Rückschlüsse auf die Möglichkeiten und Grenzen<br />

entwicklungspolitischer Interventionen zu. Zum anderen hat die Bewertung der<br />

Bereitschaft der politischen Führungsgruppe zur Kooperation mit externen Akteuren<br />

und bei der Umsetzung von Reformpolitik viel mit der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit<br />

zu tun (vgl. Nuscheler 2008, 11f). Während UNDP und Weltbank <strong>Mali</strong><br />

auf die hintersten Plätze ihrer Indizes verweisen, sieht der BTI das vielzitierte<br />

„Musterbeispiel für Demokratie in Afrika“ aufgrund seiner politischen Stabilität erheblich<br />

positiver.<br />

2 Der Human Development Index (HDI) der UN ist eine Messzahl für den Entwicklungsstand eines Landes und<br />

setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Lebenserwartung, Ausbildung und Kaufkraft.<br />

103


Abb. 2: Der BTI für <strong>Mali</strong> (Quelle: BTI 2007, 1) 3<br />

2. Ursachen der Unterentwicklung<br />

2.1. Die Sahelzone – naturräumliche Festsetzung von Armut?<br />

„Sahel“ leitet sich aus dem arabischen Wort „as-sahil“ ab und bedeutet „Ufer“ oder<br />

„Küste“ – denn das war der Sahel für die Bewohner der Wüste: ein rettendes Ufer. Dort<br />

gab es Wasser, Getreide, dort begegneten sich hellhäutige, nomadische Viehzüchter und<br />

negride, sesshafte Bauern und Stadtbewohner. In unserem westlichen Weltbild hingegen<br />

steht der Sahel geradezu als Synonym für Dürrekatastrophen und Hungersnöte.<br />

Naturgeografisch weist dieser Raum nirgendwo klare Grenzen auf. Eine ungefähre<br />

Abgrenzung erfolgt meist durch die Isohyten (Linien gleichen Jahresniederschlags): den<br />

Nordrand bildet die 200mm-Linie und den Südrand die 600mm-Linie. Entscheidend für<br />

die Ökologie des Sahels ist jedoch nicht so sehr die absolute Niederschlagsmenge,<br />

sondern viel mehr die Niederschlagsschwankungen. In der Kernzone des Sahel beträgt<br />

die Niederschlagsvariabilität zwischen 20 und 30 % (vgl. Krings 1993 130).<br />

3 Der Status-Index informiert über den im Frühjahr 2007 erhobenen Entwicklungsstand eines Landes auf dem<br />

Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft, während der Management-Index die Qualität der<br />

Steuerungsleistungen der politischen Entscheidungsträger im Zeitraum von 2005 bis 2007 klassifiziert.<br />

104


Abb. 3: Die Sahelzone (Quelle: Krings 1993, 131)<br />

2.2. Nomadentum: rückständige oder angepasste Lebensweise?<br />

Die hohe Niederschlagsvariabilität verdeutlicht die Labilität des Naturhaushaltes, eine der<br />

größten Herausforderungen für das Leben im Sahel. Sie bedingt, dass in den nördlichen<br />

Gebieten des Sahel (im Gegensatz zum feuchteren Süden) kein sicherer Ackerbau mehr<br />

betrieben werden kann, hier dominieren daher vielfältige Formen der voll- und<br />

halbnoma-dischen Tierhaltung. Im Nordosten <strong>Mali</strong>s sind dies die vollnomadischen<br />

Stämme der Tuareg, weiter südlich vor allem die halbnomadischen Fulbe (vgl. Krings<br />

1993, 134-135).<br />

Abb. 4: Siedlungsgebiet der Tuareg (Quelle: Care 2008)<br />

105


Die Kolonialzeit brachte für die nomadischen Stämme Nord-<strong>Mali</strong>s weniger das Problem<br />

der „Seßhaftmachung“ als vielmehr die sukzessive Einschränkung ihre Landrechte. Die<br />

Ausdehnung der Feldbauzonen gen Norden führte zu Konflikten über angestammte<br />

Weideareale und Wasserstellen zwischen den Tuareg und sesshaften Siedlern. Die<br />

willkürlichen Grenzen, die mit der Unabhängigkeit der Sahelländer zementiert wurden,<br />

sorgen für weitere Schwierigkeiten. Eine großräumige Wandertierhaltung ohne Grenzverletzungen<br />

ist nicht mehr möglich. Die nomadische Lebensweise wurde in allen<br />

Sahelländern als rückständig und überkommen angesehen, die Seßhaftmachung der<br />

Stämme war (und ist) oft das erklärte Ziel. Nicht erkannt wird dabei meist, dass ihre<br />

nomadische Lebensweise die einzige ist, die in den Wüsten und Halbwüsten nachhaltig<br />

möglich ist. Die Stiefmütterliche Behandlung insbesondere der Tuareg führt bis heute<br />

immer wieder zu Spannungen und Konflikten.<br />

2.3. Das koloniale Erbe<br />

Der labile Naturhaushalt ist allerdings nicht die alleinige Ursache für die destabilisierte<br />

Landwirtschaft im Sahel. Die naturräumlichen Gegebenheiten ließen durchaus eine<br />

Selbstversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu. Verhindert wird dies im<br />

Wesentlichen auch durch die koloniale Ausrichtung auf den Export landwirtschaftlicher<br />

Güter anstatt auf agrarische Selbstversorgung. Diese Schieflage wurde wie in vielen<br />

Sahelländern so auch in <strong>Mali</strong> von den postkolonialen Eliten nicht beseitigt. Hauptexportgüter<br />

<strong>Mali</strong>s sind nach wie vor Baumwolle und Gold sowie Erdnüsse. Die<br />

Nahrungsmittelproduktion ist auf die Bedürfnisbefriedigung urbaner Eliten ausgerichtet<br />

(vgl. Krings 1993, 136). Eine weitere Hypothek aus der Kolonialzeit für die Sahelländer<br />

sind die künstlich gezogenen Staatsgrenzen. <strong>Mali</strong> als Binnenland ohne Zugang zum Meer<br />

hat dabei zusätzlich mit dem Problem zu kämpfen, dass Importgüter höhere<br />

Transportkosten aufweisen.<br />

2.4. Bevölkerungsexplosion<br />

Die Bevölkerung <strong>Mali</strong>s hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark zugenommen. Im<br />

Schnitt lag der Bevölkerungszuwachs von 1990 bis 2006 bei etwa 3 % pro Jahr (vgl.<br />

Weltbank 2008). Dies bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Zunächst führt die<br />

steigende Nachfrage nach Lebensmitteln zu einer Ausweitung der Ackerflächen und<br />

zunehmender Entwaldung. Folge dieser Entwicklung ist zum einen die zunehmende<br />

Ausbreitung wüstenähnlicher Verhältnisse (Desertifikation). Zum Anderen werden<br />

gerade die ärmsten Bevölkerungsteile und insbesondere auch die Nomadenvölker in<br />

noch ungünstigere Räume abgedrängt, wo sie gezwungen sind, das Acker- und Weideland<br />

zu übernutzen, was wiederum die Desertifikation und Umweltzerstörung beschleunigt.<br />

(vgl. Krings 1993, 138-139). Konsequenz dieser Ursachenkette ist die Zunahme von<br />

Armut und Hunger, Armut und Hunger wiederum beschleunigen die Umweltzerstörung.<br />

106


2.5 Wirtschaftliche Defizite und Abhängigkeiten<br />

Nach wie vor hat die Landwirtschaft einen hohen Anteil an <strong>Mali</strong>s Wirtschaftsleistung,<br />

obwohl dieser kontinuierlich abgenommen hat: von 46% im Jahre 1990 auf 37% in 2006,<br />

der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft liegt bei ca. 80 % (vgl. Broetz 1993,<br />

304; Weltbank 2008a, 394). Mit der Konzentration auf nur zwei Hauptexportgüter –<br />

Baumwolle und Gold – bleibt <strong>Mali</strong>s Wirtschaft stark abhängig von externen Faktoren wie<br />

dem Weltmarktpreis oder den Wetterbedingungen. Insbesondere in den 80er Jahren<br />

war der staatlich verwaltete Agrarsektor durch kontraproduktive politische Entscheidungen<br />

geprägt. Die Preise für Nahrungsmittel wurden staatlich festgelegt und zugunsten<br />

der städtischen Eliten niedrig gehalten wohingegen die Erzeuger kaum kostendeckend<br />

arbeiten konnten. Erst die sonst wenig erfolgreichen Strukturanpassungsprogramme von<br />

IWF und Weltbank Anfang der 90er Jahre konnten dieses Ungleichgewicht beenden (vgl.<br />

Broetz 1993, 306-307).<br />

<strong>Mali</strong>s Außenhandel ist defizitär. 2007 standen Importen im Wert von 1,59 Mrd. Euro,<br />

Exporte von 1,32 Mrd. Euro gegenüber (vgl. Weltbank 2008b). Der hohe Verschuldungsgrad,<br />

der <strong>Mali</strong> in den letzten Jahrzehnten fesselte, konnte durch weitreichende<br />

Schuldenerlassmaßnahmen 2006 deutlich verbessert werden. Betrug die Auslandsverschuldung<br />

2005 noch 65% des BIP, so waren es 2006 nur noch 27 % (vgl. BTI 2008,<br />

11). Nach wie vor gehört das Land zu den größten Empfängern internationaler<br />

Entwicklungshilfe. Pro Kopf beliefen sich die Leistungen 2005 auf 51 US$, während der<br />

Schnitt der Low-Income-Countries bei 17 US$ lag (vgl. ebda., 396-397).<br />

3. Entwicklung der Entwicklungszusammenarbeit<br />

Die Geschichte der Entwicklungspolitik in <strong>Mali</strong> lässt sich, wie in vielen anderen Ländern<br />

auch, in verschiedene Etappen oder auch „Entwicklungsdekaden“ einteilen. In den 60er<br />

Jahren standen Industrialisierung, Modernisierung und Wohlstand im Mittelpunkt aller<br />

Bemühungen. Die sogenannten Modernisierungsstrategien versuchten mittels massiver<br />

Kapitalspritzen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, die Entwicklungsländer sollten auf<br />

dem „vorgezeichneten Weg der Industrieländer“ die Unterentwicklung ablegen. Statt des<br />

erhofften trickle-down-Effekts brachten diese von oben nach unten gerichteten Ansätze<br />

aber meist nur eine Verschärfung der Disparitäten mit sich und führten die Entwicklungsländer<br />

tiefer in die Abhängigkeit (vgl. Nuscheler 2006, 78). Zwar besann sich <strong>Mali</strong> in<br />

dieser Zeit auf die Bedeutung seines Agrarsektors. Allerdings geschah dies vor allem, um<br />

mit den Exporterlösen aus der Landwirtschaft die Modernisierung der urbanen Zentren<br />

finanzieren zu können. Aus der Vernachlässigung des ländlichen Raumes folgte eine<br />

Verstärkung der Landflucht, ein weiterer Schritt im vielbeschworenen „Teufelskreis der<br />

Armut“ war getan (vgl. Barth 1983, 321).<br />

Anfang der 70er Jahre zog der damalige Präsident der Weltbank Robert McNamara ein<br />

vernichtendes Fazit des Konzepts „Entwicklung durch Wachstum“. Er forderte eine<br />

Konzentration auf den Kampf gegen die Armut, Entwicklungsarbeit sollte an der Basis<br />

ansetzen, statt dem Ideal der Industrialisierung nach westlichem Vorbild<br />

hinterherzulaufen. Die Grundbedürfnisstrategien waren geboren. So orientierten sich an<br />

den Basisbedürfnissen der Bevölkerung. Aber nach wie verfolgte die Entwicklungs-<br />

107


zusammenarbeit einen top-down-Ansatz und war eurozentristisch geprägt, was<br />

zunehmend Misstrauen in den Entwicklungsländern hervorrief (vgl. ebda., 79-80).<br />

In den 80er Jahren, die manchmal auch als „das verlorene Jahrzehnt der<br />

Entwicklungspolitik“ bezeichnet werden (vgl. ebda., 80), begann in <strong>Mali</strong> ein Wandel hin<br />

zur Marktwirtschaft. Gezwungen durch die zunehmende Verschuldung des Landes<br />

versuchte der Militärdiktator Traoré, mit dem Internationalen Währungsfonds<br />

zusammenzuarbeiten. Die eingeleiteten Strukturanpassungsprogamme des IWF zielten<br />

auf eine vollständige Liberalisierung der Wirtschaft: Im- und Exportmonopole wurden<br />

aufgelöst, unrentable Staatsbetriebe geschlossen und rentable privatisiert, der öffentliche<br />

Dienst durch Entlassungen entschlackt und Sozialausgaben gekürzt (vgl. Broetz 1993,<br />

307-308). Allerdings waren die durchgeführten Maßnahmen nur wenig erfolgreich und<br />

nutzten vor allem der politischen Elite, was letztlich auch zum Sturz der Militärdiktatur<br />

beitrug (vgl. BTI 2007, 3).<br />

Mit dem Sturz Traorés im Jahre 1991 begann ein umfangreicher Demokratisierungs- und<br />

Dezentralisierungsprozess in <strong>Mali</strong>. Unter Präsident Konaré wurde die Liberalisierung von<br />

<strong>Mali</strong>s Wirtschaft weiter vorangetrieben: staatliche Elektrizitäts-, Wasser-, Textil- und<br />

Telekommunikationsunternehmen wurden privatisiert, staatliche Marktinterventionen<br />

und Preisfestsetzungen zurückgefahren. Letzteres nutzte vor allem der Landwirtschaft,<br />

die eine deutliche Produktionssteigerung verzeichnen konnte. Andere Wirtschaftszweige<br />

wie bspw. der Minenbergbau wurde für ausländische Investitionen geöffnet (vgl. ebda.)<br />

Konarés Nachfolger, General Touré (kurz ATT), führt die Reformpolitik seit 2002 fort.<br />

Lohn dieser Bemühungen waren weitreichende Schuldenerlässe durch den Internationalen<br />

Währungsfonds in den Jahren 2003 und 2006 (vgl. ebda.) <strong>Mali</strong>s politischer Erfolg<br />

steht allerdings in starkem Kontrast zu der nach wie vor katastrophalen wirtschaftlichen<br />

Lage des Großteils der Bevölkerung. Nach wie vor ist <strong>Mali</strong> stark von externer Hilfe<br />

abhängig. Diese wird seit Beginn der 90er Jahre verstärkt durch Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGOs) geleistet, die mit Unterstützung der Basis eine Wirkung von<br />

unten nach oben erzielen wollen. Der politische Reformkurs erlaubt es den<br />

Geberländern zudem, verstärkt Finanzielle Zusammenarbeit (auch Budgethilfe genannt) in<br />

<strong>Mali</strong> zu leisten. Dabei werden unter Einforderung von Transparenz und Erfolgskontrollen<br />

finanzielle Mittel vom Geberland in den malischen Haushalt eingestellt, die für die<br />

Förderung der eigenen Entwicklung verwendet werden. (vgl. BMZ 2009a). Deutschland<br />

gehört dabei mit Frankreich, den USA, Kanada und den Niederlanden zu den wichtigsten<br />

Gebern <strong>Mali</strong>s. Die Bundesrepublik stellt für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit<br />

mit <strong>Mali</strong> von 2006 bis 2008 insgesamt 78 Millionen Euro zur Verfügung.<br />

Mit der malischen Regierung wurden die folgenden drei Schwerpunkte für die bilaterale<br />

Entwicklungszusammenarbeit vereinbart:<br />

Dezentralisierung und Kommunalentwicklung<br />

Landwirtschaft und nachhaltiges Ressourcenmanagement<br />

Trinkwasserversorgung und Abwasser- und Müllentsorgung<br />

Diese Schwerpunkte entsprechen den Zielen der nationalen malischen Strategie zur<br />

Armutsbekämpfung. Zusätzlich beteiligt sich die Bundesrepublik an der Bekämpfung von<br />

AIDS (vgl. BMZ 2009b).<br />

108


4. Entwicklungszusammenarbeit an Beispielen<br />

4.1. Das „Office du Niger“<br />

Mit seiner wechselvollen Geschichte geradezu beispielhaft für den Werdegang der<br />

Entwicklungspolitik ist das größte Bewässerungsprojekt Westafrikas, das „Office du<br />

Niger“ (ON). Das ON ist ein Gravitationsbewässerungssystem, d. h. Wasser gelangt<br />

ausschließlich<br />

über Niveauunterschiede auf die Felder. Der Staudamm bei Markala (1947), hebt den<br />

Wasserspiegel des Niger um 5,5 m über den niedrigsten Wasserstand. Über einen<br />

Zuleitungskanal fließt Wasser aus dem Staubecken zur Schleuse A, wo es durch drei<br />

Hauptkanäle bzw. ehemalige Flussbetten des Niger in die Zonen des ON weitergeleitet<br />

wird. Weitere Schleusensysteme verteilen das Wasser in kleinere Verteilerkanäle (vgl.<br />

Etz 2007, 29).<br />

Abb. 5: Projektgebiet des Office du Niger (Quelle: Etz 1997, 30)<br />

109


Das „Office du Niger“ mit Sitz in Ségou als halbstaatliche Gesellschaft wurde 1932 von<br />

der französischen Kolonialverwaltung ins Leben gerufen. Ziel war es, innerhalb von 50<br />

Jahren 960.000 ha Bewässerungsland. Zu gewinnen. Angebaut werden sollten vor allem<br />

Baumwolle, um die französische Textilindustrie zu stützen und Reis zur Ernährungssicherung.<br />

Dafür sollten bis zu 800.000 Arbeitskräfte im Projektgebiet angesiedelt<br />

werden. Zusätzlich sollte eine Trans-Sahara-Eisenbahn von Abidjan nach Algier den<br />

Abtransport der Ernteprodukte sicherstellen, die allerdings nie realisiert wurde (vgl.<br />

Barth 1983, 322-323). Bereits in der Anfangsphase zeigte sich die Unzulänglichkeit der<br />

Planungen. Es mangelte an nötigen Arbeitskräften, da sich die sesshaften Ackerbauern<br />

nicht freiwillig auf eine ungewisse Zukunft im Projektgebiet einlassen wollten. So wurden<br />

kurzerhand Arbeiter aus der Umgebung und aus ganz Französisch-Westafrika<br />

zwangsrekrutiert (vgl. Etz 2007, 30). Im Jahre 1947 wurde schließlich der Hauptdamm bei<br />

Markala fertig gestellt. Die Erwartungen der französischen Verwaltung konnten aber bei<br />

weitem nicht erfüllt werden.<br />

110<br />

„Die Investitionen für die bis dahin nur 25.000 ha bewässerten Felder waren enorm (2,3<br />

Milliarden €). Durch Mechanisierung der Anbaumethoden und Verpflichtung der<br />

angesiedelten als Lohnarbeiter versuchte man die Kontrolle über die Arbeiter noch zu<br />

erhöhen und die Produktion anzutreiben, doch dies misslang. Die koloniale Vision des<br />

delta mort als Baumwolllieferant für die französische Textilindustrie und als Reisversorger<br />

für Westafrika musste ständig nach unten redimensioniert werden. Als <strong>Mali</strong> 1960 die<br />

Unabhängigkeit erlangte, wurden nur 35-40.000 ha bewässert, weniger als 5 % der<br />

geplanten Fläche“ (ebda., 31).<br />

Nach der Unabhängigkeit <strong>Mali</strong>s wurde der ON zum Staatsbetrieb und die Reisproduktion<br />

in Kollektiven nach sowjetischem Vorbild umorganisiert. Der Anbau von Baumwolle im<br />

Delta wurde aufgrund zu geringer Erträge aufgegeben, stattdessen kam Zuckerrohr<br />

hinzu. Aber selbst massive Subventionen konnten die Zunahme der Armut unter den<br />

Bauern nicht verhindern. Die strenge staatliche Kontrolle sorgte zudem für Unmut unter<br />

den Siedlern (vgl. ebda.) Unter der Militärregierung Traorés konnten zwar einige<br />

Produktionsverbesserungen erreicht werden, aber die grundsätzlichen Probleme des<br />

Projekts nicht beseitigt werden. Die Erhöhung des Outputs stand in keinem Verhältnis zu<br />

den dafür notwendigen Kosten in dem zentralistischen und monopolistischen<br />

Großprojekt (vgl. Barth 1983, 329). Das Office du Niger war unrentabel, der gesunkene<br />

Preis für Reis deckte kaum noch die Produktionskosten, um 1980 es kam zu einem<br />

Einbruch der Agrarproduktion im ON (vgl. Etz 2007, 31-32).<br />

In den 80er Jahren wurden in Zusammenarbeit mit den wichtigsten Geldgebern<br />

(Weltbank, Frankreich, Niederlande) Reformen des bis dato gescheiterten Großprojektes<br />

eingeleitet. Der Anbau wurde diversifiziert, die Bauern intensiv beraten und<br />

stärker beteiligt. So wurden ab 1984 Produzentenvereinigungen eingerichtet, die viele<br />

frühere Aufgaben des Office du Niger übernehmen und so eine stärkere Selbstbestimmung<br />

der Produzenten ermöglichen und ihre Position stärken sollten.<br />

„Liberalisierung der Vermarktung und Verarbeitung der Produkte, Restauration des<br />

Bewässerungsnetzes und die daran anknüpfende Ausweitung der Anbauflächen,<br />

Integration der Bauern und Dorfverbände in Entscheidungs- und Durchführungsprozesse<br />

sowie Diversifizierung, Intensivierung und Kreditmöglichkeiten machten ab 1982 den<br />

Office du Niger wieder zu einem Immigrationszentrum für die Bevölkerung der Region


und, in geringerem Ausmaße, ganz <strong>Mali</strong>s. Die Reisernte des Gebietes konnte bis zum<br />

Jahr 1994 verdreifacht werden und die Einnahmen der Bauern stiegen um 30 bis 70 %<br />

[…]. Eine umfassende Restrukturierung des Office du Niger erfolgte allerdings erst ab<br />

1994.“ (ebda. 33)<br />

1994 wurde das „Office du Niger“ in eine öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt und<br />

ist seither nur noch für das Management der Wasserzufuhr sowie den Unterhalt des<br />

Wassernetzes zuständig. Die Kosten hierfür werden komplett aus den Wasserabgaben<br />

der ansässigen Bauern gedeckt. Zusätzlich stellt die Regierung Gelder für einige<br />

öffentliche Dienstleistungen (z.B. Bauernberatung, Infrastrukturverbesserungen, Landverwaltung)<br />

bereit. Außerdem wurde der malische Reismarkt liberalisiert und die daraus<br />

resultierenden Preissteigerungen sorgten in Verbindung mit Verbesserungen im Anbau<br />

für Ertragssteigerungen Mitte der 90er Jahre. Eine intensive Beteiligung der Bauern (z.B.<br />

über die sog. „Comités Paritaires“ oder die Wassernutzerorganisation OERT 4 ) an allen<br />

Planungs- und Entscheidungsprozessen sorgt für Akzeptanz des Projektes und ermöglicht<br />

so eine nachhaltige Steigerung der Effizienz (vgl. Etz 2007, 34).<br />

Bis 2020 soll das Office du Niger finanziert durch private Investoren von heute 70.682 ha<br />

auf ca. 200.000 ha ausgeweitet werden. Der ON soll in Zukunft das Werkzeug der<br />

Nahrungssicherung Westafrikas und der Sahelzone werden, in dem es etwa 100.000 ha<br />

Anbaufläche den Sahelländern zur Verfügung stellt (vgl. ebda., 27).<br />

4.2. <strong>Mali</strong> Nord<br />

Die bereits beschriebenen Konflikte zwischen den nomadischen Tuareg und den<br />

sesshaften Siedlern bzw. der malischen Regierung und der unerfüllte Wunsch nach<br />

Selbstverwaltung gipfelte Anfang der 90er Jahre in einer Rebellion der Tuareg mit<br />

bürgerkriegsähnlichen Ausmaßen. Mehr als 100.000 Menschen flüchteten zwischen 1990<br />

und 1994 aus der Region (diese und folgende Angaben über das Projekt <strong>Mali</strong> Nord<br />

stammen, wenn nicht anders vermerkt, aus <strong>Mali</strong> Nord 2009). Seit 1995 versucht das<br />

Programm „<strong>Mali</strong> Nord“ (ein Gemeinschaftsprogramm von GTZ und KfW), die<br />

bewaffneten Konflikte mit den Tuareg im Gebiet um Timbuktu zu überwinden.<br />

4 Organisation des Exploitants pour l’Entretien du Réseaux Tertiaire.<br />

111


Abb. 6: Projektgebiet des Programms <strong>Mali</strong> Nord (Quelle: <strong>Mali</strong> Nord 2009)<br />

Das Projekt <strong>Mali</strong> Nord umfasst eine Vielzahl verschiedene Kleinprojekte, die mehrere<br />

Schwerpunkte der Entwicklungsarbeit abdecken. Hauptaugenmerk liegt auf der<br />

wirtschaftlichen Förderung der Region. Zunächst sollten die lokalen Wirtschaftskreisläufe<br />

wiederbelebt werden. Waren und Dienstleistungen sollten dabei nicht von außerhalb<br />

importiert werden, sondern die Betroffenen sollten die Werte nach Möglichkeit selbst<br />

schöpfen. Entwicklungsgelder wurden dabei für die Löhne der lokalen Handwerker<br />

bereitgestellt, die bspw. die Unterkünfte für zurückkehrende Flüchtlinge errichteten.<br />

Ebenso wurden Mittel als Startkapital bzw. als Kredit an Gewerbetreibende vergeben. In<br />

einigen Dörfern konnten die geförderten Handwerker bereits Ende 1996 wieder<br />

selbständig wirtschaftlich arbeiten. 5 Ein Schwerpunkt liegt dabei insbesondere auch auf<br />

der Förderung der Erwerbstätigkeit der Frauen. Des Weiteren unterstützt das<br />

Programm die nomadischen bzw. halbnomadischen Viehzüchter insbesondere durch eine<br />

Verbesserung der Gesundheit der Viehherden. Bspw. wurden ab 1995 jährlich Impfkampagnen<br />

durchgeführt, die von Jahr zu Jahr stärker und ab 2001 gänzlich von den<br />

Hirten selbst finanziert werden.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Sicherung der Wasserversorgung in der Region<br />

dar. Dafür wurden alte, versandete Brunnen wieder instandgesetzt und neue Brunnen<br />

errichtet. Dies geschah hauptsächlich durch lokale Brunnenbauer, die lediglich von<br />

Mitarbeitern der GTZ beraten und angeleitet wurden. Für die Versorgung der<br />

Viehherden dienen dabei die traditionellen Schachtbrunnen, in den das bis zu 60 Meter<br />

tiefe Grundwasser gefördert wird. Die begrenzt Fördermenge verhindert dabei, dass<br />

umliegende Weideflächen veröden. Der Zugang der Herden und Tierarten zu den<br />

Brunnen ist genau geregelt. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser übernehmen<br />

neu errichtete mit Solarpumpen versehene Tiefbohrbrunnen.<br />

5 So z.B. in Lere (vgl. <strong>Mali</strong> Nord 2009).<br />

112


Abb. 7: Traditioneller Schachtbrunnen (Quelle: <strong>Mali</strong> Nord 2009)<br />

Das Programm <strong>Mali</strong> Nord fördert zudem den Ausbau der kleinbäuerlichen<br />

Bewässerungslandwirtschaft. Unter anderem auch im Rahmen der Budgethilfe werden<br />

Gelder für die Errichtung von Bewässerungssystemen bereitgestellt. In Kooperation mit<br />

dem malischen Beratungsdienst für Landwirte werden dabei fast ausschließlich lokale<br />

Arbeitskräfte eingesetzt, für Betrieb und Unterhalt der Anlagen sind die lokalen<br />

Produktionsgemeinschaften selbst verantwortlich. Im Rahmen des Programms wurden<br />

bislang 380 Motorpumpen zur Förderung der Bewässerungslandwirtschaft installiert, die<br />

Kosten für diese Anlagen müssen die Nutzergemeinschaften zu einem Drittel selbst<br />

tragen.<br />

Abb. 8: Errichtung einer Bewässerungsanlage für die Landwirtschaft (Quelle: <strong>Mali</strong> Nord 2009)<br />

Abb. 9: Errichtung einer Bewässerungsanlage für die Landwirtschaft (Quelle: <strong>Mali</strong> Nord 2009)<br />

113


Um die Dezentralisierung der Verwaltung zu fördern, unterstützt das Programm <strong>Mali</strong><br />

Nord außerdem die 1999 neu konstituierten Landgemeinden. Gefördert werden<br />

Projekte zum Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung, die von den Gemeinden selbst<br />

initiiert wurden, z.B. Wegebaumaßnahmen, Straßenreinigung, Müllabfuhr oder Ausbau<br />

der lokalen Märkte.<br />

Das BMZ zieht eine durchweg positive Bilanz seines Programms <strong>Mali</strong> Nord. Rund<br />

einhunderttausend Menschen sind an ihre Herkunftsorte zurückgekehrt und bestreiten<br />

heute selbständig ihren Lebensunterhalt. 80 öffentliche Gebäude sind in 45 ländlichen<br />

Gemeinden neu entstanden oder wurden vollständig instand gesetzt, daneben 200 offene<br />

Schachtbrunnen und 13 Wasserversorgungsanlagen (elektrisch oder solar betriebene<br />

Bohrbrunnen). Von 1996 bis 2007 sind 380 Diesel betriebene Motorpumpen importiert<br />

worden, die heute rund 10.000 Hektar bewässern, auf denen rund 40.000 Kleinbauern<br />

und -bäuerinnen arbeiten, die etwa 200.000 Familienangehörige unmittelbar ernähren<br />

und im Jahr 2006 mehr als 60.000 Tonnen ungeschälten Reis produziert haben. Fünf<br />

ländliche Kleinbanken (Mikrofinanzinstitutionen) sind gegründet worden und operieren<br />

bereits erfolgreich.<br />

5. Fazit<br />

Während unserer <strong>Exkursion</strong> hatten wir Gelegenheit eine ganze Reihe lokaler<br />

Entwicklungsprojekte zu besichtigen und mit zahlreichen Entwicklungs-Koordinatoren auf<br />

nationaler Ebene zu sprechen. Ansatzpunkt für die aktuelle Entwicklungszusammenarbeit<br />

ist eindeutig an der Basis, d. h., man finanziert keine monolithischen Großvorhaben, die<br />

an den Interessen der Betroffenen vorbei gehen, sondern fördert kleine, klar abgegrenzte<br />

Projekte. Dabei wird die lokale Bevölkerung sehr intensiv mit einbezogen bzw. die<br />

Projekte zum Teil von den Menschen vor Ort selbst initiiert und organisiert. Durch die<br />

Einbindung der örtlichen Bevölkerung wird deren Identifikation mit dem Projekt und<br />

damit dessen Aussicht auf Erfolg entscheidend verbessert. Darüber hinaus unterstützt<br />

dieses Vorgehen auch die nationale Strategie der Dezentralisierung der Verwaltung und<br />

der Entwicklung kommunaler Strukturen und trägt so dazu bei, das Leitbild von „Good<br />

Governance“ (auch gegen nach wie vor bestehende Widerstände) umzusetzen. 6<br />

Aber nicht nur auf lokaler Ebene setzen Nichtregierungsorganisationen verstärkt auf die<br />

Eigenverantwortlichkeit der lokalen Bevölkerung. Auch im Rahmen der internationalen<br />

Entwicklungspolitik hat sich die sog. Ownership der Zielländer als allgemein anerkanntes<br />

Prinzip durchgesetzt. Die Empfängerländer tragen dabei selbst die Verantwortung für die<br />

durchgeführten Projekte, denn wirklich nachhaltiger Wandel lässt sich nicht von außen<br />

erzwingen. Da allerdings die ODA (Official Devlopment Assistance) insbesondere westlicher<br />

Geberländer nach wie vor an Bedingungen gebunden ist, befürchten einige<br />

6 Eine gewisse Sonderstellung nimmt das oben beschriebene Kooperationsprogramm „<strong>Mali</strong> Nord“ ein: aufgrund<br />

seiner Ausmaße – das Interventionsgebiet umfasst 45 Landgemeinden (vgl. <strong>Mali</strong> Nord 2009) – und seines<br />

umfassenden Programminhaltes sehen einige Kritiker die Gefahr der Untergrabung der staatlichen Autorität im<br />

Projektgebiet. In gewissen Kreisen nennt man die Leiter des Programms auch „die Könige des Nordens“.<br />

Allerdings soll das Projekt seitens der GTZ 2011 auslaufen und dann in die Zuständigkeit des<br />

Landwirtschaftsministeriums eingegliedert werden.<br />

114


Akteure, dass sich die Verantwortlichen der Empfängerländer mehr an den Interessen<br />

der Geber als an den eigenen Interessen ihres Landes orientieren. Zudem befindet sich<br />

die internationale Entwicklungspolitik in einer Umstrukturierungsphase. Ziel dieser<br />

Reform im Rahmen der „Pariser Erklärung“ ist eine bessere Koordination unter den<br />

Geberländern. Die bereits angesprochene Budgethilfe wird von den Akteuren in <strong>Mali</strong> als<br />

nicht erfolgreich eingeschätzt. Insgesamt sei der Koordinations- und Verwaltungsaufwand<br />

bei dieser Art der Zusammenarbeit viel zu hoch, sie sei zu statisch und zu teuer und<br />

damit ineffektiv.<br />

Die besichtigten Projekte arbeiten allesamt in den Schwerpunktbereichen der deutschen<br />

Entwicklungszusammenarbeit (Dezentralisierung, Landwirtschaft und Ressourcenschutz,<br />

Trinkwasserversorgung und Abwasser- bzw. Müllentsorgung). Im Hinblick auf den<br />

Tuareg-Konflikt und das damit zusammenhängende Nomadenproblem lautet die offizielle<br />

Strategie zwar nicht Sedentarisierung zur Befriedung. Aber insbesondere im Raum von<br />

Timbuktu (dem Projektgebiet von „<strong>Mali</strong> Nord“) ist die zunehmende Sesshaftwerdung der<br />

nomadischen Stämme deutlich sichtbar. Dies geschieht aber weniger durch staatlichen<br />

Druck als vielmehr aufgrund immer schwieriger werdender Überlebensbedingungen in<br />

den Wüstenregionen. Die soziokulturellen Umwälzungen, die dieser Lebenswandel mit<br />

sich bringt, stellen eine zusätzliche Herausforderung dar, die es zu lösen gilt.<br />

Bleibt abschließend die Frage nach dem Sinn oder Unsinn von Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Entwicklungshilfe für Afrika wird massiv und radikal kritisiert – und<br />

zwar von Vertretern des „Nordens“ sowie von Afrikanern selbst. Die Entwicklungspolitik<br />

der Geberländer treibe die afrikanischen Nehmerländer in eine neue Abhängigkeit<br />

und behindere die Entwicklung eines afrikanischen Selbstvertrauens. Das daraus<br />

resultierende Anspruchsdenken auf afrikanischer Seite ebenso wie die Entwicklungszusammenarbeit<br />

zum Selbstzweck der Europäer ist in der Tat problematisch. Ist also<br />

alles für die Katz?<br />

Bundespräsident Horst Köhler wies jüngst darauf hin 7 , dass eine Partnerschaft auf<br />

gleicher Augenhöhe angestrebt werden sollte, eine Partnerschaft mit und nicht für Afrika.<br />

Denn vor dem Hintergrund einer globalisierten, zunehmend vernetzten Welt, sind wir<br />

geradezu auf eine Kooperation in wechselseitigem Interesse angewiesen. Es gilt globale<br />

