D. Die Strafzumessung
D. Die Strafzumessung
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D. <strong>Die</strong> <strong>Strafzumessung</strong><br />
Begriff der <strong>Strafzumessung</strong>;<br />
Bestimmung der Strafe im Einzelfall.<br />
Ausgangspunkt: gesetzliche Strafrahmen.<br />
<strong>Strafzumessung</strong> im engeren Sinn:<br />
Konkretisierung innerhalb dieses Strafrahmens;<br />
wenn im Strafrahmen: auch Bestimmung der<br />
Strafart (insbes: Geld- oder Freiheitsstrafe).<br />
<strong>Strafzumessung</strong> im weiteren Sinn: Entscheidung<br />
über Erweiterung der gesetzlichen Strafrahmen<br />
durch Bestimmungen des Allgemeinen Teils:<br />
• Erweiterungen nach oben und nach unten:<br />
§§ 41, 39<br />
• Erweiterungen in der Strafart: Geldstrafe statt<br />
Freiheitsstrafe (§ 37)<br />
• Erweiterungen durch die bedingte Nachsicht<br />
(§§ 43, 43a)<br />
In jüngster Zeit nochmals erweitert:<br />
1.) durch Regelungen über geringfügige Fälle:<br />
Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat, § 42<br />
2.) durch alternative Maßnahmen (Diversion:<br />
§§ 90a StPO)<br />
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Allgemeine Grundsätze der <strong>Strafzumessung</strong><br />
§ 32. (1) Grundlage für die Bemessung der<br />
Strafe ist die Schuld des Täters.<br />
(2) Bei Bemessung der Strafe hat das Gericht<br />
− die Erschwerungs- und die<br />
Milderungsgründe, soweit sie nicht schon<br />
die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander<br />
abzuwägen und<br />
− auch auf die Auswirkungen der Strafe und<br />
anderer zu erwartender Folgen der Tat auf<br />
das künftige Leben des Täters in der<br />
Gesellschaft Bedacht zu nehmen.<br />
Dabei ist vor allem zu berücksichtigen,<br />
− inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich<br />
geschützten Werten ablehnende oder<br />
gleichgültige Einstellung des Täters und<br />
− inwieweit sie auf äußere Umstände oder<br />
Beweggründe zurückzuführen ist, durch die<br />
sie auch einem mit den rechtlich<br />
geschützten Werten verbundenen<br />
Menschen naheliegen könnte.<br />
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(3) Im allgemeinen ist die Strafe um so strenger<br />
zu bemessen,<br />
− je größer die Schädigung oder Gefährdung<br />
ist,<br />
− die der Täter verschuldet hat oder<br />
− die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf<br />
die sich sein Verschulden erstreckt hat,<br />
− je mehr Pflichten er durch seine Handlung<br />
verletzt,<br />
− je reiflicher er seine Tat überlegt,<br />
− je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je<br />
rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und<br />
− je weniger Vorsicht gegen die Tat hat<br />
gebraucht werden können.<br />
Elemente der <strong>Strafzumessung</strong><br />
Voraussetzung: Schuldgrundsatz<br />
1.) Schuld als Einzeltatschuld<br />
2.)Schuldüberschreitungsverbot.<br />
<strong>Strafzumessung</strong>: Grundlagenformel (§ 32):<br />
Aber nur "Grundlage", daher: auch spezial- und<br />
generalpräventive Bedürfnisse (Prävention,<br />
Kriminalpolitik).<br />
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------> Faktoren der <strong>Strafzumessung</strong>:<br />
Schuld und Prävention<br />
(Strafzwecke: Spezialprävention und<br />
Generalprävention;)<br />
Verhältnis von Schuld und Prävention bei der<br />
<strong>Strafzumessung</strong>:<br />
− Theorie der Punktstrafe<br />
Einzige Strafposition, nur Schuld, Erkennen<br />
− Schuldüberschreitungsverbot<br />
Unterschreitung aus präventiven Gründen<br />
zulässig<br />
− Schuldrahmentheorie, Spielraumtheorie<br />
Rahmen, nach präventiven Bedürfnissen<br />
ausfüllen<br />
− Stellenwert- oder Stufentheorie:<br />
punktuelle <strong>Strafzumessung</strong> nach Schuld,<br />
aber Prävention bei der <strong>Strafzumessung</strong> im<br />
