4. Ausgabe 2009 - Diakonisches Werk Hessen-Nassau
4. Ausgabe 2009 - Diakonisches Werk Hessen-Nassau
4. Ausgabe 2009 - Diakonisches Werk Hessen-Nassau
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Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong><br />
„Sie sind ein Segen“<br />
Über den Wert des<br />
Freiwilligen Engagements<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
das Ehrenamt hat Konjunktur.<br />
Menschen engagieren sich für andere<br />
Menschen. Bei der Tafelarbeit,<br />
in der Behindertenhilfe, in Krankenhäusern<br />
und Altenheimen, in Stiftungen<br />
und in Gremien des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s. Eine Generation<br />
einsatzfreudiger Erwachsener prägt<br />
das Bild freiwilligen bürgerschaftlichen<br />
Engagements. Besonders<br />
gut wahrnehmbar ist dies an der<br />
Veränderung im Bild der „Alten“. Es<br />
lässt erkennen, wie Menschen jenseits<br />
der Erwerbstätigkeit keineswegs<br />
zum alten Eisen gehören,<br />
sondern eher zu den Schmieden<br />
ihres eigenen Glücks gezählt werden<br />
wollen, die selbstbestimmt<br />
und an Projekten orientiert Zeit<br />
und Kraft für andere einsetzen.<br />
Ohne die Zwänge eines Arbeitsverhältnisses<br />
oder eines Budgets,<br />
ohne sich den starren Strukturen<br />
eines Betriebes beugen zu<br />
müssen – im Freiwilligenengagement<br />
genießt man im Vergleich<br />
zum Arbeitsleben eine riesengroße<br />
Freiheit. Man tut Sinnvolles, man<br />
ist Entwickler und Entscheider.<br />
Zudem knüpft man soziale Netze<br />
und wirkt außerdem der eigenen<br />
Vereinsamung entgegen. Ehrenamtliche<br />
wollen auch etwas für<br />
sich selbst tun, dies ist völlig legitim<br />
und zu unterstützen.<br />
Kennzeichen des bürgerschaftlichen<br />
Engagements in allen Bereichen<br />
ist die Unentgeltlichkeit.<br />
Unentgeltlich heißt aber nicht,<br />
dass man für seine Tätigkeit keinen<br />
Lohn bekommt. Nur ist es<br />
eben keine Gehaltszahlung, sondern<br />
Dankbarkeit, Anerkennung<br />
und Freude über die Tatsache, der<br />
eigenen Tätigkeit einen Sinn zu<br />
geben und etwas zu bewegen, indem<br />
man anderen Menschen hilft.<br />
Viele Aspekte, die vielleicht in so<br />
manchem Berufsleben zu kurz gekommen<br />
sind.<br />
Spaß ist keineswegs überall<br />
das Hauptmotiv, denn viele ehrenamtlich<br />
tätige Menschen sind in<br />
Bereichen aktiv, wo es für Betroffene<br />
und Helfer sehr schwer werden<br />
kann: Notfallseelsorge, Sterbebegleitung,<br />
Demenzbetreuung, um<br />
nur ein paar Beispiele zu nennen.<br />
Inhalt<br />
II Kaffee und saubere Wäsche:<br />
Projekte „Waschcafé“ und „Lernpatenschaften“<br />
im Diakonischen <strong>Werk</strong> Rheingau-Taunus<br />
III Mit Sport in ein besseres Leben – unser „Ironman“<br />
IV Von der <strong>Werk</strong>statt ins Amt: Die Langauer Mühle,<br />
<strong>Werk</strong>statt der Heime Scheuern in <strong>Nassau</strong>, begleitet<br />
Menschen auf ihrem Weg zum ersten Arbeitsmarkt.<br />
VI Mit Waschbär und Biber flussabwärts …<br />
Projekt „Sprachwerkstatt“<br />
VII Bündnis für Mindestlohn in <strong>Hessen</strong> gegründet<br />
VIII Kein Kind darf verloren gehen: Abschlussbericht<br />
der Kommission Kinderschutz von Diakonie und Caritas<br />
4 <strong>2009</strong><br />
in der Tat<br />
Gerade aber in diesen Grenzbereichen<br />
macht man als ehrenamtlicher<br />
