Bericht der Zeitschrift VISIER Januar 2010 - VDSK
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REPORTAGE<br />
Kanonenschießen des <strong>VDSK</strong><br />
Große Ereignisse werfen ihre<br />
Schatten voraus. Für <strong>2010</strong> plant <strong>der</strong><br />
Verband Deutscher Schwarzpulver-<br />
Kanoniere offene internationale<br />
Meisterschaften. Mitte November<br />
gab es einen Probelauf.<br />
Sven Helmes<br />
Petrus ist ein Kanonier. Klar, immerhin hat er quasi<br />
von Berufs wegen mit Donner zu tun. An<strong>der</strong>s war<br />
das Wetter nicht zu erklären, als sich am 20. November<br />
vergangenen Jahres Schwarzpulver-Kanoniere aus<br />
ganz Deutschland zu einem Schießen auf dem Gelände<br />
des Raketenartillerie-Batallions 132 im thüringischen<br />
Son<strong>der</strong>shausen trafen: strahlen<strong>der</strong> Sonnenschein und<br />
Oben: Beson<strong>der</strong>s das spektakuläre Nachtböllern des<br />
<strong>VDSK</strong> auf Burg Allstedt ist ein optisches Highlight.<br />
Links: kein Nebel, son<strong>der</strong>n dichter Pulverdampf — lecker!<br />
gepflegte 18 Grad statt kaltem Herbstwind o<strong>der</strong> Schneeregen.<br />
Doch nicht nur das Wetter trug dazu bei, dass die<br />
Teilnehmer glänzende Laune hatten, auch die seltene<br />
Gelegenheit <strong>der</strong> Kanoniere, ihre Geschütze mal auf Distanzen<br />
von 100 und 200 Metern zu testen, ließ Freude<br />
aufkommen. Denn <strong>der</strong>lei Möglichkeiten sind rar, so<br />
dass die Teilnehmer auch größere Entfernungen auf<br />
sich nahmen. Möglich ist dies dank <strong>der</strong> <strong>der</strong> guten Verbindung<br />
des <strong>VDSK</strong> mit <strong>der</strong> Bundeswehr. 2008 fragte<br />
das Raketenartilleriebataillon bei den Kanonieren an,<br />
ob sie die Verabschiedung des damaligen Kommandeurs<br />
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Fotos: Sven Helmes, <strong>VDSK</strong>, <strong>VISIER</strong>-Archiv
REPORTAGE<br />
stilecht begleiten wollen. Sie wollten. Und so<br />
wuchs eine enge Gemeinschaft, die 2009 mit<br />
einem Partnerschaftsvertrag besiegelt wurde.<br />
Das Schießen war ein Probelauf für eine<br />
Veranstaltung, die <strong>der</strong> Verband Deutscher<br />
Schwarzpulver Kanoniere e.V. (<strong>VDSK</strong>) für<br />
den 11. und 12. Juni auf dem selben Gelände<br />
plant. Dann sollen dort die offenen internationalen<br />
Meisterschaften für Vor<strong>der</strong>la<strong>der</strong>-Kanonen<br />
im Kaliber 51-90 Millimeter stattfin-<br />
den. Der <strong>VDSK</strong> ist ein relativ junger Verband.<br />
2006 gegründet, hat er seinen Sitz — stilecht<br />
— auf Burg Allstedt (Sachsen-Anhalt). Das<br />
Ziel <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>väter, eigentlich Mitglie<strong>der</strong><br />
des Deutschen Modellkanonen Verbandes,<br />
war, durch den Entwurf einer eigenen Sportordnung<br />
waffengesetzmäßig auf <strong>der</strong> sicheren<br />
Seite zu sein. Deshalb trat man <strong>der</strong> Deutschen<br />
Schießsport-Union (DSU) bei. 36<br />
Mitglie<strong>der</strong> hatte <strong>der</strong> Verband bei <strong>der</strong> Gründung,<br />
heute sind es über 200. Der örtliche<br />
Schwerpunkt für die Teilnehmer ist zwar<br />
