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Michael Liska Ein Vergleich der rumänischen und bulgarischen Juden

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90<br />

Politik beeinflussen: deutsche Erfolge an <strong>der</strong> Front. Zweifellos wären die Bulgaren<br />

auch durch Rumänien <strong>und</strong> Ungarn beeinflußt worden, da Bulgarien nicht allein als<br />

judenfeindlicher Staat dastehen wollte. Auch diese <strong>Ein</strong>flüsse würden verschwinden,<br />

wenn wie<strong>der</strong> Erfolge in <strong>der</strong> deutschen Kriegführung gemeldet werden. Vorerst mußte<br />

sich Wagner auf das Abwarten beschränken. 201<br />

Am 28. August 1943 starb Zar Boris III. Das Ansehen <strong>der</strong> Achse war damals am<br />

Balkan durch den Austritt Italiens (3. September 1943) <strong>und</strong> die Rückschläge an <strong>der</strong><br />

Ostfront (Scheitern des Unternehmens „Zitadelle“, Großoffensive <strong>der</strong> Sowjets seit<br />

Mitte Juli) stark geschwächt. Bulgariens Bedeutung als Verbündeter stieg nach dem<br />

Ausfall Italiens stark an. Die Führung des Staates übernahm ein Regentschaftsrat,<br />

dem Ministerpräsident Filov, <strong>der</strong> ehemalige Kriegsminister <strong>und</strong> Bru<strong>der</strong> des Königs<br />

Michov <strong>und</strong> Kronprinz Cyrill angehörten. Neuer Ministerpräsident wurde <strong>der</strong> Finanzminister<br />

des alten Kabinetts, Bojilov. Seine Regierungsmannschaft war die gemäßigtste<br />

seit Jänner 1940. Der ehemalige Botschafter in Ankara, Kirov, wurde Außenminister,<br />

Landwirtschaftsminister wurde Ivan Beschkov <strong>und</strong> Handelsminister<br />

Ivan Vazov. Letztere waren Mitunterzeichner des Protests Peshevs gegen die <strong>Juden</strong>verfolgung.<br />

202<br />

Innenminister wurde Christov, Fre<strong>und</strong> des ehemaligen Innenministers Grabovski<br />

<strong>und</strong> ein deklarierter Antisemit. Neuer Kommissar für <strong>Juden</strong>fragen wurde<br />

Stomonjakov, <strong>der</strong> vorher <strong>der</strong> stellvertretende Staatsanwalt des Appellationsgerichts<br />

<strong>und</strong> durchaus kein <strong>Juden</strong>hasser war wie zuvor Belev. So erfolgte allein durch den<br />

Personalwechsel in <strong>der</strong> Regierung eine Än<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>politik. Die Deutschen<br />

verstärkten im Laufe des Jahres ständig ihren Druck auf Bulgarien, endlich in <strong>der</strong><br />

<strong>Juden</strong>frage etwas zu unternehmen, <strong>und</strong> möglicherweise auch Truppen für die Ostfront<br />

bereitzustellen. Beides wurde aber durch den Regentschaftsrat in diplomatischer<br />

Weise abgelehnt. Der neue Innenminister Christov hätte zwar gerne in <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>frage<br />

mit den Deutschen kooperiert, doch er war dafür nicht zuständig. Dies war<br />

<strong>der</strong> <strong>Juden</strong>kommissar, <strong>der</strong>, wie schon erwähnt, kein deklarierter Antisemit war <strong>und</strong><br />

außerdem direkt dem Regentschaftsrat unterstellt <strong>und</strong> nicht, wie bisher dem Innenminister.<br />

Dadurch ließ auch <strong>der</strong> Druck <strong>der</strong> Repressionen auf die <strong>Juden</strong> nach, vor allem<br />

die Debatte um die Deportation <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> hörte auf. Die rechtlichen Beschränkungen<br />

blieben sehr wohl aufrecht, sie wurden aber nicht weiter verschärft. <strong>Ein</strong> Beispiel<br />

für die Gegensätzlichkeit in <strong>der</strong> Regierung: eine <strong>der</strong> ersten Maßnahmen des<br />

201Brief Wagners an Kaltenbrunner vom 31.8.1943, Dokument bei den Nürnberger Prozessen NG-3302.<br />

202HOPPE Hans-Joachim, Bulgarien – Hitlers eigenwilliger Verbündeter. <strong>Ein</strong>e Fallstudie zur nationalsozialistischen<br />

Südosteuropapolitik, Stuttgart 1979, S 148–149.

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