Probleme wie Klimawandel, Armut und aus fehlenden Perspektiven vor Ort<br />

resultierende Migration, gemeinsam entgegen zu treten.<br />

Es ist sicherlich falsch, die bestehende Asymmetrie der Partner zu verleugnen. Wichtiger<br />

ist es hingegen, zu einem fairen Umgang zwischen Afrika und Europa zu finden.<br />

Entwicklungszusammenarbeit vor diesem Hintergrund ist notwendig und sinnvoll, wenn<br />

sie eine partnerschaftliche Basis hat und im Geiste der Gleichberechtigung geleistet wird.<br />

Aber Entwicklungszusammenarbeit ist nicht in der Lage, die verheerende Armut<br />

grundsätzlich und auf Dauer zu beseitigen. Hier muss vielmehr auf Ebene von<br />

Handelsverträgen angesetzt werden, denn wir können unseren Wohlstand in Europa<br />

unmöglich weiterhin auf Basis niedriger Preise halten. Eng verbunden ist hiermit auch das<br />

Thema Regierungsführung, der so genannten ‚Good Governance’ sowie der Zugang zu<br />

Bildung in afrikanischen Ländern.<br />

7 ZEIT FORUM POLITIK: "Ein neuer Blick auf Afrika?" Horst Köhler im Gespräch mit Prinz Asfa<br />

Wossen Asserate und Unomwinjo Katjipuka-Sibolile Moderation: Bartholomäus Grill (DIE ZEIT); Sonntag,<br />

19.04.2009, Thalia-Theater Hamburg.<br />

115


Literaturverzeichnis<br />

BARTH, Hans K. 1986: <strong>Mali</strong>. Eine geografische Landeskunde. Darmstadt.<br />

BROETZ, Gabriele 1993: <strong>Mali</strong>. In: NOHLEN, Dieter; NUSCHELER, Franz (Hg.) 1993:<br />

Handbuch der Dritten Welt. Westafrika und Zentralafrika. Bonn, 298-314.<br />

NUSCHELER, Franz 2006: Entwicklungspolitik. Bonn.<br />

KRINGS, Thomas 1993: Struktur- und Entwicklungsprobleme der Sahelländer. In:<br />

NOHLEN, Dieter; NUSCHELER, Franz (Hg.) 1993: Handbuch der Dritten Welt. Westafrika<br />

und Zentralafrika. Bonn, 130-155.<br />

WELTBANK 2008a: Weltentwicklungsbericht 2008. Agrarwirtschaft für Entwicklung.<br />

Düsseldorf.<br />

BMZ (Hg.) 2009a: Finanzielle Zusammenarbeit. URL:<br />

http://www.bmz.de/de/wege/bilaterale_ez/zwischenstaatliche_ez/finanz_zusammenarbeit/i<br />

ndex.html , Stand 10.01.2009.<br />

BMZ (Hg.) 2009b: <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://www.bmz.de/de/laender/partnerlaender/mali/index.html , Stand 10.01.2009.<br />

BTI (Hg.) 2007: Bertelsmann Transformation Index. <strong>Mali</strong> Country Report. URL:<br />

http://www.bertelsmann-transformationindex.de/fileadmin/pdf/Gutachten_BTI_2008/WCA/<strong>Mali</strong>.pdf<br />

, Stand 10.01.2009.<br />

CARE (Hg.) 2008: Tuareg. Frei im Wandern und im Geist.<br />

http://www.care.de/fileadmin/redaktion/service/downloads/CARE_Tuareg.pdf ,<br />

Stand 20.12.2008.<br />

ETZ, Swen 2007: Möglichkeiten und Grenzen der Verbesserung des nachhaltigen<br />

Kanalunterhalts durch bäuerliche Selbstorganisation. Das Beispiel der OERT im<br />

Bewässerungsgebiet des Office du Niger/<strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2007/1272/pdf/PKS41.pdf , Stand 10.01.2009.<br />

NUSCHELER, Franz 2008: Die umstrittene Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

URL: http://inef.uni-due.de/page/documents/Report93.pdf, Stand 20.12.2008.<br />

MALI NORD (Hg.) 2009: Programm <strong>Mali</strong> Nord. URL: http://www.mali-nord.de ,<br />

Stand 10.01.2009.<br />

UNDP (Hg.) 2008: The Human Development Index. Going beyond income. <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://hdrstats.undp.org/2008/countries/country_fact_sheets/cty_fs_MLI.html ,<br />

Stand 10.01.2009<br />

WELTBANK (Hg.) 2008b: <strong>Mali</strong> Country Brief. URL: http://web.worldbank.org/WBSITE/<br />

EXTERNAL/COUNTRIES/AFRICAEXT/MALIEXTN/0,,menuPK:362193~pagePK:141132<br />

~piPK:141107~theSitePK:362183,00.html , Stand 20.12.2008.<br />

116


TEIL II: KURZREFERATE<br />

117


118


Reiseinformationen:<br />

Was bei Reisen nach <strong>Mali</strong>,<br />

in einen „fremden“ Kulturraum,<br />

von Bedeutung ist<br />

Julia Zimmermann<br />

119


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung...................................................................................................................................... 121<br />

2. Verhaltenstipps ........................................................................................................................... 121<br />

3. Sprache(n) – Bambara ............................................................................................................... 123<br />

4. Essen und Speisen ...................................................................................................................... 123<br />

5. Resümee....................................................................................................................................... 124<br />

120


1. Einleitung<br />

Zur Vorbereitung auf eine <strong>Exkursion</strong> in ein fremdes Land gehören neben der<br />

geografischen, der politischen und der materiellen auch die Vorbereitungen auf die<br />

Kultur. Anders als in europäischen oder westlich geprägten Ländern kann <strong>Mali</strong> als<br />

afrikanisches Land als eine Herausforderung bezüglich der Kommunikation und<br />

Verhaltensweisen empfunden werden.<br />

In Westafrika können sogar Alltäglichkeiten einen oft völlig unerwarteten Verlauf<br />

nehmen, es können sich überraschende Hindernisse, aber auch unerwartete Möglichkeiten<br />

auftun.<br />

Das eigentlich Faszinierende dieser Region sind die Menschen mit ihrer lebendigen<br />

Kultur. Fürsorge und Gastfreundschaft sind in <strong>Mali</strong> tief verwurzelte Bestandteile des<br />

Lebens. Besonders im ländlichen Bereich, stellen Freundlichkeit, Höflichkeit und<br />

Offenheit im Umgang miteinander hoch geschätzte Werte dar.<br />

Kommunikation beginnt mit kleinsten Gesten und bereits ein Lächeln kann Berge<br />

versetzten. Erweist man den Menschen ihren Respekt, achtet ihre Traditionen und bringt<br />

etwas Geduld auf, so wird man es in <strong>Mali</strong> nicht schwer haben.<br />

2. Verhaltenstipps<br />

Die folgenden Informationen sind ein Versuch einen Einblick in die Verhaltensweisen des<br />

täglichen Lebens, der Bräuche und Wissenswertes zu vermitteln.<br />

● In <strong>Mali</strong> wird sehr viel Wert auf Höflichkeit und Anstand gelegt. Höflichkeitsformeln<br />

bilden die Grundlage des Begrüßungszeremoniells ohne dass kein auch noch so<br />

unwichtiges Gespräch beginnt. Die Begrüßung ist nicht nur ein Austausch einer kurzen<br />

Grußformel, sondern eine regelrechtes Ritual, bei dem nicht nur die Befindlichkeit des<br />

Gegenüber erfragt wird, sondern die des Ehepartners, der Kinder, der gesamten Familie,<br />

der Arbeit etc. Es wird sich Zeit für den Anderen und die Muße zu plaudern genommen.<br />

Dieser für die <strong>Mali</strong>er übliche "Smalltalk" kann sich hinziehen und verläuft aber zumeist in<br />

sehr heiterer Atmosphäre. Trifft man eine Person mehrmals am Tag, ist sie erneut zu<br />

grüßen (Vgl. Ham 2006, 42). Muss auf der Straße nach dem Weg gefragt werden, so<br />

sollte, mit einem „Guten Tag wie geht es Ihnen?“ begonnen werden und dann erst die<br />

eigentliche Frage gestellt werden, um „nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen“, was<br />

als unhöflich empfunden würde.<br />

● „Die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit“ (Därr, Göttler 2005, 45). Was<br />

deutlich zum Ausdruck bringt, wie wichtig es ist auch in frustrierenden Situationen<br />

entspannt, freundlich, respektvoll und geduldig zu bleiben, um den Stolz der Gastgeber<br />

nicht zu verletzten.<br />

● Eine weitere äußerst wichtige Verhaltensregel ist der Gebrauch der rechten Hand. Es<br />

wird nur mit der rechten Hand gegessen, Geschenke werden mit der rechten Hand<br />

gereicht und beim Einkauf sollte die Ware stets mit der rechten Hand angefasst werden.<br />

Die linke Hand gilt als Arbeitshand und als unrein, da man sich mit ihr den Po reinigt (Vgl.<br />

Därr, Göttler 2005, 62).<br />

● In <strong>Mali</strong> als einem islamisch geprägten Land, ist es wichtig, die Gebetszeiten und<br />

121


eligiösen Feste zu respektieren sowie die herrschenden Sitten und Gebräuche zu<br />

beachten. Vor dem Betreten einer Moschee, bzw. der Gebetshalle, sind die Schuhe<br />

auszuziehen, denn Moscheen dürfen nur in Strümpfen oder barfuss betreten werden<br />

(Vgl. Ham 2006, 47).<br />

● Versprechungen sollten eingehalten oder vermieden werden. Im Zweifelsfall ist es<br />

vertretbar vage Formulierungen wie „Wir werden sehen“, „Es liegt in Gottes Händen“ o.<br />

Ä. zu verwenden. Werden z. B. Fotos versprochen, sollten sie auch geschickt werden<br />

(Vgl. Därr; Göttler 2005, 60).<br />

● Gemeinsames Essen ist ein wichtiger Teil der Gastfreundschaft, deshalb gilt es als<br />

unhöflich, Essen abzulehnen. Um ihnen nichts wegzuessen, kann eine kleine Ausrede<br />

oder Entschuldigung, wie: ich habe gerade gegessen, ich bin krank oder ich habe<br />

Magenschmerzen, hilfreich sein (Vgl. dies.).<br />

● Selbstbeherrschung ist den <strong>Mali</strong>ern sehr wichtig, sie zeigen ihre Emotionen nicht<br />

öffentlich. Das Austauschen von Zärtlichkeiten (Küssen, Umarmen) in der Öffentlichkeit<br />

gilt bei ihnen als unanständig und unpassend.<br />

● Obwohl es auch in <strong>Mali</strong> gebräuchlicher wird, dem Gegenüber in die Augen zu schauen,<br />

wird der direkte Augenkontakt vermieden. Ein betontes zur Seite schauen bei der<br />

Begrüßung gilt als Zeichen des Respekts, vor allem gegenüber Älteren. In <strong>Mali</strong> spielt die<br />

Hierarchie eine große Rolle. Wenn ein <strong>Mali</strong>er jemanden während einer Unterhaltung<br />

nicht in die Augen schaut, ist das nicht als Kälte oder Ablehnung zu werten, sondern als<br />

ein Zeichen von Höflichkeit (Vgl. Ham 2006, 42).<br />

● Es macht einen guten Eindruck bei einem Besuch in ländlichen Gegenden den<br />

Dorfältesten die Ankunft anzukündigen, ihn zu begrüßen und seine Erlaubnis einzuholen,<br />

bevor man durch das Dorf wandert.<br />

● Den Armen zu helfen ist ein Teil der afrikanischen Kultur und eine Säule des Islams.<br />

Dennoch sollten nicht einfach Geschenke an bettelnde Kinder verteilt werden, um diese<br />

nicht zu verführen und bei ihnen das Bild des reichen Touristen zu erzeugen (Vgl. ders.,<br />

40).<br />

● Da <strong>Mali</strong> ein moslemisches Land ist, ist Fotografieren ein etwas sensibles Thema. Der<br />

islamische Glaube verbietet es, Menschen abzubilden. Sollen Menschen fotografiert<br />

werden, ist es empfehlenswert vorher um Erlaubnis zu fragen. Es ist verboten, Polizei,<br />

Kontrollstellen und militärische Objekte aufzunehmen. Manchmal verlangen die<br />

Menschen Geld für Fotos. Besser ist es erst ein bisschen Smalltalk führen, um dann<br />

freundlich zu fragen (Vgl. Därr; Göttler 2005, 62).<br />

● Die Kleidung und das äußere Erscheinungsbild sind in Westafrika sehr wichtig.<br />

Kleidung ist ein Statussymbol, es wird viel Wert auf ordentliche Kleidung gelegt.<br />

Ungepflegt und in abgerissenem Outfit herumzulaufen, könnte als ungeschickt oder sogar<br />

als Provokation empfunden werden. Als Reisender sollte man sich eher konservativ<br />

kleiden. Denn Sporthemden, Shorts oder enge Hosen können als Angriff empfunden. Es<br />

ist angebracht in der Öffentlichkeit lange Röcke oder Hosen zu tragen, Schultern und<br />

Oberarme sowie die Beine vollständig zu bedecken. Speziell für Frauen gilt, um lokale<br />

Gegebenheiten zu respektieren sollten sie sittsam und anständig gekleidet sein, um<br />

Schwierigkeiten zu minimieren (Vgl. Ham 2006, 42). Allgemein kann gesagt werden, je<br />

besser man gekleidet ist, umso besser wird man aufgenommen.<br />

● Neben den persönlichen Gegenständen, die jeder für wichtig hält, eignen sich als<br />

Geschenke und Tauschobjekte z. B. Ansichtskarten von zu Hause, Seifen oder auch<br />

gebrauchte, gut erhaltene Kleidung. Fotos von Zuhause, der Familie oder der<br />

Heimatstadt kommen immer gut an, da man so eine Person mit Geschichte und<br />

Vergangenheit für die Einheimischen ist (Vgl. ders.).<br />

122


Es ist zu empfehlen ein Hals- bzw. Kopftuch mitzunehmen, das vielfältige Verwendung<br />

finden kann: zum Schutz vor Sonne, bei Busfahrten vor Erkältung, als Verbandszeug oder<br />

als Allzweckbeutel.<br />

3. Sprache(n) – Bambara<br />

Neben Französisch als Amtssprache ist Bambara die meistgesprochene Sprache in <strong>Mali</strong>.<br />

Weitere Sprachen sind zum Beispiel die Dogon-Sprachen, Fula, Songhaï, Soninke,<br />

Tamashek und Bozo.<br />

Ein paar Wörter oder Sätze der lokalen Sprache zu lernen macht einen guten Eindruck,<br />

kann sehr nützlich sein und vieles erleichtern (Vgl. Ham 2006, 42).<br />

Im Folgenden ein paar Vokabeln in Bambara:<br />

- Toubabou/ Toubab - Wort für Weißer<br />

- I be di? - Wie geht es dir?<br />

- Ni Ala sonna - So Gott will.<br />

- I togo ye di? - Wie heißt du?<br />

- N togo ye - Ich heiße<br />

- I ni sogoma - Guten Morgen<br />

- Nse - Danke<br />

- I ni tile! - Guten Tag (12-16 Uhr)<br />

- I ni wula - Guten Tag (16 Uhr - bis Dunkelheit)<br />

- I ni su - Guten Abend<br />

- Ayiwa, ne tagara! - Auf Wiedersehen!<br />

- Hippo - <strong>Mali</strong><br />

- n b’a fe - Ich möchte<br />

- n t’a fe - Ich möchte nicht<br />

- nburu - Brot<br />

- ji - Wasser (Straßenverkäufer rufen häufig: „ji be“ – verkaufe<br />

Wasser)<br />

(Vgl. Därr, Göttler 2005, 798)<br />

4. Essen und Speisen<br />

Der Speiseplan der Bevölkerung <strong>Mali</strong>s ist einfach. Regional verschieden wird dreimal am<br />

Tag eine Schüssel Hirsebrei, Yam-Wurzel, Maisbrei oder Reis, mittags und abends meist<br />

mit einer Gemüse-, Fisch-, oder Fleischsoße gegessen (Vgl. Ham 2006, 490). Es gibt eine<br />

Vielzahl an Saucen, in einer Vielfalt an Variationen, die das Essen schmackhaft machen.<br />

Ein sehr bekanntes Gericht in <strong>Mali</strong> ist das „Mafé“, auch „Riz Arachide“ genannt. Es<br />

besteht aus Reis mit Erdnusssauce. Die Erdnuss ist für die Ernährung sehr bedeutsam. Sie<br />

dient als Öl- und Pflanzenfettlieferant und wird zur Anreicherung von Sauce verwendet.<br />

Des Weiteren findet man Riz Yollof (Reis mit Sauce), Poulet Yassa (Hühnchen in<br />

123


Zwiebelsauce) und entlang des Nigers „Capitaine“, dem Nilbarsch auf den Speisekarten.<br />

Zum Essen setzt man sich in der Regel auf einen kleinen Holzschemel in einen Kreis. Vor<br />

der Mahlzeit wird ein Gefäß mit Wasser zum Händewaschen gereicht. Das Essen selbst<br />

wird in einer großen Schüssel serviert, die in die Mitte auf den Boden gestellt wird.<br />

Gegessen wird mit der rechten Hand. Jeder isst stets vom Rand zur Mitte hin, dem Gast<br />

werden in der Regel die besten Stücke zugeschoben(Vgl. Därr; Göttler 2005, 50).<br />

Nach dem Essen oder auch zwischendurch wird eine Teezeremonie zelebriert. Sie ist<br />

eine gute Gelegenheit mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen.<br />

Erwähnenswert ist auch ein bei uns unbekanntes Gemüse, genannt „Jaxatu“ oder „lokale<br />

Aubergine“. Sie sieht wie eine gelbe und unreife Tomate aus und schmeckt bitter (Vgl.<br />

Ham 2006, 52).<br />

5. Resümee<br />

„Reisen heißt leben lernen“, lautet ein geflügeltes Wort der Toureg. Eine Reise nach <strong>Mali</strong><br />

kann als ein Kennen lernen einer anderen Lebensart und –haltung gesehen werden, die<br />

bereichern. Die gezeigten Hinweise oder Verhaltensweisen sind nur ein Ausschnitt aus<br />

vielen kleinen Abweichungen zu unserem täglichen Leben. Es gibt noch weitere Nuancen,<br />

die <strong>Mali</strong> als Kulturraum prägen und interessant machen. Wenn man versucht die<br />

erwähnten Hinweise einzuhalten kann man einen sehr angenehmen Aufenthalt in <strong>Mali</strong><br />

erleben und der Umgang mit der Fremdartigkeit fällt einem leichter. Je respektvoller,<br />

höflicher und freundlicher wir ihnen begegnen, desto aufgeschlossener, toleranter und<br />

unkompliziert geben sie sich.<br />

124


Literaturverzeichnis<br />

DÄRR, Erika; GÖTTLER, Gerhard 2005: Reise Know How Westafrika Sahelländer. Bd. 1, 7.<br />

Aufl., Bielefeld.<br />

HAM, Anthony 2006: Lonely Planet West Africa. 6. Aufl., Footscray; Victoria.<br />

125


126


Timbuktu –<br />

Entwicklung einer nicht nur historischen Metropole<br />

Friederike Brumhard<br />

127


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung...................................................................................................................................... 129<br />

2. Etymologie ................................................................................................................................... 129<br />

3. Geographie .................................................................................................................................. 129<br />

4. Geschichte ................................................................................................................................... 130<br />

4.1. Gründung und Frühzeit ..................................................................................................... 130<br />

4.1.1. Gründung ca. 1100 ..................................................................................................... 130<br />

4.1.2. Reich <strong>Mali</strong> 1326........................................................................................................... 130<br />

4.1.3. Das Reich Songhai 1468/69 - Die „goldene Stadt“.............................................. 131<br />

4.2. Frühe Neuzeit...................................................................................................................... 132<br />

4.2.1. Die Herrschaft Marokkos 1591............................................................................... 132<br />

4.2.2. Die Herrschaft der Fulbe von Mesina 1826.......................................................... 133<br />

4.3. Kolonialzeit .......................................................................................................................... 133<br />

4.4. Republik <strong>Mali</strong> ....................................................................................................................... 134<br />

5. Bevölkerung................................................................................................................................. 134<br />

6. Kultur und Sehenswürdigkeiten.............................................................................................. 135<br />

6.1. Weltkulturerbe ................................................................................................................... 135<br />

6.2. Weitere Sehenswürdigkeiten........................................................................................... 135<br />

7. Wirtschaft .................................................................................................................................... 136<br />

8. Mythos Timbuktu ....................................................................................................................... 137<br />

128


„Timbuktu.<br />

Die Perle Afrikas.<br />

Die unauffindbare prächtige Stadt.<br />

Truhe aller Schätze,<br />

Sitz aller barbarischen Götter.<br />

Herz der unbekannten Welt,<br />

Bastion mit tausend Geheimnissen,<br />

gespenstisches Imperium aller Reichtümer,<br />

verfehltes Ziel endloser Reisen,<br />

Quelle aller Gewässer und<br />

Traum eines jeden Himmels.<br />

Timbuktu.<br />

Die Stadt, die kein Weißer je gefunden hat.“<br />

Alessandro Baricco (Baricco 2003, 73 f.)<br />

1. Einleitung<br />

Das oben genannte Zitat macht deutlich, das Timbuktu für uns weit mehr ist als eine<br />

kleine Wüstenstadt in Westafrika, die nach ihrer heutigen Bedeutung eigentlich keiner<br />

kennen dürfte. Es ließen sich endlos weitere Äußerungen anführen, die alle eines<br />

gemeinsam haben: Sie beschreiben Timbuktu als geheimnisvollen, reichen, mysteriösen,<br />

fantastischen Ort.<br />

Durch die folgende Beschreibung der Entwicklung Timbuktus von der Gründung bis<br />

heute wird an verschieden Stellen deutlich werden, wie diese Zuschreibungen entstehen<br />

konnten und welchen Timbuktu tatsächlich heute noch gerecht wird.<br />

2. Etymologie<br />

Es gibt verschiedene Ansätze für die Herleitung des Namens Timbuktu.<br />

Der französische Linguist René Basset leitet den Namen von einer altberberischen<br />

Wortwurzel ab, die „weit entfernt“ oder „versteckt“ bedeutet (Vgl. Basset 1909, 198.).<br />

3. Geographie<br />

Timbuktu liegt am südlichen Rand der Sahara 5km entfernt vom Niger am nördlichsten<br />

Punkt seines Laufes. Bei starkem Hochwasser füllen sich längst ausgetrocknete<br />

Nebenarme des Niger, die „Kanäle der Flusspferde“ tragen, und verursachen in einigen<br />

Stadtteilen heftige Überschwemmungen, zuletzt 2003. (Held 2004, 6.).<br />

Damit ist Timbuktu sehr abgelegen und auch heute ist es immer noch schwierig, den Ort<br />

zu erreichen. Die Schifffahrt ist nur möglich, wenn der Wasserstand es erlaubt. Die<br />

129


Straßen durch die Savanne vom Süden aus versanden schnell und sind dann zeitweise<br />

unpassierbar. Die modernste Variante der Anreise erfolgt über den Flughafen Timbuktu,<br />

der regelmäßig von der Hauptstadt Bamako angeflogen wird.<br />

Das Klima entspricht dem einer Halbwüste, es weht stets der trockenheiße Harmattan-<br />

Wind aus der Sahara. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 28° C, wobei die<br />

Monate Mai und Juni mit etwa 34° C am heißesten sind. Der durchschnittliche jährliche<br />

Niederschlag beträgt 170mm. Juli und August sind mit jeweils etwa 56-66mm die<br />

feuchtesten Monate. Die Regengüsse können sintflutartig auftreten und große Schäden an<br />

den aus Lehm erbauten Wohnhäusern und Moscheen verursachen. An spärlicher<br />

Vegetation finden sich hier Dornenbüsche, Tamarisken, Akazien, und Ginster, aber auch<br />

der Baobabs und Palmen, sowie eine Reihe von Nutzbäumen (Held 2004, 6 ff.).<br />

4. Geschichte<br />

Die Geschichte Timbuktus ist wechselvoll, mehrere Reiche unterwarfen und regierten<br />

die Stadt.<br />

Dies wird im Folgenden dargestellt.<br />

4.1. Gründung und Frühzeit<br />

4.1.1. Gründung ca. 1100<br />

Zur Gründung Timbuktus herrscht keine einhellige Meinung. Die Gründung ist nach dem<br />

Tarikh Es-Soudan, einer Chronik des Songhai-Reiches aus dem 17. Jahrhundert, zu Beginn<br />

des 12. Jahrhunderts anzusetzen. Sie besagt, dass Timbuktu von nomadisierenden<br />

Messufa-Tuareg an einer Wasserstelle in der Nähe des Nigerbogens gegründet wurde.<br />

Vermutlich gehen die Ursprünge aber bis ins 9. oder 10. Jahrhundert zurück und<br />

wahrscheinlich müssen schwarzafrikanische Songhai als Gründer des Ortes angesehen<br />

werden (Vgl. Es-Sa’di 1964, 35 f.).<br />

4.1.2. Reich <strong>Mali</strong> 1326<br />

Die Stadt gehörte ab dem 13. oder frühen 14. Jahrhundert zum <strong>Mali</strong>-Reich. Der erste<br />

historisch verbürgte und wohl legendärste Herrscher Timbuktus war Kankan Musa,<br />

König von <strong>Mali</strong> von 1312 bis 1337 (Vgl. Ki-Zerbo 1981, 137.). In den Jahren 1324/25<br />

unternahm er eine prunkvolle Pilgerreise nach Mekka, auf der er von angeblich 60.000<br />

Bediensteten begleitet worden war, und zwei Tonnen Gold mit sich geführt haben soll.<br />

Um die arabischen Herrscher zu beeindrucken, verteilte er so viel Gold, dass in Ägypten<br />

für Jahre der Goldpreis sank und Kankan Musa sich selbst Mittel für die Rückreise leihen<br />

musste. Kankan Musa wurde auf seiner Rückreise von Gelehrten und Handwerkern u. a.<br />

130


nach Timbuktu begleitet. Die Stadt war strategisch von Bedeutung, um die Macht am<br />

Nigerbogen zu festigen. Der Herrscher <strong>Mali</strong>s übernahm die Regierung und ließ vom<br />

Dichter und Architekten Es-Saheli seinen Palast, den Madugu, und die Moschee Djingere<br />

Ber errichten. Timbuktu erlebte einen ersten Aufschwung und wuchs, begünstigt durch<br />

die Stabilität des gewaltigen Reiches <strong>Mali</strong>, zum religiösen und wirtschaftlichen Zentrum<br />

heran (Vgl. Es-Sa’di 1964, 13 ff.).<br />

Die Geschichte vom unermesslichen Reichtum eines großen Königs im Inneren Afrikas<br />

wurde durch Kaufleute auch nach Europa getragen. In den Hafenstädten verbreiteten<br />

Seeleute Geschichten wie diese und schmückten sie durch ihre Phantasie aus. Auf einer<br />

Karte von Abraham Cresques aus dem Jahr 1375 ist Kankan Musa mit Krone, Zepter<br />

und einer Kugel dargestellt, alle Insignien sind aus Gold. Neben seinem Thron, nördlich<br />

eines Sees, ist erstmals Timbuktu (Tenbuch) in einer Karte eingezeichnet.<br />

Abb. 1: Cresques, Abraham (1375): Katalanischer Atlas (http://www.manntaylor.com/africa1.html, Abruf v.<br />

01.05.09)<br />

4.1.3. Das Reich Songhai 1468/69 - Die „goldene Stadt“<br />

Die größte Blüte erreichte die Stadt unter den Songhai. 1468/69 eroberte Sonni Ali<br />

Timbuktu. Er leitete die Handelskarawanen nun nicht mehr länger durch Walata, sondern<br />

durch Timbuktu und Gao, so dass besonders Timbuktu zum Handelsmittelpunkt<br />

avancierte. Es wurden besonders Salz, Gold und Sklaven aus dem Mossi Land Richtung<br />

Norden transportiert, aber auch Elfenbein, Moschus, Kolanüsse, Pfeffer, Gummi,<br />

Lederwaren sowie Hirse aus dem Süden Westafrikas. Im Gegenzug gelangten aus dem<br />

Norden Metalle und Metallfertigprodukte, Pferde, Waffen, Seide, Schmuck, und Datteln,<br />

aber auch Bücher und Wissen nach Timbuktu. Händler kamen von weit her, um dort<br />

Geschäfte zu machen oder um sich niederzulassen und ihnen folgten die Gelehrten, die<br />

hier ein kosmopolitisches Umfeld fanden. Zu den Lehrern strömten wiederum die<br />

Schüler, so dass sich Timbuktu auch als Mittelpunkt des islamischen Geisteslebens in<br />

131


Westafrika entwickelte. Zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert gab es 150-180<br />

Koranschulen, an denen häufig von einem einzigen Lehrer religiöse und juristische<br />

Themen unterrichtet wurden. An der Sankoré-Mosche existierte eine Medresa,<br />

vergleichbar einer mittelalterlichen Universität, an der die arabische Sprache, Rhetorik,<br />

Astrologie, die Rechtsprechung und die Schriften des Korans gelehrt wurden (Vgl. Barth<br />

1858, Bd. 4, 421 f, 619 ff.).<br />

Auch in dieser Periode wurde in Europa die Illusion von Timbuktu als „goldene Stadt“<br />

weiter genährt, beispielsweise durch die Beschreibungen von Leo Africanus, der unter<br />

dem Namen Al-Hassan ben Mohammed ben Ahmed al-Wazzan al Gharnati al-Fassi im<br />

Jahr 1494 in Granada geboren, aber in Fes aufgewachsen ist. Als Diplomat besuchte er<br />

auf seinen Reisen 1510/11 sowie 1512/14 Timbuktu. Die Reise des Leo Africanus hatte<br />

möglicherweise zum Ziel, neue Handelswege zu erkunden (Vgl. Rauchenberger 1999, 36.,<br />

44., 52., 60.). Leo Africanus betont neben den Reichtümern den hohen Stellenwert von<br />

Bildung und Religion in der Stadt:<br />

132<br />

„[...] Der König von Tombutto hat einen großen Schatz von Edelsteinen<br />

und Goldbarren, die teils 50, teils 300 Pfund wiegen. [...] In dieser Stadt<br />

gibt es viele Gelehrte, Vorbeter und Richter, die der König alle unterhält;<br />

er achtet die gebildeten Männer sehr. In Tombutto werden auch viele<br />

Bücher abgesetzt, die aus Barbaria kommen und die alle handgeschrie-<br />

ben sind. Wer Bücher herbeischafft, verdient daran mehr als am Rest<br />

seiner Ware. [...]“ (Rauchenberger 1999, 280 f.)<br />

Sein ursprünglich nicht für den Druck vorgesehenes Manuskript wurde 1550 in Venedig<br />

publiziert, jedoch hatte der Herausgeber Ramusio die Daten durch phantasiereiche<br />

Übertreibungen ergänzt und zementierte damit den Mythos von der unermesslich<br />

reichen Stadt in Afrika. Vor allem die Zahlen, die den Goldhandel betrafen, waren<br />

offenbar bewusst verfälscht worden, um den Absatz des Buches zu steigern (Vgl.<br />

Rauchenberger 1999, 126., 140.).<br />

4.2. Frühe Neuzeit<br />

4.2.1. Die Herrschaft Marokkos 1591<br />

1578 wurde Timbuktu von den Truppen des marokkanischen Sultans Mulai Ahmad al-<br />

Mansur erobert. Die marrokanische Herrschft führte in Timbuktu zum wirtschaftlichen<br />

und intellektuellen Niedergang bis hin zu anarchischen Zuständen, die Stadt konnte nie<br />

mehr ihre alte Blüte entfalten und verlor an Bedeutung. Auch die Karawanen fielen<br />

zunehmend bescheidener aus, was auch am Niedergang des Transsaharahandels<br />

zugunsten des Handels über die Atlantikküste lag (Vgl. Barth 1858, Bd. 4, 442 f.).


