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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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Die jüdische Bevölkerung trat den Marsch durch die Hauptstraßen <strong>der</strong> Städte<br />

an, <strong>und</strong> es wurden bei je<strong>der</strong> Kreuzung mehr. Das Ziel dieser Märsche waren die Tabaklager,<br />

die man als Auffanglager vorübergehend adaptiert hatte. Nach ein bis zwei<br />

Tagen wurden sie in die Abfahrtszentren, Dupnica <strong>und</strong> Gornja Dzumava, gebracht.<br />

Das deutsche Generalkonsulat in Kavalla sandte folgenden Bericht an die deutsche<br />

Botschaft in Sofija: „Der Abtransport <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> aus dem Belomoriegebiet ist … zum<br />

größten Teil abgeschlossen. <strong>Ein</strong> Teil <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> befindet sich mit Gepäck auf dem<br />

Weg nach dem Sammellager Gornadjoumaja, ein an<strong>der</strong>er Teil ist dort bereits eingetroffen<br />

<strong>und</strong> interniert. Nach bislang vorliegenden Meldungen sollen insgesamt etwa<br />

4.500 <strong>Juden</strong> im Belomoriegebiet erfaßt worden sein. So weit ich ermitteln konnte,<br />

gestaltet sich ihre Abschiebung ohne beson<strong>der</strong>e Schwierigkeiten <strong>und</strong> Zwischenfälle.<br />

Bemerkenswert war nur … die offensichtliche Anteilnahme <strong>der</strong> griechischen Bevölkerung,<br />

die z.B. in Kavalla <strong>und</strong> Drama den abziehenden <strong>Juden</strong> Geschenke <strong>und</strong> sonstige<br />

wi<strong>der</strong>lich-innige Abschiedsovationen darbrachte. Wie … von zuverlässiger<br />

deutscher Seite mitgeteilt wurde, haben sich an dem unerfreulichen Schauspiel in<br />

Drama auch einige offenbar kommunistisch angehauchte Bulgaren beteiligt. Die <strong>Juden</strong><br />

selbst sollen die Abschiebung wenigstens nach außen hin gleichgültig aufgenommen<br />

haben.“ 115<br />

Nach Angaben des <strong>Juden</strong>kommissariats waren 1943 in Thrakien 4273 <strong>Juden</strong> registriert.<br />

4058 davon wurden deportiert, die übrigen 215 wurden ausgewiesen, zumeist<br />

nach Griechenland. Viele von ihnen hatten eine fremde Staatsbürgerschaft.<br />

Diejenigen aus Staaten, die von den Deutschen besetzt waren, wurden von den Bulgaren<br />

in die Lager verfrachtet, während diejenigen mit einer Staatsbürgerschaft eines<br />

neutralen Staates, z.B. Spanien o<strong>der</strong> Türkei, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> eines unabhängigen Verbündeten,<br />

z.B. Italien, meistens <strong>der</strong> Deportation entgingen. Außerdem wurden die<br />

schwer Kranken ebenso verschont wie diejenigen, die im Arbeitsdienst gebraucht<br />

wurden. 116<br />

Die <strong>Juden</strong> in Thrakien durften nicht die bulgarische Staatsbürgerschaft annehmen,<br />

deshalb behielten die meisten ihre griechische. Als die Lage bedrohlich wurde,<br />

versuchten sie, sich die Staatsbürgerschaft eines Staates zu besorgen, <strong>der</strong> sie nicht<br />

ausliefern würde. So erwarben viele die Staatsbürgerschaft Spaniens, wobei sie ihren<br />

Anspruch von ihren sephardischen Vorfahren herleiteten. Aber auch die Italiener wa-<br />

115HOPPE Hans-Joachim, Bulgarien, in: BENZ Wolfgang, Dimension des Völkermords, Die Zahl <strong>der</strong> jüdischen Opfer<br />

des Nationalsozialismus, München 1991, S 292.<br />

116CHARY Fre<strong>der</strong>ick B., The Bulgarian Jews and The Final Solution 1940–1944, Pittsburgh 1972, S 104–105; siehe<br />

auch Anhang b) Statistik <strong>und</strong> Zahlenmaterial.

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