Helfer oft heilsame Erfahrungen;<br />
es reift der Blick für das<br />
Wichtige und Wesentliche im Leben.<br />
Kaum ein Bereich unseres Lebens<br />
kommt ohne bürgerschaftliches<br />
Engagement aus. Es ist unverzichtbar<br />
für eine funktionierende<br />
Gesellschaft, es macht sie<br />
lebenswert. Auf den Punkt bringt<br />
es das Motto der laufenden Plakat-<br />
Kampagne, die die Diakonie zu<br />
Recht sagen lässt: „Menschlichkeit<br />
braucht Unterstützung.“<br />
Aus dem Diakonischen <strong>Werk</strong> in<br />
<strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong><br />
grüßt herzlich<br />
Ihr<br />
Wilfried Knapp<br />
Vorstand
II Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong><br />
Kaffee und saubere Wäsche<br />
Projekte „Waschcafé“ und „Lernpatenschaften“<br />
im Diakonischen <strong>Werk</strong> Rheingau-Taunus<br />
<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong><br />
Rheingau-Taunus<br />
Während sich die Wäschetrommel unermüdlich dreht, sitzen Alt und<br />
Jung bei einer Tasse Kaffee zusammen und plaudern. Oder sie nutzen<br />
die Zeit, um eine Bewerbung zu schreiben oder das Internet nach interessanten<br />
Informationen zu durchforsten: „Waschcafé“ heißt der<br />
Treffpunkt, der seit 21. April <strong>2009</strong> diese Möglichkeiten bietet.<br />
Zwei Waschmaschinen und<br />
zwei Trockner warten in der Schulgasse<br />
7 darauf, dass sie befüllt<br />
werden. Ob Familie oder Single –<br />
jeder kann das Angebot nutzen.<br />
Besonders die Bezieher kleiner<br />
Renten oder Hartz-IV-Empfänger<br />
machen davon Gebrauch – ihnen<br />
ist es nicht möglich, von ihrem<br />
schmalen Einkommen eine neue<br />
Waschmaschine anzuschaffen,<br />
wenn die alte den Geist aufgegeben<br />
hat. Aus der Arbeit der Idsteiner<br />
Tafel wissen die Mitarbeiter<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, dass es<br />
viele Menschen gibt, die derart<br />
knapp bei Kasse sind. Wäsche zu<br />
waschen und Menschen ins Gespräch<br />
zu bringen ist nicht der<br />
einzige Sinn und Zweck dieses Angebotes.<br />
So werden auch Kurse an-<br />
geboten, die den Menschen helfen,<br />
mit dem wenigen verfügbaren Geld<br />
auszukommen. „Budget-Schulung<br />
für den kleinen Geldbeutel“ ist das<br />
Stichwort. Aber auch Kochkurse<br />
für die Zubereitung kostengünstiger<br />
und gesunder Gerichte kann<br />
sich Wolfgang Wartenberg, Leiter<br />
des regionalen Diakonischen <strong>Werk</strong>es,<br />
vorstellen.<br />
Das Waschcafé ist im Haus der<br />
älteren Mitbürger untergebracht.<br />
Das Projekt wird im Rahmen des<br />
Modellprogramms „Generationen<br />
übergreifende Freiwilligendienste“<br />
vom Bund gefördert.<br />
Ein weiterer Bestandteil des<br />
Projektes ist die Begleitung und<br />
Unterstützung von Jugendlichen,<br />
Im Waschcafé drehen sich die<br />
Trommeln. Hier Margot Sabel<br />
und Uwe Deiters (MSD) beim<br />
Testlauf.<br />
Die Lernpaten haben bereits<br />
ihre ehrenamtliche Arbeit<br />
aufgenommen: Ein Leuchtturm-<br />
Projekt in Sachen Engagement.<br />
die sich auf ihren Schulabschluss<br />
und den Übergang ins Berufsleben<br />
vorbereiten. Hierfür werden noch<br />
Lernpaten gesucht, die die Jugendlichen<br />
betreuen. Eine enge Vernetzung<br />
und Zusammenarbeit sowie<br />
Weiterbildung und regelmäßiger<br />
Erfahrungsaustausch unterstützen<br />
die Lernpaten.<br />