4.2.2. Die Herrschaft der Fulbe von Mesina 1826<br />

Zwischen 1826 und 1862 stand die Stadt unter der Oberhoheit des Fulbe-Kalifats von<br />

Massina, jedoch lag die eigentliche Autorität in der Hand des Kunta-Clans der al-Baqquai,<br />

die im 19. Jahrhundert als die bedeutendsten Korangelehrten im westlichen Sudan galten.<br />

Zur Zeit dieser Spannungen gelangte Heinrich Barth nach Timbuktu. Er hielt sich in<br />

britischem Auftrag von September 1853 bis April 1854 in Timbuktu auf, um<br />

Handelsbündnisse abzuschließen. Die Fulbe, die die Stadt regierten, hätten einen<br />

Christen nicht toleriert. So reiste er im Gebiet der Fulbe als Muslim gekleidet. In<br />

Timbuktu gab es wegen seiner Religion ständig bedrohliche Auseinandersetzungen, die<br />

ihn zu dem langen Aufenthalt zwangen (Vgl. Barth 1858, Bd. 4, 447 ff.). Zu dieser Zeit<br />

war Timbuktu für Europäer die ,verbotene Stadt’.<br />

Dieses Verbot war religiös und bezog sich auf Christen und Juden, hatte seinen<br />

Hintergrund aber wahrscheinlich in der Sicherung von Handelsinteressen und der<br />

allgemeinen Unerreichbarkeit für Europäer. So schreibt Leo Africanus: „Der König von<br />

Tombutto ist Todfeind der Juden, von denen man deshalb nicht einen in jenem<br />

Landstrich antrifft“ (Rauchenberger 1999, 281.).<br />

4.3. Kolonialzeit<br />

Die Kolonialzeit begann in Timbuktu trotz des erbitterten Widerstandes der Tuareg und<br />

gegen den Willen der Regierung in Paris mit dem Einmarsch der Franzosen unter<br />

General Joffre im Jahr 1894. Damit hatten sie einen wichtigen strategischen Ort unter<br />

Kontrolle, der es ihnen ermöglichte, das französisch kontrollierte Gebiet über die Sahara<br />

zu erweitern und mit der bereits existierenden Kolonie Algerien zu verbinden. Somit<br />

wurde Timbuktu der Kolonie „Afrique Occidentale Française“, kurz „AOF“ (Französisch-<br />

Westafrika), einverleibt (Vgl. Miner 1953, 12 f.).<br />

Um die Zahl französischer Truppen und einheimischer Hilfstruppen möglichst niedrig zu<br />

halten und damit Kosten zu sparen, verfolgte die französische Kolonialverwaltung einen<br />

konzilianten Kurs gegenüber den Tuareg und sprach eine Amnestie für alle Anführer aus,<br />

die 1893 und 1894 Widerstand gegen die Besatzung geleistet hatten. Der Anführer des<br />

einheimischen Widerstandes, der Neffe des Scheich Ahmad al-Baqqai, Za'in al-Abidin<br />

Ould Sidi Muhamad al-Kunti, musste sich mit seiner Familie und seiner Bibliothek in<br />

Richtung Norden absetzen, wo er 1902 ebenfalls von französischen Truppen vertrieben<br />

wurde.<br />

1916 brach nach einer der schlimmsten Dürrekatastrophen, die der Sahel je erlebt hat,<br />

der Aufstand verschiedener Tuareg Gruppen entlang des Niger aus. Nach der<br />

Niederschlagung des Aufstandes wurden deren Anführer abgesetzt und durch loyale<br />

Personen ersetzt. Insgesamt wurde durch diese Maßnahme die traditionelle Autorität der<br />

Stammesführer systematisch und bewusst unterminiert.<br />

Wirtschaftlich verlor Timbuktu weiterhin an Bedeutung. Die letzte große Karawane alten<br />

Stils mit mehreren Tausend Kamelen kam 1937 von den Tafilalet-Oasen nach Timbuktu<br />

(Vgl. Kaufmann 1964, 218 ff.).<br />

Außer Offizieren und Vertretern von Handelshäusern kamen Europäer oder Amerikaner<br />

nur selten nach Timbuktu. Meistens handelte es sich um Völkerkundler und Schriftsteller,<br />

133


die Timbuktu oft als trostlosen Ort schilderten:<br />

„Dies also ist die Kehrseite der märchenhaften Legende, die auch heute noch um den<br />

Namen Timbuktu schwebt! Der Zauber verfliegt, um sofort einem neuen Zauber Platz<br />

zu machen. Es ist, als ob man ein geträumtes Königreich eines Tages tatsächlich fände.<br />

Man hat es also nicht nur geträumt, aber siehe, es ist nur ein Häufchen Staub, der<br />

leicht durch die Finger rinnt. Nichts ist trauriger als dies Verrinnen, aber es ist eine sehr<br />

große, sehr mächtige Traurigkeit.“ (Sieburg 1938, 244 f.).<br />

4.4. Republik <strong>Mali</strong><br />

Kurze Zeit später, am 22. September 1960, wurde die Republik <strong>Mali</strong> ausgerufen. Die<br />

Regierung unter Staatspräsident Modibo Keita verfolgte sowohl politisch als auch<br />

wirtschaftlich eine sozialistische Linie (Vgl. Imperato 1996, 134 f.). Diese Periode endete<br />

am 19. November 1968 durch einen Militärputsch des Comité Militaire de Liberation<br />

Nationale, der Moussa Traoré an die Macht brachte (Vgl. Imperato 1996, 227 f.). Mit<br />

Beginn seiner Herrschaft gewann der Tourismus an Bedeutung.<br />

Bereits in den 1950er Jahren war es zu Auseinandersetzungen zwischen den Tuareg und<br />

schwarzen Verwaltungsbeamten, die damals noch in französischen Diensten standen,<br />

gekommen. Nach der Unabhängigkeit eskalierte der Konflikt zwischen den Wüstennomaden<br />

und den Vertretern der Staatsmacht, die bemüht war, die unkontrollierbaren<br />

Tuareg sesshaft zu machen. Verstärkt wurden die Spannungen von den Dürren 1967- 73<br />

und 1983-85. In dieser Zeit verloren viele Nomaden ihr Vieh und damit ihre<br />

Existenzgrundlage und waren zur Migration gezwungen. Die Tuareg-Rebellion Anfang der<br />

90er Jahre wurde durch zurückkehrende Dürreflüchtlinge getragen, die zunächst<br />

protestierten, da Hilfslieferungen nicht bei ihnen ankamen. Aus dem Protest entwickelte<br />

sich der bewaffnete Kampf, der die Region destabilisierte. Diese Situation der<br />

Unsicherheit führte zu einem erheblichen Rückgang des zunehmenden Tourismus. Die<br />

Kämpfe setzten sich bis 1995 fort. Als sichtbares Zeichen für das Ende des Konfliktes<br />

wurden am 27. März 1996 feierlich die Waffen verbrannt. Die Friedensflamme in<br />

Timbuktu erinnert an den historischen Friedensschluss (Vgl. Imperato 1996, 235 ff.).<br />

5. Bevölkerung<br />

Timbuktu ist heute die Hauptstadt der gleichnamigen 6. Region, eine Kleinstadt, die<br />

heute ca. 35.000 Einwohner fast aller Ethnien <strong>Mali</strong>s zählt (Stadt Timbuktu:<br />

http://www.tombouctou.net, Abruf v. 21.01.09.). Hier trifft sich die sesshafte Bevölkerung<br />

mit den Nomaden (Mauren und Tuareg) des Nordens. Die Stadt wird von fast allen<br />

Ethnien <strong>Mali</strong>s bewohnt, mehrheitlich aber von Songhai, die vorwiegend Bauern sind und<br />

sich an den Ufern des Nigers angesiedelt haben (Vgl. N’Diaye 1970, 212 ff.). Die den<br />

Touristen bekannteste Ethnie sind die Tuareg. Sie leben als Viehzüchter vor allem<br />

nördlich und östlich von Timbuktu sowie im Nigerbogen. In den Dürrejahren 1968-73<br />

sowie 1983-85 verloren viele Tuareg ihre Herden und damit ihre Lebensgrundlage, was<br />

zu einem Zuzug in die Städte und deren nähere Umgebung führte (Vgl. Klute 1994, 201,<br />

203.). Heute leben fast alle Bewohner vom Tourismus, einige auch vom Handel (Vgl.<br />

Krause 2006, 12.).<br />

134


6. Kultur und Sehenswürdigkeiten<br />

6.1. Weltkulturerbe<br />

Auch wenn es keine goldgepflasterten Straßen zu entdecken gibt, so hat die Geschichte<br />

doch viele Zeugnisse hinterlassen. Heute ist die Mission Culturelle de Tombouctou für<br />

die Konservierung, Restaurierung und Promotion der zum Weltkulturerbe zählenden<br />

Stätten sowie für die Verbreitung der schriftlichen und mündlichen Quellen zur<br />

Lokalgeschichte zuständig.<br />

Die Architektur ist geprägt durch ein- bis zweistöckige Häuser, gebaut aus sonnengetrockneten<br />

Lehmziegeln und alhor, einem Kalkstein, der aus 2-3m unter dem<br />

Wüstensand liegenden Schichten gebrochen wird. In der Altstadt befinden sich die<br />

meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie die drei Lehm-Moscheen, die das Stadtbild<br />

prägen, die Djingere-ber-Moschee, die Sankoré-Moschee und die Sidi-Yahia-Moschee.<br />

Die Moschee Djingere Ber ist die einzige Moschee, die Touristen besichtigen dürfen<br />

(Stadt Timbuktu: http://www.tombouctou.net).<br />

Abb. 2: Moschee Djingere Ber (Krause 2006, 114.)<br />

6.2. Weitere Sehenswürdigkeiten<br />

Ein weiteres Erbe der Blütezeit der Universitäten und der Bildung sind die Bibliotheken.<br />

Obwohl der marokkanische Scheich Mulai Hamed im Jahr 1591 die Stadt eroberte und<br />

viele der Gelehrten sowie einen Großteil der Bücher nach Marokko verschleppte,<br />

konnten einige Familien ihre Schätze retten (Vgl. Obert 2005, 304 f.). Ein wichtiger<br />

Anziehungspunkt für Touristen sind die öffentlich zugänglichen Bibliotheken. In den<br />

letzten Jahren wurde vor allem in Europa, den Vereinigten Staaten und Südafrika auch in<br />

der Presse häufig über die Manuskripte berichtet, so dass die Bibliotheken seit 2001 viele<br />

Touristen angelockt haben (Vgl. Boye 2003, 4 f.).<br />

135


Im Bezirk Abaradiou im Nordwesten der Stadt befindet sich die Flamme de la Paix. An<br />

dem Ort, an dem zur Besiegelung des Friedens im März 1996 die Waffen verbrannt<br />

wurden wurde im März 2002 das gleichnamige Denkmal errichtet (Vance 2001,<br />

http://ww.stat.duke.edu/~ervance/wallemails.html, Abruf v. 19.12.08.). An diesem Platz<br />

treffen sich im Winter auch die Azalai ein: Die letzten Kamelkarawanen, die heute noch<br />

in der Sahara durchgeführt werden (Salzkarawanen). Der Ruhm der reichen Handelsstadt<br />

wird hier manchmal noch sichtbar.<br />

7. Wirtschaft<br />

Da der Region Timbuktu jegliche Industrie fehlt, und sie durch ihr Klima nicht für die<br />

Landwirtschaft geeignet ist, kommt dem Tourismus elementare Bedeutung als größte<br />

Einnahmequelle zu. Sichtbar ist eine Forcierung des Tourismus und der touristischen<br />

Infrastruktur ab Mitte der 90er Jahre. 1999, liegt die Zahl der Touristen, die Timbuktu<br />

jährlich besuchen, grob geschätzt bei 6.000, wobei die Tendenz steigend ist (Vgl. Krause<br />

2006, 50.). Dabei ist die starke Saisonabhängigkeit zu beachten. Den Höhepunkt erreicht<br />

der Tourismus im August und von Oktober bis Februar. In den restlichen Monaten gibt<br />

es aufgrund der großen Hitze kaum Besucher. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />

beträgt lediglich zwei Tage (Vgl. Krause 2006, 51.).<br />

Von den klassischen Handelsgütern der Vergangenheit ist lediglich das Salz übrig<br />

geblieben, das immer noch aus dem Norden geliefert und in Timbuktu bzw. Kabara<br />

portioniert und an Händler verkauft wird, die es auf Pirogen flussaufwärts transportieren<br />

(Vgl. Krause 2006, 78.)<br />

Heute ist Timbuktu eine relativ arme Stadt, die historische Innenstadt ist von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen in einem schlechten Zustand. Sand und Dreck findet sich überall<br />

in den Straßen. Vom Glanz alter Tage ist heute nichts mehr übrig geblieben, die<br />

Bevölkerung ist arm und zum großen Teil arbeitslos. Timbuktu wirkt noch karger als<br />

andere Städte in der Sahelzone. Insgesamt scheint sich die Stadt noch nicht von den<br />

Folgen des Bürgerkriegs mit den Tuareg erholt zu haben. (Vgl. Krause 2006, 89 ff.).<br />

Abb. 3: Timbuktu Viertel Abaradiou (Krause 2006, 118.)<br />

136


8. Mythos Timbuktu<br />

Über die Jahrhunderte hinweg wurde Timbuktu zum Mythos, zur ,goldenen’, ,heiligen’,<br />

,verbotenen’ Stadt, und weil nur so wenige die Stadt tatsächlich sahen somit zum<br />

Synonym für einen weit entlegen exotischen Ort, das Ende der Welt, das schließlich<br />

neben dem tatsächlichen Ort existierte. In dieser Funktion erscheint der Name in<br />

verschiedenen Sprachen, unter anderem im Deutschen und Niederländischen, vor allem<br />

aber im Englischen.<br />

Timbuktu ist ein realer Ort, ein geographischer Ort. Man kann diese Stadt heute<br />

tatsächlich erreichen. Doch ist sie vielen nur als Sprichwort, als Symbol für die Ferne<br />

bekannt, ohne diese lokalisieren zu können oder zu wollen. Der Name an sich weckt<br />

Assoziationen und Phantasien. Und gerade deshalb zieht die Stadt immer noch und<br />

immer mehr Reisende an, die dem Mythos auf den Grund gehen wollen. So auch wir.<br />

137


Literaturverzeichnis<br />

BARICCO, Alessandro 2003: Oceano Mare. Das Märchen vom Wesen des Meeres,<br />

München.<br />

BARTH, Heinrich 1857-58: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den<br />

Jahren 1849 bis 1855. Tagebuch seiner im Auftrag der Britischen Regierung<br />

unternommenen Reise, Bd. 1-5, Gotha.<br />

BASSER, René 1909: Mission au Sénégal, Paris.<br />

ES-SA’DI, Abderrahman 1964 [1652/55]: Tarikh Es-Soudan. Texte Arabe Edité et Traduit<br />

par O. Houdas, Paris.<br />

HELD, Matthias; BERGEMANN, Sybille 2004: „Die geheime Wüstenstadt“, in: Horizonte.<br />

Das moderne Magazin für Reportage und Wissen, Jg. 1, Heft 2, S. 6-27.<br />

IMPERATO, Pascal James 1996: Historical Dictionary of <strong>Mali</strong>, 3. Aufl., London.<br />

KAUFMANN, Herbert 1964: Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg, Köln.<br />

KI-ZERBO, Joseph 1981: Die Geschichte Schwarz-Afrikas, Frankfurt am Main.<br />

KLUTE, Georg 1994: „Flucht, Karawane, Razzia. Formen der Arbeitsmigration bei den<br />

Tuareg“, in: Laubscher, Matthias; Turner, Bertram (Hg.): Systematische Völkerkunde.<br />

Völkerkunde Tagung 1991, Band 1, München, S. 197-213.<br />

MINER, Horace 1953: The Primitive City of Timbuctoo, Princeton.<br />

N’DIAYE, Bokar 1970: Groupes Ethniques au <strong>Mali</strong>, Bamako.<br />

OBERT, Michael 2005: Regenzauber. Auf dem Niger ins Innere Afrikas, München.<br />

RAUCHENBERGER, Dietrich 1999: Johannes Leo der Afrikaner. Seine Beschreibung des<br />

Raumes zwischen Nil und Niger nach dem Urtext, Wiesbaden.<br />

SIEBURG, Friedrich 1938: Afrikanischer Frühling. Eine Reise, Frankfurt am Main.<br />

BOYE, Alida Jay 2003: Timbuktu Manuscripts Project. Annual Report 2003. NORAD<br />

Financing, URL:<br />

http://www.sum.uio.no/research/mali/timbuktu/project/2003_Annual%20Report.pdf,<br />

Stand 27.01.2009.<br />

Timbuktu Stadt, URL: http://www.tombouctou.net. Stand 21.01.2009.<br />

VANCE, Eric 2002: URL: http://www.stat.duke.edu/~ervance/wallemails.html<br />

Stand 21.01.2009.<br />

138


Stadtentwicklung:<br />

Bamako, Djenné, Mopti<br />

Ute Tschirner<br />

139


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Bamako – Hauptstadt und charakteristisches Beispiel einer Primatstadt..................... 141<br />

1.1. Historische Stadtentwicklung........................................................................................... 141<br />

1.2. Siedlungsstruktur ................................................................................................................ 142<br />

1.3. Maßnahmen zur städtischen Entwicklung in den 1990ern......................................... 143<br />

2. Djenné – Stadt des Mittelalters............................................................................................... 144<br />

3. Mopti – Neue Hafenstadt am Niger....................................................................................... 146<br />

140


Städtegründungen und urbane Entwicklung wurden durch den Transsaharahandel und das<br />

spätere koloniale Handelssystem wesentlich beeinflusst. Am Beispiel dreier Städte<br />

werden die jeweils unterschiedlichen Bedingungen der Stadtentwicklung dargestellt und<br />

der Bedeutungswandel der Städte von der vorkolonialen Zeit bis zur Gegenwart<br />

herausgearbeitet.<br />

1. Bamako – Hauptstadt und charakteristisches Beispiel einer<br />

Primatstadt<br />

1.1. Historische Stadtentwicklung<br />

Bamako wurde entsprechend verschiedenster oraler Überlieferungen als ein kleines<br />

Fischerdorf im 16. Jh. gegründet (vgl. Brandt, 99-100). Vor der französischen Einnahme<br />

<strong>Mali</strong>s im Jahr 1880 hatte Bamako als Stadt am Ufer des Niger lediglich für das<br />

Herrschaftsgebiet des Bambara-Stammes eine lokale Bedeutung. Mit der Einnahme des<br />

Landes und der Etablierung kolonialer Administration zum Ende des 19. Jh. setzte die<br />

Entwicklung zur heutigen Primatstadt ein.<br />

Zu Beginn der französischen Okkupation diente Bamako als militärischer Stützpunkt.<br />

Nachdem sich die französische Kolonialmacht etabliert hat, begann die Kolonialverwaltung<br />

mit dem Ausbau und der infrastrukturellen Erschließung Bamakos. Durch den<br />

Bau der Sticheisenbahnlinie wurde die Stadt 1904 mit der senegalesischen Hafenstadt<br />

Saint-Louis verbunden und so in das koloniale Handelssystem eingegliedert. Im Jahr 1908<br />

wurde Bamako zur offiziellen Hauptstadt von Französisch-Sudan erklärt und erhielt<br />

dadurch insbesondere eine zentrale administrative Funktion. Die Kolonialherrschaft und<br />

die sich neu etablierenden Handelswege veränderten das urbane Systems <strong>Mali</strong>s<br />

grundlegend, sodass sich Bamakos ehemals lokale Umlandfunktion bis 1950 zu einer<br />

überregionalen entwickelte und die Stadt zum zentralen Markt in Westafrika wurde.<br />

Diese wirtschaftliche Funktion als Haupthandelspunkt verlagerte sich jedoch mit der<br />

Unabhängigkeit <strong>Mali</strong>s zunehmend Richtung Osten nach Mopti (vgl. Jones, 46-48).<br />

Die Bevölkerungsentwicklung Bamakos spiegelt diesen Bedeutungswandel der Stadt<br />

wieder. Noch zu Beginn der französischen Präsenz belief sich die Einwohnerzahl<br />

Bamakos schätzungsweise auf 7.000, 1960 lebten bereits 130.000 Menschen in der Stadt<br />

und in den 1970ern kam es, wesentlich beeinflusst durch zahlreiche Dürren, zu einem<br />

überdurchschnittlich starken Bevölkerungsanstieg auf Grund von Zuwanderung (1970-<br />

1775: 10%, 1975-1980: 6%). Niederschlagsreichere Jahre ab 1980, sowie die<br />

Implementation von Programmen zum Ausgleich von ländlicher und urbaner Entwicklung<br />

bewirkten in den folgenden Jahren eine geringere Stadt-Land-Migration, sodass sich die<br />

Wachstumsrate reduzierte (UN, 2007).<br />

Heute liegt die Einwohnerzahl Bamakos bei 1,5 Millionen mit einer jährlichen<br />

Wachstumsrate von 4,4% zwischen 2005 und 2010. Damit leben 12% der Gesamtbevölkerung<br />

<strong>Mali</strong>s in Bamako, wobei insgesamt 38% der städtischen Bevölkerung <strong>Mali</strong>s in<br />

141


der Hauptstadt leben (UN, 2007). Bamako ist sechsmal größer als Segou, die zweitgrößte<br />

Stadt <strong>Mali</strong>s und damit rein quantitativ betrachtet eindeutig eine Primatstadt (vgl. Sokono,<br />

6-7). Doch auch funktional ist die Stadt ein charakteristisches Beispiel. Dreiviertel des<br />

industriellen Sektors befindet sich im Distrikt Bamako und bis 1991 zentrierte sich die<br />

gesamte staatliche Administration in diesem Gebiet. Dieser, aus der Kolonialzeit<br />

stammende und durch die späteren Eliten weitergeführte, Verwaltungs-zentralismus ist<br />

eine wesentliche Ursache für die Entstehung einer Primatstadt (vgl. Hoffmann, 31). Die<br />

charakteristische herausragende Position in der nationalen Städtehierarchie wurde über<br />

einen längeren Zeitraum strukturell herbeigeführt und hat sich dementsprechend<br />

verfestigt.<br />

Mit dem Sturz der Militärdiktatur Moussa Traorés und der Gründung der dritten<br />

Republik trat 1992 eine neue demokratische Verfassung in Kraft, die Dezentralisation in<br />

ihren Grundprinzipien verankerte. Entsprechend dieser politischen Maßnahme wurde<br />

auch die Hauptstadt administrativ dezentralisiert, sodass Bamako heute aus sechs<br />

Kommunen besteht, die sich jeweils in mehrere Quartiere aufgliedern. Insgesamt gibt es<br />

etwa 60 verschiedene Quartiere. Die ältesten dieser Viertel (Bozolo, Niaréla, Cité de<br />

Niger) liegen in der Kommune II und III im nördlichen Teil der Stadt und bilden heute<br />

das Stadtzentrum. Ursprünglich vollzog sich die Stadtentwicklung von diesen Gebieten<br />

ausgehend, auf der nördlichen Seite des Nigers. Mit dem stetigen Bevölkerungszuwachs<br />

expandierte die Stadt um 1960 über den Niger hinaus, sodass auf der südlichen Seite des<br />

Flusses große Wohngebiete entstanden, welche die Stadtfläche nahezu verdoppelten<br />

(Kracher. Die einzige Verbindung zwischen den beiden Stadtteilen besteht durch zwei<br />

Brücken. Der Bau einer dritten Brücke, der von China durchgeführt wird, soll bis in Jahr<br />

2010 realisiert werden.<br />

1.2. Siedlungsstruktur<br />

Das Stadtzentrum ist durch den großen Markt und eine allgemeine Konzentration von<br />

Handwerk und Gewerbe entlang der Straßen gekennzeichnet. Hier und in den<br />

angrenzenden Wohnvierteln ist eine hohe Bebauungsdichte vorzufinden. Um dieses<br />

Kerngebiet herum und auf der südlichen Seite des Nigers wird das Stadtbild durch<br />

Wohnviertel mit einer vergleichsweise geringeren Bebauungsdichte bestimmt (vgl.<br />

Karcher, 226-227). Ingesamt fällt innerhalb vieler Wohngebiete eine Vermischung von<br />

Gebäuden mit einfachem und gehobenem Standard auf, sodass sich Villen in<br />

unmittelbarer Nähe zu kleinen Lehmhäusern finden lassen. Dennoch lassen sich die<br />

einzelnen Quartiere durchaus durch den quantitativen Bestand an gehobenem<br />

Baustandard und der vorhandenen Infrastruktur unterscheiden.<br />

An der Peripherie haben sich so genannte Spontansiedlungen entwickelt, die in ihrem<br />

Entstehen jedoch keineswegs „spontan“ waren. Da die bestehenden Strukturen und<br />

bauliche Maßnahmen auf den starken Bevölkerungszuwachs nicht reagieren konnten,<br />

entstanden in den späten 1960ern in zahlreichen Außenbezirken Bamakos illegale<br />

Siedlungen. Diese entwickelten sich häufig aus älteren Dorfstrukturen, indem lokale<br />

Chief’s Land an Freunde und Verwandte übertrugen. Einige der neuen Besitzer<br />

verkauften das Land an Spekulanten oder Hausbauer, sodass sich über einen längeren<br />

Zeitraum eine neue Siedlung entwickelte. Vom architektonischen Stil und der Bebauungs-<br />

142


dichte unterscheiden sich viele dieser Spontansiedlungen nicht von den einfacheren,<br />

legalen Quartieren. Die wesentliche Differenz besteht jedoch bei der Infrastruktur, da zu<br />

Beginn der Entstehung keines der Gebiete in der städtischen Versorgung integriert war<br />

(vgl. Vaa, 28).<br />

1.3. Maßnahmen zur städtischen Entwicklung in den 1990ern<br />

Nach dem Sturz des Traoré-Regimes und der Gründung der neuen demokratischen<br />

Republik wurden zahlreiche neue Richtlinien eingeleitet. Bereits 1992 veranlasste die<br />

neue Regierung ein spezielles Programm um die Lebensbedingungen in den illegalen<br />

Wohngebieten zu verbessern. Ursache hierfür war die rasante Ausbreitung und<br />

Neugründung von Siedlungen. Noch 1965 lebten nur etwa 5% der Bevölkerung Bamako’s<br />

in den Spontansiedlungen, 1983 waren es etwa 31% und um 1990 bereits 70% (vgl. Vaa,<br />

28). Die Ausstattung der Gebiete mit Straßenlicht und Wasserleitungen, sowie die<br />

Einführung eines Kanalisationssystems an den Hauptstraßen und der Bau von Schulen,<br />

Gesundheitszentren und Marktplätzen waren wesentliche Bestandteile des Programms<br />

(vgl. Karcher, 227). Um diese Umstrukturierung realisieren zu können, wurden<br />

bestehende Häuser abgerissen und deren Bewohner in andere, ausgewiesene Gebiete<br />

umgesiedelt. Leitgedanke der Vorhergehensweise war es, ein Minimum an Wohnhäusern<br />

zu zerstören um ein Maximum an Infrastruktur zu schaffen (vgl. Vaa, 30). Insgesamt<br />

wurden 25 von 33 Siedlungen in das Programm aufgenommen und damit ein sehr großer<br />

Teil der illegalen Wohnviertel zeitgleich legalisiert. Vier Jahre später wurde das<br />

Programm wieder eingestellt. Hauptursache hierfür war, dass die Zuweisung von neuen<br />

Siedlungsgebieten außer Kontrolle geriet. Ursprünglich waren die Grundstücke für die<br />

Ansiedlung der Bewohner der ehemals illegalen Siedlungen vorgesehen. Es kam jedoch<br />

dazu, dass Land an etwaige Interessenten verkauft wurde und ein Großteil der zur<br />

Verfügung stehenden Fläche der Spekulation unterlag. Die zuständigen Akteure der<br />

Landvergabe sahen darin die Möglichkeit um sich für die nächsten Wahlen zu<br />

positionieren. Letztendlich stiegen die Preise so stark an, dass die eigentlichen<br />

Adressaten des Programms von der Erwerbsmöglichkeit von Land ausgeschlossen<br />

wurden (vgl. ebda. 31).<br />

Insgesamt steht das legale Angebot an Land in keiner Relation zu der hohen Nachfrage,<br />

sodass sich ein illegaler Markt für Landverkauf etabliert hat. Um diese Tatsache<br />

einzudämmen und das Angebot an Land zu erhöhen, hat die malische Regierung im Jahr<br />

1992 in Kooperation mit der Weltbank eine Agentur zur Stärkung des Wohnungsbaus<br />

gegründet. Die so genannte „Agence de Cession Immobilière“ (ACI) überwacht den<br />

staatlichen Landbesitz, sorgt für den Aufbau von Infrastruktur und verkauft Land auf<br />

öffentlichen Auktionen. Von den 7.500 Grundbesitztümern, die zwischen 1970 und 2000<br />

verkauft wurden, sind 87 % in der Zeit von 1992-1995 durch die ACI entstanden.<br />

Quantitativ zeigt dies die Wirksamkeit der ACI. Jedoch muss hinterfragt werden, welche<br />

Gruppe die Dienste der Kooperation erreichen: „In the word of <strong>Mali</strong>an researchers, it is a<br />

road of access to property for an economic elite. The overwhelming marjority of Bamako’s<br />

population do not feel concerned by the services this agency has to offer“ (Vaa, 32). Die<br />

Kosten für die Grundstücke sind für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich,<br />

sodass auch diese Maßnahme sie indirekt vom legalen Landerwerb ausschließt.<br />

143


Die Errichtung einer weiteren, von der Weltbank und der KfW finanzierten Agentur,<br />

der„Agence d’exécution des trevaux d’intéret public pour l’emploi“ (AGETIPE), wurde<br />

ebenfalls im Jahr 1992 umgesetzt. Die Agentur gehört zu den ausländischen und<br />

internationalen Entwicklungsorganisationen, die eine Art parallele Verwaltung zur<br />

eigentlichen Stadtverwaltung bilden und finanziell und strukturell meist besser<br />

ausgestattet sind. Hauptziele von AGETIPE sind es, temporäre Anstellung in<br />

arbeitsintensiven Kleinprojekten zu fördern um einen Einkommenszuwachs und die<br />

Partizipation der lokalen Bevölkerung zu ermöglichen. Darüber hinaus soll der private<br />

Sektor gefördert und ausgebaut werden. Um dies umzusetzen, finanziert die Agentur<br />

Projekte, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen und in ihrer Wirkung einem<br />

öffentlichen Interesse dienen (vgl. Karcher, 231). Entsprechend einer Evaluation der<br />

Weltbank aus dem Jahr 1997 war die Arbeit der AGETIPE sehr erfolgreich und hat in<br />

vielen Bereichen Bamakos sichtbare Veränderungen hervorgebracht. (vgl. Vaa, 32). Die<br />

Struktur des Programms ermöglicht es auch Projekte, meist von NGO’s, in den nicht<br />

autorisierten Siedlungen zu fördern und bietet so die Chance die dortigen<br />

Lebensbedingungen zu verbessern.<br />

Dies stellt einen entscheidenden Vorteil gegenüber den zuvor vorgestellten Programmen<br />

dar. Die mangelnde Umsetzung staatlicher Programme liegt oftmals an dem schwach<br />

ausgeprägten Verwaltungssystem, Korruption und der damit verbundenen Missachtung<br />

der staatlichen Autorität und der eigentlichen Zielsetzungen. Dennoch muss die<br />

flächendeckende Schaffung von Infrastruktur langfristig durch die Stadtverwaltung<br />

realisiert werden, sodass die Verantwortung von der nationalen Regierung getragen wird.<br />

2. Djenné – Stadt des Mittelalters<br />

Das heutige Djénne ist berühmt für seine sudanesische Lehmarchitektur und der großen<br />

Moschee. Im Jahr 1981 wurde die Stadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt<br />

und seitdem bestimmen strikte Baureglementierungen den Erhalt des von<br />

Lehmarchitektur geprägten Stadtbildes. Die Stadt ist eine der touristischen<br />

Hauptattraktionen <strong>Mali</strong>s und nimmt damit eine sehr wichtige Funktion innerhalb des<br />

tertiären Sektors ein.<br />

BILD<br />

Die historische Bedeutung der Stadt war vielseitig und wesentlich durch den<br />

Transsaharahandel und den damit verbundenen islamischen Einfluss geprägt. Darüber<br />

hinaus finden sich in der Nähe der heutigen Djennés die archäologischen Überreste einer<br />

wesentlich älteren Stadt. Dies stellt einen wichtigen Beweis für die Existenz von<br />

städtischen Formen in Westafrika dar, die unabhängig vom Fernhandel der<br />

Transsahararoute entstanden sind (vgl. Devisse, 29). Das Forscherehepaar Susan und<br />

Roderick McIntosh entdeckten das so genannte Jenné-Jenno, das vergessene oder alte<br />

Djenné, drei Kilometer östlich der heutigen Stadt. Die erste Ansiedlung in diesem Gebiet<br />

wird auf etwa 250 Jahre v. Chr. datiert (vgl. Snelder, 67). Ausgrabungen zeigten, dass die<br />

Stadt mit ihren runden und rechteckigen Häusern eine Ausbreitung von etwa 30 Hektar<br />

besaß und von einer Stadtmauer umgeben war. Dies deutet daraufhin, dass die Stadt eine<br />

wichtige wirtschaftliche bzw. politische Bedeutung haben musste. Eine genauere<br />

144


Datierung der Stadtmauer ist bisher nicht möglich, es wird aber angenommen, dass<br />

Jenné-Jenno zwischen dem 5. und dem 10. Jahrhundert die heute vorgefundene<br />

Ausdehnung erreichte (vgl. Snelder, 67, Devisse, 3).<br />

Zur Gründung von Djenné gibt es unterschiedliche Auffassungen und Datierungen. Ein<br />

Großteil der Informationen zur historischen Entwicklung von Djenné stammen von<br />

Abderrahman Es-Sa’di, er war Imam der großen Moschee in den 1620ern und 1630ern.<br />

Seiner Chronik zu Folge wurde Djenné etwa 770 n. Chr. gegründet und zu einem<br />

späteren Zeitpunkt an einen anderen Ort verlagert. Der Franzose Maurice Delafosse<br />

vertritt in seinen Schriften die Ansicht, dass die Stadt durch eine Gruppe von Soninke<br />

bereits 800 n. Chr. gegründet wurde, jedoch erst in den 1240ern zu einer<br />

nennenswerten Größe anwuchs (vgl. Snelder, 67). Unter Vernachlässigung der Datierung<br />

lässt sich jedoch bei beiden eine Übereinstimmung in Bezug auf die Bedeutungsentwicklung<br />

von Djenné feststellen. Dementsprechend erlangte die Stadt durch die<br />

Einbindung in den Fernhandel sowohl eine wirtschaftliche, als auch eine zentrale religiöse<br />

Funktion. Seit dem 9. Jahrhundert führte der Fernhandel zwischen dem Norden und dem<br />

Süden Westafrikas zu Stadtgründungen entlang der Handelsroute. Insbesondere an<br />

Grenzgebieten, zwischen Klima- bzw. Vegetationszonen und verschiedenen<br />

Herrschaftsbereichen, kam es zu Stadtgründungen. Diese anfänglichen Siedlungen dienten<br />

zunächst als Lagerstätte bzw. Umschlagsorte. Da der Routenverlauf des Transsaharahandels<br />

wesentlich von gegenwärtigen Machtstrukturen und Herrschaftsreichen<br />

bestimmt war, kam es immer wieder zu einer Verlagerung, sodass neue Städte<br />

entstanden und ehemals wichtige Handelsorte an Bedeutung verloren. Mit dem<br />

Untergang des Ghana-Empires verlagerte sich die Route und Timbuktu wurde zu einer<br />

zentralen Handelsstadt. Etwa zeitgleich wuchs auch die Bedeutung Djennés, sodass die<br />

Stadt zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert durch den Handel bestimmt wurde<br />

(vgl. Winters, 145-146). Der kurze Vergleich zwischen der Entwicklung beider Städte<br />

verdeutlicht die Interdependenz innerhalb der Stadtgenese. Djenné profitierte von der<br />

Bedeutung Timbuktus indem es einerseits ein bedeutender Umschlagsort für<br />

Handelsgüter wurde und andererseits erfüllte es für Timbuktu eine wichtige<br />

Versorgungsfunktion. Auf Grund der vorherrschenden klimatischen Bedingungen konnte<br />

in der Region Timbuktu keine Agrarwirtschaft betrieben werden, sodass die Stadt auf<br />

externe Versorgung angewiesen ist um den Nahrungsmittelbedarf der damaligen hohen<br />

Bevölkerung decken zu können. Djenne diente daher als Sammelstelle für<br />

Agrarprodukte, die über den Niger nach Timbuktu transportiert wurden.<br />

Im 15. Jahrhundert weitete die erste Songhay-Dynastie ihren politischen Machtbereich<br />

von der Hauptstadt Gao Richtung Westen aus und Djenné wurde durch ihren Herrscher<br />

Sonni Ali Bar eingenommen. Anschließend folgte die Fortsetzung der Dynastie durch den<br />

neuen Songhay-Herrscher Askia Mohammed (vgl. Brandt, 148-149). Die politische<br />

Stabilität innerhalb dieser Periode stützte das florierende Wirtschaftsleben und Djenné<br />

erlebte seine Blütezeit. Mit dem Einzug der Marokkaner zum Ende 16. Jahrhunderts und<br />

der erneuten Veränderung der Handelsrouten begann ein stetiger Bedeutungsverlust<br />

Djennés (vgl. Snelder, 69).<br />

Diese historische Entwicklung Djennés lässt einen Vergleich zur Stadtentwicklung von<br />

Lüneburg zu. Beide Städte erlebten im Mittelalter auf Grund ihrer einflussreichen<br />

Positionierung im Handel eine Blütezeit und gerieten nachfolgend in eine Art<br />

Vergessenheit. Die geringeren Einnahmen und die zunehmende Bedeutungslosigkeit im<br />

145


überregionalen Handelsystem hemmten die städtische Entwicklung, sodass die alten<br />

Stadtstrukturen größtenteils erhalten blieben.<br />

3. Mopti – Neue Hafenstadt am Niger<br />

Heute ist Mopti eine kommerzielles Zentrum am Niger und gleichzeitig Hauptstadt der<br />

Region. Noch vor dem 19. Jahrhundert war es jedoch lediglich ein Haltepunkt entlang<br />

der Strecke von Djenné nach Timbuktu. Das kleine Bozo-Fischerdorf zog ausschließlich<br />

einige nomadische Schafhirten an und spielte darüber hinaus nur für die lokale<br />

Versorgung eine wichtige Rolle.<br />

Mit dem Bedeutungsverlust Djennés erlangte Mopti eine neue Position als Hafenstadt am<br />