weiteren Sinn<br />
Magisches Dreieck der <strong>Strafzumessung</strong><br />
− Schwere Straftat vor langer Zeit (zB NS-<br />
Verbrechen)<br />
− Gewohnheitsbetrüger<br />
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Inhalt der <strong>Strafzumessung</strong>sschuld allgemein<br />
Unterschiedliche Schuldbegriffe:<br />
<strong>Strafzumessung</strong>sschuld ≠ Schuld im<br />
Straftatbegriff (Deliktsaufbau).<br />
• Quantifizieren, nicht nur schuldig oder nicht;<br />
• weiterer Inhalt der <strong>Strafzumessung</strong>sschuld:<br />
− die Einstellung des Täters bei der Tat:<br />
− Verständlichkeit des Handelns für einen<br />
rechtstreuen Menschen;<br />
− geistige Störungen, jugendliches Alter ---><br />
geringere Vorwerfbarkeit<br />
Maß des Vorwurfs, normative<br />
Schuldauffassung quantifiziert (Schuld ist<br />
Vorwerfbarkeit)<br />
− Höhe des Schadens und der Gefährdung: Tod<br />
oder Verletzung; soziale Erschütterung<br />
− Grad der Sorgfaltswidrigkeit oder des<br />
Vorsatzes: Grad der Pflichtverletzung<br />
Gegenstand des Vorwurfs: Höhe des<br />
Unrechts als Inhalt der Schuld<br />
------> Handlungsunwert und Erfolgsunwert<br />
daher: Schuld als <strong>Strafzumessung</strong>sschuld =<br />
verschuldetes Unrecht<br />
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Versuch des reduzierten Schuldbegriffes: § 32<br />
Abs 2: Schuld ist der Mangel an Verbundenheit<br />
mit den rechtlich geschützten Werten, OHNE<br />
nach dem Grund und der Genese dieses<br />
Mangels zu fragen. Der Mangel kommt in der<br />
Einstellung des Täters zum Ausdruck, und diese<br />
Einstellung ist die Schuld.<br />
Führt zu einer charaktereologischen<br />
Schuldkomponente: So-Sein des Täters<br />
seinen Mangel an Verbundenheit begründet,<br />
bestimmt auch der Charakter des Täters die<br />
Schuld mit.<br />
Problematisch im Verhältnis zur Einzeltatschuld:<br />
in der begangenen Tat zum Ausdruck kommt.<br />
KEINE Lebensführungsschuld, keine<br />
persönlichkeitsbezogene, sondern<br />
tatbezogene Schuld.<br />
Wichtigste Folge der charaktereologischen<br />
Schuldkomponente: Rückfall deshalb<br />
strafverschärfend, weil er Schuld erhöht; nicht<br />
nur aus Gründen der Prävention.<br />
Beispiel: vernachlässige Erziehung<br />
schulderhöhend oder schuldmildernd? § 34, 1:<br />
schuldmildernd. Widerspruch zum reduzierten<br />
Schuldbegriff,. Präventiv aber: höhere<br />
Gefährlichkeit.<br />
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Inhalt der <strong>Strafzumessung</strong>sschuld im<br />
einzelnen<br />
Schuld = verschuldetes Unrecht:<br />
Unrecht: Eigenschaften der Tat<br />
1.) Handlungsunwert:<br />
− Vorsatz oder Fahrlässigkeit<br />
− Vorsatzdelikt:<br />
− Grad des Vorsatzes (Absichtlichkeit<br />
oder dol. ev.) und<br />
− Gegenstand des Vorsatzes (insbes<br />
Höhe des Schadens; auch Versuch)<br />
− Fahrlässigkeitsdelikt: Grad der<br />
Sorgfaltswidrigkeit.<br />
2.) Erfolgsunwert der Tat<br />
− Höhe des tatsächlich eingetretenen<br />
Schadens: Tod oder Verletzung;<br />
Vermögensschadens (Versuch milder)<br />
Aber: Höhe des beabsichtigten<br />
Schadens schulderhöhend.<br />
Beim FlDel kein Versuch.<br />
HM: Auch außertatbestandsmäßige<br />
Schaden, soziale Erschütterung, die die<br />
Tat hervorgerufen hat.<br />
verschuldete Schaden = der objektiv<br />
zurechenbare Schaden<br />
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3.) Schuld im engeren Sinn:<br />
Maß der Vorwerfbarkeit, Vorwurf in seiner<br />
Quantifizierung.<br />
− Verminderte Schuldfähigkeit:<br />
Geisteszustand, Alter<br />
− Gesinnungsschuld: Bewertung der<br />
Gesinnung des Täters, die in der Tat zum<br />
Ausdruck kommt: Motive und<br />
Beweggründe des Täters im Lichte des<br />
Vergleichs mit dem Verhalten eines<br />
rechtstreuen Menschen:<br />
− ZB: Drucksituationen, die an einen<br />
