VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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144 Ernst Sodeikat<br />
Danzig völlig sinnlos, da die Separierung von keiner der Parteien etwa propagiert<br />
wurde, aber er war symptomatisch <strong>für</strong> die skrupellose Taktik der Nationalsozialisten.<br />
„In einer Massenauflage ohne Beispiel" wurde die nationalsozialistische Zeitung<br />
„Der Danziger Vorposten" in diesen Wochen verbreitet, um „der Bevölkerung die<br />
Lügen unserer Gegner vor Augen [zu] führen". Die Straßen und Plätze der Stadt<br />
Danzig und der anderen Orte im Freistaat waren in einem unvorstellbaren Ausmaß<br />
mit Flaggen und Fähnchen, mit Hakenkreuz-Emblemen, Transparenten und Girlanden<br />
drapiert. Ausländer, die nach Danzig kamen und die nicht die wahre Stimmung<br />
großer Teile der Danziger Bevölkerung kannten, mußten bei diesem Bild<br />
annehmen, daß es in Danzig nur noch Nationalsozialisten gebe.<br />
Ein Vergleich der nicht mehr zu überbietenden Propagandamöglichkeiten der<br />
Nationalsozialisten und der dagegen ärmlich geringen Werbemöglichkeiten der<br />
Opposition zeigt am treffendsten die Begünstigung der NSDAP bei der Wahl zum<br />
Danziger Volkstag. Während die Nationalsozialisten die Möglichkeit hatten, 1300Versammlungen<br />
zu veranstalten, davon zahlreiche in den größten Sälen des Landes,<br />
konnten die Sozialdemokraten während des ganzen Wahlkampfes nur sieben öffentliche<br />
Versammlungen und nur eine davon in einem größeren Saal durchführen.<br />
Das Zentrum konnte etwa die gleiche Zahl von öffentlichen Versammlungen durchführen<br />
wie die SPD; alle übrigen Oppositionsparteien - ausgenommen die polnische<br />
Partei - hatten keine Möglichkeit, auch nur eine einzige öffentliche Versammlung<br />
abzuhalten. Der Rundfunk stand fünf Wochen hindurch ausschließlich der NSDAP<br />
<strong>für</strong> ihre Agitation zur Verfügung, während kein Vertreter der Danziger Opposition<br />
auch nur ein einziges Mal durch den Rundfunk zu den Danzigern sprechen durfte.<br />
Die öffentlichen Anschlagsäulen durften in der letzten Woche vor der Wahl von<br />
der Opposition nicht benutzt werden. Die Nationalsozialisten hatten einen besonderen<br />
Ehrenschutz eingerichtet, die Oppositionsparteien besaßen kein ähnliches Mittel,<br />
um die von den Nationalsozialisten verbreitete Flut übelster Verdächtigungen,<br />
Verleumdungen und Beschimpfungen abzuwehren. Die NSDAP verfügte dazu<br />
über außerordentlich hohe Geldmittel - auch vom Reich her -, die Oppositionsparteien<br />
nur über sehr geringe.<br />
Dazu kam der beispiellose Terror der Nationalsozialisten, die Störungsversuche -<br />
zum Teil mit Tränengas - gegen sozialdemokratische und Zentrumspartei-Versammlungen.<br />
Die Besucher der Wahlversammlungen der Opposition wurden bedroht<br />
und mißhandelt; mehrere Versammlungen wurden mit fingierten Begründungen<br />
polizeilich aufgelöst. Flugblattverteiler und Zeitungsverkäufer der Opposition, besonders<br />
der Sozialdemokraten, wurden überfallen. Ein besonderer Terror war gegen<br />
die Wohnungen von bekannten Sozialdemokraten gerichtet, ganz besonders schlimm<br />
ging es dabei in den Landstädten zu.<br />
Während das Parteiorgan der Nationalsozialisten in einer - zum großen Teil frei<br />
an die Bevölkerung verteilten - Massenauflage 7 erschien, wozu dann noch die große<br />
Auflage der gleichgeschalteten „Danziger Neuesten Nachrichten" kam, wurde die<br />
7 Forster/Löbsack, a. a. O., S. 202.