Niger. 1893 errichteten die Franzosen hier einen Militärstützpunkt und leiteten damit die<br />

wirtschaftliche Entwicklung ein. Wenige Jahre später siedelten die ersten französischen<br />

Händler in dem Gebiet und organisierten von Mopti ausgehend den Warentransport.<br />

Der Bau der Eisenbahnlinie zwischen Bamako und St. Louis integrierte Mopti in das<br />

größere Gebiet von Französisch Sudan und die Stadt wurde wichtiger Exporteur für<br />

Agrarprodukte innerhalb der Kolonien. Hauptexportgut war Reis, der über den Niger<br />

nach Bamako geschifft, und von dort weiter in den Senegal transportiert wurde (vgl.<br />

Guibbert, 108).<br />

Die naturräumlichen und klimatischen Bedingungen schaffen in diesem Gebiet gute<br />

Voraussetzung für die agrarwirtschaftliche Produktion. Die Stadt liegt direkt im<br />

Innendelta des Nigers. Während der Regenzeit kommt es im gesamten Einzugsgebiet des<br />

Nigers und seinen Nebenflüssen zu Überschwemmungen, sodass ein Großteil der Fläche<br />

durch das Schwemmwasser und die mitgetragenen Mineralien fertilisiert wird. Die<br />

heutige wirtschaftliche Stellung Moptis basiert einerseits auf diese naturräumlichen<br />

Bedingungen und andererseits auf die veränderten Handelsstrukturen des 19.<br />

Jahrhunderts und den damit verbundenen, neuen Absatzmärkten.<br />

1908 wurde die große Moschee von Mopti erbaut. Auch dieses Ereignis ist im<br />

Zusammenhang mit der neuen Stellung der Stadt zu sehen. Das wirtschaftliche<br />

Aufstreben einer Region führt zu einer stärkeren Zuwanderungsrate und damit zu einer<br />

höheren städtischen Bevölkerungszahl. Insbesondere in stark religiös geprägten Nationen<br />

bedeutet dieses Bevölkerungswachstum auch die Errichtung neuer Glaubensstätten. „In<br />

general, learning followed commerce. (....) In the twentieth century Mopti, which<br />

boomed owing to it position on the colonial trade routes, eventually became a religious<br />

centre. Even teachers of religion have to eat“ (Winters, 353). In der späteren<br />

Stadtentwicklung kommt es durch diese anfängliche Verbindung zwischen Kommerz und<br />

Religiosität zu einem sich selbst verstärkenden Bevölkerungswachstum: Nicht nur das<br />

wirtschaftliche Potential einer Stadt, sondern auch das Ansehen als religiöses Zentrum,<br />

führt zu einer erhöhten Zuwanderung.<br />

Mit der steigenden Bevölkerungszahl der Stadt musste sich auch die Siedlungsfläche<br />

vergrößern. Um dies zu erzielen, wurde im Jahr 1910 mit dem Bau von Dämmen<br />

begonnen, die bis in Jahr 1954 der Landgewinnung dienten und so die sukzessive<br />

Ausbreitung der Stadt ermöglichten (vgl. Guibbert, 108). Ursprünglich erstreckte sich<br />

146


die Stadt auf mehreren kleinen Inseln im Schwemmbereich der Flüsse Niger und Bali.<br />

Während der Regenzeit waren die Stadteile daher voneinander getrennt. Durch den<br />

Dammbau wurden diese Teile erweitert und insgesamt zu drei, auch in der Regenzeit,<br />

miteinander verbundenen Siedlungsflächen umgeformt (vgl. Brandt, 160).<br />

147


Literaturverzeichnis<br />

GUIBBERT, Jean-Jacques 1983: Mopti: Tradition in the Present. Elements for Reflection<br />

and Action in Medium-Sized Cities in Africa. <strong>Mali</strong>. In: Taylor, Brian: Reading the<br />

Contemporary African City. Singapore, 101-112.<br />

WINTERS, Christopher 1981: The urban systems of medieval <strong>Mali</strong>. Journal of Historical<br />

Geography 7 (4), 341-355.<br />

VAA, Mariken 2000: Housing policy after political transition: the case of Bamako.<br />

Environment&Urbanization 12 (1), 27-34.<br />

KARCHER, Silke 1995: Stadtsanierung in Bamako. Die Rolle lokaler Selbsthilfegruppen für<br />

die Stadtsanierung in Bamako/ <strong>Mali</strong>. In: GROHMANN, Peter; HOFFMANN, Dirk (Hg.):<br />

Andere Städte Anderes Leben. Stadtentwicklung, Umweltkrise und Selbsthilfe in Afrika,<br />

Asien und Lateinamerika. Saarbrücken, 225-242.<br />

VELTON, Ross 2008: <strong>Mali</strong>. The Bradt Travel Guide. 2. Aufl. Guilford.<br />

SOKONO, O. 1985: Urban primacy in developing countries: the case of <strong>Mali</strong>. In:<br />

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Identity in Urban <strong>Mali</strong>. Macalester College.<br />

SNELDER, Raoul 1984: The Great Mosque at Djenné. Its impact today as a model. Mimar:<br />

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HOFFMANN, Dirk 1995: Die Welt ist Stadt. Aktuelle Entwicklung und Tendenzen der<br />

globalen Urbanisierung. In: GROHMANN, Peter; HOFFMANN, Dirk (Hg.). Andere Städte<br />

Anderes Leben. Stadtentwicklung, Umweltkrise und Selbsthilfe in Afrika, Asien und<br />

Lateinamerika. Saarbrücken, 17-38.<br />

DEVISSE, Jean 1983: Urban History and Tradition in the Sahel. In: TAYLOR, Brian: Reading<br />

the Contemporary African City. Singapore, 1-8.<br />

148


Traditionelle Architektur in Stadt und Land:<br />

Der Sudanstil<br />

Susann Aland<br />

149


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Ursprung und Verbreitung der sudanischen Lehmbauweise ............................................ 151<br />

2. Merkmale der Lehmarchitektur.............................................................................................. 152<br />

2.1. Bürgerliches Wohnhaus .................................................................................................... 152<br />

2.2. Sakrale Bauten..................................................................................................................... 154<br />

3. Stilistische Einflüsse.................................................................................................................... 155<br />

3.1. Animistische Elemente ...................................................................................................... 155<br />

3.2. Islamische Elemente ........................................................................................................... 156<br />

4. Zur Bauweise .............................................................................................................................. 156<br />

5. Vorteile der Lehmbauweise ..................................................................................................... 159<br />

150


1. Ursprung und Verbreitung der sudanischen Lehmbauweise<br />

Der Ursprung der bis heute für westafrikanische Sahel-Länder charakteristischen<br />

Lehmarchitektur ist auf den Raum des Nigerbinnendeltas in <strong>Mali</strong> zurückzuführen. In<br />

Handelsstädten wie Djenné und Timbuktu entwickelte sich der so genannte Sudanstil aus<br />

zwei verschiedenen kulturellen und religiösen Strömungen, dem Animismus der Volta-<br />

Völker und dem Islam aus Nordafrika (vgl. Abb. 1). Djenné kam im Mittelalter eine große<br />

Bedeutung als Marktzentrum zu, und der Saharahandel verband die beiden Städte eng<br />

miteinander. Über den Wasserweg wurden u. a. Stoffe, Steinsalz, Datteln und Keramik<br />

aus Timbuktu in den Süden gebracht und landwirtschaftliche Produkte, wie Reis, Hirse,<br />

Erdnüsse, aber auch Gold und Sklaven, in den Norden transportiert.<br />

Mit dem Handel breiteten sich der Islam, alte Handwerkstraditionen und Bauweisen aus<br />

Marokko, Algerien und Tunesien in den südlicheren Ländern Westafrikas aus. Hier<br />

vermischte sich der islamische Glaube mit schwarzafrikanischen Traditionen und nahm<br />

animistische Züge in sich auf. Die Verknüpfung von Islam und Animismus ist in der daraus<br />

hervorgehenden Lehmbauweise wieder zu erkennen.<br />

Abb. 1: Verbreitung der Sudanarchitektur im westlichen Afrika<br />

(Krings, Thomas 1984: Die Tradition der urbanen Lehmarchitektur im Obernigergebiet von <strong>Mali</strong>. In: Die Erde<br />

Nr. 115, 127.)<br />

151


Die Karte in Abbildung 1 zeigt neben dem Kernraum des Sudanstils um Djenné, Mopti<br />

und San auch die weiteren Ausbreitungsrichtungen in den (Nord-)Osten <strong>Mali</strong>s, nach<br />

Guinea und in die Elfenbeinküste.<br />

Auf die stilistischen Merkmale der Lehmarchitektur wird in Kapitel 3 näher eingegangen.<br />

(Krings 1984, 123-128.)<br />

2. Merkmale der Lehmarchitektur<br />

2.1. Bürgerliches Wohnhaus<br />

Der Grundriss der Bürgerhäuser in Djenné ist prinzipiell viereckig. Die Wohngebäude<br />

bestehen in der Regel aus zwei Stockwerken mit einem Flachdach.<br />

Abb. 2: Grundriss eines Bürgerhauses<br />

(Krings 1984, 132.)<br />

152<br />

Erdgeschoss:<br />

1 Hauseingang (goumhu)<br />

2 Vestibül (tafarafara)<br />

3 Innenhof (batuma)<br />

4 Abstellraum (tassike)<br />

Obergeschoss:<br />

5 Zimmer d.<br />

Hausherren<br />

(tafarafara/sifa)<br />

6 Toilette (salanga)<br />

Wie in Abbildung 2 nachzuvollziehen, gelangt man durch den Hauseingang zunächst in ein<br />

Vestibül. In diesem fensterlosen Raum werden Freunde und Bekannte der Familie<br />

empfangen, und auf Grund der relativ kühlen Temperaturen hält man sich während des<br />

Tages hier gerne auf. Wenn die Größe des Raumes es erfordert, wird die Decke von<br />

einer eckigen Säule in der Raummitte gestützt.<br />

Durchquert man einen oder mehrere dieser dunklen Räume, erreicht man den für<br />

islamische Bauten typischen Innenhof. Als Aufenthaltsort für die Frauen und Mädchen, an<br />

dem sie die Mahlzeiten zubereiten, ist er von mehreren viereckigen Räumen umgeben, so<br />

dass Fremden der Einblick verwehrt bleibt. Die umliegenden Räume sind ebenfalls für die<br />

Frauen und Kinder des Hauses vorgesehen.


Vom Innenhof oder einem der Räume führt eine schmale und steile Treppe ins<br />

Obergeschoss, zu den Räumlichkeiten des Hausherrn. Sein Schlafzimmer liegt direkt über<br />

dem Eingangsbereich. Weitere Zimmer im zweiten Stockwerk fungieren als Lagerräume<br />

für Hirse und Reis, und der hintere Teil setzt sich meist als Dachterrasse, die in warmen<br />

Nächten gern als Schlafplatz genutzt wird, fort. Eine niedrige Lehmmauer schließt sie zum<br />

Rand des Gebäudes ab. In einer hinteren Ecke des Flachdaches befindet sich die Toilette,<br />

ein kleines einzelnes Lehmhäuschen. In die Außenmauern sind auf Höhe des Daches<br />

tönerne Wasserspeier mit eingearbeitet, über die das Regenwasser abfließen kann.<br />

Abb. 3a: Schema Bürgerhausfassade<br />

(Krings 1984, 132.)<br />

Abb. 3b: Fassade eines Bürgerhause in Djenné<br />

(eigene Aufnahme)<br />

1 Hauseingang (goumhu)<br />

2 Tür-Vorbau (saria)<br />

3 Risalit (sara fa wey)<br />

4 Fenster im Aijimez-Stil (soro funey)<br />

5 Tritthölzer (toron)<br />

6 Phallische Lehmsäulchen (potige idye)<br />

7 Lehmzinnenkrone (soro diokoti)<br />

8 Zierlöcher (soro tabai)<br />

9 Eckzinnen (sara fa har)<br />

153


Je nach Vermögen der Hausbewohner ist die Straßenfront mehr oder minder reich<br />

gestaltet. Abbildung 3 veranschaulicht das Idealschema der Fassadengesaltung. Der<br />

Haupteingang wird durch zwei massive Mauerstützen und ein beide verbindendes kleines<br />

Vordach eingerahmt, so dass ein kleiner Vorraum entsteht. Der Eingangsbereich wird<br />

durch ein sich nach oben hin anschließendes Risalit mit einer Querverbindung, die mit<br />

einer Reihe von Holzbündeln verziert ist, weiter betont. Die aus der Fassade hervor<br />

stehenden „toron-Hölzer“ dienen neben ihrer dekorativen Funktion vor allem als<br />

Baugerüst für Renovierungsarbeiten. Das kleine Fenster zwischen diesen Hölzern und<br />

dem Eingang ist mit einem Gittertürchen aus Holz im marokkanischen Stil versehen.<br />

Über den Holzbalken befindet sich ein eckiges Lehmrelief, das kleine eckige und<br />

phallusartige Lehmsäulen umschließt und über dem Niveau des Flachdaches in einer<br />

Lehmzinnenkrone endet. Eckzinnen des Daches, auf die lehmumkleidete Keramiktöpfe<br />

gesteckt sind, lassen das Gebäude optisch höher erscheinen, als es tatsächlich ist. (Krings<br />

1984, 130-134.)<br />

2.2. Sakrale Bauten<br />

Bei der Betrachtung der Lehmarchitektur im Sudan dürfen die Gebäude der Geistlichkeit<br />

nicht fehlen. Die Moschee ist nicht nur zentraler Punkt des islamischen Glaubens und der<br />

Stadt, sondern auch der Inbegriff der sudanischen Lehmarchitektur. Da die Moschee von<br />

Djenné in der Literatur häufig als eine der eindrucksvollsten Sakralbauten dieser Art<br />

genannt wird, soll sie nun beispielhaft näher beschrieben werden.<br />

Der quadratische Bau wurde 1907 nach einem Vorbild aus dem Jahr 1830 errichtet und<br />

misst bei einer Höhe von 20 Metern etwa 150 Meter Länge. Eine breite Terrasse mit<br />

umlaufender niedriger Lehmmauer trennt das Gebäude vom direkt anschließenden<br />

Marktplatz, der etwas tiefer liegt. Über Treppenaufgänge, die beidseitig von<br />

Lehmzinnenpaaren begleitet werden, ist die Moschee für Gläubige zugänglich.<br />

Abb. 4: Moschee in Djenné<br />

(eigene Aufnahme)<br />

154


Die Struktur der Außenmauern macht deutlich, warum man von der Sudanarchitektur<br />

auch als Sudangotik spricht: Viele gleichmäßig angeordnete Stützpfeiler treten aus der<br />

Fassade hervor und betonen die Senkrechte des Bauwerk Zusätzlich erhöhen optisch<br />

drei Minarette, die auf der Marktplatzseite über das Niveau des Daches hinaus ragen, die<br />

Moschee. Die viereckigen Türme werden nach oben hin schmaler, gehen in dünne<br />

Lehmzinnen über und tragen an ihren Enden Keramikgefäße und Straußeneier. Die in<br />

Kapitel 2.1 bereits erwähnten funktionalen und dekorativen Holzbalkenbündel zieren in<br />

gleichen Abständen neben den Türmen der Moschee auch die restliche Außenfassade.<br />

Jedes Jahr vor Beginn der Regenzeit dienen sie als Tritthölzer für die Maurer, die im<br />

Rahmen eines geschäftigen Volksfestes eine neue Wasser abweisende Lehmschicht<br />

auftragen. (Krings 1984, 128 ff.)<br />

100 massive viereckige Lehmsäulen stützen das Flachdach, welches auf einer Grundlage<br />

aus Holzbalken konstruiert ist. Am Fuße sind die Säulen etwa einen Meter dick und<br />

gehen unter der Decke in Form von Spitzbögen ineinander über, was erneut die<br />

Bezeichnung Sudangotik erklärt. Da in die Mauer nur wenige kleine Fenster eingearbeitet<br />

sind, tragen in das Dach eingemauerte Tontöpfe ohne Boden zur Be- bzw. Entlüftung des<br />

Gebäudes bei. Bei Regenfällen können diese mit Deckeln verschlossen werden. (Gardi,<br />

René 1973: Auch im Lehmhaus lässt sich’s leben. Über traditionelles Bauen und Wohnen<br />

in Westafrika, 241 f.)<br />

3. Stilistische Einflüsse<br />

Im einleitenden Kapitel über Ursprung und Verbreitung der Sudanarchitektur wurde<br />

bereits angesprochen, dass sich in dieser Bauweise verschiedene Einflüsse vereinen und<br />

zu besonderen stilistischen Merkmalen führen. Einige der charakteristischen<br />

Eigenschaften werden in den beiden folgenden Teilkapiteln näher beleuchtet.<br />

3.1. Animistische Elemente<br />

Als eine schwarzafrikanische Naturreligion beinhaltet der Animismus den Glauben an<br />

übernatürliche Kräfte, die sämtlichen Erdenbewohnern, Tieren, Pflanzen und Elementen,<br />

wie Feuer und Wind, innewohnen und sich auf das Schicksal der Menschen auswirken.<br />

Um diese Mächte positiv zu stimmen, werden diverse Opfergaben gebracht und<br />

Zauberrituale durchgeführt, wie z. B. Fruchtbarkeitszeremonien. Auch die Seelen<br />

verstorbener Ahnen werden verehrt und in diese Praktiken mit einbezogen, da sie<br />

weiterhin Bewohner der Erde bleiben.<br />

Dieser Hintergrund lässt sich mit einigen Elementen der Fassadengestaltung sudanischer<br />

Gebäude in Verbindung bringen: mit den konischen Lehmzinnen, die zu mehreren oder<br />

auch einzeln vor dem Haus oder auf dem Dach des Dorfchefs stehen. Ihnen wird von<br />

vielen Volksgruppen der Savanne eine mythische Bedeutung zugeschrieben. Konische<br />

Pfeiler aus Lehm oder Stein fungieren als Ahnengräber oder bei den Dogon auch als<br />

155


Opferaltäre für ihren Schöpfergott Amma. Die Form der Lehmpfeiler ist vermutlich<br />

durch die in der umliegenden Landschaft typischen Termitenhügel inspiriert. In einem<br />

Schöpfermythos der Dogon stellen die Termitenhügel Vorbilder für das Wohnen und<br />

Speichern von Vorräten dar und bieten Schutz vor wilden Tieren. Diese Symbolkraft<br />

kann somit mit den Lehmzinnen der sudanischen Architektur assoziiert werden, um<br />

damit nur eine unter zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten zu nennen. In der Mande-<br />

Sprache lautet die Bezeichnung für die Eckzinnen auf den Dächern „sara far har“, was mit<br />

„Grabstätte“, „Schönheit“ und „Fruchtbarkeit“ gleich gesetzt werden kann. Hier werden<br />

wiederum der Kreislauf des Lebens und der enge Zusammenhang mit dem Tod<br />

symbolisiert.<br />

Neben den Lehmpfeilern wird auch dem architektonisch betonten Hauseingang eine<br />

kultisch-religiöse Bedeutung zu geschrieben. Die durch das aufwärts strebende<br />

Lehmrelief über dem Portal betonte Senkrechte unterstreicht die Vormachtstellung des<br />

Hausherrn. (Krings 1984, 136-139.)<br />

3.2. Islamische Elemente<br />

Bei der Beschreibung des Aufbaus eines Bürgerhauses im Sudanstil in Kapitel 2.1 wurde<br />

schon die Innenhoforientierung als typisches islamisches Merkmal genannt. Die Innenhöfe<br />

als Aufenthaltsort und die ebenfalls charakteristischen kleinen Fenster in den Außenmauern<br />

schützen die Intimität der Hausbewohner. Vor den Fenstern sind traditionell<br />

Gittertürchen aus Holz angebracht, deren Verarbeitungsweise in Hufeisen- oder<br />

Schlüssellochformen ihre marokkanische Herkunft verraten.<br />

Weitere islamische Kennzeichen sind der viereckige Grundriss der Häuser, das leicht<br />

geneigte Flachdach, deren Entwässerung über tönerne Wasserspeier in den Außenmauern<br />

erfolgt, die Lehmziegel und die spezielle Deckenkonstruktion, die aus mehreren<br />

Schichten Holzbalken und Palmblättern besteht. (Nähere Details dazu sind in Kapitel 4 zu<br />

finden.)<br />

Die islamischen Einflüsse machen sich darüber hinaus auch in der Struktur der Stadt<br />

bemerkbar. Das orientalische Sackgassenprinzip ist in Djennés Altstadt durch schmale,<br />

häufig abbiegende Gassen, die durch eng aneinander anschließende Außenmauern der<br />

Wohnkomplexe begrenzt sind, zu erkennen. (Krings 1984, 139-142.)<br />

4. Zur Bauweise<br />

Da sich die Arbeitsschritte und die Konstruktion von Wohnhäusern und sakralen<br />

Gebäuden in ihrem Grundaufbau kaum unterscheiden, wird im Anschluss allgemein die<br />

Bauweise der Sudanarchitektur erläutert.<br />

Nachdem das Baugelände mit einer Feldhacke eingeebnet wurde, zeichnet der Bauherr<br />

ohne jegliche Bauzeichnungen den Grundriss auf den Boden. Bei einer Moschee wird als<br />

156


erstes die nach Osten gerichtete Wand („kibla“) vermerkt. Die Linien werden<br />

mittlerweile mit Hilfe von Schnüren bestimmt. Für die Grundmauern, die gewöhnlich aus<br />

zwei Ziegelreihen bestehen, reicht ein flacher Erdaushub au Der Fußboden der<br />

Innenräume, deren Höhe meist über dem äußeren Boden liegt, um dem Eintreten von<br />

Regenwasser entgegen zu wirken, wird mit Lehmmörtel gefüllt und fest gestampft.<br />

Lehm als Grundbaustoff ist auf Grund der vielen Seitenarme des Nigers fast überall zu<br />

finden. Mit der Feldhacke wird der lehmige Boden entnommen, Wasser und je nach<br />

Verwendungszweck unterschiedliche pflanzliche Zusätze hinzu gegeben und mit den<br />

Füßen vermengt. Oft werden auch Reste von alten Gebäuden als Bausubstanz weiter<br />

verwendet und unter den Lehmbrei gemischt. In drei Formen wird der Lehm verarbeitet:<br />

Zur Ziegelherstellung kommen grobe Reis- und Hirsehäcksel dazu, Bindemörtel bedarf<br />

der Zufuhr von Dung, und für Putzmörtel wird neben Reisspreu, Dung, Mehl von<br />

Baobab-Früchten und Erde von Termitenhügeln auch Karité-Butter beigemengt.<br />

Letzteres ist für die Außenwände und das Dach von besonderer Bedeutung, denn die<br />

Karité-Butter sorgt für eine Wasser abweisende Außenschicht. Der Putzmörtel muss<br />

mindestens drei Monate lang unter ständiger Wasserzufuhr lagern, bevor er verwendet<br />

werden kann. Die Ziegelherstellung kann schon nach zwei bis drei Tagen beginnen. Vor<br />

der Kolonialisierung wurden die Ziegel mit Händen geformt und hatten eine eher<br />

rundliche Gestalt. Die Kolonialherren führten Holzrahmen ein, mit denen fortan<br />

quaderförmige Ziegel produziert wurden. Die geformten Ziegel müssen zwei bis drei<br />

Wochen trocknen, dabei täglich gewendet werden, damit sie gleichmäßig trocknen und<br />

keine Risse entstehen.<br />

Um die Mauern hoch zu ziehen, muss viel Mörtel benutzt werden. Deshalb ist allerdings<br />

recht schnell eine Baupause erforderlich, damit der Mörtel nachtrocknen kann und die<br />

Mauer sich nicht unter ihrem Eigengewicht und dem des Maurers, der gewöhnlich<br />

zusätzlich auf ihr lastet, verformt.<br />

Abb. 5a: Schema einer Treppenkonstruktion<br />

(Gruner, Dorothee 1990: Die Lehm-Moschee am Niger: Dokumentation eines traditionellen Bautyps, 67.)<br />

157


Abb. 5b: Treppenkonstruktion<br />

(eigene Aufnahme)<br />

Die Treppen im Haus hingegen bestehen weniger aus massiven Mauern, sondern eher<br />

aus einer Konstruktion aus Holzbalken. Die Basisbalken werden schräg in die Mauern mit<br />

eingearbeitet und schaffen einen Hohlraum, der gern als kühler Lagerraum für<br />

Wasserkrüge genutzt wird. Auf den langen Balken werden kürzere Querhölzer befestigt,<br />

auf denen dann die Lehmziegel der einzelnen Treppenstufen folgen.<br />

Abb. 6: Deckenkonstruktion auf Stützwänden<br />

(eigene Aufnahme)<br />

158


Das Flachdach in der Mittelniger- und Volta-Niger-Region ruht auf den Außenmauern des<br />

Gebäudes und je nach Raumgröße zusätzlich auf einzelnen Stützen oder Stützwänden,<br />

welche wiederum Grundlage für die Holzprofile der Decke sind. Auf die durchschnittlich<br />

zwei bis zweieinhalb Meter langen Holzbalken werden Flechtmatten oder Palmblätter<br />

gelegt. Darauf folgen schichtweise Lehmmörtel, Lehmziegel, Lehm- und schließlich<br />

Putzmörtel. Die oben erwähnten Wasserspeier bestehen heute in den Städten<br />

größtenteils aus gebranntem Ton, während sie auf dem Land manchmal noch nach alter<br />

Methode aus halbierten Palmhölzern zu sehen sind.<br />

Abb. 7: Wasserspeier aus Holz in Kenekolo, nahe Kati<br />

(eigene Aufnahme)<br />

In einer zwei bis fünf Zentimeter dicken Schicht schützt der Putzmörtel Dach und<br />

Außenfassaden vor zu schneller Verwitterung. Die Europäer brachten zwar die<br />

Maurerkelle mit nach <strong>Mali</strong>, jedoch sieht man noch heute mancherorts, wie der Putz ohne<br />

Werkzeug nur mit der flachen Hand aufgetragen wird. (Gruner 1990, 59-70.)<br />

Zu den traditionellen Werkzeugen zählen die Feldhacke, Flechtkörbe und Kalebassen für<br />

die Mörtelherstellung, das permanente Baugerüst in Form der „toron-Hölzer“ und<br />

Leitern. (Gruner 1990, 75 f.)<br />

5. Vorteile der Lehmbauweise<br />

Wie zuvor mehrfach angedeutet, ist die Lehmbauweise besonders an die klimatischen<br />

Bedingungen im Sudan angepasst. Die Wände und die massiven Decken, die auf die Art<br />

und Weise, wie sie in Kapitel 4 beschrieben ist, bis zu 60 Zentimeter stark werden<br />

können, haben den großen Vorteil, dass sie tagsüber die Räume verhältnismäßig kühl<br />

halten und umgekehrt ebenso die Wärme des Tages in kühlen Nächten speichern.<br />

(Gruner 1990, 66.)<br />

Lehm ist auf Grund seiner großräumigen Verfügbarkeit außerdem ein sehr<br />

kostengünstiger Baustoff und ermöglicht das Bauen ohne auf teure Importe aus<br />

Industrieländern, wie Zement und Stahl, angewiesen zu sein. Des Weiteren sind für die<br />

Herstellung der Lehmziegel und des Mörtels keine modernen Technologien notwendig,<br />

159


denn die Lehmmasse wird mittels Händen und Füßen vorbereitet und weiterverarbeitet.<br />

Auch der Transport bedeutet keine großen zusätzlichen Kosten, da gewöhnlich keine<br />

weiten Strecken vom Herstellungsort zur Baustelle zurückgelegt werden müssen.<br />

Aus der Tatsache, dass viele einzelne Arbeitsschritte dieser Architektur auf Handarbeit<br />

und schwerer körperlicher Arbeit basieren, leitet sich ein weiterer Vorteil ab: Der<br />

Einsatz von vielen Arbeitskräften ist notwendig und die Beschäftigtenzahl hoch. Hinzu<br />

kommt die recht hohe Anfälligkeit für Verwitterung der Bausubstanz, so dass über das<br />

Bauen der Gebäude hinaus auch regelmäßig Renovierungsarbeiten vorgenommen werden<br />

müssen. Die Tradition der Lehmbauweise zählt somit zu den so genannten „angepassten<br />

Technologien“ im Rahmen entwicklungspolitischer Überlegungen. Nicht nur das<br />

Errichten von Lehmgebäuden, sondern vor allem auch das Reparieren der<br />

Außenfassaden, was bspw. bei der Moschee in Djenné die gesamte Stadt mit einbezieht,<br />

stärkt den Zusammenhalt der Helfenden untereinander und fördert die Identifizierung<br />

mit der regionalen Kultur. (Krings 1984, 126.)<br />

160


Literaturverzeichnis<br />

GARDI, René 1973: Auch im Lehmhaus lässt sich’s leben. Über traditionelles Bauen und<br />

Wohnen in Westafrika. Graz.<br />

GRUNER, Dorothee 1990: Die Lehm-Moschee am Niger: Dokumentation eines<br />

traditionellen Bautyps. Stuttgart.<br />

KRINGS, Thomas 1984: Die Tradition der urbanen Lehmarchitektur im Obernigergebiet<br />

von <strong>Mali</strong>. In: Die Erde Nr. 115, 123-144.<br />

161


162


Kulturelle Konstruktion von Landschaft -<br />

die Wissenschaftsreisen von Heinrich Barth<br />

Lisa Trager<br />

163


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Biographie .................................................................................................................................... 165<br />

2. Die große Expedition durch Afrika ........................................................................................ 165<br />

3. Besonderheiten der Forschung Barths .................................................................................. 166<br />

4. Kulturelle Konstruktion von Landschaft ............................................................................... 167<br />

164


1. Biographie<br />

Johann Heinrich Barth wurde 1821 in Hamburg geboren. Er war der jüngste Sohn eines<br />

Überseekaufmannes und dessen Frau, die zwar beide nicht zum Bildungsbürgertum<br />

gehörten, aber alles taten um ihren Kindern Zugang zu höherer Bildung zu verschaffen.<br />

So besuchte Heinrich Barth zunächst eine Privatschule in Hamburg und wechselte später<br />

auf das Johanneum, wo er schon in frühen Jahren durch großen Ehrgeiz und Fleiß auffiel.<br />

So brachte er sich beispielsweise neben der Schule selbst Englisch und Arabisch bei (vgl.<br />

Deck 2006, 5ff). Sein großes Sprachentalent war ihm auf seinen späteren Reisen natürlich<br />

äußerst nützlich. 1839 begann er sein Studium in Berlin, wobei er sich mit der Wahl des<br />

Studiengebiets sehr schwer tat und schließlich Altertumswissenschaften, Germanistik,<br />

sowie Geographie studierte. Nach einer einjährigen Reise nach Italien promovierte er<br />

1844 schließlich August Boeck, einem Altertumswissenschaftler, sowie Carl Ritter, der<br />

bis heute als Begründer der modernen Geographie gilt. Nach seinem Studium versuchte<br />

Barth als Hauslehrer und Dozent zu arbeiten, war aber auf Grund seiner mangelnden<br />

pädagogischen und rhetorischen Fähigkeiten nur mäßig erfolgreich. 1845 unternahm er<br />

dann seine erste Reise außerhalb Europas, auf die er sich in London vorbereitete. Zu<br />

diesem Zeitpunkt sprach er bereits vier Sprachen und studierte den Koran. Die Reise<br />

führte ihn durch Südfrankreich, Spanien, Algerien, Tunesien, Malta, Ägypten, Palästina,<br />

Damaskus, Beirut, Zypern, Rhodos, Konstantinopel und im Dezember 1847 erreichte er<br />

wieder Hamburg (vgl. Deck 2006, 7).<br />

1849 wurde der britische Forscher James Richardson von der britischen Regierung mit<br />

einer Reise in das Innere Afrikas und vor allem in das Sultanat von Bornu beauftragt, mit<br />

welchem sich die Regierung ein Handelsverhältnis erhoffte. Heinrich Barth wurde als<br />

Richardsons Begleiter ausgewählt, ebenso wie Adolf Overweg, ein deutscher Astronom<br />

und Geologe. Insgesamt dauerte die <strong>Exkursion</strong> knapp sechs Jahre; 1855 kehrte Barth als<br />

einziger Überlebender zurück nach Europa (vgl. Deck 2006, 12ff). Zwei Jahre später<br />

veröffentlichte er dann sein fünfbändiges Werk „Reisen und Entdeckungen in Nord- und<br />

Centralafrika in den Jahren 1849 bis 1855“, welches er aus seinen präzisen Aufzeichnungen<br />

während der Reise erstellte. Zu diesem Zeitpunkt wurde Barth in wissenschaftlichen<br />

Kreisen als Forscher geschätzt, in gesellschaftlichen Kreisen jedoch kaum<br />

wahrgenommen, da seine nüchternen, faktenreichen Erzählungen nicht der Stimme der<br />

Zeit entsprachen, welche lieber fantastische Abenteuer von dem „schwarzen Kontinent“<br />

erzählt bekam. So verließ er 1858 England und ging mit der Hoffnung die Professur Carl<br />

Ritters übernehmen zu können nach Berlin. Von dort aus unternahm er noch mehrere<br />

kürzere Reisen und bekam schließlich eine außerordentliche Professur. 1865, mit nur 44<br />

Jahren verstarb Barth an einem Magendurchbruch und wurde auf dem Kreuzberger<br />

Friedhof in Berlin beigesetzt (vgl. Deck 2006, 25).<br />

2. Die große Expedition durch Afrika<br />

Die große Expedition durch Afrika stellt die wichtigste <strong>Exkursion</strong> von Heinrich Barth dar.<br />

James Richardson, der englische Forscher, der mit der Führung der Reise beauftragt<br />

wurde, hatte in vorherigen Jahren bereits das gesamte nördliche Afrika bereist. Mit der<br />

großen Expediton verfolgte er nicht nur die ökonomischen Ziele der britischen<br />

165


Regierung, sondern auch eigene, vor allem politisch geprägte Absichten. Richardson galt<br />

als einer der bedeutendsten Gegner des Sklavenhandels zu seiner Zeit und die<br />

Abschaffung selbigen war ein erklärtes Ziel seiner <strong>Exkursion</strong>. Barths Absichten waren<br />

weniger ökonomischer oder politischer Natur: er wollte schlicht und einfach einen<br />

Kontinent erforschen, von dem die westliche Welt bisher kaum etwas wusste (vgl. Deck<br />

2006, 11f). Diese unterschiedlichen Beweggründe für die Reise ließ die zwei Forscher<br />

während der Reise immer wieder aneinander stoßen. Die knapp sechsjährige Reise<br />

würde heute rund zehn Landesgrenzen überqueren: Libyen, Niger, Nigeria, Tschad,<br />

Benin, Burkina Faso, <strong>Mali</strong> und Kamerun. Nicht nur die unterschiedlichen Interessen<br />

stellten immer wieder ein Problem während der Reise dar, auch die finanzielle Situation<br />

war oft schwierig. Dazu kam, dass die Forscher sich in teilweise kaum erforschten<br />

Gebieten bewegten, es deswegen kaum Karten zur Orientierung gab. Nach mehreren<br />

Monaten Vorbereitungszeit in Tripolis, startete die Expedition schließlich im März 1950.<br />

Ab diesem Moment nannte sich Barth „Abd al-Karim“ (Diener des Allerhöchsten) und<br />

trug einheimische Tracht. Diese Maßnahmen, ebenso wie seine Kenntnisse der Sprache<br />

und des Korans, sollten zu seiner eigenen Sicherheit dienen. 1851 entschließen sich die<br />

drei Forscher zu trennen und jeder für sich weiterzuforschen. Kurze Zeit später starb<br />