Träger des Projekts ist das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> Rheingau-Taunus in<br />
Kooperation mit dem Seniorenbüro<br />
der Stadt Idstein. ■ wiw<br />
Informationen beim<br />
Mobilen Sozialen Dienst<br />
Uwe Deiters<br />
Tel. 06126 9519510
Mit Sport in ein besseres Leben<br />
Wiesbadener Diakonie-Chef startete beim legendären<br />
Ironman auf Hawaii für wohnungslose Menschen<br />
Peter* ist wohnungslos, „viel zu<br />
lange und leider immer wieder“,<br />
wie er sagt. Sein Leben kriegt er<br />
„irgendwie nicht ganz auf die<br />
Reihe“. Alkohol, Suchttherapien,<br />
gescheiterte Beziehungen, verlorene<br />
Jobs, gekündigte Mietverträge,<br />
noch mehr Alkohol.<br />
„Man könnte verzweifeln.“ Aber<br />
beim wöchentlichen Fußballtraining<br />
mit den Lilienkickern vergisst<br />
der 48-Jährige seine Probleme<br />
für einige Stunden. Dort<br />
will er nur noch eines: „Siegen!“<br />
„Lilienkicker“, so nennt sich<br />
eine Fußballmannschaft von wohnungslosen<br />
Männern aus Wiesbaden.<br />
Ihren Namen leiten sie von<br />
den Lilien im Wappen ihrer Stadt<br />
ab. Betreut und trainiert wird die<br />
20-köpfige Mannschaft von Sozialarbeiter<br />
Michael Kiel vom Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> Wiesbaden. Mit<br />
der Kombination aus Sport und<br />
Sozialarbeit sollen die Fußballspieler<br />
im Alter von 18 bis 60 Jah-<br />
ren in ihrer Persönlichkeit gestärkt<br />
werden, Ehrgeiz entwickeln und<br />
Leistungsfähigkeit zeigen. „Und natürlich<br />
auch Spaß haben“, sagt Kiel.<br />
Peter lebt derzeit in einem<br />
Übergangswohnheim der Diakonie.<br />
Er lernt, auf Alkohol zu verzichten.<br />
„Ich muss ja fit sein für<br />
das Spiel.“ Auf die positive Wirkung<br />
des Sports setzt auch Gustav<br />
Förster, Leiter des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s Wiesbaden. Er ist 55 Jahre<br />
alt und leidenschaftlicher Triathlet.<br />
In diesem Jahr qualifizierte er<br />
sich für den legendären Ironman,<br />
der am 10. Oktober auf Hawaii<br />
stattfand. Aber mit dem persönlichen<br />
Erfolg wollte sich Förster<br />
nicht zufrieden geben. Er stellte<br />
seine Sportbegeisterung in den<br />
Dienst der guten Sache: „Ich starte<br />
für die Lilienkicker“, beschloss<br />
Förster.<br />
Die Fußballmannschaft der<br />
wohnungslosen Menschen aus<br />
Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong> III<br />
Wiesbaden wird über Spenden finanziert.<br />
Für Sportausstattung,<br />
Trainerstunden und Fahrtkosten<br />
wird das Geld allerdings knapp.<br />
Deshalb rief Gustav Förster dazu<br />
auf, für jeden Meter seines Wettkampfes<br />
50 Cent zugunsten der<br />
Lilienkicker zu spenden. 3,86 Kilometer<br />
Schwimmen, 180 Kilometer<br />
Radfahren und einen Marathonlauf<br />
legte Förster in Hawaii zurück.<br />
„Mit Blasen an den Füßen,<br />
aber glücklich“, konnte sich der<br />
Sportler am Ende des Wettkampfs<br />
über den vierten Platz in seiner Altersgruppe<br />
und über rund 12.300<br />
Euro Spenden freuen. „Ein guter<br />
Anfang“, sagt Förster, der weiterhin<br />
Spenden sammeln will. „Die<br />
Lilienkicker müssen erhalten bleiben“,<br />
sagt auch Peter und hofft,<br />
dass er eines Tages nicht nur auf<br />
dem Fußballplatz, sondern auch<br />
im Alltag auf der Siegerseite stehen<br />
kann. ■ Stefan Weiller<br />
*Name geändert<br />
