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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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112 Hellmut Seier<br />

Erst im Sommer und Herbst 1933 setzte sich die Umdeutung durch, die den<br />

Rektor als Initiator der Sinneinheit sah. Der Übergang ist noch in einem Aufsatz<br />

des Göttinger Rektors Friedrich Neumann vom August 1933 spürbar, der den<br />

Führerbegriff mied, aber dem „politischen Rektorat" die Aufgabe zuschrieb, „vom<br />

Ganzen her" zu ordnen, „was in der Universität geplant und gefordert wird", und<br />

da<strong>für</strong> einzustehen, „daß die Universität geschlossen auf ihre öffentliche Aufgabe<br />

ausgerichtet ist" 32 . Hier trat auch das Arsenal der verwaltungspraktischen Rektoratskritik<br />

in den Dienst der Umdeutung. Wurden doch auch vor 1933 mancherlei<br />

Einwände laut, die sich gegen strukturelle Schwächen richteten, unter denen Amt<br />

und Stellung des Rektors leiden können: Kürze der Amtszeit, häufiger Wechsel,<br />

infolgedessen Mängel an Kontinuität und Verwaltungserfahrung, Rücksichtnahme auf<br />

Anciennität und Fakultätsreihenfolge, Dualismus im Hinblick auf die Funktionen des<br />

Kurators 38 . Diese Kritik war ihrem Ursprung nach jedoch nicht politisch motiviert.<br />

Erst unter dem Druck des Führerprinzips griff die Theorie nunmehr auf sie zurück.<br />

Wie ja denn nicht nur in der hochschulinternen Diskussion, sondern mehr noch<br />

auf seiten des revolutionären Radikalismus an der Tragfähigkeit des Untergrundes<br />

gezweifelt wurde, auf dem die Reform entstand. Fragte sich freilich die akademische<br />

Kollaboration, ob das Führerprinzip der Wissenschaft adäquat sei, so bestritt der<br />

SA-Student, daß der Gelehrte zum Führer tauge und daß die Gleichschaltung in<br />

die Gefolgschaftsbildung münde. „Es ist das Gesetz der Führung", hieß es in einer<br />

Schrift von Andreas Feickert (1934 Reichsschaftsführer der Studierenden und<br />

Führer der DSt), „daß man Untergebene nicht eigentlich führen kann; schöpferisch<br />

führen kann man nur eigenwillige Kerle, die wissen, was sie wollen, die überzeugt<br />

werden müssen, die aber, wenn sie überzeugt sind, eigenschöpferisch weiterarbeiten<br />

und auf diese ihre Führung schwören. Sind die deutschen Hochschulen<br />

als Gesamtheit heute eigenwillige Kerle? Sie sind Untergebene! Sie warten mit<br />

gebeugtem Nacken, bis eine Verfügung aus einem nationalsozialistischen Ministerium<br />

kommt." 34 Führung bedeutete hier die unmodifizierte Eingliederung der<br />

Wissenschaft in das System der politischen Herrschaft. Diese radikale Richtung<br />

forderte nicht, sondern bezweifelte die Kompetenz der Universität zur politischen<br />

Erziehung 35 . Sie leugnete die Aussicht auf Selbsterneuerung und tastete in letzter<br />

Konsequenz über die klassische Struktur hinaus, indem sie die Aufgliederung in<br />

Führerschulen, Berufsfachschulen und Forschungsinstitute betrieb 36 . Dahinter stand<br />

32<br />

Fr. Neumann, Das politische Rektorat, Grundsätzliches zur Reform der Universitätsverfassung,<br />

in: Der deutsche Student 1 (1933), Aug.-H., S. 14-21, hier S. 20.<br />

33<br />

Ebenda, S. 16 f.<br />

34<br />

A. Feickert, a.a.O., S. 10.<br />

35<br />

A. Derichsweiler, Student der Bewegung, in: Volk im Werden 3 (1935), S. 82ff.; G.<br />

Mähner, Die politische Erziehungsarbeit in den Schulungslagern des NSDStB, ebd., S. 94.<br />

36<br />

A. Holfelder, Die „politische Universität" und die Wissenschaft, in: Der deutsche Student<br />

1 (1933), Aug.-H., S. 9-14; H. Barnim, Tod der Fakultäten, ebd., Dez.-H., S. 38-41.-Die<br />

Furcht vor der Auflösung der Universität ist noch 1938 selbst bei NS-Professoren nicht gebannt,<br />

vgl. die Kieler Rede von Gaudozentenführer Hanns Löhr, in: Grundfragen der deutschen<br />

Universität und Wissenschaft, Neumünster 1938, S. 19.

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