Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Hellmut Seier<br />
wiederum die Rektoren, die Ernennungen in seinem Namen selbst zu vollziehen 195 .<br />
Dabei blieb der Rektor an ein Vorschlagsrecht der Fakultät gebunden. Der bedeutsamste<br />
Versuch, seine Rechte anzutasten, kam auch hier von Bormann. Als dieser<br />
1941 die Mitwirkung der Parteigliederungen bei der Rektorernennung beim Stellvertreter<br />
des Führers konzentrierte, wünschte er eine entsprechende Regelung <strong>für</strong><br />
die Dekane. „Ich wäre ihnen dankbar", hieß es in seinem Schreiben an Rust,<br />
„wenn Sie mich in der gleichen Weise bei der Ernennung der Dekane beteiligen<br />
würden. " 196 Während das REM bezüglich der Rektorenernennung nachgab, gelang<br />
es ihm, sich in diesem Punkte durchzusetzen. Die Antwort des REM ließ durchblicken,<br />
wie sehr man in Berlin die Autoritätsminderung <strong>für</strong>chtete, die mit dem<br />
Entzug der Dekansernennung auch nach außen hin sichtbar geworden wäre 197 .<br />
Gerade in den Fakultäten konzentrierte sich oft die akademische Reserve gegen<br />
die Manipulation der Wissenschaft. Es war eine der wichtigsten Grundsatzentscheidungen,<br />
als sich das Ministerium entschloß, an der überlieferten Fakultätsverfassung<br />
im wesentlichen festzuhalten 198 . Zwar wurden Strukturexperimente<br />
unternommen 199 , die radikale Utopie faßte den „Tod der Fakultäten" ins Auge 200 .<br />
Das änderte nichts daran, daß der Primat des Fachlichen - unter günstigen personellen<br />
Verhältnissen, aber wenn irgendwo, dann hier - Asyl und Stätte behalten<br />
konnte: die Versachlichung der studentischen Ausbildung, die Rettung wissenschaftlicher<br />
Normen, die Entpolitisierung der Promotionen und Habilitationen, der<br />
Leistungsgrundsatz bei der Beratung der Berufungsvorschläge. Den generellen<br />
Leistungsabfall allerdings, der keine bloße Kriegsfolge war 201 , haben die Fakultäten<br />
195 Diese Änderung ging auf eine Anregung des Kieler Rektors, Prof. Dr. jur. Georg Dahm,<br />
zurück. Dahm schilderte, wie schwerfällig der Weg über das Ministerium sei und wieviel<br />
Gewicht die Abberufung eines Dekans durch die ministerielle Entscheidung erhalte. „Es<br />
bedarf keiner weiteren Erörterung darüber, daß auch die Führerstellung des Rektors durch<br />
die jetzige Regelung beeinträchtigt wird" (Schr. an REM, 2. 10. 1935). In einer Referentenbesprechung<br />
am 25. 10. 1935 wurde beschlossen, „keine grundsätzliche Änderung eintreten<br />
zu lassen, sondern das Recht zu ,detachieren', sodaß künftig der Rektor seine Dekane ernennen<br />
kann" (Vermerk vom 20. 12. 1935; HAB-REM 76ff.).<br />
196 HAB-REM 244, D. Stellvertreter d. Führers an REM, 1. 2. 1941 (siehe oben Anm. 79).<br />
197 HAB-REM 245, REM an Stellvertreter des Führers, 8. 2. 1941.<br />
198 Gründe da<strong>für</strong> bei H. Huber, a.a.O., S. 21.<br />
199 Beispiele bei W. Groh, a.a.O., S. 5.<br />
200 H. Barnim, a.a.O., 38ff. Typisch <strong>für</strong> die Professorenschaft dagegen E. Anrich, a.a.O.,<br />
S. 16, der vor der „Umgestaltung der Fakultätseinrichtungen" warnte, ehe sich die „neue<br />
Wissenschaftsauffassung" geklärt habe.<br />
201 "Wie tief das Niveau sank und wieviel Übereinstimmung hinsichtlich der Ursachen<br />
bestand, das ergab eine Umfrage, die 1940 durch die Reichskanzlei eingeleitet wurde und in<br />
deren Verlauf zahlreiche Reichsminister und die Inhaber hoher Ämter in Staat, Partei und<br />
Wehrmacht zur Lage an den Universitäten Stellung nahmen (BA-R 43 II/940 b). Der Anlaß<br />
war eine Denkschrift, die der Direktor des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Metallurgie und Werkstoffkunde an<br />
der TH Dresden, Prof. William Guertler, am 31. 3. 1940 an Hitler gerichtet hatte. Guertler<br />
hatte betont, die Technik des Auslandes habe die Leistungen Deutschlands z. T. schon überflügelt.<br />
Seine Warnung richtete sich gegen die Überlastung der studentischen Jugend mit<br />
nichtwissenschaftlichen Dienstpflichten aller Art. Nahezu alle Befragten nannten als Ursachen