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Neuropsychologie Michael Lingen - ASbH

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<strong>Neuropsychologie</strong><br />

des Hydrocephalus<br />

Dr. <strong>Michael</strong> <strong>Lingen</strong>


Was ist <strong>Neuropsychologie</strong>?<br />

• interdisziplinäres Teilgebiet der Psychologie und der<br />

Neurowissenschaften<br />

• befasst sich mit der Variation physiologischer Prozesse (im<br />

ZNS) und deren Auswirkungen auf psychische Prozesse<br />

• Ziel ist die Beschreibung und Erklärung von Verhalten und<br />

Erleben aufgrund physiologischer Prozesse


Was ist klinische <strong>Neuropsychologie</strong>?<br />

• Diagnostik und Therapie neuropsychologischer<br />

Funktionsstörungen<br />

• Erhebung detaillierter Informationen über die Stärken und<br />

Schwächen eines Patienten oder einer Patientengruppe<br />

mittels geeigneter Verfahren<br />

• neuropsychologische Diagnostik erfolgt über standardisierte<br />

Untersuchungsmethoden (meist Tests)<br />

• u. a. folgende psychische Funktionen werden untersucht:<br />

– Intelligenz<br />

– Gedächtnis<br />

– Aufmerksamkeit<br />

– sprachliche Fähigkeiten<br />

– Motorische Kontrolle


<strong>Neuropsychologie</strong> des Hydrocephalus<br />

• Neuropathologie gut untersucht<br />

• Wenig Wissen über differentielle neuropsychologische<br />

Beeinträchtigungen<br />

• Auswirkungen eines erweiterten ventrikulären Systems auf<br />

das sich entwickelnde Gehirn sind komplex<br />

• Schäden an sowohl kortikalen und subkortikalen Strukturen<br />

• hintere Hirnregionen sind i. d. R. stärker betroffen als<br />

vordere Regionen<br />

• Hydrocephalus kann mit einer Vielzahl von kognitiven<br />

Defiziten einhergehen


<strong>Neuropsychologie</strong> des Hydrocephalus<br />

• Wenig Belege für die Annahme eines unspezifisch auf das<br />

gesamte Großhirn wirkenden Druckes („transmantle<br />

pressure”) und in dessen Folge undifferenziert und<br />

„hirndiffus“ auftretenden funktionellen Defiziten<br />

• kognitive Beeinträchtigungen können in verschiedensten<br />

Bereichen auftreten<br />

• Oft nur sehr dezente Funktionseinbußen („unsichtbare<br />

Beschwerden“)<br />

• größte Kompression durch Hydrocephalus im Bereich der<br />

frontalen zentralen weißen Substanz und des Corpus<br />

callosum (Balken)


<strong>Neuropsychologie</strong> des Hydrocephalus<br />

• Durch Seitenventrikelerweiterung entsteht<br />

– Vorwölbung des Corpus callosum nach vertikal und<br />

– Längenzunahme des Corpus callosum<br />

• Größe und Form des Corpus callosums korreliert v. a. mit<br />

non-verbalen Fähigkeiten (und z. T. auch mit verbalen<br />

Fähigkeiten)<br />

• Schädigung der weißen Substanz (myelinisierte<br />

Nervenfasern) in der Nachbarschaft der Ventrikel führt zu<br />

„Kommunikationsstörungen“ zwischen verschiedenen<br />

Ebenen des ZNS


Hydrocephalus & Intelligenz<br />

• Komplexer Einfluss auf Niveau und Struktur der Intelligenz<br />

• Allgemeine Intelligenz im (unteren) durchschnittlichen<br />

Spektrum<br />

• verbale Fähigkeiten weniger stark beeinträchtigt als nonverbale<br />

Fähigkeiten<br />

• Einfluss auf Intelligenzentwicklung durch<br />

– Ausmaß der Myelinisierung,<br />

– Größe der Ventrikel,<br />

– dicke des kortikalen Mantels,<br />

– Art des Hydrocephalus,<br />

– Auftreten von Komplikationen<br />

– etc.


Hydrocephalus & 
<br />

visuell-räumliche Fähigkeiten<br />

• besondere Schwierigkeit bei Tests des räumlichen<br />

Gedächtnisses und der exekutiven Funktionen<br />

• Eingeschränkte Leistungen in visuellen<br />

Diskriminationsaufgaben, der Auge-Hand-Koordination, der<br />

visuellen Orientierung und bei Konstruktionsaufgaben (z. B.<br />

Mosaik-Test)<br />

• Als Ursache wird die Vorwölbung des Corpus callosum nach<br />

vertikal und die Längenzunahme des Corpus callosum<br />

vermutet, sowie ein Verlust an weißer Substanz (u. a. in den<br />

posterioren Hirnregionen)