Richardson, Barth zeigte sich jedoch wenig beeindruckt und übernahm die Führung der<br />

Reise, deren Route er änderte und nach Timbuktu verlegte (vgl. Deck 2006, 18f). Kurze<br />

Zeit bevor Overweg und Barth nach Timbuktu aufbrachen, starb jedoch auch Overweg<br />

an Malaria. Heinrich Barth zog also alleine los und gab sich aus Angst wie Alexander<br />

Gordon Laing zuvor ermordet zu werden als islamischer Prediger aus. Sein Versteckspiel<br />

flog jedoch sehr schnell auf und er zog damit noch mehr Unmut auf sich und bekam<br />

sogar Morddrohungen gesendet. Dies lag auch daran, dass er zu einem äußerst<br />

ungünstigen Zeitpunkt in Timbuktu ankam, da der einzige ihm wohlgesonnen Mann, der<br />

Scheich Ssid Ahmed El-Bakay nicht vor Ort war. Als dieser jedoch kurze Zeit später in<br />

der Stadt ankam, rettete er Barth vor den aufgebrachten Menschen. Zuhause in Europa<br />

galt Barth mittlerweile als verschollen, deswegen wurde der deutsche Ernst Vogel<br />

geschickt ihn zu suchen. Sie trafen in Timbuktu aufeinander, trennten sich jedoch kurz<br />

darauf erneut und Vogel wurde einige Monate später in Wadai ermordet, wo er für<br />

einen Spion gehalten wurde. Im Mai 1955 begann Barth schließlich seine Rückreise nach<br />

Tripolis über die Bornu-Straße, eine berühmte Handelsroute zu der Zeit. Insgesamt legte<br />

er rund 15.500 km zurück (vgl. Deck 2006, 24).<br />

3. Besonderheiten der Forschung Barths<br />

Wichtig zu beachten ist, dass die Dinge, die die Forschung Heinrich Barths so besonders<br />

gemacht haben immer im Kontext des 19. Jahrhunderts gesehen werden müssen. Auch<br />

wenn sie in der heutigen Zeit und beim heutigen Standpunkt der Wissenschaft teilweise<br />

banal erscheinen, waren es zu Lebzeiten Barths grundlegende Besonderheiten gegenüber<br />

dem üblichen Verhalten von Forschungsreisenden. Die Tatsache, dass Barth die Sprache<br />

der Kulturen, die er besuchte, lernte und später sogar analysierte ist ein anschauliches<br />

Beispiel dafür. Auch sein Interesse für den Koran und den Islam waren außergewöhnlich.<br />

Außerdem versuchte Barth in Kontakt mit der lokalen Bevölkerung zu treten und suchte<br />

das Gespräch mit fremden Menschen. Seine Anpassung ging sogar so weit, dass er sich<br />

selbst verleugnete und sich als andere Personen ausgab, so zum Beispiel als „Abd al-<br />

Karim“. Ein weiterer besonderer Aspekt seiner Reisen war die Tatsache, dass er es<br />

166


vermied Gewalt und Waffen anzuwenden. Dies war eine durchaus übliche Vorgehensweise<br />

der Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Barth war jedoch vor allem interessiert<br />

am Alltag der Menschen, er betrieb als einer der ersten Wissenschaftler die so genannte<br />

„teilnehmende Beobachtung“, eine ethnologische Forschungsmethode, die erst einige<br />

Jahre nach Barth offiziell eingeführt wurde (vgl. Deck 2006, 42). Um den Alltag der<br />

Menschen beobachten und daran teilnehmen zu können, war Barth klar, dass er auf<br />

Gewalt verzichten musste. Eine der wichtigsten Errungenschaften der Wissenschaft<br />

Barths war jedoch die Tatsache, dass er Afrika eine Geschichte und damit Wichtigkeit<br />

zusprach. Die traditionelle Geschichtswissenschaft beschäftigte sich hauptsächlich mit<br />

schriftlichen Quellen, diese waren aber kaum zu finden in Afrika, aus diesem Grund<br />

wurde oft argumentiert, Afrika hätte keine Geschichte. Barth hingegen beschäftigte sich<br />

explizit mit der oralen Kultur, d.h. mit mündlichen Überlieferungen und Geschichten (vgl.<br />

Heinrich-Barth Institut 2006). Außerdem war er durch sein breitgefächertes Studium<br />

wohl einer der ersten Wissenschaftler, der einen interdisziplinären Ansatz vertrat und<br />

damit vielleicht ein Ahne der heutigen Kulturwissenschaft.<br />

All diese Besonderheiten der Forschung Barth sind jedoch, wie Yvonne Deck feststellt<br />

mit Vorsicht zu genießen, da die heutige Sicht leicht dazu tendiert Barth zu verherrlichen.<br />

Heinrich Barth war trotz der teils außergewöhnlichen Merkmale seiner Forschung<br />

trotzdem Mann seiner Zeit, er war europäisch geprägt und auch stolz auf sein<br />

europäisches Erbe. So hielt er trotz seines Interesses für Afrika Europa für das Ideal des<br />

Fortschritts und Afrika für zurückgeblieben (vgl. Deck 2006, 45).<br />

4. Kulturelle Konstruktion von Landschaft<br />

Dass Forscher ihre Ergebnisse durch ihre Erfahrungen, Gefühle und Wahrnehmung<br />

beeinflussen, ist lange bekannt, dabei stand aber immer eher die Betrachtung von<br />

anderen Menschen im Fokus der Kritik. Gleichzeitig ist aber auch die Wahrnehmung von<br />

scheinbar „objektiven“ Landschaften subjektiv geprägt (vgl. Harms 2006, 174). Dies wird<br />

umso deutlicher beschäftigen wir uns mit den scheinbar objektiven Landschaftsbeschreibungen<br />

Heinrich Barths. Robert Harms stellt in seinem Essay zwei wichtige<br />

Einflüsse auf die Konstruktion von Landschaft in Barths Berichten fest: die aufkommenden<br />

Naturwissenschaften mit ihrem Drang zu Kategorisierung und Ordnung, sowie die<br />

europäische Landschaftsmalerei, bei der ästhetische Ideale aus Europa auf die Landschaft<br />

appliziert wurden (vgl. Harms 2006, 176ff) . Beide Aspekte kann man in den Berichten<br />

Barths und seinen Beschreibungen von Natur immer wieder erkennen. In seinen<br />

Schilderungen kopierte Heinrich Barth allerdings nicht nur vorherrschende Ideale,<br />

sondern verknüpfte sie auch untereinander und ließ seine lokalen Kenntnisse in seine<br />

Berichte mit einfließen. Es bleibt festzuhalten, dass wir uns stets der Tatsache bewusst<br />

machen müssen, dass wir die Dinge immer in einem kulturellen Kontext erfassen,<br />

reflektieren und mit unserem europäischem Hintergrund viele Dinge nicht verstehen<br />

bzw. sehen können oder sie anders interpretieren.<br />

167


Literaturverzeichnis<br />

DECK, Yvonne 2006: Heinrich Barth in Afrika. Der Umgang mit dem Fremden. Eine<br />

Analyse seines großen Reisewerks. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Universität<br />

Konstanz.<br />

HARMS, Robert 2006: Heinrich Barth’s Construction of Nature. In: DIAWARA, Mamadou<br />

et al: Heinrich Barth et l’Afrique. Köln, 173 -183.<br />

Heinrich-Barth-Institut 2006: Zehn Seiten eines Afrikaforschers. URL: http://www.unikoeln.de/hbi/10_s_barth_bio.html,<br />

Stand 02.02.2009.<br />

168


Die Frau im islamisch geprägten <strong>Mali</strong><br />

Elena Konrad<br />

169


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Die Frau im islamisch geprägten <strong>Mali</strong>...................................................................................1721<br />

2. Weibliche Genitalverstümmelung........................................................................................... 172<br />

170


1. Die Frau im islamisch geprägten <strong>Mali</strong><br />

Die Frauen spielen eine sehr wichtige Rolle im sozialen, sowie auch wirtschaftlichen<br />

Leben <strong>Mali</strong>s. Sie arbeiten sehr hart und verdienen aber meistens nur wenig Geld, ganz zu<br />

schweigen von der unbezahlten Arbeit im Haushalt. Generell lässt sich feststellen, dass<br />

die Frauen in <strong>Mali</strong> in vielen Bereichen, wie z.B. soziales und ökonomisches Leben, Zugang<br />

zu Bildung und generelle Rechte noch sehr benachteiligt werden. Dabei spielen jedoch<br />

viele Faktoren eine Rolle, so genießen die Frauen in der Stadt oft größere Freiheiten als<br />

die Frauen im ländlichen Raum. Weitere Faktoren welche die Stellung der Frau<br />

beeinflussen sind die finanzielle Situation der Familie, der Bildungsgrad des Ehemanns<br />

bzw. der Familienmitglieder und auch deren religiöse Überzeugungen, sowie die<br />

Persönlichkeit der Frau. Die Rechte der Frau können auch je nach Ethnie variieren, so<br />

gilt z.B. bei den Tuareg das Mutterrecht und die Frau nimmt eine besondere Stellung in<br />

der Familie ein u.a. als „Herrin des Familienzelts“. Im Gegensatz haben bei den Soninké<br />

die Frauen generell eher wenig Freiraum und verlassen kaum das Haus.<br />

Laut Verfassung sind Frau und Mann gleichberechtigt, doch in der Realität sieht dies meist<br />

anderes aus. Zum Teil stehen den Frauen bestimmte Recht zwar per Gesetz zu, doch der<br />

Alltag ist vor allem an den Traditionen orientiert. Eine Gleichberechtigung ist weit<br />

entfernt, so liegt z.B. die Analphabetenquote bei Frauen um einiges höher als bei den<br />

Männern und auch im Wirtschaftsleben und bei der Einklage ihrer Rechte herrscht<br />

weiterhin Ungleichheit. Dabei sind die Frauen im Wirtschaftsleben stark vertreten, wie<br />

wir auch vor Ort feststellten, arbeiten sehr viele von ihnen als Händlerinnen oder<br />

Verkäuferinnen. Doch laut IHK sind nur 1% der Frauen Inhaberinnen eines festen<br />

Ladenlokals. Sobald es Richtung Massenabsatz geht, finden sich fast nur Männer wieder<br />

und verdrängen z.T. sogar die Frauen aus ursprünglichen Frauendomänen. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass Frauen traditionell eher leicht verderbliche Waren verkaufen und<br />

Männer länger haltbare und auch besser nachgefragte Produkte.<br />

In der Landwirtschaft übernehmen Frauen ebenfalls einen Großteil der Arbeit, doch auch<br />

hier haben sie zu kämpfen mit Gesetzten die ihnen den Besitz von Land verbieten, sowie<br />

erschwertem Zugang zu landwirtschaftlichem Equipment und Krediten. In der Politik sind<br />

die Frauen noch relativ wenig vertreten, 10% macht ihr Anteil in der Nationalversammlung<br />

aus, von 26 Ministerposten sind 6 von Frauen besetzt. Seit 1997 gibt es<br />

erstmals eine Frauenministerin, welche sich für die Stärkung der Rechte der Frauen<br />

einsetzt. Für sie ist es wichtig, dass auch in anderen Bereich der Politik, wie Agrarwirtschaft<br />

oder Umwelt, die Frauen in Fragestellungen miteinbezogen werden. Doch sie<br />

hatte anfangs, zum Teil aber auch bis heute, mit vielen Vorurteilen vor allem ihrer<br />

männlichen Kollegen zu kämpfen.<br />

Der Alltag der Frauen ist vor allem durch familiäre Pflichten geprägt, die klassische Rolle<br />

ist immer noch die der Hausfrau und Mutter. Zu den Aufgaben gehören meist Kochen,<br />

Wasser und Brennholz holen, Sauberhalten des Haushalts und Wäschewaschen – oft mit<br />

großer körperlicher Anstrengung verbunden. Schon als kleines Mädchen werden<br />

schwere Aufgaben im Haushalt übernommen. Die meisten Mädchen werden sehr jung<br />

verheiratet mit einem oftmals wesentlich älteren Partner. Offiziell dürfen Mädchen erst<br />

mit 18 verheiratet werden, mit Einverständnis der Eltern mit 15 Jahren, doch die<br />

Grenzen werden oft unterschritten. Die Eheschließung gilt meist als Verbindung zweier<br />

Familien und wird von den Eltern arrangiert. Häusliche Gewalt ist keine Seltenheit. In<br />

171


<strong>Mali</strong> ist die Polygamie erlaubt, bis zu vier Ehefrauen darf laut Koran ein Mann haben,<br />

unter der Voraussetzung alle gleich zu behandeln. In der Realität kommt es jedoch oft zu<br />

Problemen und Streitigkeiten zwischen den Familienmitgliedern. Besonders auch bei<br />

sogenannten „Versorgungsehen“, die entstehen wenn eine verwitwete Frau den Bruder<br />

ihres verstorbenen Mannes heiratet bzw. heiraten muss.<br />

Mit der Mutterrolle steigt der soziale Status einer Frau und viele Kinder bedeuten im<br />

Großteil des Landes immer noch ein gesellschaftliches Prestige. Ein großes Problem<br />

stellen Schwangerschaften bei jungen, unverheirateten Mädchen dar, da auf diese, um<br />

nicht von der Familie ausgestoßen zu werden, oft illegale Abtreibungen erfolgen. Laut<br />

Schätzungen des Familienministeriums sind 90% der Bevölkerung nicht auszureichend<br />

aufgeklärt.<br />

Abschließend lässt sich sagen, dass es auch einige positive Entwicklungen gibt, so steigt<br />

zum Beispiel die Einschulungsrate der Mädchen, die Zahl der arrangierten Ehen ist<br />

rückläufig und es gibt immer wieder Beispiele von Frauen die sich erfolgreich im<br />

Wirtschaftsleben behaupten. Als erfolgreiches Beispiel kann man die Frauen des Cercle<br />

de Niono nennen. Sie leisten einen erfolgreichen Beitrag der Stärkung der Frauen im<br />

Bereich Politik und Landwirtschaft und können durch ihre aktives Engagement als Vorbild<br />

für andere Frauen der Region dienen. Kritisch anzumerken ist, dass die Führungsfrauen<br />

des Cercle de Niono alle aus besseren Verhältnissen kommen und es sich so erst leisten<br />

können viel Zeit für politische Arbeit aufzuwenden. Frauen aus armen Verhältnissen, die<br />

den ganzen Tag schwer arbeiten müssen, werden kaum die Kraft finden sich nebenher<br />

noch politisch zu betätigen. Bis die Benachteiligung der Frauen in allen Bereichen<br />

schrittweise überwunden werden kann, ist es noch ein langer Weg.<br />

2. Weibliche Genitalverstümmelung<br />

In <strong>Mali</strong> sind über 90% der Frauen von der weiblichen Genitalverstümmelung betroffen.<br />

Dabei variiert der Anteil der beschnittenen Frauen geringfügig je nach Ethnie. Der Eingriff<br />

wird im Vergleich zu früher bei immer jüngeren Mädchen durchgeführt – 80% sind bei<br />

der Beschneidung unter 5 Jahren alt. Es birgt ein enormes gesundheitliches Risiko und<br />

beschränkt die Frauen in weiten Bereichen ihres Lebens. Als Gründe für die<br />

Praktizierung werden Tradition, Religion und die Kontrolle der weiblichen Sexualität<br />

angegeben. Oftmals gilt die Einstellung, nur eine beschnittene Frau ist sozial anerkannt<br />

und findet einen Ehemann. Über die Risiken sind jedoch die wenigsten aufgeklärt, denn<br />

Beschneidung ist ein gesellschaftliches Tabuthema. Meist kann sich dem Thema nur über<br />

gesundheitliche Aspekte bzw. Risiken im Gespräch mit der Bevölkerung genährt werden.<br />

In <strong>Mali</strong> wird das Problem nur von einer kleinen Elite wahrgenommen und Befürworter<br />

der Praxis nehmen laut Umfragen sogar zu. Bei vielen herrscht die Meinung vor, dass das<br />

Verbot der Beschneidung ein Feldzug des Westens sei, welchem man nicht nachgeben<br />

dürfe. Von Staatesseite ist die Beschneidung theoretisch verboten, da <strong>Mali</strong> das Maputo<br />

Protokoll unterschrieben hat, was deren Abschaffung fordert. Es gab bisher jedoch noch<br />

keinen einzigen Fall vor Gericht und auch im Staatsrecht scheiterten bisherige Versuche<br />

einer Gesetzesausarbeitung. Ein Programm zur Abschaffung der FGM 8 wurde geschaffen,<br />

8 FGM : Female Genital Mutilation : englischer Begriff für Weibliche Genitalverstümmelung.<br />

172


doch viele NGOs kritisieren, dass sich der malische Staat zu dem Thema nicht eindeutig<br />

positioniert.<br />

Einen großen Einfluss auf das Thema haben auch religiöse Führer, da der Großteil der<br />

Bevölkerung davon ausgeht die Beschneidung sei islamisch und in der Religion begründet.<br />

Viele Imame üben Druck aus zur Aufrechterhaltung der Praxis, z.B. durch Gebete und<br />

auch über Radiosendungen. Von konservativen Kreisen werden Aktionen gegen FGM<br />

sabotiert und Druck auf die Regierung ausgeübt. Nur eine sehr kleine Gruppe von<br />

Imamen hat sich bisher öffentlich gegen FGM ausgesprochen.<br />

Zahlreiche NGOs engagieren sich gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Nur durch<br />

viele kleine Schritte wie z.B. auch die Sensibilisierungsarbeit von GAAS <strong>Mali</strong> kann langsam<br />

ein Umdenken bewirkt werden. Förderlich ist sicher ein integrativer Ansatz, der den<br />

Staat, die Religionsführer, die gesamte Zivilgesellschaft und Beschneiderinnen mit<br />

einbezieht. Den Beschneiderinnen muss zum Beispiel die Möglichkeit einer alternativen<br />

Erwerbstätigkeit nach Beendigung der Praktik gegeben werden.<br />

Auch im Bereich Entwicklungszusammenarbeit spielt das Thema FGM eine Rolle. Es gibt<br />

eine „Geber-Themengruppe“ zu deren Mitgliedern z.B. UNICEF, WHO, EU und NGOs<br />

wie Care <strong>Mali</strong> zählen und welche im Reglfall alle zwei Monate tagt. Zusammengearbeitet<br />

wird zum Beispiel bei der Organisation von verschiedenen Aktivitäten am Internationalen<br />

Tag „Null Toleranz der Weiblichen Genitalverstümmelung“, sowie der Organisation von<br />

Konferenzen zum Thema FGM. Zu den Aktivitäten der einzelnen Gruppen zählen etwa<br />

die Behandlung von Folgeschäden der FGM, Organisation einer Konferenz mit Religionsführern,<br />

Sensibilisierung im Bereich Gesundheit und Menschenrechte. Der ded sieht ein<br />

voranbringendes Vorgehen in der Kombination folgender Schritte: einen rechtlichen<br />

Rahmen gegen die FGM zu schaffen und Aufklärungsarbeit bei relevanten Berufsgruppen<br />

leisten, den Staat bei der Durchführung des Programms gegen FGM und seiner<br />

Positionierung zu unterstützen, Dialog mit religiösen Führern führen und auch Rat von<br />

Imamen außerhalb <strong>Mali</strong>s suchen und die Aktivitäten der NGOs und der Geber-Grupper<br />

zu koordinieren, so dass möglicht effektiv gearbeitet und kooperiert werden kann.<br />

173


Literaturverzeichnis<br />

RICHTER, Gritt 2007: Hintergründe und Empfehlungen für den Politikdialog zur<br />

Überwindung von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) in <strong>Mali</strong>. Positionspapier der<br />

deutschen EZ in <strong>Mali</strong> für die Regierungsverhandlungen im Dezember 2007. Bamako.<br />

RONDEAU, Chantal; BOUCHARD, Hélène 2007: Commerçantes et épouses à Dakar et à<br />

Bamako. Paris.<br />

SCHNEIDER, Claudia 2001: Das starke Geschlecht. Frauenleben in <strong>Mali</strong>. Bamako.<br />

United Nations Development Fund for Women: The Struggle Against FGM in <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://www.unifem.org/gender_issues/voices_from_the_field/story.php?StoryID=396,<br />

Stand 10.05.2009.<br />

174


Umweltsituation in <strong>Mali</strong><br />

Theresa Lauw<br />

175


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Wasser.......................................................................................................................................... 177<br />

2. Desertifikation ............................................................................................................................ 177<br />

3. Müll................................................................................................................................................ 177<br />

4. Ufererosion ................................................................................................................................. 178<br />

5. Abholzung .................................................................................................................................... 178<br />

176


Der Reiseführer Lonley Planet nennt in dem Abschnitt über <strong>Mali</strong> Überholzung,<br />

Überweidung und Desertifikation die größten Umweltprobleme des Landes. Auf der<br />

Webseite von Germany Trade and Invest zu z. B., finden sich zahlreiche Artikel zum<br />

Thema Wasserressourcenmanagement, was darauf schließen lässt, dass diese Institution<br />

dies als primär zu behebendes Problem sieht. Andere Internetquellen beschreiben ganz<br />

andere Probleme als die Gravierernsten. Insgesamt ist nur sehr wenig zu dem Thema zu<br />

finden. Im Folgenden möchte ich die unterschiedlichen Auffassungen die ich vor der Reise<br />

nach <strong>Mali</strong> recherchieren konnte Stichpunktartig zusammenfassen.<br />

1. Wasser<br />

Abwasser: Die Abwasserversorgung in <strong>Mali</strong> ist kaum, und wenn dann unzureichend<br />

vorhanden. Eine staatliche Organisation dieser gibt es nicht. Die Abwässer gelangen auf<br />

direktem Weg in stehende und fließende Gewässer sowie in den Boden.<br />

Gewässerverschmutzung: In die Gewässer <strong>Mali</strong>s gelangt ein sehr großer Teil der<br />

Abwasser von Haushalten und Industrie. Zudem wird in den Flüssen und Seen <strong>Mali</strong>s mit<br />

stark tensidhaltigen Waschmitteln gewaschen und die Abfallstoffe von Stickstoff-<br />

Düngemitteln aus der Landwirtschaft in die Gewässer geleitet.<br />

Trinkwasser: Lediglich rund 12% der malischen Bevölkerung steht sauberes Trinkwasser<br />

zur Verfügung.<br />

2. Desertifikation<br />

Desertifikaton oder auch fortschreitende Wüstenbildung wird in <strong>Mali</strong> durch Deflation,<br />

Abholzung, Überweidung und Versalzung der Böden hervorgerufen.<br />

Weite Teile des Landes sind von diesem Problem betroffen. Insbesondere die nördlichen<br />

Regionen <strong>Mali</strong>s, südlich der Sahara sind gezwungen gegen den fortschreitenden Prozess<br />

anzukämpfen. In den letzten 20 Jahren soll der Harmattan, ein Nordostpassat zwischen<br />

0° und 20° nördlicher Breite, die Wüste um ungefähr 100 Kilometer weiter nach Süden<br />

vorgeschoben haben.<br />

Timbuktu, heute eine mitten in der Halbwüste gelegene Stadt, lag vor 100 Jahren noch in<br />

grünen Landschaften und vor 40 Jahren direkt am Niger. Die malische Regierung<br />

versucht nun gemeinsam mit Hilfsorganisationen die Dünen zu stoppen. Es werden<br />

Erosions-Schutzwälle gebaut, widerstandsfähige Bäume gepflanzt und die Dünen mit<br />

Hecken und Gräsern befestigt, um Wind und Sand auszubremsen.<br />

3. Müll<br />

In <strong>Mali</strong> gibt es keine hinreichende Müll- oder Abfallentsorgung. Keinerlei staatliche<br />

Organisation. In Großstätten werden die Abfälle teilweise von privaten Unternehmen aus<br />

den Haushalten abgeholt jedoch danach lediglich außerhalb der Stadt gelagert oder in<br />

nahe gelegene Gewässer entsorgt.<br />

177


4. Ufererosion<br />

Alle Fließgewässer <strong>Mali</strong>s, insbesondere der Niger, sind von Ufererosion und drohender<br />

Versandung betroffen. Dies führt zu einer Abnahme der Wassermenge und somit zu<br />

einer Verringerung des hydrostatischen Niveaus und zur Störung der Fließgeschwindigkeit.<br />

Unzureichende Mengen an Wasser, für Landwirtschaft und zur<br />

Trinkwasserversorgung sind die Folge.<br />

5. Abholzung<br />

Zur Gewinnung von Brennholz werden in <strong>Mali</strong> aktuell 100.000 Hektar Wald pro Jahr<br />

abgeholzt. Dies bedeutet eine durchschnittliche jährliche Entwaldung von 0,71%.<br />

Die Prognosen besagen, dass es eine sofortiges Einstellen der Abholzung sowie<br />

breitflächige Aufforstungsprojekte bedarf, da es sonst bis im Jahr 2011 nicht mehr genug<br />

Brennholz für die gesamte malische Bevölkerung zum Kochen gäbe.<br />

Zudem hat fortlaufende Abholzung weitere Verwüstung zur Folge.<br />

178


Literaturverzeichnis<br />

HAM, A. 2006: West Africa. 6. Aufl.<br />

WODTCKE, A. 1991: West-Afrika: Reisehandbuch; Niger, Burkina Faso, <strong>Mali</strong>, Senegal<br />

Elfenbeinküste, Ghana, Togo Benin. 2. Aufl., Hohenthann.<br />

BRITISH GEOLOGICAL SURVEY 2002: Groundwater Quality: <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://www.wateraid.org/documents/plugin_documents/maligroundwater.pdf,<br />

Stand 14.01.2008.<br />

PAPE, C. 2006: Kampf gegen endlose Sandlandschaften in <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1962583,00.html, Stand 11.01.2008.<br />

SCHUBERT, R. 2005: Konfliktprävention bei der Nutzung internationaler Gewässer am<br />

Fallbeispiel Niger. URL: http://www.fes.de/in_afrika/pl_mali.htm, Stand 09.01.2008.<br />

SEEBORGER, K. U.: Landesübersicht & Naturraum in Kürze: <strong>Mali</strong>. URL:<br />

http://liportal.inwent.org/mali/ueberblick.html, Stand: 11.01.2008.<br />

http://www.les-eaux-du-sahel.ch/<br />

http://mongabay.com/<br />

179


180


TEIL III: REISEPROTOKOLLE<br />

181


Samstag, 07. Februar 2009<br />

Abreise Hamburg<br />

Um 11:00 Uhr Treffen am Flughafen Hamburg, AirFrance-Schalter.<br />

● Es kommt zu Unruhe vor der Abreise, da Mirja Greßmann ihren alten Pass<br />

eingepackt hat. Glücklicherweise regelt sich das Problem und wir können<br />

gemeinsam die Reise nach Bamako antreten.<br />

● Flug Hamburg-Paris: 13:00-14:35 Uhr. Landung bei Schneetreiben in Paris.<br />

Warten auf das „Boarding“ unseres Anschlussfluges nach Bamako.<br />

● Flug Paris-Bamako: geplant 16:40-21:20 Uhr. Aufgrund von vereisten<br />

Tragflächen des Flugzeugs eine Verzögerung der Abreise um etwa vier Stunden.<br />

Unterhaltungsprogramm durch die Stewards. Nach etwa zwei Stunden ein kleiner<br />

Snack in Form von Salzbrezeln. Informationen über die Weiterreise erfolgen sehr<br />

spärlich.<br />

Ankunft Bamako<br />

● Um 01:30 Uhr Ortszeit Ankunft im angenehm warmen, nächtlichen Bamako.<br />

Warten auf unser Gepäck. Am Airport in Bamako treffen wir auf unsere Guides<br />

Oumar und Mohamed sowie unseren Bus. Sie bringen uns ins Hotel „Ségueré“ im<br />

Stadtteil Torokorobougou in Bamako.<br />

182


● Check-in. Aufteilung der Zimmer. Erste Nacht im sommerlichen <strong>Mali</strong> ...<br />

Verfasser: Sally Ollech, Robert Oschatz<br />

183


Sonntag, 08. Februar 2009<br />

Frühstück<br />

● Bis 10:00 Uhr Frühstück auf der Dachterrasse unseres Hotels mit Blick über<br />

Bamako. Im Innenhof des Hotels hören wir die Referate von Susann Arland<br />

„Denkmäler in Bamako“ und Ute Tschirner zu der „Stadt Bamako“.<br />

Stadtrundfahrt<br />

● Um 11:00 Uhr beginnt die Stadtrundfahrt zu den einzelnen Denkmälern.<br />

Währenddessen hielten Susann Arland und Marie Dorstewitz direkt zu den<br />

einzelnen Monumenten Kurz-Referate.<br />

184<br />

Abb.: Le Tour de l’Afrique<br />

Hier konnten wir erstmals mit etwas mehr Zeit den Straßenverkehr in Bamako<br />

beobachten, da sich das Denkmal auf einer Verkehrsinsel inmitten eines<br />

Kreisverkehrs befindet: Motorräder, Busse, Autos, Fahrräder und Eselskarren –<br />

alles bewegt sich in gegenseitiger Rücksichtnahme um „Le Tour de L’Afrique“<br />

herum.


● Besichtigung des Denkmals, von oben hatte man einen guten Blick über<br />

Bamako. Von dort konnten wir auch eine Hochzeitsgesellschaft am Fuße des<br />

Turmes beobachten, die sich mit einem Teil unserer Gruppe fotografieren ließ.<br />

● An den Innenwänden des Turmes befinden sich auf jedem Stockwerk<br />

Wandmalereien:<br />

● Anschließend folgte ein Besuch des Märtyrer-, des Independence- und des<br />

Peace-Monuments, jeweils mit Ausführungen zum Hintergrund der Monumente.<br />

Abb.: Märtyrer-Monument<br />

● Beim Peace-Monument beobachteten wir erneut die verschiedene Nutzung der<br />

Verkehrsflächen. Hier folgte ein kleiner theoretischer Input von Herrn Pez: Zu<br />

beobachten war die Umsetzung des sogenannten „Shared space“-Konzepts, bei<br />

dem verschiedene Verkehrsteilnehmer – Fahrradfahrer, Autofahrer oder auch<br />

Fußgänger – ohne weitere Regulierungsmaßnahmen die gleiche Verkehrsfläche<br />

nutzen. Dies erfordert einen gegenseitige Rücksicht und Aufmerksamkeit aller<br />

Verkehrsteilnehmer.<br />

Abb.: Verkehr am Peace-Monument, Ambulanter Straßenhandel<br />

185


● Außerdem wies Herr Pez auf die lokale Einzelhandelsstruktur hin: Ambulanter<br />

Straßenhandel im Gegensatz zum stationären Straßenhandel. Dieses Phänomen<br />

war schon zuvor im Straßenbild zu erkennen.<br />

Mittags: 14:00 Uhr, Mittagessen im Restaurant „Bintou Bamba“ (Reis)<br />

Nachmittags:<br />

15:00 Uhr, Besuch im Nationalmuseum (Frauenmuseum war leider geschlossen).<br />

● Dabei wurde als erstes der Bereich ‚Textilien aus <strong>Mali</strong>’ besucht. In dieser<br />

Abteilung werden verschiedene Kleidungsstücke präsentiert, wie beispielsweise<br />

der Boubou als ein klassisches malisches Gewand. Des Weiteren werden die<br />

unterschiedlichen Färbetechniken und Stoffe erklärt. Es gibt traditionell<br />

verschiedene Möglichkeiten zu färben, beispielsweise mit Ton oder Blättern.<br />

Ausgestellte Stoffe: Batik- und Indigo-Stoffe, Bogolan- und Damast-Stoffe,<br />

Wollstoffe (laine) sowie Kaasa als ein Schafswollstoff. Neben Kleidungsstoffen ist<br />

auch der Tapis ausgestellt, ein Stoff der in Häusern für dekorative Zwecke<br />

genutzt wird.<br />

● Im zweiten Abschnitt der Museums-Führung wurde uns die Abteilung der<br />

‚Rituellen Objekte’ gezeigt. Jede Ethnie besitzt ihre eigenen rituellen Figuren, die<br />

in Form von Masken und Plastiken dargestellt werden. Häufig sind es dabei Tiere,<br />

die jeweils eine Bedeutung besitzen, z. B. Krokodile dienen dem Schutz oder<br />

Schlangen stellen meist eine Gefahr dar.<br />

● Im dritten Bereich ‚Le <strong>Mali</strong> Millenaire’ befinden sich Exponate, welche die<br />

Geschichte <strong>Mali</strong>s dokumentieren, wie beispielsweise geologische Fundstücke<br />

186


und Darstellungen der Siedlungen der Tellem, einem Pygmäenvolk, das während<br />

des 11. bis 16. Jahrhunderts im Dogonland in Felswänden gesiedelt haben soll.<br />

Abb.: Nationalmuseum Bamako<br />

Abends: Geldwechsel im Hotel zum unsagbar guten Kurs von 1 Euro : 653 CFA.<br />

● Erstes abendliches Erkunden der Umgebung.<br />

Verfasser: Sally Ollech, Robert Oschatz<br />

187


Montag, 09. Februar 2009<br />

Frühstück: 09:00 Uhr „Petit déjeuner“ mit Blick über Bamako!<br />

● Um 10:00 Uhr Gesprächstermin bei der Deutschen Botschaft in Bamako.<br />

Begrüßung durch Botschafter Karl Flittner. Ausführliches Gespräch über <strong>Mali</strong> und<br />

die Tätigkeitsfelder der Deutschen Botschaft in Bamako. Außerdem stand Birgit<br />

Joussen, Referentin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit der Botschaft Bamako,<br />

uns für Fragen zur Verfügung. Sie ist Hauptverantwortliche für die „Coopération<br />

<strong>Mali</strong> Allemagne“.<br />

● Markt: 12:45 Uhr. Unser erster, wenngleich auch kurzer, Marktbesuch beim<br />

„Maison des Artisans“ an der „Grand Mosquée“. Erste Erkundung der Stadt zu<br />

Fuß.<br />

● Essen: 14:00 Uhr, Mittagessen im Restaurant „Bintou Bamba“ (Hirse)<br />

● Um 15:00 Uhr Gesprächstermin beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) in<br />

Bamako. Begrüßung durch die Landesdirektorin Anke Weimann. Im Anschluss<br />

folgten die Präsentationen der einzelnen Koordinatoren: Arnim Fischer zum<br />

Sektor ‚Kommunale Entwicklung’, Emanuela Finke zum Sektor ‚Zivilgesellschaft’<br />

und Anne Marie Ran zum Sektor ‚Landwirtschaftliche Entwicklung’.<br />

188


● Im Anschluss ein Spaziergang durch die Straßen von Torokorobougou zurück<br />

zum Hotel: spielende Kinder, Frauen, die Wäsche waschen, Kühe, Ziegen und<br />

Hühner neben parkenden Autos und teetrinkenden Männern – das alles mitten in<br />

Bamako, der Hauptstadt von <strong>Mali</strong>.<br />

● Abends ein Besuch bei der Färberin Fatoumata Sidibé und ihrer Familie in<br />

Badalabougou.<br />

● Ausklang des zweiten Tages in Bamako auf unserer Dachterrasse mit<br />

nächtlichem Blick über den Niger im Mondschein.<br />

Verfasser: Sally Ollech, Robert Oschatz<br />

189


Dienstag, 10. Februar 2009<br />

Am dritten <strong>Exkursion</strong>stag fuhren wir nach Kati, einem Ort ca. 15 km von Bamako<br />

entfernt, um das Projekt „Petits Barrages Beledougou“ zu besichtigen.<br />

Das sich zurzeit in einer Evaluierungsphase befindende Pilotprojekt wird<br />

unterstützt von DNA (Direction Nationale Agriculture), ded und kfw (Kreditanstalt<br />

für Wiederaufbau). Ein bereits existierendes Konzept in Bandiagara diente als<br />