<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> Wiesbaden<br />
Spendenkonto<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
Wiesbaden,<br />
<strong>Nassau</strong>ische Sparkasse<br />
BLZ: 510 500 15<br />
Konto-Nr.:1000 21 676<br />
Kennwort: „Ironman“<br />
Verwendungszweck:<br />
„Lilienkicker“
IV Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong><br />
Von der <strong>Werk</strong>statt ins Amt<br />
Die Langauer Mühle, <strong>Werk</strong>statt der Heime Scheuern in <strong>Nassau</strong>,<br />
begleitet Menschen auf ihrem Weg zum ersten Arbeitsmarkt.<br />
Ausbildung<br />
Am Ziel:<br />
Trotz Behinderung im Beruf.<br />
Eugenia an ihrem Arbeitsplatz.<br />
Sie gibt dem Zeitungsredakteur<br />
selbstbewusst ein Interview,<br />
der über die gelungene<br />
Integration berichtet.<br />
Die junge Eugenia Schein hat es<br />
geschafft. Sie „landete“ sicher auf<br />
dem ersten Arbeitsmarkt.<br />
Als erste Beschäftigte der <strong>Werk</strong>statt<br />
für behinderte Menschen<br />
Langauer Mühle trat sie einen<br />
festen Arbeitsplatz an.<br />
Nun arbeitet sie im Religionspädagogischen<br />
Amt der Evangelischen<br />
Kirche in <strong>Nassau</strong> und freut<br />
sich über ihre volle Stelle. Die gelungene<br />
Integration war Grund für<br />
den Besuch vom Landrat des<br />
Rhein-Lahn-Kreises, Günter Kern,<br />
der sich vor Ort mit allen Beteiligten<br />
traf und Frau Schein zu ihrem<br />
Erfolg beglückwünschte.<br />
Der neue Arbeitsplatz ist vielfältig.<br />
Die Betreuung der Bibliothek,<br />
die Erledigung allgemeiner<br />
Büroarbeiten mit Telefondienst,<br />
die Dokumentation von Posteinund<br />
Postausgängen beim Lehrmittelversand,<br />
Botendienste, Wareneingang<br />
und Reinigungsarbeiten<br />
gehören zu dem wöchentlichen<br />
Auftrag.<br />
Möglich wurde ihre berufliche<br />
Integration durch das „Budget für<br />
Arbeit“, einem Förderinstrument<br />
des Landes Rheinland-Pfalz. Durch<br />
dieses Modellprogramm wird der<br />
Übergang für behinderte Menschen<br />
von der <strong>Werk</strong>statt zum allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt erleichtert.<br />
Ein interessanter Ansatz für<br />
Arbeitgeber, denn ein dauerhafter<br />
Zuschuss in Höhe von 70 Prozent<br />
zu den Bruttopersonalkosten ist<br />
ein gutes Argument.<br />
Eugenia Schein wurde acht<br />
Jahre lang erfolgreich durch Mitarbeiter<br />
der <strong>Werk</strong>statt Langauer<br />
Mühle begleitet. Als Angestellte<br />
im Büro fühlt sie sich sehr wohl<br />
und vor allen Dingen von den Kollegen<br />
und Kolleginnen von Anfang<br />
an akzeptiert. „Ich habe ein neues<br />
Lebensgefühl, das ich vorher nicht<br />
kannte. Für mich selbst sorgen zu<br />
können, macht mich froh. Ich bin<br />
nicht mehr Leistungsempfängerin<br />
und habe ein Gehalt, mit dem ich<br />
gut auskomme. Ich teile mir alles<br />
vorausschauend ein und genieße<br />
meine kleine Wohnung. In meinem<br />
Leben habe ich bis heute alles<br />
erreicht, was mir wichtig ist.<br />
Ich fühle mich nicht mehr ausgegrenzt.<br />
Selbständig arbeiten zu<br />
können ist schön. Das macht mich<br />
wunschlos glücklich.“<br />
Eugenia Schein erinnert sich,<br />
wie sie zur Langauer Mühle gekommen<br />
ist: „Das war nach der 9.<br />
Klasse. Ich ging in Bad Ems zur<br />
Schule und war 18 Jahre alt. Über<br />
ein Praktikum stieg ich in den Berufsbildungsbereich<br />
