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(14) Luhmann (1990:51, fett DJ) "Während Sprachphilosophen oft meinen, Sprache sei ein System (wenn nicht gar: das einzige System für die Koordination von Lebenszusammenhängen), ist für die hier vorgestellte Analyse entscheidend, Sprache als Nichtsystem anzusehen, das Sy-‐ stembildungen im Bereich von Bewußtsein und Kommunikation erst ermöglicht, indem es die strukturelle Kopplung der beiden Systemarten ermöglicht." 3.2. Grammatik als soziologisches Phänomen: Routinisierung, Institutionalisierung, Ritualisierung Komplementarität zwischen funktionaler Effizenz und Verwendungsfreiheit Rationalisierung und Institutionalisierung (Max Weber, Berger/Luckmann) Coseriu: Norm als nicht-funktioneller Aspekt des Systems Defunktionalisierung und Funktion 2. Grades: Funktionen des Nicht-Funktionellen: • Sprachspiel? • Wohlgeformtheit (Seiler i.V.) • Processing: Formatierung, Perzeption, Kategorisierung, ... (Garfinkel; Douglas; Haiman 1994 mit Verweisen) • Soziale Integration, Handlungsstrukturierung (Talcott Parsons, Berger/Luckmann) • phatic communion (Durkheim, Malinowski) 4. Ein Beispiel: das periphrastische Perfekt im Iberoromanischen 4.1. Die Entstehung des periphrastischen Perfekts als Cline (Fleischman 1983:195, basiert auf Harris 1982) 1. Zustände i. d. Gegenwart als Resultat aus Vorgängen i. d. Vergangenheit Sizilianisch, Kalabresisch 2. Vorgänge i. d. Vergangenheit, die bis in die Gegenwart andauern/ sich wiederholen Galicisch, Portugiesisch, Amerikan. Spanisch 3. Vorgänge i. d. Vergangenheit mit "present relevance" (Englisch), Europ. Spanisch, Okzitanisch, Französische Dialekte, Katalanisch (he fet) 4. Präteritum: Vorgänge i. d. Vergangenheit ohne Ausdruck eines speziellen Gegen-‐ wartsbezugs: Std.-‐Französisch, Nord-‐/Std.-‐Italienisch, Std.-‐Rumänisch, Katalanisch (vaig fer) 4.2. Modernes Portugiesisch: von der "present relevance" zum "kursiven Aspekt" (15) por fallar ao Mestre (...) sobre as mercadorias que lhe forom tomadas acerca do porto da dita cidade nas duas naaos, como tenedes ouujdo (1440, RDJ p. 11, Harre) "wie Ihr gehört habt" (16) Segundo o tenedes jurado e firmado (1440, RDJ § I, 111, Irmen) "wie Ihr geschworen und unterschrieben habt" (17) (...) está contra a legislação da Igreja (...) a qual até agora se tem pràticamente recu-‐ sado a discutir o problema (Suter 45) "die es bis jetzt praktisch abgelehnt hat, das Problem auch nur zu diskutieren" (18) já aqui tenho vindo (Suter) "ich bin hier schon einmal hergekommen" 4.3. haver und ter als Pefektauxiliare im Portugiesischen (Bsp. aus Harre 1991, Suter 1984, Irmen 1966) 4.3.1. ter feito (kausativ-‐durativ) (19) mostrou-‐lhe rey Poro todos seus thesouros que tinha escondidos (ca. 1400, ODE 62) "alle seine Schätze, die er versteckt hielt" ("versteckt hatte"?) (20) que el tinha oitemta homeens do arreall pressos (RDJ 54) "das er 80 Mann gefangen hielt" (21) inclusum in curia senatum habuerunt ... ita multos dies (Cic. Att. 6,2,8) "So hielten sie den Senat viele Tage in der Kurie fest" (22) quam summam (...) confiscatam semper repositamque habuerat (Suet. Aug. 101) "er hielt diese Summe immer konfisziert und beiseite" 4.3.2 ter/haver feito (deontisch/performativ) (23) Todo êste mal, que te eu digo, eu hei feito em uum soo dia (ca. 1300, Dem 75) "All dieses Übel, von dem ich dir spreche, habe ich an einem Tag vollbracht" (24) (...) a boa vida que ham feita (1515, Irmen 225) "das gute Leben, das sie geführt haben" (25) (...) nhuum nom será tam ardido que o a seu colo deite, senam a quem o Nosso Senhor há outorgado (1540, PJ 84) "niemand wird so kühn sein, daß er es sich um den Hals legt, wenn nicht derjenige, dem der Herr es zugedacht hat"