Entschuldigungsgrund heranreichen (zB<br />
aus Not); Rechtsirrtum<br />
− Verhältnis zwischen Gesinnungsschuld<br />
und Unrechtskomponente der Schuld:<br />
Das objektive Maß des Unrechts<br />
begrenzt die Gesinnungsschuld.<br />
− Charakterologische Schuldkomponente:<br />
Unbescholtenheit, Rückfall und Vorstrafen;<br />
im weiteren Sinn: seine bisherige<br />
Lebensführung<br />
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In dieses System einzelne Erschwerungs- und<br />
Milderungsgründe (§§ 32 bis 35) einordnen:<br />
• Aufzählung demonstrativ, Rückgriff auf<br />
die Grundgedanken erforderlich.<br />
• Außerdem: Nicht zählen, sondern wägen.<br />
Wichtig: Vorstrafen / Unbescholtenheit<br />
Sonderfälle in § 34:<br />
− Z 14: Schadensgutmachung durch Dritten<br />
− ZZ 15 bis 17: Nachtatverhalten (insbes<br />
Geständnis)<br />
− Z 18: Tat vor langer Zeit begangen<br />
− Z 19: persönliche Betroffenheit<br />
− Abs 2: überlanges Verfahren<br />
− OGH: Verleitung durch verdeckten Ermittler<br />
Nicht im Gesetz genannte Milderungsgründe:<br />
− Mitverschulden des Opfers - Minderung der<br />
Sfw. oder Verständlichkeit der Tat.<br />
− Ungewöhnliche Kausalverläufe, an der<br />
Grenze des Ausschlusses der objektiven<br />
Zurechnung<br />
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Sonderfall Berauschung § 35:<br />
Vollrausch – Minderrausch. Nicht nur Alkohol.<br />
Vollrausch als Schuldausschließungsgrund § 11,<br />
aber § 287.<br />
Minderrausch: logisch schuldmindernd; aber<br />
Erschwerungsgrund bei manchen Tatbeständen<br />
(insbes § 81 – Vorhersehbarkeit!).<br />
Grund der widersprüchlichen Haltung:<br />
Zwiespältige Haltung der Gesellschaft zum<br />
Alkohol.<br />
§ 35: Grundsätzlich mildernd wegen der<br />
Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit. Aber<br />
dann nicht, wenn diese Schuldminderung durch<br />
den Vorwurf aufgewogen wird, den das Trinken<br />
den Umständen nach begründet.<br />
Praktisch: Es kommt auf das Motiv und auf die<br />
Umstände des Trinkens an (zB Vorhersehbarkeit<br />
einer gefährlichen Handlung, dann keine<br />
Milderung)<br />
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Prozessuale Umsetzung<br />
Überprüfbarkeit der Entscheidung über die<br />
<strong>Strafzumessung</strong>; Rechtsmittel<br />
− Änderung des Strafsatzes:<br />
− Rechtsfrage: NB Z 9, Berufung wegen<br />
Nichtigkeit<br />
− Tatfrage: Berufung wegen Schuld<br />
− innerhalb des Strafrahmens (höher/ niedriger,<br />
§ 41, § 37, § 43): Berufung wegen Strafe<br />
auch Tatsachenfestellungen<br />
− Ausnahme: besonders schwerwiegende<br />
Rechtsfehler: Nichtigkeitsgrund Z 11<br />
(Sanktionsrüge):<br />
− Strafbefugnis überschritten (zwingende<br />
gesetzliche Vorschriften, zB 6 Jahre<br />
bedingt)<br />
− Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt<br />
− in unvertretbarer Weise gegen<br />
Bestimmungen über <strong>Strafzumessung</strong><br />
verstoßen<br />
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Nachträgliche Strafmilderung<br />
Problem Rechtskraft<br />
− Wiederaufnahme bei Strafsatzänderung<br />
4.000 Euro ---> 2.000 Euro<br />
− Milderungsgründe innerhalb des<br />
Strafsatzes: Keine Wiederaufnahme<br />
Materielle Voraussetzungen (§ 31a Abs 1)<br />
− nachträglich Umstände bekannt werden<br />
10.000 Euro ---> 2.000 Euro<br />
− oder (Erweiterung!) eintreten<br />
− nur für Milderung<br />
Nur bei Tatsachenfehlern / -änderungen,<br />
nicht bei Rechtsfehlern (allenfalls NBzWdG)<br />
Verfahren (§ 410 StPO): Erstgericht (3-Richter-<br />
Senat), Beschwerde an den übergeordn. GH<br />
Praxis der <strong>Strafzumessung</strong> in Österreich<br />
− West-Ost-Gefälle<br />
− <strong>Strafzumessung</strong> und Rückfall<br />
− <strong>Strafzumessung</strong> und Alkohol<br />
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