der <strong>Werk</strong>statt<br />
Langauer Mühle ein. Die Agentur<br />
für Arbeit hat mich beraten und<br />
mir bei der Vermittlung geholfen.“<br />
Matthias Behnke, ihr langjähriger<br />
Begleiter aus der <strong>Werk</strong>statt,<br />
blickt zurück: „Frau Schein ist ein<br />
positives Beispiel, wenn man Menschen<br />
die Chance und Unterstützung<br />
für persönliche Entwicklung<br />
gibt. Das gelingt nur, wenn die Betroffenen<br />
selbst, der Kostenträger<br />
und wir auch stets das klare Ziel<br />
für berufliche Verwirklichung vor<br />
Augen haben. Hier hat alles gut<br />
funktioniert. Bevor Eugenia Schein<br />
ihren Arbeitsplatz antreten konnte,<br />
musste sie sich lange über einen<br />
Außenarbeitsplatz der <strong>Werk</strong>statt<br />
bewähren.“<br />
Eugenia Schein hat zuvor in<br />
dem <strong>Werk</strong>stattbereich Gastronomie<br />
gearbeitet und parallel für den<br />
Hauptschulabschluss gebüffelt.<br />
„Ohne den Sozialdienst hätte ich<br />
das nicht geschafft. Das war nämlich<br />
alles viel. Tagsüber in <strong>Nassau</strong><br />
arbeiten, abends mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln nach Koblenz zur<br />
Volkshochschule fahren und noch<br />
lernen. Früher war ich ein schüchternes<br />
Mädchen. Jetzt weiß ich,<br />
was ich will. Ich traue mich mit<br />
anderen Menschen Gespräche zu<br />
führen und finde mich im Arbeitsleben<br />
prima zurecht. Da wird mir<br />
auch nicht bange, wenn nun die
Tonnen von Wäsche werden<br />
täglich sortiert, gefaltet und<br />
ausgeliefert.<br />
Außenarbeitsplatz im Unternehmen:<br />
Roswitha Beck,<br />
Ehefrau von Ministerpräsident<br />
Kurt Beck, interessiert sich für<br />
die Außenarbeitsgruppe der<br />
<strong>Werk</strong>statt Langauer Mühle.<br />
Begleitung durch den Integrationsdienst<br />
zu Ende ist“, so Eugenia<br />
Schein.<br />
Die Langauer Mühle ist ein positiver<br />
Motor in der Region. Die Integration<br />
auf den ersten Arbeitsmarkt<br />
ist das Unternehmensziel.<br />
Die <strong>Werk</strong>statt unterhält enge Kontakte<br />
zur Wirtschaft, um neue Beschäftigungsformen<br />
für Menschen<br />
mit Beeinträchtigungen in Industrieunternehmen<br />
zu entwickeln.<br />
Von dieser Kompetenz profitiert<br />
zum Beispiel die Kooperation<br />
mit der Firma Moeller GmbH, wie<br />
Adolf Kraft, Fertigungsleiter des<br />
<strong>Werk</strong>es Dausenau, schildert: „Die<br />
Außenarbeitsgruppe der Langauer<br />
Mühle ist das Ergebnis einer langjährigen<br />
Beziehung. Wir suchten<br />
nach Lösungen zur Standortsicherung,<br />
die durch unsere Zusammenarbeit<br />
möglich wurde. Das war<br />
eine gute Entscheidung. Die hochwertige<br />
Arbeit behinderter Menschen<br />
unterscheidet sich nicht von<br />
unseren <strong>Werk</strong>sleuten. Die Produkte<br />
werden direkt zum Kunden in alle<br />
Welt versendet und das ohne Beanstandung.“<br />
Roswitha Beck, die Ehefrau<br />
des Ministerpräsidenten Rheinland-Pfalz<br />
Kurt Beck, war auch dort<br />
Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong> V<br />
zu Besuch. Ihr Ehemann machte<br />
sie auf das innovative Projekt aufmerksam.<br />
Roswitha Beck nahm<br />
sich viel Zeit für die persönliche<br />
Begegnung, sie schaute den Beschäftigten<br />
im Moeller-<strong>Werk</strong> über<br />
die Schulter und ließ sich Fertigungsabläufe<br />