(26) (...) non tenho feita cousa, pela qual mereça seer louvado (Irmen 225) "ich habe nichts getan, wofür man gelobt zu werden verdienen würde" (27) Farieis bem de me dar humas (çapatas), que bem volas tenho merecidas (Irmen 225) "Ihr tätet gut, mir ein Paar Schuhe zu geben, denn ich habe sie mir bei Euch ver-‐ dient" (28) O meu coração (...) já o tenho prometido (Irmen 225) "Mein Herz (...) das habe ich schon versprochen" 4.3.3 ter/haver feito (metadiskursive Verwendung) (29) Acabado esto que avees ouvido (...) (1440, Irmen 225) "Nach dem, das, was Ihr gehört habt, beendet ist, ..." (30) Estamdo em Bragaa Vaasco Lourenço (...) depois que perdo Neyua como teendes ouuido (1440, RDJ 28) "Als Vasco Lourenço in Braga war (...) nachdem er Neyva vergessen hatte, wie Ihr gehört habt" (31) "Ey, ouue, ouuera, auerey, aja ouuesse, auer voces sunt plane lusitanae, quas tamen si cum participiis coniungas, nemo qui modo germanus sit Lusitanus te audiat: Ei estado em, ido a Roma, andado porRoma, tornado de Roma, Ei escrito muitas cartas, ei visto muytas cidades, a Lusitanae linguae proprietate ac stylo alienissima sunt; quae tamen ratio loquendi apud Baeticos elegantissima est (...), E. Álvares, 1572, Schäfer-‐Prieß 32) • Clines und Historizität: das periphrastische Perfekt geht im Spanischen und im Portugiesischen bis ins 15. Jh. einen gemeinsamen, dann völlig unterschiedlich Wege • Autonomie und Funktion: einmal grammatikalisiert ("autonom") kann die Peri-‐ phrase eine völlig arbiträre Entwicklung nehmen • Attractio durch die autonome Kategorie: ter + PPP verhält sich zunächst "universell", tritt dann aber anstelle von haver in die bereits grammatikalisierte Perfekt-‐Periphrase ein. • Das Aufkommen von ter + PPP als Perfektperiphrase ist kein ein neuer Gramma-‐ tikalisierungszyklus, sondern eine rein system-‐bezogene Veränderung 5. Konklusion: Grammatik als emergierte Struktur • Grammatischer Wandel vollzieht sich eher als Evolution von Systemen und generel-‐ len Situationen denn als Evolution von Formen und Syntagmen • Man muß unterscheiden zwischen funktionell motiviertem und rein systeminternem Wandel • Universelle clines (i.e., rekurrente Schemata beim Wandel) ergeben sich aus funk-‐ tionalen Prinzipien • Es gibt normative (= systeminterne) Prozesse, die sich einer funktionellen Erklä-‐ rung widersetzen. • Grammatische Autonomie ist gerade NICHT die Domäne des Universellen, sondern des eher Arbiträren. Berger, Peter L.; Luckmann, Thomas (1966): The Social Construction of Reality, New York, Doubleday. Bybee, Joan; Hopper, Paul J. (eds., 2001): Frequency and the emergence of linguistic structure, Amsterdam: Benjamins. Chomsky, Noam (1977): "Questions of form and interpretation" in: Essays on Form and In-‐ terpretation, New York etc.: North Holland. Coseriu, Eugenio ( 21967): "Sistema, norma y habla", dans: id., Teoría del lenguaje y lingüística general, Madrid: Gredos. Croft, William (1995): "Autonomy and Functionalist Linguistics", Language 71, 490-‐532. Croft, William (2000): Explaining Language Change. An Evolutionary Approach, Harlowe etc.: Pearson Education. Culicover, Peter (i.V.): Draft on Grammatical Complexity, Ms. Dahl, Östen (2004): The Growth and Maintenance of Linguistic Complexity, Amsterdam/Phila-‐ delphia: Benjamins De Acosta, Diego (2011): "Rethinking the genesis of the Romance periphrastic perfect", Diachronica 28 (2). 143-‐.-‐185. Detges, Ulrich (1999): "Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinan-‐ ten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern", in: Lang, J.; Neumann-‐Holzschuh, I. (eds.): Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen, Tübingen: Niemeyer, 31-‐52 Detges, Ulrich (2000): „Time and truth: the grammaticalization of resultatives and perfects within a theory of subjectification“, Studies in Language, 24:2, 345-‐377. Douglas, Mary (1986): How Institutions Think, Syracuse: Syracuse UP. Durkheim, Emile (1912): Les formes élémentaires de la vie religieuse, Paris.
Seite 1 und 2: Linguistisches Kolloquium der FU Da
Seite 3: 2. Entstehung von Grammatik als "gr

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