<strong>der</strong> Osten Deutschlands, aber auch Bayern,<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen, Schleswig-Holstein, Baden-<br />
Württemberg und Berlin sind mit dabei. Geschossen<br />
werden Schwarzpulver-Kanonen<br />
bis 150 Millimeter Kaliber. Die meisten Mitglie<strong>der</strong><br />
kommen aus dem Bereich <strong>der</strong> Modellkanoniere.<br />
Doch steigt die Zahl <strong>der</strong> Reenactors<br />
und Böllerschützen, die ihre Schätzchen<br />
mal scharf erleben wollen. Die meisten<br />
von ihnen drehen ihre Kanonenrohre selbst<br />
und versehen sie dann mit einem Einsteck-<br />
lauf. Gezündet wird mit Zündschnur, Perkussions-<br />
o<strong>der</strong> Luntenzündung. Der notwendige<br />
Beschuss erfolgt entwe<strong>der</strong> in Suhl o<strong>der</strong><br />
Mellrichstadt. Trotz des Eigenbaus ist das<br />
Kanonenschießen kein billiges Hobby; immerhin<br />
werden je nach Kaliber (und individueller<br />
Vorliebe) zwischen 150 und 500<br />
Gramm Schwarz- o<strong>der</strong> Böllerpulver je Schuss<br />
geladen. Hinzu kommen meist lange Anfahrtswege<br />
zu den wenigen Schießgelegenheiten<br />
und die Kosten für einen Anhänger;<br />
Improvisationstalent: Der Wischer zum Reinigen des Laufes ist eine umfunktionierte Anstreicherrolle<br />
aus dem Baumarkt (l.). Das Winkelmessgerät wird auf den Lauf gestellt und dient zum<br />
Berechnen des Höhenwinkels. Feste Visierungen gestattet die Sportordnung nämlich nicht.<br />
schließlich lassen sich Geschütze dieser<br />
Größenordnung mit ihrem Gewicht von mehreren<br />
Hun<strong>der</strong>t Kilogramm nicht gerade im<br />
Waffenköfferchen transportieren. Doch <strong>der</strong><br />
<strong>VDSK</strong> versteht sich nicht nur als Schützenverein,<br />
son<strong>der</strong>n widmet sich auch <strong>der</strong><br />
Brauchtumspflege. So veranstalten die Kanoniere<br />
einmal im Jahr unter dem Motto<br />
“Donner über Allstedt” auf <strong>der</strong> Burg ein großes<br />
Treffen <strong>der</strong> Böllerschützen mit einem<br />
aufsehenerregenden Nachtschießen.<br />
Nicht min<strong>der</strong> spektakulär sieht es aus, wenn<br />
die Kanonen in einer Reihe aufgereiht zum<br />
Wettkampf antreten. Die einen richten ihre<br />
Kanonen mit historischen Visierhilfen aus,<br />
die auf den Lauf aufgesetzt werden, an<strong>der</strong>en<br />
genügt ein weißer Kreidestrich als grobes<br />
Korn. Was nach <strong>der</strong> Zündung erfolgt, sind ein<br />
erstaunlicher Mündungsblitz, ein tiefes Donnergrollen<br />
und <strong>der</strong> Aufschlag <strong>der</strong> Kugel —<br />
idealerweise auf <strong>der</strong> Scheibe, zumindest bei<br />
den ersten Schüssen meist irgendwo im Ge-<br />
Kanonenschießen des <strong>VDSK</strong><br />
Keine Haushaltshilfe, son<strong>der</strong>n ein Sonnenschutz: Das Tuch<br />
verhin<strong>der</strong>t Sonnenreflexe auf dem Rohr, so dass <strong>der</strong> Richtkanonier<br />
besser über das Rohr visieren kann. Der Rest ist Erfahrung.<br />
Das Tpyenschild <strong>der</strong> “Josephine”. Kaliber 75 mm,<br />
Reichweite 100 Meter, Baujahr des Vorbildes: 1805.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Spektive dienen zur Zielauswertung. Weil die Kanonen<br />