Vorbild. Nach einer kurzen Einführung durch die Mitarbeiter fuhren wir weiter in<br />

das Dorf Kénékolo um einen Eindruck vor Ort zu gewinnen. 2007 wurden im Dorf<br />

Kénékolo, welches etwa 730 Einwohner zählt, ein Staudamm, ein<br />

Drahtschotterkastendamm und 18 Brunnen gebaut. Der Impuls, das Projekt dort<br />

durchzuführen, kam von der lokalen Bevölkerung selbst und wurde auch mit ihrer<br />

aktiven Mitarbeit durchgeführt. Drei umliegende Dörfer profitieren vom Staudamm<br />

und konnten ihre Ernteerträge wesentlich erhöhen. Durch das Stauen des<br />

Regenwassers während der Regenzeit erhöht sich der Grundwasserspiegel und<br />

das Wasser kann über einen längeren Zeitraum genutzt werden. Somit hat sich<br />

die Anbaufläche verdoppelt und es sind in diesem Jahr erstmals drei Ernten<br />

möglich. Auch die Vielfalt der Agrarprodukte hat sich erhöht, angebaut werden<br />

unter anderem Zwiebeln, Kartoffeln, Paprika, Kohl, Tomaten, Tabak und Reis.<br />

Außerdem wird die lokale Aubergine kultiviert, welche uns auch sogleich zur<br />

Verkostung angeboten wurde, aber auf wenig Begeisterung stieß, da sie bitter<br />

schmeckt. Ein Teil der Ernte dient der Selbstversorgung, der Überschuss wird<br />

selbst auf den umliegenden Märkten oder an Zwischenhändler aus Bamako und<br />

Kayes verkauft.<br />

Als wir im Dorf ankamen, wurden wir von den Bewohnern freudig und mit<br />

persönlichem Handschlag begrüßt. Bei der anschließenden Vorstellungsrunde<br />

wurden uns die Dorfältesten und Komiteemitglieder vorgestellt. Nach einer<br />

Besichtigung des Staudamms und der Anbaufelder in der glühenden Mittagshitze<br />

kehrten so manche mit roten Köpfen zurück.<br />

190


Um das Mittagessen, das aus Reis und Soße bestand, einzunehmen, gruppierten<br />

wir uns um große Schüsseln, aus denen wir mit den Händen aßen. Erst später<br />

erfuhren wir, dass Reis für die Dorfbewohner etwas Besonderes ist und nur zu<br />

festlichen Anlässen verzehrt wird. Danach gab es die Gelegenheit gegenseitig<br />

Fragen zu stellen, was viel Zeit in Anspruch nahm, da alles Gesagte von<br />

Bambara ins Französische und ins Deutsche bzw. andersherum übersetzt<br />

werden musste. Margarethas Frage nach den Dorffesten gab den Anstoß eine<br />

Musik- und Tanzeinlage vorzuführen, wofür extra eine Trommel aus dem 7 km<br />

entfernten Nachbardorf mit dem Fahrrad geholt wurde. Danach waren wir mit<br />

einem Lied an der Reihe und sangen nach langer Diskussion „An der<br />

Nordseeküste“. Anschließend wurden Frau Luttmann und Herr Pez offiziell in die<br />

Diara Familie aufgenommen und es folgte eine ausgiebige Verabschiedung.<br />

Verfasser: Julia Zimmermann, Elena Konrad<br />

191


Mittwoch, 11. Februar 2009<br />

Nach drei Tagen in der pulsierenden Hauptstadt Bamako ging es weiter ins eher<br />

beschauliche und von Lehmbauten geprägte Ségou. Nachdem die Fahrt bereits<br />

von zwei Motorpannen unterbrochen wurde, mussten wir in Ségou auf einen<br />

Ersatzbus ausweichen, da unserer seinen Dienst verweigerte. Nach dem<br />

Mittagessen ging es zum CPEL (Conseil pour la Promotion de l’Économie locale),<br />

eine von privaten Wirtschaftsleuten finanzierte Organisation, die sich im Bereich<br />

Tourismus, Agrarwirtschaft, Ressourcenschutz und Abfallbeseitigung einsetzt. Als<br />

erstes besichtigten wir eine Frauenkooperative, welche u.a. Karitébutter und<br />

Trockenfrüchte herstellt. Das Projekt wurde 1996 von der UN ins Leben gerufen<br />

und läuft seit 2003 eigenständig. 11 Dörfer aus der Umgebung liefern<br />

Kariténüsse, welche von 20 Frauen weiterverarbeitet werden. Die Karitébutter<br />

wird in <strong>Mali</strong> als Körperpflegeprodukt und Ingredienz zur Soßenherstellung<br />

verwendet. Auf demselben Gelände stehen zwei solarbetriebene Trockengeräte,<br />

in denen Früchte, Gemüse und Fleisch getrocknet werden, und zwar bis zu 800<br />

kg pro Tag.<br />

Später, im Centre d’Information, wurden uns dann weitere Projektbereiche<br />

vorgestellt. Ziel von CPEL ist es die Vernetzung der lokalen Wirtschaftsakteure zu<br />

fördern, Jungunternehmern Starthilfe zu geben und den Austausch mit Experten<br />

zu ermöglichen. Außerdem soll aus der Transitstadt Ségou ein attraktiver<br />

Tourismusort gemacht werden. Mit Hilfe eines Festivals, einer Kunstgalerie sowie<br />

neuer Informationsmedien (Internetseite, Prospekt etc. ) sollen die Touristen dazu<br />

animiert werden, ihren Aufenthalt in Ségou zu verlängern.<br />

Verfasser: Julia Zimmermann, Elena Konrad<br />

192


Donnerstag, 12. Februar 2009<br />

Heute besuchten wir die Organisation ALPHALOG in Niono, ein etwa 150 km von<br />

Ségou entfernter Ort. Auf dem Programm standen Projekte zu Sanitäranlagen,<br />

Abfallbeseitigung und Frauenförderung.<br />

Anschließend fuhren wir zu einer Interessengemeinschaft zur Müllentsorgung und<br />

Abwasserreinigung, die 1999 durch die Unterstützung Alphalog ins Leben gerufen<br />

wurde und heute als eigenständiges Unternehmen arbeitet. Nach einer<br />

dreimonatigen Sensibilisierungskampagne, um der Bevölkerung die Bedeutung<br />

der Nutzung sanitärer Anlagen bewusst zu machen, wurden die ersten Latrinen in<br />

den Höfen der Haushalte installiert. Sie werden von 10 – 20 Personen benutzt<br />

und alle 6 Monate von der GIE geleert. Die Fäkalien werden zu Kompost<br />

weiterverarbeitet und teilweise auch verkauft. In einem Viertel von Niono werden<br />

seit neustem auch Öko-Toiletten installiert, die eine Weiterentwicklung der<br />

Latrinentoilette darstellen. Die Stehtoilette setzt sich aus einem Abfluss für Urin<br />

und einen Abfluss für Exkremente zusammen, ein dritter Abfluss dient dem<br />

Auffangen des Handwaschwassers. Durch diese Trennung wird eine spätere<br />

Nutzung zur Bewässerung bzw. als Dünger für die Haushalte möglich.<br />

Im Bereich der Abfallbeseitigung werden von GIE Mülltonnen an die Familie<br />

verteilt und regelmäßig entleert. Das Mülldepot wurde ebenfalls von uns<br />

besichtigt. Es gibt Pläne den Müll in Zukunft zu Autostoppern, Pflastersteinen und<br />

Kunststoffgegenständen zu verarbeiten.<br />

Am Nachmittag trafen wir uns mit den Repräsentantinnen des Cercle de Niono.<br />

193


Das Netzwerk, dem alle Kommunen von Niono angehören, wurde 2007<br />

gegründet und dient der Stärkung der Frauen in der Politik. Der Anteil der Frauen<br />

in offiziellen Institutionen und Gremien soll erhöht werden. Beispielsweise sind in<br />

landwirtschaftlichen Gremien bisher keine Frauen vertreten, dies soll unter<br />

anderem durch Sensibilisierungskampagnen geändert werden. Abschließend<br />

lernten wir einen Abschiedsgruß, den die Frauen am Ende ihrer Treffen<br />

durchführen.<br />

Verfasser: Julia Zimmermann, Elena Konrad<br />

194


Freitag, 13. Februar 2009<br />

Abfahrt Ségou: 8:00 Uhr<br />

unterwegs:<br />

• Die Dornsavanne ist gekennzeichnet durch schüttere Vegetation, kein kniehohes<br />

Gras und Sukkulenten wie Dornensträucher und Baobab-Bäume.<br />

• Termitenhügel: Die Termiten selbst leben tiefer unter der Erdeoberfläche.<br />

In den Termitenhügeln befinden sich Gänge und Löcher, die Zugang zur<br />

Oberfläche haben. Wenn der Wind über die Öffnungen streicht, entsteht<br />

ein Unterdruck, so dass Luft der unterirdischen Höhle entzogen wird. Ohne<br />

dieses Entlüftungssystem wären die Temperaturen für die Termiten und<br />

deren Eier zu hoch, um überleben zu können. (Anmerkung: Das gleiche<br />

Prinzip wird beim Bau von Moscheen angewandt. Bodenlose Tonkrüge, die<br />

in das Dach mit eingemauert werden, sorgen für eine Entlüftung des Gebäudes.)<br />

Mittag in San: 12:30 Uhr (ca. 200 km nördlich von Ségou)<br />

unterwegs: Schichtstufen (vgl. Referat)<br />

Ankunft Sévaré: 16:30 Uhr (ca. 12 km von Mopti entfernt)<br />

Mopti: 18:00 Uhr<br />

• Gemeinsame Runde im Restaurant am Bani<br />

Verfasser: Susann Ahland, Mirja Greßmann<br />

195


Samstag, 14. Februar 2009<br />

Gruppentreffen<br />

• Belastungen durch das Bio-Klima: Gefühl des „verkartert“ seins, verstärkte<br />

Müdigkeit, Reizung der Atemwege<br />

Gründe für die Belastungen sind<br />

• die Hitze, welche zu einer hohen Wärmegrundbelastung des Körpers<br />

führt,<br />

• die Trockenheit: der Körper gibt Feuchtigkeit an die Umgebung ab,<br />

wodurch die Schleimhäute austrocknen können<br />

• die starke Luftverschmutzung, insbesondere durch Staub und Abgase<br />

Folglich kann Bronchialkranken eine Reise nach <strong>Mali</strong> nicht empfohlen werden.<br />

Maßnahmen um den Belastungen entgegen zu wirken sind neben der<br />

Aufnahme von viel Flüssigkeit, die Vermeidung von direkter<br />

Sonneneinstrahlung, die Zufuhr von Mineralien, die Anregung des Kreislaufs<br />

durch Bewegung sowie das Schwenken eines nassen Tuchs. Die einsetzende<br />

Verdunstungsenergie bewirkt, dass sich die zugeführte Luft und das Tuch<br />

abkühlen. Mit dem nassen Tuch können Gesicht, Nacken und Extremitäten<br />

befeuchtet werden.<br />

• Erläuterung zur Entstehung der Schichtstufenlandschaft (Vgl. Ausarbeitung)<br />

• Referat über Mopti (Vgl. Ausarbeitung)<br />

• Referat über Lehmbauten (Vgl. Ausarbeitung)<br />

Besuch des Perlenmuseums<br />

• Farafina Tigne, Besitzer des Perlenmuseums, erzählte die Geschichte und<br />

Bedeutung der verschiedenen Perlen. Perlen aus Venezien wurden beispielsweise<br />

als Tauschmittel verwendet (1 Perle = 3 Sklaven). <strong>Große</strong>r<br />

Perlenschmuck ist auch heute noch ein Zeichen für Reichtum und jede<br />

Ethnie bevorzugt einen bestimmten Perlentyp. Neben der privaten Perlenausstellung<br />

bot das Museum auch einen Einblick in die malische Kultur.<br />

Gezeigt wurden u. a. ein ein Kilogramm schweres Silberarmband einer Touareg-Frau,<br />

welches den Reichtum und die Stärke dieser Frauen symbolisiert<br />

sowie ein fünfschneidiges Schwert und ein Türschloss. Das Türschloss<br />

besitzt drei Phasen der Öffnung: das kleine Schloss symbolisiert<br />

das Kind, das Mittlere die Mutter und das große Schloss steht symbolisch<br />

für den Vater. Zum Öffnen der Tür muss grundsätzlich mit allen Dreien verhandelt<br />

werden, allerdings wird auch davon ausgegangen, dass wenn das<br />

Kind überzeugt wurde, alle überzeugt wurden. Gegen Ende der Führung<br />

wurde noch auf die Bedeutung der Frau eingegangen: ohne Frauen geht<br />

gar nichts, mit Frauen ist man(n) allerdings verloren. Dennoch sei die Frau<br />

nach Gott das Wichtigste im Leben eines Mannes.<br />

• Möglichkeit zum Kauf von Perlenschmuck und Souvenirs<br />

Mittagessen: 13:00 Uhr<br />

Einladung zu Musik und Tanz vor dem Perlenmuseum: 15:00 Uhr<br />

Mopti: 17:00 Uhr<br />

• Pirogenfahrt auf dem Bani<br />

196


• Besuch eines Bozo-Fischerdorfs: Gezeigt wurde u. a. wie die Bozo-Fischer<br />

ihren Fisch konservieren, wobei zwischen zwei Methoden unterschieden<br />

werden kann:<br />

• Räuchern: Das Verbrennen des Fisches, das zwar schnell geht, der<br />

so konservierte Fisch ist allerdings nur ein paar Tage haltbar<br />

• Trocknen: Der Fisch wird ca. einen Monat in der Sonne getrocknet.<br />

Dieses Verfahren dauert zwar länger als das Räuchern, dafür ist<br />

dieser konservierte Fisch aber auch länger haltbar.<br />

• Gemeinsame Runde im Restaurant am Bani<br />

Sévaré: abends<br />

• Agence de Bassin du Fleuve Niger<br />

Die Agentur ist eine öffentliche Verwaltung zum Schutz des Flusses Niger. Sie<br />

wurde 2002 gegründet und ist eine Unterabteilung des Umweltministeriums mit<br />

Hauptsitz in Bamako.<br />

Die Hauptaufgabe der ABFN ist die Wahrung des Niger als Lebensader des<br />

Landes.<br />

Je nach Region (Sahara, Sahel, Sudanzone) werden zum Schutz des Nigers<br />

unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt. Im Norden des Landes<br />

beispielsweise ist der Niger von der Sandabtragung durch den Wind bedroht. Die<br />

Deflation begünstigt eine Versandung des Flusses. Mit der Hilfe von<br />

Aufforstungsprojekten wird der Deflation entgegengewirkt.<br />

In Bamako stellt die Einleitung der Industrieabfälle für den Niger ein großes<br />

Problem dar. Zur Zeit der Einführung von Industrieanlagen gab es noch keine<br />

Organe für den Umweltschutz. Heute wird, bevor eine Industrie eingerichtet wird,<br />

überprüft, ob die Umweltschutzvorgaben eingehalten werden. Gesetzestexte sind<br />

zwar vorhanden, allerdings fehlt es an Personal und den finanziellen Mitteln, um<br />

die Einhaltung zu überprüfen.<br />

Um die Umwelt und den Niger zu schützen setzt die Agentur außerdem auf<br />

Aufklärung, Sensibilisierung, Kommunikation und Ausbildung. Jedoch ist die<br />

Ansprache der Bevölkerung schwierig, da 80 % der Bevölkerung nicht zur Schule<br />

gegangen sind.<br />

Weitere Umweltprobleme ergeben sich aus<br />

• der Übernutzung der Weideflächen: nach Aussagen der ABNF beuten<br />

80 % der Bevölkerung die Natur aus, sodass jedes Jahr 1000 ha verloren<br />

gehen.<br />

• dem Umgang mit Plastiktüten<br />

• dem steigenden Holzbedarf z. B. zum Kochen, wobei es an finanziellen<br />

Mitteln fehlt, um Alternativen nutzen zu können.<br />

der starken Sedimentation: Vor 20 Jahren war der Niger noch 0,5 m tiefer.<br />

Gegenmaßnahmen sind der Uferschutz und das kostspielige Ausbaggern<br />

des Nigers<br />

197


Damit der Niger als Lebensader des Landes gewahrt wird, können die<br />

Schutzmaßnahmen nicht ausschließlich auf den Niger angewendet werden,<br />

sondern müssen auch dessen Zuflüsse mit einbeziehen.<br />

Verfasser: Susann Ahland, Mirja Greßmann<br />

198


Sonntag, 15. Februar 2009<br />

Abfahrt Sévaré: 9:00 Uhr<br />

Ankunft Djenné: 12:00 Uhr<br />

Referate: Djenné; sakrale Architektur (Teil 2)<br />

Mission Culturelle: 16:00 Uhr Stadtführung durch Djenné<br />

• Die Geschichte der Stadt Djenné beginnt mit dem Grab der Jungfrau „Tapama“.<br />

Der Name bedeutet „unsere große Schwester“. Die Stadtmauer<br />

brach bei Bauarbeiten immer wieder zusammen. Ein Menschenopfer war<br />

notwendig, um die Zukunft der Stadt zu retten. Tapama, die einzige Tochter<br />

eines Bozo-Ehepaares, opferte sich freiwillig. Danach wurde ihr Name<br />

nie wieder ausgesprochen. Der Ort des Grabes hat weiterhin rituelle Bedeutungen,<br />

so sollen z. B. Wünsche, die hier ausgesprochen werden auch<br />

in Erfüllung gehen. Neben dem Grab befand sich das ursprüngliche Eingangstor<br />

der Stadtmauer.<br />

• Zur Abwasserproblematik:<br />

Bis 2006 wurde Abwasser über offene Aquädukte aus den Häusern<br />

geleitet. Heute erfolgt die Abwasserentsorgung einiger Haushalte über<br />

Rohre, die mit Filtern (in Form von Sand in Zwischenauffangstationen)<br />

ausgestattet sind. Das Rohrsystem wird von der KfW-Bank finanziert. Da<br />

die Filter jedoch nicht regelmäßig gesäubert werden, tritt das Abwasser<br />

stellenweise aus.<br />

• Zu Besonderheiten der Bauweise:<br />

Das Wohnhaus, das wir besichtigten, ist ca. 100 Jahre alt. Umbauten<br />

wurden in den 1960er Jahren unternommen.<br />

Der Vorbau des Eingangsbereiches sollte die Bewohner des Hauses vor<br />

Eindringlingen schützen. Die Dunkelheit in diesem Bereich wurde durch<br />

teilweise zwei oder drei fensterlose Vestibüle hintereinander verstärkt und<br />

erschwerte die Orientierung. Durch ein kleines rundes Fenster im ersten<br />

Obergeschoss (in der Straßenfront) und zusätzlich ein kleines Loch im<br />

Fußboden kann der Hausherr kontrollieren, wer durch den Eingang kommt.<br />

Der Aufenthaltsort der Frauen ist der Innenhof. Aus klimatischen Gründen<br />

ist er gewöhnlich recht klein.<br />

Die Anzahl der Zinnen in der Lehmzinnenkrone hat heute keine einheitliche<br />

Bedeutung mehr. Sie sind eher Schmuckelemente. Zwei Säulen in der<br />

Fassade des Hauses kann bedeuten, dass der Mann zwei Frauen hat. (Es<br />

gibt mehrere Interpretationsmöglichkeiten.)<br />

Seit der Ernennung zum Weltkulturerbe im Jahr 1988 ist es verboten mit<br />

Beton zu bauen. Basis der Lehmbauweise ist die ständige Erneuerung,<br />

hauptsächlich der Fassaden. Jedes Jahr im April bzw. Mai, bevor die<br />

Regenzeit beginnt, wird die Fassade der Moschee restauriert, um sie<br />

besser vor dem Regen zu schützen. Frisch verputzte Fassaden (mit einer<br />

Mischung aus Lehm, zermahlenen Baobab-Blättern, Foniohäcksel und<br />

Karité-Butter) wirken wie Zement. Die typisch marokkanischen<br />

Fensterläden sind so konzipiert, dass man von drinnen hinaus, aber nicht<br />

von außen hinein sehen kann.<br />

• 1819 wurde die erste große Moschee zerstört, woraufhin mehrere kleine<br />

Moscheen gebaut wurden. Der große Friedhof, der noch aus der Kolonialzeit<br />

stammt, liegt außerhalb der Stadt und wird heute nicht mehr genutzt.<br />

199


• Zur Baustelle des zukünftigen Museums:<br />

Das Museum soll im Mai fertig gestellt sein und wird u. a.<br />

Archäologieausstellungen zeigen. Der Bau wird von der EU unterstützt. Die<br />

Mission Culturelle kontrolliert die Baufortschritte.<br />

• In Djennés Südosten befinden sich Schmieden, im Süden leben Bozo, im<br />

Norden und Nordosten Händler und im Westen der Stadt Bambara und<br />

Bobo.<br />

• Seit der Ernennung zum Weltkulturerbe gewann der Tourismus in Djenné<br />

an Bedeutung. Mit der Aufnahme in Reiseführer usw. wurden bspw. Anfahrtswege<br />

ausgebaut. Vorher brauchte man zwei Tage, um in die Stadt zu<br />

kommen.<br />

• Die Bibliothek befindet sich im Aufbau. Von der teils schon vorhandenen<br />

Sammlung ist noch nichts ausleihbar.<br />

zur Mission Culturelle:<br />

Die Mission Culturelle ist eine staatliche Organisation und Teil des<br />

Kultusministeriums. Die ca. 10 Beschäftigten werden vom Staat bezahlt.<br />

Sie wurde nach der Ernennung zum Weltkulturerbe gegründet, um die u. a.<br />

Erfüllung der Auflagen zu kontrollieren und ist in <strong>Mali</strong> neben Djenné in<br />

Timbuktu und Bandiagara vertreten. Alle sechs Monate muss ein Bericht an<br />

die UNESCO geschickte werden. Zusätzlich überprüft alle drei Jahre eine<br />

Delegation von Spezialisten die Situation. Die zwei Hauptaufgaben der<br />

Mission Culturelle sind a) Recherche, Forschung und Dokumentation und<br />

b) Sensibilisierung. Ausländische Projekte können an sie heran treten und<br />

finanzielle Unterstützung bekommen. Die Projekte in Djenné werden mit<br />

der Mission Culturelle als Partner zusammen durchgeführt.<br />

Verfasser: Susann Ahland, Mirja Greßmann<br />

200


Montag, 16. Februar 2009<br />

8.00h Besuch der Ausgrabungsstätte Djenné djeno<br />

- Die Ausgrabungsstätte (33ha, höher gelegen als das heutige Djenné) wird<br />

von der Mission Culturelle von Djenné betrieben, die und bereits am Tag<br />

zuvor durch die Stadt geführt hatten.<br />

- Es handelt sich um das historische Djenné, 7km vom heutigen<br />

Stadtzentrum entfernt.<br />

- 1975 wurde die Stätte durch die Grabungen des Ehepaars McIntosh<br />

international bekannt, unterstützt wurden diese von American Express und<br />

National Geographic, die auch einen Preis an dieses Projekt für den am<br />

besten konservierten Ort Afrikas verliehen – unter anderem ist er mit<br />

Bäumen umpflanzt worden zum Schutz vor Erosion.<br />

- Zu den historischen Einwohnern sagt die traditionelle Überlieferung es<br />

habe sich um Bozo gehandelt, aber die Untersuchung der Gebisszähne,<br />

kam nicht zu dem Schluss, dass sie viel Fisch aßen. Sie kamen aus Dja,<br />

was auch kleines Dja – djani genannt wurde und daher der heutige Name<br />

djenné.<br />

- Djenné gilt als die älteste Stadt Westafrikas und war bis 1970 von Wasser<br />

umgeben.<br />

- Der Zeittafel konnten wir Folgendes entnehmen:<br />

© Mathias Becker<br />

- Die Piktograme in den einzelnen Ebenen zeigen an, welche kulturellen<br />

Errungenschaften nachweisbar sind<br />

- Bei den Krügen mit Deckel handelt es sich nicht um Vorratsgefäße,<br />

sondern in diesen wurden die Toten begraben. Dazu wurde der Körper vor<br />

201


202<br />

der Leichenstarre in die Embryonalstellung gebracht, ein Loch im Boden<br />

ließ die Körperflüssigkeiten austreten.<br />

- Ausgrabungsstätten sind mit dem Problem der Grabräuber konfrontiert, in<br />

diesem Fall kommen auch Viehhirten, um das ungenutzte Land zu nutzen<br />

– das Gebiet ist von einem Grüngürtel umgeben, um es vor weiterer<br />

Erosion zu schützen. Leider gibt es derzeit kein Projekt, dass vor Ort<br />

arbeitet und die Erde wird stetig durch den Wind abgetragen – vieles liegt<br />

frei und wird nicht geborgen, da es im Boden noch am Besten konserviert<br />

werden kann. Außerdem gäbe es keinen, der die Objekte archivieren<br />

könnte und in <strong>Mali</strong> selbst fehlen z. B. Labore für die Altersbestimmung.<br />

© Prof. Dr. Peter Pez<br />

- Wir hatten ein mulmiges Gefühl von einem studierten Archäologen geführt<br />

über die Häuser, Krüge und – wenn er uns nicht darauf hingewiesen hätte<br />

– Schädel zu laufen...


© Prof. Dr. Peter Pez<br />

- Es gibt einen Wächter. Allerdings ist der montags auf dem Markt in Djenné.<br />

Musée du site<br />

- Ausgangspunkt unsere Besichtigung war das Museum der Mission<br />

Culturelle gewesen, in dem Tafeln und Exponate die Siedlungsgeschichte<br />

im Gebiet des heutigen Djenné beleuchteten und dabei auch<br />

Überlieferungen der oralen Tradition berücksichtigten<br />

- Mamadou nutzte die Gelegenheit uns mit einigen Besonderheiten der<br />

Bambara-Kultur, aber auch der Bozo vertraut zu machen (schließlich war<br />

Djenné früher eine Insel) und versuchte uns auch das „Kastensystem“ und<br />

die Rolle der Frau im Islam näher zu bringen – letztlich eine gute<br />

Wiederholung dessen, was wir schon in den Seminarsitzungen diskutiert<br />

hatten<br />

Markttag in Djenné<br />

© Prof. Dr. Peter Pez<br />

203


11.00h – 12.30h Marktbummel<br />

© Mathias Becker<br />

© Mathias Becker<br />

13.00h Gemeinsames Mittagessen im Hotel<br />

14.00h Referat zu Timbuktu<br />

Fahrt Djenné – Mopti-Sevaré<br />

204


© Mathias Becker<br />

Am späten Nachmittag fuhren wir zurück nach Mopti-Sevaré bevor die Händler<br />

mit ihren Pferdekarren die Ausfahrten blockieren würden. Dort verbrachten die<br />

Timbuktu-Reisenden eine Nacht bevor sie Ihre Wüstentour starteten. Die<br />

Bandiagara-Reisenden fuhren dagegen nach einem herzlichen Abschied noch<br />

eine kurze Stunde bis zur Unterkunft „Toguna“, in der Hauptstadt des<br />

Dogonlandes.<br />

Verfasser: Margaretha Kühneweg, Mathias Becker<br />

205


206


Bandiagara<br />

17. – 20. Februar 2009<br />

207


Dienstag, 17. Februar 2009<br />

Mission Culturelle Bandiagara (Vormittags)<br />

Birgit Fecher vom ded heißt uns Willkommen, stellt uns die Mission Culturelle<br />

(MC) und die Mitarbeiter vor und gibt einen Überblick über die Zusammenarbeit<br />

von der MC und dem ded.<br />

Mission Culturelle<br />

• 1989 Dogonland wird zum Weltkulturerbe erklärt, daher Bedarf nach<br />

dezentralen Strukturen zum Schutz und der Inwertsetzung<br />

• 1993 Gründung der Mission Culturelle als Zweigstelle des Kultusministeriums<br />

• Entwicklung eines Planes zur Konservierung des Weltkulturerbes auf der<br />

einen Seite und der Entwicklung eines angepassten Tourismus auf der anderen<br />

Seite<br />

• Entsprechende Aktivitäten zusammen mit Unesco, Auswärtigem Amt und<br />

Universtäten in Cratère und Leiden:<br />

208<br />

o Inventarisierung der Architektur, Bauformen und Bautechniken der<br />

Dörfer an der Falaise<br />

o Generationenübergreifende Instandsetzung der Gemeinschaftshäuser<br />

zum Transfer der alten Bauweisen. Dabei Harmonisierung von<br />

alten und neuen Bauformen, zum Beispiel traditionelle Bauweise mit<br />

neuen Bauformen (Stahlträger) um Ressourcen zu schützen, und<br />

Bevölkerung zur selbständigen Instandhaltung zu befähigen<br />

o Recherche der eigenen Geschichte<br />

o Sensibilisierung für das Kulturerbe und die eigene Geschichte und<br />

gegen einen Ausverkauf der Kultur bedingt durch Armut und Konflikte<br />

mit dem Islam und dem Christentum (durch Theaterstücke). In<br />

diesem Zusammenhang Bau von kommunalen Museen in Nombori,<br />

Endeé (Handwerkermuseumm zum Erhalt von Handwerkstechniken)<br />

und Soroly<br />

o Organisation eines Museumsfestivals der drei Museen um die regionale<br />

Zusammenarbeit zu fördern<br />

o Beratung der Kommunen und Anregung zur Zusammenarbeit von<br />

Kommunen und privatem Sektor (ähnlich wie bei CPEL in Ségou)<br />

o Organisation des internationalen Tages der Biodiversität zum Austausch<br />

über das Wissen über Weltnaturerbe und einheimische<br />

Pflanzen<br />

o Daraufhin Auflegen eines Guide d`Ecotourisme, um den Tourismus<br />

zeitlich zu entzerren<br />

o Beschilderung als Information für Touristen<br />

o Einrichtung einer Website<br />

o Führung von Besuchergruppen<br />

Allgemeines Problem ist die kurzfristige Unterstützung von Projekten für 2-3<br />

Jahre, so dass Dezentralisierung und Infrastrukturen nicht nachhaltig etabliert<br />

werden können, da eine richtige Verwaltung fehlt. Schwierig ist auch die


Abstimmung von den Bedürfnissen der Bevölkerung und denen der Touristen.<br />

Zusammenarbeit mit ded<br />

• 1999 Beginn der Zusammenarbeit für Projekt „Ecotourisme en pays Dogon“,<br />

mit dem Ziel einen angepassten Tourismus zum Profit der Bevölkerung<br />

und gleichzeitig zum Schutz des kulturellen Erbes zu entwickeln<br />

Mittagessen in der Stadt<br />

Centre médicine traditionnelle Bandiagara (Nachmittags)<br />

• Gegründet 1986 durch den Italiener Pierro Copo, der die traditionelle Medizin<br />

erforschen und stärken wollte und begann ein umfangreiches Magazin<br />

mit Pflanzenproben anzulegen<br />

• Heute Sammelstelle für Wissen über traditionelle Heilpflanzen,<br />

Forschungszentrum und Produktionsort (staatlich gestütztes Privatunternehmen)<br />

• Forschung nach genauer Dosierung der Heilmittel und Kultivierung und<br />

Zuchtforschung seltener Pflanzen unterstützt durch die Heilerassoziation<br />

auf dem Gelände<br />

• Herstellung von Hustensaft und verschiedenen Pulvern aus Pflanzen gegen<br />

Verstopfung, Durchfall, Rheuma, Hepatitis B, Bluthochdruck, Hämmoriden,<br />

Diabetes, Malaria (Zutaten werden von Frauen gesammelt, die dafür<br />

bezahlt werden)<br />

• Vertrieb über Zusammenschluss von Apothekern in mehreren Regionen,<br />

auch in Krankenhäusern beliebt, da als Generika anerkannt und billiger als<br />

Schulmedizin<br />

• Kompetenzen des Centres regional bekannt, deshalb wird besonders<br />

Ambulanz zur Geburtshilfe viel genutzt und qualifizierte Heiler werden bei<br />

Anfragen vermittelt www.inrspmali.org<br />

Danach Besuch beim Schneider Almoctar Diarra, der ein Ausbildungs- und<br />

Alphabetisierungsprogramm für benachteiligte Mädchen ins Leben gerufen hat.<br />

• Er bringt ihnen neben Schneidern auch lesen und schreiben bei, was in der<br />

staatlichen Ausbildung eigentlich nicht enthalten ist<br />

• Um ihnen einen Berufseinstieg zu erleichtern teilen sich drei Schülerinnen<br />

sein altes Atelier ohne Miete zu zahlen<br />

• Eine seiner Schulerinnen arbeitet mittlerweile erfolgreich in Bamako<br />

Abends Einladung zu Mariam Cissé, einer Freundin von Anke und Frau<br />

Luttmann, die für uns kocht und uns ihre selbst gemachten Perlenketten zeigt<br />

Verfasser: Friederike Brumhard<br />

209


Mittwoch, 18. Februar 2009<br />

École Mamadou Tolo Bandiagara (Vormittags)<br />

Gespräch mit M. Touré, dem Schuldirektor über seine eigene Schule und das<br />

Schulsystem in <strong>Mali</strong>. Er nimmt sich sehr viel Zeit für uns, da auch an diesem Tag<br />

gestreikt wird.<br />

210<br />

• Allgemeines Schulalter in <strong>Mali</strong> 7 bis 14 Jahre<br />

• Nach der Grundschule (bis zur 6. Klasse) folgt Abschlusstest als Zulassung<br />

für weiterführende Schule<br />

• Nach der weiterführenden Schule folgt ein Beratungsgespräch und<br />

Entscheidung für Gymnasium oder Ausbildung<br />

• Die Ausbildung der Lehrer erfolgt an der Universität (Institut formation du<br />

metre) dauert 4 Jahre, dabei gibt es Ausbildung in den Fächern, aber auch<br />

in Psychologie und Pädagogik<br />

• Nach dem Studium wird man einer Stadt zugewiesen<br />

• Lehrer werden vom Staat bezahlt und erhalten Rente und<br />

Krankenversicherung, es gibt aber häufig Streiks wegen der schlechten<br />

Bedingungen, so wird zum Beispiel Wohngeld<br />

• Den Beruf Lehrer ergreifen sowohl Männer als auch Frauen<br />

• Die École Mamadou Tolo ist eine der zwei weiterführenden Schulen (Collège)<br />

in Bandiagara mit 7., 8. und 9. Klasse<br />

• Sie gehört zu einem Schulzentrum mit 7 Schulen (5 Grundschulen und 2<br />

Weiterführende)<br />

• Es gibt 369 Schüler (159 Mädchen und 210 Jungs)<br />

• Über 110 Schüler pro Klasse<br />

• 7 Lehrer<br />

• Angebotene Fächer: Französisch, Englisch, Geographie, Mathematik, Physik,<br />