genau erklären. Frau<br />
Beck war begeistert von der winwin-Situation<br />
für alle Beteiligten<br />
und meinte, „von solchen Plätzen<br />
müsste es mehr geben.“<br />
■ Beate Kretschmann<br />
Integriert-kontrollierter Obstanbau.<br />
Apfelernte auf Hof Mauch.<br />
Arbeit im Industrieunternehmen:<br />
Montage und Verpackung
VI Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong><br />
Dr. Zvi Penner beim Erläutern.<br />
Mit Waschbär und<br />
Biber flussabwärts …<br />
<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> Darmstadt-<br />
Dieburg<br />
Projekt<br />
„Sprachwerkstatt“<br />
Vom 10. bis 21. August <strong>2009</strong><br />
fand in Trägerschaft des rDW<br />
Darmstadt-Dieburg das innovative<br />
Projekt „Sprachwerkstatt“<br />
statt, ein Programm zur Förderung<br />
der Wortschatzkompetenz<br />
bei Schülern mit Sprachförderbedarf<br />
aus der 3. Grundschulklasse.<br />
Viele Kinder mit Sprachförderbedarf<br />
leiden unter Leseverständnisproblemen,<br />
die oft auf mangelnde<br />
Wortschatzkenntnisse zurückzuführen<br />
sind. Durch die gezielt<br />
eingesetzte Förderung bekamen<br />
die Kinder die Möglichkeit, noch<br />
vor dem Übergang in die weiterführenden<br />
Schulen ihre eigenen<br />
Leistungs- und Bildungschancen<br />
zu verbessern.<br />
Initiatorin und Stifterin Bettina<br />
Bock von der Stiftung Zuwachs<br />
freute sich, mit der Diakonie einen<br />
fachkundigen Träger für ihr Anliegen<br />
gefunden zu haben, sie sagt:<br />
„Miteinander, Nachbarschaft und<br />
Beheimatung trotz kultureller Unterschiede<br />
basieren auf einer gemeinsamen<br />
und verbindlichen<br />
Sprache. Schon seit langem liegt<br />
es mir am Herzen, Grundschulkin-<br />
dern mit Sprachförderbedarf eine<br />
spezielle Förderung zukommen zu<br />
lassen“. Durchgeführt wurde die<br />
„Sprachwerkstatt“ an zwei Standorten,<br />
nämlich an der Heinrich-<br />
Hoffmann-Schule sowie Schülern<br />
der Mornewegschule in Darmstadt,<br />
und in Groß-Zimmern an der<br />
Schule im Angelgarten mit Schülern<br />
der Friedensschule.<br />
Die 40 Grundschüler haben<br />
Waschbär Benjamin und Biber<br />
Oskar in kleinen Lerngruppen auf<br />
deren Reise von der Quelle des<br />
Rheins bis zur Mündung begleitet.<br />
Oskar und Benjamin sind Figuren<br />
aus dem illustrierten Sach- und<br />
Abenteuerbuch des Schweizer<br />
Sprachwissenschaftlers Dr. Zvi<br />
Penner, der für dieses Projekt die<br />
Arbeits- und Lernmaterialien modifiziert,<br />
die Sprachförderlehrer<br />
geschult und sich auch selbst aktiv<br />
beteiligt hat.<br />
Am Vormittag wurde mit spielerischen<br />
Übungen das Wortschatzverständnis<br />
gefördert, nachmittags<br />
experimentierten die Kinder aktiv<br />
zu den Themen Wasser, Bewegung,<br />
Kraft und Energie, um das Gelernte<br />
zu verankern. Die Kinder wurden<br />
sprachlich aktiv und lernten nicht<br />
nur auf der kognitiven, sondern<br />
auch auf der Erfahrungsebene, erläutert<br />
Dr. Penner.<br />
Großes Vergnügen bereiteten<br />
allen Beteiligten der Besuch einer<br />
Schiffswerft und die Fahrt in Drachenboot<br />
bzw. Kanadier auf dem<br />
Altrhrein.<br />
Kooperationspartner der Diakonie<br />
waren die Kommunen Darmstadt<br />
und Groß-Zimmern und die<br />
HEAG AG.<br />
Edda Haack, Leiterin des rDW,<br />
betonte die Bedeutung des Projektes,<br />
an dem Kinder mit Deutsch<br />