durch die Schussenergie zurückrollen, müssen sie nach jedem<br />
Schuss komplett neu eingerichtet werden.<br />
So geht’s auch: Ein einfacher Kreidestrich im Mündungsbereich<br />
dient als Kornersatz und ermöglicht zumindest das grobe Zielen.<br />
Der Ladevorgang bei Perkussionszündung: Der Schütze füllt das Pulver in den Zündkanal. Danach wird das Piston aufgeschraubt und<br />
das Zündhütchen gesetzt. Der Ausschnitt im mittleren Bild zeigt die Beschussmarke, über die jede Kanone verfügen muss.<br />
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REPORTAGE<br />
Da staunen die Herren von <strong>der</strong> Polizei: Gegen die Kanonen wirken die Dienstpistolen reichlich<br />
unterdimensioniert. Das Bild oben rechts zeigt, wie schwer das Visieren mit <strong>der</strong> Kanone auf<br />
100 Meter Distanz ist. Unten: Dank Doppelbelichtung sieht man das Zurückrollen im Schuss.<br />
lände. Doch den Einschlag sieht nur <strong>der</strong> entfernt<br />
stehende Betrachter. Die Schützen<br />
selbst umhüllt eine dichte Wolke aus Schwarzpulverdampf,<br />
die ihnen die Sicht nimmt und<br />
zugleich ein freudiges Grinsen entlockt.<br />
Denn das Schießen mit einer solchen Kanone<br />
ist einfach Männerspaß pur!<br />
Terminhinweis: Die offenen internationalen<br />
Meisterschaften <strong>der</strong> Großgeschütze samt Biwak<br />
finden vom 11. bis 13. Juni <strong>2010</strong> auf dem<br />
Truppenübungsplatz des Raketenartilleriebataillons<br />
132 <strong>der</strong> Bundeswehr in Son<strong>der</strong>shausen<br />
(Thüringen) statt. Zugelassen sind<br />
Kanonen mit gültigem Beschuss im Kaliber<br />
von 51 bis 90 Millimeter, die Kugeln müssen<br />
aus Stahl o<strong>der</strong> Beton sein. Geschossen wird<br />
auf die Musketenscheibe in <strong>der</strong> Klasse 9 auf<br />
100 Meter, in <strong>der</strong> Klasse 9b auf 200 Meter<br />
Distanz. Zugelassen sind nur Feldlafetten.<br />
Geschossen werden sieben Schuss, davon<br />
zwei zur Probe. Die Geschützbesatzung darf<br />
aus zwei bis vier Mann bestehen. Die Wettkampfzeit<br />
beträgt 60 Minuten, davon dienen<br />
zehn <strong>der</strong> Vorbereitung. Das Startgeld beträgt<br />
25 Euro, historische Uniformen sind ausdrücklich<br />
erwünscht. Zuschauer sind gern<br />
gesehen, da <strong>der</strong> Wettkampf im Rahmen des<br />
Tages <strong>der</strong> offenen Tür <strong>der</strong> Bundeswehr stattfindet.<br />
Infos im Netz unter www.vdsk.eu Æ<br />
Kanonenschießen des <strong>VDSK</strong><br />
Rechts: Wer den Wassereimer vergisst, nimmt<br />
halt eine Pfütze. Daneben: Die “Leuchtkugeln”<br />
sollen beim Wie<strong>der</strong>finden helfen. Kein billiger<br />
Spaß: So eine Kanone schluckt ein paar<br />
hun<strong>der</strong>t Gramm Schweizer Pulver. Genau im<br />
richtigen Moment fotografiert (u.): Deutlich<br />
sind Zünd- und Mündungsfeuer zu sehen.<br />
Mitte rechts: Auch das Handwerkszeug des<br />
Kanoniers ist eine deutliche Spur größer.<br />
“Ich würd’ ja zielen, aber bei dem Dampf seh’<br />
ich nichts.” Wer jemals ein Kanonenschießen<br />
besucht hat, bekommt einen vagen Eindruck<br />
von den Schwierigkeiten, denen die Artilleristen<br />
<strong>der</strong> Schwarzpulver-Ära ausgesetzt waren.<br />
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