Chemie, Biologie, Geschichte, Hauswirtschaftslehre, Ethik, Musik,<br />

Sport<br />

• Unterrichtszeiten: 6 Stunden täglich, außer Donnerstags (4 Stunden)<br />

• Es wird kein Schulgeld erhoben, aber einmal pro Jahr 650 FCFA für Kreide<br />

und Kopien<br />

• In Bandiagara gehen 50 % der Kinder in die Schule, weil keine Schulpflicht<br />

besteht und sie für die meisten Familien immer noch zu teuer ist bzw. der<br />

Arbeitsausfall der Kinder zu groß. Muslime haben außerdem Vorbehalte<br />

davor, Mädchen in die Schule zu schicken<br />

• Die Schüler kommen aus Bandiagara, aber auch aus entfernten umliegenden<br />

Dörfern mit dem Fahrrad oder Motorrad, trotzdem ist Schwänzen sehr<br />

selten<br />

• 65% der Abgänger vom Collège gehen aufs Gymnasium, davon nur 20%<br />

Mädchen<br />

• Es bestehen Brieffreundschaften zu Schulen im Ausland, zum Beispiel in<br />

Frankreich<br />

• Jeden Morgen versammeln sich alle Schüler beim Fahnenapell und singen<br />

die Nationalhymne


• Es gibt keine Schuluniform, an anderen Schulen ist dies aber durchaus üblich<br />

Nach dem Gespräch interviewen wir noch einige Kinder, die trotz des Streiks zur<br />

Schule gekommen sind. Die meisten wollen Arzt, Lehrer oder Juristen werden<br />

und sind traurig, dass die Schule ausfällt.<br />

GAAS <strong>Mali</strong> Bandiagara (Nachmittags)<br />

Besuch der malischen NGO, wo uns die Mitarbeiter die umfassende Arbeit der<br />

NGO vorstellen.<br />

GAAS <strong>Mali</strong><br />

• GAAS <strong>Mali</strong> setzt sich seit vielen Jahren für die Bekämpfung von Aids,<br />

weiblicher Genitalverstümmelung und Kinderhandel ein und fördert Demokratisierung,<br />

Nahrungsmittelsicherheit (Wasserhygiene, Abfallentsorgung)<br />

und Alphabetisierung<br />

• Die NGO hat ihren Hauptsitz in Bandiagara, aber sie ist auch in Ségou und<br />

Bamako vertreten<br />

• Die Hauptstelle beschäftigt 60 Mitarbeiter und vor allem auch Mitarbeiterinnen,<br />

die in 20 Gemeinden und 260 Dörfern arbeiten<br />

Thema Beschneidung<br />

• In <strong>Mali</strong> sind 98% der Frauen beschnitten<br />

• Es gibt kein Gesetz gegen die Beschneidung, laut GAAS <strong>Mali</strong> ist die Überzeugung<br />

der Menschen ohnehin wichtiger<br />

• Die Gründe für die Beschneidung sind vielfältig:<br />

o Die Menschen glauben, dass sie Klitoris einem Penis entspricht und<br />

sie deshalb einer Frau entfernt werden muss<br />

o Es wird außerdem argumentiert, dass eine unbeschnittene Frau frivol<br />

ist und einen schlechten Charakter hat<br />

o Teilweise wird die Beschneidung auch auf den Koran zurückgeführt,<br />

eine Konferenz wichtiger Imame vor zwei Jahren konnte sich aber<br />

nicht einigen, ob der Koran die Beschneidung vorschreibt oder nicht,<br />

dazu gibt es durch verschiedene Auslegung sehr unterschiedliche<br />

Standpunkte<br />

o Früher war die Beschneidung ein Initiationsritus im frühen Erwachsenenalter,<br />

heute wird sie allerdings im frühen Kindesalter durchgeführt<br />

• Nicht alle Ethnien führen die Beschneidung durch, daher ist eine Heirat für<br />

unbeschnittene Frauen durchaus möglich, sogar mit Partnern, in deren<br />

Dorf Beschneidung eigentlich üblich ist (dies wird meist erst bei Vielehe<br />

zum Problem)<br />

• Die Beschneidungskampagne von GAAS <strong>Mali</strong> wird von PLAN <strong>Mali</strong> finanziert<br />

211


212<br />

• Sie ist Teil hervorgegangen aus dem Projekt „Reproduktionsgesundheit“,<br />

das über Beschneidung, Aids, Verhütung und Familienplanung aufklären<br />

soll<br />

• Dabei ist das Vorgehen die Gefahren aufzuzeigen und nicht einfach ein<br />

Verbot zu fordern<br />

• Im Mittelpunkt steht die Einbeziehung der Menschen, die mittlerweile selber<br />

zu Botschaftern werden<br />

• GAAS <strong>Mali</strong> Mitarbeiter treten in Kontakt mit wichtigen Personen im Dorf<br />

(Imam, Dorfchef, Frauenchefin, Pastor) und fragen sie, wie eine Sensibilisierung<br />

erfolgen könnte<br />

• Dann folgt Sensibilisierung aller Gruppen einzeln in Gesprächen (Mädchen,<br />

Jungen, Männer, Frauen)<br />

o Kinder werden sensibilisiert für ihr Recht auf Gesundheit<br />

o Frauen werden durch Videopräsentation sensibilisiert für den<br />

Zusammenhang zwischen der Beschneidung und späteren Komplikationen<br />

• Teilweise auch „Tag des Nachdenkens“ mit Workshops für Lehrer, Dorfvertreter<br />

und Kommunalbeamter, in dem sie Sensibilisierung reflektieren<br />

• Besonders gefördert wird die Aufklärung an den Schulen, da Sexualität eigentlich<br />

ein Tabuthema ist, aber Lehrer sie thematisieren dürfen (Durch die<br />

Plädoyerarbeit der NGOs stehen sexuelle Aufklärung und Aids Aufklärung<br />

jetzt fest im Lehrplan)<br />

• GAAS <strong>Mali</strong> wählt unter den Schülern Botschafter aus, die dann die Aufklärungsarbeit<br />

bei den Gleichaltrigen leisten sollen<br />

• Wenn ein Dorf entschlossen hat, die Beschneidung abzuschaffen, gibt es<br />

als Offizielle Bestätigung eine große Zeremonie mit dem Bürgermeister und<br />

Politikern<br />

• Die Dörfer sollen sich dann gegenseitig „anstecken“, indem sie Aktionspläne<br />

erstellen, wie sie andere vom Beenden der Beschneidung überzeugen<br />

können und dann selbst Sensibilisierungsarbeit leisten<br />

• Eine von PLAN <strong>Mali</strong> finanzierte Studie nach 5 Jahren belegte einen großen<br />

Erfolg dieser Art von einbeziehender Aufklärungsarbeit, sodass das Projekt<br />

verlängert wird<br />

• GAAS <strong>Mali</strong> vermittelt nun seine Strategie an anderer NGOs<br />

Thema Aids<br />

• In <strong>Mali</strong> sind „nur“ 1,3% der Bevölkerung HIV positiv<br />

• Laut GAAS <strong>Mali</strong> ist dies auch ein Verdienst der NGOs und ihrer<br />

Aufklärungsarbeit<br />

• Besonders stark gefährdet sind Gruppen wie<br />

o Prostituierte<br />

o LKW Fahrer<br />

o Reisende Frauen und Händlerinnen, die sich durch Sex die Weiterreise<br />

verdienen<br />

o Soldaten, die in stärker HIV betroffenen Ländern Frauen vergewaltigen


• Kondome sind nicht wirklich verbreitet und akzeptiert und die meisten Menschen<br />

lassen sich nicht testen<br />

• Die Regierung betreibt eher passive Aufklärungsarbeit durch Schilder<br />

• GAAS <strong>Mali</strong> leistet aktive Aufklärungsarbeit durch Rollenspiele, Videos,<br />

Theater, die die Menschen zur Diskussion über Risiken und Verhütungsmethoden<br />

anregen soll<br />

• GAAS <strong>Mali</strong> unterstützt aber auch Infizierte indem es ihnen Kleidung,<br />

Medikamente und Schulgeld für die Kinder bezahlt, oder nach der Diagnose<br />

die Angehörigen aufklärt<br />

• HIV Infizierte sind mittlerweile nicht mehr so stark tabuisiert wie früher, und<br />

werden in Aufklärungsarbeit einbezogen<br />

Danach Bummel durch die Stadt und spontanes Gruppenfoto bei einem<br />

einheimischen Fotografen und der Rest des Tages FREI!<br />

Verfasser: Friederike Brumhard<br />

213


Donnerstag, 19. Februar 2009<br />

214<br />

Nombori<br />

• Gegen 9.30 Uhr Abfahrt Richtung Nombori (Dogondorf an der Falaise)<br />

• Die Fahrt geht zunächst an einem Fluss entlang, an den die typischen<br />

Zwiebelfelder der Dogon angrenzen. Der Boden ist ursprünglich völlig unfruchtbar,<br />

da felsig, deshalb wurde eine dünne Schicht Erde aufgetragen,<br />

die zum Zwiebelanbau genügt. Ein anderer Grund für die Konzentration auf<br />

den Zwiebelanbau ist die große Nachfrage und der gute Preis. Die Gärten<br />

sind durch niedrige Steinmauern voneinander getrennt. Nach der Ernte<br />

wird das Grün der Zwiebeln zu Bällchen gerollt, getrocknet und ebenfalls<br />

verkauft.<br />

• Je näher wir der Schichtstufe kommen, desto karger wird die Landschaft,<br />

sie ist dominiert von dem relativ ebenen Felsplateau.<br />

• Am Rand der Schichtstufe halten wir an und lassen den Bus zurück. Unser<br />

Gepäck wird mit einem Eselswagen transportiert, wir klettern den Steilhang<br />

(250m bis 400m hoch) hinunter. Der Blick hinunter ins Tal ist fantastisch.<br />

Nombori liegt direkt am Fuß des Steilhangs, davor wieder die typischen<br />

Zwiebelfelder, an die eine Dünenlandschaft mit spärlicher Vegetation angrenzt.<br />

• In Nombori angekommen klettern wir zu unserem Campement „Baobab“<br />

hinauf. Das Ganze Dorf besteht aus Lehmhäusern, die sich relativ weit den<br />

Abhang hinaufziehen und zwischen großen Felsbrocken oft erst auf den<br />

zweiten Blick zu erkennen sind. Dazwischen befinden sich die typischen<br />

Getreidespeicher mit spitzen Strohdächern. Männer und Frauen haben<br />

darin getrennte Aufbewahrungsräume.<br />

• Nach einer Mittagspause begrüßen wir zuerst den Dorfältesten, der die<br />

„Geschäfte“ an seinen Sohn abgegeben hat und nur noch eine Repräsentationsfunktion<br />

inne hat. Nach eigenen Angaben ist er 107 Jahre alt, und<br />

das Geheimnis für sein hohes Alter ist, dass er in seinem Leben sowohl<br />

Gutes, als auch Schlechtes gesehen hat.<br />

• Anschließend teilen wir uns in zwei Gruppen auf, und erkunden mit zwei<br />

(jugendlichen) Führern das Dorf. Nombori hat vier Viertel, die jeweils nach<br />

den Sippen Gindo, Togo, Cassagé und Arou getrennt sind. Die Einwohnerzahl<br />

die sie uns nennen, schwankt zwischen 1000 und 15.000 Menschen.<br />

• Abdul führt uns zunächst zur protestantischen Kirche, die in Nombori neben<br />

dem Islam relativ stark vertreten ist. In dem Lehmbau mit Vorraum und<br />

Innenraum findet jeden Sonntag ein Gottesdienst statt, zu dem nach seinen<br />

Angaben 3000 Menschen kommen (das ist jedoch aufgrund der Größe<br />

eine völlig utopische Angabe). Außerdem gibt es täglich Andachten und<br />

Gesangsübungsstunden. Interessant sind auch die Gesangsbücher auf<br />

Dogon und die verschiedenen Instrumente, die im Gottesdienst benutzt<br />

werden. So wird beispielsweise auch die Glocke durch eine Tröte ersetzt.<br />

• Es folgt ein Besuch beim Imam, dessen Sohn Priester geworden ist. Als<br />

bewundernswertes Beispiel für Respekt zwischen den Religionen erklärt er<br />

uns, dass das Nebeneinander verschiedener Religionen im Dorf für ihn völlig<br />

normal ist und die toten der verschiedenen Konfessionen sogar nebeneinander<br />

beerdigt werden.


• Mit Blick auf die Speicherhäuschen erzählt Abdul uns, dass der Anbau zwischen<br />

Männer und Frauen getrennt wird. So bauen die Frauen Datteln und<br />

Erdnüsse an, die Männer hingegen Bohnen, Tomaten, Auberginen, Hirse,<br />

Couscous, Zwiebeln und Salat. Die Frauen bekommen dann Hirse und<br />

Gemüse von den Männern und lagern es nach der Weiterverarbeitung in<br />

ihrem Speicher. Alle fünf Tage findet ein Markt statt.<br />

• Ganz oben am Rande des Dorfes befinden sich Löcher im Fels, in denen<br />

zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert die frühen Siedler – die Telem –<br />

lebten. Da die Löcher so klein sind glauben die Menschen noch heute,<br />

dass die Tellem Zwerge waren, Knochenfunde haben das aber widerlegt.<br />

Noch heute werden selten Bewohner in den Felshöhlen beerdigt, überwiegend<br />

jedoch in der Ebene. Hier oben ist auch der Platz des Hogons, dem<br />

religiösen Oberhaupt der Dogon. Er ist unter anderem für die Opferungen<br />

zuständig. Eigentlich wurde in Nombori von drei Alten bereits ein Hogon<br />

ernannt, aber er hat noch nicht seinen Platz eingenommen, weil er seine<br />

Familie nicht verlassen will. Der Hogon muss nämlich wie ein Eremit völlig<br />

abgeschieden leben und darf Essen uns Wasser nur von einer Jungfrau<br />

empfangen. Zu den Dogon Zeremonien kommen nur die Animisten, Christen<br />

und Muslime können sich mit ihrer ursprünglichen Religion nicht mehr<br />

identifizieren und verkaufen ihre alten Kultobjekte.<br />

• Danach passieren wir die Togina – das Palaverhaus – von der es in jedem<br />

Viertel eins gibt und eins für das gesamte Dorf. Es besteht aus vier Pfählen<br />

und einem ca. 50cm dicken, strohgedeckten Dach gegen die Sonne. Das<br />

Dach ist so niedrig gebaut, dass man nur sitzen, und nicht vor Problemen<br />

„weglaufen“ kann. Bei Problemen wird hier eine Versammlung einberufen,<br />

aber auch um Kinder zu Impfen oder die Mädchen auf die Beschneidung<br />

vorzubereiten.<br />

• In Nombori gibt es außerdem eine Schule mit 6 Lehren, ein (unnutzbares)<br />

Krankenhaus und ein Museum, das in Zusammenarbeit mit der Mission<br />

Culturelle aufgebaut wurde.<br />

Zum Abendessen gibt es To (Hirsebrei mit Sauce, die mit Fischbrühwürfeln<br />

gewürzt wurde), den die meisten von uns wegen des intensiven Geschmacks nur<br />

probieren wollen. Dazu gibt es Yam mit Gemüse und Hirsbier aus einer großen<br />

Kalebasse.<br />

Unser Fahrer Oumar liegt schon betrunken am Tisch, er hat als Songhai eine<br />

Scherzbeziehung mit dem gesamten Dogondorf, war den ganzen Tag über sehr<br />

aufgedreht und hat wohl ein Beruhigungsbier zu viel getrunken.<br />

Nach dem Essen tanzen die Frauen des Dorfes in ihren wunderschönen<br />

Indigogewändern für uns bzw. besonders für Frau Luttmann. Die Systematik des<br />

Tanzes bleibt über die gesamten zwei Stunden immer gleich, und bald werden<br />

junge Männer und Frauen ebenfalls mit einbezogen und natürlich auch wir<br />

Besucher.<br />

Verfasser: Friederike Brumhard<br />

215


Freitag, 20. Februar 2009<br />

Nach einer Nacht im Freien auf dem Dach des Campements und einem<br />

Frühstück mit köstlichen Baignets sprechen wir mit M. Guindo, unserem Begleiter<br />

und langjährigen Mitarbeiter der Mission Culturelle über seine Arbeit in Nombori.<br />

Er hat mit der Sensibilisierungsarbeit gegen den Ausverkauf der Dogonkultur<br />

begonnen und den Aufbau des Museums begleitet.<br />

216<br />

• Nachdem das Dogonland zum Weltkulturerbe erklärt wurde, wurde in mehr<br />

als 200 Dörfern mit Informations- und Sensibilisierungsarbeit begonnen um<br />

den Schutz der Kultur voranzutreiben<br />

• Vorher gab es zahlreiche Läden, wo Kultobjekte verkauft wurden, nun sollten<br />

Museen gebaut werden, um die Kultur zu bewahren und nachhaltig<br />

daran zu verdienen<br />

• In Nombori wurden den Menschen die Objekte nicht abgekauft, sondern<br />

die Spender erhalten eine Art Steuer dafür oder Lebensmittel in schlechten<br />

Zeiten. Man kann auch einen Kredit beim Museum aufnehmen, wenn man<br />

ein Objekt eingelagert hat, was besonders in Krisenjahren stark genutzt<br />

wird um zum Beispiel Tiere zu kaufen (Feldbau nur 3 Monate möglich)<br />

• Die Bezahlung der Objekte richtet sich dabei nach dem Alter, dem Hersteller<br />

und der Genauigkeit der Geschichte des Stückes, die von einem Komitee<br />

aus alten erfahrenen Menschen begutachtet werden<br />

• Am Anfang war die Betreuung des Museums sehr schwierig, weil sie für die<br />

Menschen neben der Feldarbeit eine Zusatzarbeit darstellt, oft vergaßen<br />

sie es einfach<br />

• Heute ist das Dorf sehr zufrieden mit dem Museum, weil es mehr Touristen<br />

in das Dorf bringt. Früher war Nombori nur ein Durchgangsort, heute bleiben<br />

immer mehr Touristen über Nacht. Dadurch sind mehrere private<br />

Campements entstanden.<br />

• Mittlerweile gibt es jeden Monat ein Treffen, um über die Entwicklung des<br />

Museums zu beraten<br />

• Es wurde eine Cafeteria eingerichtet, für welche die Mitarbeiter in einem<br />

Restaurant in Bandiagara ausgebildet werden<br />

• Die Führer werden im Nationalmuseum in Bamako ausgebildet<br />

• Es liegen Pläne vor, dass am Fuß der Falaise von Marrokanern ein Hotel<br />

gebaut werden soll. M. Gindo erzählt von guten Verträgen mit dem Dorf, da<br />

diese angeboten haben, dass Nombori den geplanten Wasserturm mitnutzen<br />

kann. Wegen der starken Wasserknappheit, erscheint uns der Plan in<br />

dieser Gegend ein Hotel zu bauen schlichtweg wahnsinnig.<br />

Besuch beim Sohn des Dorfchefs, dessen Frau in der Nacht ein Kind geboren<br />

hat.<br />

Besuch des Museums, das uns noch nicht so fortschrittlich erscheint, wie M.<br />

Guindo es angepriesen hat. Der Führer ist sehr unsicher und liest meist nur von<br />

den Schildern ab und die Cafeteria ist völlig verwaist.<br />

In der Schule bringen zwei Touristengruppen den Unterricht völlig zum Erliegen.


Rückweg durch die Dünen und zurück auf das Plateau wo unser Bus noch auf<br />

uns wartet.<br />

Rückfahrt nach Bandiagara.<br />

Abends Essen mit Birgit Fecher vom ded, in dem wir unsere Eindrücke bezüglich<br />

der Touristenfreundlichkeit in Nombori schildern. Insgesamt sind wir überwältigt<br />

von der Gastfreundschaft, wir würden den Bewohnern aber mehr Bewusstsein für<br />

ihre Intimsphäre wünschen, da wir das Gefühl hatten, dass sie sich vor Touristen<br />

selten trauen schlechtes Verhalten anzusprechen oder Besichtigungswünsche<br />

abzuschlagen.<br />

217


218


Timbuktu<br />

17. – 20. Februar 2009<br />

219


Dienstag, 17. Februar 2009<br />

Hinfahrt nach Timbuktu<br />

220<br />

• Aufteilung der 15 Personen auf die drei Geländewagen<br />

• Nach der Stadt Douzenta passieren wir den Zeugenberg „Montane de<br />

Gambia“ (vgl. Mirjas Ausarbeitung - Zeugenberge, siehe Abb. 1). Der Berg<br />

wurde von der Falaise abgetrennt und spaltet sich wiederum in kleine<br />

Bestandteile. Um den Zeugenberg herum befindet sich ein Schuttwall aus<br />

dem Erosionsmaterial, der Glacier genannt wird<br />

• Auf dem Weg nach Timbuktu stellen wir eine beginnende Dünenbildung<br />

fest. In der Halbwüste befinden sich Trockenflussbetten (Wadis), die an<br />

den Furten betoniert sind damit die Vielzahl an kleinen Orten ,und auch<br />

Timbuktu, nicht von der Außenwelt abgeschnitten werden wenn Regenzeit<br />

ist<br />

• Abends: gemeinsames Essen mit unserem Fremdenführer in Timbuktu.<br />

Anschließendes Teetrinken mit Mohammed.<br />

Verfasser: Mirjam Krüger


Mittwoch, 18. Februar 2009<br />

Stadtführung mit unserem Fremdenführer Kalili, der uns die 3 Tage in Timbuktu<br />

begleiten wird.<br />

• 3. Moscheen in Timbuktu: Die Moschee Djngurei-Ber ist die älteste und<br />

größte Timbuktus und wurde im Jahre 1325 von Kanaka Musa erbaut. Sie<br />

verfügt über 2 Minarette und es finden mehr als 1300 Personen in ihr Platz.<br />

In der Moschee gibt es getrennte Bereiche für Frauen und Männer, junge<br />

Frauen und ältere Frauen (ab den Wechseljahren) dürfen die Moschee<br />

nicht betreten.<br />

Die zweite Moschee in Timbuktu ist kleiner und wurde im Jahre 1400<br />

erbaut. Sie ist nach ihrem ersten Imam Sidi Yahiga benannt, der aus<br />

Andalusien kam und gleichzeitig der letzte Heilige Timbuktus ist.<br />

Auch die dritte Moschee Sankoré wurde im 15. Jahrhundert, also zur<br />

Blütezeit Timbuktus, erbaut. An ihr war die wichtigste Universität<br />

angegliedert, in der alle Dokumente der Stadt gelagert waren. Nachdem<br />

das Songhai-Reich zerbrach und der Reichtum verflogen war verließen<br />

viele der Gelehrten und Reichen <strong>Mali</strong> und viele Dokumente der Stadt<br />

gelangten so ins Ausland (beispielsweise nach Frankreich, Marokko). Bis<br />

heute kämpft der Präsident <strong>Mali</strong>s dafür diese Dokumente zurück in die<br />

Stadt zu bekommen.<br />

221


222<br />

Alle drei Moscheen bestehen aus Lehm und müssen jährlich vor der<br />

Regenzeit wieder restauriert werden, da der Lehm ausgewaschen wird.<br />

Lehmbauweise vs. Kalkstein: Die Häuser und Moscheen werden traditionell<br />

aus Lehm erbaut, allerdings benutzten inzwischen wohlhabende Einwohner<br />

auch Kalkstein, da dieser länger hält als der Lehm und nicht jedes Jahr<br />

restauriert werden muss. Es muss beim Bau von Kalksteinhäusern ein<br />

Antrag bei der UNESCO gestellt werden, da die traditionellen Lehmhäuser<br />

zu dem Kulturerbe Timbuktus gehören. Viele Einwohner Timbuktus sind<br />

gegen die Bauweise mit Kalkstein, weil eine jahrhundertlange Tradition<br />

verloren geht<br />

• Heiligenkult: In Timbuktu gibt es 333 Heilige, die über die ganze Stadt<br />

verteilt sind. Die Einwohner kontaktieren bei familiären oder anders<br />

gelagerten Problemen den Ältesten und dieser sagt ihm, zu welchem<br />

Heiligen die Person gehen muss. In Timbuktu gibt es eine sehr<br />

ausgeprägte Heiligenkultur, so dass auch viele Menschen aus den<br />

Nachbarländern hierhin pilgern und die Heiligen kontaktieren.<br />

• Der Friedhof: Die Muslime kennen das Kreuz als Symbol auf einem Grab<br />

nicht und es ist ebenfalls unüblich den Namen des Toten aufzuschreiben.<br />

Der Leichnam wird in Stoff eingewickelt und mit dem Kopf gen Mekka<br />

begraben.<br />

• <strong>Große</strong> Feste: In der Stadt werden traditionell drei große Feste gefeiert.<br />

Dazu zählt die Feier zum Ende des Fastenmonats Ramadan, das Sheep-<br />

Festival, bei dem ein Schaf für die Gläubigen, die zu Arm oder Krank sind<br />

um nach Mekka zu pilgern geopfert wird und das Maulut Festival. Dieses<br />

Festival wird zu Ehren der Geburt des Propheten Mohammeds gefeiert und<br />

findet um die größte Moschee Djngurei-Ber herum statt. An diesem Fest<br />

können alle Anwohner teilnehmen und eine dreifache Teilnahme ist<br />

gleichzustellen mit einer Fahrt nach Mekka.<br />

• Die Koranschulen: Sowohl Mädchen als auch Jungen in Timbuktu gehen<br />

zur Koranschule, in denen sie den Koran und die Religion erlernen. Viele<br />

Kinder besuchen die Koranschulen nur in den Ferien oder am<br />

Wochenende, wenn sie nicht in der „richtigen“ Schule (Medersen) sind oder


ihren Familien bei der Hausarbeit helfen. Einige Jungs werden von ihren<br />

Familien geschickt, um bei dem Koranlehrer zu leben. Sie müssen dafür<br />

Essen und Kleidung erbetteln und dieses an den Lehrer abgeben. Viele<br />

dieser Kinder sprechen kein arabisch und lernen „nur mit dem Herzen“- sie<br />

werden Talise genannt. Es sind vor allem Jungen aus armen<br />

Verhältnissen, dessen Eltern keine andere Möglichkeit sehen ihre Kinder<br />

aufzuziehen<br />

• Im Hause der Tuareg: Die Haustüren der Tuareg bestehen aus drei<br />

Ringen, die symbolisch für den Vater, die Mutter und das Kind stehen. Sie<br />

bestehen aus Tik-Holz, dass aus der Elfenbeinküste stammt. Das Innere<br />

des Hauses besteht aus Lehm, der Boden ist aus Sand und die Wände<br />

sind häufig farbig bemalt. Die Töchter des Hauses folgen im Alltag der<br />

Mutter und lernen so ihre Aufgaben währen die Söhne die handwerklichen<br />

Tätigkeiten vom Vater erlernen. Ein Tuareg-Mann muss in seinem Leben<br />

ein Handwerk erlernen um eine Frau zu bekommen und die Familie später<br />

zu ernähren.<br />

Die Frau hat bei den Tuareg eine sehr hohe Stellung…<br />

Einige Familien haben vor ihren Häusern einen großen Lehmofen stehen,<br />

in dem das traditionelle Brot „Takula“ gepacken wird.<br />

• Die Bellas: Die Bellas sind eine Ethnie, die als Hausangestellte der Tuareg<br />

arbeiten. Bis ins 20. Jahrhundert waren die Bellas die Sklaven der Tuareg.<br />

Sie leben in Zelten um Timbuktu herum, die aus einem Holzgepflecht<br />

bestehen und mit Tierhaut abgedeckt werden.<br />

• Kanalisation: In Timbuktus Altstadt entsteht Schritt für Schritt ein<br />

Kanalisationssystem. Das Abwasser fließt über Pipelines aus den Häusern<br />

und gelangt in eine Unterwasserleitung. Dort wird es gesammelt und<br />

beispielsweise für die Lehmherstellung verwendet. Dieses System ist ein<br />

riesen Fortschritt, da in vielen Teilen Timbuktus und in allen anderes<br />

Städten <strong>Mali</strong>s das Abwasser direkt auf die Wege gekippt wird.<br />

Einhergehend mit diesem Projekt werden die Sandwege in der Altstadt<br />

ebenfalls mit Steinen ausgelegt, damit die Unterwasserleitungen entstehen<br />

können. Die Tuareg versprechen sich von diesen Maßnahmen, dass in<br />

Zukunft noch mehr Touristen Timbuktu besuchen.<br />

• Das „reiche“ Timbuktu: im 15. Jahrhundert war Timbuktu eine bekannte<br />

und reiche Handelsstadt des Songhai-Reiches. In der Stadt waren mehr als<br />

150 Koranschulen ansässig und 20.000 Studenten lebten hier, sie galt als<br />

das Zentrum der Gebildeten. Timbuktu war ebenfalls ein wichtiges Zentrum<br />

für den Handel von Wüstensalz und Gold. In dieser Blütezeit kamen auch<br />

viele Erforscher aus dem Ausland und der erste von ihnen war der Araber<br />

Ibn Battula im Jahre 1353, der auch viele Bücher über Timbuktu schrieb.<br />

Für die nachfolgenden Forscher gestaltete es sich schwieriger, da sie der<br />

arabischen Sprache nicht mächtig waren. Der Schotte Major Alexander<br />

Gordon Laing kam 1826 nach Timbuktu und wurde von den Tuareg<br />

ermordet, da er sich nicht mit ihnen Verständigen konnte und die Tuareg<br />

dachten, dass er in Europa über ihr Handelsgeschäft berichten wollte. Der<br />

Eroberer René Caillié, der kurz nach dem Schotten eintraf bereitete sich<br />

besser auf seine Afrika-Forschung vor- er lernte arabisch und gab sich als<br />

Muslim aus. Er kehrte als erster Europäer erfolgreich nach Frankreich<br />

zurück und keiner glaube ihm, dass er tatsächlich in Timbuktu gewesen ist.<br />

223


224<br />

Um dies zu prüfen würde dann der deutsche Andreas Barth nach Timbuktu<br />

entsandt. (vgl. Referat von Friedericke Brumhardt). Die Häuser der<br />

europäischen Afrika-Forscher sind in Timbuktu zu besichtigen.<br />

• Der Markt: Der größte Markt Timbuktus ist in die Quartiere Kochen, Tiere<br />

und Dekoration unterteilt. Die Früchte und das Gemüse müssen aus dem<br />

Süden <strong>Mali</strong>s hierher transportiert werden und sind deshalb durchschnittlich<br />

teurer als im restlichen <strong>Mali</strong>.<br />

• Das Salz, für das Timbuktu bekannt ist, wird in einer Salzmine in der Wüste<br />

gewonnen. Die Reise dorthin dauert 15 Tage hin und wieder zurück mit<br />

einer Karawane. Anschließend an die Stadtführung haben wir auf dem<br />

größten Markt Timbuktus in dem Restaurant „Poulet dòr“ zu Mittag<br />

gegessen.<br />

• Um vier Uhr nachmittags sind wir mit Dromedaren in ein Campement in der<br />

Wüste geritten. Dort wurden wir herzlich mit einem Abendessen begrüßt,<br />

es gab ein Lamm und dazu Takula, das traditionelle Brot. Nach einem<br />

kleinen Lagerfeuer haben wir in Zelten oder optional im Freien übernachtet.


• Wir haben das außergewöhnliche Phänomen erlebt, dass es in der Wüste<br />

während der Trockenzeit leicht geregnet hat. (siehe Abb. 7) Dieses lässt<br />

sich dadurch erklären, dass der Passatwind ausgesetzt hat. Dadurch kann<br />

die thermische Inversion stattfinden- die Flüssigkeit aus dem Wasser<br />

(Niger) verdunstet und es regnet. Durch die Wolkendecke hatten wir aber<br />

eine sehr milde Nacht.<br />

• Das Campement ist ein gutes Beispiel wie endogene Potenziale des<br />

Landes wie in diesem Beispiel die Landschaft optimal genutzt werden um<br />

nachhaltigen Tourismus auszuüben (vgl. Ausarbeitung „Nachhaltiger<br />

Tourismus“ von Mirjam Krüger<br />

Verfasser: Mirjam Krüger<br />

225


Donnerstag, 19. Februar 2009<br />

226<br />

• Frühstück im Camp<br />

• Rückfahrt nach Timbuktu mit Geländewagen<br />

• Tin Telout/Treffen mit El Kassim Ag Hade<br />

Tin Telut (Ort an dem die Elefanten waren) ein 1963 als Durchgangscamp<br />

der Nomaden gegründeter Ort unweit des Niger, heute eines der<br />

Vorzeigeprojekte der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit in <strong>Mali</strong>.<br />

Die dort lebenden Menschen sichern ihren Lebensunterhalt hauptsächlich<br />

als nomadische Viehhalter, Ackerbauen und Fischer. Desertifikation,<br />

Dürren und Bevölkerungswachstum erschweren die Lebensbedingungen.<br />

Bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, ausgelöst durch<br />

Forderungen der Tuareg nach Selbstverwaltung, erschütterten zwischen<br />

1990 und 1995 die Gegend.<br />

In Tin Telut treffen wir El Kassim Ag Hade, den Vertreter des Programms <strong>Mali</strong>-<br />

Nord in Timbuktu.<br />

Wegen der miserablen Situation der Gegend – neben dem Krieg wurden die<br />

ansässig gewordenen Menschen zusätzlich mit großen Dürren, Aufteilung der<br />

Wüste in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten im Norden,<br />

Westsahara, Mauretanien und <strong>Mali</strong> im Westen und Niger, Tschad und Sudan<br />

im Süden bzw. Osten und dauerhaft zunehmender Desertifikation konfrontiert -<br />

sowie die Gunstlage Tin Telouts dank der Nähe zum Niger wählte die GTZ im<br />

August 1995 den Ort als Standort für ein Notfallprojekt. 1998 ging dies zu<br />

einem der heute 36 Landgemeinden für das Programm <strong>Mali</strong> Nord über.