als Muttersprache und Kinder mit<br />
Migrationshintergrund teilgenommen<br />
haben, denn „wir können<br />
nicht von Integration sprechen und<br />
gleichzeitig eine eigene Gruppe<br />
für Kinder mit Migrationshintergrund<br />
etablieren. Wortschatzdefizite<br />
zeigen sich bei viel zu vielen<br />
Kindern“.<br />
■ Gabriele Heusel
Bündnis für Mindestlohn<br />
in <strong>Hessen</strong> gegründet<br />
Gemeinsam mit Jürgen Bothner,<br />
Landesbezirksleiter von ver.di <strong>Hessen</strong>,<br />
Willy Jost, Geschäftsführer<br />
der AWO <strong>Hessen</strong>-Süd, und Renate<br />
Klingelhöfer, stellvertretende Vorsitzende<br />
der hessischen Landesseniorenvertretung,<br />
stellte Gern,<br />
der DWHN-Vorstandsvorsitzender<br />
und Sprecher der Nationalen Armutskonferenz<br />
ist, das neue Bündnis<br />
vor. Zentrales Anliegen des<br />
Bündnisses ist die Einführung eines<br />
flächendeckenden gesetzlichen<br />
Mindestlohns, der vor allem Ar-<br />
mut trotz Arbeit, Kinderarmut und<br />
Altersarmut entgegenwirken soll.<br />
Bereits 1998 hätten die Kirchen<br />
in ihrem Sozialwort gefordert,<br />
„Mittel und Wege zu finden,<br />
den gesellschaftlichen Reichtum<br />
so einzusetzen, dass Arbeit auch<br />
bezahlt werden kann“, erinnerte<br />
Gern. Es liege viel Arbeit brach.<br />
„Die Unterfinanzierung sozialer<br />
Dienstleistungen ist kein Naturgesetz,<br />
sondern politisch verursacht.<br />
Die Zukunft der Arbeit liegt in per-<br />
Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong> VII<br />
Diakonie-Chef Gern und ver.di-Landesbezirksleiter Bothner:<br />
Wer arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können Sozialpolitik<br />
„Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir nehmen nicht hin, dass eine Million Menschen in unserem<br />
Land trotz Arbeit auf zusätzliche Leistungen der Grundsicherung angewiesen ist, um leben zu können.<br />
Armutslöhne, wie es sie in unserem Land gibt, verstoßen gegen die Grundprinzipien des Sozialstaates<br />
und der Demokratie. Wer arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können“, sagte Pfarrer Dr. Wolfgang Gern<br />
für die Diakonie <strong>Hessen</strong> anlässlich der Gründung des „Bündnisses für einen Mindestlohn in <strong>Hessen</strong>“ am<br />
7. August in der Landesgeschäftsstelle des Diakonischen <strong>Werk</strong>s in <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> (DWHN).<br />
sonennaher Arbeit für und mit den<br />
Menschen: im Dienst am Menschen,<br />
für die Umwelt, für ein blühendes<br />
Gemeinwesen. Dass diese<br />
Bereiche unterversorgt bleiben<br />
oder gar weiter reduziert werden,<br />
dürfen wir nicht hinnehmen.“<br />
Jürgen Bothner sagte: „Armutslöhne<br />
sind ein Verstoß gegen die<br />
Menschenwürde. Es ist ein nicht<br />
hinnehmbarer Skandal, dass in<br />
unserem Land täglich mehr Menschen<br />
trotz Vollzeitarbeit ihre un-<br />
abhängige Existenz nicht sichern<br />
können. Ein gesetzlicher Mindestlohn<br />
sorgt dafür, dass die arbeitenden<br />
Menschen in die Sozialversicherung<br />
einzahlen können und<br />
im Alter eine Rente erhalten, von<br />
der sie leben können. Es muss<br />
Schluss sein mit der Subventionierung<br />
von Armutslöhnen durch<br />
Steuergelder“.<br />
■ Kathleen Niepmann/wiw
VIII Diakonie magazin in der Tat <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> 4/<strong>2009</strong><br />