Hydrocephalus & 
<br />

visuell-räumliche Fähigkeiten<br />

• Geringere Erinnerung an den Standort von Objekten auf<br />

einer (mentalen) Route<br />

• Geringere Leistungen bei der Wiedergabe einer Route<br />

• Geringere Leistungen bei der Pfadintegration und<br />

Navigationskenntnissen<br />

Smith & Buckley (2013)


Hydrocephalus & 
<br />

motorische Fertigkeiten<br />

• Schwächere Leistungen bei grob- und feinmotorischen<br />

Anforderungen und in Aufgaben zur bimanuellen Motorik<br />

• Grobmotorik wird durch die Verformung des Kleinhirns<br />

beeinträchtigt<br />

• Beeinträchtigungen der Feinmotorik durch Störung der<br />

kinästhetisch-propioceptive Grundlage manueller Steuerung<br />

• Dehnung des Corpus Callosum führt zur Beeinträchtigung<br />

der bimanuellen Motorik


Hydrocephalus, Gedächtnis und exekutive Funktionen<br />

• Kaum Studien zu spezifischen Gedächtnisfunktionen und<br />

deren Beeinträchtigungen bei Kindern mit Hydrocephalus<br />

• Gemischte Befundlage<br />

• Manchmal Defizite in verbalen (und non-verbalen)<br />

Lernaufgaben<br />

• schlechtere Leistungen in Planungsaufgaben (Tower of<br />

London,Wisconsin Card Sorting Test)<br />

• weitere exekutive Probleme (wie suboptimale Strategien<br />

beim Lernen von Wortlisten)


Hydrocephalus & 
<br />

sprachliche Fähigkeiten<br />

• Keine generellen sprachlichen Defizite<br />

• Störungen der Sprachfunktionen, insbesondere auf der<br />

Ebene der Pragmatik und des Diskurs<br />

• Reduziertes Textverständnis<br />

• Cocktailparty-Syndrom (inhaltslose, aber oft noch formal<br />

richtige, stereotyp-phrasenhafte Artikulation) bei 28-41 % der<br />

Kinder mit Hydrocephalus


Hydrocephalus & Verhaltensprobleme (Psychopathologie)<br />

• Wenig Daten über das Auftreten von Verhaltensstörungen<br />

bei Kindern mit Hydrocephalus<br />

• Studien zeigen jedoch dass 60 bis 80 % der Kinder mit<br />

Hydrocephalus Verhaltensprobleme haben<br />

• Selektive Aufmerksamkeitsprobleme, erhöhte Ablenkbarkeit,<br />

Probleme mit der Impulskontrolle<br />

• Unabhängig vom Alter werden beschrieben:<br />

– Gedächtnisstörungen (inkl. raum-zeitliche Desorientierung),<br />

– psychische und psychomotorische Verlangsamung,<br />

– affektive Probleme


Hydrocephalus & im Erwachsenenalter<br />

• Schlechtere Leistungen bei visuell-räumlichen und<br />

semantischen Anforderungen, Arbeitsgedächtnisleistung,<br />

• Geringere Lesefähigkeiten als Kontrollgruppe,<br />

• Geringe Leistungen in den Bereichen Aufmerksamkeit,<br />

motorische Koordination und exekutive Funktion<br />

• Ätiologie des Hydrocephalus, Alter, Geschlecht und<br />

Lokalisation des Shunts (frontal oder hinteren<br />

Scheitellappen) hatten keinen Einfluss auf die<br />

Testergebnisse.<br />

» Bakar & Bakar (2010)


Fazit<br />

• Interindividuelle Unterschiede bei der neuropsychologischen<br />

Folgen des Hydrocephalus<br />

• Spannbreite geht von subtilen neuropsychologischen Defiziten<br />

(oder keiner Beeinträchtigung) bis zu schwerer geistiger<br />

Behinderung<br />

• Hydrocephalus selbst ist oft nur mit milden kognitiven Defiziten in<br />

bestimmten Funktionsbereichen und mit relativem Erhaltung<br />

anderer Funktionen verbunden.<br />

• Entwicklungsprognose hängt somit sowohl von der Ursache des<br />

Hydrocephalus als auch von vielen weiteren Bedingungen ab.


Neuropsychologische Trainings bei
<br />

Hydrocephalus?<br />

• Ambulante Diagnostik und Behandlung neuropsychologischer<br />

Störungen stellen (in der BRD) eher die Ausnahme dar<br />

• Neuropsychologische Trainings durch (niedergelassene)<br />

Neuropsychologen möglich<br />

• Plastizität des Gehirns ermöglicht es, dass beeinträchtigte<br />

psychische Funktionen durch Training und Therapie positiv<br />

beeinflusst werden können<br />

• Durch ein auf den Patienten abgestimmtes (kognitives) Training<br />

wird versucht die Defizite und Belastungen im Alltag zu minimieren<br />

• Training orientiert sich an dem individuellen Leistungsstand,<br />

Ressourcen und Belastungen und ist auf eine klare Zielsetzung hin<br />

ausgerichtet


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