Folgende Ziele wurden formuliert:<br />

• Aufbau der Infrastruktur (Neubau und Wiederherrichtung von<br />

Brunnen, Bewässerungsanlagen, Wohnhäusern, Schulen,<br />

Krankenhäusern und Strassen)<br />

• Wiederherstellung der staatlichen Verwaltung<br />

• Schaffung einer neuen Existenzgrundlage für die nun sesshaft<br />

gewordene Bevölkerung mit modernen Bewässerungsmethoden<br />

durch Motorpumpen<br />

• (Wieder-)Aufbau der politischen Unterstützung durch die malische<br />

Regierung<br />

• Materielle Förderung<br />

Nachdem die Finanzierung abgeklärt war 9 , wurde direkt mit der Arbeit begonnen.<br />

Saatgut und langwirtschaftliche Geräte sind gestellt worden. Es galt keine Zeit zu<br />

verlieren, da der Monat August mit der Aussaht stets den Beginn der<br />

landwirtschaftlichen Saison darstellt.<br />

Parallel dazu bauten die Zivilbevölkerung in Zusammenarbeit mit Fachkräften das<br />

Dorf auf – Gesundheitszentren, ein Schulgebäude mit sechs Klassen für rund 100<br />

Kinder und eine solarbetriebene Wasserpumpe zur Trinkwasserversorgung des<br />

gesamten Dorfes wurden gebaut und die GTZ begann mit der politische<br />

Aufklärungsarbeit Verschiedene Ethnien wurden zusammengeführt, indem sie u.<br />

a. gemeinsam von ein und derselben Wasserpumpe Gebrauch machen mussten.<br />

Zudem bildete die GTZ KrankenpflegerInnen für die Gesundheitszentren aus.<br />

!998 wurde das Notfallprojekt zu einem Entwicklungsprojekt erweitert, welcher in<br />

1. Linie den großflächigen Reisanbau (trotz des Wüstengebiets) als kurzfristiges<br />

Ziel setze. Erste Maßnahmen waren die Installation einer solarbetriebenen<br />

Wasserpumpe. Bis 1990 konnten 30 ha Reisfelder kultiviert werden, bis heute<br />

sind es 300 ha.<br />

Bei unserer Rundfahrt durch das Dorf, entlang der landwirtschaftlich genutzte<br />

Fläche bis hin zu einem Seitenarm des Niger erzählt uns El Kassim Ag Hade von<br />

den zwei zentralen Problemen der Region.<br />

1. die zwei Extremen von zu viel Wasser in der Regenzeit zwischen Juni und<br />

September und kein Wasser über den Rest des Jahres. Dies sagt uns, dass die<br />

Nebenarme des Niger keine perennierenden Gewässer sind, d. h. sie nicht das<br />

ganze Jahr über Wasser führen.<br />

2. die stetig zunehmende Verwüstung, Desertifikation. Zu letzteren Punkt sagt er,<br />

dass wenn in den nächsten 50 Jahre die Wüstenbildung in einem ähnlichen<br />

Tempo voranschreite wie es die letzten 50 Jahre der Fall war, der Niger nicht<br />

mehr vorhanden sein werde. Dies führe zu einer starken Gefährdung der<br />

9 Finanziert wird das Projekt <strong>Mali</strong> Nord aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit der<br />

Bunderregierung. Drei Fünftel der 63,9 Mio. Euro in Form von Technischer Zusammenarbeit über die<br />

GTZ, zwei Fünftel in Form von Finanzieller Zusammenarbeit über die KfW. Zudem hat das<br />

Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) das Programm <strong>Mali</strong>-Nord von 1996 bis 1999 mit<br />

Euro 2 Mio. finanziert. Das Nothilfeprogramm der Europaeischen Kommission (ECHO) hat zwischen<br />

1996 und 1999 insgesamt EURO 4 Mio. beigesteuert.<br />

Das Welternährungsprogramm (WEP) gewährt keine finanziellen Leistungen, sondern liefert Getreide,<br />

Öl und Fischkonserven. Seine Zuwendungen von 1996 bis Ende 2006 hatten einen Gegenwert von<br />

rund Euro 3,2 Mio. Aus Mitteln der japanischen Kooperation beauftragt das WEP das Programm <strong>Mali</strong>-<br />

Nord daneben seit dem Jahr 2006 alljährlich drei neue dörfliche Bewässerungsfelder (PIV) im Sektor<br />

Bara Issa herzurichten. Quelle: http://www.mali-nord.de (13.04.2009)<br />

227


Landwirtschaft rund um Tin Telut. Diesem Prozess, werde durch Anpflanzung von<br />

Bäumen und Sträuchern entgegengearbeitet, sagt er.<br />

Während dieser Fahrt stellen wir fest, das der ausgetrocknete Boden sehr<br />

sandhaltig ist und schließen auf Grund der Rissbildung auf einen erhöhten Gehalt<br />

von Ton.<br />

Am Fluss angelangt zeigt uns der Vertreter des Programms <strong>Mali</strong> Nord eine der<br />

420 motorisierten Wasserpumpen der Region Timbuktu, die zur Bewässerung der<br />

Felder verwendet werden. Diese bewässern jeweils 40 ha, haben eine Wert von<br />

15 000 000 CFA ( ca. 23 000€) und seien von der GTZ bezahlt worden. Zudem<br />

bilde die GTZ pro Pupe zwei Fachkräfte aus, welche diese warten können und<br />

stelle eine Reperaturwerkstatt mit Ersatzteilen und zwei Ingeneuren.<br />

Dank dieser Pumpen, könne pro Hektar im Jahr bis zu fünf mal geerntet werden.<br />

Auf der Rückfahrt kommen wir auf das Thema Bodenversalzung zu sprechen.<br />

Das Problem liegt der fehlenden Entwässerung trotz Bewässerung zu Grunde.<br />

Im Boden werden Salze angereichert, welche nicht wieder herausgewaschen<br />

werden. Eine Versalzung des Bodens ist die Folge.<br />

Später unterhalten wir uns in Gemütlicher Runde mit einem Glas Tee unter einem<br />

typischen Tuareg-Zelt. El Kassim Ag Hade erzählt uns von der heutigen<br />

Lebensweise der Touareg on Tin Telut. Auch wenn die Dorbewohner unserer<br />

Ansicht nach sesshaft geworden seien, seien sie es von der Mentalität noch<br />

lange nicht, sagt er. Auch wenn sie nicht mehr die Herren der Wüste mit ihren<br />

über 100 Rinden und Kamelen sind, träumen jedoch alle noch von dem Leben als<br />

Nomaden. Dies führe dazu, dass es nach wie vor viele gibt die in der<br />

landwirtschaftlichen Nebensaison zwischen Januar und August mit einer kleinen<br />

Herde unterwegs seien, auch wenn dies nicht mehr zum Überleben notwendig<br />

sei. Dies sei die Balance zwischen Tradition und Moderne. Übrigens, sagt er,<br />

habe der Krieg nicht nur Nachteile, insbesondere für die heutige Zeit mit sich<br />

geführt. Zum Beispiel haben viele junge Männer in den Gefangenlagern andere<br />

Dinge gelernt, als bisher von Generation zu Generation weitergegeben wurde<br />

(Nomadentum und Viehzucht). Das habe dazu geführt, dass einige heute<br />

228


Einstellungen beim Staat oder dem Militär bekommen konnten.<br />

Auf unsere Fragen antwortet El Kassim Ag Hade wie folgt:<br />

StudentIn: „Wie groß ist das Land in etwa, was eine Familie zu bestellen hat?“<br />

Antwort: „Die Größe des Feldes ist abhängig von der Größe der Familie.<br />

Zwischen einen halben und drei Hektar. Dabei wird grundsätzlich ein Teil er<br />

Erträge gespart. Dies gleicht einem nachhaltigem Ansatz“.<br />

StudentIn: „ Wie ist die Arbeit zwischen Männern und Frauen aufgeteilt?“<br />

Antwort: „Es gibt eine klare Aufteilung der Aufgaben. Die Frauen kümmern sich<br />

um den Haushalt, die Wäsche und die Kinder und erledigen die Aussaht und die<br />

Pflege auf dem Feld. Die Männer sind für das Ernten und Lagern der Erträge<br />

zuständig.<br />

StudentIn: „Hat die schöne Zufahrtsstarsse nach Tin Telut auch was mit dem<br />

Projekt zu tun?“<br />

Antwort: „Nein, die Strasse wurde von der EU subventioniert.“<br />

StudentIn: „ Wie ist die Trinkwasserversorgung organisiert?<br />

Antwort: „Alle haben gleichermaßen das Recht zum Zugang zum Wasser und<br />

zahlen dafür den gleichen monatlichen Beitrag. Von dem Geld werden<br />

Reparaturen bezahlt. Normalerweise liegt es in der Tradition, dass ein Touareg<br />

einen Anderen, sowie dessen Vieh immer von seinem Wasser umsonst trinken<br />

lässt. Niemand darf einem Anderen Wasser verweigern. Leider ist das in der<br />

Größenordnung wie die es heutzutage der Fall ist nicht mehr möglich. Manchmal<br />

kommen bei absoluter Trockenheit Savannenführer mit über 400 Kamelen. Also<br />

zahlen die Vorüberziehenden einen kleinen Betrag für das Wasser, in er Regel<br />

pro Kamel.“<br />

StudentIn: „Wie gelangen die Dorfbewohner an Güter die sie nicht selbst<br />

produzieren können?“<br />

Antwort: „Es wird immer etwas von den Erträgen aber z. B. auch vom<br />

229


Kunsthandwerk zum Tausch aufbewahrt.“<br />

Leider haben wir auf Grund von Zeitmangel nicht mehr die Möglichkeit über das<br />

Erreichen oder das Scheitern der zu Beginn formulierten Ziele von 1995 zu<br />

sprechen.<br />

• Einladung bei Mohameds Familie<br />

Am Abend sind wir die der Familie unseres „Busguides“ (er ist nicht der Fahrer,<br />

sondern dessen Assistent) Mohammed eingeladen. Wir werden laut singend und<br />

tanzen empfangen (siehe Abb. 11) und uns werden sofort Getränke angeboten.<br />

Als es dunkel wird werden wir in das Haus einem von Mohammends Brüdern<br />

geleitet um dort Abend zu essen (siehe Abb.12). Wir bekommen ein 3-gängies<br />

Menü (Salat mit Brot, Hünchen mit Couscous und Pommes Frites, süßes<br />

Hirsegetränk) bei dem allem Anschein nach weder Kosten noch Mühen gespart<br />

wurden. Die symbolische (Geld-)Geschenkübergabe verläuft sehr emotional.<br />

Gegen 22.00Uhr verabschieden wir uns von der großen Familie.<br />

• Übernachtung im Hotel in Timbuktu<br />

Verfasser: Theresa Lauw<br />

230


Freitag, 20. Februar 2009<br />

• Rückfahrt von Timbuktu nach Sevare´ über Douzenta.<br />

Erste Krankheiterscheinungen bei StudentInnen treten auf. Mittagessen in<br />

Douzenta (Brot mit Omelette).<br />

• Ankunft in Sevaré gegen 17.30Uhr<br />

Verfasser: Theresa Lauw<br />

231


Samstag, 21. Februar 2009<br />

Abfahrt in Bandiagara<br />

232<br />

- nach dem Frühstück machen wir noch ein Abschiedsfoto mit M. Guindo<br />

(der frühere Haushälter von Dr. Luttmann) und Marianne (die Nachbarin,<br />

die Perlenketten fertigt), die mit ihrer Tochter Fatime gekommen ist<br />

- beim Gepäckeinladen kommt es noch zu einem schmerzhaften<br />

Zwischenfall für Friederike: sie wird von einem Skorpion gebissen, der wohl<br />

von unseren Essensvorräten angelockt wurde – Anke therapiert mit den<br />

berühmten Dogonzwiebeln<br />

Fahrt nach Mopti-Sevaré<br />

- beim Aufbruch gegen 9.00h winkt das gesamt Personal der Toguna<br />

- wir haben strahlenden Sonnenschein und die Stimmung ist gut<br />

- die restlichen Berge an Gastgeschenken, die wir während der letzten Tage<br />

in B. eingeheimst haben, teilen wir auf der Fahrt untereinander auf<br />

- Lisa nutzt die Gelegenheit, um die Perspektive von Muhammeds Platz aus<br />

zu testen<br />

- da die Fahrertür des Busses immer wieder während der Fahrt von selbts<br />

aufgeht, greifen wir durch und fixieren sie mit Hilfe einer Kordel – auch<br />

wenn Omar das für überflüssig hält...<br />

Ankunft in Mopti-Sevaré<br />

- nach einem fröhlichen Wiedersehen mit den Timbuktu-Reisenden wird uns<br />

das Ausmaß der Krankenfälle erst richtig bewusst – in den vergangen<br />

Tagen hatten immer mehr mit Durchfallerkrankungen zu kämpfen<br />

- Prof. Pez greift auf seine Ausbildung als Sanitäter zurück und steht allen<br />

bei – Nachtwachen inklusive<br />

- wir bemühen uns Kranke und Gesunde trotz beengten Räumlichkeiten zu<br />

trennen<br />

- die für heute geplante Weiterfahrt nach Ségou ist unter diesen Umständen<br />

nicht möglich – dankenswerterweise überließ uns Jutta das Gästehaus<br />

spontan für eine weitere Nacht<br />

- da es nicht genug Betten für alle gab, nutzten wir unsere Moskitodome und<br />

breiteten uns auf Terasse und Dach aus<br />

Atelier de transformation des des déchets plastiques de Sevaré<br />

- Prof. Pez fuhr am Nachmittag mit allen Gesunden zu einem Projekt der<br />

NRO „AGAKAN“, die Plastikmüll recyclen<br />

- Die Wertstoffe werden von (überwiegend) Frauen auf den Feldern<br />

aufgelesen (wie an anderer Stelle erwähnt, wird in <strong>Mali</strong> der Müll, der zum


größten Teil organisch ist, als Dünger verwendet, wodurch auch<br />

Plastiktüten etc. überall herum liegen). Samstags kann das Material<br />

abgegeben werden – daher sahen wir viele Frauen auf dem Gelände.<br />

- Pro Kilo gibt es 50 CFA<br />

- So können auch Familienmitglieder, die bisher nichts zum<br />

Haushaltseinkommen beitrugen, dieses steigern<br />

© Prof. Dr. Peter Pez<br />

- Das Material wird in Öfen geschmolzen und mit Sand versetzt<br />

- Die entstehende schwarze Masse wird in Formen gegossen und zu Briketts<br />

gebrannt<br />

- Diese werden zum Straßenbau genutzt und halten normaler Belastung<br />

stand. Es gibt sie in zwei Qualitäten (4kg schwere für Plätze und Wege, 7<br />

kg schwere für Straßen, die von LKWs und Bussen befahren werden). Für<br />

die 4kg-Briketts braucht man 25kg Plastik und 60kg Sand, für die 7kg-<br />

Briketts 35kg und ebensoviel Sand. Man erhält 20 Briketts. Teilweise wird<br />

auch Gummi beigemischt.<br />

- Es gibt ein Archiv mit Mustern unterschiedlicher Form/Zusammensetzung:<br />

© Mathias Becker<br />

233


234<br />

- Die Arbeiter tragen Masken zum Schutz gegen giftige Gase, die uns der<br />

Vorarbeiter auf Nachfrage zeigte – eine konsequente Anwendung war für<br />

uns aber nicht zu erkennen. Viele der Stoffe, die noch auf dem Schild an<br />

der Einfahrt aufgeführt sind, werden nicht mehr verarbeitet, da sie zu giftig<br />

sind:<br />

© Mathias Becker<br />

- Insgesamt werden zehn Leute beschäftigt.<br />

Lateritabbau<br />

© Prof. Dr. Peter Pez<br />

- Anschließend weist uns Prof. Pez noch auf einen nahe gelegenen<br />

Lateritabbau hin


- Das Material wird in Gruben abgegraben und für den Straßenbau<br />

verwendet, wobei es durch bewässerte Walzen verfestigt wird.<br />

- In seiner Mikroform kann es als Granulat für wirtschaftliche oder private<br />

Zementherstellung dienen. Die Granulatmischungen differieren je nach<br />

Klima, letztendlich ist das Material aber nicht geschützt genug gegen<br />

Erosion.<br />

- In unserem Fall war das Laterit bis auf den Grundwasserspiegel<br />

abgegraben worden.<br />

- Prof. Pez wies darauf hin, dass das Material über Jahrmillionen der Erosion<br />

ausgesetzt war und so auch andere Stoffe ausgewaschen wurden. Hier<br />

vermutete er Kieselerde, Hermathit und Fe2O (Eisen) wegen der<br />

Rotfärbung.<br />

- Es handelt sich um Sedimentgestein, was an der Schichtung des<br />

Ausgangsgesteins auf 10 m Tiefe zu sehen ist.<br />

- Auch weiße Teile waren sichtbar, vermutlich Kalk (vgl. Kreideberg in<br />

Lüneburg, wo die Kreide oberflächlich angeschnitten ansteht).<br />

- In einer Pfütze wies Prof. Pez des weiteren auf eine Schrumpfrissbildung<br />

doppelter Handbreite hin – hier quillt Ton.<br />

- Der gefundene Lateritklumpen ist verhüttungsfähig, aber nicht<br />

verhüttungswürdig.<br />

- Entstanden ist das Material durch Insolationsverwitterung (gr.<br />

Temperaturunterschiede)<br />

Anschließend hatten wir Freizeit bzw. die Möglichkeit nochmals nach Mopti zu<br />

fahren.<br />

Verfasser: Margaretha Kühneweg, Mathias Becker<br />

235


Sonntag, 22. Februar 2009<br />

Fahrt von Mopti-Sevaré nach Ségou<br />

236<br />

- Am Morgen verkündete Prof. Pez, dass Transportfähigkeit gegeben<br />

- Abdoulaye Guindo, der uns am 14.02. über die Arbeit der Agence du<br />

Bassin du fleuve Niger berichtet hatte, kam um uns zu verabschieden und<br />

machte ein Gruppenfoto<br />

- Gegen 9h traten wir die Fahrt nach Ségou an<br />

- Mittagessen in San<br />

- Bei einer kleineren Panne vertrieben wir uns die Zeit mit Papayaessen und<br />

wurden unfreiwillig zu einer Attraktion – eine große Reisegruppe ruht sich,<br />

teils liegend, im Schatten der verwaisten Markständen aus und isst auch<br />

noch in der Öffentlichkeit! Nein, keines der Kinder wollte mit essen.<br />

Ségou – Bogolanzentrum „Le Ndomo“<br />

- Nach mehr als sechs Stunden Fahrt erreichten wir das uns bereits<br />

bekannte Hotel „Djoliba“<br />

- Direkt nach dem Abladen brachen alle, die noch Energie hatten zu einem<br />

mit Dr. Luttmann zu einem berühmten Handwerkszentrum auf<br />

- Wir hatten kein Treffen vereinbart und der anwesende Hausmeister konnte<br />

den Besitzer auch nicht mehr erreichen, aber Mamadou, einer seiner<br />

Schüler, der sich bereits selbständig gemacht hat, kam eigens um uns alles<br />

zu zeigen<br />

- Das Zentrum befindet sich in einem großen Gebäudekomplex, der<br />

aufwendig im Bankostil gestaltet wurde, und das typische Rot der Häuser<br />

von Ségou aufweist<br />

- Wir wurden auf die Architektur des Eingangsbereichs hingewiesen: die fünf<br />

Zinnen verweisen auf die fünf Hörner an der Maske der ersten<br />

Initiationsphase in der Mandégesellschaft, die wiederum für die fünf Finger<br />

einer Hand stehen; Kaurimuscheln dienten früher als Währung und<br />

symbolisieren Reichtum; die Anzahl fünf kann man auch als drei und zwei<br />

sehen – die Symbole für Mann bzw. Frau und zusammen genommen das<br />

Symbol für Vollkommenheit


© Robert Oschatz<br />

- Fazit: es handelt sich um einen Ort für junge Menschen<br />

- Die Zeit der Initiation soll jungen Menschen, die auf der Suche nach<br />

Wissen sind, jemanden an die Seite stellen, der Ihnen zeigt, wie man im<br />

Leben zurecht kommt<br />

- „Le Ndomo“ bietet Kurse in der Bogolantechnik für junge Leute<br />

- In der Stadt gibt es noch ein weiteres Zentrum für Frauen<br />

-<br />

- Zum Färben werden Pflanzen verwendet – diese bei den Bambara und den<br />

Bozo bekannten natürlichen Farbstoffe werden erforscht und weiter<br />

entwickelt<br />

- Die Stoffe müssen mind. 24 Stunden einweichen<br />

- Beispiele für Farbstoffe sind „Ngalama“ (Blättersud; grün), wilde Trauben<br />

(blau), Rinde (rot) – mit Hilfe dieser Grundfarben werden alle anderen<br />

gemischt<br />

© Robert Oschatz<br />

- Das eigentliche Muster ist schwarz (Tonerde)<br />

Traditionell wurde der gesamte Stoff schwarz gefärbt, indem der aufgetragene<br />

Ton mit einem natürlichen Fixierer reagierte und das Muster anschließend mit<br />

einem anderen Mittel heraus geätzt – heute trägt man einfach die schwarzen<br />

Linien auf, was wir auch ausprobieren und dank der schnellen Wirkung des<br />

Fixieres das Produkt auch mit nehmen durften<br />

© Robert Oschatz<br />

- Unser Muster lehnte sich allerdings nicht an die historischen Vorbilder an –<br />

zuvor hatten wir einen Crashkurs in den Symbolen erhalten, die traditionell<br />

237


238<br />

- bei Bogolanstoffen Verwendung finden – vielen waren so mystisch und<br />

mehrfach codiert, dass wir nicht mehr zwischen Scherzen unseres Führers<br />

und tatsächlichen Bedeutungen zu unterscheiden vermochten<br />

- Auf dem Gelände gab es auch ein Museum mit einer sehr gut gemachten<br />

Ausstellung (von den Rohstoffen, über die gefärbten Stoffe bis zu den<br />

Varianten der Muster wurde alles von Exponaten repräsentiert) mit einem<br />

umfangreichen Shop.<br />

Verfasser: Margaretha Kühneweg, Mathias Becker, Robert Oschatz


Montag, 23. Februar 2009<br />

08:00 Uhr Abfahrt in Segou<br />

ca. 13:00 Uhr Ankunft in Bamako<br />

Mittagessen bei Bintou<br />

15:00 Uhr Termin bei der Friedrich Ebert Stiftung Bamako (FES)<br />

• Empfang durch Dr. Salabary Doumbia, Programmassistent, sowie<br />

Reinhold Plate, Leiter der FES Bamako. Die deutsche politische Stiftung<br />

FES gibt es seit 1968 in <strong>Mali</strong>, entstanden ist sie durch ein<br />

Vermarktungsgesellschaftsprojekt für eine Fischereigenossenschaft in<br />

Mopti. Während der Traoré Diktatur unterstützte die FES die<br />

Oppositionsbewegung, bis die Diktatur schließlich 1986/87 anfing zu<br />

bröseln. In den Jahren 1990-92 erfolgte dann eine Revolution angeführt<br />

durch Konaré, welcher im Anschluss der erste demokratisch gewählte<br />

Präsident <strong>Mali</strong>s wurde. Unter Konarés Präsidentschaft förderte die FES<br />

die Entstehung von Genossenschaften, klein- und mittelständiger<br />

Industrie, sowie demokratische Ansätze. Dabei unterstützte sie z.B. die<br />

unterschiedlichen Parteien (wie Adema, RPM…), Medien und<br />

unterschiedliche Organisationen und Gewerkschaften.<br />

• Heute arbeitet die FES weniger auf nationaler und mehr auf regionaler<br />

Ebene. Die dabei wichtigsten Punkte sind Handel und sicherheitspolitische<br />

Fragen.<br />

• Hauptaufgabe der FES ist die politische Beratung der Parteien,<br />

Nationalversammlung, Gewerkschaften, Medienverbänden,<br />

Jugendverbänden… Dabei fungiert sie weniger als Geber, eher als Partner<br />

der Organisationen. Den Organisationen werden Themen vorgeschlagen,<br />

auch werden Seminare, Workshops, Ateliers durchgeführt. Außerdem<br />

bietet die FES Orientierung für schlecht organisierte Parteien und hilft bei<br />

der Entwicklung von neuen Parteien.<br />

• Die FES hat als einzige deutsche politische Stiftung einen Sitz in <strong>Mali</strong>. Es<br />

gibt eine gewisse Spezialisierung zwischen den einzelnen Stiftungen,<br />

diese Abstimmung und Spezialisierung ist gewünscht von Seiten der<br />

Geberländer um eine Vielfalt entwicklungspolitischer Ansätze zu<br />

ermöglichen. Jede Woche findet ein Entwicklungszusammenarbeitstreffen<br />

in der deutschen Botschaft statt, bei der die Arbeit gegenseitig abgestimmt<br />

wird.<br />

• Gewerkschaftsbewegung <strong>Mali</strong>s: Die UNTM war die ursprüngliche<br />

Dachorganisation der Gewerkschaften, nach 1998 wurde sie durch die<br />

CSDM abgelöst. Die CSDM umfasst 12 Gewerkschaftsbranchen und ist<br />

auch regional/lokal vertreten. Mit beiden Organisationen arbeitete die FES<br />

zusammen. Themen der Zusammenarbeit waren u.a. Arbeitsnormen,<br />

Vorbereitung internationaler Treffen oder auch das Kyoto-Abkommen.<br />

• <strong>Mali</strong> orientiert sich in seiner politischen und wirtschaftlichen Organisation<br />

am französischen Modell: Im öffentlichen Dienst (Schulen, Universitäten,<br />

Verwaltungen…) sind die Gewerkschaften stark vertreten, im<br />

privatindustriellen Bereich, vor allem in der Goldindustrie, eher weniger.<br />

• Bureau d’Immigration CGEM: Das Immigrationsbüro besteht erst seit<br />

wenigen Monaten in Bamako. Es hat die folgenden Aufgaben: 1)<br />

Erforschung der Migration in <strong>Mali</strong> 2) Information und Unterstützung<br />

239


240<br />

freiwilliger und unfreiwilliger Rückkehrer 3) Informationen über legale<br />

Migrationsmöglichkeiten 4) Sensibilisierung für Gefahren illegaler<br />

Migration 5) Einbeziehung von im Ausland lebenden <strong>Mali</strong>ern in die<br />

malische Entwicklung. Das Projekt ist EU finanziert und entstand aus der<br />

Argumentation, dass der Geldfluss von in der EU lebenden Migranten<br />

größer sei als die EU Fördermittel. Diese Geldströme werden jedoch nicht<br />

für die Entwicklung ausgegeben. Das CGEM stellt damit ein Testprojekt<br />

und einen Versuch die Migration zu kanalisieren dar. Das Projekt wird<br />

äußerst kritisch betrachtet, da unterstellt wird lediglich billige malische<br />

Arbeitskräfte für die europäische Landwirtschaft finden zu wollen.<br />

• Mangel an politischem Interesse ist ein großes Problem für <strong>Mali</strong>,<br />

verursacht durch Geldmangel und Mangel an Bildung. <strong>Mali</strong> hat eine sehr<br />

hohe Analphabetenquote und das Niveau der Bildung sinkt. Ein<br />

Strukturanpassungsprogramm in den 80er Jahren führte zu zahlreichen<br />

Entlassungen von Lehrkräften und zur Schließung von<br />

Lehrerbildungsinstituten. Durch die mangelnde Bildung sind die <strong>Mali</strong>er<br />

weder regional noch international konkurrenzfähig. Ein Grund dafür ist<br />

auch die Nicht- Unterstützung der mittleren Schicht.<br />

• Ein weiteres Problem ist die Abwanderung der Jugendlichen vom Land in<br />

die Stadt. Eine Lösung hierfür wäre die Landwirtschaft attraktiver zu<br />

machen.<br />

• Die extreme Vermehrung der Non-Governmental Organizations wird<br />

problematisch gesehen, da viele Gelder aus dem Ausland fließen, es<br />

Modethemen gibt und die gesamte Arbeit relativ wenig koordiniert wird.<br />

Die FES unterstützt NGO Arbeit in der Legislative und im Parlament nicht.<br />

Auch werden z.B. Frauen nur innerhalb von Parteien gefördert.<br />

Verfasser: Lisa Trager, Melanie Kühl


Dienstag, 24. Februar 2009<br />

10:30 Uhr Termin bei Point Sud (PS), ein wissenschaftliches<br />

Forschungszentrum in Bamako<br />

• Empfang durch Moussa Sissoko, Leiter des Zentrums und mehrere<br />

Mitarbeiter unterschiedlicher Projekte<br />

• Ziel von Point Sud ist die Erforschung lokalen Wissens. Das Zentrum<br />

kooperiert mit der Universität Frankfurt. Es wurde 1998 gegründet durch<br />

die Universität Bayreuth, damals noch mit einer Konzentration der<br />

Forschung auf das Office du Niger. Heute ist es ein Treffpunkt und bietet<br />

Austausch an für internationale Forscher, die nach <strong>Mali</strong> kommen. Das<br />

Zentrum vertritt einen multidisziplinären Ansatz, vertreten sind z.B. die<br />

Felder Medizin, Soziologie, Agronomie, Ethnologie… Auch die Ausbildung<br />

junger malischer Forscher ist eine wichtige Aufgabe von PS. Diese wird in<br />

der Regel von malischen oder senegalesischen Lehrern übernommen.<br />

Auch ist eine punktuelle Ausbildung möglich durch bestimmte „personnes<br />

resources“. Bisher wurden 50 Akademiker weitergebildet und an<br />

ausländische Forschungsgruppen vermittelt. Das Zentrum hat außerdem<br />

eine Koordinierungsfunktion in den folgenden Forschungsfeldern: 1)<br />

Konfliktmanagement 2) Dezentralisierung 3) Auswirkungen der Menschen<br />

auf ihre natürliche Umwelt 4) Medien/Technik 5) Immigration. Ein weiteres<br />

Aufgabenfeld ist die Informationsvermittlung durch Konferenzen.<br />

• Ein großes Problem in <strong>Mali</strong> stellt die Konkurrenz zwischen traditionellen<br />

Machtstrukturen und der Macht des Staates dar.<br />

• Dezentralisierung ist erst seit 1992 in <strong>Mali</strong> in Angriff genommen worden,<br />

die konkrete Umsetzung erst in den 2000er Jahren. Faktoren, die zu dem<br />

Dezentralisierungsprozess geführt haben waren u.a. die Überwindung des<br />

Regimes von Traoré 1990/91 und die Touareg Rebellion im Jahre 1991.<br />

<strong>Mali</strong> ist damit das erste afrikanische Land, das Dezentralisierung auf<br />

nationaler Ebene durchgesetzt hat. Heute hat <strong>Mali</strong> insgesamt 703<br />

Gemeinden.<br />

• Ziel der Dezentralisierung war die Stärkung der Demokratisierung der<br />

staatlichen Institutionen und der Gesellschaft. Heute nehmen die meisten<br />

Gemeinden die Dezentralisierungsideen an, halten aber gleichzeitig auch<br />

an stark traditionellen Strukturen fest. Der Dezentralisierungsprozess<br />

erweist sich als äußerst schwierig, ein Erfolg ist aber die Tatsache, dass<br />

heute mehr Entscheidungen als zuvor auf kommunaler Ebene getroffen<br />

werden.<br />

• Das lokale Wissen kann auch helfen menschliche Auswirkungen auf die<br />

Umwelt zu beschränken. Viele der heutigen „modernen“ Techniken sind<br />

nicht angepasst an die lokalen Gegebenheiten. Wichtig ist hier eine<br />

Bewusstseinsstärkung und die Hervorhebung der Vorteile lokalen Wissens.<br />

• Wissensvermittlung erfolgt bei PS durch das Aussprechen von<br />

Handlungsempfehlungen, Studien und Workshops, zu denen Politiker,<br />

Minister… eingeladen werden.<br />

• Ein aktuelles Forschungsprojekt ist die Erforschung des Einflusses des<br />

Handys auf das Festnetz. Das malische Festnetz kann die Bedürfnisse der<br />

Bevölkerung nicht stillen, da die Hauptanbieter überfordert sind.<br />

241


242<br />

Gleichzeitig wird erforscht wie das Handy unterschiedliche Formen des<br />

sozialen Miteinanders verändert.<br />

Verfasser: Lisa Trager, Melanie Kühl


Mittwoch, 25. Februar 2009<br />

10:00 Uhr Termin bei der Deutschen Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ) in Bamako<br />

• Empfang durch Dr. Michaela Braun Yao, technische Beraterin<br />

• Umweltpolitik <strong>Mali</strong>s: Ziel der GTZ ist es u.a. die Millenium Goals in <strong>Mali</strong><br />

umzusetzen. Diese waren zunächst eher sozial orientiert, mittlerweile liegt<br />

der Schwerpunkt auf Wirtschaft, Landwirtschaftsförderung, sowie auf<br />

Umweltthematiken. Die GTZ versucht den Gedanken an Umwelt in den<br />

nationalen Parteien durch strategische Umweltprüfungen zu fördern.<br />

Hauptaspekte sind hier erstens Fluss- und Wassermanagement und<br />

zweitens Forst.<br />

• Geberabstimmung: Ein großes Problem ist hier die Kanalisierung der<br />

Gelder. Es gibt zahlreiche Geber in <strong>Mali</strong> (z.B. Weltbank, UNO,<br />

europäische, chinesische, amerikanische Geber), die Gebergelder jedoch<br />

zu kanalisieren bedeutet einen sehr großen Verwaltungsaufwand. Um dies<br />

zu umgehen wurde die sogenannte SCAP (stratégie commune d’appui de<br />

paye) eingeführt, nach der sich auf maximal drei Sektoren konzentriert<br />

werden soll. Privilegierter Sektor ist hier vor allem die Agrarwirtschaft, das<br />

Thema Umwelt hat viel Aufmerksamkeit verloren durch diesen Prozess.<br />

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird sich nur noch bis 2011<br />

damit beschäftigen. Danach werden sich hauptsächlich die dänische und<br />

schwedische EZ mit dem Thema Umwelt beschäftigen, aber auch diese<br />

haben keine längerfristige Agenda. Das neueste Modethema ist<br />

Klimawandel, dementsprechend viele Gelder fließen hier.<br />

• Ein Problem in <strong>Mali</strong> ist, dass die nationalen Strukturen wenig<br />

zusammenarbeiten und jeder eher für sich kämpft. Ein Beispiel hierfür ist<br />

die nationale Forstbehörde, die in insgesamt drei Bereiche aufgeteilt<br />

wurde: 1) Landwirtschaft 2) Fischerei, Viehzucht 3) Umwelt. Durch den<br />

Dezentralisierungsprozess konnten kleine Infrastrukturverbesserungen<br />

ermöglicht werden, aber es fehlen weiterhin finanzielle Mittel um die<br />

laufenden Kosten zu decken. Eine Möglichkeit wäre eine Kopfsteuer der<br />

Gemeinden, dies ist aber sehr schwierig umzusetzen.<br />

• Bei einer Ausweitung der Reisproduktion in <strong>Mali</strong> stellt vor allem die<br />

spontane und willkürliche Landvergabe durch den Präsidenten ein Problem<br />

dar. Auch das Wassermanagement ist stark betroffen. Korruption und<br />

Skandale spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Verbesserung der<br />

Bewässerungsmethoden steht zwar bereits auf den Agenden, wichtig ist<br />

jedoch auch zu beachten, dass eine Ausweitung der Reisproduktion ein<br />

zusätzlicher CO2 Produzent wäre (durch Abholzung und Methangase).<br />

• Solarenergie und Photovoltaik sind häufig nur Thema in kleineren<br />

Projekten, das nationale Energieministerium beschäftigt sich eher mit<br />

Holzenergie. Probleme bei Solarenergie/Photovoltaik sind der Unterhalt der<br />

Anlagen und die Ausbildung der Betreiber.<br />

• Budgethilfe ist, anders als Projektfinanzierung, nicht an bestimmte<br />

Projekte, wohl aber an bestimmte Sektoren, gebunden. Voraussetzung<br />

hierfür sind eine klare Politik, Aktionspläne, sowie die Zusicherung der<br />

243


244<br />

Eigenkompetenz an die Länder. Dies wird jedoch stark kontrolliert durch<br />

harte Indikatoren.<br />

• Die Verkehrsinfrastruktur <strong>Mali</strong>s weist starke Mängel auf. Eine evtl. groß<br />

angelegte Budgethilfe durch die EU ist deswegen schwierig, da unklar ist<br />

auf welchen Verkehrssektor sich konzentriert werden sollte. Probleme des<br />

Eisenbahnverkehrs sind seine große Statik, dadurch entstehende<br />

mangelnde Flexibilität, sowie hohe Unterhaltskosten. Auch die Grenzen<br />

und eventuelle Grenzüberschreitungen sind für die Eisenbahnen<br />

komplizierter als für den Flugverkehr. Momentan sind jedoch Straßen der<br />

Favorit der Förderer.<br />

• Die Abstimmung in Umweltfragen mit den Nachbarländern ist bisher noch<br />

relativ begrenzt. Es existiert zwar die ABN (Authorité du bassin du Niger)<br />

mit einem zentralen Sitz in Niamé, welche die Abstimmung zwischen den<br />

Sahelländern regeln soll, jedoch bleibt es fraglich ob es über die politischen<br />

Debatten hinaus auch zur Umsetzung von Plänen kommt.<br />

Verfasser: Lisa Trager, Melanie Kühl

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