Kommission<br />
Kinderschutz<br />
Kein Kind darf verloren gehen<br />
Kommission Kinderschutz von Diakonie und Caritas<br />
legte Bericht vor<br />
Im Jahr 2008 wurden bundesweit<br />
laut Kriminalstatistik 4068<br />
Fälle von Kindesmisshandlung<br />
erfasst; jedes Kind davon ist eines<br />
zuviel. Kindern in Deutschland<br />
wird nicht die nötige Hilfe<br />
zuteil und es besteht hier dringender<br />
Handlungsbedarf. Auf Initiative<br />
von Pfarrer Dr. Wolfgang<br />
Gern haben Expertinnen und Experten<br />
verschiedener Professionen<br />
und Institutionen interdisziplinär<br />
daran gearbeitet, Probleme<br />
des Kinderschutzes zu analysieren<br />
und gemeinsame Strategien<br />
dafür zu entwickeln, was Kinder<br />
wirklich schützt.<br />
Konkret ging es darum, juristische,<br />
medizinische, psychologische<br />
und sozialarbeiterische<br />
Argumentationslinien zu verbinden<br />
und für die praktische Arbeit<br />
fruchtbar zu machen.<br />
Zwei Thesen stellt der Abschlussbericht<br />
in den Vordergrund:<br />
Einmal fordert er von allen Akteuren<br />
im Bereich Kinderschutz einen<br />
konsequenten Perspektivwechsel.<br />
Ziel ist es, die traditionelle „Familienbrille“<br />
abzusetzen, die bisher<br />
den Kinderschutz in Deutschland<br />
prägt. Nicht Elternrechte, sondern<br />
Kinderrechte müssen in die Mitte<br />
gerückt werden. Im Zentrum der<br />
Ausführungen stehen deshalb auch<br />
nicht die Ursachen für das Versagen<br />
der Eltern oder das Familiensystem<br />
an sich, sondern die<br />
Kinder, die als Rechtssubjekte Anspruch<br />
auf ein Aufwachsen ohne<br />
Gewalt und mit angemessener<br />
Förderung und Beteiligung haben.<br />
Diese grundlegenden Rechte der<br />
Heranwachsenden dürften nicht<br />
einfach relativiert werden, denn<br />
„Kinder sind keine Privatangelegenheit“.<br />
Zweiter Kernpunkt ist die Forderung<br />
nach Zusammenwirken der<br />
Akteure zugunsten des Kinder-<br />
schutzes. Die „Tunnelintelligenz“<br />
der Institutionen schadet dem Gedanken,<br />
als Netzwerk, in dem alle<br />
Beteiligten kooperieren, stets den<br />
Kinderschutz in den Fokus zu stellen.<br />
Eine Verantwortungsgemeinschaft<br />
ist gefragt, die das kooperative<br />
Handeln aller Beteiligten<br />
fördert, also bei Jugendämtern,<br />
freien Trägern, Gerichten, Polizei<br />
u.a.<br />
Die Caritas – Diakonie – Konferenz<br />
möchte mit diesem Bericht<br />
einen wegweisenden Beitrag dazu<br />
leisten, dass alle Kinder Liebe, Geborgenheit<br />
und Anerkennung erfahren,<br />
um so ein Teil in einer<br />
christlichen, von Solidarität und<br />
Nächstenliebe geprägten Gesellschaft<br />
zu werden.<br />
Das Heft kann über die Landesgeschäftsstelle<br />
des DWHN bezogen<br />
werden.<br />
■ wiw<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
in <strong>Hessen</strong> und <strong>Nassau</strong> e. V.<br />
Ederstraße 12<br />
60486 Frankfurt am Main<br />
Tel.: 069 7947-0<br />
Fax: 069 7947-310<br />
Internet: www.diakonie-hessennassau.de<br />
E-Mail: kontakt@dwhn.de<br />
Redaktion:<br />
Wilhelm Wegner (wiw)<br />
Layout:<br />
Piva & Piva<br />
Studio für visuelles Design<br />
Darmstadt<br />
Bildnachweis:<br />
wita / Udo Mallmann II<br />
1001nights / iStockphoto II<br />
TPopova / iStockphoto II<br />
Stefan Weiller III<br />
Beate Kretschmann IV–V<br />
Gabriele Heusel VI<br />
DWHN I, VII, VIII